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Wie du dein verstecktes Trauma erkennst und überwindest Welche Verhaltensmuster, welche Prägungen, welches Trauma habe ich von meinen Vorfahren "vererbt" bekommen? Wie kann ich sie erkennen und wie kann ich diesen Kreis durchbrechen und heilen? Dr. Mariel Buqué liefert zugänglich Erkenntnisse zu diesem Thema, das einerseits zu einem tieferen Verständnis für generationenübergreifende Traumata führt, und darüber hinaus auch konkrete Anleitungen für den eigenen Heilungsprozess gibt.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Break the Cycle
DR. MARIEL BUQUÉ, studierte Psychologie an der Columbia Universität, New York. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der ganzheitlichen Behandlung generationenübergreifener Traumata. Sie vereint dabei das Wissen indigener Völker mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie stammt ursprünglich aus der Dominikanischen Republik und lebt derzeit in New Jersey.
Ein generationenübergreifendes Trauma ist eine seelische Wunde. Es ist eine emotionale Verletzung auf verschiedensten Ebenen und beeinflusst den Geist, den Körper und die Seele. Deshalb muss auch die Heilung verschiedene Ebenen ansprechen – Geist, Körper und Seele gleichermaßen berücksichtigen. Dr. Mariel Buqués Ansatz ist ganzheitlich und therapeutisch. Sie zeigt auf, wie wir die Traumareaktionen, die unsere Familien und Gemeinschaften durchlebt haben, bewältigen können und sie durch gesunde und angemessene Bewältigungsstrategien ersetzenIhr Buch ist eine umfassende Anleitung zur Befreiung von generationenübergreifenden Traumata.
Mariel Buqué
Vererbtes Trauma und wie wir es heilen können
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan
Ullstein
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Titelei
Das Buch
Titelseite
Impressum
Teil Null
In eigener Sache
Eine Anmerkung zu professioneller psychologischer Hilfe
Einleitung
Teil Eins Was du geerbt hast
Kapitel 1 Du bist ein Cycle-Breaker
Kapitel 2 Dein generationenübergreifendes höheres Selbst
Kapitel 3 Der Körper erinnert sich an das Trauma
Kapitel 4 Das unverarbeitete Trauma und du
Kapitel 5 Ein genetisches Erbe
Teil Zwei Die Schichten des Traumas
Kapitel 6 Unser generationenübergreifendes Nervensystem
Kapitel 7 Das generationenübergreifende innere Kind
Kapitel 8 Der generationenübergreifende Missbrauchskreislauf
Kapitel 9 Das kollektive Trauma in der Familie
Teil Drei Die Transformation deines Erbes
Kapitel 10 Die Trauer über dein traumatisches Erbe
Kapitel 11 Generationenübergreifende Resilienz
Kapitel 12 Ein neues Erbe für Generationen
Schlusswort
Dank
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Anhang D
Bibliografie
Anhang
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Teil Null
Für Lady, meine Schwester.Danke, dass du mir gezeigt hast,wie man Teufelskreise durchbrechen kann,wenn Liebe im Zentrum steht.Dass wir auch weiterhin unsergenerationenübergreifendes Erbe leben können.Ich liebe dich, màs.
Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von den Autoren und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autoren beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
Ich habe mein Bestes getan, um ein breites Spektrum der Erfahrungen in dieses Buch einfließen zu lassen, so wie ich sie mir in meinem Fachgebiet erwerben konnte. Es war mir ein Anliegen, in Sprache und Herangehensweise so verständlich wie möglich zu sein und so zu schreiben, dass die Leser und Leserinnen meine Vorschläge auch umsetzen können. Ein Text hat grundsätzlich seine Grenzen, doch ich hoffe, du fühlst dich beim Lesen dieses Buchs geschätzt und wahrgenommen. Wenn irgendeine deiner Erfahrungen nicht mit dem hier Dargestellten übereinstimmt, hoffe ich dennoch, dass du möglichst viel von diesem Buch mitnehmen kannst, indem du dich auf jene Teile konzentrierst, die dich persönlich zur Heilung führen.
