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Sich selbst das Geschenk inneren Friedens machen
Auch in den kleinen und großen Stürmen des Alltags ist es möglich, innere Ruhe zu finden! Den Schlüssel dafür gab uns bereits Buddha an die Hand – und Meditationslehrer Joseph Emet versteht es meisterhaft, dieses uralte Lebenswissen in unseren Alltag zu übersetzen. Seine Übungen können in allen belastenden und schwierigen Situationen angewendet werden und führen innerhalb kürzester Zeit zu Gelassenheit und einem klaren Geist. Ein Buch, das auf charmante Weise zeigt, wie man dem Stress ein Schnippchen schlägt und einfach entspannter lebt – keineswegs nur für praktizierende Buddhisten.
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Seitenzahl: 220
Veröffentlichungsjahr: 2014
Joseph Emet
Buddhas Buch der Gelassenheit
Kleine Übungen für ein stressfreies Leben
Aus dem Englischen übersetzt
von Anita Krätzer
Lotos
Thich Nhat Hanh in tief empfundener Dankbarkeit gewidmet – für das Geschenk der Achtsamkeit, für die Vermittlung von Buddhas Gegenwart und seiner Worte, für die Betonung so entscheidender Dinge wie Liebe und Glück und dafür, dass er so vielen von uns die Türen zur Poesie und zur Musik geöffnet hat.
Inhalt
Zum Geleit – von Thich Nhat Hanh
Vorwort
Teil I
DER GEIST
1.Das Elend mit dem Stress
Übung: Lächeln!
2. Zwei Arten des Denkens
Übung: Gedanken identifizieren
3. Achtsamkeitstraining 9
Übung: Loslassen und präsent sein
Übung: Achtsamkeit und Ausgeglichenheit
4. Inspiration
Übung: Auf Empfindungen achten
Teil II
KONTROLLE UND AKZEPTANZ
5. Kontrolle
Übung: Der Gebrauch von zwei Körben
Übung: Nützliche Ängste
6. Leben Sie Ihre Werte, statt sich von Ihren Empfindungen leiten zu lassen
Übung: Achtsamkeit am Speisetisch
7. Selbststeuerung und Achtsamkeit
Übung: Morgens aufwachen
8. Suchen Sie sich Ihre Leidenschaften und Besessenheiten aus
Übung: Gedächtnisstützen oder visuelle Mantras
9. Akzeptieren lernen
Übung: Bespielen Sie Ihren I-Pod neu
Teil III
VERÄNDERUNG
10. Eine Begegnung mit der Veränderung
Übung: Achtsam fahren
11. Verändern Sie Ihre Geschichte, verändern Sie Ihre Identität
Übung: An der Bushaltestelle
12. Beziehungen
Übung: Herbstblätter
13. Unsere Illusionen und unsere Bürden
Übung: Verwandeln Sie Bürden in Blumen
14. Arbeit und Stress
Übung: Zünden Sie eine kleine Kerze an
15. Sein Gleichgewicht durch einen spirituellen Weg finden
Übung: Gehmeditation
Statt eines Nachworts
Danksagung
Zum Geleit
Achtsamkeit ist ein Kind Buddhas.Dieses Buch vermittelt Achtsamkeitslehren auf gut umsetzbare Weise. Es tut dies anhand von Übungen, die uns zeigen, wie wir diese Lehren in unterschiedlichen Bereichen des Alltagslebens anwenden können. Es ist eine Kunst zu wissen, wie man im Alltagsleben achtsam sein kann: die Kunst des achtsamen Lebens. Stress ist in unserer Zeit eine ständige Herausforderung. Und wenn wir achtsam leben, leben wir im Wissen um die Wurzeln des Stresses in uns selbst und in unserer Gesellschaft. Sobald wir die Wurzeln des Stresses erkennen, ist es leichter für uns, so zu leben, dass wir es dem Stress nicht erlauben, unser Glück und unsere Gesundheit zu zerstören.
Möge dieses Buch ein Schritt auf Ihrem Weg zur Kunst des achtsamen Lebens sein.
Thich Nhat Hanh
Plum Village, Frankreich
Vorwort
Wenn Sie Stress als eines von vielen Problemen betrachten, dann bedenken Sie bitte Folgendes: Zentrale psychologische Probleme wie Burn-out, Depression oder Angstzustände haben alle eine Stress-Komponente, und vor allem beim Burn-out ist man der Meinung, dass er die direkte Folge von extremem, lang andauerndem Stress ist.
