Blutpforte 4 - Alex Thomas - E-Book

Blutpforte 4 E-Book

Alex Thomas

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Beschreibung

Dieses E-Book ist der vierte und letzte Teil von »Blutpforte«, in dem die Geschichte um Kardinal Ciban und die unbeugsame Catherine Bell ihren fulminanten Abschluss findet! Tauchen Sie ein in die unergründliche Welt des Vatikans voller Rätsel und explosiver Geheimnisse …

WAS BISHER GESCHAH:

Ein weiteres Opfer des Messias-Mörders wird gefunden. Die ISA-Agentin Paula Tennant macht sich auf den Weg nach Rom, um mehr über das katholische Adoptionsprogramm zu erfahren und mit Catherine zu sprechen. Ebenfalls auf dem Weg nach Rom, befindet sich der Privatdetektiv, den Ava Bell engagiert hatte.

Catherine kann es nach dem Telefonat mit dem Erzbischof von Chicago noch immer nicht fassen, dass Ava tot ist. Ciban versucht ihr auszureden, Einblick in die Akten der Messias-Morde zu nehmen, doch sie lässt sich nicht davon abbringen. Sie möchte nach Chicago aufbrechen und den Mord an Ava aufklären. Sie will, dass der Mörder gefasst wird. Ciban, der Catherine nicht alleine nach Illinois fliegen lassen möchte, trifft entsprechende Vorkehrungen. Sie verabreden sich am Leonardo-da-Vinci-Flughafen. Doch als es so weit ist, taucht Ciban dort nicht auf.

Kurz darauf geht ein Beben durch Rom und den Vatikan, das die Menschen aus den Häusern auf die Straßen treibt. Und dieses Beben ist nicht irdischen Ursprungs.

Teil 4 von 4.

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Buch

Dieses E-Book ist der vierte und letzte Teil von »Blutpforte«, in dem die Geschichte um Kardinal Ciban und die unbeugsame Catherine Bell ihren fulminanten Abschluss findet! Tauchen Sie ein in die unergründliche Welt des Vatikans voller Rätsel und explosiver Geheimnisse …

Autor

Alex Thomas ist das Pseudonym eines im Westen Londons lebenden Autorenehepaares. Sie arbeitet seit über zwei Jahrzehnten im Buch- und Medienbetrieb. Er forscht und lehrt als Professor an einer Londoner Universität. Beide entdeckten ihre gemeinsame Liebe für Geschichte, Wissenschaft und das Schreiben. Ihre Reihe um die rebellische Nonne Catherine Bell – Lux Domini, Engelspakt, Engelszorn – begeistert die Fans von Vatikan- und Mystery-Thriller.

Alex Thomas

Blutpforte

Teil 4

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

E-Book-Ausgabe 2017 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: Masterfile/Beanstock Images

Redaktion: René Stein

BL ∙ Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-21702-0V001www.blanvalet.de

TEIL IV

Wer, wenn nicht wir?Wann, wenn nicht jetzt?

(JEANNE D’ARC)

42

»Sie können die Haube nun abnehmen, Schwester.«

Eine andere Männerstimme. Ruhig, fest, aber auch besorgt.

Catherine zog den schwarzen Sack vom Kopf und stellte fest, dass sie sich in einem bunkerartigen Büro befand.

Vor ihr stand Riccardo Kardinal Bragadin.

Obwohl der Kardinal einen halben Kopf größer war als die Ordensfrau und aufrecht vor ihr stand, wirkte er irgendwie kleiner als sonst, gebeugt, als trüge er eine ungeheure Last auf seinen Schultern. Nichtsdestoweniger schien er gewillt, dieses Los auf sich zu nehmen und das Beste daraus zu machen. Catherine erkannte einen starken Willen in den grünen Augen des Kirchenmannes.

»Verzeihen Sie die Umstände. Aber nach dem Vorfall in San Leonardo können wir gar nicht vorsichtig genug sein.«

»Damit hat Seine Eminenz zweifellos recht.«

Erst jetzt bemerkte sie eine weitere Person im Raum. Professor Leander Bois. Seine geröteten Augen blickten so müde, als hätte er noch weniger geschlafen als sie.

