Brennpunkt PFC - Mittelbaden - Eduard Meßmer - E-Book

Brennpunkt PFC - Mittelbaden E-Book

Eduard Meßmer

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Beschreibung

Dieser "Brennpunkt: PFC-Mittelbaden" fasst überparteilich und unabhängig die zahlreichen Aspekte der großflächigen und komplexen Kontamination im Landkreis Rastatt und Stadtkreis Baden-Baden mit per- und polyfluorierten Chemikalien (kurz: PFC) zusammen. Die PFC-Belastung in der Region betrifft mittlerweile eine Fläche von etwa 500 Hektar und reicht weit zurück, bis etwa in das Jahr 2005. Maßnahmen der zuständigen Behörden liefen erst ab dem Jahr 2013 an. Bis dahin wurden PFC als Gefahrenquelle von den Behörden in Baden-Württemberg nicht wahrgenommen, entgegen dem Forschungsstand und dem ab 2008 angestiegenen überörtlichen Medieninteresse zu diesem Thema. Inwieweit und wie lange die Bevölkerung unbemerkt mit kontaminierten Trinkwasser oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen versorgt wurde, ist bis heute nicht klar. Die Behörden können auch nach vier Jahren seit Bekanntwerden dieses besonderen Schadensereignisses weder eine Lösung anbieten noch Lösungen in Aussicht stellen. Die Perspektive der staatlichen Behörden und Landesministerien reicht über Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Hinblick auf die Trinkwasserversorgung der Haushalte und Überwachung belasteter Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden, nicht hinaus. Erörtert werden die in der Öffentlichkeit diskutierten Thesen zu Verursachern und Ursachen der vorliegenden Schadenssituation. Die Perspektive wird erweitert auf die sorglose Produktion und Anwendung von gefährlichen Chemikalien. Das führt dazu, dass weltweit Stoffe in die Umwelt gelangen, die persistente, bioakkumulierende und toxische Eigenschaften aufweisen. In diesem Publikation werden Lösungsansätze zur Diskussion gestellt, welche das Potential haben, einerseits das PFC-Risiko für Trinkwasser und im Boden zu minimieren oder andererseits die belasteten Flächen für andere Zwecke als zur Produktion von landwirtschaftlichen Produkten zu nutzen.

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TitelseiteInhaltsverzeichnisVorwort12 Jahre PFC: Eine Geschichte MittelbadensWie das Kind in die Brunnen fielPFC: Gefahren für die Gesundheit?Auswirkungen PFC: vielschichtig, persistent und teuerUrsache und Ausmaß: Die Frage nach der VerantwortungMaßnahmen der Behörden: Ohne schuldhaftes Verzögern?GFB e.V.: Lösungsvorschläge und PerspektivenHerausforderung PFC: Umweltbewusster handelnSchlussfolgerungenEpilog

Titelseite

Brennpunkt: PFC Mittelbaden

Fakten, Thesen & Schlussfolgerungen

Eduard Meßmer

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorwort1. 12 Jahre PFC: Eine Geschichte Mittelbadens2. Wie das Kind in die Brunnen fiel3. PFC: Gefahren für die Gesundheit?4. Auswirkungen PFC: vielschichtig, persistent und teuer5. Ursache und Ausmaß: Die Frage nach der Verantwortung6. Maßnahmen der Behörden: Ohne schuldhaftes Verzögern?7. GFB e.V.: Lösungsvorschläge und Perspektiven8. Herausforderung PFC: Umweltbewusster handeln9. SchlussfolgerungenEpilog

Vorwort

Wir konnten es kaum erwarten, Ihnen diese zweite und erweiterte Auflage unseres „PFC-Brennpunkt Mittelbaden“ zur Verfügung zu stellen. Dieser Brennpunkt ist noch immer das einzige uns bekannte Werk, das die zahlreichen Aspekte der großflächigen und komplexen Kontamination im Landkreis Rastatt und Stadtkreis Baden-Baden mit per- und polyfluorierten Chemikalien (kurz: PFC) überparteilich und unabhängig zusammenfasst.

Nach anhaltender, zum Teil massiver Kritik aus der Öffentlichkeit am Management der örtlich zuständigen Kreisbehörde und der drei involvierten Landesministerien, beschäftigt sich auch der Verein „GFB Baden e.V.“ ab Mitte des Jahres 2016 in einer Arbeitsgruppe mit diesem Thema.

