Bloody Marry Me: Sammelband der Rockstar-Vampire-Romance »Bloody Marry Me« - M. D. Hirt - E-Book
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Bloody Marry Me: Sammelband der Rockstar-Vampire-Romance »Bloody Marry Me« E-Book

M. D. Hirt

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Beschreibung

**Auf Tour mit vier verführerischen Vampiren**  Unverschämt gut aussehend, übermenschlich stark und blutdürstig in der Nacht: Das sind die vier Rockstars der erfolgreichen Band »Bloody Mary«. Als die Kunststudentin Holly einen der begehrten Gästeplätze für die wichtigsten Music and Movie Awards der ganzen Welt gewinnt, ahnt sie nichts von der Bedingung, die an diese Chance geknüpft ist. Denn dafür muss sie »Bloody Mary« auf Tour begleiten. Dass der attraktive Leadsänger Ray und seine Bandkollegen Vampire sind, jagt ihr Nacht für Nacht einen Schauer über den Rücken. Und doch genießt sie die intensive Nähe zu den vier Musikern, die ihre Gefühle so vollkommen durcheinanderbringen. Aber das Rockstarleben mit jahrhundertealten Vampiren hat auch seine Schattenseiten und die sind viel gefährlicher als ein paar aufdringliche Paparazzi.  //Textausschnitt: Jetzt, da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich den hungrigen Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen. So wie ein Wolf, der seit Tagen nichts zu fressen gehabt hatte und dem jetzt ein Reh direkt vors Maul gesprungen war. Er kam mit seinem Gesicht immer näher, ich spürte seinen kühlen Atem, der an meiner Nase kitzelte, und eine Gänsehaut kroch über meine Haut. Er würde doch nicht etwa …// //Dieser Sammelband enthält alle sechs Bände der außergewöhnlichen Vampirreihe. Alle Bände der Fantasy-Buchserie:   -- Bloody Marry Me 1: Blut ist dicker als Whiskey -- Bloody Marry Me 2: Rache schmeckt süßer als Blut  -- Bloody Marry Me 3: Böses Blut fließt selten allein -- Bloody Marry Me 4: Morgenstund hat Blut im Mund -- Bloody Marry Me 5: Abwarten und Blut trinken -- Bloody Marry Me 6: Ende gut, alles Blut Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2018, 2019, 2020 Text © M. D. Hirt, 2018, 2019, 2020 Lektorat: Marion Lembke Coverbild: shutterstock.com / © Viorel Sima / © gmstockstudio Covergestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60602-7www.carlsen.de

Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

M. D. Hirt

Bloody Marry Me 1: Blut ist dicker als Whiskey

**Tauch ein in die Welt des Vampire-Glamours** Als die Kunststudentin Holly einen der begehrten Gästeplätze bei den wichtigsten Music and Movie Awards der ganzen Welt gewinnt, wird ein Traum für sie wahr. Doch der droht sich schnell in einen Albtraum zu verwandeln, als sie von den Bedingungen erfährt, die an diese Chance geknüpft sind. Denn dafür muss sie die erfolgreiche Band »Bloody Mary« auf Tour begleiten und die besteht komplett aus Vampiren. Nichts fürchtet sie mehr, als Nacht für Nacht, Seite an Seite mit vier unverschämt gut aussehenden, übermenschlich starken und blutdürstigen Wesen um die Welt zu reisen. Aber was tut man nicht alles für die Erfüllung seiner Träume …

Wohin soll es gehen?

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Vita

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© Shattered Light Photography

M. D. Hirt wurde in Barcelona geboren und bereiste mit ihren Eltern die ganze Welt. Heute lebt und studiert sie in Berlin und liebt es, mittlerweile selbst Pläne zu schmieden, um ferne Länder zu erkunden. Ihre Freizeit verbringt sie entweder in ihrer Werkstatt, in der sie an allem herumtüftelt, was ihr in die Finger kommt, oder an ihrem Schreibtisch. Dort ist auch ihr vampirisch-schöner Debütroman entstanden.

Prolog

Die Enthüllung

Jeder kennt das Gefühl, wenn einem etwas den Atem verschlägt, die Hände anfangen zu schwitzen, der Kopf rattert und man sich Mühe geben muss, seine Gedanken wieder zusammenzusetzen. Dieses Gefühl ereilte mich an einem verregneten Novemberabend vor vier Jahren.

Als ich ausgestreckt auf der kühlen braunen Ledercouch in meiner kleinen Berliner Studentenwohnung lag, war das weder der Ort noch die Zeit, wo ich damit gerechnet hätte. Ich war vertieft in einen meiner zahllosen Liebesromane und lauschte dem prasselnden Regen, der gegen das Dachfenster über mir trommelte. Meine Finger strichen über die cremefarbenen Seiten, die den subtilen Duft von neuem Papier verbreiteten, kaum wahrnehmbar durch den stärkeren Geruch von Acrylfarbe und Terpentin meiner trocknenden Leinwände.

Diese Harmonie wurde nur unterbrochen vom leisen Geplapper des Fernsehers, den Alice eingeschaltet hatte. Sie saß auf dem Boden, an das Sofa gelehnt, auf dem ich lag. Ungeduldig zappte sie durch die wenigen Free-TV-Sender, die mein uralter Fernseher empfing, bis sie das gesuchte Programm fand.

Alice war, seit ich an die Kunsthochschule gekommen war, meine beste Freundin und ich kannte jede ihrer Lieblingssendungen, als wären es meine eigenen. Wir wohnten zwar nicht zusammen, aber trotzdem war sie der Mensch, den ich jede Woche am meisten sah. Jetzt flackerte ihre derzeit favorisierte Quizshow über die Mattscheibe. Ich wippte mit dem Fuß zum Takt der rockigen Titelmusik, die nur von einem leichten statischen Rauschen durchzogen war. Es war dasselbe Lied, welches auch in einer Waschmittelwerbung verwendet wurde, und mein neues Lieblingslied. Hin und wieder fing ich einen Kommentar von Alice oder dem Moderator auf und sah hoch. Ich konnte nicht widerstehen, dann aus meinem Buch aufzutauchen, um lautlos mitzuraten – Alice hingegen war selten stumm, sie redete wahnsinnig gern mit dem Fernseher, auch wenn sie wusste, dass die Kandidaten sie nicht hören konnten.

Es hielt sie auch keineswegs davon ab, lautstark zu fluchen: »Die Antwort ist A! Du dämliche Kuh!« Typisch, bei Fragen über Bildhauerei machte ihr so leicht keiner was vor. Mein Spezialgebiet war dagegen die Malerei und Kunstgeschichte.

Ich wandte den Blick ab, ließ kopfschüttelnd mein Buch sinken und stöberte durch die Nachrichten auf meinem unendlich langsamen, alten Smartphone. Ein YouTube-Video stach mir ins Auge: Vampire real? Blutsauger nun offiziell enthüllt? Es hatte mehrere Millionen Views, obwohl es gerade erst 56 Minuten online war. Neugierig klickte ich darauf und stieß Alice an, die mit ihrem blonden Lockenkopf ebenfalls einen Blick aufs Display warf und den Fernseher ausschaltete, damit wir dem blechernen Ton besser lauschen konnten. Mein Handy zeigte einen neutralen marineblauen Hintergrund mit einem transparenten Globus, der sich langsam drehte. Auf fremdsprachigen Kanälen, die in der Beschreibung verlinkt wurden, war ein übersetztes Äquivalent zu sehen. Zusätzlich flackerten die Worte Breaking News über das Display.

Die letzten Male, dass ich etwas Ähnliches erlebt hatte, waren zu der Zeit gewesen, als eine Reihe von Terroranschlägen die USA erschütterte und der Tsunami über Japan hinwegfegte. Jegliche Medien waren voll von grausamen Videos und Bildern gewesen. Ich wappnete mich emotional für eine weitere Katastrophe, während eine freundlich dreinblickende Nachrichtensprecherin erschien. Entgegen meiner Erwartungen hatte sie ein Lächeln aufgesetzt und war von einer Aura der Ruhe umgeben.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Nachrichtenunterbrechung wird nicht nur auf YouTube, sondern ebenfalls länderübergreifend in mehreren Sprachen in einer Stunde auf verschiedenen Fernsehkanälen ausgestrahlt. Des Weiteren werden Radiosender und Zeitungen ebenfalls im Verlaufe des Tages Meldungen herausgeben. Eine Übersicht über die Sprachen finden Sie in der Videobeschreibung oder im Teletext Seite 358 …«, begann sie.

Alice und ich sahen uns an. Dann riss sie die Fernbedienung mit einem Blick auf die Uhr nach oben, schaltete den Fernseher wieder ein und wir beide starrten verdutzt auf das exakt selbe Bild.

Es klang zumindest nicht nach einer weiteren Katastrophe. Aber es musste eine wichtige Botschaft sein, sonst würde das reguläre Fernsehprogramm nicht unterbrochen werden. Ein YouTube-Video schön und gut, aber sämtliche Medienkanäle? Was konnte so viele Menschen betreffen? Vor allem so plötzlich?

»Hast du irgendeine Idee, was das soll?«, fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. »Keinen blassen Schimmer, Holly.«

Wir wurden jedoch nicht weiter auf die Folter gespannt, als die blonde Frau nach drei kurzen Pieptönen erneut auf dem Bildschirm erschien.

