Zac - Surviving the Devil - Samira Wood - E-Book
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Zac - Surviving the Devil E-Book

Samira Wood

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Beschreibung

Haben die Teufel gewonnen? Zac ist verschwunden und für die Mitglieder des Devil Agents M.C. ist er der Sündenbock. Sie glauben, dass er an den Anschlägen auf den Club beteiligt war. Die Einzige, die an seine Unschuld glaubt, ist Jenny, die er aus der Sekte gerettet hat. Deshalb macht sie sich auf den Weg zurück nach Nevada, um ihn zu suchen. Auch wenn sie sich dadurch ihrer Vergangenheit stellen muss. Als Zac endlich aus der Gefangenschaft fliehen kann, ist er verletzt. Eigentlich will er sofort untertauchen, um niemanden der ihm etwas bedeutet in Gefahr zu bringen. Kann Jenny ihn umstimmen? Hat ihre Liebe so eine Chance? Oder haben sie den Teufel nur überlebt, um dann allein weiter zu machen? Dies ist der dritte und letzte Teil der Devil Agents M.C. Reihe. Hierbei handelt es sich um einen in sich abgeschlossenen Liebesroman. Um allerdings die Geschichte richtig genießen zu können, sollte mit dem ersten Band begonnen werden.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Epilog
Danksagung
Über die Autorin
Leseprobe (K)ein Stripper fürs Herz

Samira Wood

 

Zac

Surviving the Devil

 

 

 

© 2022 Samira Wood

Alina Jipp, Am Georgstollen 30, 37539 Bad Grund

 

Coverdesign: Eyrisha Summer

Bildmaterial: Shutterstock, Pixabay

 

Clublogo: Addison Moore

 

Lektorat, Buchlayout:

Lektorat Buchstabenpuzzle B. Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

Informationen zum Taschenbuch:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Auch als Taschenbuch und Hardcover erhältlich.

Kapitel 1

Jenny

Die Tür fiel ins Schloss und ich atmete erleichtert auf. Ich liebte meine Halbschwester Rahel wirklich, nur im Moment ertrug ich sie kaum. Nun war sie weg und ich hatte das Gefühl, endlich wieder Luft zu bekommen. Noch besser würde es mir allerdings erst morgen gehen, wenn ich diese Wohnungstür endgültig hinter mir von außen schließen konnte. Sie gab sich alle Mühe und wollte mich wirklich unterstützen, aber nur, solange das Thema nicht auf Zac kam. Ich hatte es so satt, ihn immer ausklammern zu müssen.

Lakeside war ein hübsches Städtchen, keine Frage, nur war es einfach nicht meine Heimat und ohne Zac würde sie das auch nie werden. Zac. Wie sehr ich ihn vermisste. Hier in Kalifornien glaubten alle, er wäre ein Verräter, doch das konnte und wollte ich nicht glauben. Er war der Mann, der mich nach meiner Flucht aus der Sekte gerettet hatte. Die Sekte, in die ich hineingeboren worden und aufgewachsen war. Niemals würde er mit einem Menschenhändlerring zusammenarbeiten. Diese Anschuldigungen waren einfach ungeheuerlich. Nur weil er am gleichen Tag verschwunden war, an dem das Clubhaus in die Luft flog, verdächtigten sie ihn nun. Aber ich wusste es besser. Deshalb wollte ich ihn suchen. Morgen früh würde ich Kalifornien verlassen und zurück nach Nevada fahren. Einerseits fürchtete ich mich davor, andererseits waren die Anführer unserer Gemeinde spurlos verschwunden, also konnte es nicht so gefährlich sein, mich dort aufzuhalten. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht gerade jetzt zurückkommen würden. Die Behörden suchten sie überall, somit wäre es Selbstmord von ihnen, ausgerechnet an den Ort zurückzukehren, an dem sie gesucht wurden. Natürlich lebten noch immer Sektenmitglieder in Nevada und das sogar weiterhin auf dem Gelände der Sekte oder Kirche, wie sie sich nach wie vor nannten – ich wusste es inzwischen besser. Aber einige waren auch schon weggezogen und ich wusste, dass Zacs Mutter nun eine Organisation gegründet hatte, die Frauen und Kindern half, aus dieser Gemeinschaft auszubrechen.

Sie versorgte sie mit allem, was sie benötigten. Es gab ein ganzes ehemaliges Hotel, das zu einer Art Frauenhaus umgebaut worden war und in das die Frauen ziehen konnten. Außerdem halfen sie ihnen dabei, sich in der normalen Welt zurechtzufinden. Die meisten von uns hatten das nämlich nie gelernt. Mir hatte Zac alles Nötige beigebracht und vielleicht war es deshalb gut, wenn ich mein Wissen an andere weitergeben konnte, die in derselben Situation waren, aus der ich selbst geflohen war. Zum Teil waren es sogar meine Halbgeschwister. Obwohl ich die wenigsten von ihnen wirklich kannte. Das war halt so, wenn man in einer polygamen Familie aufwuchs. Familie war ein großes Wort, denn mit den meisten meiner Verwandten hatte ich nie etwas zu tun gehabt. Die Frauen hatten immer sehr darauf geachtet, ihr Revier abzustecken. Jede kümmerte sich um ihre eigenen Kinder und lebte mit ihnen in einer Wohnung. Alles war stets streng getrennt und für jede Frau meines Vaters gab es nur ein Ziel: Sämtliche Privilegien für sich und ihre Kinder zu sichern, um sie zu beschützen. Eine echt kranke Welt, wenn ich jetzt so darüber nachdachte, aber bis vor einigen Monaten war es die einzige gewesen, die ich kannte. Frauen hatten sich den Männern unterzuordnen. Das Wort des Ehemannes stand über allem. Na ja, nicht ganz. Die Anführer hatten mehr zu sagen und wer nicht gehorchte, wurde bestraft oder verschwand einfach. Früher ahnte ich nicht, was mit diesen Menschen passierte, aber jetzt war ich schlauer und es ekelte mich an. Markus, Jeremia und Josef waren die Schlimmsten von ihnen gewesen. Sie hatten eine Welt der Angst und Abhängigkeit erschaffen und Menschen wie Ware behandelt.