Stress erhöht die Unfall- und die Selbstmordzahlen und fördert die Entstehung von Krankheiten, die zu den Haupttodesursachen zählen, wie Herzerkrankungen, Krebs, Lungenkrankheiten oder Leberzirrhose. Weil er die Funktionsweise des Immunsystems beeinträchtigt, verschlimmert er die meisten Infektionskrankheiten.
Er spielt eine Rolle bei sexuellen Störungen und bei Gewalttätigkeiten in der Ehe und er zerstört Beziehungen. Er fördert Süchte und den Missbrauch von Drogen und verstärkt Schlafprobleme.
Vielleicht ist das Wissen um diese Bedeutung der Grund dafür, warum heute manche bekannten Übersetzer buddhistischer Texte den buddhistischen Begriff »Dukkha«, der normalerweise als »Leiden« übersetzt wird, mit »Stress« wiedergeben.
Dieses Buch begleitet Sie den gesamten Weg vom Stress zum allgemeinen Wohlergehen. Zunächst macht es Ihnen bewusst, wie Sie in Ihrem Leben durch Ihre Haltung und Ihre Reaktionen in bestimmten Situationen zusätzlich Stress erzeugen.
Nein, es spielt sich nicht alles in Ihrem Kopf ab. Das Leben ist oft ziemlich anstrengend, und manche Leben sind dies mehr als andere. Zudem reagieren unterschiedliche Menschen auf ähnliche Situationen unterschiedlich. Aber ein Teil des Stresses spielt sich tatsächlich in Ihrem Kopf ab. Und genau von diesem Teil des Stresses sprechen alle Bücher über Stress, denn es ist der, den Sie kontrollieren können.
Für einen sinnvollen Umgang mit dem Stress ist entscheidend, dass wir den Unterschied zwischen dem, was wir kontrollieren können, und dem, was wir nicht kontrollieren können, erkennen. Und diese Erkenntnis ist per se eine Art von Erwachen.
Kümmern Sie sich vielleicht fälschlicherweise um die Angelegenheiten anderer Menschen und darum, was sie tun? Verbrauchen Sie Ihre Energie damit, sich zu wünschen, dass andere ihre Verhaltensweisen ändern mögen? Wenn das so ist, dann verlassen Sie diesen Holzweg, weil er Sie nur auslaugt. Werden Sie sich Ihrer Reaktionen auf Ihre Umwelt bewusst, und achten Sie darauf, in welcher Weise Ihre Reaktionen zu Ihrem Stress beitragen. Kehren Sie zu Ihren eigenen Angelegenheiten zurück und kümmern Sie sich darum. Genießen Sie die Annehmlichkeiten und die Früchte Ihres eigenen Gartens. Auf dieses Weise haben Sie mehr vom Leben.
Dieses Buch zeigt Ihnen mit einer Reihe von Übungen am Ende jedes Kapitels, wie Sie dies erreichen können. Einige dieser Übungen sind geführte Meditationen, andere sind Themen für die Meditation.
So sehr sich unser Blickfeld bei Stress verengt, so sehr erweitert es sich durch eine entspannte Haltung und gute Gefühle. Und während Stress eng mit negativen Gefühlen wie Furcht und Ärger verbunden wird, denkt man bei Wohlbefinden an positive Gefühle wie Liebe, Inspiration und Gelassenheit.
Stress hat tendenziell einen Scheuklappeneffekt, wodurch wir nur die negative Seite von Ereignissen und Umständen sehen, während positive Gefühle unsere Perspektive erweitern, sodass wir ein umfassenderes Bild wahrnehmen, das auch die guten Dinge berücksichtigt, die uns überall umgeben – sei es der blaue Himmel, die Blütenpracht der Blumen oder die Freude darüber, einfach am Leben zu sein.
Während uns Stress mögliche Gefahren bewusst macht, lassen uns positive Gefühle Chancen erkennen. Darum kann uns Stress in Untätigkeit gefangen halten. Positive Gefühle wie Hoffnung, Inspiration und Interesse hingegen treiben uns in Richtung Erfolg voran.
