Blue - The Real Devil - Samira Wood - E-Book
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Blue - The Real Devil E-Book

Samira Wood

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Beschreibung

Aus Angst um ihr Leben flieht Rahel aus einer Sekte. Bei ihrer Flucht stolpert sie buchstäblich über Blue. Ohne zu wissen, wer sie ist, nimmt er sie mit in seine Welt. Der berüchtigte Motorradclub Devil Agents M.C. ist von nun an ihr zu Hause, auch wenn ihr dieses Leben nicht so leicht fällt. Als die beiden sich endlich näher kommen, stellt ein Vorfall beider Leben auf den Kopf. Werden Blue und Rahel es schaffen, oder den Kampf verlieren? Wer ist der wahre Teufel?

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Epilog
Leseprobe Sam – Hunting the Devil
Über die Autorin

Samira Wood

 

Blue

The real Devil

 

 

 

© 2021 Samira Wood

Alina Jipp, Am Georgstollen 30, 37539 Bad Grund

 

Coverdesign:

Eyrisha Summers

Bildmaterial: Adobe Stockphotos

 

Lektorat, Korrektorat, Buchlayout:

Lektorat Buchstabenpuzzle B. Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

Informationen zum Taschenbuch:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Auch als Taschenbuch erhältlich.

Kapitel 1

Blue

»Los!« Der Präsident gab den Befehl zur Abfahrt und ich reihte mich an meinen Platz in der Gruppe ein. Das Gefühl war unbeschreiblich. Nach drei Wochen unschuldig in Untersuchungshaft durfte ich endlich wieder auf mein Bike. Wie hatte mir das gefehlt, ich musste echt an mich halten, um meiner Maschine nicht über den Tank zu streicheln. Der warme Wind ließ mein Haar, das unter dem Helm herausguckte, leicht wehen und ich atmete tief ein, als wir über die vertrauten Straßen fuhren. Das war das beste am Bikerleben. Dieses Gefühl der Freiheit und Zusammengehörigkeit. Da ging echt nichts drüber.

»Geht dir gleich einer ab?«, schrie Sam, der neben mir fuhr, herüber. Als Antwort lachte ich nur. Was sollte ich auch sagen, mein Bike war besser als jede Nutte. Nicht dass ich etwas gegen Nutten hätte, aber das hier war einfach noch geiler als abzuspritzen. Zumal wir heute keinen Stress erwarteten und nicht auf dem Weg zur Arbeit waren, sondern einfach nur zu einem Treffen in Nevada mit einem anderen Chapter fuhren. Wir würden den ganzen Tag unterwegs sein. Nur der Highway und wir. Was gab es Schöneres?

Nach vier Stunden Fahrt machten wir an einem Diner direkt an der Straße Pause. Hier gab es auch eine Tankstelle und nach dem Auftanken gingen wir hinein, um etwas zu essen. J.C. – einer der Prospects - blieb draußen, um auf unsere Bikes aufzupassen.

Wir aßen, tranken ein Bier und alberten herum. Diese Männer hier, die waren meine Familie und ich war so froh, wieder ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein.

»Na, wird dir der Knast fehlen? Wie viel Schwänze musstest du da lutschen?« Sam kam sich wahnsinnig witzig vor. Aber er hatte gut reden. Schließlich hatte er nicht als Mordverdächtiger einsitzen müssen.

»Null. Ich hab allen dein Bild gezeigt, damit sie sich darauf einen runterholen konnten.« Zum Glück hatte mich keiner angemacht im Knast. Ich hatte auch versucht, mich aus allem rauszuhalten und niemanden verraten, dass ich zum selben Club gehörte wie Dick – mein Schwager, der ein ziemlich hohes Tier im Knast war. Nur zweimal hatte ich mir Ärger eingehandelt, aber mehr als ein paar schmerzhafte Prügel hatte ich nicht einstecken müssen und die Schmerzen waren nun vergessen. Mein Mantra war es gewesen, im Knast keinen Mist zu bauen und das hatte ich eingehalten, so schwer es mir auch gefallen war. Und das hatte mir geholfen, jetzt auf freiem Fuß zu sein, und zwar nicht auf Bewährung, sondern als freier Mann. Schließlich war ich unschuldig, aber das war Dick auch und der war inzwischen rechtskräftig verurteilt.

Mir hatten sie zum Glück nichts nachweisen oder anhängen können. Schließlich war ich nur ein kleiner Handwerker, der zufällig Mitglied in einem Motorradclub war und kein Krimineller. Na ja. Zumindest vor dem Gesetz. Wobei ich an dem Unfall, der, wie jetzt herausgekommen war, auch gar kein Mordanschlag gewesen war, keine Schuld trug. Es war wirklich nur ein unglücklicher Unfall, bei dem die Frau und das Kind eines Polizisten ums Leben gekommen waren. Ich war zufällig an der Unfallstelle vorbeigefahren und hatte den Rettungsdienst alarmiert. Dass mir das einmal als Mordversuch ausgelegt werden könnte, hätte ich auch niemals gedacht. Als wäre ich so dämlich, erst jemanden umzubringen und danach Hilfe zu rufen.

Okay, ich war kein Engel und die Knarre, die ich unter meiner Kutte trug, war nicht legal. Aber ein Mann musste sich schließlich schützen und vor allem in unserer Welt. Deshalb war ich trotzdem kein eiskalter Mörder, der unschuldige Frauen und Kinder umbrachte. Gerade die waren sowieso tabu für uns. Wir hatten unsere eigenen Regeln und das war eine davon. Der Devil Agents M.C. war etwas anders als andere Motorradclubs, wir machten keine Waffendeals und handelten ab und zu mit Marihuana, allerdings nicht mit härteren Drogen. Gewalt gehörte zugegebenermaßen in einem gewissen Maß zu unserem Alltag, deshalb brachten wir jedoch nicht sinnlos Menschen um. Wir hatten unsere Grundsätze. Der Club betrieb zwar zwei Bordelle und drehten auch Pornos, aber nicht mit Zwang, die Mädchen arbeiteten freiwillig für uns und bekamen einen guten Anteil. Menschenhandel gehörte ebenfalls zu unseren Tabus und die Nutten dankten es uns. Die Devil Agents sorgten währenddessen für ihre Sicherheit. Ein fairer Deal, der dem Club nur Vorteile einbrachte. Manchmal erreichte man mit Sex auch viel mehr bei seinen Gegnern als mit Gewalt. Schließlich sollten die Wähler nicht erfahren, was die lieben Politiker und Polizisten so trieben. Oder es war schlicht die Angst vor der Ehefrau. Egal warum, wir lösten unsere Probleme so und nicht, indem wir Menschen misshandelten. Töten war wirklich das letzte Mittel der Wahl und kam nur infrage, wenn wir uns verteidigen mussten.

