Bullheart: Wenn die Arena dich ruft - Lara Kalenborn - E-Book

Bullheart: Wenn die Arena dich ruft E-Book

Lara Kalenborn

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Beschreibung

In Avanna Archers Adern fließt die Leidenschaft fürs Bull Riding - und so schlägt ihr Herz unvergleichlich hoch, wenn sie auf dem Rücken eines bockenden Stieres sitzt. Doch dann verschwindet ihr kleiner Bruder Ty, der gefeierte Newcomer des Bull Riding Verbands PBR. Als sie Ty findet, ist er dem weltberühmten Bull Riding-Titelverteidiger Eliu Valdez einen Zuchtbullen schuldig geworden. Um ihren Bruder auszulösen, setzt Avanna ihre Fähigkeiten im Zähmen der wildesten Stiere auf Eliu Valdez' Ranch ein - doch ausgerechnet ihr Herz lässt sich nicht zähmen. Sie verliert sich auf dieser Mission in ihrer Leidenschaft für den geheimnisvollen Eliu, dessen Schattenseite langsam, aber sicher Besitz von ihm ergreift. Alte Dämonen. Der Ruf der Arena. Wilde Herzen.

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Lara Kalenborn

Bullheart – Wenn die Arena dich ruft

© 2021 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-520-4

ISBN eBook: 978-3-86495-521-1

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Kapitel 1: Rookie of the Year

Kapitel 2: Healing Home

Kapitel 3: Blood Traces

Kapitel 4: The Prisoner’s Sister

Kapitel 5: Black Tiger Down

Kapitel 6: Highway Beat

Kapitel 7: Buried Hope

Kapitel 8: Love at Last

Kapitel 9: Riding and Flying

Kapitel 10: Lonesome Princess

Kapitel 11: Heartbreaking Storms

Kapitel 12: Holding Tight

Kapitel 13: Parts of Roots

Kapitel 14: Stars in the Middle

Vier Jahre später

Autorin

Kapitel 1: Rookie of the Year

Avanna

Das Warten auf Tys Ritt zerreißt mich innerlich. Doch dann taucht endlich sein blonder Lockenkopf neben der Box auf, in der die Cowboys den Stier bändigen. Auf Tys Schulter prangt das Wappen der Archers, unter dem bereits mein Urgroßvater geritten ist. Mein Bruder sieht im Vergleich zu den anderen Männern so jung aus, aber das ist er mit seinen neunzehn Jahren ja auch.

Nichts hält mich jetzt noch auf meinem Platz. Zwei Stufen auf einmal nehmend, eile ich die Treppe in Richtung Arena hinunter. Dann stehe ich an der Eisenstangenabsperrung, die die Tribüne von dem Sandplatz trennt. Ty hat bereits auf dem Rücken des Bullen Platz genommen, der sich sofort unter ihm aufbäumt und versucht, seinen unliebsamen Reiter wieder loszuwerden. Der Name des Bullen ist Hungry, und ich habe das Gefühl, er giert danach, meinen Bruder zu verschlingen. Doch Ty nimmt es gelassen und lacht, als Hungry wieder auf seinen vier Hufen steht. In meinen Augen sieht er noch aus wie früher, als ich ihm auf unserer Ranch den Umgang mit den Rindern und das Reiten auf ihnen beigebracht habe: die gleiche blonde Strubbelmähne, das gleiche unbekümmerte Glitzern in den blauen Augen, ein stetes Lächeln auf dem hübschen Gesicht. Ihm wird gerade sein Hut gereicht und Ty winkt damit noch einmal in die Runde. Die Menschenmenge jubelt und Hungry bockt in seinem Pferch. Das sorglose Wesen meines Bruders ist wunderbar, aber ich würde mir trotzdem wünschen, er würde das Vorhaben, einen Hunderte von Kilo schweren, aufgebrachten Bullen zu reiten, ernster nehmen.

Die Freiluftarena von Cheyenne ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Sommersonne scheint unerbittlich auf uns herab und die meisten Zuschauer des Rodeos fächeln sich mit den Programmheften Luft zu. Der Sommer in Wyoming kann verdammt heiß sein und das ist genau das, was ich liebe. Die kalten, langen Winter halte ich hingegen nur aus, wenn ich zwischen Mai und September gut durchgebraten wurde.

Ich sehe einer Frau zu, die ihrem kleinen Sohn den Cowboyhut zurechtrückt und ihn dann auf den Arm nimmt. Wie dieser kleine Junge waren auch mein Bruder und ich von Kindesbeinen an bei Rodeos mit dabei. Vom Arm seiner Mutter aus kann er den Sandplatz gut überblicken. Als er Ty entdeckt, streckt er seinen kleinen Arm hoch und ruft den Namen meines Bruders. Ty Archers Ritt will jeder sehen, er ist das Highlight des Turniertages. Vom besten Rookie aller Zeiten erwartet man eine großartige Show, besonders hier in der Nähe seines Geburtsortes Pineville, der nur ein paar Meilen von der Arena entfernt ist.

