When Hearts Are Burning (Iceland Love 1) - Melanie Trenker - E-Book
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When Hearts Are Burning (Iceland Love 1) E-Book

Melanie Trenker

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Beschreibung

NIEDRIGER AKTIONSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! **Ich will Aron - alles von ihm, egal wie sehr ich ihn nicht wollen sollte**  Kaum jemand weiß so gut über brodelnde Vulkane Bescheid wie Scarlett Graham. Außer vielleicht Aron Ragnarson, Erbe einiger Luxushotels auf Island, die aufgrund dieser verfluchten Feuerspeier vor kurzem geschlossen wurden. Nun ist Aron ausgerechnet auf eine chaotische Vulkanologin angewiesen, die ihren Job viel zu ernst nimmt und ein so feuriges Temperament hat, dass die Vulkane noch etwas von ihr lernen könnten. Da hilft alles nichts, es muss ein stichfester Plan her, um die hitzköpfige Vulkanologin zu einem positiven Gutachten zu bringen. Zum Beispiel ein Date … »When Hearts Are Burning« ist eine emotionale New Adult Romance mit heißen Haters to Lovers Vibes auf der traumhaften Vulkaninsel Island.  //Dies ist der erste Band der brodelnden New Adult Romance »Iceland-Love«. Alle Bände der Reihe bei Impress: -- Band 1: When Hearts Are Burning -- Band 2: Your Fears Are Melting (erscheint im Juni 2025)//

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Melanie Trenker

When Hearts Are Burning (Iceland Love 1)

Ich will Aron – alles von ihm, egal wie sehr ich ihn nicht wollen sollte

Kaum jemand weiß so gut über brodelnde Vulkane Bescheid wie Scarlett Graham. Außer vielleicht Aron Ragnarson, Erbe einiger Luxushotels auf Island, die aufgrund dieser verfluchten Feuerspeier vor kurzem geschlossen wurden. Nun ist Aron ausgerechnet auf eine chaotische Vulkanologin angewiesen, die ihren Job viel zu ernst nimmt und ein so feuriges Temperament hat, dass die Vulkane noch etwas von ihr lernen könnten. Da hilft alles nichts, es muss ein stichfester Plan her, um die hitzköpfige Vulkanologin zu einem positiven Gutachten zu bringen. Zum Beispiel ein Date …

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Vita

Danksagung

© stylephotography_sbg

Melanie Trenker wurde 1998 als jüngstes von vier Kindern in Salzburg geboren und lebt noch heute in der schönen Festspielstadt. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten beim Fliegen, sei es nun mit dem Helikopter oder beim Paragleiten. Melanie ist gelernte Metall,- und Fahrzeugbautechnikerin. Mittlerweile verbringt sie ihre Arbeitstage jedoch als Freileitungsmonteurin in schwindelerregenden Höhen. Sie liebt es dem hektischen Alltag zu entkommen und in die fantastische Welt der Literatur abzutauchen. Noch mehr aber sie selbst zu erschaffen. Wann immer sie kann, frönt sie ihrer Leidenschaft dem Schreiben. Am liebsten schreibt sie romantische Fantasy mit starken Heldinnen, Dystopien und New Adult.

Für all die klugen Frauen da draußen, die viel zu oft übersehen werden, die zu viel nachdenken, zu viel fühlen und sich viel zu wenig zugestehen – ihr seid perfekt, so wie ihr seid!

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Melanie und das Impress-Team

Kapitel1

Letzter Aufruf für Scarlett Graham und Aron Ragnarson

London, 27. Juli, Heathrow Airport

Scarlett

Eigentlich liebe ich Flughäfen. Eigentlich! Doch heute ist einer dieser Tage, an denen ich am besten gar nicht erst aus dem Bett gekrochen wäre. Einer dieser Tage, an denen alles schief geht. Man versucht, die Sache noch irgendwie zu retten, und macht es doch nur schlimmer. Dabei gäbe es mehr als nur einen Grund, heute zu feiern. Ich habe das Projekt am Kilauea Vulkan in Hawaii erfolgreich abgeschlossen und tolle Forschungsergebnisse erzielt. Dazu ist fast wie auf Bestellung der Litli-Hrútur in Island ausgebrochen, was für mich vor allem eines bedeutet – mehr Feldarbeit. Normalerweise ist das mein liebster Part, wenn es um meinen Job geht, doch heute will einfach nichts passen.

Erst hatte mein Anschlussflug von San Francisco nach London Verspätung, dann musste ich durch die Rushhour, um bei meinen Eltern meine gottverdammten Koffer zu tauschen – das, oder mir mit meiner Sommergarderobe in Island den Hintern abfrieren –, und jetzt stehe ich völlig abgehetzt in der Schlange zum Gepäck Check-in, um meinen nächsten Flug zu erwischen. Der Stress treibt mir den Schweiß auf die Stirn und mit jedem Blick auf die Uhr steigt mein Puls weiter in die Höhe. Ich bemitleide jetzt schon denjenigen, der im Flugzeug neben mir sitzen muss, schäle mich umständlich aus der Regenjacke und rümpfe die Nase. Hoffentlich habe ich mein Mini-Deo ins Handgepäck geworfen.

Die Schlange vor mir bewegt sich nur mühselig, und mein Blick wandert immer wieder zur Anzeigetafel vor dem Schalter, während mein Rücken noch schmerzt vom vielen Sitzen bei den letzten Flügen und dem schweren Gewicht meines Rucksacks. Ich strecke mich und verlagere ein paar Mal das Gewicht, aber ich finde keine angenehme Position. Als es mir zu blöd wird, stelle ich den Rucksack auf einen meiner beiden Trolleys. Ich bin immer noch hundemüde, weil ich auf den letzten Flügen kaum schlafen konnte und freue mich einfach nur darauf, wenn diese Tortur endet.

Eine quälende halbe Stunde später bin ich endlich an der Reihe, und auch wenn das für den Flughafen in Heathrow gar nicht so schlecht ist, kommt es mir vor, als wären es zwei Stunden gewesen – wie immer, wenn man es eilig hat.

Zwanzig Minuten noch bis zum Boarding. Ich trete an den Schalter und fluche innerlich. Die ganze Zeit in der Schlange, und ich habe nicht daran gedacht, meinen Reisepass und mein Ticket schon mal vorzubereiten. Als würde ich zum ersten Mal fliegen …

»Reisepass und Ticket bitte«, fordert die Frau hinter dem Schalter mich freundlich auf, und ich komme nicht drumherum ihr Make-up zu bewundern, das bei sämtlichen Flugbegleiterinnen stets perfekt zu sitzen scheint.

Umständlich krame ich das Zeug aus meinem Rucksack und brauche drei Anläufe, um die richtige Seite in meinem Pass aufzuschlagen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie abgehetzt ich aussehen muss. Verschwitzt und die Haare zerzaust, halb gekleidet, als wollte ich immer noch in Hawaii an den Strand, und halb, als wäre ich auf den Weg in den Skiurlaub.

Die Frau wiegt meine beiden Koffer, deren Gewicht wie immer am obersten Limit ist, taggt sie und wünscht mir einen schönen Flug. »Beeilen Sie sich besser, das Boarding beginnt gleich«, fügt sie mit entschuldigender Miene hinzu.

Ich nicke. »Danke.« Als ob ich das nicht wüsste, aber es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass ich einen miesen Tag habe.

Erleichtert, dass ich nun wenigstens nur noch den Rucksack mit meinem Handgepäck bei mir habe, mache ich mich auf den Weg zum Security-Check und reihe mich in die Schlange ein. Unruhig wippe ich von einem Fuß auf den anderen, mustere die anderen Gäste. Glückliche Familien, die sich auf ihren Urlaub freuen, verliebte Pärchen, vermutlich auf dem Weg zum Strand, und einige Geschäftsreisende, die immer genau gleich auszusehen scheinen. Anzug, silberner kleiner Trolley mit Laptoptasche, die sie oben an die Stange klemmen können, dazu eine teure Uhr am Arm und das Telefon am Ohr.

Ich blicke mich noch eine Weile um, bis mir klar wird, dass mich einer dieser typischen Geschäftsmänner unverhohlen mustert. Aber das stört mich nicht, soll er über meinen Aufzug denken, was er will. Immerhin bin ich selbst auf dem Weg zur Arbeit.

Würde er mich nicht so ungeniert anstarren, fände ich ihn vielleicht sogar attraktiv. Er ist groß, muskulös, soweit ich das unter dem perfekt gebügelten Maßanzug beurteilen kann, und wenn ich mich nicht täusche, sehe ich Tattoos unter seinem Ärmel hervorblitzen, die nicht recht zu meinem Eindruck von ihm passen wollen. Dazu Haare in der Farbe von nassem Sand, ordentlich gestylt, und ein gepflegter Dreitagebart. Für einen Geschäftsmann ist er fast ein wenig jung. Maximal zwei, drei Jahre älter als ich.

