BLUTIGE GEZEITEN - Bill Knox - E-Book

BLUTIGE GEZEITEN E-Book

Bill Knox

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Das sowjetische Fabrikschiff Zarakov ankert nahe dem nordwestschottischen Fischerdorf Port Ard und verarbeitet an Ort und Stelle die Fänge der lokalen Fischer. Aber die Zarakov hat funktechnische Ausrüstungen an Bord, die weit über die Bedürfnisse eines solchen Schiffs hinausgehen. Kein Wunder also, dass der Fischereischutzkreuzer Marlin in der Gegen von Port Ard auftaucht...   Der Roman BLUTIGE GEZEITEN von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1982; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte in Jahr 1984 (unter dem Titel Makrelen und Mord). Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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BILL KNOX

 

 

Blutige Gezeiten

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 252

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

BLUTIGE GEZEITEN 

Vorspiel 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Das sowjetische Fabrikschiff Zarakov ankert nahe dem nordwestschottischen Fischerdorf Port Ard und verarbeitet an Ort und Stelle die Fänge der lokalen Fischer. Aber die Zarakov hat funktechnische Ausrüstungen an Bord, die weit über die Bedürfnisse eines solchen Schiffs hinausgehen.

Kein Wunder also, dass der Fischereischutzkreuzer Marlin in der Gegen von Port Ard auftaucht...

 

Der Roman Blutige Gezeiten von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1982; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte in Jahr 1984 (unter dem Titel Makrelen und Mord).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  BLUTIGE GEZEITEN

 

 

 

 

 

 

  Vorspiel

 

 

Auf dem Foto eines Wettersatelliten wurde das neue Tief, das sich in der Nähe von Island zusammenbraute, zum ersten Mal sichtbar. Drei Tage später, an einem Sonntag im Hochsommer, entwickelte sich das Tief zum Sturm, der über den Atlantik tobte und die Nordwestküste von Schottland heimsuchte. Höllische Windstärke 8, Regen und haushohe Wellen prallten zuerst gegen die lange Kette der Hebriden. Dann drehte der Sturm und raste voller Wut die See zwischen den Hebriden und dem Festland hinunter, die von den Seeleuten The Minch genannt wird.

Die Schiffe in diesem Gebiet flohen vor den Naturgewalten und suchten in den nächstgelegenen Häfen Schutz. Riesige, haushohe Wellen rollten gnadenlos gegen die aus Felsbrocken aufgetürmten Wellenbrecher der vielen winzigen Häfen. Staubfeiner weißer Gischt wurde bis tief ins Binnenland hineingetragen.

Der Orkan tobte sechsunddreißig Stunden lang ohne Unterbrechung, und The Minch verstärkte ihn noch wie ein riesiger Trichter. Leuchtturmwärter berichteten von zwanzig Meter hohen Wellen am Butt of Lewis, der nördlichsten Spitze der Insel Lewis. Sechs Seeleute kamen in den aufgewühlten Fluten um, als ein niederländisches Küstenschiff vor Barra Head kenterte und sank. Zwei Matrosen eines Versorgungsschiffes der Marine wurden über Bord gespült und in die Tiefe gerissen. Als das Schiff in Oban einlief, bestanden die Decksaufbauten nur noch aus einem Gewirr von verbogenem Metall. Dem Bereitschaftsboot von Campbeltown gelang es irgendwie, zwei Männer und ein Mädchen von einer Yacht zu retten, die in Hafennähe kenterte und sank. Ein anderes Mädchen, das mit an Bord gewesen war, ertrank. Seine Leiche fand man später angeschwemmt in einem Feld, das weit oberhalb der üblichen Hochwassermarke lag.

Aber all das waren vergleichsweise nur geringfügige Spuren, die auf einer Fährte blindwütiger Raserei zurückblieben.

Am Abend des zweiten Tages flaute der Sturm endlich ab. Zunächst ließ der unaufhörlich heulende Wind nach, verstummte dann ganz. Es hörte auf zu regnen. Und zuletzt wurde auch die wütende See ruhiger.

Big Gibby MacNeil wusste von alldem nichts.

Er lag im Sterben; er war in das Stadium eingetaucht, in dem nur noch ab und zu ein Gedanke wie ein hauchfeiner Faden wirr und verschwommen durch den Kopf zieht.

Er wusste nicht, ob er sich wohl fühlte oder nicht. Er war nur müde und wollte schlafen. Wo er war, und wie er dahin gekommen war - auch das vage, ungewiss, verschwommen. Als er einmal für einen kurzen Augenblick aus seinem trancehaften Zustand erwachte, hatte er das unbestimmte Gefühl, ein Schaukeln und eine gleichmäßige Vibration zu spüren, die von einer Maschine herrühren konnte.

Vielleicht befand er sich auf einem Boot; nicht, dass es noch irgendwie wichtig gewesen wäre. Nichts mehr war wichtig.

Big Gibby MacNeil glitt in den Tod hinein.

Er wusste nicht einmal, dass er ermordet worden war.

 

Bei Tagesanbruch hatte sich der Sturm ausgetobt. Der Wind war zu einer leichten Brise abgeflaut, die See hatte sich beruhigt, und die Wetteraussichten waren gut. Zwar war die Küste noch mit abgerissenem Seetang und zertrümmertem Treibgut übersät, und empfindliche Menschen litten noch unter der hohen Feuchtigkeit der wie mit Elektrizität geladenen Luft. Aber für die praktischen Gegebenheiten des Alltags war das unerheblich.

Die Kähne der Fischereiflotte fuhren wieder hinaus. Sie hatten schon zwei Tage verloren, und sie durften keine Zeit verlieren - nicht, wenn die Makrelen The Minch durchzogen. Riesige silbergraue Fischschwärme wurden gesichtet, ein so reicher Fang, wie man sich seit Menschengedenken nicht mehr erinnerte.

Und wenn die Makrelen in solchen Mengen kamen, mussten jeder Mann und jedes Boot das Doppelte ihrer Leistungskraft einbringen. Die Makrelen blieben nur eine gewisse Zeit und zogen dann weiter. Tage oder Wochen, niemand konnte sicher sein, wie lange die Ernte dauern würde.

So war es immer gewesen.

Hugh Campbell war Kapitän der Cailinn, einem siebzehn Meter langen Boot mit einer fünfköpfigen Besatzung. Sie war eines der ersten Fischerboote, die aus dem kleinen Hafen in Port Ard ausliefen, und sobald sie den Gürtel der Wellenbrecher hinter sich gelassen hatte, schwenkte sie auf einen Südwestkurs ein, während achtern die Sonne aufging.

Es war ein Morgen von der Art, an denen Hugh Campbell sich nach seinem Instinkt richtete. Er hielt die Cailinn über eine Stunde lang auf diesem Kurs, bis ihn eben dieser sein Instinkt für ein paar Minuten auf Nordkurs gehen ließ. Plötzlich wimmelte die See um das Boot von silbrig glänzenden Makrelen. Unzählige Möwen und andere Seevögel stürzten sich, im Steilflug angreifend, auf die Fische, und ab und zu griff auch ein unsichtbarer Räuber aus der Tiefe an. Die Makrelen versuchten ihm zu entfliehen, indem sie hochschossen und für kurze Zeit die Wasseroberfläche durchbrachen.