Und nicht zuletzt wird Stress mit Krankheit und einer Verkürzung der Lebensspanne in Verbindung gebracht, während der Forschung zufolge positive Gefühle unsere Gesundheit verbessern und uns länger leben lassen.
Wenn Stress die eine Seite der Münze ist, so ist Wohlergehen sprichwörtlich die Gegenseite. Auf der einen Seite der meisten Münzen sind nur Zahlen zu sehen, auf der anderen Seite dagegen ein menschliches Gesicht, ein Natursymbol oder eine Erinnerung an unserer nationales Erbe – eine umfassendere Vorstellung vom Leben. Stress ist in die Struktur unseres Lebens eingewoben, und um die von uns empfundene Stressmenge verringern zu können, müssen wir alle Aspekte unseres Lebens überprüfen. Während wir dies tun, lernen wir uns besser kennen und werden zugleich weiser. Dies wiederum vermittelt uns ein Gefühl des Wohlbehagens, der Zufriedenheit und des inneren Friedens.
Stressabbau kann uns wachsen lassen, wenn wir ihn richtig betreiben, und um ihn richtig zu betreiben, müssen wir uns stets vor Augen führen, dass unser Ziel nicht nur darin besteht, uns vom Stress zu entfernen, sondern auch darin, uns in Richtung Wohlergehen zu bewegen. Positive Gefühle der Freude und Dankbarkeit sind ihrer Natur nach Gegenmittel zum Stress. Wie im sechsten Kapitel näher ausgeführt wird, schenkt es uns außerdem Erfüllung und Wohlbehagen, wenn wir nach den Werten leben, die uns persönlich wichtig sind. Diese Werte beeinflussen unser Handeln im jeweiligen Moment. Ziele hingegen liegen in der noch unbekannten Zukunft. Der Druck, Ziele zu erreichen, kann zusätzlichen Stress erzeugen, wohingegen uns ein Leben im Einklang mit unseren eigenen Werten zufrieden macht.
Stress besteht aus zahlreichen Bestandteilen, die beispielsweise Sorge, Irritation, Ärger, Angst oder problematische Beziehungen heißen. Er hat auch viel mit unserer Denkweise zu tun. Diese Probleme werden in diesem Buch behandelt.
Wir alle brauchen das Achtsamkeitsmantra SEI JETZT HIER. Denn es ist uns allen eigen, häufig in unseren Gedanken abwesend zu sein statt bei der Person, mit der wir gerade zusammen sind. Wir können geistig woanders sein, statt das Leben zu genießen, das sich in und um uns herum entfaltet. Das Achtsamkeitsmeditationstraining hilft uns, diese weitverbreitete Angewohnheit abzubauen und ein glücklicheres Leben zu führen.
Manchmal hält uns eine schwierige Kindheit oder ein Kindheitstrauma davon ab, ganz und gar präsent zu sein. Wenn wir Verdauungsstörungen haben, versuchen wir am Morgen noch immer, das Essen vom vergangenen Abend zu verdauen. In ähnlicher Weise lecken wir jetzt möglicherweise noch alte Wunden. Das hält einen Teil von uns dort statt hier.
Wenn wir das Bedürfnis haben, uns besser zu fühlen, greifen wir eventuell zu Alkohol, Drogen oder Essen. Solche Genussmittel stehen uns überall zur Verfügung, und sie wirken direkt und sofort. Ihre Wirkung verschwindet jedoch auch schnell wieder; eine nachhaltige Veränderung findet nicht statt.
Bedenken Sie dies: Wenn Sie versuchen, sich dadurch besser zu fühlen, dass Sie ein paar Biere trinken, befinden Sie sich am Ende des Tages noch immer auf Feld eins. Nach einem mit Achtsamkeitsübungen verbrachten Tag befinden Sie sich hingegen auf Feld zwei. Und die Wirkungen der Achtsamkeitsübungen addieren sich weiterhin. Nach einem Jahr voller Ablenkungen sind Sie noch immer auf Feld eins, während Sie sich nach einem Jahr, das Sie mit Achtsamkeitstraining verbracht haben, auf Feld dreihundertfünfundsechzig befinden – einem erheblich besseren Platz! Ablenkungen mögen ihre Rechtfertigung haben, aber sie vermitteln Ihnen keine Selbsterkenntnis und befreien Sie auch nicht von der Tyrannei automatisch ablaufender Gedanken.