Im M.C. war das Leben völlig anders als in der Gemeinde, das hatte mir von Anfang an so gut gefallen. Ja, es gab auch unter ihnen Männer, die Frauen abwerteten, aber die, die eine feste Freundin – oder Old-Lady – hatten, verhielten sich anders. Sie waren sicherlich keine Engel, doch sie behandelten ihre Freundinnen nicht wie Gegenstände. Die Frauen hatten ein Mitspracherecht und ein eigenes Leben neben dem Club. In der Sekte war das undenkbar, wir waren dort eingesperrt und durften das Gelände nie verlassen, keine Schule besuchen oder gar einen Beruf ergreifen.

Nun hatte sich der M.C. ebenfalls disqualifiziert, indem sie meinen Freund einfach abstempelten und nicht einmal nach ihm suchten. Dabei gab es keinerlei Beweise für seine Schuld an dem Anschlag auf das Clubhaus.

Conny und ihr Mann Frank waren da ganz anders. Okay, sie waren auch Zacs Eltern, aber sie gaben die Hoffnung einfach nicht auf, dass er bald wiederkommen würde. Irgendetwas musste an dem Tag des Angriffs auf den Club passiert sein. Wie es aussah, war er auf dem Weg zum Clubhaus gewesen und dort nie angekommen, dennoch hatte er auf keinen Fall etwas mit dem Anschlag zu tun. Wahrscheinlich hatten die Attentäter ihn als Geisel genommen oder Schlimmeres, daran wollte ich aber gar nicht denken. Unter den Toten im Clubhaus war er jedenfalls nicht gewesen. Außerdem spürte ich, dass Zac noch lebte. Er musste einfach am Leben sein.

Mein Telefon klingelte und unterbrach meine Gedanken. Allein schon der Blick aufs Display brachte mich zum Schmunzeln. Es war Conny. Ich beeilte mich, den Anruf entgegenzunehmen.

»Alles bereit für morgen?«, fragte sie, nachdem sie mich begrüßt hatte.

»Ja, mein Koffer ist gepackt. Viel habe ich eh nicht, da die Wohnung möbliert ist. Ich gebe den Schlüssel beim Vermieter unten ab und nehme mir ein Uber zum Bahnhof.« Conny seufzte.

»Deine Schwester fährt dich nicht mal zum Bus?« Wie sollte ich es ihr nur erklären? Rahel war noch immer sauer, dass ich mir erst eine Wohnung gesucht hatte und nun ganz wegzog. Wenn es nach ihr ginge, würde ich noch immer in ihrem Gästezimmer wohnen.

»Sie wollte es machen, aber ich habe abgelehnt. Im Moment ertrage ich keinen von ihnen. Mia und Rahel waren vorhin noch hier und haben versucht, mich zum Bleiben zu überreden. Ich soll mir hier einen neuen Job suchen, die Schule nachholen, Zeit mit ihnen und Mias Kindern verbringen …« Ich brach mitten im Satz ab. Aber Conny verstand mich auch so.

»Der Abstand wird euch guttun und ihr könnt ja telefonieren oder schreiben.« Das würden wir sicher tun, wenn ich erst mal in Nevada angekommen war und mich eingelebt hatte. Wir verabschiedeten uns und ich legte auf. Nur noch zwölf Stunden, bis ich in ein ganz neues Leben starten konnte. Zum vierten Mal innerhalb des letzten Jahres. Aber vielleicht würde ich dieses Mal endlich das Gefühl kennenlernen, ein echtes Zuhause zu finden. Bisher hatte ich das nur bei Zac erlebt und der war momentan wie vom Erdboden verschwunden. Er fehlte mir so sehr. Und genau das war es, was meine Schwester nicht verstand. Dabei würde sie ohne ihren Blue auch verzweifeln. Aber für den ganzen Devil Agents M.C. galt Zac als Verräter. Niemand außer mir und seinen Eltern glaubte an seine Unschuld. Doch ich würde ihn finden und dann allen beweisen, dass sie den Falschen beschuldigt hatten.

Mit diesen Gedanken und einem T-Shirt von Zac legte ich mich ins Bett. Nach vier Monaten war sein Geruch längst verflogen, trotzdem konnte ich ohne dieses Shirt nicht einschlafen. Jede Nacht nahm ich es mit ins Bett, um wenigstens etwas von ihm bei mir zu haben.

Zac

Der Schweiß lief mir in Strömen über das Gesicht. Ich war diese verdammte Hitze Nevadas ja faktisch gewohnt. Allerdings wäre ich freiwillig nie auf die Idee gekommen, in der Mittagszeit derart schwer körperlich zu arbeiten. Aber was tat man nicht alles, wenn mit Tasern und Pistolen bewaffnete Männer einen dazu zwangen?

»Keine Müdigkeit vorschützen. Wir haben einen Termin einzuhalten.« Der Typ, der heute die Aufsicht führte, richtete seinen Taser demonstrativ auf mich. Ich unterdrückte einen Fluch und tat, was er von mir erwartete. Der Lkw stand bereit und wir mussten die Paletten packen, die geladen werden sollten. Seit Stunden schufteten wir hier ohne Pause und ein Ende war nicht in Sicht. An manchen Tagen arbeiteten wir von Sonnenaufgang bis –untergang.

Immerhin hatten sie uns erlaubt, etwas zu trinken, anfangs war das nicht so und ein Typ deswegen zusammengebrochen. Keine Ahnung, ob er gestorben war oder ob sie ihn nur weggebracht hatten, jedenfalls war er seitdem nicht mehr aufgetaucht und wir bekamen Wasser. Deshalb nahm ich jetzt schnell einen Schluck aus der Flasche und machte dann weiter. Alles in Handarbeit, egal wie schwer die Teile waren. Den einzigen Gabelstapler hier nahmen sie erst in Betrieb, wenn die Paletten gepackt und in Folie gewickelt waren und auf den Laster geladen werden konnten. Bis dahin hieß es schuften. Wahrscheinlich waren wir billiger als der Gabelstapler, da wir nur ein bisschen Essen und Wasser bekamen.

Heute verluden wir Motorradteile und die waren teilweise verflucht schwer. Wenn dieses verdammte Lagerhaus wenigstens eine Klimaanlage hätte, aber diesen Luxus gönnten sie uns nicht. Neben mir waren noch weitere Männer hier, die genauso schuften mussten wie ich. Mit dreien von ihnen wohnte ich zudem in einer der Baracken seitlich des Lagerhauses. Unser Gefängnis oder unsere ganz persönliche Hölle, wie man es sah.

