Blütenpracht und schlaue Hühner - Susanne Wiborg - E-Book

Blütenpracht und schlaue Hühner E-Book

Susanne Wiborg

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Beschreibung

Susanne Wiborgs Garten ist ein kleines Paradies, in dem man lesend gerne Platz nimmt: So kurzweilig und kenntnisreich wird man selten unterhalten. Mit einer Blütenpracht, der goldgelben Sumpfdotterblume, den aparten Schachblumen in Altrosa, Purpur oder Schwarzviolett und den dunkelblütigen Kaukasus-Vergissmeinnicht starten wir in den Gartenfrühling. Genießen den Sommer und den herrlichen Duft der Wein- oder Schottischen Zaunrose und den Spätsommer mit der filigranen Wiesenraute, die den Garten in ein Meer von Blau taucht. Zu einem besonderen Vergnügen aber wird dieses Buch durch die schrägen Vögel, die Hühner, die hier ihr Habitat gefunden haben. Sie sind schlau, sehr komisch, überaus sozial; und so, wie Susanne Wiborg von ihren Hühner-Beobachtungen erzählt, steckt sie ihre Leser mit diesem »Hühnerfieber« an, das »ebenso wie die Gartensucht, zu den vergnüglichsten Spielarten menschlicher Verrücktheit zählt«. Was will man mehr!

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Seitenzahl: 108

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Zum Buch

Susanne Wiborgs Garten ist ihr Salon, ein Treffpunkt der grünen Welt, in den jetzt auch die Hühner eingezogen sind, ganz schräge Vögel.

Susanne Wiborgs Garten ist ein kleines Paradies, in dem man lesend gerne Platz nimmt: So kurzweilig und kenntnisreich wird man selten unterhalten. Mit einer Blütenpracht, der goldgelben Sumpfdotterblume, den aparten Schachblumen in Altrosa, Purpur oder Schwarzviolett und den dunkelblütigen Kaukasus-Vergissmeinnicht starten wir in den Gartenfrühling. Genießen den Sommer und den herrlichen Duft der Wein- oder Schottischen Zaunrose und den Spätsommer mit der filigranen Wiesenraute, die den Garten in ein Meer von Blau taucht. Zu einem besonderen Vergnügen aber wird dieses Buch durch die schrägen Vögel, die Hühner, die hier ihr Habitat gefunden haben. Sie sind schlau, sehr komisch, überaus sozial; und so, wie Susanne Wiborg von ihren Hühner-Beobachtungen erzählt, steckt sie ihre Leser mit diesem »Hühnerfieber« an, das »ebenso wie die Gartensucht, zu den vergnüglichsten Spielarten menschlicher Verrücktheit zählt«. Was will man mehr!

»Hühnerfieber gehört, ebenso wie die Gartensucht, zu den vergnüglichsten Spielarten menschlicher Verrücktheit.«

Susanne Wiborg

Über die Autorin

Susanne Wiborg ist Journalistin und lebt in der Nähe von Hamburg. Sie schreibt u.a. für Die Zeit und kraut und rüben.

Die Illustratorin

Rotraut Susanne Berner arbeitet als freie Illustratorin, Buchgestalterin und Autorin in München. Sie ist eine der bekanntesten zeitgenössischen Illustratorinnen und Buchgestalterinnen.

Susanne Wiborg

Blütenpracht undschlaue Hühner

Bilder vonRotraut Susanne Berner

 

 

Verlag Antje Kunstmann

 

 

 

eBook-Produktion: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice mbH

ISBN 978-3-95614-161-4

 

Schräge Vögel, oder: Von der Rückkehr alter Freunde

Hühner im Garten? In einem ganz kleinen? Mitten in der Stadt? Warum denn nicht? Was heute exotisch anmutet, war jahrhundertelang Alltag: Garten und Geflügel gehörten zusammen. Die anspruchslosen Gefiederten lebten hinter dem Haus, in mehr oder weniger ansprechenden Hühnerhöfen oder gleich im ländlichen Freilauf, recycelten, was immer ihnen vorgeworfen wurde, zu hochwertigem Protein, und lieferten so ohne viel Aufwand einen zusätzlichen Garten-Ertrag. Gehobenere Geflügelkreise waren überdies eine statusträchtige Zierde zum Ziergarten: Es gab – und gibt – Hunderte von Rassen und Schlägen, schillernd bunt befiedert, winzig klein oder riesengroß, oft irgendwo zwischen prächtig und skurril. Viele sind derart attraktiv anzusehen, dass selbst die britische Queen Victoria vom Hühnerfieber nicht verschont blieb: Ihre Gefiederten gehörten zu den großen Leidenschaften der sonst eher nüchternen Monarchin. »Im Sommer sollten sie durchaus auf ihren Hof beschränkt werden,« heißt es auch in einem deutschen Gartenbuch aus Kaisers Zeiten, »im Winter lasse ich sie ruhig im Ziergarten grasen. Sie vertilgen dann bei offenem Wetter manches Ungeziefer.« Die Frage war also nur, wo sich die Hühner wann aufhalten durften – dass es sie in einem Garten gab, war selbstverständlich.