»Wer löst den Prospect ab, damit der auch etwas essen kann?« Der Pres sah von einem zum anderen und da ich schon fertig war mit meinem Burger, nickte ich. Obwohl ich nichts für die Verhaftung konnte, wusste ich, dass ich dem Club etwas schuldig war. Immerhin hatte ich drei Wochen keinen Handschlag für sie tun können und ich war nicht wegen einer Clubsache eingebuchtet worden, sondern weil so ein Idiot nicht mit der Wahrheit zurechtkam. Es war wahrscheinlich leichter, einen Unschuldigen anzuklagen, als einen Unfall zu akzeptieren. Obwohl meine Verurteilung ihm seine Frau und sein Kind auch nicht zurückgebracht hätte. Im Grunde tat mir unser Sheriff sogar leid. Aber gleichzeitig war ich stinksauer auf ihn. Schließlich hatte ich nur zu helfen versucht.

»Ich übernehme das schon. Immerhin konnte ich mich gerade drei Wochen ausruhen.« Alle lachten. Denn jeder von uns wusste, dass Knast kein Vergnügen war. Vor allem nicht, wenn man allein war. Aber die Zeit hatte ich überstanden und wollte jetzt nicht mehr daran denken. Nun stand Spaß an, das Bikertreffen und hoffentlich bald ein paar heiße Muschis. Ich war eindeutig untervögelt.

»Ich komm mit«, bot Sam an. Wahrscheinlich wollte er mir die neusten Geschichten aus dem Club erzählen. Als Sohn des Präsidenten erfuhr er oft mehr als ich. Schließlich war ich nur ein einfaches Member und gehörte nicht zum inneren Kreis.

»Du kannst jetzt essen, Prospect.« Sam und ich ließen unsere Blicke einmal schweifen; alles ruhig in der Umgebung. Der Kleine bedankte sich und beeilte sich hineinzukommen. Wahrscheinlich hatte er nicht nur Hunger, aber natürlich traute er sich nicht, das zu sagen, aus Angst vor Ärger. Was hatte ich das gehasst, als ich selbst noch Anwärter war.

»Bin ich froh, kein Prospect mehr zu sein.« Sam schien meine Gedanken zu erraten und grinste. »Aber da mussten wir alle durch.« Er auch und obwohl, oder vielleicht gerade, weil er der Sohn des Präsidenten war, hatten die anderen ihren Spaß daran gehabt, ihn besonders eklige oder erniedrigende Arbeiten machen zu lassen. Natürlich hatte ich ihm immer zur Seite gestanden, wenn es mir möglich war. Wir hatten gleichzeitig begonnen und diese Zeit gemeinsam durchgestanden.

»Also, was hab ich verpasst, als ich weg war?« Sam zuckte mit den Schultern und steckte sich eine Kippe an.

»Nicht viel«, nuschelte er. »War eigentlich ziemlich ruhig. Ich durfte zwei Wochen lang Wachdienst im Bordell spielen und hab mich von den Mädels verwöhnen lassen, wenn ich Feierabend hatte.« Er zwinkerte mir zu und ich lachte. Das war sein Ding. Nutten, Zigaretten und sein Bike. »Und bei dir. Alles gut überstanden?« Wir hatten bisher noch keine Gelegenheit zum Reden gehabt, weil ich die ganze Zeit versucht hatte, meine kleine Schwester zu erreichen. Nur wollte dieses Biest keinen Kontakt zu mir.

»Ja, sie konnten mir nichts nachweisen, haben aber versucht, mich weich zu kochen. War eh völliger Bullshit und das kam am Ende ja auch raus. Sie war zu schnell unterwegs und der Reifen ist geplatzt, so dass sie frontal gegen den Baum gekracht ist. Die Kleine war wohl sofort tot, ihre Mutter nicht, als ich ankam, hat sie auf jeden Fall noch geatmet und ich hab dann ja den Sanis alles überlassen und wollte fahren.« Er nickte. Der Sheriff nahm mich noch an der Unfallstelle fest und statt mit seiner Frau in die Klinik zu fahren, karrte er mich aufs Revier. Das bereute er nun wahrscheinlich.

»Er hat echt behauptet, sie hätte einen Waffendeal gestört und ich sie deshalb von der Straße gedrängt. Keine Ahnung, wie er darauf kommt. Waffen sind ja nun wirklich nicht unser Geschäft.« Darüber konnte ich noch immer nur den Kopf schütteln.

»Obwohl Dozer das nur zu gern ändern würde. Aber du weißt, dass mein Vater da nicht mitspielt. Fünfzehn Jahre Knast haben ihm gereicht, der Devil Agents M.C. lässt die Finger von Waffen und harten Drogen.« Ich nickte.

»Waffen führen zu Toten im Club und das wollen wir nicht.« Das war das Motto unseres Pres und ich konnte es gut nachvollziehen. Mein eigener Vater war einer dieser Toten des Kriegs der MCs, als die Blood Devils noch aktiv in diesen Sparten gesteckt hatten. Kaum einer der alten Mitglieder hatte den Patchover zu den Devil Agents miterlebt. Die meisten waren gestorben oder saßen lebenslange Haftstrafen ab. Nichts, was ich am eigenen Leib erleben wollte.

»Ist auch besser so. Sonst werde ich zum Nomads. Ich will nicht wie mein Vater enden und alle ins Unglück stürzen, die mir wichtig sind.« Okay, im Moment gab es da außer Sam zwar nur meine Mom und Mia. Aber Mom war endlich über den Tod meines Vaters hinweg und nach Florida gezogen. Trotzdem sollte sie mich nicht auch noch verlieren. Mia und sie hatten ein angespanntes Verhältnis. Aber meine kleine Schwester war schon immer schwierig gewesen. Ein Dickkopf, der nur machte, was sie wollte.

»Ohhhh, alle denen du wichtig bist?« Dozer trat aus der Tür und natürlich musste er sich gleich über mich lustig machen. Der Sergeant of Arms und ich würden nie beste Freunde werden.