»Diese Programmunterbrechung ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der vor wenigen Minuten abgeschlossen und von Ihrer Regierung abgesegnet wurde. Vor nun mehr einem Jahr ist der Wissenschaft ein medizinischer Durchbruch gelungen: die Kommerzialisierung von geklontem und damit menschenfrei hergestelltem Blut. In Notaufnahmen rund um den Globus ist diese wissenschaftliche Errungenschaft bereits nicht mehr wegzudenken und hat seitdem unzählige Menschenleben gerettet. Die Nahrungsmittelindustrie hat ebenfalls die Vermarktung des geklonten Blutes angekündigt, um die Bedürfnisse eines Kundenstammes zu befriedigen, der bisher dem Reich der Sagen und Legenden zugesprochen wurde – den Vampiren. Durch die finale Markteinführung als Lebensmittel und die damit verbundenen reduzierten Produktionsauflagen wird die Massenproduktion ermöglicht, welche es allen Mitgliedern der Vampirgemeinde erlaubt, sich kostengünstig und effizient zu ernähren.«

Die Nachrichtensprecherin machte eine Pause und holte tief Luft. »Sie haben richtig gehört und ich bitte Sie angesichts dieser Nachrichten Ruhe zu bewahren. Vampire leben seit Jahrhunderten unbemerkt unter den Menschen, als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, ohne negative Folgen für Sie oder Ihre Angehörigen. Möglicherweise kennen Sie sogar einige Vampire und zählen Sie zu Ihren langjährigen Freunden – ohne von ihrem wahren Wesen zu wissen. Mit der Einführung des geklonten Blutes gibt es keinen Grund mehr, unsere Existenz vor den Menschen geheim zu halten.«

Alice und ich verfielen in etwas, das man als Schockstarre beschreiben konnte, und sahen uns an. Vampire waren echt? Und die hübsche blonde Nachrichtensprecherin war eine von ihnen?

Das Handy rutschte aus meiner Hand zu Boden. Ich ertappte mich, wie ich angestrengt auf den Bildschirm starrte und mich bemühte irgendwelche Anzeichen für ihr untotes Dasein zu finden, dabei sah sie eigentlich ganz normal aus. Zartrosa Wangen, keine faulende Haut, keine blutroten Augen, auch keine Fangzähne? Nur ein wenig blass war sie. Mein Gehirn ratterte unermüdlich. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter und meine Hände fingen an zu schwitzen.

Vielleicht war mein Postbote ein Vampir. Immerhin brachte er meine Post immer extrem spät oder so früh, dass es noch dunkel war. Meine Nachbarin? Die kam so gut wie nie aus ihrer Wohnung. Oder etwa mein Arzt? Der hatte mir in letzter Zeit verdächtig oft Blut abgenommen. Ich schüttelte den Kopf und wischte mir die schwitzigen Hände an der Hose ab. Nein, das war mir angesichts meiner kleinen Nadelphobie wohl nur so vorgekommen.

Mit großer Mühe versuchte ich meine Gedanken zu sortieren und das zu tun, was mir die Nachrichtensprecherin empfahl: Ruhe bewahren. Wobei ich mir gestehen musste, das Ganze war nur bedingt erfolgreich.

Ich musste das alles erst mal sacken lassen, doch die Nachrichtensprecherin, die als erste öffentlich geoutete Vampirin in die Weltgeschichte eingehen würde, ließ mir keine Pause.

»Wir haben ein Bürgertelefon und Chats eingerichtet, an die Sie sich wenden können. Dort werden wir uns um Ihre Fragen und Bedenken kümmern. Außerdem werden wir die nächste Woche nutzen, um 24 Stunden pro Tag Nachrichten und Wissenswertes über Vampire auf mehreren Fernsehkanälen und YouTube zu senden. Damit diese Enthüllung ohne Zwischenfälle stattfindet, ist es wichtig, dass Sie keine übereilten Schlüsse ziehen oder überstürzt reagieren. Es wird ebenfalls von mehreren Ländern weitere Regierungserklärungen geben …«

Ich bekam nicht mehr mit, was sie noch zu sagen hatte. Mit zitternden Fingern angelte ich wieder nach meinem Handy und wollte schon die Nummer wählen, die eingeblendet wurde, bis ich innehielt. Dabei wusste ich nicht einmal, was ich überhaupt fragen wollte.

Während ich entsetzt war, blieb meine Freundin überraschend ruhig. »Tja, das war’s dann wohl mit unserer abendlichen Soap«, meinte sie nur trocken.

Mein Blick landete auf Alice und ich wurde misstrauisch, immerhin kannte ich sie mittlerweile seit ungefähr einem Jahr, aber manchmal war Alice ungewöhnlich blass und eine ziemliche Nachtschwärmerin. Wir studierten zusammen Bildende Kunst und waren seit dem Vorkurs unzertrennlich. Auch wenn wir nicht unterschiedlicher hätten sein können, ich als schüchternes und zurückhaltendes Landei mit amerikanischen Wurzeln und sie als bunter Hund, der keine Party ausließ. Aber hätte sie mir eine so große Sache wie Vampirismus verschweigen können?

Sie sah mich fragend an und prustete laut los. »Mach dir keine Sorgen, Holly. Ich weiß genau, was du denkst, und nein, ich bin keine Vampirin.«

Ein erleichtertes Seufzen entfuhr mir – hatte ich das wirklich auch nur eine Sekunde lang ernsthaft geglaubt? Ich kam mir lächerlich vor.

»Warum bist du eigentlich so verängstigt? Du hast die Dame im Fernsehen gehört, kein Grund zur Panik. Iss erst mal ’nen Happen, auf den Schock brauchst du was im Magen.«

Wie auf Kommando klingelte es an der Tür. Das musste unsere traditionelle Samstag-Abend-Pizza sein.

»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Alice und kramte nach Trinkgeld, während ich bereits aufgestanden war. Sie hob beschwichtigend die Hände. »Beruhige dich, du bist so blass, wenn du jetzt jemandem die Tür öffnest, dann hast du gleich ’nen Pflock im Herzen. Vielleicht ist ja aber auch der Pizzabote ein Vampir, der kommt, um dich zu holen?« Sie kicherte und wuselte zur Tür.

Zu meiner Erleichterung war es jedoch nur derselbe dauerhaft genervte Lieferant, der jeden Samstag kam, und die Pizza war auch nicht mit Blutwurst, sondern wie üblich mit Salami belegt.

Alice und ich ließen uns noch stundenlang nach der Nachrichtensendung vom angekündigten Vampirprogramm berieseln, nur um eines festzustellen: Die Vampire waren zwar da und unter ihnen extrem viele berühmte Persönlichkeiten, aber sie gaben nicht viel von sich preis. Ich hatte das Gefühl, dass ich nach jedem dieser Beiträge, die Titel wie Die Anatomie einer Sagengestalt, Wahrheit oder Fiktion: 20 Fakten über Vampire trugen, nicht mehr wusste als vorher.

Alice ging es ähnlich und sie war so etwas wie eine selbsternannte Expertin auf dem Gebiet, schließlich hatte sie nicht umsonst Hunderte Vampir-Romane gelesen.

Außerdem diskutierten wir ausgiebig, bis zum Morgengrauen. Während Alice ihre eigene Fantasy-Romanze vor Augen hatte, jagte mir die ganze Vampir-Sache eher Angst ein. Ich dachte mehr an Dracula oder Nosferatu.

Meine Eltern hatten versucht mich konservativ-religiös zu erziehen. Auch wenn das nur bedingt gefruchtet hatte, waren Vampire, Dämonen und Werwölfe für mich nicht nur Sagengestalten, sondern kamen direkt aus der Hölle. Alles, was mit paranormalen Phänomenen zu tun hatte, beunruhigte mich zutiefst. Nicht dass mir bisher viel Übernatürliches zugestoßen wäre, aber wer wie ich nur ein einziges Mal einen Kirchenexorzismus hatte mit ansehen müssen, war fürs Leben geprägt.

Immerhin hatten sich die Vampire vor dem geklonten Blut von richtigem Blut ernährt und woher das gekommen war, sollte jedem klar sein. Die Tatsache, dass die Vampire sich bei Sonnenaufgang in Leichen verwandelten, die beim geringsten Sonnenstrahl in Flammen aufgingen und nicht anfingen zu glitzern wie die schönsten Edelsteinchen, war ebenfalls kein besonders kuscheliger Gedanke, um ihre Gesellschaft zu suchen.

Letztendlich konnte man es drehen und wenden, wie man wollte: Egal wie unangenehm manche Nachrichten waren, wenn man sie nicht ändern konnte, musste man lernen mit ihnen umzugehen.

So ging es nicht nur mir, sondern vielen Menschen. Das bestätigten zumindest die radikalen Vampirjägergruppen, die sich nach der Enthüllung bildeten; die Ausschreitungen, die in dunklen Seitengassen stattfanden; die Übergriffe auf vermeintliche Vampire; die Demonstrationen, die auf jedem großen, öffentlichen Platz stattfanden; die Geschäfte, die plötzlich rund um die Uhr geöffnet hatten; die Vampir-Restaurants; die zahlreichen Vampirismus-Unterstützer und der rekordverdächtige Absatz von geklontem Blut.

Zwei Jahre nach dem Outing war die Empörung über die jahrhundertelange Geheimniskrämerei vorüber, die Anschuldigungen an die Regierung und die generellen Rechtsfragen geklärt. Die Schulen unterrichteten mittlerweile Vampirkunde und ein Großteil der alten Sagen und Legenden war widerlegt oder zumindest bereinigt worden.

Ein schwedisches Möbelhaus hatte die lebenslange Garantie mit einem vorsichtigen Lächeln widerrufen und auf dreißig Jahre begrenzt und das geklonte Blut war, in verschiedenen Blutgruppen, in so gut wie jedem Kühlregal zu finden.