Bei der Arbeit an einem generationenübergreifenden Trauma kann es manchmal nötig sein, dass du dir zusätzlich professionelle Hilfe wie etwa bei einem Psychotherapeuten suchst, um dich durch deine Emotionen zu arbeiten. Dies gilt vor allem dann, wenn du meinst, ein akutes Trauma nicht allein bewältigen zu können. Wenn du gerne einen Therapeuten heranziehen möchtest und es sich realisieren lässt, bist du gut beraten, dir für jegliche therapeutische Arbeit, bei der ein Trauma im Mittelpunkt steht, einen zugelassenen Spezialisten mit einer Ausbildung in Traumatherapie zu suchen. Wenn sich ein geliebter Mensch in einem Missbrauchskreislauf befindet und Hilfe braucht, kann er sich an diese Einrichtungen wenden:
Ein Portal mit einer Auflistung aller Notrufstellen, je nach Situation und Umständen:
https://familienportal.de/familienportal/lebenslagen/krise-und-konflikt/krisetelefone-anlaufstellen
Hilfe-Portal und Hilfe-Telefon bei sexuellem Missbrauch
https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite
; Rufnummer 0800 22 55 530
Eine Auflistung internationaler Anlaufstellen bei sexueller und häuslicher Gewalt in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz:
https://www.hotpeachpages.net/lang/index.html#German
Meine Großmutter, meine Mutter und ich sind alle in Armut aufgewachsen. Meine Großmutter wohnte fast ihr ganzes Leben lang in der kleinen Stadt Barahona in der Dominikanischen Republik. Ich weiß noch, wie ich als Zehnjährige mit ihr ungefähr zwei Kilometer zu einer kleinen Quelle marschierte, um zwanzig Liter Wasser zu holen, weil es in ihrem Haus und auch in ihrem Ort kein fließendes Wasser gab – Wasser, etwas, das die meisten von uns für eine Selbstverständlichkeit im Leben halten. Die zierliche, gerade mal 1,35 Meter große Frau trug für ihre Familie die zwanzig Liter den ganzen Weg bis in ihr kleines Haus und hielt mich an der Hand, während sie die Last auf dem Kopf balancierte, ohne auch nur einen Tropfen zu vergießen. Dieses Bild werde ich für immer im Gedächtnis behalten, denn wenn ich mir vor Augen führe, wie sparsam sie mit dem Wenigen, was sie hatte, umging, dabei aber auch sehr erfinderisch war, fühle ich mich betroffen und zugleich auch beschämt. Sie hütete nicht nur jeden Tropfen Wasser, sondern auch alles Essbare, verbrauchte auch die letzten Reste der Toilettenartikel, die sie sich leisten konnte, und bewahrte alle Kleidungsstücke auf. Sie wusste, dass sie nur mit einer solchen Sparsamkeit über die Runden kam. Gezwungenermaßen prägte der Überlebensmodus ihr ganzes Dasein, und trotzdem bewies sie stets eine beachtliche Resilienz. Von meiner Großmutter habe ich gelernt, das Sparen zu schätzen, nicht nur beim Wasser, sondern auch bei all den kleinen Dingen, die wir besitzen. Nichts wurde damals weggeworfen. Von ihr habe ich außerdem gelernt, dass auch ich über psychische Stärke und die Fähigkeit verfüge, Freude zu empfinden.
Meine Mutter, die als Vierzigjährige mit ihren beiden kleinen Töchtern in die Vereinigten Staaten kam, hat ihr Leben lang an diesem Modus des Sparens festgehalten. Seit jeher bewahrt sie Dinge auf, manchmal über zehn Jahre, selbst wenn sie schon längst keinen praktischen Nutzen mehr haben. Wir haben lange in einer eher ärmlichen Umgebung in Newark, New Jersey, gewohnt, aber für meine Mutter waren wir gefühlt stets reich, weil sie in ihrer Kindheit in der Dominikanischen Republik erlebt hatte, was es heißt, fast gar nichts zu haben. Wenn wir aus unseren Kleidern herausgewachsen waren, wenn ein Gerät nicht mehr funktionierte oder wenn irgendwas im Haushalt nicht mehr gebraucht wurde, warf sie es nicht weg. Vielmehr verpackte sie es ordentlich in Kartons, und Jahre später, wenn wir das Geld für den Versand zusammenhatten, schickten wir es zu unseren Verwandten in die Dominikanische Republik. So stapelten sich bei uns zu Hause jahrelang die Kartons mit solchen Sachen. Im Lauf der Zeit begriff ich allerdings, was da tatsächlich aufbewahrt wurde: nicht die abgetragenen Kleidungsstücke oder der kaputte Toaster – sondern die Angst meiner Mutter, mit Nichts dazustehen. Nach den Entbehrungen, unter denen sie in ihrer Kindheit tatsächlich gelitten hatte, war in ihr ein Mangeldenken entstanden. Es äußerte sich in Existenzangst sowie in dem Schuldgefühl, ihren Angehörigen nicht zu dem gleichen Lebensstandard verhelfen zu können, den sie genoss.
Inzwischen lebe ich – ebenso wie meine Mom – in gesicherten Verhältnissen. Und trotzdem habe ich mich bis heute immer wieder dabei ertappt, dass ich an Dingen festhielt, die ich nicht mehr brauchte. Ich lebte in der gleichen Furcht, mit den gleichen Schuldgefühlen wie meine Mutter. Wann immer ich etwas wegwarf, anstatt es zu spenden oder in die Dominikanische Republik zu schicken, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Und wenn ich etwas nicht bis ganz zu Ende aufbrauchte, meldete sich meine innere Stimme und warf mir vor, etwas zu verschwenden, was ich in einer akuten Notsituation vielleicht noch brauchen würde. Obwohl ich in meiner Wohnung stets fließendes Wasser hatte, fürchtete ich ständig, es könnte eines Tages versiegen. Ich empfand die gleiche Existenzangst wie meine Großmutter. Die Ängste meiner Familienmitglieder waren auf mich übergegangen, und wenn ich irgendwelche Dinge sorgfältig aufbewahrte, empfand ich seltsamerweise ein tiefes Gefühl der Loyalität ihnen gegenüber. Auf diese Weise konnte ich sie ehren. Erst nach langer Zeit wurde mir klar, dass ich für meine Loyalität einen hohen emotionalen Preis zahlte.
Glücklicherweise ist es mir gelungen, diesen Teufelskreis des, wie ich mittlerweile weiß, generationenübergreifenden Traumas zu durchbrechen und damit die Gefühle von Schuld und Angst fast vollständig abzulegen. Ich möchte anderen dabei helfen, meinem Beispiel zu folgen, ihre Loyalität gegenüber dem Schmerz abzuschütteln und emotional frei zu werden. Dazu müssen sie allerdings akzeptieren, dass sie in einer generationenübergreifenden Verbindung zu den Verletzungen stehen, die ihre Angehörigen im Laufe der Familiengeschichte erlitten haben, und müssen diese heilen. Das ist nicht leicht, aber möglich, und die Fülle, die aus der Heilung erwächst, ist einfach großartig und die Mühen wert.