Gegen zehn Uhr waren die Netze der Cailinn zum dritten Mal ausgelegt. Hoch stand die Sonne am wolkenlosen Himmel, die See glitzerte gleißend, die Metallbeschläge der Aufbauten waren so heiß, dass man sie nicht berühren konnte, und die Crew arbeitete schweißtriefend mit nacktem Oberkörper. Wie schon bei den beiden ersten Malen, waren die Netze, als sie eingeholt wurden, prall mit zuckenden und sich windenden Fischleibern gefüllt, und ebenso schnell wie das Wasser auf das Deck schwappte, trocknete es wieder.

Wieder begannen sich Hunderte und Aberhunderte Makrelen in den Fischladeraum zu ergießen. Dort unten fand das jüngste Mitglied der Crew der Cailinn kaum Zeit, sich ein paar Minuten auszuruhen. Unermüdlich schaufelnd, deckte der Junge jeden frisch gefüllten Fischkorb, bevor er verstaut wurde, mit zerkleinertem Eis ab, das er aus dem Eisbunker holte.

Erschöpft machte er eine kurze Verschnaufpause, wischte sich den Schweiß von der Stirn und hob die Schaufel wieder. Dann hielt er plötzlich inne - sein Atem stockte, ungläubig starrte er in das Dämmerlicht des Bunkers.

An der Stelle, dort, wo er die letzte Schaufelladung Eisstücke herausgenommen hatte, ragte die Hand eines Mannes aus dem Eis.

Auch die anderen stellten die Arbeit ein. Mit Schaufeln und den bloßen Händen halfen sie dem Jungen, den Toten auszugraben. Big Gibby MacNeil lag da, als schlafe er. Sein zerfurchtes Ledergesicht war mit Eisstaub wie gepudert. Eisstückchen hingen an seiner blauen Wolljacke, der dunklen Sergehose und auf den kurzen gelben Seemannsstiefeln.

Sie kannten ihn alle. Jeder kannte Big Gibby.

Neugierig versuchte einer der Männer den ausgestreckten Arm zu bewegen. Das steif gefrorene Ellbogengelenk knackte laut protestierend. Die Bewegung ließ die Jacke des Toten aufklaffen, und aus einer Tasche rollte eine fast leere Flasche billigen Whiskys.

Einer der Männer kletterte aus dem Laderaum und ging zum Ruderhaus. Als Kapitän hatte Hugh Campbell das Ruder übernommen und hielt den stumpfen Bug der Cailinn hart in die Dünung.

»Was gibt’s?«, fragte er kurz angebunden.

Der Fischer meldete den Vorfall.

»Hölle und Teufel!«, fluchte Campbell und meinte damit Gott und die Welt im allgemeinen.

Das schien mal wieder typisch für Gibby MacNeil zu sein, dass er ausgerechnet an dem Tag erfroren war, der der wärmste des Jahres zu werden versprach. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, wie das passieren konnte. Während der Sturm sich austobte, hatte die Cailinn fest vertäut am Kai von Port Ard gelegen. Wenn Big Gibby MacNeil getrunken hatte, war er schon immer unberechenbar gewesen. Mehr als einmal hatte er, in einem Winkel irgendeines Bootes zusammengerollt, seinen Rausch ausgeschlafen.

Es war sein Pech, dass er sich diesmal in den leeren Eisbunker der Cailinn verirrt hatte. Als der Sturm abflaute, lag noch tiefe Dunkelheit über dem Hafen, aber wie alle anderen Kutter im Hafen von Port Ard, hatte die Cailinn schon in den ersten Morgenstunden Eis geladen, um so schnell wie möglich wieder auslaufen zu können.

»Was sollen wir mit ihm anfangen, Skipper?«, fragte der Fischer. Er warf unsicher einen Blick auf das Funktelefon auf dem Schott. »Ich meine - nun ja, wollen Sie denen an Land Bescheid sagen?«

»Damit hat’s keine Eile.« Hugh Campbell blickte mit gerunzelter Stirn zu den noch prall gefüllten Netzen hinüber. Er war ein anständiger, gottesfürchtiger Mann, der jeden Sonntag mit seiner Frau in die Kirche ging. Aber er war nicht nur der Skipper, er selbst war auch der Eigner der Cailinn. Daher zählten nur rein praktische und wirtschaftliche Erwägungen, alles andere musste dahinter zurückstehen. »Deckt ihn mit irgendwas zu, und dann sollen sich die Jungs wieder an ihre Arbeit machen.«

»Und das Eis?«

Campbell blinzelte. »Das wird benutzt. Was sonst?«

»Aye.« Der Fischer nickte und verzog dann kummervoll sein Gesicht. »Es ist ein Jammer. Wenn Big Gibby nüchtern war, spielte er die Fiedel so gut wie kein anderer.«

»Dann müsste er eigentlich mit einer Harfe auch ganz gut zurechtkommen.« Hugh Campbell wies mit dem Daumen auf das Netz. »Los, macht weiter da vorn!«

Gegen Mittag waren die Netze zum letzten Mal eingeholt worden. Die Cailinn lag inzwischen auf neuem Kurs, ihre dröhnenden Maschinen stampften sie durch die niedrige Dünung, Loch Armach entgegen.

Dort lag das russische Fabrikschiff vor Anker, dessen Verarbeitungsstätten gierig auf Fische warteten. An Back- und Steuerbord lag je ein Küstenschiff mit im Wind wehender Sowjetflagge längsseits, und beide waren erst zur Hälfte beladen. Die Russen kauften so viele Schiffsladungen Fische auf, wie sie bekommen konnten.

Ein Brecher tauchte aus der Dünung auf, traf die Cailinn an Backbord und lief weiß schäumend über das Deck. Während das Boot krängte und wieder zur Ruhe kam, stemmte Hugh Campbell sich im Ruderhaus fest gegen den Boden. Dann ließ er die Cailinn Fahrt aufnehmen.

Die Tür des Ruderhauses ging auf.

»Kaffee, Skipper?«, fragte der Junge.

Einen Dank brummend, nahm Campbell den dampfenden Becher mit einer Hand entgegen, kniff die Augen zusammen und blickte zu dem Einschnitt in der noch weit vor ihnen liegenden Küste hinüber, der die Mündung von Loch Armach markierte. In einiger Entfernung voraus konnte er zwei dunkle Punkte ausmachen, andere Boote, die demselben Ziel entgegenstampften.

Er brauchte sie nicht zu fürchten. Die Russen zahlten einen festgesetzten Preis, nicht mehr, nicht weniger.

Dann fiel ihm etwas ein. Es war wohl besser, wenn er den Jungs befahl, wegen Gibby MacNeil Stillschweigen zu bewahren, bis sie ihren Fang auf dem Fabrikschiff gelöscht hatten. Er glaubte zwar nicht, dass die Russen wegen eines Toten zwischen dem Eis im Kühlraum überempfindlich reagieren würden, der den Fischladeraum mit den Fischen geteilt hatte. Aber warum ein Risiko eingehen?