Es gibt zahlreiche Bücher über Stress – eine ganze Bibliothek voll. Das Gleiche gilt für Literatur über das Wohlbefinden oder über das Glück. Dieses Buch deckt beide Bereiche ab, denn es war mein Ziel, sie zusammenzubringen und aufzuzeigen, in welcher Weise sie miteinander verbunden sind.
Zu lernen, vom Stress zum Wohlbefinden hinzugehen, ist ein Hauptantrieb der buddhistischen Tradition – eine Lehre, die ich während meines Trainings der Praxis der Achtsamkeit mit dem Zen-Meister Thich Nhat Hanh aufgenommen habe. Ich betone diesen zukunftsweisenden Ansatz in meinen eigenen Kursen zum Stressabbau, und ich würde Ihnen diese wichtige Lehre gern in diesem Buch nahebringen. Ich nenne diesen Prozess Achtsamkeitstraining zum Stressabbau und zum persönlichen Wachstum. Die Verbindung zwischen diesen beiden Zielen wird Ihnen während des Lesens des vorliegenden Buches schrittweise klarer werden.
Teil I
DER GEIST
© beboy
1.
Das Elend mit dem Stress
Wissenschaftlichen Studien zufolge lächelt ein Säugling 50- bis 70-mal am Tag, ein Kleinkind etwa 600-mal. Ich bin sicher, einige von uns haben sich schon einmal gefragt, wohin dieses Lächeln verschwindet. Was beraubt uns dieses Lächelns?
Goldie Hawn
Ein ungezwungenes Lächeln ist eines der ersten Dinge, die verschwinden, wenn wir unter Stress stehen. Als Kinder haben wir viel gelächelt, weil wir ganz in dem jeweiligen Augenblick lebten. Wir hatten ein »Hier und jetzt«-Bewusstsein. Die einfachen Freuden des Lebens reichten aus, um uns fröhlich zu stimmen.
Aber mit dem Erwachsenwerden lernen wir, jenes »Hier und jetzt«-Bewusstsein zugunsten eines auf die Zukunft ausgerichteten Bewusstseins aufzugeben. Die Zukunft kann Zielsetzungen erzeugen. Denken Sie an das in der Gegenwart lebende Kleinkind, das einfach mit seinen Schnürsenkeln spielt, statt seine Schuhe anzuziehen, oder das Verstecken spielt und sein T-Shirt dabei als Requisite benutzt, statt sich anzuziehen, wie seine Mutter es verlangt. Es hat Spaß, weil es nicht über die Gegenwart hinaussieht. Anders als seine Mutter hat es keinen Plan und keine Aufgabenliste für den Nachmittag. Eine Zielsetzung hingegen verschiebt unsere Aufmerksamkeit von der Gegenwart auf die Zukunft. Und wenn wir alles mit einem Ziel im Kopf tun, verschwindet die Gegenwart.
Wie oft wurden wir, während wir aufwuchsen, von unseren Eltern gedrängt, das zu tun? Wie oft am Tag?
Achtsamkeitsübungen können uns dabei helfen, jenes Lächeln wiederzufinden und es zurück in unsere Herzen und in unser Bewusstsein zu bringen. Mit Achtsamkeitsübungen können das Lächeln in unser alltägliches Leben zurückbringen.
Lächeln entspannt. Ein aufrichtiges Lächeln kommt aus dem Herzen und strahlt durch den gesamten Körper, wodurch es jeden Körperteil besänftigt und heilt.
Finden Sie Ihr Lächeln wieder
Versuchen Sie es jetzt. Schließen Sie für eine Minute die Augen, und stellen Sie sich ein Lächeln vor, das Ihnen das Herz öffnet, so wie eine erblühende Blume ihre Blütenblätter öffnet. Nachdem Sie nun das Bild von der Blüte in ihrem Herzen vor Augen haben, malen Sie sich aus, wie sich Ihr Lächeln wie Frühlingsblüten auf der Wiese in jedem Teil Ihres Körpers ausbreitet. Das Lächeln erscheint in Ihrem Gesicht, wenn die Blumen dort ankommen. Dies ist ein Körperscan mithilfe von Blumen. (Ein Körperscan ist eine geführte Meditationsübung, die entwickelt wurde, um die Wahrnehmung von körperlichen Empfindungen und die Konzentration zu fördern. Wenn Sie bei YouTube »body scan meditation« eingeben, finden Sie viele Körperscans unterschiedlicher Länge.)