Doch wie kam es dazu, dass ich in diesem Leiden ein generationenübergreifendes Trauma erkannte? Und was ist ein generationenübergreifendes Trauma überhaupt?
Es begann in meiner Zeit in der Ambulanten Psychiatrie für Erwachsene im Irving Medical Center der Columbia University während meines Doktorandenstudiums. Ich arbeitete mit einer Klientin, und die Sitzung verlief … nun, ziemlich zäh. Bei der klinischen Arbeit an psychischen Problemen ist kaum etwas so frustrierend wie das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken – und in genau der befanden sich meine Klientin und ich. Es war ein Moment, in dem sich im Raum, in dem wir saßen, ein Gefühl der erstickenden Hilflosigkeit ausbreitete. Ich wusste nicht, was ich meiner Klientin anbieten konnte, denn nichts in meiner eigentlich gründlichen Ausbildung hatte mich auf einen Augenblick wie diesen vorbereitet.
Plötzlich sah ich, was diesen Nebel verursacht hatte. Meine Klientin war die Trägerin generationenübergreifender Gefühle wie Schuld, Kummer, Trauer, Depressivität – und noch einer ganzen Reihe mehr. Wir hatten es hier nicht nur mit ihrer eigenen emotionalen Last zu tun, sondern zugleich auch mit der ihrer Familie und Vorfahren, von Menschen, die gar nicht anwesend und vielleicht auch gar nicht mehr am Leben waren. Das war für mich eine gewaltige therapeutische Herausforderung. Die übliche Ausbildung in westlicher Psychologie hat uns klinische Therapeuten nicht mal annähernd für die Behandlung generationenübergreifender Traumata geschult. Es gibt keine Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Klienten, die mit den emotionalen Wunden einer ganzen Ahnenreihe zu uns kommen.
In der Sitzung mit meiner Klientin spürte ich förmlich das Gewicht von Generationen. An diesem Punkt sah ich nur eine Möglichkeit, den dichten Nebel zu durchschneiden: Wir mussten uns dem Schmerz der Generationen stellen, auf den wir gestoßen waren. Und mochte es auch unendlich schwer erscheinen, wir mussten dabei weiter in die Tiefe gehen.
Die Erkenntnisse, die ich in dieser Sitzung gewann, haben mich für immer verändert. Von da an beschäftigte ich mich jeden Tag mit generationenübergreifendem Heilen. Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass ein Mensch Traumata mit sich herumtrug, die er gar nicht selbst erfahren hatte. Wie war es möglich, dass ein Trauma von einer Person auf eine andere überging? Ich war neugierig, zu erfahren, auf welchen Wegen generationenübergreifende Traumata weitergegeben werden konnten. War es stets so wie bei dieser einen Klientin, oder gab es noch andere Möglichkeiten, wie sich alte Traumata in unserem Leben zeigten? Während ich nach Antworten suchte, drehte sich mir der Kopf. Einerseits fühlte ich mich verpflichtet, meiner Klientin zu helfen, andererseits wollte ich als klinische Psychologin einen Weg zur Heilung all der zahllosen Menschen finden, die unter den gleichen Symptomen litten. Diese Sitzung war ein Wendepunkt in meiner klinischen Arbeit. Und ich sah meine Mission: Es war meine Bestimmung, herauszufinden, was wir einem Menschen anbieten können, der mit dem psychischen Leid einer ganzen Familie zu uns kommt und verzweifelt nach Heilung sucht.
Als Wissenschaftlerin begann ich, zu erforschen, welche Methoden uns dabei zur Verfügung stehen. Wie helfen wir Menschen – Menschen wie du und ich – bei der Heilung der Wunden von Generationen, wie bewältigen wir die Traumareaktionen, die unsere Familien und Gemeinschaften durchlebt haben, und ersetzen sie durch gesunde und angemessene Bewältigungsstrategien?
Außer dem generationenübergreifenden gibt es kein anderes psychisches Trauma, das über Generationen hinwegreicht und oft von mehreren Mitgliedern einer Familie erlebt wird. Aber wie wurde es unter deinen Angehörigen weitergegeben, bis es zu dir kam? Wie wir inzwischen wissen, gibt es zwei Übertragungswege. Der erste verläuft über biologische Kanäle, genauer gesagt über die Genexpression, die wir von unseren beiden Eltern erben. Ein Trauma kann einen Menschen so grundlegend verändern, dass es sich in seinem genetischen Code ausdrückt. Wenn das bei deiner Mutter oder deinem Vater der Fall war, hast du diese Gene vielleicht geerbt und bist dadurch anfälliger für Stress und Traumatisierung.
Der zweite Weg der Weitergabe läuft über Erfahrungen, die du im Laufe deines Lebens machst und die sich auf deine Psyche auswirken, wie eine fehlende Einstimmung deiner Bezugsperson auf deine Gefühle, Demütigungen, schädigende Beziehungen, unerbittliche Feindschaft, Unterdrückung und Verletzungen. Es sind also Verhaltensweisen und Handlungen, mit denen Traumatisierungen von den Bezugspersonen an ein Kind und von der Gesellschaft an eine Person übertragen werden.