Ty hat den gefährlichsten Stier erwischt – das wird ein Spektakel. Hungry ist einer dieser Bullen, welche im Laufe ihrer Rodeolaufbahn einen ganz eigenen Stil im Buckeln entwickelt haben. Wie kein anderer kann er die Richtung während des Springens wechseln, er springt nach Westen los, windet sich unter seinem Reiter und dreht sich nach Osten weiter. Er ist äußerst athletisch, außerdem kleiner und kompakter als die meisten anderen Profibullen. Wenn ich in diesem Augenblick auf ihm sitzen würde, um mich auf den Ritt vorzubereiten, würde ich tief in mich gehen und so still werden, dass Hungry mich nicht mehr bemerken würde. Und dann wäre ich eins mit dem Stier, sodass ich die acht Sekunden knacken könnte, die der Reiter auf dem Bullen bleiben muss. Ty macht jedoch das Gegenteil. Er albert so lange und viel herum, bis er vergisst, dass ihm ein gefährlicher Ritt bevorsteht. Er lässt sich nicht auf den Stier ein – er ignoriert ihn, tut so, als gäbe es ihn und die Gefahr nicht. Kein Fünkchen Angst ist bei dem jungen Cowboy zu entdecken. Genau jetzt schnipst er einem seiner Begleiter den Hut vom Kopf und wärmt noch einmal das Harz am Seil nach, sodass er einen festeren Griff bekommt. Am liebsten würde ich mir die Augen zuhalten, weil die Aufregung in mir übermächtig wird, aber dann würde ich verpassen, wie glücklich Ty gerade aussieht. Zum Glück konnten wir uns gegen unsere Mom durchsetzen, die uns die Teilnahme an diesem Benefizrodeo verbieten wollte. Denn Fakt ist, selbst wenn Ty heute gewinnt, wird er kein Preisgeld mit nach Hause nehmen und wir werden trotzdem einen ganzen Tag auf der Ranch gefehlt haben. Unsere Arbeit bleibt also liegen, wenn unsere Eltern es nicht schaffen, sie zu erledigen.

Ein Energiestoß durchfährt mich, als mein Bruder unvermittelt den Kopf herumreißt, mir direkt in die Augen schaut, lächelt und … das Zeichen zum Start gibt. Das Gatter fliegt auf und ich halte die Luft an. „O Gott“, flüstere ich und greife nach dem kleinen Kreuz, das um meinen Hals hängt. „Bitte! Pass auf Ty auf!“

Der Stier ist frei. Sofort versucht er, seinen Reiter abzuwerfen, dreht und wendet sich, sein Speichel fliegt hoch und Staub wirbelt auf. Hungry ist entschlossen, sich freizukämpfen, aber so wie Ty sich auf das Rodeo eingestimmt hat, so reitet er den Bullen auch: sorglos, spielerisch und fröhlich. Die Engel müssen seinen humorvollen Charakter lieben, denn ihm ist noch nie etwas Schlimmes geschehen. Ty Archer ist scheinbar unverwundbar!

Mein Blick huscht zur Uhr hinüber. Vier Sekunden. Die Hälfte der zu erfüllenden Zeit ist also geschafft. Ty ist in Bestform. Er dreht und wendet sich, ganz so, wie Hungry es ihm vorgibt. Mir bricht der Schweiß aus. Fast ist es vollbracht. Gleich wird das Signal ertönen, dass der Ritt vorbei ist, und dann kann Ty von Hungry abspringen und sich in Sicherheit bringen. Ich ziehe zischend die Luft ein, als der Stier einen fiesen Sprung mit verdrehtem Rücken macht. Mein Bruder rutscht zur Seite. Ich sehe die Anstrengung auf Tys Gesicht und schicke ein Stoßgebet gen Himmel, dass er nicht abrutscht und von dem wütenden Bullen begraben wird.

Dann schallt die Sirene durch die Arena.

Er hat es geschafft! Jetzt nur noch abspringen.

Mit Schrecken sehe ich jedoch, dass Ty seine Hand nicht aus dem Seil lösen kann, und Gänsehaut zieht trotz der Hitze meinen Nacken hinauf.

Schließlich gelingt es ihm doch, seine Hand zu befreien. Er drückt sich von Hungry ab und fliegt durch die Luft. Tys Boots berühren den Arenasand, er steht. Doch der Stier weiß, wer ihn geritten hat, und nimmt sogleich die Verfolgung auf. Mein Bruder macht, dass er wegkommt, doch das Tier holt schnell auf. Mit einem gewaltigen Satz springt Ty auf das Gatter. Der Bulle ist direkt hinter ihm. Im letzten Moment schafft es einer der Clowns, den Stier auf sich aufmerksam zu machen, und verhindert damit, dass Ty auf die Hörner genommen wird. Jubelnd schleudert mein Bruder seinen Hut durch die Arena und feiert mit den Zuschauern seinen Sieg. Dann macht er seinen berühmten Salto vom Gatter hinab.

