Blutpforte 1 - Alex Thomas - E-Book

Blutpforte 1 E-Book

Alex Thomas

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Beschreibung

Dieses E-Book ist der erste von vier Teilen von »Blutpforte«. Tauchen Sie ein in die unergründliche Welt des Vatikans, voller Rätsel und explosiver Geheimnisse! Wie es mit Kardinal Ciban und der unbeugsamen Catherine Bell weitergeht, erfahren Sie im zweiten Teil ...

Eine rätselhafte Nachricht erreicht Ordensschwester Catherine Bell: Ihre Adoptivmutter Ava, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt hatte, will Catherine endlich die Wahrheit über ihre leiblichen Eltern erzählen. Doch ahnt Catherine nicht, dass diese Botschaft so brisant ist, dass jemand dafür töten würde. Irgendjemand will mit aller Gewalt verhindern, dass die junge Ordensfrau hinter das streng gehütete Geheimnis ihrer Geburt kommt. Die Spur führt Catherine in das dunkle Herz des Vatikans ...

Teil 1 von 4.

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Seitenzahl: 135

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Buch

Dieses E-Book ist der erste von vier Teilen von »Blutpforte«. Tauchen Sie ein in die unergründliche Welt des Vatikans, voller Rätsel und explosiver Geheimnisse! Wie es mit Kardinal Ciban und der unbeugsamen Catherine Bell weitergeht, erfahren Sie im zweiten Teil ...

Autor

Alex Thomas ist das Pseudonym eines im Westen Londons lebenden Autorenehepaares. Sie arbeitet seit über zwei Jahrzehnten im Buch- und Medienbetrieb. Er forscht und lehrt als Professor an einer Londoner Universität. Beide entdeckten ihre gemeinsame Liebe für Geschichte, Wissenschaft und das Schreiben. Ihre Reihe um die rebellische Nonne Catherine Bell – Lux Domini, Engelspakt, Engelszorn – begeistert die Fans von Vatikan- und Mystery-Thriller.

Alex Thomas

Blutpforte

Teil 1

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

E-Book-Ausgabe 2017 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

Umschlaggestaltung: Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: Masterfile/Beanstock Images

Redaktion: René Stein

BL ∙ Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-21699-3V002www.blanvalet.de

Für J.J.A. & Frank H.

Intro

Seit wir mit Lux Domini Schwester Catherine Bells erstes Abenteuer erzählten, haben uns etliche Leserbriefe erreicht. Mit Erscheinen von Catherines drittem Fall werden wir zunehmend gefragt, ob unsere Romane in einer bestimmten Reihenfolge gelesen werden müssen.

Nun, wir achten darauf, dass jede Geschichte unabhängig voneinander gelesen werden kann, jedoch entwickelt sich unser Romanuniversum natürlich von Episode zu Episode weiter, Bezüge zu vorangegangenen Ereignissen bleiben also nicht aus. Für das größte Lesevergnügen empfehlen wir daher den Einstieg mit Lux Domini, gefolgt von Engelspakt und Engelszorn.

Zur besseren Orientierung und für das leichtere Verständnis unseres Thrilleruniversums haben wir ans Ende jedes Romans ein Glossar mit besonderen Begriffserläuterungen gestellt. Außerdem befindet sich in Blutpforte eine Liste mit Kurzbeschreibungen der Haupt- und wichtigsten Nebenfiguren.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen von Schwester Catherines viertem Abenteuer. Und immer daran denken: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.

Alex Thomas

Ich bin durch die Tore der Finsternis geschritten.Ich habe das Reich Gottes gesehen.Und ich sage euch, das Reich Gottes ist nicht Licht!

(Lucifer aus:

Die Hölle, die ihr Himmel nennt)

Prolog

30. Mai 1431,

Rouen, Frankreich

Der Sommer stand vor der Tür, und doch fror Bruder Guillaume durch seine Kutte bis auf die Knochen. Aus der Stadt und aus dem Umland hatten sich Tausende von Menschen auf dem Marktplatz versammelt, um die Hinrichtung des Mädchens zu bezeugen. Etliche hatte die Neugierde zum Richtplatz getrieben. Anderen sah der Mönch an, dass sie der Exekution am liebsten ferngeblieben wären, fürchteten sie nicht die harte Strafe, die mit einer Abwesenheit verbunden war.