Wieder rollte ein Brecher gegen die Cailinn, und Hugh Campbell musste gegensteuern, um das Boot im Ruder zu halten. Je näher sie der Küste kamen, umso mehr beschäftigte ihn ein Problem, das ihn an Land erwartete. Seine Frau lag ihm seit Tagen mit noch größerem Nachdruck als sonst in den Ohren, dass sie eine neue Waschmaschine brauche. Sein Anteil an dem Fang des heutigen Tages hätte damit wohl seinen Verwendungszweck gefunden.

Die Maschine, die ihr vorschwebte, war ein amerikanisches Fabrikat. Er lachte leise. Sie sollte sie auch bekommen - und die Russen bezahlten sie.

Mann, wie war das Leben doch manchmal kurios!

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war drei Tage nach dem Sturm. An Bord des Fischereischutzkreuzers Ihrer Majestät Marlin saß Captain James Shannon zusammengekauert auf seinem Posten auf der Kommandobrücke und spähte gleichgültig durch das Fernglas.

»Sie ist ein großes, hässliches Ungetüm«, stellte er laut fest. »Wahrscheinlich ist sie sogar bei totaler Flaute so schwerfällig wie eine Kuh.«

Ausnahmsweise war der Erste Offizier Webb Carrick mit seinem Kommandanten einer Meinung. Es versprach wieder ein warmer Tag zu werden, was man besonders auf der geschlossenen Brücke zu spüren bekam. Er schob die Mütze ein wenig aus der Stirn in den Nacken und war froh, dass er ein offenes Hemd trug, anstatt wie üblich einen Rollkragenpullover.

»Vielleicht haben sie einfach schwarz ist schön in groß ist schön abgewandelt«, meinte er mit einem vergnügten Blinzeln in den dunkelbraunen Augen. »Mütterchen Russland scheint Größe zu lieben.«

»Das tun auch die Elefanten, Erster.« Shannon, ein kleiner, untersetzter Mann mit ergrauendem Bart, der sein mondförmiges Gesicht einrahmte, sah verschwitzt aus, lehnte es jedoch ab, die Uniformjacke abzulegen oder auch nur die Krawatte zu lockern. Er schnaubte verächtlich. »Sehen Sie sich den Kahn doch mal an!«

Das 14.000 Tonnen schwere sowjetische Fabrikschiff Zarakov lag eine halbe Meile voraus, das Hammer-und-Sichel-Emblem leuchtete auffallend auf den Zwillingsschornsteinen. Die Zarakov hatte plumpe topplastige Decksaufbauten, die mit Antennen und Radarmasten bestückt waren und voraus und achtern von einem kleinen Wald von Derrikkran-Auslegern flankiert wurden. Der angerostete lange schwarze Rumpf vermittelte genau das, was sie war - nämlich mehr schwimmendes Fließband als Schiff. Sie hatte bereits Gesellschaft erhalten. Zwei Fischkutter von der Westküste, große, mit Schlagnetzen ausgerüstete Boote, luden an der Backbordseite der Zarakov ihren Fang aus.

Shannon regte sich wieder. »Gehen Sie auf zweihundert Umdrehungen herunter, Erster. Sie sollen Gelegenheit haben, sich uns erst einmal gründlich anzusehen.«

»Zweihundert - beide langsam voraus, Sir.« Carrick stellte am Geber des Maschinentelegraphen den Drehwinkel ein, und die Zwillingsdieselmaschine der Marlin wechselte die Tonart, klang jetzt leiser und träger. »Sollten nicht zwei Kühlschiffe bei ihr liegen?«, fragte Carrick verblüfft.

»Haben wahrscheinlich deren Fracht an Bord genommen, und die sind inzwischen unterwegs nach Hause.« Shannon zuckte mit den Schultern. »Morgen kommt bestimmt ein anderes. Das ist ihre Arbeitsmethode.« Er sah den Rudergänger an, einen großen Mann aus Stornoway, der sich am Morgen nicht die Mühe gemacht hatte, sein Gebiss einzusetzen. Der Anblick ließ Shannon leicht angeekelt das Gesicht verziehen, dann bellte er: »Ruder fünf Strich Backbord, Andy!«

»Fünf Strich Backbord.« Der Rudergänger drehte das Rad und saugte dann an seiner gummiähnlichen Unterlippe. »Wie nahe gehen wir ran, Captain?«

»So nah, dass wir rüberspucken können.« Shannon schien mit seinen Augen den schrumpfenden Abstand zu messen. »Dann dicht um ihr Fleck rum. Aber denken Sie an die Fischerboote.« Mit einem Nicken zur Zarakov hinüber, wandte er sich wieder an Carrick. »Schon mal mit ihr zusammengetroffen, Erster?«

»Bisher noch nicht.«

Nicht mit ihr, aber mit anderen. In der Makrelensaison fielen die osteuropäischen Schiffe alljährlich wie Schwärme in die schottischen Gewässer ein - während der wenigen Wochen, in denen riesige Schwärme silberblauer Fische rund um The Minch wimmelten. Während dieser kurzen hektischen Wochen konnten die fangberechtigten Fischkutter,- die sich jedoch streng an die vorgeschriebenen Fangkontingente halten mussten, über 100.000 Tonnen Fisch absetzen.

Die britischen Gesetze verboten den Osteuropäern, sich selbst direkt am Fang zu beteiligen. Aber die Fabrikschiffe durften den Fang aufkaufen, verarbeiten und in ihre Heimatländer verschiffen.

Weiter südlich, in der Nähe von Loch Broom, lag ein ostdeutsches Schiff. Die Polen fand man vor Ullapool, und bei Stornoway gehörte ein weiterer »Russenkahn« fast schon zum Bild der Landschaft. Alle kauften sie den schottischen Booten ihren Fang ab, sie alle mussten spätestens an dem Tag wieder auslaufen, an dem die Makrelensaison offiziell endete.

Das russische Schiff, das in Loch Armach, der tiefen Festlandsbucht nördlich der Sommerinseln, vor Anker lag, war von allen das größte.

Carrick lächelte vor sich hin. Er war nicht der einzige an Bord der Marlin, der den schwarzen Rumpf mit seinen Aufbauten ungewöhnlich und interessant fand. Ein paar Männer der Crew hatten sich unter einem Vorwand an Deck eingefunden. Einige taten so, als kontrollierten sie den Kranausleger, der dazu benutzt wurde, die schnelle Motorbarkasse der Marlin auszusetzen. Andere wiederum, darunter der Koch und zwei ölverschmierte Maschinisten aus dem Maschinenraum, lehnten einfach an der Reling des Hinterdecks und blickten offensichtlich gelangweilt zu dem russischen Schiff hinüber.

»Ich hasse es, Sie zu stören, Erster«, sagte Shannon mit leichtem Sarkasmus, »aber würde es Ihnen etwas ausmachen, aufzuwachen?«

»Sir?« Carrick ignorierte das Grinsen des Rudergängers - erschreckend zur Schau gestelltes zahnloses rosafarbenes Zahnfleisch.