Der Stadionsprecher verkündet die Bewertung: 89,75 Punkte. In diesem Moment fällt die Anspannung von mir ab. Das war der Siegerritt, da bin ich mir sicher, auch wenn noch ein Reiter an der Reihe ist. Simon Bleachen bringt zwar stabile Leistungen, an seinen besten Freund Ty reicht er aber bisher nicht heran. Und während der Moderator Simon ankündigt, laufe ich mit wackeligen Beinen zu meinem Bruder. Als ich unter den Rängen in die Schatten eintauche, atme ich tief durch, um das Adrenalin in meinem Körper zurückzudrängen. Wie Ty und ich ist Simon mit Rindern aufgewachsen, auch ihm liegt das Bull Riding im Blut. Er reitet mit großer Umsicht, woran Ty sich mal ein Beispiel nehmen sollte. Ich entdecke meinen Bruder, der konzentriert in die Arena hinunterschaut, in der gerade Simons Ritt beginnt. Ein paar Schritte noch, dann werde ich ihn in die Arme schließen können. Doch dann passiert etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das Jubeln der Zuschauer bricht jäh ab, Schreie ziehen durch die Ränge. Ty hebt die Arme und drückt sich die Hände gegen den Kopf. Ich weiß sofort, dass etwas Furchtbares geschehen ist, renne los, um schnell bei ihm zu sein, doch ich stolpere, weil meine Muskeln plötzlich vor Grauen zittern. Der Stadionsprecher ruft nach den Ärzten, mir schießen Tränen in die Augen und verschleiern meine Sicht auf Ty. Aber ich sehe, dass er einen stummen Schrei ausstößt, als der Ruf nach dem medizinischen Personal erneut durch die Sommerhitze hallt. Endlich bei ihm angekommen, schließe ich ihn in meine Arme, aber er reagiert nicht.

„Sieh nicht hin“, flüstere ich ihm zu und wage es selbst nicht, in die Arena zu blicken.

Ty ist wie versteinert und nun schaue ich doch hinunter. Ich sehe Simons Beine, seine braunen Boots und die weißen Fransen-Chaps. Etwas abseits liegt sein weißer Hut. Eine Traube von Ärzten steht um ihn herum und ich höre Schluchzen in der Arena. Die Menschen harren in Schockstarre aus, viele haben die Hand vor den Mund geschlagen. Sein Sturz muss wirklich schlimm gewesen sein.

Die Veranstalter rennen zwischen Moderationskabine und VIP-Raum hin und her. Dann rücken die Ärzte ein Stück von Simon ab und der medizinische Leiter schüttelt den Kopf.

Ty reißt sich von mir los und rennt davon. Ich rufe seinen Namen, aber mein Bruder reagiert nicht. Ich laufe ihm hinterher und vor der Arena angekommen sehe ich, dass er bei unseren Pferden ist. Er bindet beide los, schwingt sich auf seins, zieht meins mit, damit ich ihn nicht verfolgen kann. Immer wieder schreie ich, dass er stehen bleiben soll. Nach einigen Hundert Metern lässt er mein Pferd los. Meine Stute, Right Now, galoppiert noch kurz mit, doch dann hört sie mein schrilles Pfeifen, wendet mit fliegender Mähne und kommt zu mir zurück.

Hastig nehme ich sie in Empfang, schwinge mich in den Sattel und jage Ty hinterher. Aber sein Hengst ist schneller und ich kann ihn nicht mehr einholen. Irgendwann halte ich mein Pferd an, breche auf ihm zusammen und weine in die rotbraune Mähne.

Einige Zeit später stehe ich noch an der gleichen Stelle und immer wenn Bekannte aus unserem County an mir vorbeifahren, werde ich mitleidig angeschaut.

„Gebt uns bitte Bescheid, wenn ihr Ty seht“, bitte ich jeden, der mich durchs offene Fenster grüßt.

Ich hoffe noch eine Zeit lang, dass mein Bruder zurückkehrt, aber schließlich drücke ich meine Hacken in Right Nows Bauch, ziehe die Hand mit den Zügeln über den Widerrist und gebe ihr den Weg nach Hause vor.

Als das Schild von Pineville in Sicht kommt, legt sich eine melancholische Schwere über mich, die ich noch nie zuvor gespürt habe. Es fühlt sich wie eine leise Vorahnung in meinem Kopf an, dass ab jetzt nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.