Doch der Teufelskreis der generationenübergreifenden Traumata kann durchbrochen werden, und wir müssen das genetische Erbe nicht weitergeben. Deshalb geht es in diesem Buch um das Heilen. Betrachten wir einmal, was geschieht, wenn eine Person unter einer biologischen Verletzlichkeit leidet und nicht die gesunde und sichere psychische Grundlage hat, die sie eigentlich brauchen würde. Dann kann der Teufelskreis der Traumatisierungen zum Vorschein kommen, und wir stehen vor einem generationenübergreifenden Trauma. Auch wenn diese Art von Trauma irgendwo in deiner Familiengeschichte seinen Ursprung hat, ausgelöst durch ein Ereignis, das von einem einzelnen Menschen erlebt wurde, können die Auswirkungen noch Generationen später in der Psyche, im Verhalten und in den Gefühlen mehrerer Familienmitglieder und sogar ganzer Gemeinschaften zum Ausdruck kommen.
Ein generationenübergreifendes Trauma ist eine seelische Wunde. Es ist eine emotionale Verletzung auf verschiedensten Ebenen und beeinflusst den Geist (Gedanken und Emotionen), den Körper (die Art und Weise, wie er auf Schmerz reagiert) und die Seele (Störungen des inneren Wissens und der Verbindungen zu anderen). Deshalb, so wurde mir klar, muss auch das Heilen verschiedene Ebenen ansprechen, also Geist, Körper und Seele gleichermaßen berücksichtigen.
Aus diesem Grund bevorzuge ich ganzheitliches Heilen, das heißt ein breites Spektrum von Methoden, die den Menschen als Ganzes sehen. Wenn ich ganzheitliches Heilen in der Traumatherapie anwende, betrachte ich alle Aspekte der Person als gleichwertig. Es beruht auf dem Gedanken, dass wir die Summe unserer Teile sind und dass diese Teile in der Behandlung integriert werden müssen, sodass wir ganz eins mit uns selbst sind. Wenn ein Aspekt unserer Gesundheit gestört ist, leiden auch die anderen darunter. Indem wir beim Heilen die ganze Person im Auge behalten, können wir sie auch als Ganze heilen.
Bislang hat sich die Psychologie noch nicht mit dem ganzheitlichen Heilen emotionaler Verletzungen angefreundet, aber glücklicherweise konnte ich während meines dreijährigen Doktorandenstudiums mit erfahrenen Psychologen zusammenarbeiten, die über ihren Tellerrand hinausschauten. Sie behandelten ihre Klienten mit eher unkonventionellen, ganzheitlichen, aus alten Kulturen stammenden und integrativen Methoden. In dieser Zeit und anschließend während meiner selbstständigen Arbeit habe ich verstanden, dass es niemanden weiterbringt, wenn die Verletzung in einem Bereich der Persönlichkeit bestehen bleibt – also wenn wir unser Augenmerk beispielsweise nur auf die Psyche richten, aber nicht auf den Körper –, weil der Schmerz dann lediglich von einer Dimension in eine andere überwechseln kann, was eine vollständige Heilung ausschließt.
Als ich begann, alles zu lernen, was ich über Diagnose und Heilung generationenübergreifender Traumata finden konnte, war mir klar, dass ich bei der Behandlung einer so komplexen Störung zwar die etablierten Techniken der Traumatherapie nutzen musste, in denen ich ausgebildet war, doch dass sie für die Arbeit an etwas so Komplexem nicht reichen würden. Ich brauchte zusätzlich noch einen differenzierteren und tiefergehenden Ansatz. So entstand das maßgeschneiderte Konzept, das ich nach Jahren des Lernens entwickelt und mit meinen Klienten umgesetzt habe. Und es wirkt.
In diesem Buch werde ich zum ersten Mal all meine Unterrichtseinheiten zusammenfassen, um den definitiven Ratgeber zur Heilung generationenübergreifender Traumata vorzulegen.
Mein Buch folgt den Schritten, die ich auch mit meinen Klienten durcharbeite. In jedem Kapitel gebe ich dir eine ausführliche Darstellung der einzelnen Aspekte des generationenübergreifenden Heilens, gefolgt von Übungen, die dir helfen können, dich zu konzentrieren und das Gelesene anzuwenden. Du wirst beim Lesen auf konkrete Informationen stoßen und zahlreiche Vorschläge finden, wie du das Gelernte in dein Leben integrieren kannst. Am Ende eines jeden Kapitels steht eine Reihe von Übungen, die dir helfen werden, deine Mission als Cycle-Breaker immer besser zu erfüllen. Diese Übungen sind ganzheitlich und therapeutisch, und jede einzelne ist so ausgerichtet, dass du mit ihr das spezielle Thema des jeweiligen Kapitels durcharbeitest. Sie werden dazu beitragen, dass du den Inhalt besser in dich aufnehmen kannst.
Du hast die Möglichkeit, die jeweiligen Übungen allein oder zusammen mit anderen auszuführen. Sich gemeinsam mit anderen zu heilen, kann eine ganz besondere Erfahrung sein. Wenn du dir also ein Gegenüber suchst oder mit weiteren Cycle-Breakern eine Gruppe bildest, könnt ihr auch die Übungen am Ende der Kapitel gemeinsam durchführen. Ob allein oder mit anderen, du hast verschiedene Möglichkeiten, an deiner Heilung zu arbeiten.
Passend zu jedem Teil des Buches gibt es außerdem jeweils eine Klangbad-Meditation. Klangbäder sind eine aus alter Zeit stammende Methode, die zur Entspannung von Geist und Körper beitragen kann. Um dir ein genaueres Bild davon zu geben, werde ich die Klangbäder in Kapitel 1 ausführlicher erklären.
All dies sind Instrumente zur Ergänzung deiner Werkzeugkiste. Sie sollen dich leiten. Da du über deinen Weg zur Heilung selbst bestimmst, kannst du dich für das entscheiden, was dir am besten weiterhilft.
