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Anne Heinz

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Beschreibung

Fast alles, was uns glücklich macht, hängt mit dem Mund und den Zähnen zusammen: lachen, singen, küssen, leckeres Essen schmecken oder mit anderen sprechen. Der Mund ist unser Tor zur Welt und Ausdrucksmittel unserer Identität. Je mehr wir darüber wissen, desto besser.  Dr. Anne Heinz nimmt uns mit auf eine Reise durch das Multitalent Mund und lässt uns staunen über unseren wunderbaren Körper. Entlang eines Menschenlebens erklärt sie alle wichtigen Themen der Zahn- und Mundgesundheit, von Babyzähnen bis zum Zusammenhang von Alzheimer und Parodontose im Alter. Denn ein Großteil aller chronischen Erkrankungen, die sich an ganz anderen Stellen unseres Körpers bemerkbar machen, kommt aus der Mundhöhle  …

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Redaktion und Lektorat: Margret Trebbe-Plath

Illustrationen: David Aguirre Hoffmann

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Marcus Höhn (Foto: Anne Heinz); David Aguirre Hoffmann (Illustration)

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Vorwort

Große Klappe – viel dahinter

Der Mund – was alles dazugehört

Lippen – sind zum Küssen da

Zähne – harte Schale, weicher Kern

Zunge – der Red Carpet des Mundes

Speicheldrüsen – die Pyramiden von Gizeh

Kiefergelenk & Kaumuskulatur – mehr als nur kauen

Multitalent Mund – was er alles kann

Schmecken – lecker, eklig oder aromatisch: Alles eine Geschmacksfrage

Bitter

Süß

Sauer

Salzig

Umami (an Fleischbrühe erinnernd)

Fühlen – wie wir uns mit Daumenlutschen und Küssen die Welt erschließen

Atmen – »Atemlos durch die Nacht«, über gutes und schlechtes Luftholen, Schnarchen und andere atemberaubende Momente

Immunabwehr – warum wir alle Weltmeister sind

Sprechen – das Herz auf der Zunge tragen: Ein Hoch auf die große Klappe

Kauen & verdauen – die Rezeption des Darms

Am Zahn der Zeit

Jedes Kind kostet einen Zahn: Die Schwangerschaft

Wie wird aus einem Zellklumpen ein Mensch?

Unterschiedliche Startbedingungen – kann man schlechte Zähne erben?

Die Krone der Schöpfung – Happy Birthday: 0 – 6 Monate

Affenbabys – eine Menge Hirnschmalz

Stillen – der gesündeste Cocktail deines Lebens

Aua – die ersten Zähne schlüpfen: 6 Monate – 2 Jahre

Zähnchen ohne Tränchen – Zahnungshilfen

Die Schnullerfee – wann zieht man den Stöpsel?

Daumennuckeln – time to say goodbye

Putzrituale – Party im Badezimmer

Kuschelkurs – sobald sich die Zähne berühren: 2 – 4 Jahre

Hacki und Backi – sind Löcher in den Zähnen vermeidbar?

Nahrung ist Medizin – was, wann und wie viel uns guttut

Das Schokoladenbündnis – Mut zur Ehrlichkeit

Fluoride – Pflicht oder Gift?

Einen Zahn zulegen – was Haifische mit Menschen gemein haben: 5 – 7 Jahre

Schutzlack – Geheimgänge verschließen

Wenn die Zähne bröckeln – Kreidezähne und wie gehe ich damit um?

Die Suche nach dem magischen Eichhörnchen – was ist eigentlich Mutmach-Medizin?

Alles auf Empfang – Antennen im Mund: 8 – 15 Jahre

Drahtseilakt – die feste Zahnspange

Trabi oder Ferrari – was stellt man in die Mundgarage?

Beautytrends und weise Entscheidungen: 16 – 30 Jahre

Könige und Brückenbauer

Selbstzerstörerische Schönheitstrends – Gos und No-Gos

Warum auch Dummköpfe Weisheitszähne haben

Rushhour – beknackter Kiefer: 30 – 60 Jahre

Wurzel allen Übels – wenn der Zahnarzt auf die Nerven geht

Träum weiter, Baby – warum schlafen gesund ist

Kiefer gut, alles gut – CMD: Die Königsdisziplin der Zahnmedizin

Wer will denn da gleich ausfallend werden? – Zähne ab 60

Parodontitis – keine Zähne keine Probleme?

Implantate – bohr to be wild

Prothesen – Mut zur Lücke

Q & A – Fragen aus der Community

Dank

Wichtigste Quellen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Vorwort

Mein Name ist Dr. Anne Heinz, ich bin Musikerin und Zahnärztin. Immer wieder werde ich gefragt, wie das zueinanderpasst. So, als wäre diese Verbindung ganz abwegig. Dabei gibt es einen sehr offensichtlichen Zusammenhang zwischen meinen beiden Leidenschaften: den Mund. Eigentlich bin ich Mundexpertin.

Würde man mich nach dem Sinn meines Lebens fragen, würde ich sagen, dass ich die Menschen zum Lachen bringen möchte.

