Burn Out - Dieter Helm - E-Book

Burn Out E-Book

Dieter Helm

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Beschreibung

Niedrige Ölpreise erschüttern die Weltwirtschaft. Der renommierte Energieexperte Dieter Helm erklärt, warum diese und besonders technologische Veränderungen unzweifelhaft ankündigen, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe zu Ende geht. In seinem neuen provokativen Buch weist er nach, dass neue Technologien wie die Nanotechnologie die Nachfrage nach Öl, Gas und Kohle unaufhaltsam reduzieren – und dies schneller und effektiver als das in den Entscheidungszentren von Politik und Wirtschaft gedacht wird. Energiekonzerne und Erdöl exportierende Länder werden die Verlierer dieser Entwicklungen sein, während Staaten, die in neue Technologien investieren, als Sieger im geopolitischen Spiel dastehen könnten. Wie sollen Regierungen und Unternehmen reagieren? Dieter Helms Ratschläge sind radikal und überraschend, denn wir stehen am Beginn eines neuen Energiezeitalters. Mit einem Vorwort von Günther Oettinger.

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Seitenzahl: 468

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Redaktioneller Hinweis

Der Originaltext von Dieter Helm stammt aus dem Jahre 2016/2017. Die Veränderungen in der Energiebranche und in diesem Sektor sind gewaltig. Es ist also möglich, dass einzelne Angaben von der rasanten Weiterentwicklung überholt wurden, die Grundaussage des Buches bleibt davon aber unberührt.

Besuchen Sie uns im Internet unter

www.langen-mueller-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook: 2018 LangenMüller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, Stuttgart

© Dieter Helm, Originally published by Yale University Press, 2017

All rights reserved.

Übersetzung: Heike Schlatterer, Hans-Peter Remmler

Lektorat: Undine Löhfelm

Redaktion: Rüdiger Müller

Umschlaggestaltung: STUDIO LZ, Stuttgart

eBook-Produktion: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

ISBN 978-3-7766-3486-5

Inhalt

Vorwort von Günther Oettinger

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Vorwort und Dank

Einleitung

 

Teil 1Vorhersehbare Überraschungen

Kapitel 1: Das Ende des Rohstoffsuperzyklus

Kapitel 2: Die Beschränkung der Kohlenstoffemissionen

Kapitel 3: Eine elektrische Zukunft

 

Teil 2Die geopolitischen Konsequenzen

Kapitel 4: Die USA – Land im Glück

Kapitel 5: Der Nahe Osten – Probleme ohne Ende

Kapitel 6: Russland – Der Fluch des Rohstoffreichtums

Kapitel 7: China – Das Ende des Übergangs

Kapitel 8: Europa – Besser als es scheint

 

Teil 3Die Unternehmenslandschaft verändert sich

Kapitel 9: Das Ende der großen Ölunternehmen

Kapitel 10: Die Zukunft der großen Energieversorgungsunternehmen

Kapitel 11: Die neuen Energiemärkte und das Internet

 

Schlusswort

 

Anhang

Verzeichnis der Abbildungen

Abkürzungen

Endnoten

Index

Vorwort

Es ist mir eine besondere Freude, das Vorwort für die deutsche Ausgabe von »Burn Out – The End Game for Fossil Fuels« zu schreiben. Während meiner Zeit als EU-Kommissar für Energie war Dieter Helm mein Sonderberater, und ich habe größten Respekt vor ihm und seiner Arbeit. Wir waren zwar nicht immer einer Meinung, aber ich war von ihm beeindruckt, weil er nicht nur eine fundierte Fachkenntnis hat, sondern auch die Fähigkeit, unorthodoxe Fragen zu stellen, und zusätzlich noch ein Kommunikationstalent ist. Dieses Buch wird daher für Akademiker und Laien gleichermaßen interessant sein.

Ich möchte nicht so sehr auf den Inhalt des Buches eingehen, sondern vielmehr auf den Kontext. Ich glaube auch nicht, dass es die Aufgabe von Politikern ist, die Entwicklung der Rohstoffpreise zu kommentieren. Dazu sind andere viel besser in der Lage. Politiker müssen sich aber über die Herausforderungen im Klaren sein und darauf reagieren. Der Klimawandel ist heute und auch in den kommenden Jahrzehnten eine der größten globalen Herausforderungen, und die Politik muss diese auch auf globaler Ebene angehen.

Im Dezember 2015 haben 195 Länder mit dem Übereinkommen von Paris einen bindenden globalen Klimavertrag unterzeichnet, um die Erderwärmung zu begrenzen. Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören auch Veränderungen im Energiesektor. Die Europäische Union war eine treibende Kraft dahinter, und es gelang in Paris mit einer Stimme zu sprechen. In der Folge hat die EU-Kommission ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, die, abgesehen vom Übergang zu sauberer Energie, auch auf die Versorgungssicherheit, den Energiemarkt, Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit abzielen. Denn eines ist klar: Wir müssen sowohl auf erneuerbare Energie wie Solar- und Windkraft setzen, als auch auf mehr Energieeffizienz bzw. einen geringeren Energieverbrauch. Die notwendigen Investitionen dafür müssen zum Großteil aus der Privatwirtschaft kommen. Die Politik muss für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen, damit die erforderlichen Investitionen auch getätigt werden.