Dazu gab es hier den Schichtaufseher, der gern mit seinem Taser spielte, um seine Macht zu demonstrieren, und noch zwei weitere bewaffnete Männer, die uns einerseits bewachten und gleichzeitig ein paar andere Arbeiten erledigten. Wie hatte ich nur hierher geraten können? Und wo waren die Leute meines M.C.? Suchten sie nicht nach mir? Inzwischen hatte ich jedes Zeitgefühl verloren und wusste überhaupt nicht mehr, wie lange ich schon hier war. Es mussten Monate sein, vermisste mich denn niemand? Zumindest Jenny. Doch ich verdrängte den Gedanken an sie schnell wieder, weil er zu sehr schmerzte. Vielleicht hatte sie bereits einen anderen.

»Feierabend! Ab in die Baracken.« Wahrscheinlich sollte dieser Ruf eine Erlösung für mich sein, aber so wirklich gut fühlte ich mich jetzt auch nicht. Ja, die Schufterei hatte für heute ein Ende. Doch dafür hatte ich nun viel zu viel Zeit zum Nachdenken und die anderen, mich zu drangsalieren.

Während ich als erster unter die Dusche sprang, wenigstens diesen Luxus gönnten sie uns und heute durfte ich anfangen, wanderten meine Gedanken wie von selbst zu Jenny. Wie es ihr wohl ging? Vermisste sie mich oder hatte sie sich ein neues Leben aufgebaut, ohne mich? Wir waren noch nicht so lange zusammen gewesen, als die Arschlöcher mich geschnappt hatten. Konnte ich da erwarten, dass sie auf mich wartete oder gar nach mir suchte? Wahrscheinlich nicht.

»Mach hin, ich will auch endlich duschen.« Es hämmerte gegen die Badezimmertür. Wir waren zu viert in diesem Haus eingesperrt und mussten uns irgendwie arrangieren. Das war fast das Schwerste. Schlimmer als die Schufterei in der Lagerhalle. Es gab außer im Bad keinerlei Privatsphäre, keine Ablenkungen und nur wenig zu essen. Das führte dazu, dass wir ständig aneinandergerieten. Erst letzte Woche war es zu einer Prügelei gekommen, bei der ich mir wahrscheinlich die Nase gebrochen hatte. Natürlich interessierte es niemanden, mein Gesicht war jetzt noch grün und blau. Deshalb beeilte ich mich lieber, bevor die anderen sich gleich wieder zu dritt auf mich stürzen konnten. Als einziger Gemischtrassiger stand ich in der Hierarchie ganz unten. Für die anderen Typen war ich derjenige, an dem sie gern ihren Frust abließen. Meistens konnte ich mich zwar wehren, da ich groß und kräftig war, aber bei drei gegen einen zog ich doch den Kürzeren.

Nachdem ich in meine Klamotten geschlüpft war, verließ ich das Bad und machte Platz für Jacob, dem selbsternannten Anführer meiner drei Mitbewohner. Er versuchte mal wieder, mir ein Bein zu stellen, aber so dämlich war ich nicht, darüber zu stolpern. Das hatte er einmal geschafft und nun nicht mehr. Die anderen beiden, Michael und Matthew, lagen bereits auf ihren Kojen und taten, als würden sie schlafen. Dabei hatten wir heute seit dem Aufstehen nichts zu essen bekommen. Mein Magen grummelte furchtbar und ich atmete fast erleichtert auf, als sich die Tür öffnete und einer unserer Bewacher hereinkam.

»Zac, mitkommen. Du bist heute mit Küchendienst dran.« Die anderen lachten, da ich den dritten Tag in Folge dazu geholt wurde. Aber mir war es ganz recht. Wenn ich nämlich kochen sollte, konnte ich das Essen wenigstens vernünftig zubereiten, obwohl das mit den dürftigen Zutaten hier nicht immer so einfach war. Mein Essen konnte man immerhin verdauen und saß hinterher nicht die ganze Nacht auf dem Klo, wie nach Michaels neulich. Ich folgte dem Tasermann – seinen Namen wusste ich nicht und ich weigerte mich, ihn gedanklich mit Sir anzusprechen – hinüber in das größere Haus, in dem die Wachmänner lebten und es eine Küche gab. Wie immer verhielt ich mich ruhig und spielte den Unterwürfigen. Irgendwann würde die Wachsamkeit der Wachleute hoffentlich ein wenig nachlassen und dann würde ich meine Chance zur Flucht nutzen. Weg von hier und nach Jenny suchen. Das war mein Ziel und hinterher die Arschlöcher finden, die für all die Scheiße hier verantwortlich waren und, sie zur Strecke bringen.

Kapitel 2

 

Jenny

Als der Überlandbus aus der Wüste in die Stadt fuhr, klopfte mein Herz wie wild. Las Vegas war eine besondere Großstadt, wie ich inzwischen wusste. Solange ich in der Sekte festgesessen hatte, ahnte ich natürlich nichts davon. Überall gab es riesige Leuchtreklamen und die Touristen stürmten die Stadt täglich zu Tausenden, um ihr Glück im Spiel zu suchen oder zu heiraten. Beides hatte ich allerdings nicht vor, aber ich würde nicht in die Gegend der schicken Casinos und Hotels ziehen, sondern weiter draußen in eine Arbeitersiedlung. Da passte ich auch viel besser hin als auf den Strip.

Erleichtert atmete ich auf, als ich endlich den Bus verlassen konnte und Frank und Conny schon von Weitem sah. Die Luft war heiß und voller Abgase, trotzdem fühlte es sich an, wie nach Hause kommen. Dabei war es in Lakeside auch nicht besonders kalt gewesen. Es rührte mich, dass sie beide gekommen waren, um mich abzuholen.

»Jenny, da bist du endlich.« Ehe ich etwas erwidern konnte, zog Conny mich schon in ihre Arme. Noch vor ein paar Monaten wäre ich zurückgezuckt, weil ich so viel Körperkontakt nicht kannte, doch jetzt schmiegte ich mich an sie und genoss ihre Nähe. Seit Zac weg war, fehlte es mir, umarmt und gehalten zu werden. Ja, Rahel hatte es immer wieder versucht und auch Mia war gut zu mir gewesen, trotzdem konnte ich das nicht annehmen. Ich wollte Zac. Ich brauchte ihn und für sie galt er als Verräter und diese Vorverurteilung konnte ich ihnen nicht verzeihen.