»Ja. Stell dir vor, da gibt es tatsächlich Menschen, die mir wichtig sind. Kann ja nicht jeder so ein harter Kerl wie du sein, der keinen in seinem Leben braucht.« Ich sah ihm an, dass er mir am liebsten eine reinhauen würde, aber er tat es nicht, stattdessen ging er zu seinem Bike und steckte sich ebenfalls eine Zigarette an.

»Ihr Kindsköpfe wisst ja gar nicht, was Beziehungen bedeuten. Lasst euch das von einem Idioten sagen, der zwei Ex-Frauen Alimente schuldet und für vier Kinder blechen muss. Keine Partnerschaft hält ewig und am Ende nehmen die Schnallen einem alles weg und verduften, um sich ein schönes Leben zu machen.« Er nahm einen tiefen Zug. »Alle Weiber sind Nutten. Die einen offen, bei denen redest du vorher über den Preis und nach dem Sex hast du deine Ruhe. Die anderen spielen dir etwas vor und nehmen dich dann richtig aus. Sind also teurer als jede Nutte und wenn ihr Kinder habt und sie die mitnehmen, reißen sie dir ein Stück deines Herzens raus.« Sofort widersprach ich ihm, weil ich an meine Mutter und Schwester dachte. Doch Dozer lachte nur.

»Du weißt gar nicht, wie eine Paarbeziehung funktioniert, bist noch gar nicht trocken hinter den Ohren. Ich wette mit dir, dass du keine Beziehung mit einer Frau eingehen wirst, die das Clubleben länger als sechs Monate aushält. Entweder brichst du ihr das Herz oder sie dirr. Ihr haltet mich für einen Mann ohne Gefühle und ohne Gewissen. Zweiteres stimmt vielleicht, aber das Erste nicht.« Wow, so persönlich hatte er noch nie mit uns gesprochen. Trotzdem musste ich ihm widersprechen.

»Das ist doch Bullshit. Jede Frau kann froh sein, mich zu kriegen.« Wieder lachte er. Sam stimmte mit ein.

»Bist du so ein Hengst im Bett?«, frotzelte er, doch ich beachtete ihn gar nicht, sondern wendete mich wieder Dozer zu.

»Ich wette mit dir, dass ich innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Frau finden werde, die ich heiraten werde. Und meine Ehe wird halten.« Keine Ahnung, wo das herkam, und völliger Bullshit war es eigentlich auch. Bisher hatte ich nie nach einer festen Freundin gesucht. Dozer lachte.

»Na, wenn du meinst. Ich würde es dir wünschen.« Doch dann wurde er plötzlich ernst und wechselte das Thema. »Es wird Zeit, dass wir uns besser kennenlernen, Jungs. Ihr seid bei der nächsten Church dabei.« Ich verschluckte mich fast am Rauch meiner Zigarette. Damit hatte ich nun echt nicht gerechnet. Vor allem heute nicht, an meinem ersten Tag in Freiheit. Konnte das Leben noch besser werden?

 

 

Rahel

Alle Mädchen der Gemeinde knieten wie jeden Morgen um diese Zeit in der Kirche in der letzten Reihe. Die Köpfe tief gesenkt, die Hände gefaltet. Ich konnte zwar nicht sehen, ob die anderen Mädchen meines Alters es auch taten, aber ich wusste es. Keine von uns wagte es aufzubegehren. Die Strafe wäre zu schlimm. Hier in der Kirche gab es eine noch viel strengere Ordnung als draußen. Obwohl wir auch dort kaum Rechte besaßen. Vorne saßen die Männer auf ihren mit Kissen gepolsterten Bänken. Sie waren die Oberhäupter der Familien und hatten das Sagen in der Gemeinde. Natürlich erst nach unserem Anführer und Propheten auf Erden Markus und seinem Vertreter Josef und unserem Priester Jeremia. Die drei standen über allen anderen. Hinter den Bänken knieten die Jungen ab zehn Jahre bis zum Mannesalter, die noch keine Ehefrau hatten, auf Kissen. Dahinter die verheirateten Frauen mit den kleineren Kindern ohne Polster auf dem harten Kirchenboden und ganz hinten wir ledigen Mädchen.

»Mary Alice, steh auf und tritt vor zu uns. Gott erwartet dich.« Markus’ Stimme hallte durch den hohen Raum. Gott? Wohl eher der Teufel, aber das sagte ich natürlich nicht laut. Es wäre mein Todesurteil, wenn jemand von diesen ketzerischen Gedanken wüsste. Mary Alice war genauso alt wie ich und kniete in meiner Nähe. Sie zitterte jetzt so sehr, dass sie kaum aufstehen konnte. Am liebsten hätte ich ihr geholfen, aber das würde uns beide nur in Schwierigkeiten bringen. Wer nicht aufgerufen wurde, hatte zu schweigen und sich nicht zu rühren. »Erhebt euch und segnet sie«, befahl Jeremia, unser Priester, und alle folgten sofort, um keinen Ärger zu riskieren. Sämtliche Hände der Gemeindemitglieder bildeten so eine Art Spalier. Mary Alice ging mit gesenktem Kopf den Mittelgang entlang nach vorn, ohne irgendjemandem in die Augen zu sehen. Am Altar erwartete Josef sie, der ihr kurz die Hand auf die Stirn legte und etwas murmelte, das ich hier hinten nicht verstehen konnte. Er führte sie durch die Tür neben dem Altar in den Nebenraum. Nachdem sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, trat einen Moment lang Stille ein. Keiner wagte es, sich zu rühren. Jeder fürchtete, der oder die Nächste zu sein, auch wenn niemand so genau wusste, was jetzt passieren würde. Nur, dass sie nie wieder zurückkommen würde, das ahnten wir alle. Immer wieder verschwanden Gemeindemitglieder, nachdem sie aus dem Gottesdienst gerufen worden waren.

»Kniet nieder, wir wollen beten«, wies Jeremia uns an und wir ließen uns brav auf den Boden sinken. Die Männer natürlich nicht. Die setzten sich wieder auf die Bänke, so dass die Frauen und Kinder hinten nicht viel sahen. Mir war das ganz recht, denn so konnten wir auch nicht so leicht gesehen werden. Ein kleines Mädchen begann zu quengeln und es dauerte keine Minute, bis die Mutter es zur Ruhe gebracht hatte. Doch Jeremia war selbst das zu lange.