Durch die Behandlung von kranken Zähnen können wir Zahnärzt:innen und Zahnarzthelfer:innen Menschen ihr Lächeln zurückschenken – oder sie so lange mit Zahnputztipps und gesunder Ernährung nerven, dass die Zähne gar nicht erst krank werden. Gesundheit beginnt im Mund. Und damit meine ich nicht nur die Gesundheit der Zähne, sondern die des ganzen Körpers. Ob wir uns unser Nervensystem anschauen, das Immunsystem, die Verdauung oder auch unser Skelett – viele der Stellschrauben, an denen wir drehen können, um etwas an der Gesamtsituation zu verbessern, hängen mit dem Mund zusammen. Und ich nehme den Mund nicht zu voll, wenn ich sage, dass auch unsere mentale Gesundheit maßgeblich vom Mund beeinflusst wird.

Mein Opa sagte immer: »Wissen schadet demjenigen, der es nicht hat.«

Für unsere Gesundheit sind wir selbst verantwortlich, und je mehr wir wissen, desto leichter werden wir Entscheidungen treffen, die uns guttun. Dabei möchte ich helfen und dir das nötige Wissen liefern. In diesem Buch habe ich viele Erfahrungen versammelt, die ich mit meinen Patient:innen im Praxisalltag gemacht habe. Das Fazit dabei ist immer: weg von krank machenden Schönheitstrends und hin zu einem gesunden, strahlenden Lächeln, das von innen kommt. Ich möchte dich auf eine fantastische Reise in unseren Mund entführen und dir zeigen, warum meine Oma recht hatte, als sie meinte: »Lachen ist die beste Medizin.«

 

Man sagt mir eine große Klappe nach, die man auch »Berliner Schnauze« nennen könnte, wenn ich nicht in einem klitzekleinen Dorf vor den Toren der Hauptstadt leben würde. Fragt man meine Eltern, bin ich seit meiner Kindheit eine Klugscheißerin. Dabei fing alles mit einer traumatischen Erfahrung an: Bei meinem allerersten Zahnarztbesuch wollte ich den Mund nicht öffnen. Ich fragte mich, wie die Leute, die hier arbeiteten, es bei dem Gestank aushielten und warum jemand überhaupt hier freiwillig sein wollte. Ich wollte den Mund nicht aufmachen und mit irgendwelchen komischen Werkzeugen darin rumfuhrwerken lassen. Dafür bekam ich von dem grimmig dreinschauenden Weißkittel, der sich Zahnarzt nannte, eine Backpfeife. Das habe ich nie vergessen.

Heute schätzen wir Empowerment, wollen als starke und aufgeklärte Patient:innen wahrgenommen werden, lesen Achtsamkeitsbücher und machen Yoga. Ich gehe davon aus, dass es heute kein Arzt und keine Ärztin mehr wagen würde, seine oder ihre Patient:innen zu ohrfeigen. Gleichzeitig ist die Skepsis vor der Medizin und die Angst vor Ärzt:innen im Allgemeinen so groß wie vielleicht noch nie. Wir Ärzt:innen haben das Vertrauen vieler Patient:innen verloren.

Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Nehmen wir zum Beispiel das Studium der Zahnmedizin: Es ist unlogisch. Keine einzige Vorlesung beschäftigt sich mit der Angst vor dem Zahnarzt, dem Führen von Mitarbeiter:innen oder den Auseinandersetzungen mit Krankenkassen, obwohl das unser tägliches Business ist. Vielmehr lernt man tonnenweise Bücher und Altklausuren auswendig, streitet sich mit Studienkolleg:innen um Patient:innen und versucht, möglichst nicht aufzufallen.

Schließlich gibt es einen ganzen Katalog an Behandlungen, die man im Zahni-Studium absolviert haben muss. Vergleichbar ist das mit einer To-do-Liste, auf der zum Beispiel drei Kronen, vier Wurzelkanalbehandlungen und fünf Frontzahnfüllungen stehen. Ob man die Punkte für die erbrachte Behandlung dann auch wirklich bekommt, hängt nicht selten von den Launen der Dozent:innen ab.

Doch das ist noch nicht alles. Wenn gerade kein:e Patient:in eine Wurzelkanalbehandlung braucht, hat man als Studierende:r einfach Pech gehabt. Im schlimmsten Fall muss man das Semester sogar wiederholen. Neben diesem Druck, den Leistungskatalog vollzubekommen, sind Schikanen der Vorgesetzten an fast allen deutschen Unis absolut gang und gäbe.

Leider führt genau dieses veraltete Ausbildungssystem dazu, dass viele angehende Zahnärzt:innen zu einsamen Wölfen mit einer Ellbogenmentalität erzogen werden. Dabei ist Zusammenarbeit doch so wichtig, gerade in der Medizin. Viele meiner Kommiliton:innen und heutigen Kolleg:innen blicken deshalb sehr ungern auf ihre Studienzeit zurück.