Frank und Conny ließen mir gar keine Zeit, länger darüber nachzudenken, sondern fingen gleich an zu erzählen, nachdem Frank sich meinen Koffer geschnappt hatte.

»Du schläfst natürlich bei uns. Es ist zwar etwas eng mit den Kindern, aber wir kriegen das schon hin.« Die Kinder, an die hatte ich gar nicht mehr gedacht. Conny nahm immer wieder Pflegekinder auf, seit Zac erwachsen war und nicht mehr bei ihnen wohnte.

»Kenne ich sie?« Conny schüttelte den Kopf.

»Nein, leider nicht. Die Mädchen, die zu Weihnachten bei uns lebten, wohnen nun bei einer Tante. Aber wir haben ganz süße achtjährige Zwillinge. Maya und Aleyna. Die beiden müssen sich noch eingewöhnen, doch es wird langsam. Die erste Zeit standen sie unter Schock. Bei ihnen wird es wahrscheinlich keine Rückführung geben und wir hoffen sehr, dass sie bei uns bleiben dürfen, bis sie erwachsen sind und ihre eigenen Wege gehen können.« Ich nickte, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Irgendwie bewunderte ich Conny und Frank dafür, dass sie sich fremder Kinder so annahmen, aber ich wusste nicht, ob ich das könnte. Vor allem, wenn das Jugendamt immer ankommen und einem die Kleinen wieder wegnehmen könnte. Ein unerträglicher Gedanke. Meine Mutter hatte drei Kinder gehabt, mein Vater mehr als zwanzig, nur während sie alles tat, um uns zu beschützen, sah mein Erzeuger uns eher als Prestigeobjekte, Arbeitskräfte und Handelsgut.

Erst als wir im Auto saßen, schaffte ich es, die Frage zu stellen, die ich Conny täglich stellte: »Hast du etwas von Zac gehört?« Ihr Seufzen war Antwort genug. Drei verdammte Monate und noch immer kein Lebenszeichen.

»Er lebt, das spüre ich und er wird zu uns zurückkommen. Ich bete jeden Tag dafür.« Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande. Gott und Kirche waren ein schwieriges Thema für mich und wie immer, wenn es um solche Themen ging, hielt ich lieber den Mund, anstatt meine Meinung zu sagen. Nicht, dass ich es nicht inzwischen gelernt hätte, meinen Mund aufzumachen. Im Umfeld des M.C. lernte man das sehr schnell, da man sonst gnadenlos unterging, aber dort war niemand gläubig. Also konnte ich dieses Thema immer völlig ausklammern. Rahel hatte mit allem, was Gott betraf, endgültig abgeschlossen, doch ich war noch zwiegespalten.

So, wie es in der Sekte abgelaufen war, hatte Religion nichts mit Liebe oder Werten zu tun. Das war mir bewusst und ich hasste die Oberen dieses Scheißvereins dafür, was sie uns im Namen Gottes angetan hatten, doch Conny war ganz anders. Sie war der netteste und selbstloseste Mensch, den ich kannte und sehr gläubig. Wie sollte ich ihr denn sagen, dass ich die Kirche, Gott und alles, was damit zusammenhing, hasste?

Zum Glück blieb mir eine Antwort erspart, als wir in die Straße einbogen, in der das Haus stand, in dem sie lebten. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hing ein riesiger Weihnachtskranz an der Tür, obwohl die Vorweihnachtszeit gerade erst begonnen hatte. Nun war der fort. Genau wie Zac. Ob er wieder hier sein würde, wenn Frank das Haus im Winter erneut dekorierte? Ich hoffte es so sehr.

»Wir sind da. Willkommen zuhause, Jenny.« Zuhause. Wie das klang. Für mich gab es diesen Begriff eigentlich gar nicht. Die Sekte war nie eins gewesen, Zacs Zimmer im Clubhaus erst recht nicht und bei Rahel und Blue war ich auch nur Gast gewesen, selbst meine kleine Wohnung hatte sich nur nach einer Zwischenlösung angefühlt. Ob ich jemals ein echtes Zuhause haben würde? »Die Zwillinge teilen sich ein Zimmer, deshalb haben wir Zacs altes für dich fertig gemacht.«

»Danke«, antwortete ich automatisch. Und ich war ihnen ja auch wirklich dankbar, aber jetzt, wo ich hier war, fühlte es sich falsch an. Ich bekam sein Zimmer, die Aufmerksamkeit seiner Eltern. Das alles stand ihm zu und nicht mir. Mühsam kämpfte ich gegen die Tränen und die Erinnerungen daran, wie er mich gerettet und hierhergebracht hatte.

Conny führte mich die Treppe hinauf, an der jetzt keine Girlande befestigt war, und zeigte mir das Zimmer, in dem ich nun wohnen sollte.

»Es ist etwas schlicht gehalten. Nachdem Zac ausgezogen ist, haben wir es für Pflegekinder genutzt. Aber du kannst alles verändern und einrichten, wie du möchtest, Jenny. Du sollst dich ganz wie zuhause fühlen.« Sie lächelte mir zu und ich erwiderte es automatisch, obwohl mir eher zum Heulen war. Doch zum Glück schien sie es nicht zu bemerken, denn sie fuhr unbeirrt fort. »Das Badezimmer ist gegenüber. Leider musst du es dir mit den Mädchen teilen. Hier im Haus hat nicht jedes Zimmer ein eigenes Bad.« Das störte mich nun am wenigsten, bisher hatte ich auch keins für mich allein.

»Danke, ich bin wirklich froh, dass ich jetzt hier sein darf.« Froh war eigentlich nicht das richtige Wort, aber egal. Es war auf jeden Fall besser, weit weg von Lakeside zu sein. Die Zeit dort hatte Rahel und mir zwar gutgetan und ich wusste nun auch, was ich tun wollte, trotzdem war es halt der Ort, an dem Zac verschwunden war und den ich deshalb meiden wollte.