Ich bin endlich an der Reihe und meine Analyse wird unterbrochen. Vielleicht ist das so ein Wissenschaftlerding, auch wenn normalerweise Vulkane mein Fachgebiet sind und nicht Menschen.

Ich stelle meinen Rucksack in eine der Schalen auf dem Rollband, nehme die Flüssigkeiten und elektronischen Geräte heraus und lege sie mit meiner Jacke in die nächste Box. Dann warte ich, bis die Mitarbeiterin mir ein Zeichen gibt, und gehe durch den Scanner. Augenblicklich schießt mein Puls nach oben und ich fühle mich wie eine Schwerverbrecherin, obwohl ich mir sicher bin, dass ich nichts Verbotenes dabeihabe. Ein dicker Knoten bildet sich in meinem Magen. Ich fange wieder an zu schwitzen und überlege fieberhaft, was ich vergessen haben könnte, während ich mich von allen Seiten beobachtet fühle. Eintausend was-wäre-wenn-Szenarien schwirren durch meinen Kopf, obwohl mir das Sicherheitspersonal keinerlei Beachtung schenkt, und ich frage mich, woher das unnötige Schuldgefühl kommt. Gleichzeitig versuche ich unsichtbar und uninteressant zu sein. Das Letzte, was ich brauche, ist wegen eines Extra-Sicherheitschecks meinen Flug zu verpassen.

Fast schon atme ich erleichtert aus, weil das Gerät nicht anschlägt, denn diese Dinger scheinen mich zu hassen und aus Prinzip für Routinekontrollen auszusuchen, wann immer ich für die Arbeit reise.

Ich warte einen Moment, um meine Habseligkeiten in Empfang zu nehmen, doch das Band hält an, und der Flughafenmitarbeiter nimmt meinen Rucksack zur Seite.

War ja klar!

»Haben Sie noch irgendwelche Flüssigkeiten darin?«

»Ich denke nicht«, antworte ich wahrheitsgemäß und fange nebenbei schon an, daran zu zweifeln.

Der Mann nickt freundlich und gibt mir den Rucksack. »Sieht nach einer kleinen Flasche aus«, meint er auffordernd.

Ich krame darin und finde tatsächlich meine nicht ganz ausgetrunkene Wasserflasche. Der Knoten in meinem Magen wird noch dicker. Ich fühle mich, als würden mich alle anstarren, während ich mich gleichzeitig frage, wann ich es endlich einmal schaffe, einen Security-Check zu überstehen, ohne dass ich irgendetwas Verbotenes in meinem Gepäck vergesse.

Jemand räuspert sich auf der anderen Seite. »Könnten Sie sich vielleicht mal beeilen? Es gibt hier noch andere, die einen Flug erwischen müssen!«, beschwert sich der junge Geschäftsmann, der mich vorhin so unverhohlen angestarrt hat, und ich habe alle Mühe, nicht die Augen zu verdrehen.

»Was interessiert Sie das eigentlich? Sie stehen beim Priority Check-in!«, schnauze ich zurück. Heute ist definitiv nicht der Tag, um mir auf die Nerven zu gehen.

»Richtig, aber Sie besetzen den einzigen Mitarbeiter, der für beide Schlangen zuständig ist!«

»Oh, das tut mir wahnsinnig leid«, gebe ich sarkastisch zurück und will mein Zeug packen.

Ein seichtes Grinsen liegt auf den Lippen des Flughafenmitarbeiters. »Was sind das denn für Sachen?«

Er deutet auf meine Gasmaske, die ich immer ins Handgepäck gebe, damit sie im Aufgabegepäck nicht beschädigt wird, und mir ist sofort klar, was er vorhat. Ich habe ihn hier schon öfter gesehen, und ich glaube, mittlerweile kennt er den Großteil meiner Ausrüstung. Hätte ich es nicht selbst so eilig, würde ich es genießen, wie er versucht, den Schnösel weiter zu reizen. Aber so zeige ich ihm nur meine Arbeitsgenehmigung und mein Ticket. Beim Blick auf die Boardingzeit versteht er sofort. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Flug, Miss Graham.«

»Danke, und tut mir echt leid wegen der Wasserflasche«, entschuldige ich mich noch und werfe die Flasche weg. Dann stopfe ich schnell meine Sachen in den Rucksack, während der Mitarbeiter zur Priority-Schlange schlurft, wo dieser Snob ungeduldig zum dritten Mal auf seine vermutlich völlig überteuerte Armbanduhr glotzt.

Froh, mich mit dem Kotzbrocken nicht mehr auseinandersetzen zu müssen, schaue ich noch mal auf die Anzeigetafel, um sicherzugehen, dass sich nichts an meinem Abflug geändert hat, und hetze zu meinem Gate.

»Letzter Aufruf für Scarlett Graham und Aron Ragnarson für den British-Airways-Flug von Heathrow nach Keflavik«, ertönt gerade die helle Stimme einer Flughafenmitarbeiterin, metallisch verzerrt durch den Lautsprecher, und ich lege noch einen Zahn zu. A32, A33, A34 und endlich mein Gate A35. Ich atme erleichtert auf und renne schon fast die letzten Meter zum Gate. Mittlerweile bin ich noch verschwitzter, schnaufe schwer, und meine Laune ist ins Bodenlose gefallen. Trotzdem versuche ich, einigermaßen zu lächeln, und will der Flugbegleiterin am Boarding-Schalter gerade mein Ticket zum Scannen reichen, als mich ein Kerl anrempelt und sich an mir vorbeidrängt. »Business«, meint er nur, als gäbe ihm das jedes Recht dazu. Fassungslos über sein freches Verhalten bekomme ich gerade noch ein genervtes Schnauben heraus.

Unmöglicher Kerl!

Die Stewardess wirkt ebenfalls irritiert und zieht überrascht die Augenbrauen hoch. Sie hat ihre Mimik aber direkt wieder im Griff, scannt den Boardingpass des Idioten und schließlich auch meinen. »Guten Flug«, wünscht sie mir und etwas Entschuldigendes liegt in ihrem Blick, aber sie kann nichts für das Benehmen der anderen Gäste, also bedanke ich mich und beeile mich, bevor sich der Flug ausgerechnet meinetwegen verspätet. »Boarding completed«, höre ich sie noch durch den Lautsprecher sagen.

»Also für mich ist das Boarding erst komplett, wenn die Gäste im Flugzeug sind!«, witzelt einer ihrer Kollegen über den Funk, mehr bekomme ich nicht mehr mit.

Ich folge dem schmalen Gang, werde von dem Steward am Eingang des Flugzeugs freundlich begrüßt. Ein Schwall warmer, stickiger Luft kommt mir aus dem Flugzeug entgegen und meine Laune sinkt weiter. Es ist heiß und riecht nach verschwitzten Menschen. Die Hitze staut sich hier drinnen, solange die Klimaanlage noch nicht läuft, und macht den engen Raum noch unangenehmer für mich.

Ich quetsche mich an den Leuten vorbei, die sich um die letzten Plätze der Handgepäckablagen buhlen, und komme in den hinteren Teil des Flugzeugs. Ich checke noch einmal meine Sitznummer A23 und freue mich schon auf einen Platz am Fenster, bis ich sehe, dass dieser besetzt ist, was mich angestrengt seufzen lässt. Ich reise oft und viel, also ist die Situation nicht neu für mich, aber auch nicht weniger nervig.

Ehe ich mich mit jemanden um meinen Sitzplatz streiten muss, wende ich mich direkt an eine Stewardess. »Entschuldigen Sie, ich glaube, ich habe einen falschen Sitzplatz«, sage ich, um nicht unhöflich zu wirken. Ihr Blick fällt von meinem Ticket zu meinem ausgewiesenen Sitzplatz. Wäre noch etwas frei, würde ich mich dort hinsetzen, aber ich sehe auf den ersten Blick keinen freien Platz.

»Ma’am, würden Sie mir kurz Ihr Ticket zeigen?«, wendet sich die Flugbegleiterin an die Frau in A23, doch ihre Sitzplatznummer ist tatsächlich die gleiche.

»Ich habe den Platz extra reserviert«, versichert sie. »Ich setze mich bestimmt nicht irgendwo anders hin!«

Für mich in Ordnung, solange ich nur IRGENDEINEN Platz bekomme, um mich endlich hinzusetzen und für ein paar Minuten die Augen zu schließen. Ich bin seit mehr als sechsunddreißig Stunden wach und ich würde im Moment sogar auf dem Gang schlafen, wenn es sein muss.

Die Stewardess sieht sich um, auf der Suche nach einem freien Sitzplatz, vermutlich ebenso erfolglos wie ich. Derweil starrt mich die halbe Economy Class an, und ich wünschte, es wäre weniger unangenehm.