Catherine beschloss, auf alle Förmlichkeiten zu verzichten und direkt zum Punkt zu kommen.

»Was ist passiert?«

Die beiden Männer tauschten einen kurzen Blick aus, als würde ihnen gerade wieder bewusst, dass die junge Nonne, die da vor ihnen stand, keine einfache Betschwester, sondern eine ehemalige Agentin des Lux Domini war. Das mochte die ganze Angelegenheit vereinfachen, konnte sie aber ebenso gut verkomplizieren. Vor allem, weil Catherine Ciban so nahestand. Wie nahe, wusste allerdings nur Bois. Jedenfalls würden sie der Ordensfrau nichts vormachen können.

»Wir sind uns nicht sicher«, erklärte Bragadin schließlich. »Der Test verlief eigentlich nicht sehr viel ungewöhnlicher als sonst. Bis …« Er hielt inne, blickte zu seinem Lux-Kollegen.

»Wir haben keine Ahnung, was passiert ist«, übernahm Bois. »Nur eins ist sicher. Der Marc Ciban nach dem Test unterscheidet sich erheblich von dem Marc Ciban vor dem Test.«

Catherine war so glücklich darüber, dass Ciban überhaupt noch lebte, dass die eigentliche Bedeutung von Bois’ Worten wie zeitverzögert in ihr Bewusstsein drang. Doch dann traf der Inhalt sie mit voller Wucht.

»Ich … verstehe nicht.«

»Nachdem sein Zustand wieder stabil war, haben wir ihn viermal befragt. Auch ins Kreuzverhör genommen. Durch vier starke Mediale. Dabei stellten wir fest, dass seine Persönlichkeit sich in einem stärkeren Maße als üblich verwandelt hat.«

Catherine starrte die beiden Männer an. Ihr Magen zog sich zusammen, als hätte sich eine große Hand darum gelegt, die ihn nun zusammendrückte.

»Ich will ihn sehen.«

»Er ist zwar aus dem Verhörlabor zurück …«, begann Bois.

Catherine unterdrückte ein Stöhnen. Das sogenannte Verhörlabor des Lux Domini lag in einem abgelegenen Kellerbereich der Gemelli-Klinik, der Klinik der Päpste. Vor einigen Jahren hatte Catherine es auf Kardinal Gasperettis Anweisung hin selbst betreten, um vernommen zu werden. Keine gute Erinnerung. »… doch nun liegt er im Heilschlaf. Außerdem steht er unter Quarantäne.«

»Was?«, entfuhr es ihr.

»So lange, bis wir sichergehen können, dass er keine Gefahr darstellt.«

»Ich will ihn auf der Stelle sehen!«, beharrte sie.

Bragadin und Bois tauschten einen kurzen Blick aus.

»Also gut«, gab der Kardinal schließlich nach und trat zur Sprechanlage auf dem Schreibtisch. »Doktor Francesi, hätten Sie einen Moment Zeit für uns?«

»Sicher. Worum geht es, Eminenz?«

»Schwester Catherine ist hier. Wir kommen gleich zu Ihnen rüber.«

Rüberkommen traf es nicht ganz, denn sie bestiegen erneut den Aufzug, der sie noch weiter in die Tiefe brachte.

Als die Türen auffuhren, erstreckte sich ein hell erleuchteter Flur vor ihnen. Wie in einem Krankenhaus. Nach etwa fünfzehn Metern traten sie durch eine Tür mit Rauchglasfenster und standen im Büro von Dr. Francesi. Trotz Computerzeitalter fand sich etliche medizinische Fachliteratur in den Regalen. Ebenso dicke Aktenordner und – Catherine stutzte – einige sehr alte Bücher, ja sogar Folianten hinter Glas, die nur über eine Mechanik berührt beziehungsweise umgeblättert werden konnten, sodass die antiken Stücke nicht mit der Umgebungsluft in Berührung kamen.