Versuchen Sie nun, die Blumen im Geist zu behalten, während Sie die Augen öffnen. Sieht die Welt jetzt nicht anders aus?
»Lächle, das Leben ist ein Wunder«, sagt Thich Nhat Hanh. Verlieren Sie sich wieder in diesem Wunder, wie Sie es einst als Kind taten. Sie sind dieses Wunder. Das Leben von innen her zu fühlen, ist wirklich ein Wunder.
Manche Menschen greifen begierig nach Körperscanübungen, so wie ein Durstiger nach einem Glas mit kühlem Wasser greift. Sie kennen das »ausgedörrte« Gefühl, das sich einstellt, wenn man nicht fähig ist, den Augenblick zu genießen, weil man ständig an die nächste Sache denkt oder für den nächsten Tag plant. Sie haben erfahren, wie es sich anfühlt, den ganzen Tag irgendwelchen Pflichten nachzukommen und sich abzumühen, ohne je den Lohn dafür einzustreichen – den Lohn, der darin besteht, den Augenblick zu genießen.
Der gegenwärtige Moment ist immer da, aber sie sind nicht da, um ihn zu genießen. Sie haben ständig an letzte Woche oder den nächsten Tag gedacht und wurden nie belohnt. So zu leben ist, als würde man Rabattmarken sammeln, ohne sie je einzulösen.
Andere sind skeptisch. Sie haben gelernt, aus der Planung für die Zukunft eine Tugend zu machen. Sie wollen nicht, dass der nächste Tag einfach kommt und sie unvorbereitet trifft. Sie plagen sich stoisch ab, weil es »richtig ist, das zu tun«. Sie sehen sogar Menschen, die sich die Zeit nehmen, ihr Leben zu genießen, schief an, weil sie glauben, ihnen fehle eine gewisse Charakterstärke.
Sie kennen das Bewusstsein eines Kindes, und Sie kennen auch das Bewusstsein einer Mutter. Sie wissen, dass ein Kind in einer anderen Welt lebt, in dem es kein Morgen gibt, nur ein Heute. Bezaubernd, aber auch frustrierend. Die Arbeit muss getan werden und Nahrungsmittel müssen eingekauft werden. Und Sie befinden sich jetzt in einer Sackgasse, in der Sie den Stress spüren und merken, dass Ihre Lebensfreude verfliegt.
Ich schlage nicht vor, dass wir die Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags, die wir als Erwachsene besitzen, einfach über Bord werfen. Diese mühevoll angeeigneten Fähigkeiten haben durchaus ihre Berechtigung. Mein Vorschlag lautet vielmehr, dass wir aufhören, systematisch den Augenblick wegzuwerfen. Vielen von uns ist es zur Gewohnheit geworden, in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu leben. Wir tun das selbst noch in unserer Freizeit oder im Urlaub. Für manche Menschen sind fest umrissene Erholungsphasen sogar belastender als Arbeit. Aber zumindest ist unser Bewusstsein, wenn wir mit unserer Arbeit beschäftigt sind, nicht auf die Vergangenheit fixiert oder befasst sich mit Sorgen um die Zukunft. Arbeit ist eine Möglichkeit, das Bewusstsein auf die Gegenwart zu lenken.
Wenn der Arbeitsdruck von Ihnen weggenommen wird, empfinden Sie möglicherweise mehr statt weniger Druck. Plötzlich hat Ihr Geist nichts zu tun, und ohne Übung darin, den Augenblick zu genießen (genau das, was eine Mutter einem Kind mühsam abzugewöhnen versucht), stellen Sie vielleicht fest, dass Sie nun nichts haben, was Sie genießen können. Vielmehr sind Sie zusätzlich gestresst und denken noch mehr über die Zukunft nach oder überdenken vergangene Handlungen. Tatsächlich empfinden viele Menschen, wie ich später noch ausführen werde, den Ruhestand als besonders belastende Zeit. Viele andere finden den Urlaub aufreibend. In beiden Fällen geht es um das Jetzt, nicht um die Zukunft.