Right Now schnauft wild, als wir unter dem Torbogen unserer Ranch hindurchkommen. Also ziehe ich etwas an den Zügeln, mache mich schwer im Sattel und reite im Schritt die Straße hinauf. Rechts und links erstrecken sich unsere schier endlosen Weiden. So weit das Auge reicht, sind nur sanfte grüngelbe Wiesenhügel zu sehen. Unsere schwarzen Rinder stehen in Grüppchen zusammen und grasen. Die beginnende Dunkelheit verschluckt langsam ihre Konturen und unser kleines Ranchhaus kommt in Sicht. Meine Eltern treten aus dem Haus. Als sie sehen, dass ich allein bin, hält die Nacht auch auf ihren Gesichtern Einzug.

„Wo ist Ty?“, ruft meine Mutter mir entgegen.

Mit den Beinen treibe ich Right Now zu einem leichten Trab an. Bei ihnen angekommen, halte ich. „Ich habe versucht, ihn mit nach Hause zu bringen …“

Die blauen Augen meiner Mutter sehen mich hart an. „Du weißt doch, dass er in Schwierigkeiten geraten wird.“

„Alle halten Ausschau nach ihm.“ Ich springe ab und gehe auf meine Eltern zu, aber meine Mutter ist so wütend, weil ich Ty sich selbst überlassen habe, dass sie sich umdreht und im Haus verschwindet.

Mein Vater klopft mir kurz auf die Schulter, dann läuft er meiner Mutter hinterher. Taubheit legt sich über mich, weil ich das Gefühl habe, versagt zu haben. Doch dann sehe ich, dass noch jemand auf der Veranda gewartet hat. Mein Opa sitzt neben der Hollywoodschaukel in seinem Rollstuhl und hält seinen Hut in den alten, braun gebrannten Händen. Er ist ganz still.

„Weißt du es schon?“, frage ich leise.

Er nickt. „Die Harpers haben uns sofort angerufen, als es passiert ist.“

Ich sehe den Schmerz über Simons Verlust auf seinem Gesicht. Mein Opa hat Simon, Ty und mir das Bull Riding erklärt und uns alles gezeigt, was er konnte.

Jetzt setzt er seinen Lederhut auf, seufzt und öffnet die Arme. Ich stürze zu ihm und flüchte mich in seine Umarmung.

„Ty ist zäh“, sagt mein Großvater nach einer Weile in die Stille hinein. „Wir Archers kommen nicht so schnell unter die Räder. Sieh mich an. Das blühende Leben mit neunundachtzig Jahren.“

Leise lache ich und finde nun die Kraft, die Taubheit in mir zu verscheuchen. „Du bist echt noch ein Hingucker, Opa.“

Sein ehemals blondes Haar ist weiß geworden, hat aber immer noch diesen kecken Schwung, als würde es jeden Morgen in Position geföhnt werden. Und seine blauen Augen strahlen nach wie vor seinen Humor und seinen wachen Geist aus. Ich selbst habe grüne Augen und bin damit die einzige Archer weit und breit, die keine blauen Augen hat. Manchmal komme ich mir deshalb wie ein Alien vor.

Ich stehe auf. „Schaffst du es ins Haus?“, frage ich.

„Trinkt ein Cowboy morgens Kaffee?“, fragt er zurück und packt die Greifringe seines Rollstuhls.

Ich lächle, warte kurz, ob er die kleine Stufe ohne Unterstützung überwinden kann, und gehe dann zu meinem Pferd hinüber. Meine Brust tut weh, mein Hals brennt – dieser Tag war der bisher schlimmste meines Lebens.

„Oh, Right“, flüstere ich, lege meinen Kopf an ihre Stirn und sie schnaubt leise. Ich rieche ihr feuchtes Fell und fühle mich etwas besser. Plötzlich nestelt sie mit ihrer Oberlippe an meiner Hosentasche herum. „Warte, ich schaue mal“, sage ich und suche in der Tasche nach einem Leckerchen. Ein kleines finde ich und gebe es ihr. So kaut mein Pferd zufrieden darauf herum, während ich es zum Stall hinüberführe. Ich glaube, heute Nacht werde ich bei ihr im Stroh schlafen. Das Haus wäre einfach zu trostlos ohne Tys fröhliche Art.

Kraftvoll schrubbe ich Right mit einem Büschel Stroh trocken und versinke tief in dieser Arbeit, bis mein Handy klingelt. Vor Schreck schmeiße ich das Stroh weg, hole das Telefon aus meiner Hosentasche heraus und schaue darauf. Enttäuschung macht sich in mir breit, als es nicht Tys Nummer ist, die mir entgegenleuchtet.

„Hey, Bowen“, murmle ich in mein Smartphone hinein.

„Hey, Prinzessin“, sagt Bowen King am anderen Ende der Leitung.

Er ist der zweite schwierige Cowboy in meinem Leben, denn genau wie Ty taucht auch Bowen gern zu tief in Alkohol und Probleme ein. Nur dass er dann weibliche Fans küsst, anstatt spurlos zu verschwinden … Anscheinend habe ich ein Händchen für komplizierte Männer.