Guillaume vom Kloster der Predigerbrüder blickte auf die drei mächtigen Gerüste, die die Engländer hatten errichten lassen. Eines für die Richter, eines für die hohen Prälaten und eines für die Reisigbündel, mit denen der Scheiterhaufen in Brand gesetzt würde. Zwei der Gerüste zierten Flaggen der britischen Monarchie. Auf dem höchsten Gerüst entdeckte Guillaume den Bischof von Beauvais und den Kardinal von Winchester. Zwei mächtige Männer in Violett und Scharlachrot, Männer Gottes voller Machtgier und Hass. Die Männer, die das Mädchen verraten hatten.

Der Mönch zog seine Kapuze tiefer ins Gesicht, während sein Blick weiter zum hohen Podest des Scheiterhaufens wanderte. Unter Lord Bedford hatten die Engländer für das Mädchen einen ganz besonderen Scheiterhaufen errichten lassen. Üblicherweise wurde Stroh ebenerdig mit Holz, Pech und Schwefel untermischt; dessen Brennstoffe erstickten das Opfer und ersparten ihm die größten Qualen. Dieser Scheiterhaufen jedoch stand auf einem hohen, eigens für dieses Ereignis gemauerten Gipssockel, damit die Pein in den Flammen am größten war. Auch konnte das Volk die Verurteilte so besser brennen sehen.

Guillaume hörte den schweren Karren, der langsam durch die Straßen auf den Marktplatz zurollte. Über achthundert mit Äxten und Lanzen bewaffnete Landsknechte bewachten das Volk und hielten es von den Gerüsten, dem Scheiterhaufen sowie dem Karren fern. Die hohen Prälaten, die das Mädchen verraten und verurteilt hatten, fürchteten einen Aufstand, denn unter den Einheimischen befanden sich viele Anhänger der Pucelle. Und die Bürger von Rouen fürchteten aufgrund der Hinrichtung einen Fluch.

Das Mädchen stand auf der Karre wie eine Statue, trug ein schlichtes, in Schwefel getauchtes Gewand und eine Haube, unter der sie nur noch den Boden unter ihren nackten Füßen erkennen konnte. Neben der Pucelle standen ein Priester und Bruder Martin. Beide begleiteten sie auf ihrem letzten Weg. Die Miene des Priesters glühte vor fanatischer Inbrunst, in Bruder Martins Gesicht konnte Guillaume Trauer und Verzweiflung sehen.

Als der Karren vor dem dritten Gerüst zum Halten kam, breitete sich Unruhe unter den Menschen aus. Viele begannen zu beten, laut zu jammern und zu weinen. Sie beteten und weinten für die Pucelle. So etwas hatte Guillaume noch bei keiner Hinrichtung erlebt.

Bruder Martin streckte dem Mädchen die Hände entgegen und half ihm von dem hohen Karren hinunter. Alle drei stiegen die Stufen zur Plattform hinauf. Obwohl das Mädchen von den zahlreichen Verhören sowie der Kerkerhaft geschwächt war und zitterte, zögerte es mit keinem Schritt. Der Priester ging der Pucelle mit Hass und Genugtuung voran.

Auf dem zweiten Podest trat einer der Geistlichen vor und rezitierte aus einem dicken Buch. Guillaume hörte die Worte, doch sie erreichten ihn nicht. Schlafmangel und die Anstrengungen der letzten Nacht – eine geheime Befreiungsaktion – machten ihm zu schaffen. Nur die letzten Worte der Rede des Geistlichen drangen an sein Ohr.

»So erklären wir Euch erneut der Exkommunikation verfallen, die Ihr mit der Rückfälligkeit in Eure früheren Irrtümer und Ketzerei auf Euch geladen habt. Mit diesem Urteil erklären Wir, die Wir Euch zu richten haben, dass Ihr wie ein brandiges Glied aus der Einheit der Kirche ausgestoßen und von ihrem Leibe weggerissen werdet, damit Ihr die anderen Glieder nicht ansteckt – und dass Ihr dem weltlichen Arm ausgeliefert werdet. Wir bitten die weltliche Gerichtsbarkeit, ihr Urteil über Euch zu mäßigen ohne Tötung und Verstümmelung der Glieder. Und wenn ein Zeichen echter Reue bei Euch offenbar wird, soll Euch das Sakrament der Buße gespendet werden.«

Im Kern besagten die Worte, dass die Kirche das Mädchen nicht mehr schützen könne, weswegen man es nun der weltlichen Gerichtsbarkeit übergab, was einem Todesurteil gleichkam. Was für ein Hohn!