Zu Themen wie gesunder Ernährung oder welche Spurenelemente wo wie wirken habe ich im Studium nichts gelernt, vielleicht habe ich aber auch nach einer feuchtfröhlichen Zahni-Party die entsprechende Vorlesung verschlafen. Naturheilkunde oder alternative Verfahren wurden direkt als Humbug abgetan – daran erinnere ich mich sicher. Wenn man bedenkt, dass nur die Crème de la Crème des Schulsystems überhaupt zum Studium zugelassen wird, haben wir einen weiteren Grund für den harten Konkurrenzkampf unter den meisten Zahnis. Man erinnere sich einfach an Hans Peter mit dem 1er-Schnitt, der niemanden abschreiben lassen wollte, und multipliziere das mit 50. Und eine:r unserer Professor:innen hieß uns Studierende wie folgt willkommen: »Schauen Sie einmal nach rechts und einmal nach links – nur eine:r von dreien wird das Staatsexamen erleben, und nur fünf Prozent der hier Anwesenden werden es bestehen.«

Mehr als einmal wollte ich alles hinschmeißen und hinterfragte den Sinn meines Studiums. Fünfeinhalb Jahre später hielt ich ziemlich abgestumpft mein Examen in der Hand und fühlte mich wie ein Gott in Weiß. Nach meiner ersten Assistenzarztstelle mit sage und schreibe 2 000 Euro Bruttogehalt fühlte ich mich wie Schrott in Weiß. 40 bis 60 Patient:innen täglich im Fließbandverfahren abzufertigen, sodass ich mir weder einen Namen merken konnte noch Zeit hatte, mich mit auch nur einem oder einer von ihnen zu unterhalten. Typischerweise hieß es: »WKB auf 2« – was so viel bedeutet wie: Wurzelkanalbehandlung auf Zimmer 2. Alles andere war zwar nicht egal, aber es fehlte einfach die Zeit, um sich damit zu beschäftigen. Ich erwischte mich oft dabei, dass ich den Patient:innen nicht mal mehr richtig Hallo sagte, sondern mir direkt den Bohrer griff, nachdem ich das Zimmer betreten hatte. Mein Chef folgte Tag für Tag genau diesem Ablauf, und das seit mehr als 20 Jahren. Schon im Bewerbungsgespräch hatte er mir eröffnet, dass sein Geschäftspartner sich im Jahr zuvor das Leben nehmen wollte. Nach drei Monaten mit diesem Pensum verstand ich warum.

Zeitmangel, Kostendruck, die Reformbedürftigkeit der Ausbildung – all diese Probleme sind nicht neu. Aber der daraus resultierende Vertrauensverlust bei den Patient:innen ist mittlerweile so groß geworden, dass er nicht nur in Skepsis, sondern in Ablehnung uns Ärzt:innen gegenüber umgeschlagen ist. Immer mehr Patient:innen befragen lieber »Dr. Google«, als zum Arzt oder zur Ärztin zu gehen. Doch im World Wide Web wird aus einer Mücke schnell ein Elefant, den man mit bestenfalls unwirksamen Heilmittelchen in Eigenregie zu kurieren versucht, oder eine ernst zu nehmende Erkrankung soll sich wie durch Zauberhand durch das Trinken von Pooldesinfektionsmittel plötzlich in Luft auflösen. Bitte nicht.

Die Angst vor dem Zahnarzt ist – leider – ein Klassiker.

Wir Zahnärzt:innen sind keine gruseligen Monster, die nur darauf aus sind, dir Schmerzen zuzufügen. Im Gegenteil, wir haben uns dem Wohl der Patient:innen verschrieben, und das meine ich wörtlich. Schon bei der Vereidigung legen wir das Gelöbnis des Hippokrates ab – das ist sozusagen unser heiliger Eid. Ich möchte helfen, dass Medizin und wissenschaftliche Studien nicht als langweiliges Fachchinesisch wahrgenommen werden, und dazu beitragen, dass du dich wieder auf den Zahnarztbesuch freust, so wie auf den wöchentlichen Trash-TV-Marathon oder das Feierabendbierchen. Deshalb habe ich meine Praxis Dentiland gegründet, bin auf TikTok aktiv und schreibe dieses Buch.

Wir Zahnärzt:innen werden von den ärztlichen Kolleg:innen oft belächelt und nicht als richtige Mediziner:innen wahrgenommen. In vielen Fällen muss man ihnen leider recht geben, denn um Löcher in Zähne zu bohren benötigt man kein Studium. Wieso sollte sich also ausgerechnet eine Zahnärztin wie ich aufmachen, dem Misstrauen gegen die Medizin den Kampf anzusagen? Na, wegen der großen Klappe natürlich, und das meine ich nur zum Teil als Scherz.

Der Mund ist etwas ziemlich Cooles, denn an ihm hängt ein ganzer Mensch. Aus diesem Grund empfehlen viele Ärzt:innen gerade Patient:innen mit chronischen Krankheiten häufig den Besuch beim Zahnarzt. Dieser kann dann in aller Ruhe auf Ursachenforschung im Mund gehen. Allerneueste Studien gehen sogar davon aus, dass Krankheiten wie ADHS oder auch Alzheimer eine Verbindung mit dem Mund haben – demzufolge könnten Zahnfleischentzündungen die Krankheit verschlimmern. Das bedeutet aber auch, dass man solchen Krankheiten in manchen Fällen vom Mund aus zumindest vorbeugen und sie irgendwann vielleicht sogar von dort aus heilen kann.