„Avanna wäre mir lieber“, antworte ich, denn seit wir nicht mehr zusammen sind, versuche ich, ihm den Spitznamen für mich abzugewöhnen. Bisher ohne Erfolg.

„Ich habe gehört, was mit Simon passiert ist.“

Mir schnürt sich der Hals zu. Ich versuche, etwas zu sagen, kann es aber nicht.

„Avanna?“ Bowens Stimme ist sanft.

Ich weiß, er meint seinen Anruf lieb, aber ich will gerade mit niemandem sprechen. „Ich kann noch nicht darüber reden, aber danke für den Anruf.“ Mit zitternden Fingern lege ich auf und weiß, dass ihm das nicht gefallen wird. Aber er muss das akzeptieren. Wir sind kein Paar mehr und diese Tatsache anzunehmen ist genau das, was Bowen King schwerfällt.

Kapitel 2: Healing Home

Eliu

Schweigen erfüllt den Truck. Ich schaue zu meiner Mutter hinüber, die am Steuer sitzt und uns durch die Dunkelheit manövriert. Eigentlich lasse ich es mir nicht nehmen, selbst zu fahren, aber ich habe wirklich Schmerzen.

Der Weg vom Flughafen zurück zur Ranch kommt mir heute unendlich lang vor. Die Show, die ich in Sacramento hingelegt habe, war miserabel. Ich habe nur ein paar läppische Punkte geholt und dann bin ich nach dem letzten Sturz nicht rechtzeitig auf die Beine gekommen und habe damit dem Bullen die Möglichkeit gegeben, auf meinen Arm zu trampeln. Zum Glück ist es die linke Seite, sodass ich in einer Woche auf jeden Fall in Nashville antreten kann. Dennoch war der Flug zurück nach Hause die Hölle, vor allem, weil ich mich immer noch über diesen bescheuerten King ärgere. Der selbstverliebte Schnösel hat gewonnen. Vor ein paar Wochen hätten wir uns mal beinahe geprügelt, seitdem mache ich einen großen Bogen um ihn. Sein dämliches Grinsen musste ich heute trotzdem ertragen.

„Eliu, ich muss dir noch etwas erzählen“, sagt meine Mutter unvermittelt.

Ich schaue zu ihr hinüber. Ihre schwarzen Haare liegen auf ihrem Rücken, der Pony reicht ihr bis zu den dunklen Augenbrauen. Ihre markante Nase wird normalerweise immer von einer Sonnenbrille geziert, aber es dämmert schon, da nimmt selbst Enid Guillermo ihre Sonnenbrille ab. Sie wirft mir einen kurzen Seitenblick zu und ich spüre ihren Unmut. Sie weiß nicht, was mit mir los ist, denn so ein Tief im Bull Riding hatte ich noch nie. Ich kann ja selbst nicht sagen, woher meine schlechten Ritte plötzlich kommen. Diese Tour scheint verflucht zu sein. Dabei hätte ich gerade in Sacramento die Chance gehabt, auf den vorderen Plätzen mit dabei zu sein, weil Ty Archer gefehlt hat. Wo er wohl war? „Weißt du schon, warum Ty Archer in Sacramento nicht mit dabei war?“, frage ich.

Meine Mutter sieht mich mit unergründlicher Miene an.

Also schiebe ich nach: „Er war doch mit Simon Bleachen befreundet …“

Meine Mutter schüttelt den Kopf. „Die Geschichte mit Archer und Sacramento ist eine ganz andere. Dieser verdammte Idiot.“

Überrascht schaue ich zu ihr hinüber. Meine Mutter ist aufbrausend und manchmal auch einen Hauch cholerisch, aber so … „Was ist mit ihm?“

„Eliu, du darfst jetzt nicht ausflippen.“

„Habe ich nicht vor“, gebe ich zurück und drehe mich ihr ein Stück zu.

„Ty Archer muss am Freitag kurz nach unserer Abreise auf die Ranch gekommen sein. Vollkommen betrunken hat er in der Nacht versucht, Tiger zu reiten, und Matt hat es erst bemerkt, als es zu spät war.“

Mir klappt der Mund auf. Tiger ist ein Bulle, den ich in Buffalo auf einer Auktion ersteigert habe und der bis jetzt in Quarantäne war. Ein ganz schlechtes Gefühl beschleicht mich. „Was ist mit Tiger passiert?“

„Ich mache es kurz, Schatz“, sagt meine Mom. „Tiger ist abgehauen und in die Schlucht gestürzt. Er ist tot.“

Ich beiße meine Zähne so fest ich kann aufeinander. Doch die Wut will raus und ich boxe gegen die Frontverkleidung des Autos, bis meine Hand mir signalisiert, dass sie nicht mehr viele Schläge aushält, bis sie bricht. Als ich innehalte, höre ich auch, dass meine Mutter immer wieder ruft: „Beruhig dich, Eliu!“

Beschwichtigend hebe ich die Hände. „Alles gut“, knurre ich. „Wo ist Archer jetzt?“

„Matt hat ihn festgesetzt. Er ist auf der Ranch.“

Ein Grollen braut sich in mir zusammen. „Hat er die Polizei verständigt?“

„Das wollte Matt uns überlassen.“

„Gut“, sage ich. Ich werde die Cops nicht rufen. Erst werde ich mir anhören, was Archer zu seiner Verteidigung zu sagen hat.

