Bloodrush – Kuss der Unsterblichkeit - Melanie Trenker - E-Book
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Bloodrush – Kuss der Unsterblichkeit E-Book

Melanie Trenker

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Beschreibung

Wer von den Vampiren erfährt, muss sterben! Der einzige Ausweg? Unsterblichkeit ... Eine mitreißende, moderne Romantasy für Fans von Jennifer L. Armentrout  »Und wie tötet man dann Vampire?«, frage ich Will und knete mir nervös die Hände. Er zieht eine Augenbraue nach oben. »Wenn ich dir das erzähle, muss ich dann Angst haben, dass du mich im Schlaf erdolchst?« Ich zucke mit den Schultern, ein seichtes Lächeln auf den Lippen. »Das kommt ganz darauf an, ob du nett zu mir bist!«  Nach dem rätselhaften Tod ihrer Eltern flüchtet Grace in eine neue Stadt. Bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Fechten, begegnet sie dem selbstverliebten Will, der ihr Blut auf mehr als eine Art zum Kochen bringt. Als sie sein Geheimnis aufdeckt, ändert sich jedoch alles, denn Will ist ein Vampir. Grace stolpert mitten hinein in eine gefährliche Welt voller Intrigen und Machtspiele und steht plötzlich vor der Wahl zwischen dem Tod und dem ewigen Leben als Vampir. Doch dafür muss sie erst den Hohen Rat überzeugen, sie in ihre Reihen aufzunehmen ...  »Die Chemie zwischen Will und Grace lässt das Blut in meinen Adern rauschen. Spannend, spicy und stilvoll. Vampir Romance vom Feinsten.«  »Eine heiße Vampir Romance, die mich so gefesselt hat, dass ich sie nicht weglegen konnte. Perfekt für dunkle Tage und noch dunklere Nächte.« (Ada Bailey, Autorin von Stars in our Hands) »Geheimnisse, Kämpfe, Intrigen und ein sexy Vampir - die perfekte Mischung für ein Fantasy Debüt voller rasanter Szenen, toller Figuren und jede Menge Spektakel. Was braucht ein Debüt bitte mehr um den Leser zufrieden zu stellen? Klare Empfehlung!« ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Redaktion: Cara Kolb

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: Shutterstock (Anna Timoshenko, Ironika, kaisorn, xpixel); Freepik (kjpargeter, m.vichakorn, freepik)

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Triggerwarnung

Widmung

Playlist

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Danksagung

Triggerwarnung

Anmerkungen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Dieses Buch enthält Themen, die triggernd wirken können. Eine Auflistung, die jedoch den Inhalt des Buches spoilern kann, befindet sich am Ende des Textes.[1]

 

Wir wünschen ein bestmögliches Leseerlebnis.

Für all jene, die die Magie in unserer Welt noch sehen können. Und für die, die sie vermissen.

Und für dich Mama. Weil ich wünschte, du wärst unsterblich gewesen.

Playlist

Play with Fire – Nico Santos

Dirty Thoughts – Chloe Adams

Toms Dinner – True Blue Hero, Lola Holmes

Light switch – Charlie Puth

Ashes – Stellar

Fallin’ (Adrenalin) – Why Don’t We

Teeth – 5 Seconds of Summer

Just a Kiss – Lady A

Grandson – Blood/Water

Glitter and Gold – Barns Coutry?

Sentimental – GRAACE

Like a Vampire – Catrien

Its ok – nightbird

Stitches – Shawn Mendes

Engravings – Ethan Bortnick

You don’t own me – SAYGRACE, G-Easy

Devil Inside – CRMNL

Warrior – Demi Lovato

All the good girls go to hell – Billie Eilish

Killer inside of me – Common Sense

Don’t blame me – Taylor Swift

Death of me – Daughtry

Happiness is a butterfly – Lana del Rey

If You Love Her – Forest Black

Forever – Labyrinth

Prolog

Dunkle Rauchschwaden kriechen über Boden und Wände an die Decke und trüben meine Sicht. Beißender Rauch füllt meine Lunge und lässt mich husten. Ich stolpere vorwärts. Gleißend helle Flammen schlagen nach mir. Der Schweiß tropft langsam von meiner Stirn und die schwelende Hitze versengt meine Haut.

»Nein! Emma«, höre ich den schmerzerfüllten Schrei meines Vaters. »Lass sie in Ruhe! Bitte!«

Die Panik in seiner Stimme bohrt sich in mein Herz. Ich laufe schneller, verbrenne mir die Finger an der heißen Türklinke und zucke zurück. Der Gestank von verbranntem Fleisch überlagert langsam den des Benzins. Krampfhaft blinzle ich gegen das Brennen an, dass der dichte Rauch in meinen Augen hinterlässt, und ignoriere die Tränen, die über meine Wangen laufen. Das Einzige, was jetzt zählt, sind meine Eltern.

»Dad!«, kreische ich panisch, aber ich erhalte keine Antwort. Ich versuche es noch einmal und stoße die Tür auf, doch der Raum ist leer. Ich kämpfe mich durch die Flammen, folge den markerschütternden Schreien nach oben. Die Treppe ächzt unter der Belastung. Funken stoben auf und versengen meine Haut. Ein glühender Holzbalken stürzt vor meine Füße und ich schreie auf.

»Richard«, schluchzt meine Mom und formt ein stummes »Ich liebe dich« mit ihren von Ruß bedeckten Lippen. Pure Verzweiflung steht in ihren Augen. Sie strecken die Hände nach einander aus, um sich beizustehen.

»Mom! Dad! Ich bin hier!«, rufe ich ihnen zu, doch niemand hört mich.

Nur noch ein kleines Stück!

Tränen laufen über die Wangen meiner Mutter, als eine dunkle Gestalt auf sie zutritt und sie mit einer weiteren Salve Benzin übergießt. »Ihr hattet die Wahl!«

Meine Lunge rebelliert, weigert sich noch mehr von dem Rauch in sich aufzunehmen. Ich halte mich an der Wand neben mir fest. Die Sinne benebelt vom Sauerstoffmangel, sammle ich alles, was ich noch an Kraft besitze.