Der Mund ist unser Tor zur Welt und für die Welt das Tor zu uns. Durch ihn wandert das meiste in uns hinein, was wir zum Leben und Wachsen brauchen. Hier nimmt die Verdauung ihren Anfang, hier wird gefühlt, geschmeckt und entschieden, was in unseren Körper hineindarf – und was eben auch nicht. Das ist aber nur die eine Seite, denn es kommt auch einiges aus dem Mund heraus. Unsere Stimme zum Beispiel. Der Mund ist damit wesentliches Ausdrucksmittel unserer Identität, ob wir nun singen, Märchen erzählen oder uns mit dem Partner oder der Partnerin streiten.

Im Grunde hängt also alles, was uns im Leben glücklich macht, mit den Zähnen und dem Mund zusammen: lachen, singen, küssen, leckere Speisen und Getränke schmecken, mit anderen sprechen, und als Baby ist er für uns der Ort, an dem wir uns die Welt erschließen. Der Mund macht unser Leben reich, und zugleich verrät er auch etwas über unsere Persönlichkeit. Nicht umsonst sind wir so stolz auf unseren Geschmack, dass wir ihn sogar auf unseren Kleidungsstil und die Wohnungseinrichtung übertragen. Wir lassen uns nicht über den Mund fahren, und wenn wir ein Problem nicht bewältigen können, beißen wir uns daran die Zähne aus. Bei manchen ist der Mund sogar so wichtig, dass er als Sinnbild für den ganzen Menschen verwendet wird. »Wir haben Mäuler zu stopfen.«

Auch unsere Zähne sind viel erstaunlicher, als die meisten denken. Wir verbinden sie in der Regel mit einem schlechten Gewissen: Wenn jemand uns etwas nicht glaubt, dann fühlt er oder sie uns auf den Zahn. Und meistens haben wir die Zähne nicht gut genug geputzt. In Familien ist Zähneputzen fast immer ein Drama, es ist lästig für Eltern und Kinder. Und wenn wir es eilig haben, ist uns sogar das Kauen zu viel, was dann auch wieder zu einem schlechten Gewissen führt. Es gibt sehr viele Menschen, die Angst vorm Zahnarzt haben. In der Beliebtheitsskala der Ärzt:innen stehen wir Zahnis ganz unten. Und ich kann das aufgrund meiner eigenen Erfahrungen gut verstehen. Denn auch unter uns Weißkitteln gibt es leider – wie überall – ein paar schwarze Schafe. Doch der Großteil meiner Kolleg:innen gibt sich jeden Tag die allergrößte Mühe – oft sogar auf Kosten der eigenen Gesundheit –, anderen Menschen ein Lächeln zu schenken. Zeit also, etwas an der Situation zu verändern.

 

Ich werde dich in diesem Buch nicht nur in die faszinierende Mundhöhle entführen und zeigen, was es dort alles zu entdecken gibt. Mein Ziel ist vor allem, das Staunen über unseren wunderbaren Körper mit dir zu teilen. Jenes Staunen, das uns Ärzt:innen vielleicht irgendwann dazu gebracht hat, Medizin zu studieren, und das irgendwo zwischen Hörsaal 1 und Behandlungszimmer 5 verloren gegangen ist, zurückzuholen. Und ich werde mich den Fragen, Ängsten und Zweifeln von Patient:innen widmen, die sich vertrauensvoll über Social Media an mich wenden und mir Zuspruch geben.

Im Mediziner:innenalltag mit wenig Zeit für die einzelnen Patient:innen liegt der Fokus oft auf einer spezifischen Krankheit mit ihren Symptomen, nicht auf der Gesundheit. Die meisten Krankheiten treten jedoch nicht plötzlich und ohne Voranmeldung auf, sondern sind auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen. Ein gesunder Mund ist etwas Fantastisches. Er sorgt für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und ein gutes Körpergefühl. Er ist für den Körper so wichtig wie die WG-Küche für eine gute Party. Da gehen die Gäste als Erstes hin, da riecht es gut, und da stimmt die Verpflegung. Ich lade dich also ein in unsere WG-Küche. Die Party kann beginnen.

Große Klappe – viel dahinter

Unser Mund ist ein perfekt durchdachtes Wunderwerk und hat sich über Abermillionen von Jahren nicht nur zu einem der wichtigsten optischen Merkmale des Gesichts entwickelt, sondern ist unter anderem auch dafür verantwortlich, dass wir heute auf zwei Beinen laufen. Noch mehr als die Mondlandung von Neil Armstrong war dies anfangs nur ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.

Die Geschichte der menschlichen Evolution! Eine Geschichte von Anstrengung, Adaption und … Anpassung des Gebisses. Wer hätte das gedacht? Ohne die Anpassung des Mundes müssten wir vielleicht noch heute auf allen vieren durch den Urwald kriechen. Aber nein, wir haben uns entschieden aufzustehen, um uns zu entwickeln, und unser Gebiss hat mitgemacht.