»Entschuldigen Sie mich einen Moment«, bittet die Stewardess schließlich und quetscht sich erstaunlich elegant an mir vorbei, um sich mit ihren Kollegen etwas weiter vorn zu unterhalten. Über die Geräuschkulisse der restlichen Reisenden verstehe ich nicht viel von ihrer Diskussion. Die drei nicken schließlich, und die Stewardess kommt zurück, um mir meinen Rucksack abzunehmen, nicht ahnend, wie dankbar ich ihr dafür bin.

»Kommen Sie, Miss Graham«, liest sie von meinem Ticket ab. »Wir haben einen fast vollen Flug, aber wir haben Sie in die Business Class upgegradet, um Sie für die Umstände zu entschädigen.«

»Oh, das ist toll!«, staune ich und freue mich, dass der Tag doch noch etwas Gutes bekommt. Obwohl ich für meine Forschungen nicht wenig fliege, ist das erst mein zweites Upgrade und mein erstes auf der Kurzstrecke. Ich bin fast ein wenig froh, dass die Frau in meinem Sitz darauf bestanden hat, zu bleiben, und folge der Stewardess nach vorn, wo die Business Class durch einen schweren Vorhang vom Rest getrennt wird. Sie verstaut mein Gepäck sicher in der Ablage und tritt ein Stück zur Seite.

»Hier bitte, Miss Graham. Das ist Ihr neuer Sitzplatz«, erklärt sie freundlich und deutet auf die erste Reihe.

Ich nicke und blicke auf den jungen Mann, der am Gang sitzt, in der Hoffnung, er würde mich bemerken und aufstehen. Als er aufsieht, und mir klar wird, dass es der unausstehliche Kerl von vorhin ist, frage ich mich, ob meine Pechsträhne heute noch mal abreißt.

Kapitel2

Hippie Jane

London/Island, 27. Juli, Irgendwo über den Wolken

Aron

Die schon wieder!

»Würdest du?«, fragt sie mich genervt und wartet darauf, dass ich nach drinnen rutsche.

»Ich sitze lieber am Gang!«, erkläre ich. »Und eigentlich hatte ich mich schon gefreut, die ganze Reihe für mich zu haben.«

Meine genervte Miene spiegelt sich deutlich in ihrer wider, aber ich stehe auf, damit sie sich ans Fenster setzen kann, solange ich es nicht tun muss.

Ich glaube, sie ist ebenso dankbar wie ich, dass in der Business Class der Mittelsitz immer frei bleibt. Zu meinem Kommentar sagt sie nichts mehr. Stattdessen lässt sie sich in den großen Sitz fallen und legt Kopfhörer ein, während der Pilot seine Ansage macht.

»Sehr geehrte Damen und Herren, das Boarding ist abgeschlossen und wir freuen uns auf einen ruhigen Flug ohne Turbulenzen. Es ist mir eine ganz besondere Freude, Sie heute hier an Board begrüßen zu dürfen, und ich bitte Sie im Namen der Crew, während des gesamten Fluges sitzen zu bleiben …«

Die Stimme unseres Piloten verblasst in meinen Ohren. Das Kabinenpersonal macht sich derweil bereit, die Sicherheitshinweise vorzuzeigen, die ich vermutlich bald auswendig kann. Auch wenn mich das nicht wirklich ruhiger macht, wenn ich bedenke, dass die Todesmaschine in der wir gleich fliegen werden, von ein paar Nieten und etwas Kleber zusammengehalten wird.

Mein Blick schweift noch einmal zu meiner Sitznachbarin. Sie wirkt, als hätte sie Jahre darauf gewartet, endlich die Augen zu schließen, und ich frage mich, ob ihr Check-in ebenso anstrengend war wie meiner, auch wenn ich mir das kaum vorstellen kann. Immerhin komme ich gerade aus Tokio und musste zwischendurch in London halten, um meinen Vater bei einem Verkaufsgespräch zu vertreten. Er hat einen Käufer für eines unserer alten, weniger lukrativen Hotels hier gefunden und ich sollte die Verträge dafür unterschreiben. Es blieb nicht einmal genug Zeit, um mit dem Käufer darauf anzustoßen. Immerhin können die Geschäfte zu Hause nicht warten, schon gar nicht, wenn so etwas wie ein Vulkanausbruch in der Heimat passiert. Vielleicht will Ragnar mich aber auch nur für den geplatzten Deal in Tokio bestrafen, indem er mich um die halbe Welt jagt.

»Wie lange willst du mich eigentlich noch anglotzen?«, beschwert sich meine Sitznachbarin plötzlich und reißt sich einen ihrer AirPods aus den Ohren. Erst jetzt wird mir klar, dass ich sie schon fast unhöflich lange angestarrt habe, aber sie hat irgendetwas an sich, das mich fasziniert, auch wenn ich noch immer nicht sagen kann, was es ist. Ihre von der Sonne gebleichten hellbraunen Locken sind leicht zerzaust. Mit den auffällig grünen Augen und den wenigen Sommersprossen auf der Nase ist sie zweifellos süß, aber das allein ist es nicht. In ihren müden Augen lodert ein geheimnisvolles Feuer, das mich vollkommen in seinen Bann zieht. Ich möchte wissen, wofür es brennt. So sehr, dass ich mich über meine eigene Aufregung wundere. Es kribbelt mich in den Fingern, alles davon zu erkunden, und ich räuspere mich.

»Ich glaube, wir hatten einen falschen Start. Ich war nicht gerade … freundlich«, gestehe ich und versuche, mich zu erinnern, wie die Flugbegleiterin sie eben genannt hat, aber es ist mir entfallen.

»Die Untertreibung des Jahres«, kontert sie und bringt mich damit unweigerlich zum Grinsen.

»Ich bin übrigens Aron. Aron Ragnarson. Und wenn ich nicht gerade einen Flug erwischen muss, eigentlich ein ganz angenehmer Mensch«, beteuere ich und reiche ihr die Hand.

Sie muss schmunzeln und der Ärger in ihren Augen lichtet sich. Nach dem Chaos am Flughafen kann ich es ihr sogar ein wenig nachfühlen, aber sie gibt sich einen Ruck.

»Scarlett«, stellt sie sich vor und ergreift meine Hand.

Ihr Händedruck ist fest, und ich gestehe, ich bin fast schon beeindruckt. Ich halte ihre Hand eine Millisekunde zu lange fest, ehe ich meinen Fehler bemerke und sie loslasse. Doch meine Augen lösen sich nicht von den ihren.

»Also, was verschlägt dich nach Island?«, will sie wissen und mustert meinen Maßanzug genauer. Ein süffisantes Grinsen huscht dabei über ihre Lippen. »Golf mit den Klienten?«

Sie versucht offensichtlich, mich aus der Reserve zu locken, aber so leicht wird ihr das nicht gelingen.

»Nahe dran. Ich bin geschäftlich unterwegs. Meiner Familie gehört das Areal, an dem vorgestern der Vulkan ausgebrochen ist, der Litli-Hrútur, falls du davon gehört hast. Ich möchte Genehmigungen einholen, um dort Parkplätze bauen zu lassen und unsere Hotels rund um das Ausbruchsgebiet schnellstmöglich wieder zu öffnen.«

Scarletts Miene gefriert. Das Lächeln auf ihren rosigen Lippen erstirbt und während sie sonst wie eine sanfte Naturschönheit wirkt, bekommen ihre Züge nun etwas Hartes.

»Also bist du doch nur ein geldgieriger, machthungriger Anzugheini!«, klagt sie mich an, und ich schaffe es nicht, meine Wut über ihren Kommentar zu verbergen. Ariana hat mich einmal so genannt, bevor sie mich verlassen hat, und ich verspanne mich.

»Und du offenbar doch nur ein weltverbessernder Hippie auf der Suche nach dem Sinn des Lebens!«, schleudere ich zurück, und mein Blick fällt auf das dünne Lederband mit den Muscheln um ihren Hals, das meine Theorie verstärkt.

Sie verdreht die Augen. »Ich bin eine Reisende.«

»Ah, also eine Touristin. Das ist ja viel besser.«

»Eine Reisende!«, wiederholt sie noch einmal eindringlich, und ich wüsste nur zu gerne, was sie wirklich in Island will, mit all den seltsamen Gerätschaften, die sie beim Security-Check auspacken musste, aber ich komme nicht mehr dazu, sie zu fragen. Scarlett setzt ihren Kopfhörer wieder ein und geht erneut dazu über, mich zu ignorieren, während ich innerlich vor Wut schäume.

»Wieso starrst du mich immer noch so an?«, blafft sie, nachdem ich meinen Blick noch immer nicht von ihr gelöst habe. »Macht dich das geil?«

»Nein, Hippie Jane, aber du sitzt auf meinem Gurt«, stelle ich klar und genieße es, wie sie peinlich berührt rot anläuft und umständlich versucht, sich aufzurichten, um meinen Gurt freizugeben. Es wundert mich, dass sie es überhaupt geschafft hat, sich einen Sitz weiter auf die Schnalle zu setzen, aber ich werde den Teufel tun und unangeschnallt in dieser Todesmaschine sitzen.