Die PFC-Belastung in der Region betrifft mittlerweile eine Fläche von etwa 486 Hektar und reicht weit zurück bis etwa in das Jahr 2005. Maßnahmen der zuständigen Behörden liefen erst ab dem Jahr 2013 an; bis dahin wurden PFC als Gefahrenquelle von den Behörden in Baden-Württemberg nicht wahrgenommen, entgegen dem Forschungsstand und dem ab 2008 angestiegenen überörtlichen Medieninteresse zu diesem Thema. Inwieweit und wie lange die Bevölkerung unbemerkt mit kontaminierten Trinkwasser oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen versorgt wurde, ist bis heute nicht klar.

Das GFB e.V. stellt eine Reihe von Lösungsansätzen vor, die bislang keine Beachtung gefunden haben: beispielsweise den Einsatz zertifizierter Bio-Pflanzenkohle. Hierfür hat der GFB e.V. Anfang April 2017 nach aufwändiger Vorbereitung ein Forschungsprojekt initiiert, an dem inzwischen mehrere Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich arbeiten. Schon daran ist abzuleiten, dass etwa mit zertifizierter Pflanzenkohle durchaus gewisse Chancen bestehen, das PFC-Risiko in den kontaminierten Böden zu minimieren. Dennoch wird dieses Projekt, wie auch die Lösungsvorschläge des GFB, weitgehend ignoriert oder von sogenannten PFC-Beauftragten der Kommunen über die örtlichen Printmedien pauschal wie einseitig mit Zweifeln überzogen. Eine öffentliche Erörterung der gegebenen Möglichkeiten oder Chancen findet nicht statt. Neben der Pflanzenkohle stellt das GFB auch andere Lösungsansätze zur Diskussion, beispielsweise die Gründung einer Regionalwert AG und die Einrichtung eines kommunalen Stiftungsfonds.

Eine öffentliche und zugleich offene Diskussion bleibt unabdingbar, auch dann, wenn konstruktive Ansätze und Vorschläge nicht etwa von den Behörden und von Experten in deren Auftrag kommen, sondern aus dem Reservoir von engagierten Bürger*innen. Dieses Reservoir auszuschöpfen, gehört noch nicht zum Repertoire der zuständigen Kreisbehörde.

Das GFB e.V. hält weiterhin an den in diesem Buch veröffentlichten Thesen, Fakten und Schlussfolgerungen fest, denn die Anzahl der Betroffenen ist so unübersehbar wie die anhaltende, allgemeine Ratlosigkeit über die PFC-Schadenssituation in der Region. Betroffene sind zuallererst Landwirte, dann die Kunden der örtlichen Trinkwasserversorger, Konsumenten von landwirtschaftlichen Produkten, Bauherren oder Grundstücksbesitzer. Ihnen allen wie der gesamten Bevölkerung in der Region wollen wir als GFB e.V. mit diesem Buch einerseits eine unabhängige Informationen anbieten und andererseits Interessierte motivieren, sich zum Thema einzubringen.

Wir verfolgen als gemeinnütziger Verein bei aller Kritik an der Kreisbehörde aus der Öffentlichkeit, von örtlichen Parteipolitikern, von Bürgermeistern, von der Kuppenheimer Bürgerinitiative oder gleich mehrfach von der Bundesumweltministerin, in erster Linie das Ziel, über Maßnahmen einer bloßen Schadensbegrenzung hinaus, die noch möglichen Perspektiven aufzuzeigen, vor allem für die Landwirtschaft und Gartenbau-Betriebe.

Allen Leserinnen und Lesern eine aufschlussreiche Lektüre!

Baden-Baden im September 2017

Eduard  Meßmer

12 Jahre PFC: Eine Geschichte Mittelbadens

1

Die Region Mittelbaden ist nach bisherigem Kenntnisstand seit ungefähr 2005 von einer großflächigen und komplexen Kontamination von Freiflächen mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) auf etwa 486 Hektar betroffen. Dies wirkt sich bis heute nachhaltig auf das Grundwasser einer ganzen Region aus im Hinblick auf die Verfügbarkeit von sauberen Trinkwasser und die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte. Betroffen sind mehrere Wasserwerke, Privatbrunnen und 90 Landwirtschaften in der Region Rastatt und Baden-Baden.