»Rebecca, verlasse mit dem Kind die Kirche. Ich erwarte, dass du dich heute Abend zur Strafe einfindest.« Sie zuckte kurz zusammen, wagte aber nicht, etwas zu erwidern. Keine von uns würde das tun. Die Strafe würde ja auch nur noch viel schrecklicher ausfallen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Gottesdienst endlich beendet und wir durften uns erheben, um an die Arbeit zurückgehen. Ich reihte mich in die Schlange der Frauen ein, die dem Ausgang zustrebten, und war schon fast an der Tür, als mich die Stimme meines Vaters zurückrief: »Rahel, komm her. Du wirst noch gebraucht.« Eine Sekunde lang schloss ich die Augen. Ich wollte nichts sehen oder hören. Extraarbeit allein in der Kirche. Das war nie gut. Bisher musste meist Mary Alice nach dem Gottesdienst aufräumen und putzen. Sie hat nie erzählt, was sie dort machte, aber seit sie diese Aufgabe hatte, war sie noch stiller als sonst, selbst wenn gar keine Männer in der Nähe waren.

»Du räumst die Kissen weg, reibst die Bänke ab und fegst durch«, wies Jeremia mich an. Okay, das klang jetzt nicht so anstrengend. Da hatte ich Schlimmeres erwartet. Alice hatte immer völlig fertig gewirkt, wenn sie von ihrer Extraarbeit zurückgekommen war. Vater stellte sich neben ihn und gab weitere Anweisungen, was zu tun war. Am Ende fügte er dann noch hinzu: »Den Nebenraum betrittst du unter keinen Umständen, egal was du hörst. Haben wir uns verstanden?«

»Ja, Sir«, antwortete ich leise und mit gesenktem Kopf. Er verließ zusammen mit Jeremia und Markus den Raum durch die Seitentür und ließ mich allein zurück. Um ja niemanden zu verärgern, machte ich mich sofort ans Werk. Wo die Putzsachen in der Kirche standen, wusste ich zum Glück, denn er hatte ja nichts weiter erklärt. Es dauerte auch gar nicht lange, bis alles sauber war. Gerade wollte ich die Putzutensilien wieder in die kleine Nische stellen, in die sie gehörten, als ich einen markerschütternden Schrei aus dem Nebenraum hörte. Mir blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Der Aufschrei war so schrecklich, dass ich nicht mal sagen konnte, ob er von einem Menschen oder Tier stammte. Einerseits wollte ich ganz schnell weglaufen, um mich selbst in Sicherheit zu bringen, gleichzeitig hatte ich allerdings das Gefühl, helfen zu müssen. War es Mary Alice, die da so schrie? Was konnten die Männer ihr antun, dass sie sich so anhörte?

Obwohl ich es eigentlich besser wusste, schlich ich näher an die Tür heran. Ich sollte das nicht tun und lieber ganz schnell von hier verschwinden, trotzdem legte ich mein Ohr an die Tür und lauschte auf Geräusche aus dem Nebenraum. Zuerst blieb aber alles still. Was eigentlich auch kein Wunder war. Im Gegensatz zu den anderen Häusern der Gemeinde war die Kirche nicht aus Leichtbauwänden errichtet, sondern aus dicken Steinen und die Türen waren aus besonders starkem Eichenholz. Eigentlich hätte ich den Schrei also gar nicht hören dürfen.

»Rahel, folge mir.« Eine Männerstimme ertönte hinter mir und mich überlief ein eiskalter Schauer. Warum musste ich auch lauschen? Der Ärger war doch vorprogrammiert gewesen. Ausgerechnet mein Vater stand nun hinter mir. Wie war er da hingekommen? Er würde mich jetzt bestrafen, das war sicher. Doch zu meiner Verwunderung brachte er mich nicht nach Hause, um mich mit dem Gürtel zu züchtigen, wie er das so gern tat, sondern öffnete genau die Tür, an der ich gelauscht hatte. Mit dem Anblick, der mich dort erwartete, hätte ich nie gerechnet. Mir gefror regelrecht das Blut in den Adern. Der Tag konnte nicht noch schrecklicher werden, oder etwa doch?

Kapitel 2

Blue

Das Bikertreffen war wie ein großes Fest. Man sah viele bekannte, aber auch neue Gesichter, es gab tolle Shows und richtig geile Maschinen und noch mehr Alkohol. Insgesamt waren bestimmt ein Dutzend verschiedene Clubs hier. Abends gab es zwar die üblichen Prügeleien, aber wir hielten uns raus. Unser Club war nicht so groß wie einige andere und vor allem hatten wir nur zwei feste und ein Nomads Chapter. Wobei vom Nevada Chapter gar nicht viele hier waren, obwohl das Treffen fast vor ihrer Haustür stattfand. Aber wir pflegten zu einigen Clubs gute Kontakte und unser Pres machte hier auch Geschäfte, denn nicht alles bei uns lief legal. Wir hielten uns zwar aus Waffen- und Drogengeschäften weitgehend heraus, handelten aber mit neuen und gebrauchten Auto- und Motorradteilen, Computern und Handys, die zum Teil vom Truck gefallen waren.

Abends gab es eine geile Stripshow in einem Club, die Sam und ich uns mit einigen der anderen Jungs ansahen. Während der Pres und der Vice mit ein paar Männern etwas abseits sprachen. Mich interessierten die Geschäfte heute nicht. Meine Freiheit wollte gefeiert werden.

»Wow, hat die Tussi geile Titten.« Da konnte ich nur zustimmen.

»Ja, die hätte ich gern fürs La Rosa.« Das La Rosa war eins der beiden Bordelle, die unser Club besaß. Wenngleich Bordell fast zu mies klang. Es war ein ganz legaler Escort-Service mit Extraleistungen. Wobei ich eher auf die Extras der Mädchen stand. Nichtsdestotrotz buchten manche Männer echt eine Frau, um zu reden. Das würde ich nie verstehen. Aber solange sie brav bezahlten und die Mädchen nicht außerhalb ihrer Arbeit belästigten, konnte es mir egal sein. Der Kunde war König, solange er sich benahm. Wenn er das nicht tat, brachten wir ihm Manieren bei und für diesen Schutz bekamen wir unseren Teil des Geldes ab. Ein sauberes Geschäft.

»Noch eine Runde Bier«, bestellte ich bei einer der leichtbekleideten Kellnerinnen. Sie nickte und sammelte die leeren Gläser ein.

»Kommt sofort.« Sie lächelte und zuckte auch nicht zurück, als Sam einen Arm um sie legte und ihr irgendwas ins Ohr wisperte. Sie nickte und flüsterte dann etwas zurück. Nun nickte Sam, zückte eine Rolle Scheine und steckte sie ihr in den Ausschnitt. Sie verdrehte die Augen, sagte aber nichts, sondern verschwand hinter dem Tresen.