Mit feurigem Blick donnert sie die Gurtschnalle auf den Mittelsitz und von da an gehen wir wieder dazu über, einander zu ignorieren. Soll mir auch recht sein. Immer noch besser, als von einer kratzbürstigen Fremden schief angemacht zu werden.

Erst als das Flugzeug anfährt und der Pilot Schub gibt, überlege ich, ob ich sie nicht doch bitten soll, die Blende am Fenster runterzumachen, damit ich mir dieses Elend nicht ansehen muss. Der Gedanke verpufft, als sie schnaubend den Blick zum Fenster wendet.

Das Flugzeug wird schneller und schneller und mit ihm schießt mein Puls nach oben. Ich werde in meinen Sitz gepresst und stemme mich dagegen, kralle die verschwitzten Hände in die Lehnen rechts und links von mir. Mein Magen dreht sich einmal um. Schlagartig verspannt sich jeder Muskel in meinem Körper. Wieso tue ich mir das nur immer wieder an?

»Hast du etwa Flugangst?«, fragt mich meine neue Bekannte überraschend und kann sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. »Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet.«

»Keine Flugangst. Nur Absturzangst«, stelle ich klar und wünschte, ich würde weniger gepresst und stattdessen etwas glaubwürdiger klingen, doch jeder Mensch hat seine Schwachstellen. Fliegen ist definitiv meine, auch wenn ich mir etwas Privateres wünschen würde. Jeder Flug ist für mich ein Kampf, wie die Schweißspuren auf meinem Hemd nur allzu deutlich preisgeben, während ich mich gleichzeitig dafür schäme. Ich bin der Erbe eines Hotelimperiums, das sich über vier Kontinente erstreckt, und das Schicksal fand es witzig, ausgerechnet mich mit Flugangst zu segnen.

»Ah, verstehe«, antwortet sie ironisch, doch die Panik in meinem Blick stimmt sie offenbar milde. »Kennst du die Wackelpuddingthese?«

Ich schüttle irritiert den Kopf, während das Flugzeug vom Boden abhebt und mein Magen sich erneut umdreht.

Was soll das denn jetzt?

»Also …«, fährt sie ungerührt fort. »Stell dir vor, die Luft wäre rote Grütze …«

»Wäre die nicht eher blau?«, werfe ich ein und bin doch irgendwie dankbar, dass sie zumindest versucht, mich abzulenken. Vor allem, weil sie mich ganz offensichtlich nicht leiden kann.

Scarlett schnaubt genervt und eigentlich fände ich es süß, wäre sie nicht so unausstehlich.

»Fein. BLAUE Grütze. Also, die Luft ist blaue Grütze, und das Flugzeug ist ein M&M, das wir hineindrücken. Und egal wie viel wir das Ganze bewegen und wie stark der Wackelpudding zittert, das M&M bleibt an Ort und Stelle. Und so verhält es sich auch mit unserem Flugzeug. Es herrschen andere Druckverhältnisse, es gibt unterschiedliche Luftschichten und es ruckelt ein wenig, aber unser Flugzeug stürzt deswegen ganz sicher nicht ab, denn der Druck kommt ja auch immer noch von unten und der ›Wackelpudding‹ hält es oben. Viele denken, Turbulenzen wären Luftlöcher, die wir spüren, und man würde darin einfach nach unten stürzen, aber so etwas existiert nicht. Luft ist zwar durchsichtig, aber noch lange nicht inhaltslos.«

Ich muss lachen. »Wieso fühlt es sich dann so an?«

»Das liegt vermutlich an dir«, meint Scarlett trocken und zuckt mit den Schultern.

Mein Gelächter erstirbt, als das Flugzeug zu wackeln beginnt, während wir durch die Wolken steigen, als wollte der Pilot ihre Worte untermalen.

»Du musst das nicht tun«, erkläre ich gepresst und stemme mich noch fester in den Sitz.

»Was genau?«

»Nett zu mir sein, nur weil ich mir beim Fliegen fast in die Hosen mache«, erkläre ich und beiße mir auf die Zunge. Mit dem Satz gehe ich wohl irgendwann in die Geschichte ein.

Dann mache ich den Fehler und blicke doch kurz an ihr vorbei aus dem Fenster. Ich bin mir sicher, ich bin nur einen weiteren Blick von einem Herzinfarkt entfernt, während mein Puls rasanter steigt, als jedes Flugzeug es jemals könnte. Die immer schneller und schneller an uns vorbeiziehende Landschaft ist längst in den Wolken verschwunden, gemeinsam mit den immer kleiner werdenden Häusern und Feldern. Alles hüllt sich in weiß, bis wir schließlich über den Wolken segeln. Weiße Wattebauschwolken, so weit das Auge reicht, darüber nichts als strahlend blauer Himmel, doch ich lasse mich von dem trügerischen Anblick nicht täuschen, mag er auch noch so schön sein. Wir befinden uns immer noch zwölftausend Meter über der Erde.

Zwölftausend Meter, die wir jederzeit steil nach unten rasen könnten!

Ich zwinge mich, den Gedanken loszulassen, ehe mich erneut die Panik überrollen kann, doch der Knoten in meinem Magen sagt, es ist längst zu spät.

Der Blick von Hippie Jane fliegt zwischen mir und dem Fenster hin und her, wobei ich mir fast sicher bin, dass ich gerade noch weißer bin als die fluffigen Wolken, die das Flugzeug umgeben.

»Weißt du, statistisch gesehen ist das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel überhaupt«, versucht sie es erneut und bringt mich damit zum Lachen.

»Weißt du, deine Vergleiche sind echt mies«, wähle ich bewusst dieselben Worte wie sie, aber sie lässt sich davon nicht beirren.

»Immerhin habe ich es geschafft, dich abzulenken, oder nicht?«

»Ein wenig«, gestehe ich ihr zu, auch wenn das nicht unbedingt wahr ist. Ein dünner Schweißfilm bildet sich auf meiner Stirn. Meine Finger krampfen langsam, während ich mich immer noch so fest an den Sitz kralle, dass meine Knöchel weiß hervortreten, und das alles vor der genauso hübschen wie nervtötenden Scarlett neben mir.

Ich wünschte, die ganze Situation würde nicht an meinem Ego kratzen, aber das tut sie, und zwar gewaltig. Mein einziger Trost ist, dass ich dieser Scarlett nach dem Flug vermutlich nie wieder begegnen werde.

»Du könntest auch etwas singen«, plappert sie munter weiter. »Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass man keine Angst haben kann, wenn man singt. Unser Gehirn ist nicht dazu fähig, beides auf einmal zu tun.«

»Sag mal, dreht sich bei dir alles um wissenschaftliche Theorien und seltsame Thesen?«

»Nur wenn ich neben Angsthasen wie dir sitze«, kontert sie geschickt. »Also, willst du es versuchen?«

»Und was soll ich singen?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, das ist nicht so wichtig. Von mir aus sing Happy Birthday oder We wish you a merry Christmas.«

Ich fasse es nicht. »Du denkst wirklich, ich würde in einem vollen Flugzeug Happy Birthday singen?«

Ein spöttisches Grinsen legt sich auf ihre Lippen und bringt ein kleines Grübchen an ihrer rechten Wange zum Vorschein. »Ich kann mit dir singen, wenn es dir hilft.«

»Ich passe«, sage ich und bin fast schon gewillt, ihrem Vorschlag doch noch zuzustimmen, als der Pilot den Steigflug endlich beendet und die Boeing in eine waagerechte Position bringt. Ich atme erleichtert durch, aber es dauert dennoch einen Moment, bis sich meine verkrampften Finger lösen wollen.

»Danke!«, sage ich schließlich zu Scarlett und meine es tatsächlich so. Sie hat Courage, das muss ich ihr lassen. Ich hätte nicht die Eier, in einem vollen Flugzeug zu singen, um jemanden von seiner Flugangst abzulenken. Schon gar nicht mit einem Wildfremden, den ich offensichtlich nicht ausstehen kann.

Ich richte mich in meinem Sitz langsam wieder auf und mache es mir einigermaßen bequem. Ein wenig von der Anspannung bleibt jedoch weiterhin erhalten.

Ein paar der anderen Fluggäste haben die Show offenbar mitbekommen, widmen sich nun aber wieder ihren eigenen Dingen. Ich versuche, die Sache runterzuspielen, um zumindest ein wenig meines Stolzes zu retten, und halte die Flugbegleiterin an, die gerade an mir vorbei möchte.

»Bringen Sie mir einen Scotch?«

Sie nickt. »Selbstverständlich. Für ihre Begleitung auch etwas?«

»Sie ist nicht …«

»Für mich nichts«, kommt Scarlett mir zuvor.