»Überzeugen Sie sich, ob die beiden dort oben bereit sind.« Shannon warf auch dem Rudergänger einen finsteren Blick zu. »Und Sie - achten Sie auf Ihren verdammten Kurs!«

Der Rudergänger setzte ein empörtes Gesicht auf. Die Kompassnadel hatte kaum gezittert. Aber er widersprach nicht.

Carrick wandte sich ab, ging durch die Tür an Steuerbord und weiter auf das offene Brückennock. Auf einer Plattform über der Brücke war der große Suchscheinwerfer der Marlin montiert und wie immer tagsüber mit einer Persenning abgedeckt. Auf der Plattform standen zwei Männer: ein junger, bekümmert aussehender mit einer Kamera und ein dicker rothaariger im Overall, der Carrick zuwinkte.  

»Alles in Ordnung?«, rief Carrick.

»Fragen Sie nicht mich!« Obermaat William »Clapper« Bell kratzte sich durch den Overall in der Achselhöhle. Er war der Bootsmann der Marlin, ein derber Ire aus Glasgow und hatte ein Gesicht, das aussah wie mit einer stumpfen Axt zugehauen. Er wies mit dem Daumen auf seinen Kameraden und zwinkerte. »Fragen Sie den Fachmann.«

»Nun?«, meinte Carrick resigniert.

»Es gibt ein Problem«, gestand der andere wie stets bekümmert. Der junge, sommersprossige, übergewichtige Jumbo Wills, Zweiter Maat an Bord, lebte einerseits in Ehrfurcht vor Shannon und andererseits in der ewigen Sorge, was für ein Missgeschick ihn, den geborenen Pechvogel, als nächstes erwartete. Er leckte sich über die Lippen. »Es ist dieses verdammte Teleobjektiv, Webb. Ich weiß nicht, wie man damit umgeht.«

»Oder wo man’s hintut«, warf Clapper Bell hilfreich ein.

»Halten Sie den Mund«, knurrte Carrick barsch, froh, dass Wells nicht allein hier oben war. »Jumbo, richten Sie das Ding einfach auf das, was Sie fotografieren wollen und knipsen Sie drauflos, knipsen Sie, knipsen Sie.«

Er wandte sich ab, blieb aber in der Nähe der Brückennock. Der Flottenstützpunkt zeigte großes Interesse an Fotografien von der Zarakov, Aufnahmen, die dann wahrscheinlich auf einem Schreibtisch im Verteidigungsministerium enden würden. Falls Wills daran gedacht hatte, einen Film in die Kamera einzulegen.

Carrick seufzte und beobachtete eine große schwarzköpfige Möwe, die über den Bug der Marlin hinwegsegelte, dann einen weiten Bogen beschrieb und mit ihnen weiterflog. Es war früher Nachmittag, die Sonne stand hoch in einem fast wolkenlosen blauen Himmel, und die leichte Dünung in dem geschützten Meeresarm täuschte eine fast glatte See. vor. Die Maschinen der Marlin arbeiteten ruhig und gleichmäßig, ihr Kielwasser glich einem milchigen Band auf dem funkelnden Wasser. Die Brise war eben kräftig genug, um die blaue Flagge mit dem goldenen Kennzeichen des schottischen Fischereischutzdienstes am Fleck hin und her flattern zu lassen.

Voraus, wo die Zarakov vor Anker lag, war Loch Armach noch immer über zwei Meilen breit. Auf beiden Küstenstreifen standen vereinzelt hübsche Häuser, umgeben von taschentuchgroßen Feldern, auf denen Rinder weideten. Hinter den Feldern trotteten Schafe gemächlich über die mit Heidekraut überwucherten Hügel, die sich ins Landesinnere duckten und dort in eine ferne Bergkette übergingen.

Es war ein schönes, alltäglich friedliches Bild. Störend wirkte nur der massige schwarze Rumpf mit den aufragenden Zwillingsschornsteinen, die sich selbst auf höchst unwillkommene Weise in den Mittelpunkt rückten. Und im Vergleich zu der Zarakov schrumpfte die Marlin mit ihrer Länge von fünfundfünfzig Metern zu einer schaukelnden Nussschale zusammen.

Aber die Marlin mit ihrem gedrungenen Schornstein und den schnittigen Linien eines abgewrackten Zerstörers wurde mit Besuchern und Problemen jeder Art und Größe fertig. Vierhundert Tonnen gehärteten Stahls, und dennoch konnten ihre 2000-PS-Dieselmaschinen, wenn nötig, dreißig Knoten Fahrt machen. Ihre Besatzung bestand aus dreißig Mann, drei Wachoffizieren und dem Maschinenpersonal. Jeder einzelne vom ersten bis zum letzten, sogar Jumbo Wills, war ein sorgfältig ausgesuchter Fachmann auf seinem Gebiet.

Die Besatzung der Zarakov mochte es eigenartig finden, dass Schiffe des Küstengeschwaders nicht einmal mit einer Deckskanone ausgerüstet waren.

Aber die Küstenschutzkreuzer vertraten entlang der schottischen Küste und in der 200-Meilen-Zone das Gesetz. Jeder Fischer, der das Pech hatte, sich mit der Marlin anzulegen, wusste, dass sie über etwas ebenso Wirksames wie Bordkanonen verfügte.

Shannon. Er führte sein Schiff mit einer Mischung aus Erfahrung, Schlauheit und unglaublicher Tüchtigkeit, die ihm den Beinamen »Henker in Seemannsstiefeln« eingetragen hatten. Als Shannon ihn zum ersten Mal gehört hatte, war er entzückt gewesen.

Carrick verzog das Gesicht. Shannon näherte sich einem Alter, in dem er aus dem aktiven Dienst ausscheiden musste, obwohl Gott jenen beistehen mochte, die auch nur anzudeuten wagten, dass er für den Job zu alt wurde.

Es war nur einfach so, dass ein Problem Carrick quälte. Und sein Captain war, ohne dass er es wusste, ein Teil dieses Problems.

 

Die Marlin steuerte so dicht am Bug der Zarakov vorbei, dass es aussah, als laufe sie auf Kollisionskurs. Dann glitt sie langsam an der Steuerbordseite des Russen entlang, während die See nervös zwischen den beiden Schiffsrümpfen plätscherte und aus dem Schornstein des Fischereikreuzers eine kaum sichtbare Abgaswolke entwich. Der obere Rand dieses Schornsteins lag wesentlich tiefer als das Hauptdeck des Russen, auf dem sich plötzlich dichte Reihen von Zuschauern eingefunden hatten.

»Wie ich sagte, ein großes, hässliches Ungetüm«, brummte Shannon. Er war aufgestanden, und sein Hauptaugenmerk schien der scheinbar beiläufigen Begutachtung des Wasserstreifens zwischen den beiden Schiffen zu gelten. »Bugstrahlruder, Erster?«

»Ist klar, Sir«, bestätigte Carrick. Er hielt das Brückentelefon in der Hand, um den Befehl durchzugeben, die Bugstrahlruder-Hilfsmaschine anzulassen, die viel dazu beitrug, dass die Marlin auf der legendären und inzwischen nicht mehr im Umlauf befindlichen Sixpence-Münze wenden konnte. Er warf einen Blick zum Deck des anderen Schiffes hinüber. »Wir ziehen ja ganze Volksmengen an.«

»Ein paar davon sind sogar Frauen«, stellte der Rudergänger hilfsbereit fest.