»Nein«, schreie ich aus vollem Hals, bis meine Stimme in einem röchelnden Husten versiegt. Ich renne weiter auf sie zu, will ihnen helfen – sie retten – doch im nächsten Augenblick, reißt mich eine Stichflamme zurück, und ihre schmerzerfüllten Schreie dröhnen in meinen Ohren. Ein Inferno aus rot und orange verschlingt sie und alles, was sich jemals in der kleinen Berghütte befunden hat.

Meine eigenen Schreie mischen sich unter die ihren, und ich schlage um mich, als könnte ich die Flammen so ersticken. Im nächsten Augenblick kracht die Decke über mir. Ein brennender Balken stürzt auf mich nieder und meine Welt wird schwarz, ehe mich der Schmerz erreichen kann.

Kapitel 1

Fasziniert und zugleich beeindruckt blicke ich auf die riesige, weiße Villa vor mir. Sie dürfte aus der Renaissancezeit stammen, wenn ich die Symmetrie und die harmonischen Proportionen richtig deute.

Brixton ist generell darauf bedacht, die alten Gebäude und Fassaden zu erhalten, sodass sogar die Fechthalle in einer historischen Villa untergebracht ist. Und so komme ich mir vor wie auf einer Zeitreise, wenn ich durch die Straßen der Kleinstadt schlendere.

»Unglaublich!«, flüstere ich mir selbst zu. Es ist zwar erst mein zweiter Tag hier, aber ich gebe zu, ich bin beeindruckt. Plötzlich beflügelt von dem Gedanken, mich dort gleich voll und ganz in der Fechtkunst auszuleben, werfe ich mir die Sporttasche über die Schulter und laufe die breite Treppe zum Eingang hoch. Direkt zwischen den mit kunstvollen Stuckarbeiten verzierten Säulen hindurch, die das Gebäude stützen.

Links von mir führt eine schmale Treppe ins obere Stockwerk, die ich in meiner Aufregung erst einmal links liegen lasse. Unzählige Ölgemälde hängen an den Wänden und ein dicker, roter Teppich dämpft meine Schritte.

Überwältigt von dem prachtvollen Anblick, der sich mir bietet, werde ich langsamer und sehe mich genauer um. Fast schon andächtig folge ich dem breiten Gang, der sich vor mir erstreckt. Ich lasse mich von dem Lärm leiten, den die aufeinandertreffenden Degen von sich geben und dem unterschwelligen Geruch von Schweiß und Metallpolitur, der seit jeher meinen Ehrgeiz weckt.

»Entschuldige, wo sind denn hier die Umkleiden?«, frage ich einen der Fechtlehrer, der mir im Gang entgegenkommt. Seine schwarze Kleidung zeichnet ihn sofort als solchen aus.

»Gleich da hinten links!«, meint er freundlich und deutet in die Richtung, aus der er gekommen ist. »Du bist neu hier, oder?«

Ich nicke, und er greift sich ein Formular von einem kleinen Tisch auf der Seite. »Dann hast du ja genau den Richtigen erwischt. Ich bin Marc. Einer der Trainer hier«, erklärt er und reicht mir den Zettel. »Damit kannst du dich bei uns anmelden. Das erste Training ist gratis und dann gibt es zwei Angebote. Einmal für diejenigen, die Privattraining möchten und ein etwas günstigeres Angebot, wenn du dich hier nur mit anderen Fechtern zum Üben treffen willst. Das wird wohl eher etwas für dich sein«, merkt er an und deutet auf meine Sporttasche mit den Fechtsachen.

»Danke«, erwidere ich und kleine Lachfältchen kräuseln sich um Marcs braune Augen.

»Nicht dafür!«, meint er und wendet sich zum Gehen. »Lass mich wissen, wenn du etwas brauchst!«, ruft er noch halb über die Schulter.

Ich nicke, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob er das noch sieht, und gehe weiter. Direkt gegenüber von den Umkleiden öffnet sich der Gang in einen großen Saal, der offenbar zum Fechtraum umgestaltet wurde. Erste Fechter tummeln sich schon auf den Bahnen und sind vertieft in ihre Übungen. Ich beeile mich, in die Umkleide zu kommen, damit ich mich ihnen endlich anschließen kann. Das ist genau das, was ich nach heute Nacht brauche. Nichts lenkt mehr ab als ein, zwei Stunden im Fechtsaal.

Der Umkleideraum ist nicht ganz so pompös wie der Rest des Hauses. Es gibt nichts außer ein paar alte, rostige Spinds und eine klapprige Bank, auf der ich meine Sachen abstelle.

Ich fülle schnell den Zettel aus, den Marc mir gegeben hat. Dann tausche ich Jeans und Tanktop gegen meinen weißen Nylonanzug, der sich an meinen Körper schmiegt wie eine zweite Haut.

Die meisten Fechter tragen eine Hose und eine Jacke. Ich selbst finde den Einteiler deutlich angenehmer. Sobald ich ihn anhabe, fühle ich mich stark. Ein Gefühl, das ich in letzter Zeit viel zu selten verspürt habe. Vielleicht ist das Leben aber auch einfach der falsche Gegner für einen Kampf.

Ich blicke in den kleinen Spiegel an der rissigen Wand, als könnte er mir die Antwort darauf liefern und richte notdürftig meine zerzausten Haare.

Früher hatten mich meine Eltern wegen der dunklen Haare, der hellen Haut und den vollen roten Lippen oft Schneewittchen genannt. Grace riefen sie mich nur, wenn ich etwas ausgefressen hatte. Doch allein der Gedanke daran sprengt mein geschundenes Herz erneut in tausend Stücke. Die Trauer schnürt mir die Kehle zu, und ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. Tränen brennen in meinen Augen, und ich blinzle krampfhaft dagegen an.