»Na, was hast du bestellt?«, fragte der Prospect neugierig. »Dope?« Genervt verdrehte ich die Augen.

»Wir fahren morgen einige hundert Meilen. Meinst du echt, dass er sich dann heute abschießt? Wir sind doch nicht lebensmüde«, sagte ich. Manche von uns warfen ab und zu etwas ein, bloß Sam gehörte eigentlich nicht dazu und ich ebenfalls nicht. Alkohol gern, doch nur, wenn ich wusste, dass ich nicht mehr aufs Bike musste und auch sonst selten etwas Härteres. Unser Präsident sah es gar nicht gern, wenn einer von uns Drogen nahm und Sam als sein Sohn ging da mit gutem Beispiel voran. Zu viele waren dadurch schon umgekommen und wir mussten immer wieder Mädchen aus dem Bordell zum Entzug bringen. Wer wollte schon eine zugedröhnte Hure? Die brachten nichts ein.

»Ich dachte, im Club geht es um Spaß«, motzte er rum. Sam schüttelte nur genervt den Kopf, sagte jedoch nichts dazu. Ich auch nicht, aber wenn J.C. in Zukunft öfter solche Anwandlungen zeigte, würde er den Memberpatch nie erhalten.

»Ja, hier geht es auch um Spaß und heute darum, Blues Freiheit zu feiern. Deshalb habe ich ein Geschenk für dich, Kumpel.« Sam stand auf und deutete hinter mich. Ich drehte meinen Kopf und die süße Kleine, die eben noch auf der Bühne gestrippt hatte, kam lächelnd und hüftschwingend auf mich zu. Sie trug nun eine Krankenschwesteruniform und sah Sam direkt an.

»Na, Jungs. Geht es euch gut?«, fragte sie und grinste lasziv. Oh ja. Die Kleine hatte es echt drauf.

»Na klar, wie sollten wir nicht, wenn du da bist.« Sam zwinkerte ihr zu.

»Wer ist denn der Glückliche, der heute etwas zu feiern hat?« Sie sah sich suchend um und ihr Blick wanderte von einem zum anderen. Sam deutete auf mich.

»Wir feiern die Freiheit unseres Kumpels und deshalb will ich, dass du ihn heute glücklich machst.« Echt jetzt? Er hatte mir eine Nutte gekauft, um meine Freiheit zu feiern? Das war mal wieder typisch für ihn.

»Hallo, schöner Mann«, flüsterte sie und rieb ihre prallen Titten an meiner Brust. »Möchtest du etwas Spaß haben?« Klar wollte ich. Wer würde dazu schon nein sagen?

»Aber immer«, antwortete ich, was die anderen zum Grölen brachte. Meine Augen lagen allerdings nur auf der hübschen Tänzerin, die mich nun verführerisch anlächelte. Sie schwang anmutig ein Bein fast senkrecht in die Höhe, so dass ich den winzigen String, den sie unter ihrem Rock trug, genau sehen konnte. Sie beachtete die Männer, die um uns herum standen oder saßen, nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehörte mir und das genoss ich in vollen Zügen. Sie rieb sich an mir, streichelte mich und machte mich richtig heiß, indem sie auf meinem Schoß tanzte. So einen Lapdance hatte ich noch nie erlebt. Natürlich behielt auch ich meine Hände nicht lange bei mir und da sie keinen Protest äußerte, dauerte es nur Sekunden, bis wir beide obenrum nackt waren und ich nur noch eins wollte: in ihr sein. Jetzt sofort. Mir doch egal, dass hier einige hundert Biker um uns herum waren. Schüchtern war ich noch nie und schämen brauchte ich mich auch nicht. Und die Kleine auf meinem Schoß schien ebenfalls nichts gegen Zuschauer zu haben. Im Gegenteil. Während ich eine ihrer Brustwarzen in den Mund nahm und kräftig daran saugte, hob sie ihren Arsch etwas an und fummelte an meiner Hose herum. Nur war das in ihrer Position gar nicht so einfach. Doch da konnte ich Abhilfe schaffen. Schnell hatte ich sie angehoben und auf den Tisch vor uns abgesetzt. Meine Kumpels johlten, als ich ihren Slip herunterzog und meinen Schwanz aus der Hose holte und mir schnell das Kondom überzog, das Sam mir zuwarf. Zum Glück hatte er daran gedacht. Die Kleine stöhnte und erhob keine Einwände, also machte ich weiter. Nach den drei Wochen im Knast war die heiße, enge Pussy ein wahrer Traum, den es zu genießen galt. Ich blendete alles um uns herum aus. Die Blicke, Rufe und jedes Lachen, all das war mir egal. Das Einzige, was zählte, war meine Lust und die der Kleinen vor mir. Ich rieb ihren Kitzler, während ich sie fickte und als sie kam, molk sie meinen Schwanz regelrecht.

Nachdem ich mit ihr fertig war, streifte ich das Kondom ab, wischte meinen Schwanz ab und verstaute ihn wieder in der Hose. Es war gut gewesen, aber irgendetwas fehlte doch. Ich konnte nur nicht sagen, was es war. Das Hochgefühl, das ich sonst nach dem Sex hatte, setzte irgendwie nicht ein. Verdammt, was war nur mit mir los?

»Für dich.« Ich zog fünfzig Dollar aus der Tasche und steckte sie ihr zu. Schließlich hatte sie sich echt Mühe gegeben. Sie nahm das Geld und sah sich suchend um. Wahrscheinlich nach dem nächsten Schwanz, aber das war mir egal. Genauso, ob sie es nur wegen der Kohle gemacht hatte oder weil sie auf Biker stand. Sie bedeutete mir nichts. Genau wie all die anderen Nutten. Sie halfen beim Druckabbau, aber mehr auch nicht. Sam gab ihr ein Zeichen und sie rutschte zu ihm rüber. Sollte sie. Keine Gefühle, keine Komplikationen. So einfach war das Leben und wenn mein Kumpel die Nutte nach mir ficken wollte, sollte er das ruhig tun. Inzwischen war sie nicht die Einzige, die auf einem der Tische lag oder saß und gefickt wurde. Überall um uns herum ging es jetzt zur Sache, aber mir war nicht nach zusehen. Um dem nächsten Platz zu machen, stand ich auf. Ich wollte rausgehen, um eine zu rauchen und ein paar Minuten Ruhe zu haben, doch Sam hielt mich auf, obwohl sein Schwanz noch immer in dem Mädchen steckte, beugte er sich zu mir herüber. Das brachte auch nur er fertig.