Dann trat der Bischof vor, jenen Hass in den Augen, den er nicht nur auf den Priester übertragen hatte. Er sprach ein paar förmliche Worte. Seine Exzellenz gierte nach Ruhm. Wie Guillaume wusste, hatten die Engländer ihm für diese Schandtat den Posten des Erzbischofs von Rouen versprochen. Doch die Engländer würden ihr Wort nicht halten, und die Richterrolle über die Pucelle würde den hohen Geistlichen zur meistverachteten Figur der Geschichte Frankreichs machen. »Möge Gott sich deiner armen Seele erbarmen«, endete seine Rede kalt.

Zitternd sackte das Mädchen in seinem Schwefelgewand auf die Knie und begann ein Gebet.

Es wurde totenstill.

Laut vernehmlich und mit klarer Stimme bat das Mädchen Gott für seine Sünden um Vergebung und die Aufnahme ins Himmelreich. Auch rief es die heilige Maria, die heilige Katharina, die heilige Margarethe und den Erzengel Michael an, ihm in der Stunde seiner größten Not beizustehen. Aber es unterwarf sich nicht der Kirche und hielt weiter an der Wahrhaftigkeit seiner göttlichen Mission fest. Ebenso sprach das Mädchen seinen König von jeder Schuld frei, ja selbst dem Bischof vergab es sein Unrecht. Die Schuld läge nur bei ihm, dem Mädchen allein.

Guillaume atmete schwer und registrierte, wie noch mehr der Anwesenden in Tränen ausbrachen, weinten und schluchzten. Nur die englischen Soldaten zeigten auf das Mädchen und verhöhnten selbst dieses aufrichtige Gebet. Guillaume war sich sicher, dass keiner von ihnen des Französischen so weit mächtig war, um den Inhalt überhaupt zu verstehen.

Da die weltlichen Richter sich eines endgültigen Urteilsspruchs enthielten, gab der Bischof das Zeichen. Bruder Martin half dem Mädchen auf die Beine und führte es die steile Treppe hinunter zum Podest des Scheiterhaufens. Am Scheiterhaufen hing bereits das Blatt mit dem schriftlichen Todesurteil.

»Bei Gott, ich kann es nicht zulassen«, keuchte eine verhüllte Gestalt neben Guillaume.

Er hielt sie am Ärmel ihrer Kutte zurück und flüsterte ernst: »Ihr habt den Himmlischen Rat gehört. Sie ist kraft der Verbindung durch das gleiche Martyrium gegangen wie Ihr. Bruder Martin hat ihr die Beichte abgenommen und ihr die letzte Kommunion gereicht. Es ist vorbei.«

»Aber sie stirbt – für mich!«

Guillaume spürte über seine feinen Sinne das leise Rauschen von Flügeln, noch bevor er sie sah. Sieben Raben ließen sich auf den Schindeldächern rund um den Marktplatz nieder. Es waren keine gewöhnlichen Raben. Er kannte jeden einzelnen. Sie waren vom Friedhof von St. Quen und vom Kloster der Predigerbrüder herübergeflogen, um ihren Dienst für den Orden zu tun. Es waren Seelenwächter.

»Sie wird nichts spüren«, flüsterte er seiner Begleiterin ins Ohr. »Sie ist Euer Ebenbild. Sie wurde für diesen Augenblick geboren. Sie nimmt ihr Schicksal an, ebenso wie Ihr das Eure annehmen müsst.« Als seine Worte keine erkennbare Reaktion bei der Jungfrau zeigten, fügte er eindringlich hinzu. »Euer König und der Herzog haben für Eure Freilassung viel riskiert. Ihr müsst jetzt stark sein.«

Jeanne begegnete seinem Blick. Die langen Monate der Haft, die langen Monate der Verhöre, des Hungers und der Folter hatten tiefe Spuren im Antlitz der Jungfrau hinterlassen und sie erschöpft. Und ausgerechnet jetzt stand ihr die schwerste Prüfung bevor: Ein reines, unschuldiges Mädchen starb aus freiem Willen an ihrer Stelle, und Jeanne wollte ihr zumindest die letzte Ehre erweisen. Guillaume spürte den inneren Kampf, der trotz der Erschöpfung in seiner Begleiterin tobte. Beruhigend legte er eine Hand auf ihren Arm.