Nicht viel, muss ich feststellen, denn Ty Archer ist voll wie eine Haubitze, als ich ihn eine Stunde später aus einer dunklen Ecke der Scheune pflücke. Ich schleife ihn nach draußen, aber auch im Staub meiner Ranch liegend kommt er nicht zu sich. Ich knie mich zu ihm und nehme sein Kinn in meine Hand. Eine Zeit lang betrachte ich ihn. Er sieht plötzlich viel älter aus als noch vor drei Wochen auf Tour. Er hat tiefe, dunkle Ringe unter seinen Augen und seine Haut ist knittrig und fahl.

„Was ist los mit ihm?“ Die Frage geht an Matt, der an meiner Seite steht und sich nun neben mich hockt.

„Er säuft alles, was er in die Finger bekommt. Ich habe ihn vor ein paar Stunden aus Billys Bar abgeholt. Er war mir von der Ranch ausgebüxt …“

„Gott“, stoße ich aus und lasse ihn wieder zu Boden gleiten. Wie eine leblose Puppe liegt er im Staub. „Bring ihn ins Badezimmer im ersten Stock und schließ ihn darin ein. Stell ihm Wasser, Brot und ein bisschen Fleisch hin. Wenn er aufwacht, will ich mit ihm sprechen.“

„Ruf die Polizei und lass die sich um ihn kümmern!“, faucht meine Mutter. „Er hat einen riesigen Schaden verursacht.“

Ich richte mich auf und versuche zu kaschieren, wie sehr mein Körper wehtut. „Ich rufe die Cops, wenn ich es für sinnvoll halte, Mutter. Was, denkst du, machen die mit ihm? Seine Karriere wäre dann beendet und dafür will ich nicht verantwortlich sein. Außerdem reitet dieser kleine Scheißer wie der Teufel. Wenn ich wieder in Form bin, will ich ihn ehrlich schlagen.“

Meine Mutter nickt langsam, aber ich verdeutliche ihr meinen Standpunkt lieber noch einmal: „Hier ruft niemand die Polizei, es sei denn, ich tue es.“

Enid schaut erst noch düster, dann hellt sich ihr Blick auf. „Hast du Hunger?“

Ich atme tief durch und nicke Matt zu, als er das, was eigentlich der begnadete Profisportler Ty Archer junior sein sollte, in mein Haus bringt. „Ja. Bärenhunger.“

Meine Mutter tischt mir nicht nur ein Putenbrustsandwich auf, sondern serviert mir auch das iPad, auf dem ich mir meine Ritte ansehen soll. Mir wird übel, als ich mein Versagen sehe, sodass ich das iPad irgendwann in die Spüle schmeiße.

„Eliu!“, schimpft meine Mutter. „Was soll das?!“

Doch ich habe keine Nerven für ihre Ansagen und schon gar nicht für die Analyse meiner Reitfehler, die sie bereits auf dem Rückflug aufgelistet hat. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und spucke den letzten Bissen in den Müll.

„Warte, ich muss mir noch deinen Arm ansehen!“, ruft Enid, aber ich mache, dass ich aus dem Haus rauskomme.

„Dem geht es gut!“, lüge ich und als ich endlich draußen bin, atme ich tief durch.

Zwei meiner Mitarbeiter huschen an mir vorbei und tippen sich kurz an die Hüte. Ich grüße zurück und stapfe zur Scheune hinüber, wo die Angestellten zu Abend essen und ihren Feierabend verbringen.

Matt springt auf, als er mich kommen sieht. „Hey, Boss!“, ruft er und bietet mir einen Strohballen an.

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nehme ich die Sitzmöglichkeit an.

„Der Bulle hat Sie ziemlich erwischt“, sagt Matt. „Ich habe Ihren Ritt bei YouTube gesehen.“

YouTube spricht er ganz gedehnt aus.

„Ach wirklich?“, frage ich, lehne kurz den Kopf am Holzbalken hinter mir an und schließe die Augen. Ich bin einfach erschöpft.

Als ich die Lider wieder hebe, ist die Scheune leer. Nur Matt und die Hunde sind noch da.

„Wie lange war ich weg?“ Mein Lieblingshund Winston taucht mit seinem großen Kopf vor mir auf und leckt meinen Hals und meine Wange ab.