Die Menschen hatten mehr oder minder mit den Vampiren leben gelernt. Wobei sich für die meisten Menschen nicht viel verändert hatte und sich auch nicht mehr ändern würde. Es sei denn, die nächste Spezies beschloss aus der Versenkung aufzutauchen.

Zwei Jahre nach dem Outing saßen Alice und ich erneut vor meinem nun geradezu antiken Fernseher, schauten die Preisverleihung eines großen Gewinnspiels an und sie sprach die magischen Worte, die mein Leben nachhaltig verändern würden.

»Da kann man die Erfüllung seines Lebenstraums gewinnen! Ich melde uns mal an. Wenn ich Glück hab, gewinne ich endlich die Reise auf die Galapagosinseln und, Holly, du kannst zu den Atlantis Awards«, kreischte sie vergnügt und ich seufzte, denn ich wusste: Wenn Alice sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie davon nicht mehr abzubringen.

Sie sah mich mit ihren babyblauen Augen erwartungsvoll an. Ich nannte das immer ihren Wunderland-Blick. Beim letzten Mal, als ich diesen bei ihr gesehen hatte, schlug sie vor im angrenzenden See zu baden – nackt, im Dezember. Da ich wusste, wie zwecklos Widerstand war, und die Aktion, im Gegensatz zum nächtlichen Eisbad, nicht schaden konnte, nickte ich ergeben und sie griff gierig nach meinem alten Laptop, um das Anmeldeformular auszufüllen.

Kapitel 1

Der unerwartete Anfang

Na endlich. Die dröhnenden Bassrhythmen, die ich tief in mir spürte und die mich kräftig durchgeschüttelt hatten, setzten schlagartig aus. Das dumpfe Wummern in meinen Ohren erstarb. Ich sah mich verunsichert um und ließ meine Blicke an den vielen Kabeln und Gerüsten entlangwandern. Mit einer ungeschickten Bewegung schüttelte ich mir die kleinen gelben Stöpsel, welche ich mir vorsichtshalber mitgenommen hatte, aus den Ohren.

Wie war ich nur in dieses Fernsehstudio gekommen? Tja, tatsächlich hatte ich durch Alices Schnapsidee, uns beim Gewinnspiel anzumelden, etwas gewonnen. Sie selbst ging hingegen leer aus, obwohl sie für ihr Glück bekannt war.

Der Hauptgewinn war die Erfüllung eines Lebenstraums, egal was es war – zumindest war das angepriesen worden. Aber ein paar Einschränkungen gab es doch. Sonst hätte ich mir einen großen Sack voll Gold gewünscht, um die Schulden, die durch die Studiengebühren meiner Privatuni entstanden waren, abzubezahlen.

Ich seufzte, es war hart, auf sich allein gestellt zu sein. Meine Eltern hatten meinen Auszug aus dem Familienbauernhof alles andere als begrüßt. Jetzt war ich das schwarze Schaf inmitten meiner konservativen Verwandtschaft. Das Huhn zwischen den Schwänen. Aber wie sagte man so schön? Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Oder gewinnt einen Preis.

Das war also mein großes Glück, denn ich wurde zur Liveshow des Gewinnspiels eingeladen, in der die letzten zehn ihre Preise überreicht bekamen, zusammen mit einem vielfältigen Showprogramm. Man hatte mir zuvor mitgeteilt, dass ich den zweiten Preis gewonnen hatte: einen brandneuen Sportwagen.

Ich freute mich wahnsinnig, denn mein kleines Gefährt fiel langsam, aber sicher auseinander und als Studentin konnte ich mir weder die Reparatur noch ein neues Auto leisten. Stirnrunzelnd überlegte ich jedoch, ob die Spritkosten des schnittigen Sportwagens überhaupt in mein Budget passten oder ob ich ihn lieber verkaufen sollte.

Das Einzige, was mein Glück noch trübte, war der kleine Funken Trauer darüber, dass mein eigentlicher Lebenstraum vermutlich nie in Erfüllung gehen würde.

Seit Jahren träumte ich davon, zu den Atlantis Awards zu reisen, der größten Gala für internationale Künstler, Schauspieler, Sänger und Stars. Dabei wusste ich nicht mal genau warum. Ich wusste nur, dass ich, seit ich denken konnte, eine unfassbare Sehnsucht entwickelt hatte. Jeder Zeitungsartikel und Fernsehbericht übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus.

Dabei würde ich mich nicht als Hardcore-Fan irgendeines Schauspielers oder einer Band bezeichnen, mein Herz schlug eher für die alten Meister wie Da Vinci oder Van Gogh. Außerdem hatte ich panische Angst davor, im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen, und doch hatte ich immer eine seltsame Verlockung verspürt, wenn es um die Atlantis Awards ging.

Auf normalen Wegen grenzte es an Unmöglichkeit, dorthin zu gelangen, denn jeder handverlesene Gast durfte nur eine einzige Begleitperson mitnehmen und es gab keine regulären Tickets zu kaufen. Da selbst die Presse zu diesem Event nur begrenzt zugelassen war, kauften sich Fernsehsender und Journalisten mit horrenden Summen in die Veranstaltung ein, indem sie den Begleitplatz eines Prominenten für Millionenbeträge ersteigerten. Dagegen war der Eintritt in die Oscarverleihung ein Kinderspiel.

Da ich weder die Millionen noch irgendwelche nennenswerte Talente besaß, fielen die Atlantis Awards für mich flach. Ehrlich gesagt: Ich hätte mir nicht mal den Flug nach L. A. leisten können.

Meine Träumereien wurden jäh unterbrochen, als ich ein unangenehmes Geräusch aus der Kandidatengarderobe vernahm. Helena, das junge Mädchen, welches den Hauptpreis gewonnen hatte, würgte und sah unfassbar blass aus.

»Alles in Ordnung?«, fragte ich, doch Helena schüttelte nur den Kopf. »Toilette?« Diesmal nickte sie.

Wir eilten zum nächsten Porzellanthron, der sich gefühlt Hunderte Kilometer entfernt zu befinden schien, und erreichten ihn keine Sekunde zu früh. Helena erbrach sich mit wohltuender Heftigkeit, während ich ihr die Haare aus dem Gesicht hielt.

»Das ist nur das Lampenfieber«, versuchte ich sie zu beruhigen.

Jemand klopfte gegen die Kabine. »Frau Bane? Sind Sie da drinnen? Können Sie bitte kurz rauskommen?«, hörte ich eine energische Frauenstimme fragen.

»Kommst du kurz alleine klar?«, fragte ich Helena, die daraufhin schwach nickte.

»Danke, Holly.«

»Kein Problem.«

Eine Frau mit grauem Bleistiftrock und diffuser Hochsteckfrisur erwartete mich vor der Toilette. »Frau Bane, wir haben da offensichtlich ein kleines Problem«, fing sie an. »Frau Schneider muss sich ja anscheinend ununterbrochen übergeben, sie kann also ihren Preis nicht entgegennehmen.« Die Frau kniff die Lippen ernst zusammen, was ihr das Aussehen eines wütenden Kugelfischs verlieh, und war sichtlich wenig begeistert von der aktuellen Planänderung. »Deswegen werden Sie das tun. Herzlichen Glückwunsch«, schloss sie und trug ein gequältes Lächeln zur Schau.

Mir dagegen fiel die Kinnlade herunter und ich stammelte mit ungläubiger Stimme: »Ich … Atlantis Awards?«

Sie sah mich mit einer Mischung aus Mitleid und Belustigung an. »Zu den Atlantis Awards? Machen Sie Witze? Nein, Sie werden natürlich Helenas ersten Preis bekommen: ein Duett mit Ray Sorin von Bloody Mary. Wir können den Ablauf so kurzfristig nicht mehr ändern. Ihren Preis bekommt jemand anderes.«

Ich spürte, wie sich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust breitmachte. Kein Auto und dann musste ich auch noch singen? Konnte es noch schlimmer kommen? Mein größter Traum wurde gerade für mich zu meinem größten Albtraum.

»Aber …«, stammelte ich weiter und die Kugelfisch-Lady schaute mich so ungeduldig an, dass ich ein »Aber ich kann nicht singen und … das wäre unfair der armen Helena gegenüber« herausbrachte.

Ich versuchte sie mitleiderregend anzusehen, damit sie es sich noch einmal anders überlegte. Doch ein düsterer, gehässiger Schatten huschte über ihr Gesicht.

»Erinnern Sie sich noch an den Vertrag, den Sie unterschrieben haben?« Ihr Lächeln war boshaft.

Ja, ich erinnerte mich an den verdammten Vertrag. Darin standen neben jeder Menge rechtlicher Floskeln nicht nur, dass ich nichts darüber verraten durfte, was sich hinter den Kulissen abspielte, sondern auch, wie sehr ich mich über meinen Preis zu freuen hatte. Ich schwor bei Gott, nächstes Mal würde ich die fünfzig Seiten durchlesen, auch wenn ich ungeduldig angezickt wurde. Aber jetzt war es zu spät, ich hatte meine Seele bereits an den Teufel verkauft. Wenn ich nicht so geschockt gewesen wäre, hätte ich vermutlich Reißaus genommen.

»Das kann nicht legal sein!«, rief ich empört aus, doch die Frau lächelte nur kalt.

»Klag doch. Keine Rechtsschutzversicherung? Nein? Schätzchen, so läuft das in der Entertainment-Branche. The show must go on! Wir können kein Fiasko gebrauchen. Wenn du nicht singen kannst, ist das egal. Wir kriegen das schon als lustig oder mitleiderregend verkauft«, sagte sie und wackelte auf ihren hohen Absätzen davon, ohne sich noch mal umzudrehen oder mir Zeit zum Protestieren zu geben.