Als ich hierherzog, habe ich mir geschworen, nicht mehr an ihren Tod zu denken. Nicht mehr zu weinen. Ich wollte vergessen. Stark sein. Und doch scheinen mich meine Dämonen auf Schritt und Tritt zu verfolgen.

Wird das jemals aufhören? Die schlaflosen Nächte? Diese seltsamen Albträume?

Ich verstehe nicht einmal, warum ich davon träume. Ich bin gar nicht dort gewesen. Ich weiß nicht, was in jener Nacht geschehen ist, aber noch viel seltsamer ist, dass die Träume nicht mit dem übereinstimmen, was die Polizei ermittelt hat. Eine einfache, umgefallene Kerze soll schuld gewesen sein. Wieso also zeigen meine Träume ein anderes Bild?

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, wenn ich an heute Nacht denke. Eigentlich dachte ich, hier würde alles besser werden. Ich hatte gehofft, der Neuanfang könnte die Albträume vertreiben, aber sie sind mir hierher gefolgt und es tut immer noch weh wie am ersten Tag.

So ringe ich mit mir und meinen Gefühlen, bis plötzlich das Gegröle der Fechter in die Umkleide dringt und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Ich löse mich von meinem Spiegelbild, um die Erinnerungen zu verdrängen, und wische verstohlen unter meinen Augen entlang. Ich streiche mir eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, und meine Finger finden dabei die dünne Narbe, die sich seit Jahren durch meine rechte Braue zieht. Eine Verletzung aus meiner Anfangszeit beim Fechten.

Meinen Degen in der einen Hand und die Fechtmaske in der anderen, atme ich ein letztes Mal tief durch, um mich wieder zu sammeln. Dann trete ich nach draußen, um dem mitreißenden Tumult, der hier herrscht, auf den Grund zu gehen.

Unzählige Schwerter zieren die Wände im Fechtsaal und schwere Vorhänge liegen über den riesigen Fenstern. Die Decke ist deutlich höher als in den anderen Räumen und zum zweiten Stock hin offen. Auf einer kleinen Galerie drängen sich ein paar Leute und beobachten das Geschehen. Zwei junge Männer, nicht viel älter als ich, beginnen gerade einen Kampf. Die Fechter rundherum scheinen die Jungs zu kennen und fiebern mit.

»Komm schon Aimes, mach ihn fertig!«, feuert einer den etwas Schmächtigeren an.

»Ach, gegen Will hat er keine Chance!«, lacht Marc, der Trainer von vorhin, und ich lasse mich von der Energie, die hier herrscht, mitreißen.

Unauffällig folge ich seinem Blick, um zu erfahren, wer dieser Will ist, von dem er spricht. Ein junger Fechter mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und so weißer, ebenmäßiger Haut, dass man glauben könnte, er wäre in Stein gemeißelt. Am meisten faszinieren mich jedoch seine eisblauen Augen und ich wünschte der Kampf würde sich verlangsamen, damit ich Zeit hätte, mich darin zu verlieren.

Einen Moment lang bin ich irritiert. Bis mir klar wird, dass dieser Will, im Gegensatz zu seinem Gegner, keine Fechtmaske trägt. Ziemlich leichtsinnig, wenn man bedenkt, dass beim Degenfechten der ganze Körper als Angriffsfläche dient.

Gebannt vom Geschehen schiebe ich mich näher heran und lehne mich in sicherem Abstand an die Wand neben der voll besetzten Fechtbahn, um besser zu sehen.

Wills Bewegungen sind bemerkenswert elegant und präzise. Sein Kampfstil ist ungewöhnlich, fast schon altmodisch, aber absolut akkurat.

Mit der Geschmeidigkeit eines Panthers taxiert er seinen Gegner. Beinahe mühelos wehrt er sämtliche Angriffe des anderen Fechters ab. Selbst durch die weiße Fechtkleidung kann ich sehen, wie seine stählernen Muskeln sich bewegen. Er ist ein Kämpfer durch und durch.

»Was? Bist du etwa schon fertig?«, stachelt Will seinen Fechtpartner zusätzlich an. Ich sehe, wie er mit ihm spielt, ihn lockt und doch wieder auflaufen lässt.

»Halt die Klappe!«, schleudert Aimes atemlos zurück. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn, und die Anstrengung ist ihm längst anzusehen.

Wenn dieser Will wollte, hätte er ihn längst besiegt, davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich kann die Zurückhaltung in seinen Manövern deutlich erkennen. Es bereitet ihm eine hämische Freude, mit Aimes zu spielen. Sein Gegner ist aber so auf den Kampf fokussiert, dass er nicht bemerkt, wie er sich gerade bis auf die Knochen blamiert.

Wild mit dem Degen fuchtelnd, strampelt er sich ab, bis seine Bewegungen immer unkontrollierter und kraftloser werden, während Wills Gesicht nicht eine einzige Schweißperle zur Schau trägt. Die Arroganz, die er dabei an den Tag legt, macht ihn mir jedoch nicht gerade sympathisch. Auch wenn mich das Ganze eigentlich nichts angeht.

»Gib nicht auf Aimes!«, ruft schließlich einer der Zuschauer dazwischen. Doch selbst für einen ungeübten Fechter wäre Aimes im Moment ein leichtes Opfer und letztlich kommt es, wie es kommen muss. In nur drei geschickt angelegten Angriffen besiegt Will seinen entkräfteten Gegner.

»Vier zu eins für Will!«, verkündet Marc seinen Sieg, nachdem die beiden nicht mit der elektronischen Trefferanzeige verkabelt sind.

Es folgen enttäuschtes Gejammer und ein paar tröstende Worte für Aimes. Und endlich bleibt Will lange genug stehen, damit ich ihn genauer ansehen kann. Das arktische Blau seiner Augen scheint beinahe zu leuchten, und ich erwische mich dabei, wie ich ihn einen Augenblick zu lange anstarre, um es noch unauffällig zu nennen. Zum Glück liegt die Aufmerksamkeit der anderen nicht auf mir.