»Dann hätten Sie Ihr Gebiss einsetzen sollen«, maulte Shannon. »Steuern Sie mit wenig Ruder.«

Aber der Mann hatte recht. Carrick warf noch einen verstohlenen Blick hinauf. Ein paar von den Gestalten, die an der Reling der Zarakov lehnten, waren unverkennbar weiblich, trotz der Gummischürzen und der plumpen Overalls. Ein paar winkten den Seeleuten auf dem Deck der Marlin zu, und eine - eine Frau mit ungeheuren »Vorbauten« - machte eine eindeutige Handbewegung, die keiner Erklärung bedurfte und nichts mit der Solidarität der Arbeiter zu tun hatte.

»Was halten Sie von ihr?«, fragte Shannon unerwartet.

»Nicht viel«, antwortete Carrick. Das Schiff - und er setzte voraus, dass Shannon das Schiff meinte -, an dem der Rost am Rumpf nagte und der Anstrich abblätterte, wirkte schäbig und vernachlässigt. Die Zarakov konnte höchstens ein paar Jahre alt sein, doch obwohl die meisten russischen Schiffe gut erhalten und gepflegt waren, war sie schon in stark abgenutztem Zustand. Angefangen bei einem Rettungsboot, das wie betrunken in seiner Verankerung schaukelte, bis zu den überquellenden Abfalleimern, die offen an Deck herumstanden und ständig von Möwen angeflogen wurden, fehlte es der Zarakov an grundlegender Sauberkeit und Instandhaltung. Sogar das Hoheitszeichen, Hammer und Sichel auf dem Schornstein, hätte dringend frischer Farbe bedurft. »Sie können sie behalten.«

Shannon brummte etwas vor sich hin. Die Hände auf die Brückenreling gestützt, die stämmigen Beine auf den dicken Gummimatten, welche die Vibration dämpfen sollten, weit gespreizt, schien er in diesem Augenblick mehr als alles andere ein Teil seines Schiffs zu sein.

»Das ist ein verdammter schwimmender Fischmarkt«, sagte er kurz. »Sie kann in wenigen Minuten eine Tonne Fisch ausnehmen und einfrieren und das vierundzwanzig Stunden täglich, wenn nötig.«

»Fleißig.« Carrick hoffte, dass Wills und Clapper Bell auf der Plattform über ihnen nicht minder fleißig fotografierten - wenn auch nur zum Zweck der Selbstverteidigung. Zwei Matrosen der Zarakov liefen das Deck entlang, hielten mit ihnen Schritt und fotografierten ebenfalls ununterbrochen. Außerdem stand noch jemand mit einem Weitwinkelobjektiv auf der Brücke des Russen, das eher einem Kanonenrohr glich. »Was macht sie sonst noch? Ist sie ein Spionageschiff?«

»Sind sie das nicht alle?« Shannon wies mit dem Daumen auf den Wald aus Antennen und Radarmasten, der auf den Aufbauten des russischen Schiffs wucherte. »Die sind nicht dazu da, dass die Leute bei der Arbeit Musik hören können.«

Langsam glitt die Marlin zuerst mit dem Bug und dann mit der Brücke auf gleiche Höhe mit der russischen Flagge, die am Heck der Zarakov wehte.

»Ruder hart Steuerbord!«, kommandierte Shannon. Als sich das Rad zu drehen begann, nickte er Carrick zu. »Bugstrahlruder Steuerbord. Hauptmaschinen halbe Kraft Backbord voraus, langsam achtern Steuerbord.« Dann fügte er, für den Rudergänger bestimmt, mürrisch hinzu: »Vergessen Sie die Fischerboote nicht. Sie haben Anwälte und klagen auf Schadenersatz.«

Das Deck vibrierte, als die Hilfsmaschine des Bugstrahlruders ansprang und die Hauptdieselmaschinen antworteten. Das Ruder hartgelegt, weiß brodelndes Kielwasser am Heck, schob sich die Marlin stark krängend in einem engen Bogen um die Zarakov herum. Im Maschinenraum wurde deshalb geflucht, und in der Kombüse zerbrach scheppernd Porzellan. Auf der Brücke flog eine Schublade auf, und ein ganzer Schwall von Signalflaggen ergoss sich auf den Boden.

Es war ein spektakuläres, wenn auch nicht unbedingt erforderliches Stück seemännischer Bravour. Als die Maschinen wieder verstummten, grinste Shannon. Sie umrundeten das Heck der Zarakov vollends und gingen auf einen neuen Kurs, parallel mit ihrer Backbordseite.

Dann wurden Shannons Züge starr. Wo eben noch zwei Fischerboote bei der Zarakov längsseits gelegen hatten, war jetzt nur noch eins. Das andere hatte sich von dem Fabrikschiff gelöst und lag etwa dreißig Meter klar. Es hatte noch kaum Fahrt aufgenommen und kroch förmlich durch das Wasser. Und es lag genau auf dem Kurs der Marlin.

Carrick schluckte trocken. Der Rudergänger fluchte und packte das Ruder fester, um ein Ausweichmanöver nach Backbord zu versuchen.

»Behalten Sie Kurs bei!«, knurrte Shannon. »Halten Sie Ihr Ruder mittschiffs. Volle Kraft achteraus, beide Maschinen.« Er starrte wütend auf das Fischerboot, während Carrick den Maschinentelegraphen bediente. »Bewegt euch, ihr verdammten Idioten! Macht, dass ihr wegkommt!«

Auf dem Fabrikschiff und dem zweiten Fischerboot sah man wild gestikulierende Gestalten, es wurde laut auf Russisch und englisch durcheinandergeschrien. Die Besatzungsmitglieder der Marlin, die an Deck waren, rissen die Münder auf und standen hilflos herum.

»Beweg dich doch, verdammtes Ding!«, wiederholte Shannon tonlos.

Die Maschinen der Marlin sprachen schon nach ein paar Sekunden auf den neuen Befehl an. Am Heck begann weißer Schaum zu kochen, ihre Doppelschraube verbiss sich im Wasser und stemmte sich förmlich der Vorwärtsbewegung des Kreuzers entgegen. Aber das genügte noch nicht. Sie würden das Fischerboot genau mittschiffs spalten. Es hieß Harmony und hatte einen dunkelroten Anstrich, Einzelheiten, die sich Carricks Gedächtnis völlig unsinnigerweise einprägten, ebenso wie die Möwen, die wie eine Wolke von der Zarakov aufgeflogen waren und mit ihrem wilden Geschrei das allgemeine Chaos noch erhöhten.

Plötzlich stieß der Auspuffstutzen des Fischerbootes eine schwarze Rauchwolke aus. Die Maschine begann zu dröhnen, und die Harmony schien einen Sprung vorwärts zu machen.