»Gut, ich gehe jetzt runter und bereite das Essen vor. Die Zwillinge kommen bald aus der Schule. Mach dich frisch oder leg dich hin, wie du möchtest oder richte dich ein. Wenn du so weit bist, komm einfach runter. Ich möchte, dass du dich hier wie zuhause fühlst.« Das hatte sie zwar bereits gesagt, aber ich nickte und bedankte mich ein weiteres Mal bei ihr. Über Telefon war es leichter gewesen, mit ihr zu sprechen. Jetzt gerade fühlte ich mich etwas überfordert und immer noch fehl am Platz. Ob ich wohl jemals das Gefühl bekommen würde, irgendwo dazuzugehören? Um nicht zu heulen, begann ich, meine Tasche auszupacken. Meine wenigen Sachen waren schnell verstaut. Danach ging ich ins Badezimmer, um zu duschen. Der Bus war zwar klimatisiert gewesen, trotzdem wollte ich den Dreck der Reise abspülen. Außerdem liebte ich es, jederzeit duschen zu dürfen. Ein Luxus, den wir in der Sekte nie gehabt hatten, denn Wasser war in der Wüste ein kostbares Gut. Nachdem ich sauber und frisch angezogen war, holte ich mein Handy heraus, das Zac mir vor der Reise nach Kalifornien geschenkt hatte, und öffnete die Fotogalerie. Zac mit seinem Motorrad, Zac mit einem Klubkameraden aus dem Devil Agents M.C. und mein liebstes Bild, Zac und ich am Strand. Wir hatten auf dem Weg zu meiner Schwester eine Rast am Ozean gemacht, weil ich den vorher noch nie gesehen hatte, und dort hatten wir dieses Selfie aufgenommen. Wir beide am Strand, die Füße in der Brandung und hinter uns das unendliche Meer. Wir strahlten beide in die Kamera. Nun kamen mir doch die Tränen und ich versuchte gar nicht mehr, sie zurückzuhalten. Wir waren so verschieden, er etwas dunkelhäutiger mit schwarzen Haaren, ich hell und blond, dazu viel kleiner und schmaler als er, und trotzdem sahen wir auf dem Bild aus, als könnte uns nichts trennen.

»Ich werde dich finden und allen beweisen, dass du kein Verräter bist«, flüsterte ich und berührte mit den Fingern das Display. Ich musste ihn einfach zurückbekommen.

Zac

Ein Tag verging wie der andere. Morgens früh aufstehen, ekligen Brei zum Frühstück und dann Waren packen bis zum späten Nachmittag. Inzwischen hatte ich jedes Zeitgefühl verloren. Da es in der Wüste keine wirklichen Jahreszeiten gab, konnte ich nicht sagen, wie die Zeit verging. Vielleicht hätte ich es mir irgendwo notieren sollen, aber ändern würde es auch nichts.

»Zac, beweg deinen Arsch, die Paletten packen sich nicht von allein«, brüllte einer der Aufseher. »Träumen kannst du heute Nacht.« Es brachte nichts, wenn ich ihm widersprochen hätte, außer Schmerzen. Also beeilte ich mich, die Kartons mit Handys nach Lieferschein in die größeren Kisten zu verpacken. Wenigstens waren die Dinger nicht so schwer wie andere Waren, die wir oft verladen mussten.

»Ja«, antwortete ich und packte weiter. Immer zehn Mobiltelefone in eine Kiste, zukleben und zehn Kartons in einen noch größeren Karton. Als Mitglied des Devil Agents M.C. hatte ich schon oft geklaute Handys transportiert und der Club hatte auch damit gehandelt, aber das waren ganz andere Mengen gewesen als hier. Hier wurden komplette Lastwagen voll davon täglich angeliefert und wir mussten sie neu verpacken, bevor sie wieder abgeholt wurden. Manchmal dachte ich darüber nach, einfach eins verschwinden zu lassen, nur was sollte es mir ohne Sim-Karte nutzen? Fast noch öfter dachte ich daran, wie ich mich auf einem der Laster verstecken könnte. Realistisch gesehen wäre das die beste Fluchtmöglichkeit. Leider achteten unsere Aufseher immer sehr genau darauf, dass sich keiner von uns bei der Abfahrt auch nur in der Nähe der Fahrzeuge aufhielt.

»Fertig«, verkündete ich laut, als ich den letzten Karton auf der Palette hatte. Der Aufseher gab mir ein Zeichen, mich an die Wand zu stellen, und überprüfte die Ladung, bevor er nickte.

»Okay, Trinkpause. In fünf Minuten geht es weiter.« Erleichtert schnappte ich mir meine Wasserflasche, auch wenn die Plörre darin inzwischen bereits lauwarm war, und wollte mich gerade auf den Boden sinken lassen, als eine Staubwolke am Horizont meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Lieferungen waren für heute eigentlich keine mehr angekündigt, aber da näherte sich eindeutig ein LKW und wirbelte jede Menge Staub auf. Eine asphaltierte Straße gab es nicht, nur ein besserer Feldweg führte durch die Wüste. Dadurch verursachte jedes Fahrzeug eine Staubwolke und kündigte alle Besucher frühzeitig an. Auch der Wächter bemerkte es und sah genauso überrascht aus wie ich.

»Alles abbrechen und in die Quartiere – sofort«, wies er an und hob den Taser, damit keiner von uns auf dumme Gedanken kam. Was hatte das nur zu bedeuten? Absichtlich trödelte ich etwas herum, so dass ich der Letzte war und den Lastwagen anhalten sehen konnte. Sofort sprangen zwei Männer von der Ladefläche und einer stieg aus dem Fahrerhaus. Mir stockte der Atem. Einer der Männer war Kirk, ein ehemaliges Mitglied meines Clubs. Das Arschloch war an dem Versuch beteiligt gewesen, unseren Präsidenten zu stürzen. Als er mich sah, grinste er fies.

»Zac, du alte Lusche. Du lebst noch? Wie schade. Sind wohl zu nett zu dir.« Er lachte hämisch und mir wurde übel. Das Arschloch wusste also die ganze Zeit, wo ich war. Am liebsten hätte ich ihm etwas an den Kopf geworfen, doch er holte seine Pistole aus der Tasche und richtete sie auf mich. Wollte er es hier und jetzt beenden? Mich feige abknallen, während ich unbewaffnet war?