Jetzt will ich dir in einem Überblick vorstellen, worauf du dich in den folgenden Kapiteln freuen kannst. Ich beginne mit einer grundlegenden Beschreibung generationenübergreifender Traumata und schildere, wie sie in dein Leben gekommen sind. Teil eins, »Was du geerbt hast«, besteht aus fünf Kapiteln. In jedem Kapitel tauchen wir in die Tiefe und finden heraus, was das generationenübergreifende Trauma wirklich ist und wie ein Mensch psychische Schmerzen von Eltern, Großeltern, Vorfahren und der Gemeinschaft ererbt. Außerdem erfährst du, wie Geist, Körper und Seele von diesem Erbe in Mitleidenschaft gezogen werden, dass du aber trotz allem über eine generationenübergreifende Resilienz verfügst. In Kapitel 1, »Du bist ein Cycle-Breaker«, definieren wir zunächst die Aufgabe, die du als Cycle-Breaker vor dir hast. Ich schildere, wie du dich für diese schwere und notwendige Arbeit bereit machen kannst, damit du über die notwendigen Mittel verfügst, die dir auf deinem Weg zur Heilung Halt geben. In Kapitel 2, »Dein generationenübergreifendes höheres Selbst«, tauchen wir in die Weisheit der Generationen ein, indem wir deine dir innewohnenden Fähigkeiten als Cycle-Breaker und die Weisheit der Vorfahren untersuchen, damit du dich an ihnen orientieren und immer wieder zu ihnen zurückkehren kannst. Darauf folgt eine Übung, die dir hilft, mit deinem generationenübergreifenden höheren Selbst in Kontakt zu treten. In Kapitel 3, »Der Körper erinnert sich an das Trauma«, werde ich erklären, wie sich das generationenübergreifende Trauma im Körper ausdrückt, und werde auf die zahlreichen Zusammenhänge zwischen chronischen Krankheiten und generationenübergreifendem Stress eingehen. Abschließend soll dir eine Cycle-Breaker-Übung helfen, deine Stressreaktionen abzumildern und deine Hormone in Balance zu bringen. In Kapitel 4, »Das unverarbeitete Trauma und du«, werden wir anfangs die Frage klären: »Woher weißt du, dass du es mit einem generationenübergreifenden Trauma zu tun hast?« Dazu führe ich in diesem Kapitel die generationenübergreifende Trauma-Anamnese ein, die dir helfen wird, tiefer in deine Familiengeschichte der Traumatisierungen vorzudringen. Das ermöglicht dir eine erste Bestandsaufnahme der generationenübergreifenden Traumata in deinem Leben. Im darauffolgenden Kapitel 5 mit der Überschrift »Ein genetisches Erbe« schildere ich, welche Rolle deine Gene und Zellen bei der Weitergabe von Traumata spielen. Ich werde dir erklären, wie dein Trauma mit den Traumata deiner Familie zusammenhängt, und dir zu diesem Zweck dabei helfen, deinen eigenen Trauma-Stammbaum aufzustellen, den du allein oder gemeinsam mit anderen gestalten kannst.
In Teil zwei dieses Buchs mit der Überschrift »Die Schichten des Traumas« befasse ich mich mit den Schichten des Leids und den Schichten der Heilung. Ich beschreibe darin neue, generationenübergreifende Sichtweisen auf dein Nervensystem, auf dein inneres Kind, auf den Teufelskreis des Missbrauchs und auf die Art und Weise, wie kulturelle Werte die Weitergabe des Traumas von einer Generation an die nächste begünstigen. In Kapitel 6, »Dein generationenübergreifendes Nervensystem«, erfährst du mehr über die Rolle von Triggern, Erinnerungen und dein Nervensystem. Dann führe ich dich durch eine Übung, die dir hilft, dein Nervensystem zu entspannen und deine Reaktionen auf Stress abzumildern. In Kapitel 7, »Dein generationenübergreifendes inneres Kind«, will ich dir zeigen, wie das ungeheilte innere Kind deiner Eltern zu deinem eigenen inneren Kind wird, indem du es in dir wieder aufleben lässt. Anhand des generationenübergreifenden Fragebogens zu belastenden Kindheitserfahrungen, den ich dir vorstelle, kannst du erkennen, wie deine Kindheit und die Kindheit deiner Eltern miteinander verquickt sind. Anschließend machen wir eine Übung zum generationenübergreifenden Reparenting. In Kapitel 8, »Der generationenübergreifende Missbrauchskreislauf«, präsentiere ich dir eine der besten Rüstungen gegen den Kreislauf des Missbrauchs: Wissen. Aber damit noch nicht genug; ich statte dich außerdem mit einem Werkzeug für Cycle-Breaker aus, das du einsetzen kannst, um in komplizierten Beziehungsdynamiken Orientierung zu finden. Im letzten Kapitel von Teil zwei, »Das kollektive Trauma in der Familie«, beschäftigen wir uns mit dem kollektiven Trauma und mit den verschiedenen Möglichkeiten, wie Naturkatastrophen, kulturelle Normen und institutionalisierte Verfahrensweisen dazu beitragen, das Trauma in deiner Familie am Leben zu erhalten. Ich stelle dir eine Übung vor, mit deren Hilfe du erkennen kannst, wie internalisierte Vorstellungen unsere kollektiven Traumata stützen, und lade dich ein, deine Heilung auf andere Menschen in deinem Umkreis auszudehnen.