Nachdem unsere Vorfahr:innen begonnen hatten, aufrecht zu gehen, konnten sie marathonähnliche Distanzen zurücklegen und hatten noch dazu die Hände frei, um allerhand mit ihnen anzufangen: Früchte von Bäumen pflücken, in mundgerechte Happen zerkleinern und schließlich sogar Waffen und Werkzeuge basteln. Je mehr die Hände erledigen konnten, desto erfolgreicher wurde der oder die Besitzende.

Unsere dadurch immer größer werdenden Gehirne wurden zur kostspieligen Angelegenheit, wenn es um den Energieumsatz geht. Der bisherige Speiseplan aus Aas und Pflanzen reichte nicht mehr aus für das Hirnschmalz. Mit Jagdwerkzeugen und der Erfindung des Feuers erkämpfte sich die menschliche Spezies schließlich die Poleposition der Nahrungskette, und von nun an stand Säbelzahntiger auf dem Speiseplan. Dank einer Laune der Evolution lernte sie zudem sprechen und eroberte damit die ganze Welt.

 

Jahrtausende später können wir unserem Gebiss nur danken. Wenn wir heute in einen saftigen Burger beißen oder genüsslich auf einem Kaugummi herumkauen, dann geht das nur, weil sich unser Gebiss in jenen Urzeiten ziemlich angestrengt hat, um die veränderten Bedürfnisse seiner Besitzenden zu befriedigen. Zuerst mussten die Eckzähne dran glauben – wer braucht schon spitze Riesenhauer, wenn man alles mit den Händen zerkleinern kann?

Die Evolution war nicht zu stoppen und formte unser Gebiss weiter. Sie brachte den Mund in eine aufrechte Position, um die Zähne besser aufeinander auszurichten und damit das Kauen zu erleichtern. Kein Wunder, dass wir heute den Begriff Aufrichtigkeit vor allem mit dem Mund verbinden!

Aber damit nicht genug! Unsere Vorfahr:innen erhöhten auch die Größe und Anzahl ihrer Zähne, um diesen neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Die kleinen Zähne, die zum Zerkleinern von weicher Nahrung ausgereicht hatten, mussten Platz machen für größere und stärkere Zähne, die auch den härtesten Brocken klein bekamen. Freddie Mercury ist ein Paradebeispiel dafür.

Und last, but not least: Die Form des Kiefers wurde angepasst, um mehr Platz für Zähne und Muskeln zu schaffen. Denn wer härtere Nahrung kauen will, braucht auch mehr Muckis. Der Mund der Höhlenmenschen vor Millionen von Jahren hatte noch eine flache Form, die dabei half, Nahrung vom Boden aufzunehmen. Doch da er nun großzügig von den Händen bedient wurde mit allem, was das Herz begehrte, führte auch das zum heutigen Seitenprofil.

 

Als unsere Vorfahr:innen beschlossen, auf zwei Beinen zu stehen, wussten sie vielleicht nicht, dass sie damit auch den Grundstein für Mozarts Zauberflöte legten. Den Preis für die filigraneren Hände und die bessere Sicht zahlen wir jedoch noch heute mit Rückenschmerzen und steifen Hälsen. Schließlich ist die Belastung für beide durch die Aufrichtung um ein Vielfaches gestiegen. Gott sei Dank haben wir ja immer noch die Musik, um uns davon abzulenken.

Zurück zum Mund: Was genau ist er eigentlich? Wo fängt er an, und wo hört er auf? Was gehört so alles dazu? Und wie hängt alles im und um den Mund herum zusammen? Verschaffen wir uns erst einmal einen Überblick.

Der Mund – was alles dazugehört

Das Erste, das wir von unserem Mund sehen, wenn wir in den Spiegel schauen, sind unsere Lippen. Das wohl am meisten unterschätzte Körperteil neben dem großem Zeh. Aber mal im Ernst, wer würde nicht gerne mit einem sexy Schmollmund oder einem markanten Schnurrbart aufwachen?

Dabei sind die Lippen so viel mehr als nur ein Blickfang. Sie sind die Eintrittspforte für all die köstlichen Leckereien, die wir jeden Tag in uns hineinschaufeln. Ohne Lippen müssten wir uns jedes Essen durch die Nase ziehen – und das will ja keine:r.

Aber was verbirgt sich dahinter? Die spektakulärste Show, die du je gesehen hast. Versprochen.

Standardmäßig finden wir in unserem Mund circa 30 Zähne, eine Zunge, eine ganze Menge roter Innenwandfarbe und grob eine Milliarde Bakterien. Als rechte Hand unseres Magens und Darms wird hier die Entscheidung über den Weg aller Besucher:innen getroffen: die gute Landluft darf Richtung Lunge, Döner und Ayran dagegen lieber zum Magen, Störenfriede bleiben draußen.

