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Wenn du vergnügt sein willst, umgib dich mit Freunden, wenn du glücklich sein willst, umgib dich mit Blumen. Rosen, ihr blendenden, Balsam versendenden! Flatternde, schwebende, Heimlich belebende, Zweiglein beflügelte, Knospen entsiegelnde, Eilet zu blühn. Johann Wolfgang von Goethe
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Seitenzahl: 208
Blumenzauber
Eine Lese-Verführung
FISCHER E-Books
Herausgegeben von Julia Gommel-Baharov
Rainer Maria Rilke
Und glaubst du gleich den Worten nicht,
die ich dir hoffend schrieb –
die Sprache, die die Blume spricht,
verstehst du doch, mein Lieb.
WENN dein Fuß dort fürder schreitet,
wo die Fluren üppig stehn –
glaub mir, jede Blume deutet
viel dir – kannst du sie verstehn.
Wenn ein Hauch von zarten Winden
leise lispelt durch die Flur –
horche, was sie dir verkünden
all die Kinder der Natur: –
Mögen mich auch alle hassen,
leis wend ich mein Haupt zu dir.
Sieh, ich fühl mich so verlassen,
komm, Geliebte, komm zu mir.
Leuchten droben dort die Sterne,
öffne ich mein Blütenkleid.
Ja, mein Freund, ich komme gerne,
nur bestimme du die Zeit.
Schaffe dir, vernimm die Lehre, –
strebend deinen eignen Herd.
Diesem Wirken ziemet Ehre,
Häuslichkeit giebt hohen Wert.
Freund, bei jedem deiner Werke,
daß dein Arm dir nie erschlafft,
traue auf die eigne Stärke,
traue auf die eigne Kraft.
Unheil droht dir unabwendig:
Rose glänzt zwar, doch sie sticht.
Ich nur bleibe stets beständig,
glaube mir, verkenn mich nicht.
Sagt dir nicht ein tief Verlangen,
siehst du mich im weiten Feld
stolz vor allen andern prangen:
Mutigen gehört die Welt!?
Hat auch mancher Blitz getroffen, –
alle Blitze töten nicht.
Immer giebt ein neues Hoffen
neue frohe Zuversicht.
Nie sprachst du ein Wort von Milde,
das so wohl dem Ohre schallt.
Scheinst gleich einem Marmorbilde
stolz und schön, doch rauh und – kalt.
Wag es nimmer mich zu brechen,
bald schon hättest du’s bereut –
denn, mein Freund, ich müßte stechen,
tät es mir auch noch so leid.
Überlege, überlege
jeden Umstand vor der Tat
und erwäge, Freund, erwäge
sogleich jeden guten Rat.
Scheint die Sonne kalt und trüber –
in die Zukunft wend den Blick.
Sieh! der Winter geht vorüber
und der Frühling kehrt zurück!
Gestern hast du mir versprochen
Lieb und Treu zu jeder Frist.
Heute schon dein Wort gebrochen; –
wie veränderlich du bist!
Tief hat mich dein Spott getroffen,
den ich bitter gar empfand –
dennoch biet ich frei und offen
zur Versöhnung dir die Hand.
Nimmer will ich höher streben,
denn ich lieb mein schlichtes Kleid.
Glaub, das höchste Glück im Leben
liegt in der Zufriedenheit.
Täusche, Falscher, nicht mein Hoffen,
wie das Herz, mit dem du spielst!
O! so sag mir frei und offen
was du denkst und was du fühlst.
Aufwärts streb ich zu der Höhe,
auf – zu deinem Fenster sacht …
Lang schon such ich deine Nähe,
die mich, ach! so glücklich macht.
Nur drei Worte sind vonnöten,
bergen Seligkeit in sich –
sieh mich zittern, mich erröten
und vernimm: Ich liebe dich! –
Herrschsucht macht die Liebe schwinden,
und mit ihr enteilt das Glück,
nie wirst du sie wiederfinden,
ganz kehrt nie sie mehr zurück.