»Du hättest ihr nichts geben müssen, das war schon erledigt«, schrie er mir zu, um den Geräuschpegel zu übertönen. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern.

»Sie war gut und der Orgasmus hat sich echt angefühlt. Also hat sie es verdient.« Er lachte und streichelte die Kleine.

»Du bist ein komischer Kauz, Blue. Wen interessiert es, ob eine Nutte kommt oder nicht, solange du abspritzen kannst?« Die Einstellung hatten die meisten im Club und wahrscheinlich war die auch gesünder, nur mir reichte das halt nicht mehr. Aber wie sollte ich ihm das erklären? Wir waren nicht die Typen, die philosophische Gespräche führten. Vor allem nicht, während mein Kumpel besagte Nutte vögelte.

»Ich steh halt drauf, wenn die Muschi sich eng zusammenzieht. Viel Spaß mit ihr«, gab ich deshalb nur zurück. Ich konnte ihm nicht erklären, was mir fehlte, weil ich selbst nicht wusste, was das war.

»Vielleicht solltest du dir eine Old-Lady suchen statt Nutten.« Sam lachte und ich fiel mit ein. Eine feste Freundin? Nein, das wollte ich auch nicht, obwohl ich vorhin noch zu Dozer gesagt hatte, dass ich kein Problem damit hätte, eine Frau zu halten. Konnte er sich jetzt mal auf die Nutte vor ihm konzentrieren, statt mit mir zu reden? Manchmal war er echt ein seltsamer Kauz.

»Du weißt doch, dass das eh nicht funktioniert. Welche Frau, die keine Nutte ist, hält es auf Dauer im M.C. aus? Bisher sind alle irgendwann abgehauen und haben Kohle und Kinder mitgenommen.« Wie zum Teufel kam ich denn jetzt auf Kinder? Wahrscheinlich weil Dozer vorhin von seinen gesprochen hatte. Fortpflanzung stand nun wirklich nicht auf meiner Agenda. Deshalb nahm ich es mit der Verhütung immer ganz genau. Meine Mutter hatte es mir ja auch seit meinem zwölften Lebensjahr gepredigt. Sie hasste den M.C. und hatte alles versucht, um Mia und mich von diesem Leben fernzuhalten. Vergeblich. Denn ich liebte diesen Lebensstil und Mia hatte auch einen Biker geheiratet. Wahrscheinlich war Mom deshalb nach Florida gezogen und nie zurückgekommen. Sie wollte Abstand zwischen sich und den Club bringen. Aber ich kannte gar nichts anderes. Hier gehörte ich hin, deshalb musste ich allerdings keine Frau mit hineinziehen. Und das sagte ich nun auch laut. Sam zuckte mit den Schultern.

»Es muss nur die Richtige kommen. Eine, die hinter die Fassade guckt. Es funktioniert, wenn man von Anfang an ehrlich ist und nichts beschönigt. Bei uns ist nicht immer alles ganz sauber, aber dafür sind die Leute loyal, wo auf der Welt gibt es das sonst?« Er stöhnte, zog sich dann aus der Kleinen zurück und warf das Kondom weg. Nachdem er seinen Schwanz wieder eingepackt hatte, holte er eine Packung Zigaretten aus der Tasche und bedeutete mir, ihm nach draußen zu folgen. Hier drinnen gab es überall Rauchmelder, sonst hätte er wahrscheinlich gleich hier eine angesteckt. Das tat er, sobald wir draußen waren, nahm einen tiefen Zug und hielt sie mir dann hin. Wir teilten alles miteinander, deshalb inhalierte auch ich den Rauch tief.

»Lass uns über was anderes reden. Nicht über Weiber.« Ein Themenwechsel wäre jetzt genau das richtige. »Willst du nochmal rein oder zum Hotel fahren?« Ein Teil von unseren Leuten war schon abgefahren, einige würden wahrscheinlich die Nacht durchmachen. Mir reichte es aber für heute und ich freute mich auf ein richtiges Bett. Die Pritschen im Gefängnis waren nicht sehr bequem und der Schlaf nie tief gewesen. Da hatte eine Nacht zuhause nicht ausgereicht, um das auszugleichen. Zumal wir sehr früh aufgebrochen waren.

»Fahr du ruhig, ich geh mir noch was Fickbares suchen.« Er lachte. »Kannst ja nicht nur du Spaß haben. Wir sehen uns morgen.« Er klopfte mir noch einmal auf die Schulter und ging dann wieder hinein.

»Okay.« Kaum war er weg, machte ich mich auf den Weg zu meinem Bike, das einige Meter weiter auf dem Parkplatz stand. Doch ich war gerade erst drei Schritte gegangen, als mich jemand regelrecht umrannte.

»Hoppla«, sagte ich und hielt das schwankende Mädchen fest, damit sie nicht umfiel. In der Dunkelheit konnte ich nicht viel von ihr erkennen, nur dass sie etwas Sackartiges trug und einen langen Pferdeschwanz hatte. Die Kleine musste ganz schön getankt haben, wenn sie so durch die Gegend stolperte.

»Sorry«, murmelte sie, senkte ihren Kopf und wollte weiterlaufen, doch dabei stolperte sie wieder über ihre eigenen Füße. Ohne darüber nachzudenken, sprang ich regelrecht nach vorn und hinderte sie am Umfallen. Sie zitterte am ganzen Körper. Warum? Ich hatte echt nicht vor, ihr etwas zu tun, sondern nur zu helfen.

»Langsam, Mädchen, ich tue dir nichts.« Doch meine Worte schienen das Gegenteil von dem zu bewirken, was ich eigentlich wollte. Statt sich zu entspannen, fing das Mädchen noch stärker an zu zittern und das konnte nicht an den Temperaturen liegen.