Das Jetztbewusstsein
Präsent zu sein ist eine der Grundlagen des Achtsamkeitstrainings. Aber diese Unterweisung scheint der Ausrichtung der protestantischen Ethik entgegenzustehen, die betont, dass man jetzt hart arbeiten und sich mühen soll, um seinen Erfolg (vielleicht) später zu genießen. Aus der Perspektive dieser Weltsicht wird Spaß haben und den Augenblick genießen häufig als moralische Schwäche betrachtet.
Doch Leben findet nur in der Gegenwart statt, und die protestantische Arbeitsethik kann selbst eine Quelle von Stress sein. In der Vergangenheit oder in der Zukunft können wir nur in unserer Vorstellung leben. Und wenn wir in unserer Vorstellung leben, haben wir Probleme, zu entspannen. Nicht nur das Leben steht allein in der Gegenwart zur Verfügung, sondern auch die Erholung.
Seien Sie jetzt hier, und lassen Sie Ihren Geist ruhen
Ohne Achtsamkeit können Sie sich möglicherweise nicht erholen, wenn Sie sich Zeit dafür nehmen. Ihr Geist könnte weiter kreisen und sich über das eine oder andere sorgen oder sich über ein ärgerliches Ereignis aufregen, das am Vortag geschehen ist. Ihr Geist durchlebt diesen Ärger dann wieder und wieder, was bewirkt, dass Ihr Körper mit den gleichen Stresshormonen überflutet wird, die er während des tatsächlichen Ereignisses ausgeschüttet hat.
»Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.« Dieser wertvolle Satz aus dem Matthäus-Evangelium sagt alles. Thich Nhat Hanh fügt hinzu, dass das Himmelreich JETZT ist. JETZT ist unser Zuhause, und im Augenblick zu sein, erlaubt es dem Geist, zur Ruhe zu kommen.
Achtsamkeitsübungen geben uns die Möglichkeit, mit unserem Atem und unserem Körper in Kontakt zu kommen und durch sie den Augenblick zu erfahren. Die Bürde des Zukunftsbewusstseins und des Vergangenheitsbewusstseins wird uns erleichtert, und wir lernen, im Jetztbewusstsein Freude zu finden.
Wir übernehmen das Kommando über unser Bewusstsein und unser Leben durch Achtsamkeit, nicht durch die uns antrainierten Gewohnheiten. Allerdings sind diese Gewohnheiten nicht die eigentlichen Störquellen. Sie haben es uns ermöglicht, in der Schule und bei der Arbeit erfolgreich zu sein. Stress entsteht, wenn wir vollständig mit diesen Gewohnheiten verschmelzen, wodurch wir unsere kostbare Freiheit verlieren. Ohne Achtsamkeit werden wir zu unseren Gewohnheiten.
Übung
Lächeln!
Sie können den restlichen Tag viermal pro Stunde lächeln. Wenn Ihnen die Ergebnisse gefallen, können Sie das morgen auch so machen.
Es lohnt sich, an folgendes leicht abgewandeltes Sprichwort zu denken: »Ein Weg der tausend Lächeln beginnt mit dem ersten Lächeln.« Dieses erste Lächeln könnte das erste Lächeln am Tag sein oder das erste Lächeln in einem Gespräch oder, mehr mit dem ursprünglichen Sprichwort übereinstimmend, das erste Lächeln während einer Autofahrt. Das erste Lächeln ist wichtig, weil es den Verlauf eines Tages oder den Ton einer Unterhaltung verändern kann.
Sie können sich unterstützen, häufiger zu lächeln, indem Sie an markanten Punkten Smiley-Symbole anbringen und sich so daran erinnern.
2.
Zwei Arten des Denkens
Für eine wirkliche Weiterentwicklung ist nichts wichtiger als zu erkennen, dass man nicht die Stimme des Geistes ist – man ist nur derjenige, der sie hört.
Michael A. Singer
Wir können zu jemandem, der zerstreut oder sorgenvoll oder gedankenverloren erscheint, sagen: »Du denkst zu viel.« Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zum Tod verurteilter Gefangener das je zu seinem Anwalt sagen würde. Und Sie würden nie auf die Idee kommen, das zu Ihrem Steuerberater oder zu Ihrem Arzt zu sagen. Wir wollen, dass diese Leute denken, und wir bezahlen sie dafür. Aber wir bezahlen sie, damit sie auf eine bestimmte Weise, nämlich zweckbestimmt und zu unserem Nutzen, denken.