Schlicht nur bist du stets gewesen,
unbedeutend oft und klein,
dennoch nimmt dein liebes Wesen
jeden, jeden für dich ein.
Trag ich doch an meinem Schmerze
wirklich schon genug und schwer;
laß mir Ruhe; – deine Scherze,
sie verwunden mich noch mehr.
Tief im Herzen zieht ein Weben
ach, so hold, so selig ein:
Dir gehört mein ganzes Leben,
dir gehört mein ganzes Sein.
Hast du herzlos auch getrieben
loses Spiel; mich oft betrübt, –
dennoch muß ich stets dich lieben –
wie ich immer – dich geliebt.
Nur der Schmeichler will dich schonen.
Wahrer Freund dir wahr stets spricht,
willst du’s dankend ihm entlohnen,
dein Vertraun entzieh ihm nicht.
Lohn wird dir zu allen Zeiten
ohne Müh und Arbeit nie.
Liebe mußt du auch erstreiten;
denn nur dann verdienst du sie.
Was ich kaum zu denken wagte,
meiner Träume holdes Bild,
– eh der junge Morgen tagte,
hat mein Glück sich schon erfüllt!
Nicht die Schönheit, nicht die Jugend
frommen wohl am meisten dir.
Nur Bescheidenheit und Tugend
sind des Weibes höchste Zier.
Wenig ists – was ich verkünde,
daß ich Herzen innig band.
Jenes Band, mit dem ich binde,
Freundschaft wirds allhier genannt.
Schließe stets dein Ohr und meide
die da schwatzen bös und schlecht.
Sei auf deiner Hut und scheide
streng den Irrtum von dem Recht.
Wie am Rosenblatt, dem süßen
saugt der Schmetterling – so lind,
so muß ich und müßt ichs büßen –
küssen dich, – du schönes Kind.
Wenn auch Wogen wild sich stauen,
vorwärts wende deinen Blick.
Dorten in der nebelgrauen
fernen Zukunft liegt dein Glück.
Löschen dieses Lebens Gluten,
ich bleib dennoch frisch und jung;
denn ich wahre allen Guten
süßes Glück: Erinnerung!
Ziehn auch Wolken schwer und trübe,
nie verliere, Freund, den Mut,
traue, glaube, hoffe, liebe …
alles wird einst wieder gut. –
Und die Blümlein alle sagen
dir so viel, vernimmst es du!
Lispeln in des Unglücks Tagen
süße Tröstung leis dir zu.
Glücklich jeder, dem sie’s künden,
geht er hin durchs weite Feld –
er allein wird stets empfinden
wahre Lust an dieser Welt.
Er traut auf die eigne Stärke,
auf die eigne Kraft wohl gern;
denn er sieht in jedem Werke
die allmächtge Hand des Herrn!
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
O wie ist es kalt geworden
Und so traurig, öd’ und leer!
Rauhe Winde weh’n von Norden
Und die Sonne scheint nicht mehr.
Auf die Berge möchte’ ich fliegen,
Möchte seh’n ein grünes Thal,
Möcht’ in Gras und Blumen liegen
Und mich freu’n am Sonnenstrahl;
Möchte hören die Schalmeien
Und der Heerden Glockenklang,
Möchte freuen mich im Freien
An der Vögel süßem Sang.
Schöner Frühling, komm doch wieder,
Lieber Frühling, komm doch bald,
Bring’ uns Blumen, Laub und Lieder,
Schmücke wieder Feld und Wald!
Ja, du bist uns treu geblieben,
Kommst nun bald in Pracht und Glanz,
Bringst nun bald all deinen Lieben
Sang und Freude, Spiel und Tanz.
E.T. A. Hoffmann
(Der schöne Stechapfel)
Das Glashaus des Professors Ignaz Helms. Der junge Student Eugenius. Gretchen und die alte Professorin. Kampf und Entschluß.