In Teil drei, »Die Transformation deines Erbes«, geht es darum, deine Persönlichkeit als Cycle-Breakrer real zu festigen. Dieser letzte Teil des Buches umfasst drei Kapitel, die dich durch die Themen Trauer, die Verkörperung des generationenübergreifenden posttraumatischen Wachstums und die Begründung deines generationenübergreifenden neuen Erbes führen werden. In Kapitel 10, »Die Trauer über dein traumatisches Erbe«, zeige ich dir die Gründe auf, warum Familiengeheimnisse bestehen bleiben. Außerdem helfe ich dir, dich von Scham zu befreien, und führe dir vor, wie du mit den dir am nächsten stehenden Menschen schwierige Gespräche über generationenübergreifende Traumata führen kannst. Kapitel 11, »Generationenübergreifende Resilienz«, zeigt dir die Wege auf, um als Cycle-Breaker zu generationenübergreifendem posttraumatischem Wachstum zu finden. Und ich mache dich mit einer Cycle-Breaker-Übung bekannt, mit der du deine Generationenresilienz steigern kannst. Kapitel 12, das letzte des Buches, mit der Überschrift »Ein neues Erbe für Generationen«, beschreibt das Lebensgefühl eines Cycle-Breakers, der einen positiven Einfluss auf künftige Generationen haben kann. Wir erkunden, wie Cycle-Breaker ihre Kinder großziehen und wie du dir in der Elternrolle einen Ansatz erarbeitest, mit dessen Hilfe du den von dir gewünschten Einfluss in der Welt gewinnen wirst. Wir beenden das Kapitel mit unserer letzten Übung, die dir hilft, die Transformation deines Erbes durchzuführen.
Dieses Buch ist eine umfassende Anleitung zur Befreiung von generationenübergreifenden Traumata und eine ausführliche Darstellung der Methoden, die dabei eingesetzt werden können. Es soll dich dabei unterstützen, das generationenübergreifende Erbe anzutreten, das in dir lebt.
Ich habe dieses Buch für dich geschrieben; du kannst daraus lernen, und du kannst das Gelernte umsetzen. Es ist nicht einfach nur ein Buch zum Lesen, sondern etwas, was du in deinen Alltag einbauen solltest. Ich rate dir dabei, stets ein speziell dafür vorgesehenes Notizbuch und Schreibmaterial griffbereit zu haben. Die verschiedenen Übungen, die ich vorstelle, die vertiefenden Fragen und die Aufforderungen zum Niederschreiben von Gedanken tragen dazu bei, deine Gefühle zu erkunden und auszudrücken, während wir gemeinsam die Arbeit von Cycle-Breakern tun. Das Notizbuch ist dabei ein entscheidendes Element.
Im Text beziehe ich mich immer wieder auf den Cycle-Breaker. Das bist du. Die Person, die beschlossen hat, den Teufelskreis zu durchbrechen. Ich freue mich, dich dabeizuhaben, freue mich, dass du dich heilen und dein generationenübergreifendes Erbe antreten willst. Ich wünsche mir, dass du dich von der schweren Last befreien kannst, die du mit dir trägst. Du sollst erkennen, dass du dieses Gewicht nicht länger mit dir herumschleppen musst, um dich lebendig zu fühlen, sondern dass sich Lebendigkeit einstellt, wenn du Momente der Leichtigkeit und des Friedens erlebst. Ich hoffe, dass du dich als Cycle-Breaker vom generationenübergreifenden Trauma befreist und mit deiner Familie zu generationenübergreifender Fülle findest.
Beginnen wir mit dem Heilen.
In LiebeDr. Mariel Buqué
Wir müssen die Flüche vorheriger Generationen brechen. Wenn jemand meint: »Das liegt in der Familie«, sagst du: »Und hat jetzt ein Ende.«
Autor unbekannt
Du hast dieses Buch in der Hand, also bist du wahrscheinlich ein Cycle-Breaker. Du willst den Teufelskreis durchbrechen und hast dich dafür entschieden, dir einen neuen Stand in der Welt zu erwerben, und hast dich dafür entschieden, für deine Familie und deine Gemeinschaft den Raum für ein neues Erbe zu schaffen und dein Auftreten in der Welt zu verändern. Bei deiner Suche nach Heilung geht es nicht nur um dich, sondern auch um die Menschen in deinem Umfeld. Du willst heilende Wellen in die Vergangenheit und in die Zukunft aussenden. Die Aufgabe ist nicht leicht, aber wenn du bereit bist, sie anzunehmen – oder wenn sie auf dich zukommt –, hat sie das Potenzial, deine Familie zu befreien.
Den Teufelskreis zu durchbrechen kann sehr lohnenswert sein. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann wirst du dich leicht fühlen, von innerem Frieden erfüllt. Diese Leichtigkeit steht dir zu, diese emotionale Freiheit, die sich entwickelt, wenn du die generationenübergreifende Last abgeschüttelt hast. Mit dem Durchbrechen des Teufelskreises legen wir diese Bürde der Vergangenheit ab und treten in eine bessere Zukunft ein. Dies zu tun, ist eine bewusste Entscheidung mit langfristigen Folgen. Vielleicht hast du sie gefällt, nachdem du wahrgenommen hast, wie sehr deine Familie und deine Gemeinschaft leiden, und willst nicht hinnehmen, dass das so weitergeht. Oder du wünschst dir ein anderes Erbe für dich und deine Angehörigen. Eins aber trifft auf alle Menschen zu, die den Teufelskreis durchbrechen: Sie wollen unwiderruflich sicherstellen, dass die alten Generationenmuster bei ihnen enden. Mit der Lektüre meines Buches kommst du diesem Ziel ein gutes Stück näher.