Vielleicht hätte er es sogar getan, wenn sich nicht in diesem Moment ein Körper durch ein Loch der Plane kämpfen würde. Nun war ich vergessen und er richtete seine Waffe auf die junge Frau, die zu fliehen versuchte.

»Bleib sofort stehen, sonst knall ich nicht nur dich ab, sondern auch alle anderen auf dem Laster, die sich bewegen.« Um seine Worte zu bekräftigen, schoss er einige Meter vor ihr in den Sand. Die Kleine, sie konnte höchstens fünfzehn sein, schrie auf und blieb wie angewurzelt stehen.

»Hol sie und bring sie zu mir«, forderte er mich auf, während er sich dem Typen zuwandte, der den Wagen gefahren hatte. »Du Idiot, was machst du so lange? Kontrollier sofort die Ladung.« Langsam ging ich auf das zitternde Mädchen zu, um sie nicht noch mehr zu erschrecken, währenddessen beeilte der Fahrer sich, die Plane zu öffnen und hochzuschlagen. Mehr konnte ich nicht erkennen, da ich inzwischen seitlich des Lasters war. Das Mädchen zitterte und eine Träne rollte über ihr Gesicht. Am liebsten hätte ich sie getröstet und ihr gesagt, dass ich auf sie aufpassen würde, aber leider konnte ich das nicht. Ich hatte keine Chance, ihr und den anderen zu helfen.

»Komm«, sagte ich leise und streckte meine Hand nach ihrer aus. Sie zuckte zurück, als hätte ich sie geschlagen. Was hatten die Mistkerle ihr nur angetan? Aber so genau wollte ich das gar nicht wissen. Wer Menschen wie Vieh auf Lastern transportierte, behandelte sie auch sonst nicht gut. Ich sah das im Lager nur zu gut, hier waren zwar nur Männer, die bis zur Erschöpfung arbeiten mussten, aber den Frauen und Mädchen erging es sicher nicht viel besser. Wahrscheinlich mussten sie entweder auf Feldern schuften oder wurden an perverse Arschlöcher verkauft.

»Zac, mach hin oder ich knalle euch beide ab!« Kirk schien sich in seiner Rolle als Wächter echt gut zu fühlen. Früher im M.C. war er ein kleines Licht, immer groß mit der Klappe, brachte allerdings nicht viel zustande. Vermutlich würde er auch jetzt ohne seine Knarre ganz schnell den Schwanz einziehen. Leider war er aber bewaffnet und ich nicht und nun kamen unsere Aufseher noch dazu, die die anderen wahrscheinlich inzwischen in die Hütten gesperrt hatten.

»Komm, wir stecken sonst gleich beide in großen Schwierigkeiten«, forderte ich das Mädchen auf und griff entschieden nach ihrer Hand. »Ich gehöre nicht zu denen. Bin selbst Gefangener, ich habe keine andere Wahl.« Ihr war das vermutlich völlig egal, aber ich wollte nicht, dass sie mich gedanklich mit den Arschlöchern in einen Topf steckte. Sie warf mir einen verzweifelten Blick zu, ließ sich dann allerdings widerstandslos von mir zu Kirk bringen, der inzwischen das Absteigen der übrigen Gefangenen beobachtete. Es waren alles noch Kinder, meist Teenager. Ein paar Jungs, hauptsächlich aber Mädchen.

»Was sollen die hier?«, fragte einer unserer Wächter genervt. Er war derjenige, der für die Beladung der Lastwagen zuständig war. »Wir haben unsere Aufträge abzuarbeiten und keine Zeit, einen Kindergarten zu bewachen. Das war so nicht abgesprochen.«

»Och, ich wüsste schon, was ich mit ein paar von denen gern machen würde«, mischte sich ein anderer von den Scheißkerlen ein. Sein Blick wanderte gierig über die Körper zweier Mädchen, die höchstens sechs oder sieben Jahre alt sein konnten. Augenblicklich wurde mir übel. Das waren Kinder und dieses Arschloch sollte sie nicht so ansehen. Ohne dass es mir wirklich bewusst wurde, ballte ich meine Fäuste und ging einige Schritte auf ihn zu. Bis ich plötzlich eine Waffe an der Schläfe spürte.

»Lass es, du kannst hier nicht den Helden in glänzender Rüstung spielen.« Kirk lachte wieder hämisch und ich wusste, dass ich verloren hatte. Ich konnte nichts tun, um diese Scheißkerle zu stoppen und die Kinder zu retten.

»Was macht der überhaupt hier?«, fragte eine der Wachen. Doch Kirk winkte ab.

»Ich will noch etwas Spaß haben, bevor wir weiterfahren. Lasst ihn hier. Ich weiß, was für eine gutherzige Lusche er ist. Es wird ihn innerlich zerfressen, nichts tun zu können.« Leider traf er damit ins Schwarze. Ich war kein friedlicher Mensch, meine Fäuste flogen schnell, doch nicht gegen Frauen und Kinder. Am liebsten hätte ich dem Arsch eigenhändig den Hals umgedreht und ich schwor mir, das zu tun, sollte ich jemals die Chance dazu bekommen. Völlig egal, ob ich selbst dabei sterben würde. Diese Leute mussten aufgehalten werden.

Kapitel 3

Jenny

Maya und ich saßen am Küchentisch und machten unter Connys Aufsicht unsere Aufgaben. Aleyna hatte ihre bereits erledigt und las im Wohnzimmer. Inzwischen war ich schon fast zwei Monate in Las Vegas.

»Ich kann das nicht«, jammerte Maya und schob ihr Heft von sich. »Mathe ist so doof.« Conny lachte.

»Nein. Guck mal, wenn du zehn Bonbons hast.« Conny holte wirklich einige Kaubonbons aus einem Glas. »Die sollst du zwischen Jenny, mir und dir aufteilen. Wie viele kriegt dann jeder und wie viele bleiben übrig?«

»Ihr kriegt keine, ich esse einfach alle auf, oder gebe nur Aleyna welche ab, ihr mögt die ja gar nicht.« Nun mussten wir alle lachen. Aber dann wurde Conny wieder ernst.

»Also zehn durch drei ist? Wie viele bekommt jeder, damit keiner mehr hat?«

»Drei!« Mayas Gesicht erhellte sich.