»Nehmt es nicht so schwer. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch gern für ein paar Unterrichtsstunden bei mir eintragen!«, kommentiert Will gönnerhaft.

In dem Moment bricht der Zauber seiner Augen. Er ist ein Arsch! Ein scharfer Arsch, aber immer noch ein Arsch.

Es ist eine Sache besser zu kämpfen. Eine andere, es so offen zur Schau zu stellen.

Ich konnte arrogante Menschen noch nie sonderlich leiden, und am liebsten würde ich ihm sein selbstgefälliges Grinsen direkt wieder austreiben. Alles in mir schreit danach, mich mit ihm zu messen, mit ihm zu kämpfen, und vor allem diesen Kampf zu gewinnen.

Während ich meinen Tagträumen nachhänge, sucht das selbsternannte Wunderkind des Fechtsportes nach einem neuen Herausforderer oder wohl eher nach einem neuen Opfer.

»Was? Niemand? Ach, kommt schon Leute. Seid keine Spielverderber«, spottet Will und die versammelte Mannschaft schüttelt nur den Kopf.

»Ich habe keinen Bock immer zu verlieren!«, meint einer.

»Der glaubt wohl, er kann sich alles erlauben, nur weil ihm der Laden gehört«, schimpft ein anderer Typ und wendet sich genervt ab.

»Das tue ich mir sicher nicht noch mal an!«, stimmt ihm die Frau daneben zu und wirft frustriert ihre Fechtmaske zur Seite.

»Wieso führt dieser Will sich eigentlich so auf?«, raune ich Marc zu.

Er steht mit verschränkten Armen neben mir und zuckt ungerührt mit den Schultern. »Ich schätze mal, weil es ihm Spaß macht. Hausverbot kann ihm keiner erteilen. Immerhin gehört der Fechtsaal seiner Familie.«

»Das erklärt einiges«, rutscht es mir heraus.

Ein leicht schiefes Grinsen zupft an Marcs Mundwinkeln. »William ist eigentlich ganz nett, wenn man ihn besser kennt!«, verteidigt er den jungen Mann.

Ich nicke, ehe ich ins nächste Fettnäpfchen treten kann und spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt.

Wills überlegenes Lächeln wird noch breiter nach den Reaktionen und bringt eine Reihe perfekter, weißer Zähne zum Vorschein. In dem Augenblick kann ich dem verheißungsvollen Drang in meinem Inneren nicht länger widerstehen.

»Ich kämpfe gegen dich!«, verkünde ich aus einem Impuls heraus, ehe ich meine Entscheidung noch einmal überdenken kann.

Kapitel 2

Erschrocken über mich selbst erstarre ich kurz, und die anderen Fechter mustern mich eingehend, als wollten sie prüfen, ob ich ihm gewachsen bin.

Ich weiß, dass es eine schreckliche Idee ist, mich auf diesen Kampf einzulassen, aber ich kann nicht anders. Dieser Will hat irgendetwas an sich, dass meine Neugierde weckt. Es ist wie dieser Reiz als Kind, wenn man nachsehen musste, ob der Teller auch wirklich heiß ist.

»Bitte Kleines, wenn du heute unbedingt verlieren willst«, meint er unverschämt und deutet mit einer einladenden Handbewegung auf die freie Fechtbahn.

Ich strecke den Rücken durch und recke das Kinn. So leicht lasse ich mich nicht einschüchtern.

»Ich habe nicht vor zu verlieren!«, stelle ich klar und schenke Will ein freches Grinsen. Vereinzelt geht ersticktes Gelächter durch die Reihen, und ich kann nicht sicher sagen, ob mich das verärgert oder motiviert. Ich hasse es, unterschätzt zu werden.

Wills Selbstsicherheit scheint nun doch ein wenig ins Wanken zu geraten, und er mustert mich von oben bis unten, als versuche er, abzuschätzen, ob ich ihm wirklich gefährlich werden kann. Sein Blick bleibt an meinen Brüsten hängen, die sich in diesen Klamotten allzu deutlich abzeichnen.

»Gefällt dir, was du siehst?«, fordere ich ihn heraus, nachdem sein Blick ein wenig zu lange dort verharrt.

»Nun, ich müsste lügen, wenn ich Nein sagen würde!«, quittiert er mit einem kessen Zwinkern und versucht ein Lachen zu unterdrücken.

»Auf fünf?«, frage ich und versuche mich so auf das Wesentliche zu konzentrieren.

»Drei reichen für den Anfang. Ich möchte dich nicht überstrapazieren«, meint Will großspurig.

»Oh, heute in Gönnerlaune?«, feixe ich, und er deutet eine Verbeugung an.

»Bei schönen Frauen immer!«

Diesmal kann ich ein Auflachen nicht mehr unterdrücken. Ich lege mein Handy und meinen Spindschlüssel an den Rand und trete auf die Matte, sobald ich mich gefangen habe. Normalerweise wird bei einem Einzel auf fünf bis fünfzehn Treffer gefochten. Eine Runde dauert dabei maximal drei Minuten. Drei Runden à drei Minuten Das sollten also locker zu schaffen sein.

»Würdest du uns wieder den Obmann machen?«, wendet sich Will an Marc und der Trainer tritt vor.

»Na klar.«

Als Zeichen des Respekts deute ich den Fechtergruß an, auch wenn Will es meiner Ansicht nach nicht verdient hat.

»En Garde!«, ruft Marc uns in Fechtstellung, und ich atme noch einmal tief durch.

»Die Füße im rechten Winkel. Beine leicht gebeugt. Fußspitzen und Knie bilden eine Linie!«, höre ich immer noch die Stimme meines ehemaligen Fechtlehrers. Ein Satz, den ich dank ihm auf ewig verinnerlicht habe. Dann ziehe ich meine Fechtmaske übers Gesicht.