Ich biss mir auf die Lippen und versuchte die in mir aufwallende Panik und ein paar Tränen zu unterdrücken. Ruhig bleiben.

Bloody Mary … Mit gerunzelter Stirn kratzte ich das wenige Wissen, welches ich über die Band besaß, zusammen. Sie war bei Teenies beliebt, machte wohl annehmbare Musik und ich mochte den generellen Wirbel um sie nicht. Die Klatschpresse lobte sie in den Himmel und versuchte die Privatleben der einzelnen Mitglieder so breit wie möglich zu treten. Dabei führten sie anscheinend das übliche Rockstar-Leben mit viel zu vielen Partys, kaputten Hotelzimmern, leichten Mädchen und vermutlich jeder Menge Geschlechtskrankheiten. Ich interessierte mich generell wenig für Klatsch und Tratsch. Eigentlich nur, wenn ich irgendwo im Wartezimmer saß und in den Illustrierten blätterte, um Zeit totzuschlagen.

Mir war immerhin bekannt, dass die Band aus Vampiren bestand, und ich fand den Bandnamen angesichts dieser Tatsache reichlich geschmacklos. Bloody Mary? Im Ernst?

Ich hingegen wäre für diese Blutsauger vermutlich keineswegs geschmacklos. Die Vorstellung, als kleiner Snack für zwischendurch betrachtet zu werden, beunruhigte mich zutiefst. Da ich keine Vampire persönlich kannte, hatte aber auch bis gerade eben keine Gefahr dahingehend bestanden. Es war außerdem unwahrscheinlich gewesen, dass ich jemals welche kennengelernt hätte, denn sie bekleideten meist Positionen ganz oben auf der Karriereleiter – da, wo ich nicht war. Kein Wunder, sie hatten, im Gegensatz zu den Menschen, schließlich jahrhundertelang Zeit gehabt, ihre natürlichen Fähigkeiten zu perfektionieren.

Außerdem hatten sie mit ihrer Unsterblichkeit auch eine Reihe an übernatürlichen Fähigkeiten zu bieten: übermenschliche Geschwindigkeit und Stärke, makelloses Aussehen. Vielleicht konnten sie fliegen oder Eier legen? Wer wusste das schon genau.

Vampire gaben nur sehr wenig über ihre Eigenarten preis. Vor allem um ihre Schwächen wurde ein großes Geheimnis gemacht. Bis auf die generellen Informationen und allgemeinen Warnhinweise wie leichte Entflammbarkeit oder die Tatsache, dass sie durch Pfählung getötet werden konnten und schwächer wurden, wenn sie lange nichts getrunken hatten.

Nun sollte ich mit einem Vampir ein Duett singen. Singen war ja schon schlimm genug, aber auch noch mit einem Untoten? Ich konnte mir in diesem Moment nur schwer etwas Schlimmeres vorstellen – außer vielleicht von einem Vampir ausgesaugt zu werden. Wobei die Menschen, die sich dieses gesangliche Desaster anhören mussten, das vermutlich bevorzugen würden.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als still und heimlich vom Erdboden verschluckt zu werden. Doch diese Gnade wurde mir nicht gewährt, denn in diesem Moment kam ein Praktikant mit dicken Kopfhörern auf den Ohren auf mich zu und schubste mich ungeduldig zum Bühneneingang.

»Erst reden, dann singen!«, brüllte er mir entgegen und ich zuckte zusammen. Seine Kopfhörer waren anscheinend fantastisch schallisoliert. Ob ich mir wohl ein paar davon für meinen Auftritt leihen durfte? Bevor ich ihn jedoch beschwatzen konnte, hatte er mich bereits ein gutes Stück weitergeschoben.

Wir standen nun vor dem Bühneneingang und ich hörte noch das Aufheulen des Motors des Sportwagens, der eigentlich meiner hätte werden sollen. Ich versuchte ein letztes Mal meine Enttäuschung und Nervosität herunterzuschlucken, als die schweren Türen aufschwangen und mich das Scheinwerferlicht blendete.

Was zum Teufel tat ich hier?

Alle Augen waren auf mich gerichtet und ich musste mit Mühe den Reflex unterdrücken, direkt wieder rauszurennen oder mich zu übergeben. Das Gefühl war atemberaubend – nicht auf eine gute, sondern auf eine unangenehme Weise, so wie Asthma.

Meine Augen brauchten eine Weile, um sich an das grelle Licht zu gewöhnen, doch die Moderatorin hatte mich bereits in einen Schraubgriff genommen. Sie bugsierte mich strahlend zu einem himmelblauen, halbmondförmigen Sofa, auf dem vier Personen meines Alters saßen – vermutlich Bloody Mary.

Äußerlich zumindest in meinem Alter. Kein Mensch wusste, wie viele Jahre die Jungs schon auf dem Buckel hatten. Verdammt, ich kannte nicht einmal ihre Namen. Wer war jetzt noch mal Ray Sorin?

Ich setzte mich in die einzige Lücke: zwischen zwei große Typen, einer mit schwarzen, verwuschelten Haaren zu meiner Rechten und einer mit langer kupferfarbener Mähne zu meiner Linken. Einer blasser als der andere, aber mit makelloser Haut, perfekt gestylten Frisuren und Augen, die von innen heraus wunderschön zu glühen schienen – irgendwelche Vorteile musste das Bluttrinken ja haben.

Ein weiterer hatte dunkle kinnlange Haare, der Letzte eine kurze blonde Surfer-Frisur und, wie ich schnell feststellen durfte, ein perfektes weißes Lächeln. Er grinste mich breit an und konnte es sich anscheinend nicht verkneifen, seine goldenen Augen über mein Dekolleté wandern zu lassen. Nervös zupfte ich meine Bluse zurecht, was sein Grinsen noch vergrößerte.

Ich lief rot an und sah kurz auf meine Schuhspitzen, ehe ich meinen Blick wieder verstohlen nach oben richtete, da ich mich nur schwerlich vom Starren abhalten konnte. Sie sahen immerhin alle aus wie die perfekt gemeißelten Statuen von Michelangelo.

Der Fremde mit den blonden Haaren fuhr sich mit der Hand durch die gestylte Frisur und wirkte dabei so sexy, dass ich nicht anders konnte, als ihn doch wieder anzustarren. Wie eine Motte, die trotz der Gefahr unbeirrt aufs Licht zuflog, um anschließend mit einem leisen Surren zu verbrutzeln.

Vermutlich erschien in genau diesem Moment eine Bauchbinde, auf der in etwa stand: Holly Bane (22), Studentin (Bildende Kunst) – schmachtet Bandmitglied an.

Diese Vorstellung riss mich aus meinen Gedanken und ich schüttelte den Kopf, während die Moderatorin den Zuschauern erklärte, warum ich diesen Preis so wahnsinnig verdient hätte, und Anekdoten aus meinem Leben erzählte, die ich selbst nicht kannte. Ich wusste zum Beispiel noch gar nicht, dass ich einen Kunstpreis an meiner Uni gewonnen hatte und leidenschaftlich gerne Tennis spielte.

Während sie ihren Monolog hielt und wir nicht mehr im Bild waren, sah ich erneut auf meine Füße und schluckte. Unsere Mikrofone waren ausgeschaltet – so würde zumindest niemand meinen unnatürlich schnellen Atem hören. Langsam beugte sich der schwarzhaarige Wuschelkopf, der rechts von mir saß, herüber und hielt mir die Hand hin.

»Ray Sorin«, sagte er knapp und lächelte mich an. Auch hier makellos weiße Zähne, keine Spur von bluttriefenden Fangzähnen. Er sah, genau wie der blonde Surfer, verboten gut aus. Seine Kiefer und Wangenknochen gaben ihm etwas verführerisch Maskulines, was dem Surfer fehlte, der eher wie ein frecher, zu alt geratener Teenager aussah.

»Holly Bane«, erwiderte ich ebenso knapp, nachdem ich meine Gedanken gesammelt hatte, und ergriff zögerlich seine Hand. Sie war wider Erwarten nicht eiskalt, sondern lauwarm.

Gut, einen Namen wusste ich jetzt, blieben nur noch drei übrig.

»Holly?«, wunderte sich Ray und strich sich eine ausgebüxte Strähne aus der Stirn. Wenn es nicht grob nach hinten gegelt worden wäre, würde es ihm bis in die Augen fallen. Diese verblüffend eisblauen Augen … »Ich hatte eine Helena Schneider erwartet.« Er zog eine Augenbraue hoch, als er bemerkte, wie ich ihn unverwandt anstarrte.

»Ja, das war auch geplant, aber da Helena spontan Würfelhusten entwickelt hat, muss ich nun den ersten Preis entgegennehmen. Ich war eigentlich die Gewinnerin des Autos«, erwiderte ich und zwang mich ruhig zu bleiben.

»Würfelhusten?«, fragte er und grinste belustigt.

»Ihr ist schlecht geworden«, senkte ich verschwörerisch die Stimme. »Sie ist auf der Toilette und muss sich ununterbrochen übergeben.«

Ray lachte leise auf und schüttelte den Kopf. »Und dein größter Traum ist auch, ein Duett mit mir zu singen?«

Angesichts dieser leicht überheblichen Annahme und der Tatsache, dass er darüber lachen konnte, wenn sich ein Fan von ihm in Dauerschleife übergab, war ich nicht gerade wild darauf, mehr Zeit als nötig mit ihm zu verbringen. Musste ich aber auch nicht, mein Untergang war schließlich nur noch zwei Werbepausen entfernt – wenn er mich bis dahin nicht auffraß.

»Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich kann kein bisschen singen. Mein eigentlicher Traum ist es, bei der Verleihung der Atlantis Awards live dabei zu sein, aber jetzt muss ich gute Miene zum bösen Spiel machen, weil ich diesen bescheuerten Vertrag unterschrieben habe, ohne ihn vorher zu lesen«, entgegnete ich nervös.

Erneut machte sich Panik in mir breit. Sie kroch mir schleichend die Beine hoch und wenn ich jetzt aufstehen müsste, würde ich umfallen. Ich biss mir auf die Lippen – eine schlechte Angewohnheit, die ich schon seit Kindertagen hatte und immer dann zutage kam, wenn ich nervös war oder mich unwohl fühlte.

Für einen Augenblick wirkte er überrascht und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment kam die Moderatorin angerauscht und quetschte sich auf den Platz neben Ray und dem anderen dunkelhaarigen Mann, der auf der anderen Seite von ihm saß. Ich glaubte mich dunkel erinnern zu können, dass sein Name Dennis war. Oder Damon, Daniel oder vielleicht Damian? Die Moderatorin plauderte mit Ray und bestätigte meinen ersten Verdacht: Ray redete gerne – vor allem über sich. Er sprach von irgendeinem neuen Album – sich – einer Tournee – sich – seinem übervollen Terminkalender und davon, all seine kreischenden Fans überglücklich zu machen. So klang es zumindest in meinen Ohren. Ich fing erst wieder an zuzuhören, als die Moderatorin sich den anderen Bandmitgliedern zuwandte.

So erfuhr ich, dass der Mann links von mir, der mit den kupferroten, langen Haaren, James war, der Schlagzeuger. Der mit der blonden Surfer-Frisur, der meinen Ausschnitt ausgiebig beäugt hatte, war der Gitarrist, Taylor, und rechts neben mir saßen die beiden dunkelhaarigen Bandmitglieder – Ray, der schwarzhaarige Sänger, und Damian, der Bassist mit dem dunkelbraunen Haar.

Nachdem ich nun alle Namen zuordnen konnte, schaute ich mich im Studio um und evaluierte eventuelle Fluchtmöglichkeiten, um mich von der bevorstehenden Katastrophe abzulenken. Die Moderatorin wandte sich mir zu und riss mich aus meinen Gedanken, indem sie ihre Stimme kurz anhob und meinen Namen erwähnte.

»Bevor Hollys Lebenstraum in Erfüllung geht, schalten wir live zu Jamie Ciro, dessen Traum es war, die größte Sammlung von Colaflaschen aus verschiedenen Jahrgängen zusammenzutragen und ein offizielles Cola-Museum zu eröffnen. Das war nicht leicht, aber wir konnten ein paar besonders seltene Exemplare für ihn ausfindig machen, die wir ihm im Anschluss an die Sendung zuschicken werden. Vorher dürfen Sie live einen Blick auf diese Schätze werfen.« Sie zog eine Flasche aus einem Kasten unter dem Couchtisch hervor. »Die sehen alle ziemlich gleich aus.« Sie lächelte und stellte die Flasche neben Rays ungeöffnete, damit einer der Kameramänner beide im Vergleich einblenden konnte.

Tja, gelobt war die Produktplatzierung! Ich war mir sicher, dass sie dafür eine stattliche Summe kassierten.

Anschließend wurde die Liveschaltung in irgendein Kuhkaff aktiviert und die Moderatorin verlor schlagartig ihr Dauergrinsen. Ich nutzte die Gelegenheit und versuchte mich weiter zu beruhigen, aber es gelang mir nicht, ich wollte nur noch weg.

Mir war schlecht und wenn es in dem Tempo weiterging, würde ich Helena auf dem Klo schneller Gesellschaft leisten, als mir lieb war.

Ich fing Damians Blick vom Ende der Couch auf, er lächelte mich aufmunternd an. Er wirkte wie ein großer Bruder und besaß eine Aura der Sicherheit. Seine Augen waren von einem strahlenden Grün, welches einen herrlichen Kontrast zu seinen dunkelbraunen Haaren bildete, und er beäugte mich neugierig, aber dennoch höflich.

Ohne es zu merken, rutschte ich weiter in seine Richtung, wobei ich gegen Ray stieß, der zwischen uns saß und mich daraufhin irritiert anlächelte, während ich peinlich berührt wieder einige Zentimeter Luft zwischen uns gewann.

Was war nur los mit mir? Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Eine Aura der Sicherheit bei einem Vampir? Ich war wohl ein bisschen zu nervös, um überhaupt noch klar denken zu können.

Ein Team aus Stylisten, Praktikanten, Tonmännern und anderen Gestalten wuselte herein, alle auf dem Sofa wurden mit Puder bearbeitet und Headsets wurden gerichtet, nur mich ließ man Gott sei Dank weitestgehend in Ruhe. Vermutlich angesichts der Miene, die ich zur Schau stellte, oder weil ich schlichtweg nicht wichtig genug war. Ich war froh, dass mich keiner ansprach.

Vor meinem geistigen Auge zog mein vergangenes Leben an mir vorbei, genau wie meine Zukunft, denn die konnte ich genauso begraben, nachdem ich mich gleich live im öffentlichen Fernsehen blamiert hatte. Was soll’s, die meisten Künstler wurden ohnehin erst nach ihrem Tod bekannt, es sei denn, man war ein Vampir, dann fiel diese Möglichkeit vermutlich weg.

Ich heftete meinen Blick bitter auf die zwei Colaflaschen, die auf dem Tisch standen, und sah, wie ein Praktikant eine der beiden zurück in den Kasten stellte und diesen anschließend eilig davontrug. Allerdings hatte er die falsche Flasche zurückgestellt, sodass nun einladend eine fünfzig Jahre alte Cola vor Ray stand und ich offenbar die Einzige war, die den Fehler bemerkt hatte.

Während ich, noch unentschlossen, ob ich etwas sagen sollte oder nicht, weiter auf die Flasche starrte, verkündete die Moderatorin: »So, es geht weiter in drei, zwei …« Sie setzte wieder ihr falsches Lächeln auf. »Willkommen zurück im Studio …«

Und erzählte noch eine Weile über Jamie und seine Sammlung, während Ray nach dem Flaschenöffner auf dem Tisch griff und Anstalten machte, die Steinzeit-Cola zu öffnen.

»Was sagst du dazu, Holly?«

Ein Mikrofon tauchte direkt vor meiner Nase auf und ich war völlig überrumpelt. Deswegen war das Erste und Einzige, was ich hervorbrachte: »Also an deiner Stelle würde ich das nicht trinken, das könnte ungesund sein.«

Das wiederum brachte mir einen verwirrten Blick von der Moderatorin und einen ziemlich genervten Blick von Ray ein, der mich jetzt offenkundig für irre hielt oder für einen Ökofreak, denn meine Aussage war, zugegebenermaßen, etwas unglücklich gewählt. Aus dem Publikum waren ein paar Lacher zu hören. Ich wollte im Boden versinken und sackte ein wenig tiefer in die Sofapolster ein.

Ich bereute meine Warnung, weswegen ich nichts mehr sagte, als Ray die Flasche ungerührt weiter zum Mund führte. Wer nicht hören wollte, musste eben fühlen. Eine Sekunde später spuckte er die Cola im hohen Bogen über den gesamten Tisch.

»Ich hab’s ja gesagt«, murmelte ich leise zu meinen Füßen.

Kollektives Luftanhalten, die Ruhe vor dem Sturm. Dann hörte ich erschrockenes Gemurmel im Publikum und Backstage. Glücklicherweise reagierte die Moderatorin schnell und versuchte eine flüssige und professionelle Überleitung in die Pause zu arrangieren.

Kurz darauf entschuldigte sie sich unendlich oft bei Ray und schrie den Praktikanten an, der die Flaschen vertauscht hatte. Noch wirkte Ray überraschenderweise gefasst, er sah mich an und die Zeit schien stillzustehen. Jedoch nicht wie in diesen romantischen Liebesfilmen, sondern eher die Art von Zeitstillstehen, bei der gleich etwas passieren würde, das man nicht mehr aufhalten konnte, egal wie sehr man es sich wünschte.

Wow, das waren Augen, in denen man sich verlieren konnte.

Dann brach der Blickkontakt ab. Ray schnappte sich das Mikrofon der Moderatorin, nachdem diese aus der Werbepause zurückgeführt und sich noch ein Dutzend Mal bei ihm entschuldigt hatte.

Ich sah im Hintergrund, wie der Tonmann wild an irgendwelchen Schaltern drehte, um zu vermeiden, dass Ray doppelt zu hören war: einmal auf seinem Headset und einmal auf dem Mikrofon.

Ray lächelte unterdessen ungerührt in die Kamera und begann zu sprechen: »Na, ich hoffe, die Flasche wird nicht im Museum fehlen.« Das brachte ihm ein paar Lacher im Publikum ein. »Hollys Traum ist es, die Atlantis Awards zu besuchen, jedoch kann ihr dies vom Sender leider nicht ermöglicht werden.«

Diesmal vernahm ich ein paar mitleidige Ohs aus den Zuschauerreihen, ebenso wie weiteres Gemurmel. Ich erntete aber auch einen verkniffenen Blick von der Moderatorin, das würde Konsequenzen haben.

Ray blickte mir fest in die Augen und sagte: »Deswegen biete ich, Ray Sorin, hiermit Holly Bane den Platz als meine Begleitung bei den Atlantis Awards an.«

Kollektives Aufschreien aller Teenager auf den Zuschauerrängen drang an meine Ohren, aber nicht wirklich in mein Hirn.