„Zwei Stunden, Boss.“

„O Gott“, murmle ich, schiebe Winston weg und will mir über das Gesicht reiben, aber der Schmerz durchzuckt scharf meinen Arm und ich schnappe nach Luft.

„Jetzt schaue ich mir Ihre Verletzung an.“

„Wenn es sein muss“, knurre ich.

„Muss es. Der Bulle hat den Arm zweimal getroffen, ich dachte, der ist bestimmt durch.“

„Ist er nicht“, versichere ich ihm. „Sieht nur wie durch den Fleischwolf gedreht aus.“

Als Matt meinen Arm endlich vom Verband des Turnierarztes befreit hat, läuft mir vor Schmerz der Schweiß in Strömen vom Gesicht herab.

„Schon geschafft, Boss“, murmelt Matt, aber dann bleibt er still, was gar nicht gut ist.

„Sag, was du denkst, Matt.“ Ich muss seine Einschätzung hören. Eigentlich will ich nicht ins Krankenhaus fahren, aber wenn mein erster Mann das für nötig hält, werde ich mich fügen, denn auf seinen Rat verlasse ich mich blind.

„Der Arenaarzt hat Sie gut versorgt“, sagt er und wickelt meinen Arm sorgfältig wieder ein, „und ich habe schon schlimmere Wunden bei Ihnen gut heilen sehen. Sie haben einen Wunderkörper.“

Leise lache ich los. Doch das lasse ich schnell wieder, weil ich die Vibrationen im Arm nicht ertragen kann. „Danke, Matt. Dann erzähl mir jetzt, was ich am Wochenende verpasst habe. Wie ist dieser verdammte Archer überhaupt an Tiger rangekommen?“

„Das habe ich geklärt“, antwortet Matt grimmig und mir wird klar, dass der dafür verantwortliche Mann nicht mehr zu meinen Angestellten zählt.

„Es war wohl eine dumme Wette. Ty wollte beweisen, dass er Tiger ohne Seil reiten kann“, erklärt Matt.

Ich schüttle den Kopf. So etwas habe ich mir schon gedacht. „Das war dann wohl eine Wette, die meinen Stier das Leben gekostet hat.“

Am nächsten Morgen fühle ich mich grauenvoll. Die Schmerzmittel benebeln mich und meine Extremitäten fühlen sich nicht wie meine eigenen an. Als ich in den Spiegel meines Kleiderschrankes schaue, bin ich mir sicher, dass niemand jemals so müde und furchtbar aussah wie ich.

Doch dann öffne ich das Badezimmer, in dem Ty Archer genächtigt hat. Augenblicklich schlägt mir eine Wolke von ausgedünstetem Alkohol entgegen und mir wird klar, dass er sicherlich noch zerschossener ist als ich. Mir wird übel. Ich eile zum Fenster, schiebe die Vorhänge zur Seite und reiße es auf.

Ty liegt in einer Ecke und stöhnt, als ihn das Tageslicht trifft.

„Aufwachen, Kumpel!“ Ich stoße ihn mit der Stiefelspitze an und er schlägt nach mir, kommt aber nicht zu sich.

Wie aus dem Nichts erscheint Matt neben mir, kniet sich auf Tys Arm und hält den anderen fest. „Guten Morgen, Boss“, sagt er in meine Richtung.

Ich nicke ihm zu und trete gegen Tys Schuhsohlen. „Aufwachen, Archer!“ So langsam verlässt mich die Geduld.

Weiß er überhaupt noch, was er angerichtet hat?

Weiß er nicht. Wie ein Häufchen Elend sitzt er nun auf meinem Küchenstuhl und hört sich von Matt an, wie er sich mit zwei Saufkumpanen auf meine Ranch geschlichen hat, um einen Ritt ohne Seil zu wagen. Die bescheuertste Mutprobe der Welt, denn niemand kann sich ohne Hilfsmittel auf einem bockenden Stier festhalten.

„Du hättest sterben können, mein Sohn“, sagt Matt sanft und reicht ihm eine Plastikflasche mit Wasser.

Noch hat Ty keinen Ton gesagt. Doch plötzlich sieht er mich an und in seinen blauen Augen schimmern Tränen. „Tut mir so leid“, flüstert er mit gebrochener Stimme. „Und der Stier ist … tot?“

„Ja“, sage ich und weiß nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Am liebsten würde ich ihn verprügeln. Aber mit seinen großen, runden Augen und diesen Löckchen auf dem Kopf sieht er wie ein frisch geborenes Kälbchen aus. Er verströmt eine Art von Welpenschutz-Vibes, die mich ein Stück weit besänftigen.

„Werden Sie mich anzeigen?“, fragt er mit erstickter Stimme.

„Nein“, bricht es aus mir hervor, dabei hatte ich ihm das gar nicht so schnell sagen wollen.

„Ich kann den Stier aber nicht bezahlen. Und meine Familie auch nicht. Wir haben …“ Er spricht nicht weiter.