Das Durchbrechen des Teufelskreises ist eine vielschichtige, auf mehreren Ebenen fordernde, generationenübergreifende Suche nach Frieden. Frieden für dich, für die Menschen, die vor dir da waren, und die, die noch kommen werden, für deine Gemeinschaft und für die Welt. Wenn du dir diese Haltung zu eigen machst, wirst du mit der Zeit die Gewissheit in dir tragen, dass Frieden etwas ist, um das es sich zu kämpfen lohnt.
Viele, die den Teufelskreis durchbrechen wollen, sind sich dessen gar nicht bewusst. Sie wissen nur, dass sich etwas ändern muss. Sie entscheiden sich, einen neuen Weg einzuschlagen und in ihrem Leben die Tür zu Leichtigkeit, Glück und Gesundheit aufzustoßen. Sie denken an die Zukunft ihrer Kinder und wünschen sich, dass diese andere Erfahrungen machen als sie selbst. Sie denken daran, wie viel Leid ihre Familie durchlebt hat, und empfinden es als ihre Aufgabe, einen Umschwung einzuleiten und das Trauma zu heilen, das ihre Familiengeschichte durchzieht. Sie sehen das Leid in ihrer Gemeinschaft und wollen sich auf gemeinschaftlicher Ebene engagieren. Sie sehen die globalen Auswirkungen traumatischer Erfahrungen und wollen die Dinge ändern, um eine bessere Welt für uns alle zu schaffen. Für sie gibt es keinen anderen Weg nach vorn als den durch Heilung. Deshalb ist ihr Leben von aktivem Widerstand gegen den Status quo geprägt – vom täglichen Aufbegehren gegen das, was man ihnen beigebracht hat, und gegen die Art und Weise, wie sie behandelt wurden. Dabei lassen sie sich von Intuition, Zuversicht und Mut leiten. Erst im Nachhinein werden sie erkennen, wie stark sich all dies auf sie selbst und ihr Umfeld auswirkt. Das ist es, was diese Menschen tun, und wahrscheinlich machst auch du bereits einiges davon, ohne dir dessen bewusst zu sein. Und selbst wenn du gerade erst am Beginn dieses Wegs stehst, hat auch das schon Auswirkungen.
Diejenigen, die sich auf diesen Weg machen, sind nicht immer gleich. Jeder wird eine andere Kombination der unten aufgeführten Motivationen haben. Wenn dir einige davon vertraut vorkommen, notiere sie gerne in deinem Tagebuch. Cycle-Breaker
verstehen, dass die Weisheit und die Resilienz von Generationen in ihnen schlummern.
sind entschlossen, die Traumareaktionen ihrer Vorfahren hinter sich zu lassen.
wissen, dass sie selbst zur Aufrechterhaltung des Teufelskreises beitragen.
sind bereit, an sich zu arbeiten, um die Schnur des Leidens zu zerschneiden.
sind bereit, die Konsequenzen zu tragen, die sich aus dem Durchbrechen des Teufelskreises ergeben.
machen täglich bewusstseinsfördernde Übungen, um in Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu bleiben.
achten auf einen Lebensstil, der sich positiv auf den Körper, insbesondere auf das Epigenom (transgenerationell übertragbare chemische Veränderungen in der DNA) auswirkt.
wenden spirituelle Techniken zur Regeneration der Seele an;
wissen, dass ihre DNA nicht ihr Schicksal ist;
befreien sich von dem Gedanken, dass sie unter einem genetischen Defekt leiden, und freuen sich stattdessen über einen ungeheuren genetischen Reichtum;
sind bereit zu Änderungen ihrer Lebensweise, sodass ihrem Körper eine bessere Stressbewältigung möglich ist;
betrachten die Seelen in ihrer Gemeinschaft als Verlängerung ihrer eigenen Seele und behandeln sie entsprechend;
durchbrechen systemische Ungerechtigkeiten, die die kollektive Traumatisierung und den Teufelskreis aufrechterhalten;
teilen ihr Wissen über Heilungsprozesse mit anderen, damit alle in ihrer Generation befreit werden können;
sehen sich als beispielhafte lebende Vorfahren künftiger Generationen;
haben entschieden, dass der Teufelskreis ererbter Traumata bei ihnen endet.
Möglicherweise wird die ein oder andere Beschreibung auf dich zutreffen, vielleicht sogar mehrere oder alle. Die Art und Weise, wie du den Teufelskreis durchbrichst, wird dennoch einzigartig sein. Denk einen Augenblick darüber nach und stell dir die Frage: »Welche Eigenschaften bringe ich mit, um den Teufelskreis zu durchbrechen?« Auf den folgenden Seiten dieses Buchs beschreibe ich die großartigen Dinge, die du erreichen kannst, wenn du die alten Muster abschüttelst.
Ich möchte dir helfen, die Arbeit, die du dir vorgenommen hast, gut zu Ende zu führen. Ich möchte dir Werkzeuge an die Hand geben, mit denen du die tiefen Gefühle und die schweren Gespräche bewältigen kannst, die du mit dir selbst, deinen Angehörigen oder den Mitgliedern deiner Gemeinschaft führen wirst. Wenn du dich voller Mut an die Aufgabe machst, den Teufelskreis der generationenübergreifenden Traumata zu durchbrechen – eine Aufgabe, die für dich vorgesehen ist –, kann ich dir hoffentlich mit meinem Wissen beistehen und dich führen.