Unterdessen ging das Mädchen mit schweren Schritten, geleitet von Bruder Martin und den anderen, auf den Scheiterhaufen zu. Der triumphierende Jubel der Engländer brandete über das Weinen, Schluchzen und Trauern der Franzosen hinweg.

Das Kohlenbecken brannte wie ein Schlund zur Hölle.

Der Henker wartete.

… denn ihre Werke folgen ihnen nach.

(Offenbarung – Kapitel 14, Vers 13)

TEIL I

1

Rom

Vatikan

Seit Stunden hatte Schwester Martha von der Gemeinschaft der Schwestern der Göttlichen Vorsehung weder etwas gegessen noch getrunken. Über der Lektüre eines mittelalterlichen Folianten, der ein besonders dramatisches Kapitel der Kirchengeschichte enthielt, waren ihr Raum und Zeit entglitten. Und so bemerkte sie auch nicht das wiederholte Räuspern, das von der offenen Tür in ihr kleines, laborähnliches Refugium tief im Herzen der Vatikanischen Archive drang.

»Sagen Sie, Schwester, haben Sie nicht in sieben Minuten ein Treffen mit Hochwürden Pater Hubertus in der Basilika?«

Wie in Trance blickte Schwester Martha von dem alten, vergilbten Schriftstück auf, bis sie den Kopf des Archivsekretärs in der Tür entdeckte und die Bedeutung seiner Worte schlagartig zu ihr durchdrang. Hubertus! Sieben Minuten! Peterskirche!

Sie hätte nicht sagen können, was unter dem Schock zuerst aussetzte: ihr Hirn, ihr Herzschlag oder ihr Atmen. Niemals im Leben würde sie die Strecke von hier bis zum Treffpunkt in der verbliebenen Zeit schaffen. Nicht einmal wenn es ihr gestattet wäre, durch die Flure des Archivs und den Dom mit seinen gigantischen Ausmaßen zu rennen!

Dennoch schnappte Schwester Martha ihre abgenutzte Aktentasche mit dem historischen Textmaterial, um das der Pater – ein Professor der päpstlichen Universität Gregoriana – sie gebeten hatte. Sie stürmte an dem völlig verdutzten Sekretär vorbei zu den Aufzügen, die zu den oberen Bereichen des Archivs führten, wo sie vor lauter Aufregung drei Anläufe brauchte, bis die Schalttafel neben der Aufzugstür ihren ID-Schlüssel akzeptierte. Drei Stockwerke höher stürzte sie aus dem Fahrstuhl, als wären die vier apokalyptischen Reiter hinter ihr her. Eiligen Schrittes raste sie durch die mit Statuen geschmückten Korridore der Vatikanischen Bibliothek in südlicher Richtung zu den Grotten und dann an der Sixtinischen Kapelle vorbei.

Als Schwester Martha den prachtvollen Petersdom durch einen der Nebenzugänge des rechten Seitenschiffs betrat, fiel ihr Blick zuerst auf den barocken Glanz des Hieronymus-Altars. Nach einer geziemenden Drehung nach links hastete sie so unauffällig wie möglich auf den Papstaltar unter dem gigantischen Firmament der Zentralkuppel zu.

In der Ferne glaubte die Nonne auch schon die hagere Gestalt von Pater Hubertus auszumachen. Er beugte das Knie und bekreuzigte sich angesichts des Heiligen Geistes in Gestalt einer von Alabasterstrahlen umgebenen Taube. Geschwind umrundete sie eine Schar von Touristen samt ihrem Gruppenführer und steuerte auf den in goldenes Licht getauchten Bereich hinter dem Hochaltar zu.