Es war zu spät gewesen. Der Abstand wurde immer geringer, und jetzt sah es so aus, als werde die Marlin, mit immer noch auf volle Kraft achteraus laufenden Maschinen die Harmony achtern in der Nähe des Ruderhauses rammen. Mit geballten Fäusten beschwor er das kleinere Schiff im Stillen, noch schneller zu werden, und bereitete sich gleichzeitig auf den Zusammenprall vor.

Der Bug des Küstenkreuzers nahm ihm jetzt fast die Sicht auf die Harmony. Und dann war sie unglaublicherweise plötzlich klar. Nur Zentimeter von ihrem Heck entfernt rauschten sie vorbei, und dann wuchs der Abstand zwischen ihnen mit jeder Sekunde.

»Jesus!«, stöhnte der Rudergänger ehrfürchtig und saugte an den Lippen seiner zahnlosen Kiefern. »Ich dachte...«

»Achten Sie auf Ihr Ruder!«, fauchte Shannon. Er holte tief Atem. »Beide langsam voraus, Erster.«

Augenblicke später setzten sie ihre langsame Fahrt längsseits der Zarakov fort. Die Harmony hatte gestoppt und driftete. Aus dem Ruderhaus war ein blonder Mann - zweifellos ihr Skipper - gestürmt, drohte mit der Faust und brüllte etwas Unverständliches.

»Er scheint nicht gerade erfreut zu sein«, sagte Shannon mit ungewöhnlicher Milde.

»Nein, Sir.« Carrick atmete tief und blickte zur Reling der Zarakov hinauf, an der sich die Menschen drängten. »Wir haben ihnen einen ganz schönen Schreck eingejagt.«

»Vielleicht haben wir sie auch enttäuscht - die da oben, meine ich«, brummte Shannon vor sich hin. Er schwieg, bis die Marlin vom Bug der Zarakov klar war und dicht an ihrer rostenden Ankerkette vorüberglitt. Vor ihnen lagen die Mündung des Lochs und die offene See. Shannon sah sich um. »Wo ist unser Freund?«

Carrick folgte seinem Blick. Das Fischerboot hatte wieder Fahrt aufgenommen, es lag auf einem ähnlichen Kurs und fuhr nicht besonders schnell, aber mit gleichmäßiger Geschwindigkeit.

»Übernehmen Sie, Erster«, befahl Shannon. »Bringen Sie beide auf volle Kraft voraus. Beenden Sie die Patrouille wie üblich, und nehmen Sie dann Kurs auf Port Ard.« Auf dem Weg zum Niedergang blieb er noch einmal stehen. »Die Harmony kommt aus Port Ard. Wir werden sie wiedersehen.«

Er ging hinunter und wandte sich in die Richtung, in der seine Tageskabine lag. Carrick atmete tief ein und ganz langsam aus und griff dann nach dem Maschinenraumtelegraphen. Allmählich kamen die Diesel der Marlin auf Touren, und das Brückendeck begann stärker zu vibrieren.

»Sir!« Der Rudergänger lachte leise. »Das Fischerboot signalisiert uns etwas.« Er unterbrach sich und wartete vor sich hin grinsend eine Weile ab. »Ganz schön wütend, wie?«

Das kleinere Boot lag achtern in einiger Entfernung hinter ihnen, aber das Licht, das auf dem Ruderhaus zu blinken begonnen hatte, überschüttete sie mit einem hitzigen gemorsten Wortschwall. Der Signalgast machte ihnen wahrhaftig die Hölle heiß.

Carrick rief sich die Position des Fischerbootes in Erinnerung und betrachtete den noch weiter achtern liegenden langen schwarzen Rumpf des russischen Fabrikschiffs. Er schüttelte den Kopf.

Der Skipper der Harmony war im Unrecht. Shannon war im Recht gewesen.

Die Marlin auf Kurs zu halten und nicht zu versuchen, sie aus der Gefahrenzone hinauszusteuern, war ihre einzige Chance gewesen. Alles andere hätte bei einem so geringen Abstand zur Katastrophe geführt. Hätten sie nach Backbord abgedreht, wäre die Harmony gerammt worden, als sie versuchte, klar zu kommen. Hätten sie versucht, ihrem Heck auszuweichen, wäre dies das Ende für die Marlin gewesen, mit dem Fabrikschiff verkeilt.

Da er gewusst hatte, dass es keine Möglichkeit gab, rechtzeitig zu stoppen, hatte Shannon seine Entscheidung getroffen - und das sofort. Sofort - nur darauf kam es an.

Ganz bewusst begann Carrick darüber nachzudenken, wie schnell er wohl reagiert haben würde, hätte er die Entscheidung treffen müssen. Wäre er fähig gewesen, die Situation zu meistern? Es war wichtig für ihn, dass er sich die Frage ehrlich beantwortete und sich nichts vormachte.

Die Steuerbordtür flog auf, und Jumbo Wills kam von der Brückennock herein. Er hielt seine Kameraausrüstung fest umklammert und sah sehr blass aus. Dicht hinter ihm tauchte Clapper Bell auf, doch der Bootsmann grinste.

»Wo ist der Alte?«, fragte Wills und legte die Kameraausrüstung auf einem Kasten ab.

»Unter Deck gegangen«, antwortete Carrick. »Habt ihr die Fotos?«

»Wir haben es versucht«, meinte Wills abwehrend.

»Bis der Spaß losging«, sagte der rothaarige Bell lakonisch. Er legte die Kamera, die er trug, neben die übrige Ausrüstung und wandte dann seine Aufmerksamkeit dem Licht zu, das noch immer von der Harmony herüberblinkte. »Kein besonderer Künstler mit der Lampe, oder? Und wen«, fügte er stirnrunzelnd hinzu, »nennt er da eigentlich einen Wahnsinnigen?«

»Also, ich kann es mir vorstellen«, sagte Will beleidigt. »Wenn Sie dort oben gewesen wären, wo wir waren, Webb...«

»Erzählen Sie das dem Captain«, forderte Carrick ihn ungerührt auf.

»Es würde ihm Spaß machen.« Clapper Bell blinzelte ihm zu. Er und Carrick arbeiteten zu oft als Taucherteam der Marlin zusammen, zwischen ihnen gab es keine Förmlichkeiten. Die Art von Partnerschaft, welche die Arbeit unter Wasser erfordert, bringt auch ihre eigene Disziplin hervor. »Los, gehen Sie schon, Mr. Wills - Ruhm oder Tod.«

»Verschwinden Sie«, erwiderte Wills empört. Er sah Carrick finster an. »Webb, ich denke...«

»Bitte nicht«, warf Carrick müde hin. »Sobald Sie anfangen zu denken, landen wir gewöhnlich in Schwierigkeiten.« Das kam der Wahrheit so nahe, dass es verletzte.

Wills errötete tief, fuhr aber hartnäckig fort: »Hören Sie, ich glaube, man wollte uns reinlegen.«

»Wer? Die Russen?« Carrick war ehrlich überrascht.

»Warum nicht?« Wills geriet in Begeisterung. »Wir hacken eines unserer Fischerboote in zwei Teile. Sie fotografieren uns, fotografieren das Fischerboot und - und...« Er unterbrach sich, wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte.