Vergleicht man unsere Mundhöhle mit einem Konzert, sind unsere Zähne die Main Acts. Ob sie gerade stehen oder schief wie eine Banane sind, ob sie weiß oder gelb, klein oder groß sind – jedes Bandmitglied hat seine eigene Funktion und seinen ganz eigenen Style. Aber die Zähne wären ohne ihre Bühne nicht komplett: der Gaumen als Decke, die Wangeninnenseiten als Mauern und der Mundboden als Boden. Am hinteren Ende findet sich der Backstagebereich – die Schlundenge zum Rachen. Hier entscheidet die Zunge kritischer als jede:r Türsteher:in eines Berliner Szeneclubs, wer oder was hinein- und hinausdarf.

Zusammen mit einer Menge Hilfsarbeiter:innen – Milliarden von Bakterien – steht die Show in unserem Mund Coachella in nichts nach. Aber Vorsicht! Wenn die Harmonie gestört wird, kann hieraus schnell ein grottiges Schulkonzert mit der uncoolen Lehrer-Heavy-Metal-Band werden, die sich jedes Jahr erfolglos an Metallica-Songs versucht und dafür Buhrufe erntet. Im Gegensatz zu einem miesen Konzert können wir aber hier nicht einfach früher gehen oder unser Geld zurückverlangen. Wir müssen sitzen bleiben, und das kann nicht nur Kopfschmerzen verursachen.

 

Bei meinem ersten Kuss hätte ich mir etwas weniger Spucke gewünscht, als Zahnärztin kann ich nicht genug davon kriegen. Sie macht alles schön flutschig wie eine Wasserrutsche im Freibad, damit unser Essen und Trinken mühelos durch den Tunnel unserer Speiseröhre rutschen kann, um dann im Magen weiterverarbeitet zu werden. Ganz nebenbei startet sie die chemische Verdauung. Unsere Nahrung wird aufgespalten und umgewandelt wie bei einem kompletten Umstyling. Merke: Ohne Spucke wären wir aufgeschmissen.

Bei all dem hilft mit vollem Einsatz unsere Zunge. Als Fitnessjunkie kann man für ihre Leistung nur Bewunderung empfinden, denn sie bewältigt jeden Tag mehr als Arnold Schwarzenegger zu seinen Bestzeiten. Die Kaumuskeln dürfen ihr Training dagegen gern locker angehen lassen. Doch der Reihe nach.

Lippen – sind zum Küssen da

Wie sagte schon der berühmte Lippenstiftdesigner François Nars: »Lippen sind wie Gemälde – sie sollten immer eine Geschichte erzählen.« Welche Geschichte erzählen deine Lippen? Eine romantische Komödie? Ein Actionabenteuer? Oder vielleicht eine Horrorstory à la »Die Rückkehr der Zombie-Lippen«? Was auch immer, vergiss nicht: Ein Lächeln ist das schönste Accessoire, das du tragen kannst.

Die beiden wurstähnlichen Gebilde um unseren Mund, allgemein als Lippen bekannt, werden in Ober- und Unterlippe unterteilt. Die zauberhafte herzförmige Einbuchtung der Oberlippe, die oft als Symbol für Liebe und Romantik gilt, nennen wir passenderweise Amorbogen. Richtung Nase schmiegt sich eine Vertiefung an, die mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt ist und Philtrum heißt. Auch sie ist Teil des Gesamtkunstwerks.

Außen sind die Lippen mit einer dünnen Haut aus drei bis fünf feinen Zellschichten bedeckt, innen umgibt sie die Mundschleimhaut. Oft konzentrieren wir uns nur auf das äußere Lippenrot und vernachlässigen dabei die kleinen Schleimhautfalten auf der Innenseite. Diese zarten Lippenbänder verbinden sowohl die Unter- als auch die Oberlippe mit dem Zahnfleisch und sind oft der Grund dafür, dass kleine Kinder sich nur widerwillig die Zähne putzen lassen. Ein ausgeprägtes Lippenband kann für Eltern zu einer wahren Herausforderung werden, da das Schrubben der Oberkieferzähne mit der Zahnbürste oft mit dem Bändchen kollidiert und so Schmerzen verursacht. Zum Glück kann dieses Problem durch die Umstellung auf eine andere Zahnputztechnik, wie beispielsweise die Rot-Weiß-Technik, schnell behoben werden. Wie sie funktioniert, erkläre ich später.

Auch für eine Zahnlücke kann ein besonders großes Lippenbändchen verantwortlich sein. Zieht es sich nämlich bis zum Gaumen, verhindert es, dass die beiden Frontzähne lückenlos miteinander kuscheln. Deshalb empfehlen wir Zahnärzt:innen, das Band spätestens im Alter von acht Jahren zu behandeln. Dabei trenne ich alle störenden Fasern bis zum Gaumen ab und nähe sie dort an, wo sie die beiden Frontzähne nicht davon abhalten, miteinander zu kuscheln. Es zu durchtrennen allein reicht nicht aus, da das Lippenband dann häufig einfach wieder zusammenwächst.