In dem Glashause des Professors Ignaz Helms stand der junge Student Eugenius und betrachtete die schönen hochroten Blüten, die die königliche Amaryllis (Amaryllis reginae) eben zur Morgenzeit entfaltet.
Es war der erste milde Februarstag. Hell und freundlich leuchtete das reine Azur des wolkenlosen Himmels, strahlte die Sonne hinein durch die hohen Glasfenster. Die Blumen, die noch in grüner Wiege schlummerten, rührten sich wie im ahnenden Traum und trieben die saftigen Blätter empor, aber der Jasmin, die Reseda, die immerblühende Rose, der Schneeball, das Veilchen erfüllten, ins neue blühende Leben erwacht, das Haus mit den süßesten, lieblichsten Düften, und hin und wieder flatterten schon Vögelein, die sich schüchtern hervorgewagt aus dem warmen Nest, hinan und pickten an die Scheiben, als wollten sie sehnsüchtig den schönen bunten Frühling herauslocken, der in dem Hause verschlossen.
»Armer Helms«, sprach Eugenius mit tiefer Wehmut, »armer alter Helms, alle diese Pracht, alle diese Herrlichkeit schaust du nicht mehr! – Deine Augen schlossen sich für immer, du ruhst in kalter Erde! – Doch nein, nein! Ich weiß es ja, du bist unter all deinen lieben Kindern, die du so treulich hegtest und pflegtest, und keines, dessen frühen Tod du beklagtest, ist gestorben, und nun erst verstehest du ganz ihr Leben und ihre Liebe, die du nur zu ahnen vermochtest.« – In dem Augenblick klapperte und hantierte das kleine Gretchen mit der Gießkanne gar sehr unter den Blumen und Pflanzen umher. –
»Gretchen, Gretchen!« rief Eugenius, »was machst du denn? Ich glaube beinahe, du begießest schon wieder die Pflanzen ganz und gar zu unrechter Zeit und verdirbst, was ich sorglich gepflegt.« – Dem armen Gretchen wäre beinahe die gefüllte Gießkanne aus den Händen gefallen.
»Ach, lieber Herr Eugenius«, sprach sie, indem ihr die hellen Tränen in die Augen traten, »schelten Sie doch nur nicht, sein Sie doch nur nicht böse. Sie wissen ja, ich bin ein dummes, einfältiges Ding, ich denke immer, die armen Stauden und Sträucher, die hier im Hause kein Tau, kein Regen erquickt, schauten mich verschmachtend an, und ich müsse ihnen Speis’ und Trank reichen.« – »Naschwerk«, fiel ihr Eugenius in die Rede, »Naschwerk, Gretchen, verderbliches Naschwerk ist ihnen das jetzt, woran sie erkranken und sterben. Überhaupt, du meinst es gut mit den Blumen, ich weiß es, aber es fehlt dir ganz an botanischer Kenntnis, und du gibst dir, meines sorgsamen Unterrichts unerachtet, gar keine Mühe mit dieser Wissenschaft, die doch jedem Frauenzimmer wohl ansteht, ja unentbehrlich ist, denn sonst weiß ein Mädchen ja nicht einmal, zu welcher Klasse und Ordnung die schön duftende Rose gehört, mit der es sich schmückt, und das ist doch sehr schlimm. Sag’ einmal, Gretchen, was sind das für Pflanzen dort in jenen Töpfen, die nun bald blühen werden?« »Ja!« rief Gretchen freudig, »das sind ja meine lieben Schneeglöckchen!« »Siehst du«, sprach Eugenius weiter, »siehst du nun wohl, Gretchen, daß du nicht einmal deine Lieblingsblumen richtig zu benennen weißt! Galanthus nivalis mußt du sagen.« –