Zwei unterschiedliche Aktivitäten werden mit »denken« bezeichnet. Manchmal denken wir mit einer bestimmten Absicht, und manchmal läuft unser Denken automatisch ab – zuweilen sogar, ohne dass wir dies bemerken. Auch kann es geschehen, dass wir annehmen, unsere automatischen Gedanken würden die Dinge so darstellen, wie sie sind, weshalb wir sie nicht infrage stellen.
Wenn wir begreifen wollen, wie wir sowohl unseren Stress als auch unser Wohlbefinden selbst erzeugen, müssen wir vor allem die Art unseres Denkens verstehen. Weil das Denken solch ein wichtiger Teil des Stresses ist, beginne ich dieses Buch mit einem genauen Blick auf diese alles durchdringende Aktivität.
Automatische Gedanken und Stress
Laurie arbeitete in einem großen Büro, wo sie Sozialhilfeempfänger betreute. Ihre Arbeit schloss auch Hausbesuche bei den von ihr Betreuten ein. In letzter Zeit hatte einer ihrer Vorgesetzten andere Mitarbeiter in dem Büro gefragt, wo Laurie sei, wenn sie auswärts unterwegs war, und er hatte außerdem versteckte Anspielungen auf ihre häufigen Abwesenheiten vom Büro gemacht. Es gab keine offenen Äußerungen, keinerlei Konfrontation, aber dennoch empfand Laurie die Situation als ziemlich belastend.
Ich fragte sie, was sie zu sich selbst über die Situation sagte. »Er vertraut mir nicht«, erwiderte sie. Ich fragte sie, ob das eine hilfreiche, realistische Einschätzung der Lage sei. Nach einem längeren Gespräch wurde klar, dass dies ein automatischer Gedanke von ihr war. Der Vorgesetzte machte es mit anderen Mitarbeitern genauso. Lauries Stress wurde weniger durch das verursacht, was ihr Vorgesetzter tat, als durch das, was sie zu sich selbst sagte – automatisch. Der Vorgesetzte machte einfach seine Arbeit.
Diese Verwechslung von dem, was tatsächlich geschieht, und der Geschichte, die wir uns selbst darüber erzählen, kommt ziemlich häufig vor. Sobald wir (mit ein wenig Unterstützung durch andere) erkennen, dass wir den größten Teil unseres Stresses selbst erzeugen, ist es einfacher für uns, damit umzugehen. Aber es kann sein, dass dieser erste Erkenntnisschritt schwer zu vollziehen ist.
Ich fragte Laurie nach den Gesprächen mit den von ihr betreuten Sozialhilfeempfängern. Empfand sie die als belastend? »Nein«, antwortete sie. Es freue sie, helfen zu können. Sie war von Natur aus ein hilfsbereiter Mensch und strahlte eine »Wie kann ich Ihnen helfen?«-Art aus, wenn sie sprach. Sie verbrachte jeden Tag mehrere Stunden mit diesen Menschen und nur ein paar Minuten pro Woche mit ihrem Vorgesetzen. Doch jene paar Minuten erzeugten mehr Stress. Über die Begegnungen mit den Sozialhilfeempfängern grübelte sie nicht weiter nach, wenn sie vorbei waren. Sie war in der Lage, das Blatt umzuschlagen und sich den nächsten Dingen zuzuwenden. Aber die Gespräche mit ihrem Vorgesetzten wiederholte sie wieder und wieder in ihren Gedanken.
Ich bat sie, sich die Geschichte, die sie sich selbst über die Treffen mit ihrem Vorgesetzten erzählte, genau anzusehen. In welcher Weise unterschieden sich diese Geschichten von den Geschichten, die sie sich über ihre Klienten erzählte? Während wir uns unterhielten, zeigte sich, dass sich ihr Bewusstsein gegenüber ihren Klienten in einem Problemlösungsmodus befand. Ihrem Vorgesetzten gegenüber schaltete sie hingegen auf ein automatisches Denken um.
Denken ist nicht immer gleich
Einen großen Teil unseres Erfolgs verdanken wir sowohl als Spezies als auch als Individuum unserem Denken. Aber wir verdanken ihm auch viel von unserem Leid.