Rahel

Es war inzwischen dunkel und ich fühlte mich völlig dehydriert und am Ende meiner Kräfte. Heute Morgen war ich geflohen. Hatte mich losgerissen, Markus niedergeschlagen und war einfach davongerannt. Zu meinem Glück hatte die Wache am Tor gerade telefoniert, so dass ich mich vom Gelände schleichen konnte, ohne gesehen zu werden. Aber danach verließ mich das Glück. Da ich auf der Straße zu leicht auffindbar gewesen wäre, hatte ich mich dazu entschieden, querfeldein zu laufen. Blöderweise musste ich im Kreis gelaufen sein, denn ein paar Stunden später stand ich erneut am Zaun, der das Gelände der Gemeinde umgab. Zum Glück hatte mich niemand entdeckt und ich konnte wieder weglaufen. Inzwischen war es dunkel und ich hatte keine Ahnung, wo ich nun genau war und erst recht nicht, wo ich hinsollte. Anfangs wollte ich nur noch weg. Weit weg von meinem Vater, der Gemeinde und von den grausamen Dingen, die dort geschahen. Doch inzwischen war ich seit Stunden unterwegs, hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen oder getrunken. Vor einiger Zeit hatte ich eine Siedlung betreten, die ich nicht kannte. Vielleicht konnte ich mir hier irgendwo etwas zu trinken besorgen. Ich hatte zwar keinen Penny bei mir, da ich nie Geld in die Hand bekam, aber eine goldene Kette mit einem Kreuz. Meine Mutter hatte sie mir gegeben, als ich ein Kind war, mit den Worten: »Damit du sie im Notfall verkaufen kannst.« Vielleicht konnte ich das wirklich tun oder sie wenigstens eintauschen. Bisher hatte ich allerdings keinen Laden entdecken können und an ein privates Haus traute ich mich nicht heran.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, rannte ich gegen eine dunkle Gestalt und fiel fast zu Boden. Es musste ein Mann sein, er roch nach Leder und Rauch. Die Panik kochte in mir hoch. Wollte er mir etwas antun? Meine Beine gaben unter mir nach und hätte der Kerl mich nicht festgehalten, wäre ich wohl doch noch auf dem Boden gelandet.

»Langsam, Kleines. Ich tue dir nichts.« Hatte er das nicht eben schon einmal gesagt? In meinem Kopf ging alles durcheinander und das Denken fiel mir schwer.

»Okay«, murmelte ich. Was sollte ich auch sonst sagen? Der Typ lachte. Warum lachte er?

»Wo willst du hin? Du siehst aus, als könntest du Hilfe brauchen. Hast du einen über den Durst getrunken?« Er klang ehrlich besorgt, was mich wunderte. Sollte ein Typ, der irgendwo allein im Dunkeln auf einem Parkplatz stand, nicht gefährlich sein?

»Ich hab nichts getrunken«, antwortete ich ihm, obwohl ich wohl besser weggehen sollte, solange ich es noch konnte. Stattdessen sprach ich, ohne nachzudenken weiter. »Ich hab den ganzen Tag über gar nichts getrunken.« Er zog zischend die Luft ein.

»Kein Wunder, dass du schwankst. Seit wann bist du unterwegs und wie weit musst du noch?« Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wusste weder, wie lange ich schon lief, noch, wo ich hinsollte. Der Gottesdienst war am Morgen gewesen. Danach hatte ich geputzt und dann? Mir wurde schwarz vor Augen. Nur nicht daran denken.

Blue

Die Kleine klappte einfach in sich zusammen. Nicht wie man das in Filmen sah, langsam und in eine Richtung, sondern sie verdrehte die Augen und dann sackten ihre Beine einfach so weg.

»Fuck!«, stieß ich aus und schaffte es gerade noch, ihren Kopf abzufangen, bevor der auf den Asphalt des Parkplatzes knallte. Was war nur mit der Kleinen los? Hier im Halbdunkeln konnte ich nicht erkennen, was mit ihr los war. Ich hob sie hoch. Sie wog fast nichts, als ich mit ihr in Richtung der Eingangstür hinüberging. Ein Stripclub war zwar sicher nicht der richtige Ort für sie, aber wo sollte ich sie sonst hinbringen? Außer uns beiden war hier draußen ja keiner. Nicht mal einen Türsteher hatte diese Spelunke. Ich kickte die Tür mit einem Fuß ein und trat in den Schuppen. Inzwischen lief hier eine regelrechte Orgie ab. Überall vögelnde Menschen, als hätte ich den Startschuss gegeben.

Suchend sah ich mich um. Wo zum Teufel waren die anderen aus dem Club? Im Moment konnte ich niemanden entdecken, aber das Licht war auch heruntergedreht und nur die nun leere Bühne hell erleuchtet.

»Kann ich dir helfen? Was ist mit ihr?« Eine der Kellnerinnen trat neben mich und warf mir einen bösen Blick zu. Als könnte ich etwas für den Zustand der Kleinen.

»Ich brauche einen Platz, wo ich sie ablegen und untersuchen kann. Sie ist draußen vor der Tür einfach zusammengebrochen. Sagte, sie hätte den ganzen Tag nichts getrunken und das in dieser verdammten Wüste. Vielleicht sollten wir einen Krankenwagen rufen.« Begeistert sah die Kellnerin nicht aus, aber sie bedeutete mir, ihr zu folgen. Durch eine in der Wand kaum zu erkennende Tür führte sie mich in den Hinterbereich des Clubs.

»Hier ist eine Garderobe, da gibt es ein Sofa, auf das du sie legen kannst«, erklärte sie. »Sicher, dass sie nicht einfach zu viel gesoffen oder Drogen genommen hat? Der Boss hasst es, wenn wir die Behörden einschalten und die Polizei rückt immer gleich mit aus, sobald wir einen Krankenwagen bestellen.« Genervt schüttelte ich den Kopf. Okay, auf Bullen hatte ich nach meiner jüngsten Erfahrung auch wirklich keine Lust, aber ich musste der Kleinen doch irgendwie helfen. Es war mir ein Bedürfnis und ich konnte mir selbst nicht erklären, wieso. Eigentlich war ich nicht der Beschützertyp, wenn es nicht um meine Familie ging. Wenigstens war es hier hinten etwas heller und als ich das Mädchen auf dem Sofa ablegte, sah ich sie mir zum ersten Mal genauer an. Was trug sie bloß für seltsame Sachen? Wollte sie als ihre eigene Großmutter zu Halloween gehen? Der lange graue Rock ging ihr bis zu den Knöcheln, darunter trug sie flache hässliche Lederschuhe und obenrum steckte sie in einer Art Sack oder so. Hoch geschlossen und absolut unförmig. Geschminkt war sie auch nicht und die Haare streng nach hinten gekämmt in einem Zopf. Obwohl sich jetzt einige Strähnen daraus gelöst hatten. Sie sah staubig aus, als wäre sie längere Zeit durch die Wüste gewandert und wahrscheinlich war sie das auch. Ihre rissigen Lippen deuteten ebenfalls darauf hin.