Alle Cycle-Breaker sind anders. Aber es gibt etwas, was uns verbindet: Niemand von uns hat das Gefühl, für diese Arbeit wirklich bereit zu sein. Deshalb gibt es keinen günstigen Zeitpunkt, kein richtiges Gefühl oder einen klaren Hinweis, um mit dem Handeln zu beginnen.
Einem Klienten von mir ist einmal einer seiner Vorfahren in Form eines blauen Auralichts im Traum erschienen. In diesem Traum konnte er seinen Vorfahren nicht hören, aber er konnte dessen Anweisung spüren: »Du musst dich aufmachen und die Schlacht schlagen.« Er hat den Traum als Aufforderung gedeutet, sich bereit zu machen. Er hatte das alles nicht geplant, sondern reagierte auf die intuitive Erkenntnis, dass seine Vorfahren an seiner Seite standen und er mit dem Kampf beginnen konnte.
Körper und Geist sind Manifestationen des höheren Bewusstseins der Seele; deshalb ist es wichtig, dass wir aufmerksam auf die Stimme unseres Unterbewusstseins hören. Ich bekam die Aufforderung zu handeln ebenfalls in einem Traum. Als eine Botschaft von einem noch lebenden Angehörigen, meinem Vater, der sagte: »Kind, es ist an der Zeit!« Dies geschah an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich wie gelähmt fühlte. Ich war nicht bereit. Mein Hochstaplersyndrom – eine generationenübergreifende Lüge, die ich über Jahrzehnte verinnerlicht hatte – untergrub mein Selbstvertrauen. Beim Hochstaplersyndrom hat man das Gefühl, die Umwelt zu betrügen und dass einem der eigene Platz nicht wirklich zusteht; es stammt vermutlich daher, dass früheren Generationen der Zugang zu diesem Platz verwehrt worden war. Meine Deutung dieses Traums gab mir jedenfalls den Anstoß, meine Einstellung zu ändern. Ich konnte mich für die Botschaft meines Vaters öffnen; sie markierte für mich den Aufbruch auf meinen heutigen Weg als Cycle-Breaker.
Vielleicht hast auch du ein Zeichen erhalten, das dich motiviert, dich auf die Suche nach deinem generationenübergreifenden höheren Selbst zu machen. Vielleicht waren es nicht die Stimme oder die Erscheinung einer anderen Person, sondern deine eigene innere Stimme, die zu dir gesprochen hat. Wenn du jetzt an diesem Punkt angelangt bist, kannst du darauf vertrauen, dass deine Seele bereit ist.
Wie schon geschildert, äußerte sich das generationenübergreifende Trauma in meiner Familie unter anderem darin, dass wir uns an alle unsere Besitztümer klammerten, weil wir über lange Zeit nur mit Mühe und Not über die Runden gekommen waren. Ich aber hatte begonnen, aus dem Teufelskreis auszubrechen; das wurde mir bewusst, als ich mich von einem kostbaren Gegenstand verabschieden konnte. Es war der wunderschöne Kaffeebecher meiner Großmutter, außen weiß, innen rot, mit einem passenden Löffel, der in eine Öffnung im Henkel gesteckt werden konnte. Sie hatte ihn zusammen mit einer lieben Nachricht in den Koffer eines Familienangehörigen gepackt, der aus der Dominikanischen Republik anreiste. Ich war damals so gerührt davon gewesen, denn ich wusste ja, wie wenig sie selbst besaß. Dass sie ihre bescheidenen Mittel zusammenkratzte, um mich zu beschenken und mein Zuhause zu verschönern, bedeutete mir so viel. Über Jahre hinweg benutzte ich den Becher täglich. Oft hörte ich in Gedanken ihre Stimme und ihre Worte, wenn ich den Becher, gefüllt mit meinem Lieblingstee, in der Hand hielt. Er war eins der wichtigsten Dinge in meiner Wohnung. Doch eines Tages zerbrach er in so viele Teile, dass er nicht mehr zu retten war. Dass dies nur wenige Monate nach dem Tod meiner Großmutter geschah, machte die Sache noch schmerzlicher. Nun war der einzige Gegenstand kaputt, der ein Sinnbild für die Verbindung zwischen uns gewesen war. Ich litt fürchterlich, hatte Schuldgefühle, machte mir Vorwürfe, nicht besser auf ihr Geschenk geachtet zu haben, für das sie so viele Mühen auf sich genommen hatte. Und da zu meinen inneren Wunden auch Verlustängste gehören, fürchtete ich natürlich, ohne diesen greifbaren Gegenstand die geistige Verbindung zu ihr zu verlieren, die für mich so wertvoll war und mir so viel Halt gab.
Intuitiv wusste ich jedoch, was ich zu tun hatte. Irgendwie hatte ich sogar das Gefühl, dass meine Großmutter mir half, diesen Augenblick zu bewältigen. Wenn ich weiterkommen wollte, musste ich Schritte unternehmen, die mein ganzes Selbst heilen würden, denn ein Trauma manifestiert sich in der Seele.
Auf geistiger Ebene galt es, die Angst vor dem Verlust meiner Verbindung zu ihr abzubauen, indem ich mich an all das erinnerte, wodurch ich für immer mit ihr verknüpft sein werde. Körperlich musste ich mich auf mein Herz fokussieren und tief ein- und ausatmen, um den tiefen Schmerz zu heilen, dem Ausdruck meiner Verzweiflung. Und um meine Seele zu heilen, beschloss ich, Ahnenbriefe an meine Großmutter zu schreiben. Meine Verbindung zu ihr wurde dadurch immer intensiver, ein Prozess, der bis heute anhält.