Das war auch noch zu meiner Grundschulzeit so: überall in dem kleinen Landstädtchen gackerte und krähte es, und unser Hausmeister verband das Professionelle perfekt mit dem Privaten: Er hielt sein Geflügel auf dem Schulhof, wir fütterten es mit Pausenbroten, und keiner störte sich an dem lauthals krähenden Gockel. Unsere ländlichen Verwandten hatten eine große, bunte Hühnerschar, und als siebenjähriger Feriengast bekam ich dort eine verantwortungsvolle Aufgabe: ich durfte die Eier aus den Strohnestern holen. Das klang einfacher, als es war. Die Eier, warme und glatte Handschmeichler, fühlten sich zwar wunderbar an, sie aber zu ergattern, konnte durchaus eine Herausforderung bedeuten. Gleich die erste Lehre der Gefiederten erwies sich auch als die grundlegende: Huhn ist nicht gleich Huhn. Sie alle sind kleine Individuen.

Mein Problem hieß Henne Bertha. Das war eine dicke, selbstbewusste braune Glucke, die den scharfen Foxterrier gnadenlos über den Hof prügelte, die Katze in Furcht und Schrecken hielt und auch mir das ländliche Leben ziemlich erschwerte: Jedes Ei im Lege nest, egal, ob von ihr oder nicht, verteidigte sie mit einer Hingabe, als sei es ihr Lieblingsküken. Wenn ich sammeln ging, hoffte ich immer inständig, dass Bertha anderweitig beschäftigt sei. Aber meist war sie das nicht, sondern hockte aufgeplustert wie ein fetter brauner Pfannkuchen auf dem Nest, schrie mich mit gesträubtem Kragen an und maß mich herausfordernd mit dem, was eine Hühnerkennerin so treffend als »Nur-über-meine-Leiche-geht-der-Weg-Blick« charakterisierte. Es kostete schon etwas Mut, unter die breite Brust dieser Furie zu greifen, während sie einem zielsicher den Schnabel ins Handgelenk stanzte, aber Bertha war Gott sei Dank nicht blöde. Wenn man sich nicht einschüchtern ließ, gab sie nach, und sie kannte ihre Pappenheimer genau. So konnte ich bald stolz mit meiner Beute in die Küche traben und für den lässigen Hinweis: »Die sind von Henne Bertha!« das verdiente Extra-Lob einkassieren.

Kiki war Berthas krasses Gegenteil: Die weiße Henne gehörte meiner älteren Cousine Karin, die ich glühend bewunderte, auch, weil sie ihr selbstgezähmtes Lieblingshuhn so generös mit mir teilte. Kiki war zahm wie ein Hund. Sie rannte herbei, sobald wir in die Nähe kamen, tippelte uns hinterher, flog uns auf den Schoß und ließ sich mit verblüffender Geduld durch die Gegend schleppen. Ebenso geduldig blieb sie sitzen, wenn ich vorsichtig ihre glatten Federn streichelte und dabei staunte, wie warm sich so ein Huhn anfühlt. Sie hockte sogar brav auf einer Stuhllehne, wenn wir sie als Adler/Geier-Komparsin zum Indianerspielen engagierten.

Kiki war der Hühner-Charme in Person, die Ausnahme von der Regel, dass Vögel eher Beobachte- als Schmusetiere sind. Damals muss es wohl schon passiert sein, jedenfalls stand seitdem für mich fest, dass ich eines Tages eigene Hühner haben wollte. Es dauerte nur schrecklich lange, und als es endlich soweit war, war weniger die alte Liebe gefragt als eine grundlegende Nüchternheit: Wer passt in mein kleines Biotop? Die Zeiten haben sich sehr geändert: Die Selbstverständlichkeit ist dahin, freilaufende Hühner sind Exoten geworden und sollten in der Stadtmitte möglichst nicht auffallen. Wen kann man da auf ein Mini-Grundstück einladen, zumal, wenn man auch noch Wert auf seinen Garten legt? Und, hier ganz wichtig: Wer hat das Potential, mit Terrier Erbse klarzukommen, die es jederzeit ins Finale von »Deutschland sucht den Superjäger« schaf fen würde?