Die Ärztin schien einen guten Teil ihres Lebens hier unten zu verbringen, denn das Büro enthielt auffallend viele persönliche Gegenstände. Darunter Bilder von ihrer Familie, wie Catherine vermutete. Außerdem sah Francesi so ganz anders aus, als Catherine sich eine Medizinerin des Lux Domini vorgestellt hätte. Die kurze Haarfrisur war beinahe militärisch, und unter den hochgekrempelten Ärmeln ihrer Bluse lugten kunstvolle Tätowierungen auf den Unterarmen hervor. Biblische Symbole und Motive, darunter auch das Symbol des Fischs. Francesi war klein und kräftig, wirkte dabei aber durchaus sportlich. Ihre dunkelbraunen Augen hatten etwas Wehmütiges. Doch dann blitzte jener Funke in ihnen auf, der Catherine klarmachte, dass sie hier unten das Sagen hatte und niemand sonst.

»Kaffee?«, fragte sie, als sähe sie ihren Besuchern die Müdigkeit nur allzu deutlich an.

»Danke, Doktor«, erklärte Bragadin. »Doch zuerst wollen wir bei unserem Patienten vorbeischauen.«

Francesis Blick ging zu Catherine. »Sie wissen, dass Kardinal Ciban unter Quarantäne steht, Schwester?«

Catherine nickte. »Ja. Seine Eminenz wies mich darauf hin.«

»Gut. Dann werden Sie verstehen, dass niemand außer dem Klinikpersonal den Quarantäneraum betreten darf. Bitte folgen Sie mir.«

Sie kehrten in den hell erleuchteten Gang zurück, nahmen erneut den Aufzug, um noch tiefer zu fahren, und gingen auf eine bewachte Tür zu. Das Zwielicht dahinter wollte so gar nicht zu der klinisch hellen Atmosphäre der bisherigen Räumlichkeiten passen, und Catherine spürte auch wieso. Es gab keine medialen Signale von außen. Sie befanden sich in einem Isolationsbereich ähnlich jenem, den Catherine im Untergrund von San Leonardo betreten hatte.

Dr. Francesi blieb vor einem Sichtfenster stehen. Der Ruheraum dahinter lag im Dunkeln, lediglich der Bereich mit dem Behandlungsbett war erleuchtet. Ciban lag so friedlich darauf, als hielte er gerade seine Mittagsruhe. Etwas, das er in seinem bisherigen Leben vermutlich nie getan hatte.

Catherine trat näher und legte die rechte Hand an die Glasscheibe, um ihm näher zu sein. Nur zu deutlich hatte sie die Bilder vor Augen, als Ciban nach der Schussverletzung in der Gemelli-Klinik operiert worden war. Der Arzt – ein Meister seines Fachs – war sich nicht sicher gewesen, ob der Kardinal die nächsten vierundzwanzig Stunden überleben würde. Die Nachricht allein war schon schwer genug zu ertragen gewesen, doch dann hatte Catherine ihn dort liegen gesehen, wie er an die vielen Geräte und Schläuche angeschlossen war, intubiert und künstlich beatmet. Und obwohl das nun schon eine Weile zurücklag und Ciban jetzt nur eine Infusion bekam und an ein EEG angeschlossen war, überkam Catherine das gleiche schreckliche Gefühl.

Francesi erklärte ruhig, dass Ciban die nächsten Stunden, wahrscheinlich sogar die ganze Nacht, in dieser Genesungsruhe würde verbringen müssen. Während die Stimme der Ärztin wie aus weiter Ferne zu ihr drang, dachte ein Teil von Catherine an die möglichen Konsequenzen dieses unsäglichen Tests. Sollte Cibans Wesen künftig eine Gefahr für die Kirche und die Menschen darstellen, würde man ihn beseitigen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Sollte er die Prozedur überleben, konnte sich herausstellen, dass in ihm keine Liebe mehr, ja nicht einmal mehr Freundschaft für Catherine war. Dann würde sie nachts nie wieder sein gleichmäßiges, beruhigendes Atmen hören, nie wieder dieses Lächeln sehen, das allein für sie reserviert war. Nie wieder zärtlich von ihm berührt werden. All das wollte sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, und doch ging ihr diese Vorstellung, diese Angst durch und durch.