Verwundert runzle ich die Stirn. Als Rookie of the Year muss er doch gut verdient haben. Wo ist all sein Geld hin? „Dann wirst du es wohl abarbeiten müssen“, sage ich und gebe mich hart. Dabei ist in mir längst das Gefühl erwacht, Ty helfen zu wollen. Der Gedanke, er könnte sein Talent vergeuden, indem er in seiner Trauer und dem Alkohol untergeht, schnürt mir kurioserweise den Hals zu.

Erleichterung gleitet über sein jungenhaftes Gesicht. „Das werde ich!“

„Dann krieg dich wieder auf die Kette. In einer Woche will ich in Nashville gegen dich antreten.“ Ich halte ihm mein Handy hin. „Willst du deine Familie anrufen?“

Der junge Mann schüttelt seinen Kopf.

Ich runzle die Stirn. „Machen sie sich denn keine Sorgen?“

Kapitel 3: Blood Traces

Avanna

Mein erster Weg führt mich morgens zu den Pferden. Wenn ich schnalze, wiehern sie wild und begrüßen mich mit Scharren und rasanten Drehungen. Diese Herzlichkeit weiß ich zu schätzen und so beginne ich den morgendlichen Rundgang mit dem Verteilen von Leckerchen. Als Erste bekommt meine Fuchsstute Right Now ihre Bananenleckerchen. Die liebt sie. Jedes der acht Pferde bekommt auch eine Umarmung. Nur Joker nicht, der würde mich nur beißen. Bei ihm kommt es nur zu einem kurzen Kraulen unter der Mähne, dann schnappt der Palomino schon nach mir. Als Letztes begrüße ich Crime, Tys Hengst. Sie haben den Schecken in der Nähe von Cheyenne, mitten in einer Rinderherde, gefunden. Aber von Ty keine Spur. Ich suche also weiter.

Jeden Abend gehe ich in die Bar und spreche die Besucher auf meinen Bruder an, damit ja niemand vergisst, Augen und Ohren offen zu halten. Aber noch haben wir keine Informationen über seinen Aufenthaltsort. Mein bester Freund Fabiano ist der Bartender und hilft mir bei der Suche. Er hat sogar bei Instagram einen Aufruf gestartet, dass wir Ty vermissen. Aber bisher … nichts. Wie kann ein kleiner Lokal-Star derart unbemerkt durch die Lande wandern? Jedes Mal, wenn Ty türmt, bin ich wieder von seiner Fähigkeit, spurlos vom Erdboden zu verschwinden, beeindruckt.

In Gedanken versunken mache ich die Haferrunde durch den Stall. Das Pferd meiner Mutter bekommt zusätzlich eine Dosis Medizin gegen Arthrose, ansonsten sind alle mit dem Hafer abgefertigt.

Immerhin haben wir auch noch keinen Anruf von der Polizei oder einem Krankenhaus bekommen. Doch mit jedem verstreichenden Tag wird dieses Telefonat wahrscheinlicher. Beim letzten Mal hat Ty so über die Stränge geschlagen, dass er mit ausgepumptem Magen und einer Empfehlung für einen stationären Entzug von den Ärzten entlassen wurde.

Während die Pferde fressen, bereite ich das Ausmisten vor. Eine Karre ist schnell geholt und auch die Mistgabel und die Schippe stehen bereit, als Right Now ihren Trog komplett ausgeleckt hat. Ich öffne ihre Box und meine Stute trabt zur Weide davon. Auch die anderen Boxentüren schiebe ich auf, sodass es bald alle Pferde ihrer Leitstute gleichtun. Nur Mutters Pferd Miley läuft lahmend hinterher. Ich gehe ein Stück mit ihr.

„Hm, Miley. Dir geht’s heute nicht so gut, was?“

Die alte Stute ist zweiundzwanzig Jahre alt und ihre Gelenke haben viele Turniere bestritten. Meine Mutter ist eine erfolgreiche Rodeoreiterin gewesen. Keine war so mutig wie Chloe Archer. Von ihr hat Ty seinen Mut geerbt, denn auch mein Bruder wird als mutigster Nachwuchsreiter aller Zeiten beschrieben.

„Avanna!“

Ich fahre zu Mutters Stimme herum, die aus dem Haus kommt.

„Avanna!“

Ich renne los.

Meine Mom steht auf der Veranda und hält mir einen Brief entgegen. Noch ehe ich ihn lesen kann, sagt sie: „Ty soll nach Barretos kommen!“

„Was?“ Ich starre auf den Brief, der anscheinend aus Brasilien stammt.

„Er wurde nach Barretos eingeladen!“ Meine Mutter ist ganz außer Atem. „Du musst ihn finden!“

„Wie?“

„Dreh jeden Stein um, wenn es sein muss. Dann pack ihn bei den Ohren und schleif seinen Hintern nach Hause.“