»Sicher? Ich lade dich gern auf einen Kaffee ein, als Dankeschön für … eben.«

»Mich einladen? Also ich fliege nicht oft Business Class, aber selbst ich weiß, dass die Getränke in dem Fall inkludiert sind.«

Ich kneife die Augen zusammen. »Richtig, sorry … ich bin noch etwas …«

»Schon gut«, gluckst sie. »Lockere deinen Schlips ein wenig. Ich zieh dich nur auf.« Damit wendet sie sich an die Stewardess. »Ein Kaffee wäre toll«, meint sie und geht wieder dazu über, mich zu ignorieren. Offenbar ist unsere kleine Allianz damit beendet.

Kapitel3

Feuer und Eis

Reykjavík, 27. Juli, Keflavík Airport

Scarlett

Den Rest des Fluges verbringen Aron und ich schweigend. Ich schaffe es nicht wirklich, die Annehmlichkeiten der Business Class zu genießen, auch wenn die Unterschiede zur Economy auf der Kurzstrecke, abgesehen von etwas mehr Beinfreiheit, einem freien Mittelsitz und gratis Snacks und Getränken, ohnehin nicht groß sind. An Schlaf ist nun jedoch auch nicht mehr zu denken. Ich ärgere mich immer noch über die Frechheit meines Sitznachbarn und die schlimmste Müdigkeit scheint nach dem Kaffee zumindest für den Moment überwunden zu sein. Allerdings bin ich mir sicher, dass ich das später bereuen werde, wenn mich der nächste Einbruch umso heftiger trifft.

Was für eine Verschwendung! Aron von seiner Flugangst abzulenken, war definitiv ein größeres Zugeständnis, als sich dieses Arschloch verdient hat, und so lasse ich ihn während der Landung schwitzen, ohne noch einmal einzugreifen.

Er hat den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Zwischen seinen Augenbrauen hat sich eine dünne Falte gebildet, die deutlich zeigt, wie angespannt er ist, während er sich so fest an seinen Sitz klammert, dass die Adern an seinen Unterarmen vortreten. Mittlerweile hat er sein Jackett abgelegt und die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt. Zumindest scheint er sich also nicht um Falten in seinem Armani-Hemd zu sorgen. Mein Blick bleibt allerdings an dem dunklen Runen-Tattoo hängen, das sich über seinen gesamten Unterarm bis unter den Ärmel zieht. An seinem Hals, direkt am Kragen seines Hemdes, erkenne ich ebenfalls den Ansatz eines Tattoos und würde nur zu gerne wissen, was es zeigt, und noch viel mehr, wo es hinführt.

Gleichzeitig wundere ich mich, woher mir sein Name so bekannt vorkommt. Aron Ragnarson. Etwas klingelt da bei mir und doch kann ich ihn nicht wirklich zuordnen. Zumindest verrät mir sein Nachname, dass er Isländer ist. In dem Inselstaat werden Nachnamen immer aus dem Namen des Vaters und -son als Anhang für Sohn und -dottir als Anhang für Tochter gebildet. Hätte meine Mutter keinen Engländer geheiratet, wäre es bei mir auch so – Scarlett Jamesdottir klingt allerdings etwas befremdlich.

Ich mustere meinen Sitznachbarn noch eine Weile, als würde mir so wieder einfallen, woher mir sein Name bekannt vorkommt. Aron öffnet plötzlich die Augen, als hätte er meinen Blick gespürt. Meine Iriden heften sich einen Moment zu lange an das Blau der seinen und ich schrecke ertappt zusammen, ehe ich den Blick abwende. Selbst nach der kurzen Zeit, die wir hier gemeinsam im Flugzeug verbracht haben, kann ich mir sein selbstgefälliges Grinsen und das »Wer starrt hier nun wen an?« auf seinen Lippen nur zu deutlich ausmalen.

Mein Herz schlägt einen Takt schneller und ein unangenehmer Knoten bildet sich in meinem Magen. Ich wünschte, er hätte mich nicht beim Starren erwischt, dabei kann es mir eigentlich egal sein, was der Kerl von mir denkt. Ich versuche ruhig zu atmen, konzentriere mich darauf, die Sache zu überspielen und aus dem Fenster zu sehen. Doch je mehr ich mich bemühe, unauffällig zu sein, desto offensichtlicher wird es, dass Aron mich aus dem Konzept bringt.

Ich hole mein Telefon aus meiner Jackentasche, um mich ein wenig abzulenken, obwohl ich mir fast sicher bin, dass sie auf der Kurzstrecke wieder mal kein WLAN angeschaltet haben oder Unmengen dafür verlangen.

Erneut spüre ich Arons Blick auf mir, der vermutlich herauszufinden versucht, warum ich ihn so angestarrt habe, aber ich wage es nicht zurückzusehen. Ich will seinem Blick nicht begegnen und öffne stattdessen die Foto-App auf meinem Handy. Ich versuche es so zu halten, dass er die Bilder nicht sehen kann, bis mir klar wird, dass sich mein Display im Fenster des Fliegers spiegelt. Ich seufze und packe mein Handy wieder weg, während ich hoffe, dass er nicht zu viel gesehen hat. Die Fotos sind zwar nicht allzu spannend, keine Nudes oder sonst etwas, das man verstecken müsste, sondern vor allem Bilder von mir, meiner Familie und meinen Kollegen bei der Arbeit, aber trotzdem fühlt es sich privat an. Es nimmt mir dieses Stückchen Anonymität, das sich wie ein Schutzschild anfühlt.

Ich blicke noch einmal verstohlen zu Aron, der zum Glück wieder seine verkrampfte Flughaltung eingenommen und die Augen geschlossen hat. Der Flieger ruckelt erneut, als wir langsam in den Sinkflug übergehen und durch die dicke Wolkendecke brechen, die offenbar nicht nur England, sondern auch Island fast das ganze Jahr über fest im Griff hat.

Neugierig blicke ich aus dem Fenster, freue mich darauf, die raue Küste nach so langer Zeit endlich wiederzusehen.

Gewaltige Wellen zerschellen an den steilen Klippen, zerbrechen daran in Millionen kleine Tröpfchen, die von oben aussehen wie weißer Schaum, und ich verliere mich für einen Augenblick darin. Die Schönheit der Insel raubt mir schier den Atem.

Selbst von hier oben erkennt man das satte Grün der moosigen Steine und die unzähligen Wasserfälle und Bäche, die sich über die Inseln schlängeln. Dazu die wunderschönen schwarzen Strände aus Vulkansand, die in starkem Kontrast zu den weißen Schaumkronen des Meeres stehen, während die Sonne das Meer zum Glitzern bringt, wann immer sie durch die Wolkendecke scheint.

Ich lehne mich noch ein Stück näher, erkenne sogar die pechschwarzen erkalteten Lavafelder der letzten Vulkanausbrüche und ein verdächtiges oranges Glühen in der Ferne, von dem ich mir fast sicher bin, es muss der Ausbruch am Litli-Hrutur sein.

Unweigerlich durchströmt mich Aufregung, alles in mir kribbelt und ich kann es kaum erwarten, ihn von Nahem zu sehen, während er viel zu schnell aus meinem Blickfeld verschwindet.

Ein erneutes Ruckeln lässt Aron neben mir unterdrückt keuchen und der Flughafen schiebt sich langsam in mein Blickfeld. Wir werden jeden Moment landen und der Pilot zieht eine Schlaufe, vermutlich um das Flugzeug in die richtige Position für den Anflug zu bringen.

Aron lehnt sich vor und blickt ebenfalls aus dem Fenster. Er wird schlagartig ein wenig blasser und gibt sich alle Mühe, nicht noch einmal hinzusehen. Er krampft sich weiter in seinen Sitz, das Hemd vollkommen durchnässt. Als er schließlich beginnt die Lippen stumm zu Happy Birthday zu bewegen, muss ich schmunzeln. Ich verbuche es als einen kleinen Sieg und bekomme gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm nicht helfe. Kurz hadere ich mit mir, ob ich ihn doch noch mal in ein Gespräch verwickeln soll, entscheide mich dann aber dagegen. Was sollte ich auch sagen? Dass ich ebenfalls wegen des Vulkans hier bin? Nein, wir werden uns sowieso nicht wiedersehen. Die Chancen stehen vermutlich eins zu einer Million, dass wir uns auf der Insel wiederbegegnen, und meine sozialen Batterien sind für heute längst leer, also richte ich meinen Blick wieder aus dem Fenster.

Das Flugzeug sinkt weiter und weiter und meine Vorfreude auf meine beste Freundin Lilja und ein ordentliches Bett steigt. Wir setzen mit einem festen Ruck auf der Landebahn auf und Aron stöhnt unterdrückt neben mir, öffnet aber wieder die Augen.