»Wir machen Schlagzeilen in der Prawda, was?« half Carrick ihm ironisch weiter. Das Deck begann unter seinen Füßen stärker zu schlingern. Sie hatten den geschützten Loch Armach hinter sich gelassen, und die träge kurze Dünung des Atlantiks hieß sie wieder willkommen. »Vergessen Sie’s, Wills«, fuhr Carrick fort. »Sie haben Besseres zu tun.« Er merkte, dass der Rudergänger lauschte und fügte hinzu: »Wir übrigens auch. Auf Kurs zu bleiben, zum Beispiel.«

Der Rudergänger formte mit seinen Gummilippen eine Entschuldigung und täuschte eine geringfügige Kurskorrektur vor.

 

Wills und Clapper Bell gingen unter Deck. Carrick wurde von Ferguson, dem dritten Wachoffizier der Marlin, abgelöst. Der älteste von ihnen, in mittleren Jahren und grauhaarig, war Ferguson, von Natur aus wortkarg. Dem Rang nach zweiter Offizier, war er nach mehreren Jahren an Land wieder auf See zurückgekehrt. Niemand wusste viel über ihn, und er beließ es dabei.

Carrick übergab, verließ die Brücke, trat aber, bevor er endgültig hinunterging, auf das Hauptdeck hinaus. Die Sonne hatte den Mittagshöchststand schon überschritten, und sie waren noch etwa eine Stunde von Port Ard entfernt. Eine halbe Meile vor der unbewohnten felsigen Küste dampften sie in südlicher Richtung. Das einzige andere Schiff in Sicht war ein MacBrayne-Küstenschiff, das auf einer Fahrt von Insel zu Insel am Horizont vorbeizog.

Carrick hörte ein Klappern und blickte über die Schulter. Der Koch der Marlin schüttete einen Eimer Spülwasser über die Reling.

»Was gibt es zum Essen?«, fragte Carrick.

»Eintopf, Sir.« Der Koch, ein standesgemäß beleibter Mann, der manchmal ein illegales Würfelspiel organisierte, musterte ihn mit misstrauischer Vorsicht. »Irish Stew - der Captain mag Irish Stew.« Er unterbrach sich und fügte, als müsse er sich verteidigen, hinzu: »Es riecht gut.«

»Das überrascht mich. Strengen Sie sich an, dass es so bleibt.« Carrick lächelte schief.

Er sah dem Mann nach, der in seiner Kombüse verschwand, und ging dann selbst nach unten.

Die Offizierskabinen lagen zwischen den Decks und achtern der bescheidenen Offiziersmesse der Marlin. Carrick machte dort kurz halt, um sich einen Becher Kaffee aus der Kanne einzuschenken, die auf einem Seitentisch warm gehalten wurde. Der einzige, der sich in der Messe aufhielt, war der zweite Ingenieur, ein junger Waliser aus Cardiff namens Butler. Er hatte wachfrei, und als Carrick hereinkam, blickte er von seinem Buch auf und nickte ihm fröhlich zu.

»Haben wir die Absicht aufgegeben, Schlachtschiff zu spielen?«, fragte er höflich.

»Verschwinden Sie, und machen Sie sich irgendwo nützlich, vielleicht kriegen Sie einen Orden dafür«, antwortete Carrick bissig.

Butler lachte und wandte sich wieder seinem Buch zu.

Carrick nahm den Kaffee in seine Kabine mit und schloss die Tür hinter sich. Er blieb einen Augenblick stehen, trank langsam und dachte nach.

Er war untersetzt, einsfünfundsiebzig groß, Anfang der Dreißig, hatte dunkelbraunes Haar und sah recht gut aus. Gewöhnlich wirkte er, auch wenn er in Gedanken war, ziemlich unbeschwert.

Die ein wenig zu dünnen Lippen verliehen jedoch seinem grobknochigen, wettergegerbten Gesicht manchmal einen leicht zynischen Ausdruck, auch wenn er ihn gar nicht beabsichtigte.

Doch auf sein unbeschwertes Wesen konnte man sich nicht unbedingt verlassen. Das hatte sogar Captain Shannon sehr bald gelernt. Webb Carrick konnte sehr eigensinnig sein.

In diesem Augenblick war Shannon, obwohl er es nicht wusste, ein Teil jener Entscheidung, die Carrick bis zum Ende dieser Patrouille der Marlin treffen musste.

Seine Uniformjacke hing hinter der Kabinentür, der Brief steckte in einer Innentasche. Er hatte ihn kurz vor dem Auslaufen aus Greenock bekommen.

Carrick stellte den Becher weg, nahm den Brief und las ihn noch einmal, obwohl er den Text inzwischen auswendig kannte.

Auf Papier mit dem Briefkopf der Abteilung geschrieben, war der Brief eher ein vorsichtiges Abtasten und Ausloten als ein direktes Angebot. Unterschrieben war er vom Marine-Superintendent des Schutzgeschwaders. In ein paar Monaten sollte ein neues Schiff in Dienst gestellt werden. Den Captain wollte man jedoch schon vorher ernennen, damit er dabei sein konnte, wenn die Ausrüstung zusammengestellt wurde. Der letzte Absatz des Briefes enthielt die wichtigste Mitteilung.

»Derzeit wird die Besetzung dieses Kommandos ernsthaft diskutiert. Falls Sie wünschen, dass ich Ihren Namen in die Debatte einbringe und weiterleite, geben Sie mir bitte bis Ende dieses Monats Bescheid.«

Das neue Schiff hieß Barracuda. Kleiner als die Marlin, aber schneller, mit elektronischen Geräten vollgestopft, mit einem ganz neu konstruierten Rumpf und einem kleinen Hubschrauberlandeplatz achtern. Und alles - außer vielleicht der Kaffeemaschine - konnte direkt von der Brücke überwacht werden.

Zwischen den Zeilen las er, dass er die Barracuda bekommen konnte.

Ein neues Schiff und sein erstes Kommando. Mit nachdenklich gefurchter Stirn faltete Carrick den Brief zusammen und schob ihn wieder in die Tasche der Uniformjacke. Während er sich stirnrunzelnd in dem Spiegel über dem winzigen Waschbecken betrachtete, nahm er einen Schluck Kaffee und kniff die Augen zusammen, weil er bestimmt schon zum hundertsten Mal darüber nachdachte. Es war mehr als schwierig, zu einer Entscheidung zu kommen, obwohl es andererseits verrückt schien, auch nur die geringsten Zweifel zu hegen.

Er sah sich in der Kabine um. Es war beengt, ein einziges Bullauge unmittelbar über der Wasserlinie. Auch bei ruhiger See besprühte alle paar Sekunden Gischt das Glas. Die Einrichtung beschränkte sich auf seine Koje, einen verschließbaren Spind, einen Klapptisch, einen Stuhl und ein paar andere unumgänglich notwendige Dinge. Wenn die Marlin mit voller Kraft ein Schiff verfolgte, vibrierte sie wie eine Trommel.