 

Für die enorme Beweglichkeit unserer Lippen sorgt ein ganzes Team von Muskeln, die sich die Aufgaben nur so zuspielen. Dabei könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Ähnlich wie auf einer Baustelle gibt es jemanden fürs Grobe: den großen Ringmuskel mit dem toll klingenden Namen Musculus orbicularis oris. Passt zu einem Gladiator, ist aber nicht fürs Kämpfen, sondern unter anderem fürs Küssen zuständig.

Ein kurzer Ausflug in die Vergangenheit: Zu Beginn meines Studiums fand ich es urwitzig, als ein Studienkollege sagte, dass unser Professor den Musculus sphincter ani externus (den Schließmuskel des Anus) im Gesicht hat. Erst später habe ich verstanden, dass er rein anatomisch gesehen gar nicht so falschlag. Beide haben vergleichbare Funktionen – öffnen und schließen – und ähneln sich auch ziemlich in ihren Aufgaben, nur eben an zwei ganz unterschiedlichen Stellen unseres Körpers.

Zig weitere kleine Muskeln erledigen das Feintuning. Praktischerweise heißen die Muskeln fast immer wie der Job, den sie erledigen. So sorgt der Musculus depressor anguli oris, der »Muskelniederzieher«, für hängende Mundwinkel, wenn meine Lieblingschips alle sind. Sein Gegenüber, der Musculus levator anguli oris – levator ist Lateinisch für »der Heber« –, zieht die Mundwinkel wieder hoch, wenn ich doch noch eine Packung finde, die mein Mann versteckt hat. Das Team von insgesamt acht Muskeln neben den Mundwinkeln ist unter anderem auch für die typische Form unserer Lippen verantwortlich. Und je nachdem, wessen Spannung überwiegt, sind unsere Mundwinkel eben nach oben oder nach unten geneigt. Ein perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, hinter dem echter Teamgeist steht.

Wer hätte aber gedacht, dass die schönste Sache der Welt ein wahrer Kraftakt ist? Küssen ist mehr als nur eine einfache Lippenbewegung. Es ist ein Tanz der Muskeln in deinem Gesicht, der deine Lippen und deine Zunge bewegt. Aber wie funktioniert es eigentlich? Zuerst muss dein Orbicularis-oris-Muskel aktiviert werden, um deine Lippen zu formen und zu bewegen. Dann kommen die Buccinatormuskeln ins Spiel, die deine Wangen aufblähen und den Kuss noch romantischer machen. Aber das ist noch nicht alles – deine Zunge und der Rest deiner Gesichtsmuskeln spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Beim Küssen schicken deine Gesichtsmuskeln elektrische Impulse durch deinen Körper, um eine Art von Lippen-Choreografie zu kreieren. Wenn alles gut läuft, entsteht ein perfekter Kuss – top durchchoreografiert wie Beyoncés Auftritt beim Superbowl. Vielleicht ist es also keine schlechte Idee, bevor du jemanden küsst, ein paar Dehnübungen zu machen, um deine Muskeln aufzuwärmen. Schließlich willst du nicht mit Muskelkrämpfen enden, während du versuchst, romantisch zu sein.

Aber unsere Lippen können noch mehr. Mit gespitztem Kussmund ertasten wir beispielsweise vorsichtig die Temperatur unseres Getränks und entscheiden binnen Zehntelsekunden, ob sich die Luke öffnet. Ist der Drink im Mund angelangt, verschließt der große Ringmuskel den Eingang luftdicht. Damit verhindern wir, dass unser Getränk, gemixt mit Spucke, nach draußen gelangt – oder eine Spinne hinein.

Dazu ein kurzer Ausflug: Ein Mythos besagt, dass jeder Mensch im Leben ungefähr acht Spinnen im Schlaf verschluckt. Na dann, guten Appetit! Ich kann dich allerdings beruhigen – wir sind nicht alle unfreiwillig Teilnehmer:innen des nächsten Dschungelcamps. Spinnen gehen uns lieber aus dem Weg. Biolog:innen meinen, wir Menschen seien für Spinnen eher so was wie ein Fels, also komplett uninteressant und auch einfach ungeeignet, um ein feines Netz zu weben und eine Fliege zur Strecke zu bringen. Der amerikanische Spinnenspezialist Rod Crawford vom Burke Museum of Natural History and Culture in Seattle meint, dass Spinnen uns als Gefahr wahrnehmen – Spinnen haben also sogar Angst vor uns! Wenn wir nachts ruhig daliegen, einen Herzschlag haben, atmen und womöglich schnarchen, erzeugt dies eine Vibration, die Spinnen warnt. Netze woanders zu bauen klingt für sie dann einfach besser, als in Mundhöhlen zu klettern.

Kommt es nun doch einmal dazu, dass etwas an uns hinaufkrabbelt bis zum Mund, sind unsere Lippen wahre Tastgenies. Sie schließen sich innerhalb von einem Bruchteil an Sekunden, wenn sich etwas reinschmuggeln möchte. Der gleiche Nerv, der unsere Oberkieferzähne zu echten Sensibelchen macht – der Nervus infraorbitalis –, ist auch für das feine Empfinden der Oberlippe zuständig. Genauso ist es mit den Unterkieferzähnen und der Unterlippe. Hier ist der Nervus alveolaris inferior am Werk, wie sein Oberlippengegenspieler ein sensorischer Nerv. Durch Millionen von Nervenenden in unseren Lippen reagieren wir empfindlichst auf Berührungen, Wärme und Kälte. Ein Grund dafür, warum küssen sich schöner anfühlt als Hände schütteln.