»Zunächst einmal die gute Nachricht«, hörte sie die Medizinerin wie durch einen dichten Nebel sagen. »Es gibt keinen Gedächtnisverlust, keine kognitiven Beeinträchtigungen. Diesbezüglich ist Seine Eminenz so fit wie eh und je. Organisch ist alles intakt. Und das, obwohl er einem extremen Stress ausgesetzt gewesen war. Er ist also kein Fall für die Nervenheilanstalt …« Sie hielt inne, aber nicht wegen der Wortwahl. Das fühlte Catherine sofort. Ebenso spürten es Bois und Bragadin.

»Aber?«

»Wir haben ein paar psychologische Tests gemacht. Dann ein paar mediale. Sie müssen wissen, wir haben noch zwei starke Heiler in Rom, die sich bestens mit der Anatomie des Geistkörpers auskennen. Zur Sicherheit haben wir beide ebenfalls konsultiert. Außerdem haben wir noch ein zweites Labor, dessen Technologie mehr aus den CORONA-Aufzeichnungen herausholen könnte. Pater Tancredi ist gerade dort …« Wieder stoppte sie in ihren Ausführungen. Offensichtlich bemerkte sie, wie es Catherine immer flauer wurde. »Sollen wir uns setzen?«

»Es geht schon«, beeilte sich Catherine zu versichern. »Bitte fahren Sie fort.«

Francesi musterte sie, ehe sie sagte: »Es ist besser, wir kehren für den Rest der Geschichte in mein Büro zurück. Pater Tancredi ist nach dem Laborbesuch noch im Vatikan vorbeigefahren. Ein Problem mit dem medialen Schutzschirm. Inzwischen sollte er aber auf dem Rückweg sein. Er wird uns berichten, was es an Neuigkeiten gibt. Ich werde Ihnen schon mal die Coronas zeigen.«

Sie machten sich auf den Rückweg zu Francesis Büro.

»Coronas?« Catherine assoziierte das Wort »Corona« mit einem jahrzehntelang zurückliegenden Forschungsprojekt des KIMH, und das betraf nicht nur das Adoptionsprojekt. Damals hatte man von den Auren von Pflanzen, Tieren und Menschen die ersten fotografischen Abbilder gemacht. Als Kind hatte sie eine entsprechende Bildergalerie gesehen. Damals jedoch steckte diese Art der Coronadokumentation, eine Weiterentwicklung der Aurenfotografie, die das Ehepaar Kirlian ab den Dreißigerjahren entwickelt hatte, noch in den Kinderschuhen.

»Wir haben Ihren Kardinal gescannt. Kernspinn sowie Coronascan. Der Kernspinnscan, also die physische Ebene, war okay, doch auf den ersten Coronascans haben wir etwas entdeckt.«

Sie betraten Francesis Arbeitszimmer, und die Ärztin aktivierte den Großbildschirm neben dem Bücherregal. Ein halbes Dutzend Coronas erschienen in einer Reihe darauf.

Catherine blickte auf die Scans und vergaß für einen Moment ihre Ungeduld. Die Bilder waren schlichtweg beeindruckend. Diese Aufnahmen waren keine simplen zweidimensionalen Abbilder mehr wie damals in der Ausstellung am KIMH, sondern dreidimensionale Querschnitte durch den Körper beziehungsweise dessen energetisches System. Die meisten Fotos waren vom Kopf gemacht worden, genauer von Bereichen des Gehirns beziehungsweise dessen Coronaentladung. Dreidimensional. In gewisser Weise erinnerten die Aufnahmen in ihrer Farbenpracht an die Weltraumfotos der NASA von Planeten, Sonnensystemen und fernen Galaxien.

Während Catherine, Bragadin und Bois einen genaueren Blick auf die Scans warfen, tippte Francesi mit einem Laserpointer von Bild zu Bild.

»Genau hier können Sie es sehen«, erklärte sie. »Ebenso auf dieser Aufnahme, und ganz besonders auf der hier.«

In jeder der Aufnahmen gab es inmitten der Farben einen winzigen blinden Fleck, so durch und durch schwarz, dass man glatt annehmen konnte, das Aufnahmegerät habe einen Defekt gehabt.

»Was ist das?«, fragte Bragadin, während Catherine eine dunkle Ahnung überkam.

Es sah aus wie eine winzige Scherbe, schien aber je nach Perspektive die Form zu verändern.