Meine ersten Verliebtheiten konnte ich da gleich wieder abhaken: Die bildschönen, schnittigen Landrassen sind flüchtige, eher nervöse Vögel und brauchen viel mehr Platz, als ich ihn habe. Auf engem Raum kann sich ihr heftiges Temperament allzuleicht gegen die eigenen Artgenossen richten, und Hühner, die einander aus Frust so neurotisch massakrieren, wie sie es oft in der Massenhaltung tun, sind nicht eben der Inbegriff von Gartenfreude. Derart lebhafte Tiere neigen außerdem dazu, sich zur Unzeit darauf zu besinnen, dass sie Vögel sind, sprich: in Bäumen zu nächtigen und Zäune nach Lust und Laune zu überfliegen. Den Literatur-Hinweis »guter Futtersucher« oder »Selbstversorger« kann man als Gärtnerin ohnehin nur mit gelindem Schaudern lesen: Das bedeutet nämlich, dass diese Hühner den Tag damit verbringen, zu kratzen und zu picken, was Krallen und Schnabel nur hergeben – und das ist einiges. Zehntausend Pickschläge pro Tag haben fleißige Wissenschaftler einer noch fleißigeren Henne nachgezählt.

Ganz so arbeitswütig also bitte nicht, und als weitere Revieranpassung sollten meine Traumhühner klein sein, dabei aber nicht zu winzig. Am besten Zwerghühner an der oberen Größengrenze, ziervogelschön, aber unbedingt akzeptable Eierleger. Wie gut nämlich ein simples Ei schmecken kann, habe ich erst an denen aus dem eigenen Garten gelernt. Die Eier vieler Zwerghühner sind dabei noch einmal eine Delikatesse für sich: sie bestehen fast nur aus Dotter. Bodenhaftung ist in dieser engen Nachbarschaft unbedingt gefragt, und in unseren norddeutschen Dauermatsch passen auch Seidenfedern und Federfüße nicht besonders gut. Dafür war mir ein kleiner, möglichst eng anliegender Kamm wichtig, denn zu große Kämme können in harten Wintern schnell erfrieren. Noch vor all diesen Äußerlichkeiten war soziale Verträglichkeit ein absolutes Muss – schließlich sollten die Hennen auch ohne ordnungsstiftenden Hahn harmonisch miteinander leben können.

Einfach ein netter, robuster Vogel also, ohne Übertreibungen, stadtauglich, aber mit ländlichem Char me. So bin ich schließlich bei denen gelandet, die ein Hühnerbuch liebevoll-spöttisch »die Golden Retriever un ter den Hühnern« nennt: bei den weit verbreiteten Zwergwyandotten. Diese kiloschwere Kompaktausgabe einer alten amerikanischen Wirtschaftsrasse hat sich tatsächlich als mein ideales Anfängerhuhn erwiesen. Hermine und Henriette, hell goldbraun mit schwarzem Spitzenkragen, oder, fachmännischer: gelb-schwarz-columbia, kamen, sahen, siegten – und sind heute, drei Jahre später, stolze Chefinnen einer zehnköpfigen Damenriege.

Dafür, dass sich das ursprünglich geplante Quartett auch ohne Gockel so vermehrte, kann ich natürlich gar nichts. Es passierte einfach. Es passierte, weil Hühnerfieber ebenso virulent ist wie Gartensucht, es passierte, weil die sehr geselligen Vögel in größeren Gruppen einfach zufriedener und gelassener sind, und es passierte vor allem, weil diese kleinen Kugelhühner einen so bestechenden Vorteil haben: Zwergwyandotten gibt es in mehr als 30 Farben, und auch die Hennen sind auffallend dekorativ. Der Nachteil liegt da auf der Hand: die Mädels sind so unwiderstehlich hübsch, dass man einfach anfangen muss, sie ein bisschen zu sammeln …