»Ist sie tot?« Die Kellnerin hatte ich während meiner Musterung ganz vergessen.

»Nein, sie atmet noch, aber sie scheint völlig dehydriert zu sein. Kannst du mir Wasser bringen?« Warum ließ ich nicht einfach einen Krankenwagen rufen und überließ sie ihrem Schicksal? Das wäre echt das Vernünftigste, aber wann war ich das schon? Außerdem konnte ich mich nicht darauf verlassen, dass die Kellnerin sie nicht einfach liegen ließ und nichts tat, aus Angst vor den Bullen, die die Party vorne sicher sprengen würden.

»Was kriege ich dafür?« Die Kellnerin legte ihre Hand auf meine Brust und sah mich mit einem Blick an, der wohl verführerisch aussehen sollte. »Ich hab gesehen, wie du es Monique gegeben hast, das sah geil aus.«

»Wasser. Jetzt.« Ich hatte echt keine Geduld für diese Flirterei.

»Ich geh ja schon.« Nun schob sie doch tatsächlich ihre Unterlippe hervor. Waren wir im Kindergarten oder was sollte das? Grob packte ich sie am Arm und drehte sie zu mir.

»Mädchen, wenn du nicht willst, dass ich dir richtig wehtue, dann machst du, was ich dir sage und hörst auf, mich anzumachen. Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?« Ich gab ihr einen leichten Stoß und sie setzte sich in Bewegung. Hoffentlich endlich, um etwas zu trinken zu holen. »Und nur Wasser, wehe du schüttest da irgendetwas rein. Auf Spielchen hab ich heute echt keine Lust.« Sie nickte und ging dann mit gesenktem Kopf schnell los. Ein Stöhnen vom Sofa ließ mich herumfahren.

Rahel

Eine laute Stimme riss mich aus der Schwärze. Es war nicht mein Vater und auch sonst niemand, den ich kannte, aber sofort überfiel mich die Angst. Die Angst davor, was sie mit mir tun könnten – was sie mir antun könnten. Mit einem Stöhnen versuchte ich, meine Augen zu öffnen. Das war gar nicht so einfach und auch, als ich es endlich schaffte, dauerte es etwas, bis ich klar sehen konnte. Was ich zuerst bewusst wahrnahm, war ein Paar stahlblauer Augen, das mich musterte. Zu meiner Überraschung stand keine Wut und keine Gier in diesem Blick. Es war eher. Ja, was eigentlich? Sorge? Angst? Aber warum sollte der kräftige Typ, der zu diesen Augen gehörte, Angst vor mir haben? Er trug eine Lederweste über einem einfachen T-Shirt. Doch was meinen Blick gefangen nahm, waren die Bilder auf seinen Armen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Sie waren teils schwarz und teils bunt und ich konnte so schnell gar nicht erfassen, was dort zu sehen war.

»Da bist du ja wieder.« Seine Stimme klang erleichtert. Aber ich konnte nicht einsortieren warum. Eine zweite Person trat neben ihn. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ein Mann war schon schlimm genug, gegen mehrere hätte ich gar keine Chance.

»Da, das Wasser. Ich muss jetzt wieder nach vorne. Sonst kriege ich Ärger mit dem Boss, dem gefällt die Orgie da draußen zwar, aber er will auch Kohle machen. Wenn ihr hier fertig seid, könnt ihr wieder in den Club kommen oder den Gang runter und dort durch die Tür auf den Angestelltenparkplatz gehen. Mir egal. Wobei die da echt nicht hier rein passt.« Es war eine Frau. Kein Mann. Erleichtert atmete ich ein wenig auf, auch wenn die Stimme ziemlich verachtend klang. Außerdem brachte sie Wasser. Nur wovon um Himmels willen sprach sie? Ich verstand kaum die Hälfte. Eigentlich war es mir auch egal. Mein Mund fühlte sich so trocken an und ich hatte nur Augen für die Flasche Wasser, die sie dem Mann reichte. Der Durst war beinahe unerträglich, obwohl ich daran gewöhnt sein sollte. Zuhause bekam ich oft den ganzen Tag nichts zu trinken. Das härtete ab und außerdem verhinderte es, dass wir sinnlos Zeit verschwendeten, in der wir sonst ja arbeiten konnten. Essen, trinken und der Besuch einer Toilette kosteten Zeit. Wer zu oft Pause machte, wurde bestraft.

»Hier, trink.« Der Typ gab mir die Flasche und streckte dann seinen Arm nach mir aus. Ohne es zu wollen, zuckte ich zusammen und verschüttete etwas Wasser auf meiner Bluse. Augenblicklich versteifte ich mich noch mehr. Der Kerl war riesig, muskulös und sah verdammt gefährlich aus mit dem Bart und den schulterlangen, blonden Haaren. Alles an ihm sah wild und ungezähmt aus.

»Langsam«, sagte er ganz sanft. Irgendwie passte diese Art so gar nicht zu seiner Ausstrahlung. »Ich tue dir nichts.« Wie konnte so ein gefährlich aussehender Mann so nett sein? Er hatte unter anderem einen Totenkopf auf dem Arm. Sollte er nicht eigentlich grausam sein? Aber statt darüber nachzudenken, nahm ich einen großen Schluck Wasser. Das tat so gut, dass ich gleich noch einen trank und noch einen.

»Langsam, du verschluckst dich sonst«, ermahnte er mich erneut. Ich zwang mich, auf ihn zu hören. Er hatte ja recht, wenn ich nicht wollte, dass alles gleich wieder hochkam, sollte ich wirklich langsamer machen. Aber es tat so gut. »So ist es besser.« Er lächelte mich an und dieses Lächeln wärmte etwas in mir. Nun trank ich in kleinen Schlucken weiter, bis die Flasche leer war.

»Danke«, flüsterte ich.

»Geht es dir besser?«, fragte er und musterte mich so eindringlich, dass ich automatisch zu Boden blickte. Bei uns in der Gemeinde sah man niemanden so an. Das galt als unschicklich.

»Ja.« Mein Flüstern wurde noch leiser. Er nickte.

»Soll ich einen Arzt anrufen oder dich irgendwo hinbringen?« Einen Arzt? Nein, das kam nicht infrage. Der würde sicher meinen Vater informieren. Jeder hier in der Gegend kannte unsere Kirche und wusste, dass es eine Belohnung gab, wenn man einen Ausreißer zurückbrachte.

---ENDE DER LESEPROBE---