»Wir wissen es nicht«, sagte die Ärztin. »Zuerst hielten wir es für eine Verletzung aufgrund des medialen Stresses während des Tests. Inzwischen denken wir, dass es ein Fremdkörper ist, den Kardinal Ciban sich während des Tests im Limbus beziehungsweise im Dimensionenraum eingefangen hat. Es lebt. Es hat vielleicht sogar einen eigenen Willen. Und es sitzt tief in der Seele unseres Glaubenspräfekten.«

»Können Sie es entfernen?«, fragte Catherine. Zur dunklen Ahnung gesellte sich der Keim der Hoffnung.

»Das haben wir auf der spirituellen Verbindungsebene versucht. Doch es wurde aggressiv, fing an, sich auszudehnen. Sein energetisches Schwingungsfeld ist tückisch. Als wir es in Ruhe ließen, zog es sich wieder auf dieses winzige Areal hier zurück. Wir vermuten, dass das astrale Immunsystem Seiner Eminenz das Objekt bisher in Schach gehalten hat.«

»Denken Sie, es ist die Ursache für die Persönlichkeitsveränderung?«, fragte Bois besorgt.

»Ob das Elixier oder dieser Fremdkörper oder beides … schwer zu sagen, aber ohne diesen Eindringling hätte Kardinal Ciban die Prüfung höchstwahrscheinlich nicht überlebt. Dieses Ding hat einen außergewöhnlichen Überlebenswillen, und davon profitiert auch sein Wirt. Dennoch ist es eine heikle Symbiose. Dieses … Etwas fühlte sich während des Tests vermutlich wie eine Ratte in einem Versuchslabyrinth. Ständig musste es sich den verändernden Raumstrukturen innerhalb des Gedankenpalastes anpassen und ausweichen, sich neu orientieren auf seiner Flucht. Dabei hat es Türen aufgerissen und Räume betreten, die brachlagen oder unter Verschluss gewesen sind. Es hat einen Großteil seiner Spuren geschickt verwischt, allerdings auch den ein oder anderen Schaden angerichtet, ohne seinen Wirt jedoch so schwer zu verletzen, dass dieser den Verstand verlor.«

Catherine starrte auf die Fotos. Die dunkle Ahnung wurde mehr und mehr zur Gewissheit. »Was hat Seine Eminenz dazu gesagt?«, fragte sie schließlich.

»Er weigert sich darüber zu reden. Ob aus reinem Selbstschutz oder weil der Eindringling ihn daran hindert, kann ich nicht sagen.«

Catherine trat vor das Bild, das ihr am eindringlichsten erschien. Eine dreidimensionale Wiedergabe der feinen Auragitterstruktur von Cibans Gehirn mit dem verfluchten schwarzen Ding darin.

Es half nichts. Sie musste die Katze aus dem Sack lassen, zu viel stand auf dem Spiel. Wie sollten Francesi, Bragadin und Bois ihr und Ciban je vertrauen, wenn sie ihren Verdacht zurückhielt, der eigentlich schon Gewissheit war?

»Ich denke, ich weiß, was es ist.«

Alle drei wandten ihre Köpfe von den Bildern ab.

»Es ist der Seelentropfen, mit dem Kardinal Ciban in San Leonardo infiziert worden ist.«

Keiner sprach ein Wort, alle mussten das Gesagte erst einmal verdauen.

»Wir leben zwar in einer Welt, in der alles mit allem energetisch vernetzt ist, Schwester«, fasste sich Francesi als Erste wieder, »doch so einfach fängt man sich keinen Seelentropfen ein. Dazu braucht es schon etwas mehr. Entweder ein sehr intimes Verhältnis oder aber – Gewalt.«

»Es war Letzteres«, erklärte Catherine.

Drei Augenpaare fokussierten sie.

»Es geschah während der Sondierung in einem improvisierten Tank.«

»Wie bitte?« Bragadin stand da, als hätte sie ihm gerade offenbart, dass sie im vierten Monat schwanger sei.

»Kardinal Ciban sah darin die einzige Chance herauszufinden, was in San Leonardo vorgefallen ist.«

Catherine spürte, dass Bois’ Blick besonders eindringlich auf ihr ruhte. Vermutlich fragte er sich, ob auch sie mit dem Seelentropfen infiziert sein konnte. War das möglich?