Es hat lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, wie das Drahtgeflecht meine Sicht einschränkt. Mittlerweile bin ich froh über den zusätzlichen Schutz, den das feinmaschige Gitter mir gibt, und ich habe gelernt, mit dem kleineren Sichtfeld umzugehen.

Will hingegen scheint auf solche Dinge wenig Wert zu legen, was ich als ziemlich leichtsinnig einstufe. Aber es ist sein Gesicht, soll er damit machen, was er möchte.

»Prêtes?«, fragt Marc und wir nicken beide, um zu bestätigen, dass wir bereit sind. Die Sekunden verstreichen quälend langsam, während ich unseren Kampfrichter mit meinem Blick fixiere.

»Allez!«

Es gleicht einer Erlösung, als Marc mich mit dem Startsignal endlich davon befreit, Williams durchdringen Blick auszuweichen.

Mein Körper verfällt sofort in Kampfmodus, meine Muskeln spannen sich an, Adrenalin schießt durch meine Adern und beschleunigt meine Reaktionen. Keine Sekunde zu früh.

Will versucht sich direkt an einem Angriff. Die Wucht, die er in seine erste Attacke legt, ist so heftig, dass ich die Schwertschläge nur mit Müh und Not abwehren kann. Ich lasse mich kurz von ihm nach hinten drängen, nutze aber die erste Gelegenheit, die sich mir bietet, um Wills Angriff zu stoppen.

Ich fahre mit einem Arretstoß dazwischen und verschaffe mir so etwas Zeit, aber Will ist wirklich ein hervorragender Fechter. Ein belustigter Funke tritt in seine Augen und er drängt mich erneut ans Ende der Fechtbahn.

»Du hättest noch ein wenig üben sollen, bevor du mit den Großen spielst, Süße!«, witzelt er, sobald man mir die Anstrengung ansieht.

»Deine Süße kannst du dir sonst wohin stecken!«, stelle ich klar und gehe in die Offensive. Nur am Rande bemerke ich das aufgeregte Gemurmel unserer Zuschauer.

Meine erste Attacke wehrt Will mühelos ab, und ich beschließe, die Taktik zu ändern. Meine Stärke liegt eigentlich in der Finte. Ein Scheinangriff, der dazu dient, seinen Gegner zu einer übereilten Parade zu bewegen. Zu meinem Leidwesen durchschaut William meinen Bluff.

Wieder drängt Will mich an den Rand der Fechtbahn. Ich setze zum Gegenangriff an, lasse mich von meinem Instinkt leiten und erkämpfe mir meinen Platz langsam zurück. Diesmal ist es William, der sich ins Zeug legen muss, um meinem Degen zu entkommen. Er bekommt Schwierigkeiten, mit mir Schritt zu halten und rechtzeitig zu parieren, aber ich setze erbarmungslos nach.

»Treffer!«, verkündet Marc plötzlich, und ich kann es nicht glauben.

Ich habe ihn erwischt!

»Was …? Wie hast du …?«, stammelt Will ungläubig und schüttelt den Kopf, als könnte er nicht fassen, was da gerade geschehen ist.

»Du dachtest doch wohl nicht, dass ich dich einfach gewinnen lasse, oder?«, fordere ich ihn heraus und genieße diesen kleinen Triumph. Es ist mir unmöglich, die Schadenfreude in meinem Gesicht zu verbergen.

»Nein, ich bin nur etwas erstaunt. Unser Kätzchen hat anscheinend Krallen!«, bemerkt er dreist und ich verdrehe die Augen. Ich zeige ihm nur zu gerne, wie scharf meine Krallen sind.

Wir begeben uns erneut in Ausgangsposition und taxieren einander, sobald das Startsignal von Marc ertönt. Wir drängen uns gegenseitig vor und wieder zurück. Das metallische Klirren unserer stumpfen Klingen treibt mich weiter voran, lässt mich mutiger werden, und ich stoße weiter vor.

Wetteinsätze wechseln die Besitzer und das leise Getuschel unserer Zuschauer mischt sich in den Lärm des Kampfes. Das ist ungewöhnlich für inoffizielle Duelle.

Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich unaufmerksam und Wills Degen trifft so hart auf meinen, dass ich fast das Gleichgewicht verliere. Ich versuche mein Bestes, um meine Balance wiederzufinden, und mache einen Ausfallschritt, um meinen Sturz zu verhindern. Meine Fechtmaske segelt dank des Manövers zu Boden. Letzten Endes ist es jedoch William, der mich abfängt, indem er mein Handgelenk packt und mich mit einer geschickten Bewegung in seine Arme dreht.

Von außen betrachtet mag das Ganze vielleicht süß aussehen, aber ich ärgere mich über diese Dreistigkeit. Obwohl mich Wills verführerischer Duft nach Moos und Sandelholz zugegebenermaßen nicht ganz kalt lässt.

Im Moment gibt es nichts mehr, was uns auf Distanz hält. Mein schwerer Atem vermischt mit dem seinen setzt meinen Verstand kurzzeitig aus. Ich starre ihn einfach nur an, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geweitet vor Schreck. Erst jetzt fällt mir auf, dass Will mich fast um einen Kopf überragt. Am meisten fasziniert mich jedoch immer noch das unergründliche Blau seiner Augen, in dem ich mich nur ungern verliere.

»Treffer für Will!«, verkündet Marc. Seine Worte gleichen einer kalten Dusche und holen mich zurück in die Wirklichkeit. Diesmal hat William mich erwischt, aber das scheint plötzlich nur noch zweitrangig geworden zu sein.

Sobald mein Verstand wieder einsetzt, versuche ich mich von Will zu lösen, um zurück in Startposition zu gehen, aber er lässt mich nicht los. Der Griff um mein Handgelenk bleibt eisern, und er presst mich an sich.

Marc tritt vor, als wolle er ihn verwarnen, aber ich winke ab.

Spielt Will mit mir genauso wie mit Aimes eben?