»Galanthus nivalis«, sprach Gretchen leise nach, wie in scheuer Ehrfurcht. – »Ach, lieber Herr Eugenius!« rief sie dann aber, »das klingt sehr schön und vornehm, aber es ist mir so, als wenn das gar nicht mein liebes Schneeglöckchen sein könne. Sie wissen ja, wie ich sonst, da ich noch ein Kind« – »Bist du es nicht mehr, Gretchen?« fiel ihr Eugenius in die Rede. »Ei nun«, erwiderte Gretchen, bis unter die Augen errötend, »wenn man in das vierzehnte Jahr getreten, rechnet man sich doch wohl nicht mehr zu den Kindern.« – »Und doch«, sprach Eugenius lächelnd, »und doch ist es nicht so lange her, daß die große neue Puppe –«
Schnell wandte sich Gretchen ab, sprang auf die Seite und machte sich mit den Töpfen zu schaffen, die dort auf dem Fußboden standen, sich zu ihnen niederkauernd. –
»Sei nicht böse, Gretchen«, fuhr Eugenius sanft fort; »bleibe immer das gute, fromme liebe Kind, das Vater Helms der bösen Verwandtin entriß und dann samt seiner edlen Frau so hielt, als wär’s die eigne Tochter. – Doch du wolltest mir etwas erzählen!«
»Ach«, erwiderte Gretchen kleinlaut, »ach, lieber Herr Eugenius, das ist wohl wieder albernes Zeug, was mir in den Kopf gekommen, aber da Sie es wünschen, will ich nur alles ganz ehrlich gestehen. Wie Sie meine Alpenglöckchen so vornehm nannten, da fiel mir Fräulein Röschen ein. Ich und sie, nun, Sie wissen es ja, Herr Eugenius, wir waren sonst ein Herz und eine Seele und spielten, als wir – noch Kinder, gar zu gerne miteinander. Aber eines Tages, es mag wohl jetzt ein Jahr her sein war Röschen so ernst, so sonderbar gegen mich in ihrem ganzen Betragen und sagte, ich sollte sie nicht mehr Röschen nennen, sondern Fräulein Rosalinda. – Ich tat das, aber seit dem Augenblicke wurde sie mir immer fremder und fremder – ich hatte mein liebes Röschen verloren. So, denk’ ich, wird es mir auch mit meinen lieben Blumen gehen, wenn ich sie plötzlich mit fremden stolzen Namen anreden sollte.«
»Hm«, sprach Eugenius, »es ist zuweilen etwas in deinen Worten, Gretchen, was ganz seltsam und sonderbar klingt. Man weiß ganz genau, was du sagen willst, und versteht doch eigentlich nicht, was du gesprochen. Aber das tut der herrlichen botanischen Wissenschaft nicht den mindesten Abbruch, und wenn auch dein Röschen jetzt Fräulein Rosalinda geworden, darfst du doch dich wohl um die Namen deiner Lieblinge, wie sie in der vornehmen, studierten Welt genannt werden, ein wenig bekümmern. – Nütze meinen Unterricht! – Für jetzt, mein gutes, liebes Mädchen, sieh aber nach den Hyazinthen. Schiebe den Og roi de Buzan und die Gloria solis mehr ins Sonnenlicht. Aus der Péruque quarrée scheint nicht viel werden zu wollen. Der Emilius Graf Bühren, der im Dezember so stolz blühte, ist schon zur Ruhe gegangen, der hält’s nicht lange aus; aber der Pastor fido läßt sich hübsch an. Den Hugo Grotius, den magst du tapfer begießen, der muß noch tüchtig ins Wachstum.« –
Indem Gretchen, die aufs neue hoch errötet, als Eugenius sie sein gutes, liebes Mädchen nannte, ganz Freude und Lust, zu tun begann, was ihr geheißen, trat die Professorin Helms in das Glashaus. Eugenius machte sie darauf aufmerksam, wie herrlich schon der Frühlingsflor beginne, und rühmte vorzüglich die blühende Amaryllis reginae, die der selige Herr Professor beinahe noch höher geschätzt als die Amaryllis formosissima, weshalb er sie dann auch ganz besonders hege und pflege, seinem teuern Lehrer und Freunde zum steten Andenken.