Sie wollte gerade mit dem Gedanken herausrücken und die Karten vollends auf den Tisch legen, doch Francesi kam ihr zuvor.

»Dann ist es ein Splitter der Finsternis. Und wenn es ein Splitter der Finsternis ist, dann war er Teil eines perfiden Plans gegen die Medialen von San Leonardo. Und das bedeutet, es steckt ein sehr starker, cleverer und finsterer Geist dahinter. Zum Beispiel ein Heiler, der sein Wissen zu Machtzwecken missbraucht, obwohl es gegen die kosmische Ordnung verstößt.«

Bois und Bragadin standen so betroffen da, als hätte Francesi ihnen gerade erklärt, sie würde ihnen jetzt gleich ihre Herzen nach altem Aztekenritus mit einer Obsidianklinge bei lebendigem Leib herausschneiden.

»Es gibt nur eine Macht, die es auf Dauer mit einem Splitter der Finsternis aufnehmen kann«, fuhr die Ärztin fort. »Die Liebe. Sie ist das einzige Mittel, das ihn in Schach zu halten vermag.« Die Ärztin wandte sich Catherine zu. »Der Splitter ist ein Gefangener Ihrer Liebe. Habe ich recht?«

Für ein paar Sekunden lang herrschte in Francesis Refugium Schweigen. Catherine wurde heiß und schwindlig. Sie glaubte zu spüren, wie die Wände des Büroraums auf sie zukamen. Sie wagte kaum zu atmen.

Es war schließlich Bois, der in angespanntem Ton murmelte: »Schwester, würden Sie Doktor Francesis Frage bitte beantworten?«

»Verzeihung. Selbstverständlich.« Sie riss sich zusammen. »Sie haben recht, Doktor. Wahre Liebe ist für den Splitter unerträglich. Die spirituellen Auswirkungen sind für ihn purer Schmerz und schwächen ihn. Seine Mission ist das Säen von leidenschaftlichem Zorn, von Hass und Gier. Die Liebe aber beantwortet seine Mission des grenzenlosen Unheils mit grenzenloser positiver Energie. Und das mag er nicht, das könnte ihn verändern, ihn verwandeln. Doch er will nicht verwandelt werden.«

Der Pfad des Unheils, der stets abwärtsführte, entsprach der Natur des Splitters, er war leicht und bequem. Der Weg zum Guten hingegen führte steil hinauf und war mit Dornen gespickt. Also tat der Splitter das Einzige, was er im Moment tun konnte. Er zog sich in sich selbst zurück, wartete auf einen Moment der Schwäche seines Wirts, um zurückzuschlagen.

Catherine sah Respekt in Francesis Augen.

»Pater Darius hat Sie offensichtlich gut unterrichtet, Schwester. Die meisten Medialen wissen nicht einmal von der Existenz und Gefährlichkeit des Splitters. Geschweige denn von einem Gegenmittel.«

Catherine unterließ es, auf Lazarus hinzuweisen, von dem sie ihr Wissen hatte. Er hatte in der Krankenstation von San Leonardo versucht, Ciban von dem Splitter zu befreien. Immerhin fahndete das Lux Domini beziehungsweise Kardinal Gasperetti nach dem Gelehrten.

»Das klingt für mich nach einer tickenden Zeitbombe«, bemerkte Bragadin nun. Er klang noch besorgter als Bois.

Die Ärztin gab ihm im Prinzip recht, deutete dann aber auf den alten Folianten hinter Glas, als habe sie ihr Wissen aus dem alten Text. »Der Splitter ist sowohl ein Geschenk als auch ein Fluch. Wer ihn beherrscht, verfügt über unglaubliche Energiereserven. Wer ihn nicht beherrscht, wird zu seinem Sklaven.«

Bois blickte auf eines der Fotos mit Cibans Astralkörper und räusperte sich. »Sagen Sie, Doktor, sollte die Liebe, von der wir hier reden, den Splitter nicht zerstören?«

»Theoretisch ja. Der Splitter ist wie ein spirituelles Krebsgeschwür. Wie Schwester Catherine schon erläuterte, lebt er von negativen Gefühlen. Unterbrächen Sie diese Zufuhr – und damit meine ich das Unterbinden jedweden Kontakts mit negativen Gefühlen –, würde er verhungern. Theoretisch.«

»Und praktisch?«, hakte Bragadin nach.