Was? Hatte er das gerade wirklich gesagt? Alle Augen im Saal richteten sich auf mich und mein Herzschlag schien auszusetzen. Ich hatte nun die Möglichkeit, von der ich immer geträumt hatte, ich musste sie nur ergreifen!

Ich konnte mein Glück kaum fassen und mein Herz hüpfte in meinem Brustkorb auf und ab. Außerdem würde ich nicht mehr singen müssen! Aber schon einen Augenblick später war meine Begeisterung gedämpft. Ich kannte diesen Mann nicht und auch kein anderes Bandmitglied. Meine Mutter hatte mir schon in Kindertagen eingebläut: Geh nie mit einem Fremden mit. War dieses Angebot wirklich reine Nächstenliebe? Was wäre, wenn sie mich nur aussaugen oder als Betthäschen dabeihaben wollten? Ich sah meine blutleere, geschändete Leiche schon in irgendeinem Straßengraben liegen.

Während sich mein Magen schmerzhaft zusammenzog und der Kopf fieberhaft arbeitete, meldete sich mein Verstand zu Wort. Alles hatte einen Preis, was würde dieser sein?

Ray hielt mir das Mikrofon hin, vermutlich um meine begeisterte Zustimmung einzufangen.

»Wo ist der Haken?«, fragte ich stattdessen unsicher und er grinste, während er sich durch die rabenschwarzen Haare fuhr. Als er sich aufs Sofa zurücklehnte, wurde sein Lächeln wolfsgleich, was ein paar süße Wangengrübchen zutage förderte.

»Keine Angst, es gibt keinen Haken, du musst nur ab sofort bis zu den Atlantis Awards mit uns herumreisen, da ich keine Zeit und Lust habe, dich abzuholen.«

Wieder kreischte das Publikum.

Meine Gedanken ebenfalls.

Die meisten Mädchen und Frauen würden dafür morden, die Chance zu bekommen, mehrere Wochen mit Bloody Mary zu touren. Meine Euphorie versuchte meine Bedenken zu verdrängen und so lieferten sie sich hinter meiner Stirn einen erbitterten Kampf mit meinem Verstand.

Ich überlegte einerseits, wie ich mir das leisten konnte und ob mein kleiner Koffer, den ich nur dabeihatte, falls ich in dem kleinen, billigen Motel gegenüber vom Studio übernachten musste, eine längere Reise hergeben würde, oder wie ich der Uni meine spontane Abwesenheit erklären sollte. Andererseits wäre ich Ray in diesem Moment am liebsten um den Hals gefallen und hätte ihm auf Knien gedankt – obwohl er ein Vampir war. So sehr freute ich mich.

Dann sprach mein Herz ein Machtwort: Es war mein Traum und Träume sollte man ergreifen, wenn sich die Chance bietet. Es würde schon alles irgendwie hinhauen.

Ich wischte alle Bedenken beiseite und spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte, als ich den Schritt ins Ungewisse machte. »Einverstanden«, flüsterte ich ins Mikrofon.

In diesem Moment ging das Licht aus.

Kapitel 2

Shopping mit Hindernissen

Ich spürte, wie mich jemand unsanft an der Hand griff und vom Sofa zog. Die ganze Szene wurde nur von den minimalen Lichtern der rebootenden Technik erhellt.

»So, wir müssen los«, sagte Ray und ich hörte das Grinsen in seiner Stimme.

Mit steigender Geschwindigkeit wurde ich unvorsichtig durchs dunkle Studio geführt. Prompt stieß ich gegen irgendeinen Kasten, der mitten im Weg stand. Ein unterdrückter Schmerzenslaut entfuhr mir, aber Ray führte mich erbarmungslos und ohne Pause weiter ins Dunkel. Das Einzige, was ich sehen konnte, waren Rays strahlend blaue Augen, da sie tatsächlich wie Suchscheinwerfer in der Dunkelheit leuchteten.

Alles ging so schnell … zumindest für mich, trotzdem versuchte ich mir Klarheit über Rays Absichten und Pläne zu verschaffen. »Ich will mich bedanken. Ich weiß nicht, warum du das getan hast, aber ich wüsste es zu gerne«, murmelte ich unsicher in die Dunkelheit.

Ray erwiderte nichts und wir setzten unseren Weg fort. Ich war es nicht gewohnt, dass jemand komplett uneigennützig handelte, also versuchte mein Gehirn fieberhaft einen Grund für diese Generosität zu finden. »Ich glaube, gespendete Reisen kann man nicht von der Steuer absetzen.« Ray lachte nur leise.

»Also ich bin kein Groupie von eurer Band, das wollte ich nur noch mal gesagt haben«, fuhr ich fort. Immer noch keine Antwort. »Und ich bin auch kein Betthäschen«, fügte ich zögerlich hinzu, nachdem ich mich zunehmend über sein Schweigen wunderte. Meine Euphorie schwand langsam und machte einer nagenden Unsicherheit Platz. Seine Motivation würde sich hoffentlich noch rechtzeitig offenbaren.

Wir waren in den Katakomben hinter dem Studio, auch hier war überall das Licht weg. Ein paar verwirrte Kabelträger kamen uns entgegen, erkannten uns jedoch nicht und liefen hektisch weiter. Innerlich rollte ich mit den Augen über diesen seltsamen und unnötig dramatisch inszenierten Abgang. Wenn er denn geplant und nicht nur ein dummer Zufall war.

Ich fiel über ein Kabel, keuchte überrascht auf und biss mir anschließend auf die Lippe, als ich mein Schienbein an etwas Hartem stieß, und versuchte einen Schmerzenslaut zu unterdrücken. Was aber zu einem ganz neuen Problem führte, weil ich mir so fest auf die Lippen gebissen hatte, dass es blutete. Ray drückte mich abrupt und hart gegen die Wand. Das Notausgangsschild tauchte sein Gesicht in schwaches Licht.

Jetzt, da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich den hungrigen Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen. So wie ein Wolf, der seit Tagen nichts zu fressen gehabt hatte und dem jetzt ein Reh direkt vors Maul gesprungen war. Beinahe erwartete ich feine Sabberfäden in seinen Mundwinkeln zu sehen. Er kam mit seinem Gesicht immer näher, ich spürte seinen kühlen Atem, der an meiner Nase kitzelte, und eine Gänsehaut kroch über meine Haut. Er würde doch nicht etwa …

Ich heftete meinen Blick auf seine engelhaften, vollen Lippen, auf denen nach wie vor ein kleines Lächeln lag. Es wurde immer wahrscheinlicher, dass ebendieser Mund demnächst auf meinem landen würde. Jedoch nicht dank meines zugegebenermaßen ausbaufähigen Sex-Appeals, sondern aufgrund des feinen Blutfilms, der meinen Lippen einen vermutlich frischen roten Farbton gab.

Angst kochte in mir hoch, ich dachte fieberhaft über einen Ausweg nach und leckte dabei das Blut von meinen Lippen, was mir einen noch hungrigeren Blick von Ray einbrachte. Ein kaum hörbares Knurren von ihm ließ die feinen Härchen in meinem Nacken strammstehen und ich tat das Einzige, was mir in den Sinn kam: Ich hob die Hand – und verpasste ihm eine Ohrfeige.

Obwohl er selbst schuld war, nuschelte ich noch ein »Tschuldigung« hinterher.

»Aua«, quittierte er, klang aber eher belustigt statt verletzt.

Meine Hand dagegen tat fürchterlich weh. Ray war im wahrsten Sinne des Wortes ein Dickschädel.

»Ich bin auch kein Getränkeautomat!«, zischte ich ängstlich, als er immer noch nicht von mir abrückte.

»Keine Sorge, du hast Blutgruppe A positiv, nicht gerade mein Favorit. Aber wir müssen dringend über dein Verhalten sprechen, ich bin schließlich so was wie deine gute Fee. Ich erfülle dir deinen Lebenstraum, dafür könntest du definitiv dankbarer sein«, antwortete er spöttisch und aus irgendeinem Grund kränkte mich das.

Es war schließlich nur Selbstverteidigung gewesen und für meine Blutgruppe konnte ich nichts. Eigentlich war es eher ein Vorteil, dass mein Blut für ihn eher Wasser als Whiskey war.

Ray hob die Hand und ließ seinen Daumen über meine blutende Lippe gleiten, ehe ich etwas dagegen tun konnte. Ich zuckte zusammen und plapperte los, bevor ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. »Gute Feen haben weder spitze Eckzähne noch trinken sie Blut.«

Ray lachte auf. »Alles klar, die Botschaft ist angekommen. Kein Betthäschen und kein Getränkeautomat.«

Im nächsten Augenblick spürte ich, wie er mich hochhob, wie einen Sack über die Schulter schwang und zügig durch die Dunkelheit eilte. Das musste die berühmt berüchtigte Vampirstärke sein.

Nachdem ich den ersten Schreck überwunden hatte, trommelte ich mit meinen Händen auf seinen eiskalten Rücken. »Halt! Mein Koffer!«, schrie ich.

Ohne anzuhalten, fragte er: »Welcher ist das?«

»Der tomatenrote mit den weißen Punkten in der Kandidatengarderobe, da liegt auch mein grauer Mantel.«

Ich wurde durchgeschüttelt, als er von links nach rechts durch die nun wieder beleuchteten Gänge lief. Dabei rutschte ich langsam, Stück für Stück, Richtung Boden. Ray hielt mich jetzt eher an den Kniegelenken als an meiner Hüfte. Durch meine Position erhaschte ich einen guten Blick auf seinen Hintern, der in seiner engen Jeans fabelhaft aussah, wie der einer griechischen Statue. Allerdings musste ich mich auch unvorteilhaft nur Zentimeter davon abstützen, wenn ich nicht bei jedem Schritt mit dem Gesicht dagegenklatschen wollte. Dabei gab ich vermutlich ein unfreiwillig komisches Bild ab.