Der Pilot verkündet trübes Wetter und neun Grad, nicht untypisch für einen Sommer in Island. Es ist bereits elf Uhr abends, aber längst nicht finster auf der Insel.

Das Flugzeug kommt zum Stillstand und das Anschnallzeichen erlischt. Ich springe auf und dränge mich an Aron Ragnarson vorbei, mehr als bereit, der unangenehmen Stimmung zwischen uns zu entkommen. Froh, endlich hier rauszukommen, reiße ich an meinem Rucksack, der zwischen zwei kleinen Trolleys klemmt. Aron steht ebenfalls auf und erst im direkten Vergleich fällt mir auf, dass er mich fast um einen Kopf überragt. Wie die meisten Isländer ist er ziemlich groß. Die Flugangst scheint ihn langsam wieder loszulassen und er greift nach meinem Gepäck, als wolle er mir helfen.

»Das schaffe ich allein!«, stelle ich klar und ziehe noch einmal mit ordentlich Kraft an meinem Rucksack. Diesmal löst er sich endlich, aber ich habe Mühe den Schwung abzufangen, damit er mir nicht gleich wieder aus den Händen fällt.

Ich höre Arons leises Lachen neben mir. »Davon bin ich überzeugt.«

Damit drehe ich mich um und wünschte, ich würde weder den warmen Atem noch das verschmitzte Lächeln dieses Kerls in meinem Nacken spüren.

Wieder wird es unerträglich stickig in dem Flugzeug und ich bin froh, als die Flugzeugtür geöffnet wird und ich diesem unausstehlichen Kerl endlich entkomme.

»Viel Spaß beim Weltverbessern, Hippie Jane!«, raunt dieser Aron mir noch zu.

»Und dir viel Spaß beim Geld scheffeln, elender Halsabschneider.«

Damit hetze ich nach draußen und folge den ziemlich verlassenen Gängen durch den Flughafen in Richtung der Gepäckbänder. Ich mache einen kurzen Abstecher in den Flughafenshop, während ich mich immer noch über den dreisten Kerl aufregen muss, und trödle lange genug, um meine Koffer direkt vom Gepäckband zu holen.

Am Ausgang angekommen, blicke ich mich um. Lilja winkt schon mit beiden Armen und kommt auf mich zugestürzt.

»Na, endlich! Wenn ich gewusst hätte, dass es einen Vulkanausbruch braucht, damit du dich hier blicken lässt, hätte ich selbst einen Berg in Brand gesteckt«, scherzt meine Freundin und unterhält mich damit prächtig.

»Ach, Lilja, ich habe dich vermisst«, antworte ich ehrlich und schließe sie in die Arme.

Lilja und ich sind Freundinnen seit dem Geologie-Studium an der Bristol University. Wir haben uns auf dem Campus ein Zimmer geteilt und hatten sogar dieselben Kurse, bis ich mich für meinen Master auf Vulkanologie spezialisiert habe, während Lilja sich der Glaziologie, der Gletscherforschung, gewidmet hat.

Sie ist eine dieser Freundinnen, mit denen es sich, egal wie lange man sich nicht gesehen hat, anfühlt, als wäre es gestern gewesen. Lilja ist für mich ein Stück Heimat, genauso wie Island, und ich mustere sie kurz, nur um sicher zu gehen, dass es ihr gut geht. Sie strahlt wie immer. Ihr honigblondes Haar umschmeichelt ihre weichen Züge und schmeichelt ihrer blassen, fast makellosen Haut. Ein dickes Lächeln liegt auf ihren Lippen, was ihre blauen Augen zum Leuchten bringt.

»Also, wer ist der Kerl, der dich ansieht, als wollte er dich gleichzeitig fressen und umbringen?«, fragt Lilja, und ich folge ihrem Blick zu Aron Ragnarson.

»Reden wir nicht darüber!«, bitte ich sie. Der Typ hat mir schon zur Genüge den Tag vermiest.

»Na, schön«, meint sie etwas enttäuscht, dass sie keine Backstory dazu bekommt, wirft sich die blonden Locken über die Schulter und schnappt sich meine Koffer. Interessant, dass sie nie überlegt hat, Psychologie zu studieren, so wie sie Menschen lesen kann. »Bringen wir dich erst mal ins Bett. Du musst morgen sicher früh raus«, schlägt sie vor und grinst. »Aber ich will trotzdem alles über Hawaii hören.«

»Erinnere mich nicht daran, ich habe ungefähr dreiundzwanzig Stunden Schlaf nachzuholen.«

»Das hast du doch immer«, feixt sie und wir schlendern nach draußen auf den Parkplatz, vorbei an den seltsamen lang gestreckten Steinstatuen, die als Dekoration vor dem Gebäude stehen, und den vielen Bussen, die darauf warten, Reisende zu ihren Mietwagenfirmen zu bringen.

Nach einem kurzen Fußmarsch kommen wir an Liljas Auto an. Sie wirft mein Gepäck auf die Ladefläche ihres Pick-ups und wischt sich imaginären Staub von den Händen. »Wollen wir los?«

Ich nicke und muss unweigerlich daran denken, wie abenteuerlich so manche Fahrt hier in Island für mich war. Ohne 4x4-Antrieb geht hier so gut wie nichts. Die Straßen sind oft unbefestigt und schwer passierbar. Selbst Hauptverbindungen sind oft nur Schotterpisten, dazu gerne steil und unwegsam. Eigene Schilder warnen davor, dass die Straßen ohne Allrad nicht befahren werden dürfen, weil sonst die Versicherung aussteigt, vor allem im Winter, wo Schnee und Eis ihr Übriges tun.

»Hast du Hunger?«, reißt Lilja mich aus meinen Gedanken.

»Nein, aber lieb, dass du fragst.«

»Immer doch, schließlich will ich nicht, dass du schlechte Laune bekommst, wenn du Kohldampf hast.«

Ich muss lachen, weil sie mich einfach zu gut kennt.

»Ist es ist wirklich in Ordnung, wenn ich bei dir wohne, solange du am Drangajökull-Gletscher auf der Forschungsstation bist?«, vergewissere ich mich schließlich, weil ich ihr nicht zur Last fallen will.

»Na, klar doch, mi casa es su casa. Aber wenn du abreist, bevor ich zurück bin, und wir nicht ordentlich feiern waren, haben wir ein Problem«, warnt sie mich und steigt ein.

»Klingt fair.«

Ich springe wenig schwungvoll auf den Beifahrersitz. Vollkommen fertig vom Flug fühlt es sich für mich an, als wäre der Einstieg ein Berg, den ich erklimmen muss, und ich lasse mich auf der Fahrt nach Grindavík wie immer von der Schönheit Islands verzaubern. Die satten, grünen, von Moos und Lupinen bewachsenen Hügellandschaften, die raue Küste und die kühle, salzige Meeresluft sind im Vergleich zu Hawaii absolutes Kontrastprogramm, aber noch schöner, als ich es in Erinnerung hatte.

»Wieso grinst du so?«, will Lilja wissen.

»Ich habe das alles hier schrecklich vermisst. Fühlt sich ein bisschen an, wie nach Hause kommen.«

»Das will ich doch hoffen, schließlich bin ich hier!«

Damit bringt sie mich zum Lachen. Lilja ist wirklich wie eine Schwester für mich, auch wenn ich sie viel zu selten besuche, seit meine Grams hier in Island nicht mehr lebt. Nun ist es Lilja, die immer wieder versucht, mir ein paar Brocken Isländisch beizubringen.

Die malerische Landschaft zieht an mir vorbei, wird immer schöner, je weiter wir uns vom Flughafen entfernen, bis ich schließlich von Weitem Liljas Haus sehen kann. Es liegt etwas abseits von Grindavík, thront allein auf einem kleinen Hügel mit Blick direkt aufs Meer. Außerdem ist es nicht weit bis zum Litli-Hrútur, wo ich von morgen an arbeiten soll. Umso mehr freue ich mich, dass Lilja mir wieder angeboten hat, bei ihr zu wohnen, statt im Hotel.

Das kleine Häuschen im typisch skandinavischen Stil steht einsam und allein inmitten der mit Moos bewachsenen Landschaft. Das Rot und Weiß des kleinen Holzhauses setzt sich deutlich davon ab, und ich freue mich jetzt schon darauf, von Liljas Küchentisch aus das Meer zu beobachten.

Meine Freundin bleibt auf der kleinen Schotterstraße vor dem Haus stehen und steigt aus, um die Haustür aufzuschließen. Während ich meine Sachen nach drinnen bringe, setzt sie uns in der Küche schon mal einen Filterkaffee auf, als wüsste sie, dass das die einzige Möglichkeit ist, wie ich noch die Augen offen halten kann.