Und nicht nur das: Wyandotten sind zum Dahinschmelzen grotesk. Ich habe nun einmal diese ausgeprägte Schwäche für Skurriles, ein bisschen Bizarres, scheinbar einem Comic Entsprungenes, und Hühner scheinen der lebende Cartoon schlechthin. Kein Wunder, dass sie seit Wilhelm Busch so vielen Zeichnern als Inspiration dienen. Hühner sehen aus, als sei da zusammengekommen, was nicht zusammenhört: Die Scharrvögel stehen fest auf überdimensionalen, geschuppten gelben Füßen, die nicht nur den Gattungsnamen, sondern auch die fernen Sauriervorfahren nicht verleugnen können: Hühner sind die nächsten lebenden Verwandten des Tyrannosaurus Rex. Je genauer man sie beobachtet, desto mehr meint man, diese Herkunft sehen zu können: Eine Gruppe sonst so bedächtiger Hennen, die sich wild auf einen Fleischbrocken stürzt, kann ihr Raptorenerbe wirklich nicht verleugnen. Auf den Krallenfüßen, die sich übrigens nicht reptilienkühl, sondern ganz warm anfühlen, sitzt bei Wyandotten ein Körper, der rundum schwungvoll ist, elegant gerundet, ohne die Ecken und Kanten, die anderen Hühnern oft einen etwas aggressiven, zänkischen Ausdruck verleihen können. Hier sind alles sanfte, gemütlich wirkende Bögen: eine wohlgerundete Brust, ein U-förmiger Rücken, ein Schwanz wie ein federgefülltes Hufeisen über einem wuscheligen Hinterteil.

Und auf einem schicken Federkragen dann ein kleiner Kopf mit Reptiliengesicht: nackte Haut, die sich bei Aufregung blitzschnell dunkelkirschrot verfärbt, ein roter Rosenkamm, der eng am Kopf anliegt, dazu lebhafte, glänzend orangefarbene Augen. Ein kräftiger Schnabel mit fast greifvogelartiger Spitze verrät den Allesfresser. Hühner sind nicht nur begehrte Beute, sondern auch respektable Jäger und haben durch das viele Eierlegen einen hohen Proteinbedarf. So sind sie versessen auf Fleisch und durchaus in der Lage, eine unvorsichtige Maus zu erbeuten. Dieses widersprüchliche, seltsam zusammengesetzte Tier stakst dann auch noch in gravitätischer, drolliger Würde auf seinen Riesenfüßen durchs Revier, mit ewig ruckendem Kopf, um die ohnehin schon scharfen Augen ständig schärfer zu stellen. Wenn es nicht gerade eilt: dann werden der Hals gestreckt und beim Rennen auch noch die Flatterflügel für einen cartoonreifen Tiefflug zur Hilfe genommen. Ein puscheliger kleiner Flugsaurier im eigenen Garten – wer bei diesem Anblick nicht unwillkürlich lächeln muss, dem kann ich auch nicht helfen!

Nachteile haben Hühner natürlich auch. Die lassen sich aber kurz zusammenfassen: Sie kacken. Ständig und überall. Und sie kratzen. Ständig und überall. Das Kratzen fällt bei den gemütlichen Wyandotten glücklicherweise eher zurückhaltend aus, die Verdauung allerdings ist unglaublich rege. Wer da nicht ziemlich bald in einer stinkenden Einöde leben möchte, muss regelmäßig aufsammeln, mit Schäufelchen und Handharke kein großes Problem, wenn auch bei nassem Wetter nicht wirklich appetitanregend. Hier ist ein bisschen Gärtnerspinnerei überaus hilfreich: Seit ich erlebt habe, wie gut der mit dem Hühnermist angereicherte Kompost den Pflanzen tut, wie er die Rosenblüte geradezu explodieren lässt, macht es mir nahezu Spaß, diesen wertvollen Rohstoff möglichst vollständig zu gewinnen. Es kommt wohl auf die Perspektive an: Nach einiger Großtiererfahrung finde ich die Mädels vergleichsweise lächerlich einfach zu versorgen. Meine nette Nachbarin, die eher ihre Hunde als Maßstab hat, findet meine Hühnerbande entnervend, arbeitsaufwendig und lästig.

So etwas sollte man ernst nehmen – und zwar rechtzeitig! Darüber, ab wann einem Dreck unter den Schuhen, Erde überall, ewiges Zurückharken von Aus-dem-Beet-Gekratztem, kurz: die dauernde Abweichung vom Meister-Proper-Ideal ernsthaft auf die Nerven gehen, muss man sich ehrlich Rechenschaft ablegen, bevor