Wenn es um Gefühle geht, spielen unsere Lippen auf jeden Fall in der ersten Liga. Bei uns sind sie das Symbol für Sinnlichkeit und aus jeder Lovestory einfach nicht wegzudenken. Zur Legende gebracht hat es Casablanca schließlich erst durch den legendärsten Filmkuss aller Zeiten von Rick und Ilsa, der Humphrey Bogart und Ingrid Bergman einfach unsterblich machte. »Play it again, Sam …«

Mit unseren Lippen bringen wir unsere Emotionen im wahrsten Sinne des Wortes zum Ausdruck. Das passgenaue Zusammenspiel der Lippenmuskulatur sorgt dafür, dass wir unserem Partner oder der Partnerin gepflegt die Meinung geigen können – oder romantisch unsere Liebe erklären. Sprechen ist unser wichtigstes Ausdrucksmittel und ohne den engagierten Einsatz unserer Lippen schlichtweg unvorstellbar. Die meisten Worte könnten wir ohne unsere Lippen erst gar nicht artikulieren. Versuch doch einmal, »Mama« zu sagen, ohne dass sich deine Lippen berühren. Das klingt fast immer so, als müsstest du dringend aufs Klo. Runden sich unsere Lippen wie beim Formen von Vokalen, wirken sie wie ein riesiger Lautsprecher, der den Raum beschallt.

Neben der Gebärdensprache, bei der wir auch unsere Mimik und Gestik zu Hilfe nehmen, ist das Lippenlesen eine unserer wenigen Verständigungsformen, die ohne gesprochene Worte auskommen. Auch daran erkennt man die Wichtigkeit der Lippen für unsere Sprache. Babys gucken nach ein paar Monaten uns Erwachsenen deshalb auch vor allem auf den Mund, um herauszufinden, wie Worte gebildet werden, damit sie sie nachahmen und sich irgendwann ausdrücken können. Sie hängen Mama und Papa förmlich an den Lippen. Fehlen noch Pfeifen oder Singen, und auch ein Blasinstrument zu spielen funktioniert nicht ohne die Kunstfertigkeit unserer Lippen.

 

Und warum sind Lippen eigentlich rot? Ihre Farbe kommt daher, dass durch die hauchdünnen Zellschichten unserer Lippenhaut, die ihre Außenhülle bilden, das Blut hindurchschimmert. Die Färbezellen der Haut fehlen bei hellhäutigen Menschen, weshalb die Blutgefäße bei ihnen stärker durchscheinen. People of Colour sind auch an den Lippen mit Färbezellen ausgestattet und haben daher einen kräftigeren Ton. So variiert die Lippenfarbe bei uns allen – von Blassrosa bis Tiefschwarz.

Sind die Lippen blau, handelt es sich entweder um einen abgefahrenen Lippenstift oder im schlimmsten Fall um ein lebensbedrohliches Warnsignal für zu wenig Sauerstoff im Blut, was zum Beispiel bei einem Herzfehler oder einer chronischen Erkrankung der Lunge auftreten kann. Bestimmte Stoffe in Pestiziden und Kosmetika wie Propylgallat können ebenfalls Auslöser für eine Zyanose sein, wie die blaue Verfärbung der Haut durch Sauerstoffmangel in der Fachsprache heißt. Der Körper muss bei Sauerstoffmangel gut haushalten. Da die äußeren Körperteile – wie Finger, Füße, Ohren, Nase und auch die Lippen – nicht lebensnotwendig sind, werden sie in diesem Fall weniger durchblutet und scheinen blau.

Im Winter können blaue Lippen aber eine völlig normale Reaktion auf eine leichte Unterkühlung sein und sind kein seltener Anblick. Hier benötigt man keinen Rettungswagen, sondern eine Tasse warmen Tee. Schlückchenweise getrunken. Denn so empfindlich wie beim Küssen, so sensibel reagieren unsere Lippen auch auf Temperatur – ebenso wie auf Schmerzen und irgendwelche Irritationen.

Kennst du das Gefühl, wenn du am Morgen aufwachst und deine Lippe ganz komisch juckt und kribbelt? Die Haut spannt, und ganz langsam bildet sich ein kleines, schmerzhaftes Bläschen? Mit ziemlicher Sicherheit hast du dann Bekanntschaft mit dem Herpes-simplex-Virus gemacht. Aber keine Panik – in den allermeisten Fällen ist er absolut unbedenklich. Eine Ausnahme bilden hier nur die Jüngsten unserer Gesellschaft. Ein unbehandelter Herpes kann bei Babys in den ersten Lebensmonaten lebensbedrohlich sein und sollte sofort Anlass geben, Onkel Doc zu besuchen, damit die richtige Behandlung gestartet werden kann.