Zielgerichtetes Denken und automatisches Denken unterscheiden sich ihrem Wesen nach beträchtlich voneinander. Zielgerichtetes Denken kann uns erfolgreich und vermögend machen und uns vor Schwierigkeiten bewahren. Automatisches Denken hingegen kann bewirken, dass wir gestresst und voller Sorgen und Ängste sind und in Schwierigkeiten geraten.
Beim zielgerichteten Denken kontrollieren wir den Prozess. Das Anfertigen unserer Steuererklärung, das Lernen für ein Examen oder das Lösen eines Problems sind Beispiele für ein zielgerichtetes Denken. Es ermöglicht einem Arzt, eine Diagnose für einen Patienten zu erstellen, einem Anwalt, sich auf seinen Fall vorzubereiten, und einem Klempner, ein Problem mit den Wasserleitungen zu verstehen. Im Moment nutze ich das zielgerichtete Denken, um dieses Buch zu schreiben.
Beim zielgerichteten Denken bestimmen wir darüber, was geschieht. Wir entscheiden, was wichtig ist und womit wir uns eingehender befassen wollen, und wir ziehen die Schlüsse. Wir haben das Kommando und setzen den denkenden Geist für unsere Zwecke ein, etwa so, wie wir einen Computer benutzen. Unser Computer entscheidet nicht darüber, welche Dokumente geöffnet werden und was in einer E-Mail stehen soll (es sei denn, wir haben uns ein Schadprogramm eingefangen).
Ein Bewusstsein, das sich im Modus des automatischen Denkens befindet, verhält sich wie ein infizierter Computer. Es wurde mit Gefühlen oder wilden Fantasievorstellungen infiziert. Beim automatischen Denken haben nicht wir das Kommando. Das Bewusstsein liefert uns die Gedanken, die es uns liefern will. Man könnte automatische Gedanken auch mit den unverlangten Werbemails vergleichen, die unsere Mailbox überfluten, oder mit der Werbung im Radio. Der einzige Unterschied besteht darin, dass automatische Gedanken aus unserem Inneren kommen statt von außen. Und dadurch entsteht ein Erkenntnisproblem: Wir glauben unseren automatischen Gedanken, und wir identifizieren uns mit ihnen, weil sie mit unserer eigenen Stimme gesprochen werden.
Automatisches Denken läuft einfach ab
Der Geist ist ein guter Diener, aber er kann ein schlechter Herr sein. Im besten Fall sind automatische Gedanken belanglos – sie spulen vergangene Erfahrungen noch einmal ab, oder sie sind Tagträume über die Zukunft. Selbst dann entfernen sie uns von dem Augenblick: Während wir Tagträumen nachhängen, können wir die Ausfahrt verpassen, die wir nehmen müssen, oder wir versäumen eine Möglichkeit, eine Verbindung zu dem Menschen herzustellen, der bei uns ist. Wir gehen unseren Tätigkeiten nur halbherzig nach, weil die andere Hälfte unseres Bewusstseins mit automatischen Gedanken beschäftigt ist.
Aber es gibt auch eine dunklere Seite des automatischen Denkens. Das Bewusstsein kann von Ängsten und Sorgen vereinnahmt werden oder von Gier und Sehnsüchten. Wenn wir zu Depressionen neigen, spielt der Geist ständig das gleiche MP3-Lied von den harten Zeiten und dem bösen Karma ab. Wenn wir zu Ängsten neigen, spielt er wieder und wieder das Lied von den Monstern im Schrank. Kein Problem wird gelöst, und diese »kostenlose Unterhaltung« bringt uns auch nicht zum Lachen. Vielmehr steigt unser Stresslevel, während unser Wohlfühllevel sinkt.
Automatisches Denken sendet auf derselben Frequenz wie das Problemlösen. Seine Stimme klingt vertraut: Es ist unsere Stimme. Und sie kann eine schädliche Wirkung haben: Der Denkprozess, dem wir vertrauen, weil er uns nützt, ist infiziert worden und hat seinen ursprünglichen Zweck verloren. Er ist von den Herren der Angst und der Sorge umgepolt worden. Wir hören vertrauensvoll zu und wir leiden. Manchmal ist es nur ein zielloses Geschwätz, und diese Botschaften sind lediglich belanglos. Aber sie können auch schädlich sein, wenn sie uns beispielsweise sagen, dass alles schiefläuft, obwohl das nicht stimmt.
Die beiden Gesichter des Denkens