»Sie haben«, sprach die Professorin gerührt, »Sie haben ein herzlich gutes kindliches Gemüt, lieber Herr Eugenius, und keinen von allen seinen Schülern, die denn so nach und nach ins Haus gekommen sind, hat mein verstorbener Mann so geschätzt, so väterlich geliebt als Sie. Aber keiner hat meinen Helms auch so verstanden, keiner ist seinem Innersten so verwandt gewesen, keiner so in das rechte Wahre und Eigentümliche seiner Wissenschaft eingedrungen als Sie. ›Der junge Eugenius‹, pflegte er oft zu sagen, ›ist ein treuer, frommer Jüngling, deshalb lieben ihn die Gewächse, Pflanzen, Bäume und gedeihen fröhlich unter seiner Pflege. Ein feindliches, störrisches, ruchloses Gemüt, das ist der Satan, der das Unkraut säet, welches wild aufwuchert und vor dessen giftigem Hauch die Gotteskinder absterben. – Gotteskinder nannte er ja seine Blumen.‹«
Dem Eugenius standen die Tränen in den Augen. »Ja, liebe hochverehrte Frau Professorin«, sprach er, »diese fromme Liebe will ich treu bewahren, und fortblühen in herrlichem Gedeihen soll dieser schöne Tempel meines Lehrers, meines Vaters, solange noch ein Hauch des Lebens in mir ist. (…)
Friedrich Rückert
Der Schnee, der gestern noch in Flöckchen
Vom Himmel fiel,
Hängt nun geronnen heut’ als Glöckchen
Am zarten Stiel.
Schneeglöckchen läutet, was bedeut’s
Im stillen Hain?
O komm geschwind! Im Haine läutet’s
Den Frühling ein.
O kommt, ihr Blätter, Blüt’ und Blume,
Die ihr noch träumt,
All zu des Frühlings Heiligtume
Kommt ungesäumt!
Joseph von Eichendorff
’S war doch wie ein leises Singen
In dem Garten heute Nacht,
Wie wenn laue Lüfte gingen:
»Süße Glöcklein, nun erwacht,
Denn die warme Zeit wir bringen,
Eh’s noch Jemand hat gedacht.« –
’S war kein Singen, ’s war ein Küssen,
Rührt’ die stillen Glöcklein sacht,
Daß sie alle tönen müssen
Von der künft’gen bunten Pracht.
Ach, sie konnten’s nicht erwarten,
Aber weiß vom letzten Schnee
War noch immer Feld und Garten,
Und sie sanken um vor Weh.
So schon manche Dichter streckten
Sangesmüde sich hinab,
Und der Frühling, den sie weckten,
Rauschet über ihrem Grab.
Johann Wolfgang Goethe
Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Daß von den Blümlein allen,
Daß von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.
Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein!
Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
Nikolaus Lenau
Liebliche Blume,
Bist du so früh schon
Wiedergekommen?
Sei mir gegrüßet,
Primula veris!
Leiser denn alle
Blumen der Wiese
Hast du geschlummert,
Liebliche Blume,
Primula veris!
Dir nur vernehmbar
Lockte das erste
Sanfte Geflüster
Weckenden Frühlings,
Primula veris!
Liebliche Blume,
Primula veris!
Holde, dich nenn’ ich
Blume des Glaubens.
Gläubig dem ersten
Winke des Himmels
Eilst du entgegen,
Öffnest die Brust ihm.
Frühling ist kommen,
Mögen ihn Fröste,
Trübende Nebel
Wieder verhüllen;
Blume, du glaubst es,
Daß der ersehnte
Göttliche Frühling
Endlich gekommen,
Öffnest die Brust ihm;
Aber es dringen
Lauernde Fröste
Tödlich ins Herz dir.
Mag es verwelken!
Ging doch der Blume
Gläubige Seele
Nimmer verloren!
Christian Morgenstern
»Die Primeln blühn und grüßen
so lieblich mir zu Füßen,
die Amsel singt so laut.
Die Sonne scheint so helle –
nur ich weiß eine Stelle,
dahin kein Himmel blaut.«
– Feins Kind, mußt nicht so sagen!