»Genau und wie viele bleiben übrig?«

»Eins.« Nun wanderte der Blick der Kleinen gierig zu den Bonbons.

»Gut und wenn du die zehn nur für dich hast? Also zehn durch eins?«

»Dann kriege ich alle zehn, das ist leicht.« Sie leckte sich die Lippen.

»Dann schreib die Ergebnisse mal auf.« Conny zeigte auf das Heft der Kleinen.

»Was? Ohh. Danke, Conny. Jetzt habe ich es verstanden.« Eifrig schrieb sie nun die Lösungen auf. »Fertig!«, verkündete sie dann und klappte das Heft zu.

»Nimm die zehn Bonbons und teil sie mit deiner Schwester. Die habt ihr euch jetzt verdient.«

»Danke, Conny, du bist die Beste.« Das ließ die Kleine sich nicht zweimal sagen. Sie steckte das Heft in ihre Schultasche, stellte die zur Seite und griff nach den Süßigkeiten. Lächelnd sah Conny ihr hinterher.

»Langsam tauen sie wirklich auf.« Ich nickte und beneidete die beiden Mädchen ein wenig, dass sie so früh hier gelandet waren. Obwohl ich mich natürlich auch nicht beschweren durfte. Für mich tat sie ja ebenfalls alles, damit ich mich hier einlebte. Es war nicht ihre Schuld, dass ich größere Probleme hatte, mich hier zurechtzufinden. Las Vegas war eine riesige Stadt und dieses Viertel nicht gerade sicher. Deshalb sah Frank es nicht gern, wenn ich allein hinausging. Vor allem nicht nach Sonnenuntergang. Aber ich musste doch irgendetwas tun, um eine Spur von Zac zu finden. Das hiesige Chapter vom M.C. war mir auch keine Hilfe. Zwar waren sie, im Gegensatz zu den Leuten aus Lakeside, nicht alle von seiner Schuld überzeugt, aber der Club hatte so einige Probleme, um die sie sich kümmern mussten. Die Suche nach Zac hatte daher nur eine untergeordnete Priorität für sie.

»Wie kommst du voran?«, fragte Conny mich nun. Ich zuckte mit den Schultern.

»Mein Kopf ist so voll, da fällt mir das Lernen schwer. Vielleicht sollte ich den Kurs doch später machen.« Damit war Conny überhaupt nicht einverstanden.

»Jenny, ich weiß, du bist erwachsen und ich habe dir nichts zu sagen, aber du solltest dich wirklich um deine Ausbildung kümmern. In eurer Sekte habt ihr leider viel zu viel versäumt und deshalb unterstützt der Verein jetzt alle Mädchen, damit sie kostenlos zur Abendschule gehen können. Nur wenn du das jetzt hinwirfst, dann zahlen sie nicht mehr und du musst das später selbst tragen.« Conny war zwar eines der Gründungsmitglieder des Vereins, aber der verfügte halt nicht über unendlich viele Ressourcen, deshalb gab es klare Regeln, was sie bezahlten und was nicht. Ich verstand das ja auch, doch eigentlich war ich nun einmal nach Vegas gekommen, um nach Zac zu suchen und seine Unschuld zu beweisen oder wenigstens im Haus mit den Mädchen aus meiner Gemeinde zu arbeiten. Stattdessen wohnte ich nun bei Conny, Frank und den Kindern und ging jeden Tag zur Abendschule, um meinen Highschoolabschluss zu machen. Das Lernen fiel mir teilweise wirklich schwer. Da ich nie gelernt hatte, zu lernen, wie meine eine Lehrerin immer sagte, aber sie ermunterte mich stets, nicht aufzugeben. Noch schwerer fiel es mir allerdings, abzuwarten und nichts tun zu können.

»Kann ich morgen mit ins Haus? Und wenn ich bloß putze, etwas mit den Mädchen koche oder so.« Conny seufzte, nickte dann aber.

»Okay, allerdings nur, solange es dir nicht zu viel wird. Sag Bescheid, falls es dazu kommt. Ich mache mir echt Sorgen, weil einige der Mädchen wirklich schlimme Sachen erlebt haben. Ich möchte nicht, dass du retraumatisiert wirst.« Wovon zum Teufel sprach sie da? Ich war nicht traumatisiert. Ja, ich wusste, wie in der Sekte mit Frauen umgegangen wurde. Sie waren dort Menschen zweiter Klasse, besaßen keine Rechte und wurden oft auch geschlagen oder verschwanden halt ganz. Wussten die Mädchen mehr darüber? Was war mit all den verschwundenen Jungen und Mädchen passiert? Vielleicht bekam ich wenigstens darauf Antworten, wenn auch nicht die, wo Zac sich aufhielt. Diese Untätigkeit machte mich wahnsinnig.

»Ich muss einfach etwas tun. Mich traumatisiert es höchstens, wenn ich so nutzlos herumsitze.« Conny schüttelte den Kopf.

»Bildung ist niemals nutzlos, Jenny. Aber ich verstehe dich auch. Also treffen wir eine Abmachung, du darfst täglich eine Stunde mit ins Haus, in dem einige der Frauen mit ihren Kindern leben, die sich schon etwas eingefunden haben. Dort kannst du bei der Kinderbetreuung oder im Haushalt helfen, wie du möchtest.« Das war zwar nicht das, was ich eigentlich wollte, aber ein Anfang. Am liebsten wäre ich selbst mit zum Gelände der Gemeinde gefahren, um den Frauen und Kindern meine Hilfe anzubieten, um von dort wegzukommen. Doch ich sah ein, dass ich dafür nicht qualifiziert war.

»Okay, das mache ich. Wann geht es los?« Conny seufzte wieder, sah dann aber auf ihre Uhr.

»Ich fahre in einer halben Stunde hin, wenn Frank bis dahin von der Arbeit zurück ist. Du kannst mitfahren. Mit dem Bus kommt man da nicht hin und einen Führerschein hast du ja noch nicht. Das müssen wir auch unbedingt in Angriff nehmen. Vielleicht kann Frank dir Fahrstunden geben, meine Nerven sind dafür nicht stark genug.«

»Einen Lernführerschein habe ich bereits. Ab und zu sind Blue oder Mia mit mir in Lakeside gefahren.« Noch fühlte ich mich aber sehr unsicher beim Fahren. Vor allem mit dem großen SUV, den Mia von Sam bekommen hatte. Dieses Auto war so verdammt groß und unübersichtlich. Conny nickte.