Allein der Gedanke daran lässt den Kampfgeist in mir erneut aufwallen. In Wills Augen glitzert der Schalk. In meiner Verzweiflung trete ich nach ihm, aber mein Bein landet im Leeren, während ich erneut das Gleichgewicht verliere. Wieder sind es Williams Arme, die mich halten.

Plötzlich spüre ich seinen kühlen Atem an meinem Ohr, und eine prickelnde Wärme schleicht sich in meine Mitte.

»Du solltest etwas mehr auf deine Beinarbeit achten«, spottet er. Der raue Klang seiner Stimme bereitet mir Gänsehaut, und ich überhöre beinahe den Inhalt seiner Aussage.

»Lass mich los!«, zische ich dennoch, sobald ich seine Worte verarbeitet habe, und versuche noch einmal, mich von ihm loszumachen. Von Will kommt nicht mehr als ein amüsiertes Lachen, also ändere ich meine Taktik.

Ohne Vorwarnung presse ich meinen Körper ganz nahe an seinen. Vollkommen bewusst strecke ich ihm meine Brüste entgegen und beiße mir verführerisch auf die Lippen. Wills Reaktion lässt nicht lange auf sich warten, und diesmal bin ich es, die verschmitzt lächelt. Männer sind so leicht zu beeinflussen.

Sein Griff löst sich ein wenig. Gerade genug, damit ich meine Arme befreien kann. Will kommt mir ein winziges bisschen entgegen, und ich spüre förmlich dieses Feuerwerk in ihm, das immer kurz vor einem Kuss entsteht. Diese Sekunde voller Unsicherheit und Verlangen, die beinahe berauscht wie eine Droge.

Es ist, als würde der ganze Raum die Luft anhalten.

Im nächsten Moment hole ich mit der freien Hand aus und stoße ihn mit aller Kraft von mir. Ich hebe meinen Degen und noch bevor Will überhaupt reagieren kann, erziele ich einen Treffer in Herzhöhe.

»Du solltest mehr auf deine Konzentration achten!«, äffe ich seinen belehrenden Ton von vorhin nach. Ein zufriedenes Grinsen liegt auf meinen Lippen.

»Was zur Hölle …?«, staunt er, und ich amüsiere mich prächtig. Unsere Zuschauer jubeln und klatschen.

»Zwei zu eins für unsere Neue!«, bestätigt Marc noch einmal offiziell.

»Hammer Show!«, meint Aimes und klopft mir anerkennend auf die Schulter. Ich schenke ihm ein Lächeln und hebe meine Sachen neben der Matte wieder auf.

Das Vibrieren meines Telefons reißt mich schließlich zurück in die Realität, und ich linse kurz auf den Bildschirm.

Viel Glück bei deinem Bewerbungsgespräch heute!, prangt dort eine Nachricht von Tante Elenore.

Mist! Mist, Mist, Mist! Das war heute?! Mein Blick fällt auf die große Standuhr in der Ecke, und ich erschrecke. Fast zwölf. Shit!

Hastig verabschiede ich mich mit dem Fechtergruß, wie es sich gehört, ehe ich mich durch die jubelnde Menge zum Ausgang dränge.

»Warte!«, ruft Will mir noch nach und versucht mich durch die Menge hindurch einzuholen. »Wie heißt du?«, will er wissen. Sein Alpha-Getue scheint wie weggeblasen, aber ich habe keine Zeit, ihm zu antworten, und setze meinen Weg unbeirrt fort.

Kapitel 3

Immer noch verschwitzt und im Fechtanzug renne ich nach Hause, wobei mich einige Passanten neugierig mustern. Das Outfit ist sicher nicht alltäglich. Dazu das verwaschene Grinsen, das auf meinen Lippen liegt. Aber ich störe mich nicht weiter daran. Viel mehr frage ich mich, ob ich Will wiedersehen werde, wenn ich das nächste Mal den Fechtsaal betrete.

Trotz seiner unverschämten Art hat er Eindruck bei mir hinterlassen. Mögen es nun seine Fechtkünste sein oder sein entgegen allem nicht zu leugnendes gutes Aussehen. Wahrscheinlich ist es aber nur der Reiz, mich noch einmal mit ihm zu messen.

Zuhause angekommen, dusche ich schnell und denke immer noch an ihn. Ein Blick auf die Uhr verrät mir jedoch, dass ich besser nicht in Tagträume verfallen sollte. Ich bin viel zu spät dran und ich bin sicher, Tante Elenore erwürgt mich, wenn sie erfährt, dass ich zu meinem Bewerbungsgespräch in Debbies Café zu spät gekommen bin. Vor allem aber kann ich ihr nicht einmal eine gute Entschuldigung liefern. Immerhin hat Tante Elenore das Bewerbungsgespräch für mich eingefädelt.

Ich schlüpfe schnell in eine schwarze Hose und eine luftige, weiße Bluse, die ich aus einer der Umzugskisten gezogen habe. Meine Haare trage ich offen und versuche, die Ringe unter meinen Augen mit Concealer zu kaschieren. Dazu etwas Wimperntusche und meinen Lieblingslippenstift, und ich bin zufrieden. Für mehr bleibt ohnehin keine Zeit.

 

Eine halbe Stunde später stehe ich vor Debbies Café. Mein Atem geht schnell und mein Herz rast. Dabei ist es nichts wirklich Aufregendes, was ich gleich vorhabe. Immerhin bewerbe ich mich nur um eine Stelle als Kellnerin in einem kleinen Stadtcafé und nicht als Managerin bei Starbucks. Dennoch fühle ich mich nicht ganz wohl in meiner Haut. Es ist alles noch so fremd und neu für mich hier in Brixton und obwohl ich genau das wollte – einen Neuanfang – ist es doch ziemlich intensiv. Neue Umgebung. Neue Menschen. Neue Arbeit. Alles auf einmal.

Ich betrachte das rosarot leuchtende Neonschild über dem Eingang und nehme mir noch einen winzigen Augenblick, um tief durchzuatmen.