Bei Lilja fühle ich mich immer sofort zu Hause. Die Einrichtung ist schlicht, aber heimelig, wie man es von Island gewohnt ist. Das meiste hält sich in gedeckten Farben, es gibt viel Holz, ein paar kleine Teppiche, aber es wirkt nicht überladen. Die große Fensterfront im Wohn-Essbereich zeigt Richtung Norden und ich wünschte, es wäre bereits Winter, dann könnten wir mit etwas Glück nachts die Nordlichter beobachten.

Ich lasse mich an dem Tisch in der offenen Küche nieder und blicke nach draußen, wo sich die Mitternachtssonne in den Wellen des Meeres spiegelt. Sanfte Gold- und Organgetöne brechen durch die Wolken und verwandeln das Wasser in ein feuriges Schauspiel der Natur.

Um diese Jahreszeit wird es in Island niemals finster. Die Sonne geht nicht unter, aber für ein paar Stunden sinkt sie zumindest so tief, als würde es dämmern, und verwandelt den Himmel in ein Kaleidoskop aus Orange- und Rottönen bis hin zu Rosa und Violett, was eine ganz eigene Magie mit sich bringt. Der Himmel und das Meer scheinen in Flammen zu stehen, während die moosbewachsenen Hügel vor Liljas Haus mit fliederfarbenen Lupinen überzogen sind. Der starke Kontrast und die wilde Schönheit Islands rauben mir wieder einmal den Atem. Ich mache ein Bild mit meinem Handy und versuche gleichzeitig, es für immer in meinem Kopf festzuhalten, weil kein Foto der Welt diesem Anblick jemals gerecht werden könnte.

Lilja reicht mir eine große Tasse Kaffee und lässt sich mit ihrer eigenen neben mir nieder. »Weißt du schon, wie lange du bleibst?«, erkundigt sie sich und blickt ebenfalls in die Ferne.

Ich seufze. »Das hängt vor allem am Litli-Hrútur«, gestehe ich, weil ich es selbst nicht genauer weiß. Mehr als eine ungefähre Angabe hat mir das IVI of London, das Forschungsinstitut, für das ich arbeite, nicht gegeben. Ich soll vor allem eine Gefahrenbeurteilung für das Areal erstellen, einige Proben nehmen und den weiteren Verlauf des Einbruchs einschätzen.

Lilja nickt verständnisvoll. Sie weiß genauso gut wie ich, dass Forschung manchmal mehr als geduldig ist, während an anderen Tagen jede Sekunde zählt.

Wir quatschen noch ein wenig, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, doch trotz Liljas viel zu starkem Kaffee, fallen mir schlussendlich immer wieder die Augen zu. Wir beschließen, den Rest auf ein anderes Mal zu verschieben, bevor Lilja mich ins Bett tragen muss, und ich dämmere tatsächlich weg, ehe mein Kopf richtig das Kissen berührt.

Kapitel4

Schwimmflügel in der Wüste

Grindavík, 28. Juli, Liljas Haus

Scarlett

Am Morgen wecken mich die Sonne, die selbst die ganze Nacht durch die dicken Rollos geschienen hat, und der herrliche Duft von Liljas Frühstück noch lange vor dem Wecker. Wie immer bringt mich der isländische Sommer vollkommen aus meinem Rhythmus.

»Na, gut geschlafen?«, begrüßt mich meine Freundin und drückt mir eine heiße Tasse Kaffee in die Hand.

Ich muss grinsen. »Hier doch immer.«

Lilja durchschaut meine Lüge direkt, aber verkneift sich einen Kommentar. »Perfekt, denn ich muss gleich los. Einar holt mich jeden Moment ab. Und wie gesagt, wehe du verabschiedest dich, bevor ich zurück bin!«

»Niemals«, verspreche ich meiner Freundin, und Lilja fegt nebenbei durchs ganze Haus, auf der Suche nach Dingen, die sie für ihr Gepäck brauchen könnte.

»Quad und Schlüssel sind wie immer in der Garage, den Pick-up lasse ich dir auch hier, die Autoschlüssel findest du im Vorhaus. Aber wie ich dich kenne, gehst du sowieso zu Fuß«, fügt sie noch hinzu, während ich in mein Roggenbrot mit Käse beiße. Den Skyr mit Beeren und Honig hebe ich mir wie immer bis zum Schluss auf und mir wird wieder einmal bewusst, wie sehr ich das Essen hier vermisst habe. Es erinnert mich an meine Grams. Sie hat immer viel Wert darauf gelegt, dass ich die Küche und die Traditionen ihrer Heimat kennenlerne. Sie hat mir sogar ihre Pönnukökur-Pfanne vermacht. Eigentlich nichts anderes als eine Crepe-Pfanne, die nach isländischer Tradition jedoch nie abgewaschen wird und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Beschichtung wird mit jedem Gebrauch dicker, was den besonderen Geschmack ausmachen soll. Trotzdem schmecken meine Pönnukökur mit Rhabarbermarmelade und Schlagsahne nicht annähernd wie ihre früher.

Als ich mir meine zweite Tasse Kaffee hole, klingelt es an der Tür. Einar, nehme ich an.

»Ich muss los«, entschuldigt sich Lilja noch mal und umarmt mich kräftig. Immer wenn sie das tut, muss ich an eine Schildmaid denken. Mit ihrer sportlichen Statur, den blauen Augen, ihren langen honigblonden Haaren und dem entschlossenen Blick passt das irgendwie zu ihr, auch wenn sie ihr Haar auf der Arbeit immer geschlossen trägt.

»Viel Spaß beim Retten der Gletscher«, rufe ich ihr hinterher und sie blickt noch einmal kurz über die Schulter.

»Viel Spaß beim Zündeln!«, erwidert sie und beeilt sich, an die Tür zu kommen. Ein kalter Windstoß fegt durch das Haus, sobald sie sie öffnet, und Einar grinst herein.

»Hi, Scarlett«, grüßt er mich überrascht.

»Hi, Einar. Schön, dich zu sehen. Wir müssen unbedingt einen trinken gehen, wenn ihr zurück seid.«

Er wirkt etwas überfordert mit dem Überfall am frühen Morgen. »Ich nehme dich beim Wort«, verspricht er trotzdem und schnappt sich einen Teil von Liljas Sachen. »Jetzt müssen wir allerdings los. Die Eiskönigin erwürgt uns, wenn wir zu spät kommen.«

Ich muss schmunzeln. Ob ihre Chefin wirklich so schlimm ist, dass sie sich diesen Spitznamen verdient?

So oder so muss Lilja zur Arbeit. Sie ergänzt ein Forschungsteam, das einige Gletscherhöhlen am Drangajökull-Gletscher untersucht. Eines der größten Höhlensysteme ist dort vor Kurzem unerwartet eingestürzt, obwohl der Gletscher über den Sommer verhältnismäßig wenig geschmolzen ist. Nun gilt es, eine Ursache dafür zu finden, und ich wünschte, wir hätten stattdessen etwas mehr Zeit miteinander, nachdem ich gerade erst hier angekommen bin, aber ich weiß, wie es ist. Das viele Reisen und etwas Spontanität gehören für die meisten Forscher zum Job.

Ich stehe auf und winke den beiden noch einmal zu, ehe ich die Tür hinter ihnen schließe. Gänsehaut zieht sich über meinen Körper und ich fröstle. Es ist ziemlich windig, auch für Sommer, und nach einem halben Jahr Hawaii kommt es mir gleich viel kälter vor. Trotzdem nehme ich mir noch einen Moment, setze mich wieder an den Küchentisch und blicke aus dem Fenster, während ich mein Frühstück beende.

Das satte Grün der Hügel ist mit dem wundervollen Violett der Lupinen durchwoben, und mündet hinter dem felsigen Schwarz der Küste im endlosen Blau des Meeres. Andächtig erfreue ich mich an diesem Moment, genieße die Landschaft und den säuerlich süßen Geschmack meines Skyrs, der mir auf der Zunge zergeht. Ich könnte Stunden hier sitzen und auf das Meer hinausstarren, doch ein Blick auf die Uhr treibt mich zur Eile an. Ich möchte nicht ausgerechnet am ersten Tag zu spät sein und freue mich schon, das neue Team zu treffen, auch wenn ich gerne mit meiner Forschungsgruppe aus Hawaii weitergearbeitet hätte. Nach sechs Monaten am Kilauea waren Alamea, Leilani und Joshua schon mehr Freunde für mich als Kollegen.

Ich packe meine Ausrüstung zusammen und bediene mich am guten alten Zwiebellook, um dem isländischen Wetter zu trotzen, das unbeständig ist wie eh und je. Ein dünnes Funktionsshirt, ein Pullover und eine Fleecejacke, nur um sicherzugehen. Als Letztes hülle ich mich in eine dicke Daunenjacke und schlüpfe in feste Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen. Dazu packe ich meinen Rucksack und trete für einen letzten Check vor den Spiegel. Mein Blick fällt auf das schwarze Lederband mit den Muscheln um meinen Hals, das im kühlen Island trotz des Meeres fehl am Platz wirkt, und ich werde ein wenig nostalgisch. Es ist mein eigenes kleines Stück Hawaii, das ich mitgebracht habe, und ich platziere sorgfältig meinen Schal darüber, um nicht zu frieren.