Es bringt der Himmelswagen
auch deiner Brust den Tag.
Es wird auch deine Seele
der lieben Vogelkehle
gleichtun mit lautem Schlag.
»Die Primeln blühn und grüßen
so lieblich mir zu Füßen,
die Amsel singt so laut.
Die Sonne scheint so helle –.
Mein freundlicher Geselle,
mir ward viel Leid vertraut.«
Friedrich Rückert
Himmelschlüsselchen ist genannt ein goldnes
Feingebildetes Blümchen auf der Wiese,
Weil den Himmel auf Erden sieht die Unschuld
Aufgeschlossen im Frühling unter Blumen.
Himmelschlüsselchen nenn’ ich, sprach ein Jüngling,
Dich mit eigenem Rechte, weil ein Himmel
Mir auf Erden, ein Herz, sich aufgeschlossen,
Ein geliebtes, im Frühling, als zum ersten
Kranz ich schüchtern dich wand mit andern Blumen.
Himmelschlüsselchen! den mir aufgeschloss’nen
Himmel schließe mir jeden Frühling neu auf,
Still verschließ’ ihn vor jedem Blick des Neides!
Jedem anderen aber sei ein andrer
Himmel offen, den ich nicht ihm beneide.
Johann Wolfgang Goethe
Auf, ihr Distichen, frisch. Ihr muntern lebendigen Knaben!
Reich ist Garten und Feld! Blumen zum Kranze herbei!
Reich ist an Blumen die Flur; doch einige sind nur dem Auge,
Andre dem Herzen nur schön; wähle dir, Leser, nun selbst!
Rosenknospe, du bist dem blühenden Mädchen gewidmet,
Die als die Herrlichste sich, als die Bescheidenste zeigt.
Viele der Veilchen zusammengeknüpft, das Sträußchen erscheinet
Erst als Blume; du bist, häusliches Mädchen, gemeint.
Eine kannt ich, sie war wie die Lilie schlank und ihr Stolz war
Unschuld; herrlicher hat Salomo keine gesehn.
Schön erhebt sich Aglei und senkt das Köpfchen herunter.
Ist es Gefühl? Oder ist’s Mutwill? Ihr ratet es nicht.
Viele duftende Glocken, o Hyazinthe, bewegst du;
Aber die Glocken ziehn, wie die Gerüche, nicht an.
Nachtviole, dich geht man am blendenden Tage vorüber;
Doch bei der Nachtigall Schlag hauchest du köstlichen Geist.
Tuberose, du ragest hervor und ergetzest im Freien;
Aber bleibe vom Haupt, bleibe vom Herzen mir fern!
Fern erblick ich den Mohn; er glüht. Doch komm ich dir näher,
Ach, so seh ich zu bald, daß du die Rose nur lügst.
Tulpen, ihr werdet gescholten von sentimentalischen Kennern;
Aber ein lustiger Sinn wünscht auch ein lustiges Blatt.
Nelken, wie find ich euch schön! Doch alle gleicht ihr einander,
Unterscheidet euch kaum, und ich entscheide mich nicht.
Prangt mit den Farben Aurorens, Ranunkeln, Tulpen und Astern!
Hier ist ein dunkles Blatt, das euch an Dufte beschämt.
Keine lockt mich, Ranunkeln, von euch, und keine begehr ich;
Aber im Beete vermischt, sieht euch das Auge mit Lust.
Sagt! was füllet das Zimmer mit Wohlgerüchen? Reseda,
Farblos, ohne Gestalt, stilles, bescheidenes Kraut.
Zierde wärst du der Gärten; doch wo du erscheinest, da sagst du:
Ceres streute mich selbst aus mit der goldenen Saat.
Deine liebliche Kleinheit, dein holdes Auge, sie sagen
Immer: vergiß mein nicht! Immer: Vergiß nur nicht mein!
Schwänden dem inneren Auge die Bilder sämtlicher Blumen,
Eleonore, dein Bild brächte das Herz sich hervor.