Trotzdem war sie während der letzten beiden Jahren sein Heim gewesen. Bis dahin hatte er Dienst bei der Handelsmarine getan. Er hatte zwar ein neu erworbenes Kapitänspatent in der Tasche, aber kein Schiff und wenig Aussichten, vorwärtszukommen. So hatte er eifrig zugegriffen, als man ihm den Posten des Ersten Offiziers auf der Marlin angeboten hatte. Sehr bald hatte er unter Shannons Kommando gelernt, wie wenig er im Grunde über die See wusste.

Der schottische Fischereischutz-Dienst war nichts anderes als eine Hochsee-Polizei und ein Seerettungsdienst - eine einzigartige staatliche Organisation, die 130.000 Quadratmeilen schottischer Gewässer entlang einer der gefährlichsten Küsten der Welt patrouillierte.

Das Gebiet, das die Marlin zu kontrollieren hatte, gehörte zu den seefahrerisch schwierigsten Abschnitten dieser ungeheuren Fläche. Vom sturmumtosten Butt of Lewis im Norden zu den wandernden Sandbänken des Solway im Süden legte sie ungefähr 40.000 Seemeilen pro Jahr zurück. Zusammen mit ihren Schwesterschiffen vertrat sie Recht und Gesetz zur See und bemühte sich, die Ordnung in einem harten multinationalen Industriezweig aufrechtzuerhalten, der weder von Gesetz noch von Ordnung besonders viel hielt.

Fangzonen und -beschränkungen, Schutz und Ermittlung bei Übertretungen - die Einsätze waren hoch. Die schottische Fischereiflotte brachte alljährlich offizielle hundertachtzig Millionen Pfund Fisch an Land, und nicht einmal Zyniker wagten zu schätzen, um wieviel die illegalen Fangquoten die legalen überstiegen. Andere Nationen hatten andere Rechte, andere Quoten, andere Verbote. Holländer und Deutsche, Franzosen oder Norweger, die Handelsflotten der Ostblockstaaten, alle verhedderten sich in einem Netz aus Regeln und Vorschriften, die das Fischvorkommen für die Zukunft sichern und schützen sollten, und alle versuchten irgendwie eine Lücke in den engen Maschen zu finden.

Denn Fisch bedeutete Geld. Nicht selten entbrannten regelrechte Kleinkriege zwischen den Booten verschiedener Nationen - mit so unerwartet auftretenden Rivalen wie Spaniern aus dem Mittelmeer oder einem hin und wieder auftauchenden Bulgaren, der die lange Fahrt vom Schwarzen Meer nicht gescheut hatte.

Carrick ging in seiner kleinen Kabine auf und ab, blieb am Bullauge stehen und blickte auf die mit Schaumkronen übersäte See, die nur Zentimeter von ihm entfernt vorüberglitt.

Fischereischutz spielte eine bedeutsame vielschichtige Rolle. Selbst der durchschnittliche Skipper eines Fischerboots, der nur zu gern alle »Fischereischnüffler« verfluchte, gab bereitwillig zu, dass er manchmal eine Art Hassliebe für sie empfand.

Bei einem illegalen Fang ertappt, erwartete den Skipper eine Gefängnisstrafe und eine Geldbuße bis zu einer Höhe von 50.000 englischen Pfund. Sein Boot, der Fang und die Ausrüstung wurden beschlagnahmt. Wenn man dieses Risiko gegen den Profit abwog, den man einstreichen konnte, wenn man unentdeckt blieb, dann lohnte es sich oft, dass man es wagte. Nicht, dass sich ein ertapptes Fischerboot ohne Widerstand ergab - oft geschah das erst nach einer atemberaubenden Verfolgungsjagd durch Riffe und Strudel und erst, nachdem die Männer vom Fischereischutz das Boot geentert und mit harten Fäusten bewiesen hatten, dass sie mit jedem Widerstand fertig wurden. Aber Fischereischutz war gleichzeitig auch Such- und Rettungsdienst, war Schiedsgericht und kümmerte sich um Dinge wie Ölverschmutzung durch Bohrinseln und Tanker.

Carrick erinnerte sich an ein altes schottisches Sprichwort und lächelte vor sich hin. »Lieber mit dem Teufel paktieren, den du kennst, als mit dem, den du nicht kennst.«

Sobald die Barracuda vom Stapel gelaufen war, würde man sie dort einsetzen, wo es am brenzligsten war. Er wollte das Kommando. Aber, verdammt, war er überhaupt fähig, ein Schiff allein zu führen?

Er resignierte. Er brauchte jetzt dringend eine Zigarette. Auf der vorletzten Patrouille hatte er zwar offiziell das Rauchen aufgegeben. Aber auf der Unterseite seiner Koje hatte er eine Packung und ein Streichholzheftchen mit Klebeband befestigt. An einem Platz, an dem sie schwer zu erreichen waren - etwa so wie ein Alkoholiker, der sich das Trinken abgewöhnen wollte, für Notfälle immer eine Flasche versteckt hatte.

Er bückte sich, holte Zigaretten und Streichhölzer hervor und zündete sich eine an. Schon beim ersten Zug war ihm leichter zumute.

Ein Kommando beim Fischereischutz musste auch noch unter einem anderen Aspekt betrachtet werden. Man musste in diesem Hexenkessel von Küste auch ein wahrer Hexenmeister in der Beherrschung der Seemannskunst sein.

Er wusste, dass er an jedem Tag noch etwas lernen konnte, an dem er mit Shannon zusammen war. Dieser störrische, oft übellaunige alte Bär von einem Mann konnte aus einer bestimmten Welle, der Beschaffenheit der Meeresoberfläche im Morgengrauen oder sogar aus dem Verhalten der Möwen alles herauslesen, was er brauchte.

Shannon lehrte durch sein Beispiel, erklärte nur selten etwas. Aber lernen konnte man alles bei ihm, und das Manöver, das sie eben erlebt hatten, war nur ein weiteres Beispiel gewesen.

War er also wirklich bereit für ein eigenes Kommando?

Er tat noch einen ausgiebigen Zug von seiner Zigarette und schob sie dann nur angeraucht, beinahe zornig in den Abfluss des Waschbeckens.

Unsicherheit und Zweifel waren schlechte Berater im Dienst beim Fischereischutz. Und die See selbst war noch unerbittlicher.

Ihm blieb noch die Dauer dieser Patrouille, sich zu entscheiden.

 

Die Marlin erreichte Port Ard um zwei Uhr nachmittags und machte auf einem Liegeplatz auf der Westseite des kleinen Hafens fest - einem Liegeplatz, auf dem bis vor kurzen noch ein kleiner Öltanker gelegen hatte. Sie sahen ihn auslaufen, ein gedrungenes, ausschließlich nach dem Nützlichkeitsprinzip gebautes Schiff, das hoch im Wasser lag, nachdem es den größten Teil seiner Ladung an Vorratstanks an Land abgegeben hatte.

Es war ein glattes Landemanöver, bei dem sich die Fender nur leicht an der Kaimauer rieben. Ein weit über der augenblicklichen Wasserhöhe liegender grüner Schleimrand an der Mauer sagte auch dem Unkundigen, dass jetzt Ebbe war. Carrick hielt sich achtern auf. Jumbo Wills war mit seinen Arbeiten auf dem Hinterdeck beschäftigt, und Shannon stand neben Ferguson auf der Brücke.