Nachdem der Litli-Hrútur nicht allzu weit entfernt ist und das Wetter für Island einigermaßen schön, entscheide ich mich für das Quad anstatt des Pick-ups und bereue es ziemlich schnell. Der eiskalte Wind treibt mir die Tränen in die Augen und ich schließe das Visier des Helmes, um gleichzeitig den Staub der Straße auszuschließen. Trotzdem fröstelt es mich vom Fahrtwind und ich lege einen Zahn zu, um mich schneller wieder aufwärmen zu können.

Ich folge der Ringstraße und biege schließlich auf den frisch aufgeschütteten Weg aus Vulkanstein-Schotter, der hier oft für Straßen wiederverwertet wird. Das dunkle Schwarz fügt sich nahtlos in die Umgebung ein, doch nach ein paar Kilometern bin ich am Ende der Piste angelangt, wo haufenweise Arbeiter damit beschäftigt sind, mit riesigen Baggern LKW-Ladungen voller Gestein zu verteilen, um den Weg zu verlängern. Ich wechsle auf das offene Gelände und folge den dicken Holzpfosten mit den kleinen Leuchtstreifen, die bereits einen Teil des Weges markieren.

Ich komme nicht drumherum, die Behörde in Island zu bewundern. Der Ausbruch hat vor gerade mal drei Tagen begonnen und sie sind schon dabei, das Gebiet zu erschließen. Selten geht es so strukturiert zu, wenn ich zu einem neuen Ausbruch komme, aber die Isländer sind mittlerweile wirklich geübt, was das angeht, auch wenn man sagen muss, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen Ausbruch handelt. Wie gefährlich er wirklich ist, oder was als Nächstes kommt, gilt es noch herauszufinden. Ein Teil von Grindavík wurde sicherheitshalber evakuiert, weil die Lava diese Richtung einschlagen könnte. Hotels und touristische Anlagen, die gefährdet werden könnten, bleiben erst mal ebenfalls geschlossen.

Am Ende des mit Holzpfosten abgesteckten Weges warten bereits die Behördenmitarbeiter. Ein Container steht dort und mehrere Fahrzeuge von Feuerwehr und Polizei. Ich halte an und parke Liljas Quad. Sie hat wie immer recht, die kleine Wandertour lasse ich mir nicht entgehen. Wobei klein gut gesagt ist. Es sind noch gut drei Stunden Fußweg bis zum Krater, aber die Strecke zumindest ein Mal zu laufen, ist für mich eine Art Tradition. Also schalte ich meine Garmin ein, um mich in dem unbekannten Gelände besser orientieren zu können, und mache mich auf den Weg.

»Góðan daginn fröken. Þessi síða er ekki opin ferðamönnum sem stendur«, hält mich jemand von den Behörden auf. Ich verstehe nur etwas von wegen »nicht für Touristen geöffnet«, ehe ich ihm auf Englisch antworte.

»Guten Tag, ich weiß. Ich bin Scarlett Graham. Das International Volcanology Institute of London hat mich geschickt.«

Ich weise mich aus und zeige ihm meinen Auftrag, damit sie mich passieren lassen. Der Polizist sieht meine Unterlagen gründlich durch und nickt. Verständlich, dass er mich kontrolliert, denn obwohl das Gelände noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben ist, gibt es immer wieder ein paar waghalsige Touristen, die unbedingt einen Besuch am Vulkan wagen wollen. Meist mit schlechter oder nicht vorhandener Ausrüstung oder Proviant und ohne sich der Gefahren vor Ort bewusst zu sein. Seien es die giftigen Gase oder die Tatsache, dass die Lava unter der angetrockneten Kruste oft noch flüssig und nicht zu betreten ist.

»Ah, Miss Graham, sie werden bereits erwartet«, meint er schließlich freundlich, gibt mir meine Unterlagen zurück und deutet auf sein Polizei-Quad. »Sollen wir Sie hochbringen?«

»Nein, schon gut, ich laufe gern.«

»Wie Sie wollen«, erwidert er etwas überrascht und reicht mir ein Funkgerät aus dem provisorischen Kontrollcontainer, der, dem restlichen Inhalt nach zu urteilen, wohl zur Forschungseinrichtung gehört. »Sollten Sie Ihre Meinung ändern, können Sie gern durchfunken. Kanal drei.«

»Danke, einen schönen Tag noch«, wünsche ich ihm und stelle meinen Funk auf Kanal drei, nur für alle Fälle.

Ich checke noch einmal meine Gasmaske und tausche die Filter, dann mache ich mich auf den Weg, vorbei an den beiden alten Ausbruchsstellen der letzten Jahre, die auf der Strecke liegen. Allein beim Anblick der schwarzen Lavafelder, überzogen von Schwefel und Rauch, steigt meine Aufregung. In Momenten wie diesem wird mir wieder besonders bewusst, wie sehr ich meinen Job liebe.

Das erste Stück des Weges ist ziemlich steil und wo zunächst noch ein kleiner Trampelpfad war, wird der Weg nach den beiden alten Ausbruchsstellen ungemütlich. Die Ausbrüche haben die Natur hier verändert. Die früher sattgrünen, moosbewachsenen Hügel sind nun von dicker, schwarzer Lava überzogen und die Pflanzen im Umland verbrannt. Der Anblick bringt dennoch eine ganz eigene Faszination mit sich.

Nach gut zwei Stunden erhasche ich aus der Ferne einen ersten kleinen Blick auf den Litli-Hrútur. Der Himmel ist deutlich heller und leuchtet orange an der Stelle und ich schöpfe neue Motivation für das restliche Stück des Weges.

Es ist ein vergleichsmäßig kleiner Ausbruch und doch zehnmal so groß wie die letzten beiden in Island. Ich bin einfach nur glücklich, dass man mich hierhergeschickt hat, nachdem ich bei den Ausbrüchen am Fragradalsfjall und dem Meradalir nicht herkommen konnte, weil mich das IVI of London schon mit dem Auftrag in Hawaii betraut hatte.

Nach einer weiteren halben Stunde taucht hinter einem letzten Anstieg endlich der kleine Krater inmitten eines riesigen Lavameeres auf und der Anblick verschlägt mir schier den Atem.

Eigentlich begann meine Faszination für die Geologie schon viel früher. Schon als Kind musste ich jeden Stein am Wegrand aufsammeln. Nach jeder Wanderung waren die Rucksäcke meiner Eltern beim Heimkommen schwerer als beim Losgehen. Irgendwann wurden aus den Kieseln Edelsteine. Ich fing an, alles zu sammeln, von Bergkristallen, Rosenquarz über Katzengold bis hin zu Tigerauge und allen möglichen Steinen, die glänzten und funkelten. Doch erst während meines Geologiestudiums entdeckte ich meine Liebe zur Vulkanologie. Als ich zum ersten Mal echte Lava sah, wusste ich, dass ich diesen Weg einschlagen will.

Der Anblick der glühend heißen Lava, die unter mir leuchtet, bestätigt mich darin und ich blicke gebannt auf die zähflüssige leuchtend orangefarbige Steinmasse, die aus dem Schlot des kleinen Kegels geschleudert wird.

Selbst nach all den Ausbrüchen, die ich bereits gesehen habe, ist der erste Anblick eines neuen Vulkans etwas ganz Besonderes. Jeder Vulkanausbruch ist so einzigartig, dass es mich immer wieder fasziniert.

Mittlerweile hat sich in der Mitte des Ausbruchs ein kleiner Kegel geformt. Bis zu dreißig Meter hohe Lavafontänen werden aus seiner Mitte geschleudert, laufen in dicken Bahnen die Kraterwände hinunter und kriechen langsam über das pechschwarze Gestein. Es hört sich an wie Donner, jedes Mal wenn der Vulkan eine neue Salve des geschmolzenen Gesteins in die Höhe spuckt. Es wirkt so gewaltig, dass es mir die Sprache verschlägt. Es zischt und rumort, während der Wind den Rauch in die entgegengesetzte Richtung trägt, und ich kann mich kaum daran sattsehen.

Ich zücke mein Handy, Filme und schieße ein paar Fotos, während ich nähertrete. Die unterschwellige Hitze des Vulkans wärmt mich trotz des kalten Windes, und ein leichter Geruch von Schwefel liegt in der Luft. Etwas weiter entfernt an der Südseite des Vulkans hat das Moos durch die Hitze des Erdreichs Feuer gefangen. Helikopter kreisen über das Gebiet, unermüdlich im Löscheinsatz. Das laute Schlagen der Rotorblätter und das Zischen des auf die Flammen treffenden Wassers mischen sich in den Klang des Vulkans.