Als Schwester Martha die Ausläufer des hinteren Zentrums der Kirche erreichte, tauchte seitlich in ihrem Gesichtsfeld kurz etwas Schwarzes, Flatterndes auf. Fast im gleichen Moment nahm sie die enorme Wucht eines Aufschlags wahr. Die alte Aktentasche mit den Unterlagen für Pater Hubertus entglitt ihrer Hand. Aschfahl mit vor Entsetzen geweiteten Augen stand sie da und starrte auf einen grotesk verdrehten, blutigen Körper, der einmal ein lebendiger Priester gewesen war.

DER ÜBERGANG

2

Villa Ciban

In der Nähe von Rom

Mildes Sonnenlicht flutete die mit luftigen Vorhängen ausgestatteten Räumlichkeiten, keinerlei Straßengeräusche drangen von draußen herein. Keine vorbeifahrenden Autos, keine hastigen Schritte, keine lauten Stimmen wie in Rom. Schwester Catherine Bell ging am Badezimmer vorbei. Es duftete nach Shampoo, nach leichtem Parfüm und nach Aftershave. Es war zwar nicht ihre Aufgabe, doch nach dem Duschen und Ankleiden – sie hatte Jeans und Bluse gewählt – hatte sie das Schlafzimmer und das Bad wieder so hergerichtet, als befände sie sich in ihrem eigenen kleinen Apartment am Campo de’ Fiori und nicht in einer vierhundert Jahre alten Villa mit eigenem Hauspersonal.

Catherine trat an das hohe Fenster und warf einen Blick hinaus. Der Himmel strahlte so blau wie ein Meer, die Vögel zwitscherten in den Bäumen, und die Sonne schien ihr mit ihren wärmenden Strahlen ins Gesicht. Es war, als hätte es den Anschlag auf den Vatikan, den Anblick von Blut und Tod, zwei Wochen zuvor niemals gegeben.

Noch einmal spürte sie die zärtlichen Küsse auf ihrer Haut, den leisen Atem, der sie wie ein Windhauch berührte, den schlanken, muskulösen und von Narben gezeichneten Körper, der sich an sie schmiegte und sich nehmend und gebend in Ekstase wand, bis sich die anwachsende Leidenschaft in Kaskaden von sinnlichem Licht entlud und die Welt in ihr explodieren ließ. Die rauschhafte Sprengkraft dieser Liebe hatte allen Schmerz, alle Finsternis, ja alle Furcht in Catherine zerschmettert und ihr nach all den Katastrophen der letzten Zeit einen inneren Frieden beschert, wie sie ihn noch niemals in ihrem Leben verspürt hatte. Einen Moment lang hatten sich das Licht und die Dunkelheit miteinander versöhnt, als wäre das Urböse, das sie und die Kirche heimgesucht hatte, ein für alle Mal aus der Welt der Lebenden verschwunden.

Doch dem war nicht so. Ganz und gar nicht.

Das Böse hatte in der Gestalt eines menschlichen Todesengels einen Anschlag auf den Vatikan verübt, bei dem viele Todesopfer zu beklagen waren. Dass Catherine überlebt hatte und dass sie trotz der enormen Anforderungen der letzten Tage nicht völlig erschöpft und abgekämpft war, verdankte sie einigen sehr treuen Freunden, ihren regelmäßigen Trainingsrunden im Park der Villa Borghese sowie einem Selbstverteidigungstraining, zu dem sie der gestrenge Präfekt der Glaubenskongregation im Anschluss an einen lebensgefährlichen Einsatz verdonnert hatte, und einer gehörigen Portion Glück.

Damals, vor über eineinhalb Jahren, war Catherine aus Chicago angereist, um sich für ihre kirchenkritischen Bücher vor einem Tribunal der Glaubenskongregation zu verantworten. Und so hatte sie sogar dem amtierenden Großinquisitor Marc Kardinal Ciban Rede und Antwort gestanden. Doch dann geriet sie unversehens in den Strudel einer Mordermittlung, eine Serie von Anschlägen, die indirekt auf das Oberhaupt der katholischen Kirche abzielte, was dazu führte, dass sie mit ihrem Erzfeind Kardinal Ciban enger zusammenarbeiten musste. Das inquisitorische Fahrwasser war dadurch noch gefährlicher geworden, doch am Ende hatten Catherines Mut und die Klugheit, mit der sie den Heiligen Vater unter Einsatz ihres Lebens vor dem Tode bewahrt hatte, ihr den Respekt Cibans samt einem neuen Job in Rom eingebracht.