Schließlich gebe ich mir einen Ruck und öffne die Tür. Sofort werde ich von dem Klingeln der kleinen Glocke über der Tür begrüßt. Dazu mischen sich das Gemurmel der Gäste und das leise Klappern von Geschirr. Für einen Wochentag ist das Café erstaunlich gut besucht.

Der Geruch von Schokolade, Zucker und frischem Kaffee steigt mir in die Nase, und mein Magen knurrt leise vor sich hin. Ich sehe mich verstohlen um und hoffe, dass das niemand bemerkt hat. Doch keiner der Gäste scheint sich für mich zu interessieren, also entspanne ich mich wieder und konzentriere mich stattdessen auf das Wesentliche.

Ich sehe mich ein wenig um, und die Atmosphäre hier fängt mich sofort ein. Augenblicklich fühle ich mich in die 50er-Jahre zurückversetzt. Der Boden ist schwarz-weiß gehalten und in einem Schachbrett Muster gefliest. Die Vorderseite des Tresens wird von etwas kleineren Fliesen in Pastellgrün geziert. Davor stehen einige Barhocker, die mit passendem Leder in Pastellrosa und Grün bezogen sind. Dieselben Farben finden sich auch an den Tischen und Bänken wieder.

An den Wänden hängen Werbeplakate für Coca Cola, Pepsi und Marlboro. Sogar ein Bild von Marylin Monroe entdecke ich, während im Hintergrund leise Elvis-Musik spielt. Natürlich kommt die originalgetreu aus der Jukebox in der Ecke.

Eine blonde Südstaatenschönheit läuft unterdessen mit einem Tablett beladen zwischen den Tischen hin und her. Sie trägt ein blaues Kleid mit weit ausgestelltem Tellerrock und ein farblich passendes Bandana. Man könnte meinen, sie selbst sei ebenfalls den 50ern entsprungen.

Die junge Frau kommt auf mich zu und reicht mir ihre freie Hand. »Hi, ich bin Debbie. Du bist Grace, richtig?«

»Ja die bin ich!«, bestätige ich etwas verdutzt darüber, dass sie mich direkt erkannt hat.

»Hach, sehr schön. Gut, dass du da bist, wir haben alle Hände voll zu tun«, seufzt sie und wirkt wirklich erleichtert.

Ich muss lachen. »Genau deswegen bin ich hier!«

Debbie grinst mich freundlich an und stellt mir ein paar Fragen. Sie sprüht geradezu vor Energie. So sehr, dass ich mich davon nur anstecken lassen kann. Sie hat etwas Erfrischendes an sich.

»Womit soll ich anfangen?«, frage ich schließlich.

Debbie deutet auf einen Tisch, an dem zwei alte Damen ihren Kaffeeklatsch abhalten. »Schmeiß die beiden raus, und du hast den Job!«

Ich bin verwirrt. Die alten Damen wirken eigentlich recht nett und friedlich. Ich zögere, sehe Debbie noch mal an und suche in ihrem Gesicht nach irgendeiner Regung, die einen Scherz verrät, doch ihre Miene bleibt todernst.

Mir gefällt der Gedanke nicht, die beiden rauszuwerfen, aber ich denke nicht, dass Debbie mich ohne Grund dazu bitten würde. Also atme ich tief durch und gehe auf den Tisch der beiden Damen zu, um die Lage auszuloten. Unterdessen überlege ich fieberhaft, wie ich sie möglichst höflich bitten könnte, das Café zu verlassen.

»Können wir Ihnen helfen?«, fragt mich eine der beiden Damen, sobald ich an ihrem Tisch stehe, und ich starre sie einfach nur an. Dann setze ich an, um sie mit meinen zurechtgelegten Worten nach draußen zu komplimentieren.

»Ich … ähm … Sie …!«, stottere ich, und die Frauen mustern mich etwas verwirrt. Die beiden wirken auf mich nicht wirklich, als würden sie Ärger machen, also blicke ich zwischen ihnen und Debbie hin und her, als könnte ich so die Antwort auf meine Fragen finden.

Ich bin gerade bereit, mich umzudrehen und einfach zu gehen, da huscht Debbie zu mir rüber.

»Entschuldigt uns für einen Moment!«, wendet sie sich an die Damen und packt mich sanft an den Schultern, um mich von dem Tisch wegzuschieben, ein unterdrücktes Grinsen im Gesicht.

»Das war nur ein Scherz, bitte lass die beiden in Ruhe!«, lacht sie leise, und ich bin erleichtert dieser Aufgabe zu entkommen.

Debbie schnappt sich zwei Stück Kuchen aus der Vitrine am Tresen und bringt ihn zu den beiden Frauen an den Tisch. »Der geht heute auf mich«, erklärt sie freundlich und zwinkert ihnen zu.

»Hättest du sie wirklich rausgeworfen?«, fragt mich Debbie und zieht amüsiert die perfekt gezupften Augenbrauen zusammen.

Ich zucke mit den Schultern. »Eigentlich wollte ich gerade wieder gehen!«, gestehe ich.

Debbie kichert hinter vorgehaltener Hand. »Das beruhigt mich!«, erklärt sie. »Aber keine Sorge. Marah und ihre Freundinnen sind hier Stammgäste, sie werden es dir nicht übel nehmen.«

»Dann muss ich ihnen beim nächsten Mal wohl einen Kuchen ausgeben!«, lache ich, und mein Blick fällt auf meine Tasche. »Oh, hätte ich fast vergessen!«, entschuldige ich mich und ziehe meine Bewerbungsunterlagen heraus, um sie Debbie zu reichen.

Debbie legt sie hinter den Tresen.