Am 4. September 2016 fragte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Woher kam das Zeug bloß?“. Die FAZ beschrieb die Historie und den aktuellen Stand eines Vorgangs, den Umweltschützer als einen der auf Grund der belasteten Fläche größten Umweltskandale der Bundesrepublik Deutschland bezeichnen. Der Bericht der FAZ rüttelte nicht nur die Bevölkerung in der Region auf, sondern auch die örtlichen Kreisbehörden und die zuständigen Landesministerien.

Bis heute allerdings wehrt sich das baden-württembergische Umweltministerium gegen die Verwendung des Begriffs „Umweltskandal“. Diese Reaktion gibt einen Hinweis auf den Umgang der Ministerien und Behörden mit einem Problem, dessen Anfänge mehr als ein Jahrzehnt zurückreichen und mit dem sich eine ganze Region noch viele Jahre wird auseinandersetzen müssen. Die Vorgehensweise der zuständigen Behörden weist bis in das Jahr 2013 fragwürdige Lücken auf. Diese Lücken führten zu scharfer Kritik von Betroffenen, örtlichen Parteien, Gemeinderäten und (Ober-)Bürgermeistern, zuletzt im August 2017 mehrfach direkt aus dem Mund der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks.[1] Die Kritik reichte bis zur Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.[2]

PFC-Land Mittelbaden             Foto: E. Meßmer

Woher das Zeug wirklich kam, ist bis heute nicht restlos aufgeklärt und wird wohl unaufgeklärt bleiben. Im Fokus der Behörden befindet sich ein Kompost-Hersteller aus der Region der Kompost mit belasteten Papierfaserabfällen aufbereitete und diesen Kompost an Landwirte verschenkte. Die Berechnungen und Schlussfolgerungen eines Agrarexperten sollen zeigen, dass noch weitere Verursacher und Quellen in Betracht kommen.

Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hat wegen strafrechtlich relevanter Umweltdelikte gegen Unternehmen aus der Papierindustrie und gegen jenen Komposthersteller ermittelt. Die Ermittlungen dauerten etwa drei Jahre, bis es Anfang des Jahres 2017 zur Einstellung der anhängigen Verfahren kam. Als Grund für die Einstellung gab die Staatsanwaltschaft „Verfolgungsverjährung“ und „fehlende Beweise“ an. Die verwaltungsrechtliche Seite, bei der es unter anderem um die Inanspruchnahme von Verursachern geht, bleibt von einer strafrechtlichen Bewertung des Sachverhalts unberührt.

Badische Neueste Nachrichten, 21.07.17, Kontakt vom Land zum Bund bleibt vorerst aus; Acher- und Bühler Bote, Yburg-Rundschau, 22.07.2017, Lösung für PFC-Probleme ist noch nicht in Sicht, S. 27. ↵Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 4. September 2016, Artikel: "Woher kam das Zeug bloß?", http://www.faz.net/aktuell/wissen/umweltskandal-woher-kam-das-zeug-bloss-14418841.html↵

Wie das Kind in die Brunnen fiel

2

Kreisbehörden und Landesministerien sehen sich durch örtliche politische Parteien und durch betroffene Kommunen Vorwürfen der Verschleppung und Untätigkeit ausgesetzt. Lange sei nichts unternommen worden, obwohl der zuständigen Kreisbehörde spätestens seit 2008 bekannt war, dass von einem Komposthersteller unzulässig belastete Papierfaserabfälle abgegeben worden waren. Landwirte bewirtschafteten unwissentlich ihre Parzellen, die mit kontaminierten Kompost verunreinigt waren oder beregneten unbelastete Ackerflächen mit dem Wasser aus ihren PFC-kontaminierten Privatbrunnen. Die ersten systematischen Untersuchungen zur Feststellung von schädlichen Bodenveränderungen, der Grundwasser- und Trinkwasserbelastung infolge PFC, liefen im Jahre 2013 an, obwohl das sprichwörtliche Kind zu diesem Zeitpunkt schon Jahre vorher in die Brunnen gefallen war. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die PFC über das Grundwasser längst in den Wasserwerken und privaten Brunnen der Region angekommen. Nun erst kam es zur Stilllegung von Wasserwerken, zum Einbau zusätzlicher Reinigungs- und Filteranlagen bei den Wasserversorgern, zur Außerbetriebnahme einzelner Brunnen, zur Erschließung neuer Brunnen, zum Grundwasser-Monitoring, zu einer Überprüfung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Vorernte-Monitoring) und zu Vorschlägen, Verbundlösungen für die Wasserversorgung aufzubauen. Nun erst wurden Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben und viele weitere Maßnahmen ergriffen. Der Vorschlag eines örtlichen Bürgermeisters, Brunnengalerien zu bauen, die PFC-belastetes Grundwasser auffangen sollen, ließ sich nicht mehr umsetzen, weil sich die Chemikalien zu diesem Zeitpunkt über Grundwasserfahnen bereits zu weit verbreitet hatten. Hat es zu lange gedauert, bis die Behörden angemessen auf vorliegende Erkenntnisse und die nahe liegende PFC-Umweltbelastung in der Region reagiert haben?