Ludwig Uhland
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Eduard Mörike
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen bald kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
Friedrich Rückert
Das Veilchen ist aufgeblüht,
Aber es duftet nicht,
Der März ist zu kalt und rauh.
Was fehlt dir, o krankes Gemüt?
Es fehlt dir der Freude Licht,
Es fehlt dir des Himmels Tau.
Das Veilchen ist aufgeblüht,
Aber es duftet nicht,
Der März ist zu kalt und rauh.
Johann Wolfgang Goethe
Ein Veilchen auf der Wiese stand,
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzig’s Veilchen.
Da kam eine junge Schäferin,
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,
Daher, daher,
Die Wiese her, und sang.
Ach! denkt das Veilchen, wär’ ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt,
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur,
Ein Viertelstündchen lang!
Ach! aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in Acht das Veilchen nahm,
Ertrat das arme Veilchen.
Es sang und starb und freut sich noch:
Und sterb’ ich denn, so sterb’ ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.
Adalbert Stifter
25. April 1834
Heute ist weithin heiterer Himmel mit tiefem Blau, die Sonne scheint durch mein geöffnetes Fenster; das draußen schallende Leben dringt klarer herein, und ich höre das Rufen spielender Kinder. Gegen Süden stellen sich kleine Wolkenballen auf, die nur der Frühling so schön färben kann; die Metalldächer der Stadt glänzen und schillern, der Vorstadtturm wirft goldne Funken, und ein ferner Taubenflug läßt aus dem Blau zu Zeiten weiße Schwenkungen vortauchen.
Wäre ich ein Vogel, ich sänge heute ohne Aufhören auf jedem Zweige, auf jedem Zaunpfahle, auf jeder Scholle, nur in keinem Käfig – und dennoch hat mich der Arzt in einen gesperrt, und mir Bewegung untersagt; deshalb sitze ich nun da, dem Fenster gegenüber, und sehe in den Lenz hinaus, von dem ein Stück gütig zu mir hereinkommt. Auf dem Fenstergesimse stehen Töpfe mit Levkojenpflänzchen, die sich vergnüglich sonnen und ordentlich jede Sekunde grüner werden; einige Zweige aus des Nachbars Garten ragen um die Ecke, und zeigen mir, wie frohe Kinder, ihre kleinen, lichtgrünen, unschuldigen Blättchen.
Zwei alte Wünsche meines Herzens stehen auf. Ich möchte eine Wohnung von zwei großen Zimmern haben, mit wohlgebohnten Fußböden, auf denen kein Stäubchen liegt; sanft grüne oder perlgraue Wände, daran neue Geräte, edel, massiv, antik einfach, scharfkantig und glänzend; seidne, graue Fenstervorhänge, wie matt geschliffenes Glas, in kleine Falten gespannt, und von seitwärts gegen die Mitte zu ziehen. In dem einen der Zimmer wären ungeheure Fenster, um Lichtmassen hereinzulassen und mit obigen Vorhängen für trauliche Nachmittagsdämmerung. Rings im Halbkreise stände eine Blumenwildnis, und mitten darin säße ich mit meiner Staffelei, und versuchte endlich jene Farben zu erhaschen, die mir ewig im Gemüte schweben und nachts durch meine Träume dämmern – ach, jene Wunder, die in Wüsten prangen, über Ozeanen schweben und den Gottesdienst der Alpen feiern helfen. An den Wänden hinge ein oder der andere Ruysdael oder ein Claude, ein sanfter Guido und Kindergesichtchen von Murillo. In dieses Paphos und Eldorado ginge ich dann nie anders, als nur mit der unschuldigsten, glänzendsten Seele, um zu malen oder mir sonst dichterische Feste zu geben. Ständen noch etwa zwischen dunkelblättrigen Tropengewächsen ein paar weiße, ruhige Marmorbilder alter Zeit, dann wäre freilich des Vergnügens letztes Ziel und Ende erreicht.