»Das ist gut. Dann müssen wir nur sehen, wie wir einen Wagen für dich finanziert bekommen.« Augenblicklich überkam mich das schlechte Gewissen. Frank und Conny waren nicht reich und all ihr Geld steckten sie in die Kinder, mich und den Verein, um anderen zu helfen. Irgendwie musste ich mir einen Job suchen. Inzwischen besaß ich wenigstens Papiere, so dass das einfacher werden würde. In einer Stadt wie Las Vegas, die von Touristen lebte, musste es doch Arbeit für mich geben. Ich würde alles tun, um Conny nicht länger auf der Tasche zu liegen. Warum hatte ich eigentlich nicht eher daran gedacht? Viele meiner Schulkameraden an der Abendschule arbeiteten und einige hatten zudem noch eigene Kinder. Da musste ich das auch hinbekommen und trotzdem Zeit finden, eine Stunde täglich helfen zu können. Am Wochenende hatte ich eigentlich nichts zu tun.

Zac

In der nächsten Zeit gab es immer wieder Tage, an denen wir Männer alle in eine Hütte gesperrt wurden. Dafür kamen dann wieder Lastwagen mit jungen Frauen und Kindern, die für einige Stunden in der anderen eingesperrt wurden, bevor sie wieder auf die Laster steigen mussten. Leider bekam ich keine Gelegenheit mehr, das Ganze näher zu betrachten. Wobei ich sowieso nicht viel hätte tun können.

Mehrfach hatte ich inzwischen versucht, mit den anderen Männern darüber zu sprechen, dass wir in der Überzahl waren und uns nur zusammentun mussten, um unseren Wärtern zu entgehen. Doch die anderen waren zu feige. Der letzte Versuch hatte mir eine Rippenprellung, wenn nicht sogar einen Bruch eingebracht. Statt sich den Arschlöchern in den Weg zu stellen, verprügelten die Kerle lieber mich.

Heute war wieder so ein Tag, an dem ungeplant ein Laster in unser Lager fuhr. Erneut stieg Kirk aus. Er war nicht bei jeder Tour dabei, aber doch bei einigen. Dieses Mal sah er allerdings gar nicht gesund aus. Er hielt zwar mit einer Hand seine Waffe, die andere presste er jedoch auf seinen Bauch. Sein Shirt schien nass zu sein. War er vielleicht verletzt? Doch ehe ich das noch weiter beobachten konnte, schrie der Fahrer schon herum.

»Alle Männer dort an der Halle aufstellen. Gesicht zur Wand, Hände oberhalb des Kopfes gegen die Mauer und wehe, ich sehe eine Hand nicht, dann knalle ich euch ab.« Er sah absolut gehetzt aus und natürlich taten wir, was er befahl. Auch ich, denn lebensmüde war ich nun nicht. Trotzdem blieb ich überaus wachsam. Irgendetwas musste schiefgegangen sein und wenn sich dadurch für mich eine Chance zur Flucht ergeben würde, musste ich sie nutzen. Egal wie.

»Zac, komm her«, rief Kirk auf einmal nach mir. Was sollte das denn jetzt? Aber was blieb mir anderes übrig, als zu folgen? Doch ich weigerte mich, ihn zu fragen, was er von mir wollte. Als ich näher bei ihm war, erkannte ich, wie blass er war. Er zitterte und Schweiß rann ihm übers Gesicht. »Bring zusammen mit Don die Mädchen in die Hütte und keine Fluchtversuche, sonst knalle ich dich eigenhändig ab.« So wie er bibberte, glaubte ich zwar nicht, dass er dazu in der Lage war, aber dieser Don konnte es sicher. Immerhin wusste ich nun einen weiteren Namen. Keine Ahnung, ob ich jemals etwas mit meinen Informationen anfangen könnte, doch jedes Fitzelchen, das ich erfuhr, konnte ich vielleicht irgendwann gegen sie einsetzen.

»Du öffnest die Klappe«, wies Don mich an. Dieses Mal hatten sie einen anderen Laster und der war komplett geschlossen und hatte keine Plane. Während Don seine Waffe auf mich richtete, bediente ich die Knöpfe am LKW. Eigentlich rechnete ich damit, nun Geräusche aus dem Inneren zu hören. Gemurmel, Schreie, irgendetwas. Doch alles blieb stumm. Was hatte das zu bedeuten? Dort sollten Menschen drin sein. Eben hatte er noch von Mädchen gesprochen.

Als die Klappe unten war, schlug mir die abgestandene, heiße Luft entgegen. In der Wüste war es selten kühl, aber diese Luft war noch um einiges heißer und sie stank furchtbar. Unwillkürlich riss ich mein Shirt hoch und hielt es mir vor Nase und Mund. Es roch einfach schrecklich, nach Urin und von dem ich gar nicht wissen wollte, was es war. Mir wurde kotzübel und ich musste einige Schritte zurückweichen. Verdammt, wie lange hatten sie die Leute denn in diesem Kasten durch die Gegend gefahren? Noch immer bewegte sich nichts im Wagen. »Fuck!«, fluchte Don. »Wir können doch nicht die ganze Ladung verloren haben. Der Boss wird ausflippen. Geh hoch und guck, ob noch etwas lebt.« Ladung? Etwas? Auf diesem Laster waren Menschen. Wie konnte er nur so über sie reden? »Nun mach schon!«, schrie er mich an und richtete seine Waffe auf meine Stirn. Mit einem verdammt miesen Gefühl erklomm ich die Laderampe. Was sollte ich auch sonst tun? Ich hatte bereits früher Tote gesehen, aber dieser Anblick und diese Gerüche brannten sich für immer in mein Gedächtnis ein. Rechts und links an den Seitenwänden des Lasters waren einfache Holzbänke angebracht. Darauf und halb dahinter hingen nun die leblosen Körper von Frauen und Kindern, es mussten mindestens zwanzig sein. Es war still, totenstill, als ich stehen blieb. Hier lebte niemand mehr. Kein Atmen, kein Weinen.

---ENDE DER LESEPROBE---