Ein rechtzeitiges Erkennen der Problemlage war durch den Organisationsaufbau der Behörden selbst erschwert. Die Behörden sind in ihrer Aufbau- und Ablauforganisation darauf ausgerichtet, auftretende Schadensereignisse zu antizipieren und zu bewältigen. Im vorliegenden Falle jedoch ist die Komplexität und das großflächige Ausmaß des mittelbadischen PFC-Schadensereignisses auf eine Vielzahl von unterschiedlichen kommunalen Gebietskörperschaften, staatlichen Ressorts und Zuständigkeiten, Ministerien und Behörden verteilt, wie letztlich auch auf verschiedenste Forschungsgebiete und Forschungseinrichtungen. Neben Fragen die Bodenschutz, Wasser und Landwirtschaft tangieren, sind eine Vielzahl von anderen betroffenen Themenbereichen betroffen, wie zum Beispiel Gesundheit, Natur- und Artenschutz, Deponiefragen, Abfall- und Baurecht. Es liegt auf der Hand, dass die Besonderheit einer in dieser Form nie dagewesenen Schadenslage das Erkennen der Problemlage und erforderliche Aktivitäten nicht unbedingt förderte.

Bei kritischen Fragen berufen sich Landesministerien und Behörden immer wieder auf nicht existierende gesetzliche Grenzwerte. So beispielsweise Umweltminister Franz UNTERSTELLER am 16.09.2016 gegenüber „goodnews4 Baden-Baden“. Gleichlautend auch die örtlichen Kreisbehörden: Keine Grenzwerte für PFC in der Trinkwasserverordnung, keine Schwellenwerte in der Grundwasserverordnung und keine Sickerwasserprüfwerte in der Bundesbodenschutzverordnung.[1] Die Beurteilung des Trinkwassers erfolgt nach dem Konzept für gesundheitliche Orientierungswerte (GOW-Konzept) der Trinkwasserkommission PFC. Eine Beurteilung von Grundwasserverunreinigungen erfolgt nach vorläufigen Geringfügigkeitsschwellenwerten (GFS-Werte), abgeleitet in Anlehnung an das GOW-Konzept der Landesanstalt Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) und eingeführt per Erlass des Umweltministeriums Baden-Württemberg vom 17. Juni 2016.

Es mag dem Wortlaut nach zutreffen, dass bundesweit keine Grenzwerte für PFC vorliegen, dass bei der Belastung des Wassers mit PFC noch vieles unerforscht und mit gesetzlichen Grenzwerten erst im Jahr 2017 zu rechnen ist.[2] Dies könnte vordergründig zu der Annahme führen, dass für das Land Baden-Württemberg ohne gesetzliche Grundlage keine Handlungsmöglichkeiten gegeben waren. Diesen Aussagen steht gegenüber, dass das Umweltbundesamt Fluorchemikalien (PFOS und PFOA) schon lange als „besonders besorgniserregend“ bewertet. Bereits mit der Düngemittelverordnung vom 16. Dezember 2008 wurde erstmals eine Kennzeichnungsschwelle und ein Grenzwert für perfluorierte Tenside (PFT) eingeführt.[3] Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu PFC führten zu einer entsprechenden Berücksichtigung bei Novellierung der Bioabfallverordnung (BioAbfV) 2013.[4]

Für die Einschätzung einer PFC-Belastung im Trinkwasser, wenn auch außerhalb einer gesetzlichen Grundlage, konnte seit dem Jahre 2008 auf die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelrecht (EFSA) und die Grundlagenwerte zurückgegriffen werden, die im gleichen Jahr durch das Umweltbundsamt u.a. mit der so definierten „tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge“ („Tolerable Daily Intake“ – TDI) anerkannt waren.[5]