Ich spürte die Vibration seiner Stimme, als er fragte: »Ist in dem Mantel etwas Wichtiges drin?«

»Nein, nur in dem Koffer«, sagte ich verwundert. Ich versuchte an seinem gottgleichen Hintern vorbeizuschauen, doch ich schwang zu unkontrolliert vor und zurück.

»Den Mantel nehmen wir nicht mit. Hast du den von deinem Großvater geerbt?«

Zuerst war ich angesichts seiner Aussage perplex, ehe ich anfing lautstark zu protestieren. Schließlich war ich nicht steinreich und konnte mir Louis Karton, Jean-Paul Gürteltier, und wie sie alle hießen, aus dem Stegreif leisten. Außerdem war es viel zu kalt! Immerhin hatten wir Anfang Oktober!

Mein wütender Monolog wurde jäh unterbrochen, als Ray durch eine Tür in die kühle Nacht schritt und an seinem Hintern vorbei die Lichter eines gigantischen Busses sichtbar wurden.

Es wurden leider auch ein paar ganz andere Lichter sichtbar. Reporter und Fotografen stürmten auf Ray zu, bedrängten ihn mit Fragen und schossen Bilder.

Ich hätte alles in der Welt gegeben, im Erdboden zu versinken, anstatt mit dem Kopf nach unten über seiner Schulter zu hängen. Mein Hintern würde die Titelseiten aller Klatschblätter zieren, Rays grinsendes Gesicht direkt daneben. Dagegen wäre das Duett-Singen im Studio ein Kinderspiel gewesen.

Ray stapfte entschlossen und ohne Fragen zu beantworten auf den Bus zu und schob mit der Hand besonders penetrante Reporter sanft beiseite. Das Blitzlicht brachte meine Augen zum Tränen, als er kurz innehielt. Eine einzige Frage beantwortete er doch noch.

»Ray, wer ist das über Ihrer Schulter?!«

»Meine neueste Eroberung«, erwiderte er mit einem belustigten Unterton.

»Hey! Das stimmt nicht!«, versuchte ich zu protestieren, doch meine Worte gingen im Lachen der Reporter unter. Der rothaarige Mann, James, stand in der hochgelegenen Bustür und versperrte den Weg. »Willst du deine Braut jetzt schon über die Schwelle tragen?«

»Geh aus dem Weg, sonst kannst du gleich deine Zähne auf besagter Schwelle aufsammeln«, knurrte Ray zurück.

Nachdem er mich über die schmalen Stufen hinweg in den Bus getragen hatte, wurde ich unsanft auf einem großen roten Ledersofa abgesetzt. Mir blieb keine Zeit zum Durchatmen, der Busfahrer gab Gas und ich rutschte auf dem glatten Leder hin und her, bis ich mich festhielt.

Ich blickte mich unsicher in dem riesigen Bus um und war sogleich vom luxuriösen Innenraum fasziniert: Alles war in akzentuierten Grau- und Rottönen ausgeschmückt und sah sehr edel aus. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich es für eine Lounge in einem angesagten Club gehalten. Ein oder zwei Gemälde hätten vielleicht noch gefehlt. Mein Blick schweifte aus dem Fenster; dort wurden die Lichter des unscheinbaren grauen Studiogebäudes immer kleiner.

Nach ein paar Minuten des unangenehmen Schweigens setzten sich die Bandmitglieder zu mir und Ray stellte alle abermals vor: »Damian, Taylor, James.«

Sie nickten mir reihum zu und schauten mich erwartungsvoll an.

»Holly … Holly Bane«, stotterte ich und lief dunkelrot an.

»Was ist los? Eben hast du noch gezetert wie ein altes Waschweib und jetzt hast du deine Zunge verschluckt?«, fragte mich Ray.

Ich funkelte ihn an. Gedanken strömten zurück in meinen Kopf und ich zögerte nicht diese direkt an meine Umwelt abzugeben. »Ich werde niemandem mehr in die Augen sehen können, nachdem du meinen Hintern so schön in Szene gesetzt hast. Warum habt ihr keine Bodyguards, die die Paparazzi abhalten?! Und außerdem …«

Mein verwirrter, kleiner Monolog ging noch eine ganze Weile weiter, ehe mir Ray sanft seine Hand auf den Mund drückte. Ich zuckte unter der Berührung unwillkürlich zusammen. »Gott, hätte ich doch nur nichts gesagt!«, fluchte er.

Ich widerstand nur mit Mühe dem plötzlichen Drang, in seine Finger zu beißen. Ray sah mich kritisch an und ließ seine Hand langsam von meinem Mund sinken, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ich nicht erneut anfangen würde zu wüten. Ich seufzte. Ich würde an dem peinlichen Auftritt im Nachhinein eh nichts mehr ändern können.

»Was hast du uns da nur eingehandelt, Ray?«, fragte Taylor und schüttelte genervt den Kopf.

»Sorry, das Ganze war so verlockend. Außerdem wisst ihr, was uns die PR-Abteilung aufgetragen hat. Es hat einfach gepasst.«

Taylor streckte die Hand in Richtung Damian aus, der leise murrend sein Portemonnaie aus der Tasche fummelte und ihm einen Fünfzig-Euro-Schein in die bleiche Hand schnippte.

Ray sah Taylor kurz finster an, bis dieser erklärte: »Ich habe gewettet, Twitter bricht zusammen, wenn du sie tatsächlich mitnimmst – Damian hat dagegengehalten.« Er hielt triumphierend sein Handy in die Runde, damit sich alle von seinem Sieg überzeugen konnten.

»Diese neuen Technologien«, stöhnte Damian auf, der immer noch auf Taylors Handy stierte, und schüttelte den Kopf.

»Wo soll es hingehen, verehrte Herren und die Dame?«, rief eine tiefe, männliche Stimme aus der Fahrerkabine zu uns nach hinten.

»Was hast du in deinem Koffer?« Ray sah mich fragend an.

»Ähm, ich nehme an, das reicht für ein bis zwei Tage«, entgegnete ich schüchtern. Die Sorgen über meine prekäre finanzielle Situation kehrten zurück.

»Aber nicht für fünf Wochen, oder?«

Ich schüttelte unsicher den Kopf. Eine Zahnbürste und einen Satz Wechselsachen hatte ich zwar dabei, aber selbst wenn ich jeden Tag meine Klamotten wusch, würde ich auf keinen grünen Zweig kommen.

»Fahr in das nächste Einkaufszentrum, das wir kennen«, rief Ray in die Fahrerkabine und grinste mich an.

Ich blinzelte überrascht, hatte er nicht zwei Minuten zuvor irgendwas von einem PR-Gag gefaselt? Dadurch hatte ich erwartet, dass sie mich bei der nächsten Gelegenheit am Straßenrand absetzen würden.

Meine Gefühle durchliefen ein Wechselbad. Ray schaffte es, mich mit ein paar Worten unsicher und gleichzeitig hibbelig zu machen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich eine solche Shoppingtour bezahlen sollte. Mein Mund wurde trocken.

»Ist dir klar, wie ungewöhnlich gut man deine Gefühle in deinem Gesicht ablesen kann?«, fragte er.

Ohne einen weiteren Kommentar überging ich diese Bemerkung. Solange er nicht meinen Kontostand an meinen Augen ablesen konnte, würde ich mit der Sprache rausrücken müssen. Ich beugte mich zu ihm und flüsterte: »Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«

Damian und der Rest sahen sich an, dann nickten sie Ray zu, der mich nur anzüglich beäugte, erhoben sich und quetschten sich aus der engen Bankreihe.

»Vampirgehör«, sagte Ray, als ich mich ihm wieder zuwandte.

»Du hättest nicht flüstern müssen, sie hören ohnehin alles, was wir besprechen. Selbst wenn sie dahinten stehen, unsere Sinne sind so geschärft, dass wir kleinste Geräusche bis zu einem Kilometer von der Quelle entfernt wahrnehmen«, fügte er entschuldigend hinzu.

Meine Gesichtszüge entgleisten. Ich war schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten, so viel zu meinem Gespräch unter vier Augen. Sie waren nur aus Höflichkeit aufgestanden.

»Hör mal, Ray, erinnerst du dich noch an meinen Mantel, den wir zurückgelassen haben, weil er nicht dem derzeitigen Modestandard entspricht?«, tastete ich mich vorsichtig an das heikle Thema heran.

Ich wollte zu den Atlantis Awards und wenn es das Letzte war, was ich tat. Aber ich besaß nicht die finanziellen Mittel, um dorthin zu reisen, und ich wollte mich keinesfalls unnötig weiter verschulden – vor allem nicht für einen Haufen überteuerter Kleidung.

Nun war es an Ray, verständnislos dreinzublicken. Ich wrang die Hände, egal wie wenig ich die Gesellschaft der vier Vampire schätzte, ich wollte nicht rausgeschmissen werden und dafür meinen Traum platzen lassen.

»Das ist der einzige Mantel, den ich besitze … also besaß. Wenn du mir vielleicht ein bisschen Geld vorstrecken könntest für die Sachen, die wir kaufen werden? Ich bin kreditwürdig und habe ein regelmäßiges Einkommen aus meinem Nachtwächterjob im Museum. Es wäre nur eine kleine Leihgabe, falls mein eigenes Konto nicht ausreichend gedeckt sein sollte«, erklärte ich schnell, doch er blickte mich nur weiterhin verwirrt an.