»Mein Dad und Elenore kennen sich schon so lange, ich vertraue seinem Urteil, dass du hier reinpasst. Wenn du willst, gehört der Job also dir«, lacht sie und hebt tadelnd den Finger. »Aber nur unter der Bedingung, dass du nicht wieder anfängst, alte Damen rauszuschmeißen!«

Ich halte abwehrend die Hände in die Höhe. »Keine Türsteheraktionen mehr! Versprochen!«

Debbie nickt und wirft schwungvoll die langen, blonden Haare über die Schulter. »In Ordnung. Hast du einen Tellerrock oder etwas ähnliches Zuhause? Vielleicht ist es dir bisher nicht aufgefallen, aber das Café hat eine Art Motto!«, witzelt sie mit einem Augenzwinkern.

Ich gebe mich völlig überrascht und sehe mich um, als wäre es mir gerade erst aufgefallen. »Oh mein Gott, du hast recht. Jetzt wo du es sagst …«

»Du bist witzig. Ich deute das Mal als ein Nein bezüglich der Klamotten. Ich gebe dir nach Ladenschluss ein paar Sachen von mir mit. Wir dürften in etwa dieselbe Größe haben.«

»Dankeschön.«

Sie winkt ab. »Ach, keine Ursache. Mein Kleiderschrank platzt sowieso aus allen Nähten. Also, wann willst du anfangen?«

Ich zucke mit den Schultern. »Jetzt gleich?« Alles ist besser, als sich den unzähligen Umzugskartons in meinem neuen Zuhause zu widmen. Das würde meinen Umzug und damit meinen Verrat an Nick zu endgültig machen. Und doch frage ich mich, ob das schlechte Gewissen bald nachlassen wird, weil ich meinen Bruder allein in Lanburry zurückgelassen habe. Zumindest kann ich Tante Elenore jetzt gute Nachrichten überbringen.

Debbie strahlt. »Na dann, ab hinter die Theke mit dir. Ich zeig dir gleich, wie alles funktioniert.«

Ich nicke und will mich gerade auf den Weg machen, da hält Debbie mich noch mal auf.

»Warte!«, meint sie knapp und verschwindet durch die Schwingtür in den hinteren Teil des Cafés. Kurz darauf erscheint sie wieder. Sie reicht mir einen breiten Taillengürtel und ein Bandana. Ich lege beides an und drehe mich einmal im Kreis, damit sie das Ganze begutachten kann.

»Jetzt passt du besser hier rein!«, strahlt sie. »Aber etwas fehlt noch.«

Ich kann förmlich hören, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf drehen, bis sie entdeckt, was sie stört. Sie kramt in der Kellnertasche, die sie um ihre Hüfte trägt und reicht mir einen knallroten Lippenstift. Ein wenig greller als das Rot, das ich sonst immer trage.

»Vertrau mir. Das wirkt sich positiv aufs Trinkgeld aus«, meint sie und zwinkert mir verschwörerisch zu.

»Dein Wort in Gottes Ohr!«, lache ich und folge Debbie. Sie zeigt mir, wo ich alles finde. Das kleine Lager im Hinterzimmer und ihre Backstube. Im Obergeschoss wohnt sie selbst.

So arbeite ich ein paar Stunden vor mich hin, und ich muss zugeben, mit dem Trinkgeld hatte Debbie absolut recht. Die Leute hier sind echt großzügig, aber die Arbeit ist anstrengender, als ich dachte.

Erst um kurz vor zehn leert sich das Café langsam, und wir machen uns ans Aufräumen. Debbie und ich nutzen die Zeit vor allem, um uns gegenseitig etwas näher kennenzulernen. Wobei Debbie ganz von selbst den größeren Part der Gespräche übernimmt. Sie ist die Art von Person, bei der man sofort das Gefühl hat, sie schon ewig zu kennen. Sie weiß immer etwas zu reden, was uns peinliche Pausen erspart. Jedes Mal, wenn sie besonders dramatisch wird und aus einer Mücke einen Elefanten macht, kippe ich fast um, weil ich vor lauter Lachen kaum noch Luft bekomme.

»Erzähl doch keinen Unsinn!«, huste ich trocken und lasse fast das Spülmittel fallen.

»Ich schwöre es!«, meint sie erschüttert darüber, dass ich ihr nicht glaube, und lacht dann doch. »So und jetzt genug von mir. Raus mit der Sprache! Hast du hier schon jemanden kennengelernt?«, wechselt Debbie plötzlich das Thema und lenkt die Unterhaltung damit auf mich.

»Ich bin erst seit zwei Tagen in Brixton!«, lache ich und frage mich, was sie erwartet.

»Und?«, bohrt sie weiter, und ich muss dabei sofort an William denken. Seine makellose, blasse Haut, die eisblauen Augen und diese seltsame Spannung, die zwischen uns geherrscht hat. Ich spüre förmlich, wie mir die Schamesröte ins Gesicht steigt, allein wenn ich daran denke. Das entgeht Debbie natürlich nicht.

»O mein Gott! Wie heißt er? Wie habt ihr euch kennengelernt? Ist er von hier? Kenne ich ihn? Ich will alles wissen!«, fordert sie und spricht dabei so schnell, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie zwischendurch noch Luft bekommt.

»Es ist nicht der Rede wert. Wir haben uns bis jetzt nur einmal gesehen!«, weiche ich aus. Doch so leicht gibt Debbie nicht auf. Langsam, aber sicher kitzelt sie alle Details aus mir heraus. Ihre Stimme überschlägt sich fast, so hastig stellt sie mir ihre Fragen. Ich beantworte jede einzelne davon und beende meine Ausführungen mit dem Geständnis, dass ich nach unserem Duell direkt abgehauen bin.

»Oh, wie kannst du nur Schätzchen? Hast du wenigstens seine Telefonnummer!«, möchte sie wissen, und ich erröte erneut.

»So ist das nicht. Ich mag einfach Herausforderungen«, stelle ich klar und schüttle den Kopf.

Debbie lacht. »Daran müssen wir definitiv noch arbeiten! Du benötigst dringend einen Crashkurs in Sachen Flirten. Niemand läuft vor so einem scharfen Typen davon, ohne wenigstens irgendetwas in der Hand zu haben.«