»Mir ist bisher kein Mensch begegnet, der frei von negativen Gefühlen wäre. Wir brauchen negative Erfahrungen und Empfindungen, um zu wachsen. Außerdem: Wer von uns verfügt schon über die Stärke und Weisheit, Böses fortwährend mit Gutem zu vergelten? Ich jedenfalls nicht.«

Catherine musste sich eingestehen, dass auch ihr diese Gnade nicht zuteilgeworden war. Immerhin reichte Cibans und ihre Liebe aus, um dem Splitter der Finsternis Einhalt zu gebieten. Der Seelentropfen verfügte nicht über genug Energie, um sich aus seiner Deckung herauszuwagen und seine Bosheit zu entfalten. Und das war, wie Lazarus ihnen schon versichert hatte, ein sehr gutes Zeichen. Wie Francesi, Bragadin und Bois die Situation allerdings einschätzen mochten, stand wiederum auf einem ganz anderen Blatt.

Die Sprechanlage summte. Francesi ging zu ihrem Schreibtisch.

»Danke. Schicken Sie Pater Tancredi herein.«

Die Tür zu Dr. Francesis Arbeitszimmer öffnete sich, und der Ordensmann kam herein. Groß, kahl und dürr. Mit einer Nickelbrille auf der Adlernase.

»Entschuldigen Sie die Verspätung, Doktor. Das Problem mit dem Schutzschild war doch etwas größer.«

»Keine Ursache, Pater. Sie sind nun hier, und wir alle sind sehr gespannt.«

Bruder Tancredi bedankte sich für das Verständnis und legte eine alte, abgewetzte Aktentasche auf den Tisch.

43

Als Agent Paula Tennant in der schwarzen Limousine des vatikanischen Fuhrparks saß, die Kearns und sie von ihrer Unterkunft abgeholt hatte und zur Besprechung fuhr, fragte sie sich, wo das erste Treffen zwischen der ISA und den Vertretern der katholischen Kirche wohl stattfinden würde. In einem der zahlreichen Räume des Apostolischen Palastes, den sie nur zu gerne einmal betreten hätte, in einem der Büros der Gendarmerie, was nahelag, oder vielleicht sogar im Palast des Heiligen Offiziums, der modernen römischen Inquisition, der auch die vatikanische Sicherheit unterstand?

Als sie den Vatikan erreichten, lenkte der Chauffeur die Limousine am bekanntesten Zugang, dem St.-Anna-Tor, vorbei und um den gesamten Petersplatz herum, um dann zwischen den Kolonnaden und einem düsteren mehrstöckigen Backsteinbau ein hohes schwarzes Gittertor mit einem Wachhäuschen zu passieren. Wie der Fahrer nicht ohne Stolz und mit einem kleinen Augenzwinkern erklärte, befand sich im Palast der Sitz der römischen Glaubenskongregation, womit sie sich im eigentlichen Zentrum des katholischen Imperiums befanden. Dort würden Kearns und Paula nun dem Vertreter des Vatikans gegenübertreten.

Am Portier ging es eine Treppe hinauf zum ersten Stock, wobei sie an einer schrecklich hässlichen Büste vorbeikamen. Paula hatte kurz innegehalten, und man hatte ihr erläutert, es handle sich um den verehrten Alfredo Kardinal Ottaviani, einstmals Großinquisitor, dessen Büste nach einem unerklärlichen Unfall leider hatte restauriert werden müssen. Schließlich wurden sie in einen schlichten Besprechungsraum geführt. Weiße Wände, ein dunkles Kruzifix, ein beeindruckendes, malerisches Porträt von Seiner Heiligkeit Papst Leo XIV. Dazu in der Mitte des Raums ein großer rechteckiger Tisch mit zwei Stühlen auf der einen und drei Stühlen auf der anderen Seite, womit klar war, wo Kearns und Paula Platz nehmen würden. Ein verschlossener Eichenschrank sowie ein Bücherregal rundeten die Einrichtung ab.