Tyler streckte seinen Kopf zu uns rein. »Ray, sie ist pleite, hat kein Geld, ist arm wie eine Kirchenmaus, kann sich gerade so über Wasser halten.«

Ging das auch taktvoller?

Rays Augen wurden groß und er bekam sich nicht mehr ein vor Lachen, was die Situation für mich noch hundertmal schlimmer machte. Gedanklich ging ich schon mal meinen Heimweg durch. Schade, dass mein Abenteuer zu Ende war, bevor es überhaupt begonnen hatte.

»Du bist mein Gast, also bist du eingeladen. Alle Kosten, die durch dich entstehen, gehen natürlich auf mich.« Ray war die personifizierte Selbstgefälligkeit und wedelte mit einer pechschwarzen Kreditkarte vor meiner Nase herum.

»Das kann ich nicht annehmen«, erwiderte ich tonlos. Stimmte allerdings so nicht, ich musste es sogar annehmen, wenn ich meinen Traum erfüllen wollte.

»Doch, kannst du. Sieh es als Entschuldigung für die Kidnapping-Aktion und für den wenig ladyliken Abgang«, entgegnete Ray.

Ich schloss meine zitternden Finger um das kühle Stück Plastik, während ich sorgsam darauf achtete, Rays Hand nicht zu berühren.

Plötzlich entriss er mir jedoch die Kreditkarte und rückte so nah an mich heran, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. Ich schluckte. Was würde das jetzt werden?

»Andererseits … du könntest deine Schulden auch bei mir abarbeiten, wenn dir das lieber ist«, flüsterte er mir mit rauchiger Stimme zu und fixierte mich lustvoll mit seinen klaren blauen Augen, die unter seinen langen Wimpern zu glühen schienen. Ich lehnte mich erschrocken zurück und versuchte so etwas Distanz zwischen uns zu schaffen.

Er hob eine seiner Brauen fragend nach oben und seine Wangengrübchen wurden sichtbar. Flirtete er etwa gerade mit mir?! Ich rückte noch weiter von ihm ab, zumindest so weit, wie es der Platz erlaubte. Warum sah er nur so gut aus? War das nicht illegal?

»Äh«, entfuhr es mir und ich riss die Augen weit auf. Mein Herz schlug verängstigt in meiner Brust. Ich hatte wohl einen Blick aufgesetzt, der einem Kaninchen, das vor einer Schlange hockte, nicht unähnlich war.

Dann begann Ray erneut zu lachen und versicherte mir nur einen kleinen Scherz auf meine Kosten gemacht zu haben. Er schob mir die Kreditkarte erneut hin und diesmal ließ er es zu, dass ich sie mit spitzen Fingern entgegennahm und in die Tasche steckte.

»Wir sollten bald da sein«, tönte wieder die Stimme aus der Fahrerkabine.

***

Bald war ein dehnbarer Begriff, wie sich herausstellte, denn erst nach anderthalb Stunden rollten wir auf einen großen und größtenteils leeren Parkplatz vor einem noch größeren Einkaufszentrum. Palast-Arkaden prangte über dem Eingang, in riesigen petrolfarbenen Lettern. Das Gebäude war mehrere Stockwerke hoch. An den Seiten leuchteten Reklametafeln der Geschäfte, die sich im Inneren befanden. Mein Blick verfinsterte sich, da ich nur Schilder von sämtlichen gängigen Edelmarken sah, aber so etwas wie H&M vergeblich suchte.

Die Teile des Gebäudes, welche nicht mit leuchtenden Schildern versehen waren, reflektierten das Licht der Parkplatzbeleuchtung. In regelmäßigen Abständen säumten große Bäume die Glasfassade und bildeten mit ihren orangeroten Blättern einen klaren Kontrast zum Schriftzug des Einkaufszentrums. Ein kühler Wind fuhr durch die Kronen und Nieselregen benetzte die Busfenster. Bei diesem Wetter würde ich meinen Mantel nur noch schmerzlicher vermissen. Wir verließen den Bus und ich war ziemlich verdattert, als die Jungs alle mit dunklen Hoodies, tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen und Sonnenbrillen in Richtung Eingang stapften.

Sonnenbrillen bei Nacht?

»Was soll der Aufzug?«, fragte ich.

Taylor antwortete mir mit einem Seufzen. »Das müssen wir wegen der Paparazzi und Fans tragen, es ist schwierig, denen aus dem Weg zu gehen.«

Ich musste kichern. »Meint ihr nicht, dass ihr auffällig unauffällig ausseht? Außerdem, wer geht schon nachts um zwei einkaufen?«

Offensichtlich mehr als gedacht, je näher wir dem Eingang kamen, desto mehr Menschen begegneten wir. Als wir das Einkaufscenter betraten, wurden meine Augen groß und mein Mund klappte auf. Es war groß, hell und so edel! Überall glitzerte und funkelte es von den Marmorböden und Wänden. Prompt stolperte ich über eine kleine Stufe, die einen Weg abgrenzte, und konnte gerade so mein Gleichgewicht bewahren. Während ich noch staunte, studierte Taylor einen Wegweiser und wies uns an dem Weg links zu folgen.

Wir kauften in verschiedenen Läden diverse Klamotten ein. Obwohl die Jungs mich zunehmend anhielten ruhig etwas aufregender Gefärbtes oder Geschnittenes zu nehmen, versuchte ich so schlichte Teile wie möglich auszusuchen.

Taylor war dabei besonders extrem, er hielt mir Kleider hin, die so kurz waren, dass ich sie gerade mal als T-Shirts getragen hätte. Außerdem fand er Kleidungsstücke, von denen ich nicht mal wusste, was sie eigentlich darstellen sollten, außer vielleicht einem Putzlappen, da sie aus so wenig Stoff bestanden.

Alles in diesem Einkaufscenter war teuer, selbst die Waschlappen waren mit Glitzerfäden durchzogen und die Zahnbürsten waren aus Edelstahl, mit speziellen Superborsten, die meine Zähne vermutlich von alleine putzen würden.

»Es fehlt noch die Abendgarderobe«, schloss Damian nach einem prüfenden Blick in die zahlreichen Tüten, die er an jedem Arm trug.

Damian schien die Eigenart zu haben, sich gelegentlich altbacken auszudrücken. Er erschien mir wie ein wahrer Gentleman der alten Schule und dieser Eindruck verstärkte sich mit jeder Sekunde, die ich mit ihm verbrachte. Außerdem brach hin und wieder ein leichter französischer Akzent bei ihm durch. Auf Anhieb hatte ich mich bei ihm am wohlsten gefühlt. Er wirkte nicht, als besäße er eine gehässige Seite wie Ray, und er machte mir auch keine ungenierten Avancen so wie Taylor. Er sprach außerdem mehr als James, der eine gefährliche und unberechenbare Ausstrahlung versprühte. Ich vermutete, dass er möglicherweise schon lange ein Vampir war, auch wenn er nicht so aussah.

»Auf zu Miss Natrisha«, verkündete Ray und steuerte auf einen Laden zu, der nicht aus der Masse herausstach, aber sehr schön in Silber und Schwarz dekoriert war und in dessen Schaufenstern einige der schönsten Kleider hingen, die ich je gesehen hatte.

Miss Natrisha war eine quirlige, kleine Frau, die, sobald wir den Laden betraten, Ray um den Hals fiel und ihn abknutschte. Ich hielt peinlich berührt inne und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte, angesichts dieses vertrauten Umgangs der beiden miteinander. Aber dann schritt sie die ganze Reihe ab und begrüßte jeden genauso überschwänglich wie Ray. Als sie bei mir ankam, machte sie keine Ausnahme und drückte mir ihre wunderschön geformten Lippen überall aufs Gesicht. Wobei ich dank ihrer kühlen Körpertemperatur feststellen konnte, dass sie eine Vampirin war. Ich war ziemlich verdattert.

»Ah, was habt ihr mir für eine Schönheit mitgebracht! Ein kleiner Schwan in einem Schwarm Raben. Ich habe euch schon hundertmal gesagt, dass ihr nicht so viel Schwarz tragen sollt!«

Sie schnatterte ununterbrochen weiter. »Zu wem gehört das Schwänchen, damit ich sie passend ausstatten kann? Ihr nehmt eure Kostüme jetzt schon mit, oder? Ich muss sie euch nicht per Kurier nach Amerika schicken, vermute ich mal?«

Moment mal, welche Kostüme? Unwillkürlich sah ich vor meinem inneren Auge einen Bauarbeiter, einen Polizisten, einen Cowboy … Entgeistert schüttelte ich den Kopf und folgte der Konversation.

»Sie gehört zu mir.« Ray hob die Hand. »Und ja, wir nehmen die Sachen direkt mit.«

Miss Natrisha eilte daraufhin an den langen Reihen der Kleiderständer entlang und tauchte mit einem wunderschönen silberblauen Kleid wieder auf. In langen Bahnen floss es geradezu auf den Boden, zudem war es mit jeder Menge glitzernder Steinen versehen. Es würde perfekt zu Rays außergewöhnlicher Augenfarbe passen und ich verliebte mich auf der Stelle in den schimmernden Stoff. Doch dann hängte sie es zu meiner Enttäuschung wieder weg und zog ein sonnengelbes aus einem anderen Ständer. Sie kam, nach Taylors Empfehlung, außerdem mit ein paar verboten kurzen Cocktailkleidern zurück.