Positive Effekte lassen sich aber nicht nur für die Umwelt erwarten. Egal, in welchem Energiebereich diese Investitionen getätigt werden – ob es die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energieträgern, Anreize für die energetische Sanierung von Gebäuden oder die Installierung von intelligenten Zählern sind –, überall ist zu erwarten, dass sie zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung beitragen. Schätzungen gehen davon aus, dass durch die neuen Technologien mehr Arbeitsplätze entstehen, als z. B. bei der schrittweisen Abschaffung der Produktion fossiler Brennstoffe verlorengehen.

Weil dieser Strukturwandel aber für den einzelnen Arbeitnehmer oder etwa für eine Kohleregion folgenschwer sein kann, muss die Politik dafür sorgen, dass wir unterstützend eingreifen, wenn es erforderlich ist. Der Verbraucher kann davon auszugehen, dass ein heterogenerer, effizienter und stärker marktorientierter Energiesektor langfristig zu niedrigeren Energiekosten führen wird, wenn dies nicht schon passiert ist.

Anfang Mai habe ich in meiner jetzigen Funktion als EU-Haushaltskommissar den neuen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Darin haben wir die Einbeziehung klimapolitischer Maßnahmen in nahezu allen EU-Programmen festgeschrieben. Auch soll es mehr Geld für Forschung und Entwicklung geben, die Digitalisierung rückt auf der Liste der Prioritäten weiter nach oben. Zudem sollen mehr öffentliche Gelder für die Vernetzung von Europas Energie- und Verkehrsstrukturen bereitgestellt werden, dort, wo es Engpässe oder nicht genug privates Kapital gibt.

Ich bin überzeugt, dass ein konzertiertes Vorgehen auf EU-Ebene für die Energiepolitik entscheidend ist, unsere Bemühungen nicht nur sehr viel effektiver macht, sondern auch für mehr Synergie- und Effizienzgewinne und Flexibilität im weiteren Verlauf sorgt.

Günther Oettinger, Juni 2018

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Deutschland hat einen besonders wagemutigen Weg in der Energiepolitik und bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen eingeschlagen. Kein anderes Land hat sich entschlossen, den freiwilligen Ausstieg aus der Atomenergie zu kombinieren mit der Förderung der ersten Generation der erneuerbaren Energien. Auch Japan hat sich (vorübergehend) aus der Atomenergie zurückgezogen, doch es gab keine freiwillige japanische Energiewende.

Wenn es nach den Umweltschützern ginge, sollten noch viele andere Länder dem Vorbild Deutschlands folgen. Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist jedoch enorm, und die unbeabsichtigten Folgen der Energiewende liefern heilsame Lektionen für die ganze Welt.

Denn der neue Weg, den Deutschland in der Energiepolitik eingeschlagen hat, ist mit Kohle gepflastert. Wenn ein zukünftiger Historiker aus dem Jahr 2050 auf die Entscheidung Deutschlands zurückblicken wird, werden ihm vor allem drei Fakten ins Auge fallen. Zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen hat Deutschland beschlossen, zuerst seine CO2-armen Nuklearkraftwerke zu schließen, Unmengen Geld in neue Kohlekraftwerke zu investieren und sich der wenig effizienten und teuren ersten Generation der Solaranlagen und Windkrafträder zu verschreiben. Diese drei Gegebenheiten erklären eine vierte Tatsache: Deutschland hat Mühe, auch nur die Grenzwerte beim CO2-Ausstoß einzuhalten. Wenn es nur darum geht, effektiv gegen die Erderwärmung anzugehen, ist die Energiewende offensichtlich keine gute Lösung.

Durch die Förderung der ersten Generation der erneuerbaren Energien hat Deutschland mit die höchsten Strompreise weltweit und nicht nur die Stabilität seiner eigenen Stromübertragungssysteme verringert, sondern auch die seiner Nachbarn. Die Deutschen sind offenbar bereit, hohe Preise für erneuerbare Energien zu bezahlen, doch die Auswirkungen auf die Übertragungs- und Verteilungssysteme wollen sie nicht tragen. Der Widerstand gegen neue Nord-Süd-Trassen bleibt ein wesentliches Hindernis bei der Energiewende.

Nicht nur das Klima leidet unter dem erhöhten Schadstoffausstoß. Die Energiewende fordert noch weitere Opfer. Die großen deutschen Stromunternehmen müssen einen hohen Preis zahlen, RWE und E.ON wurden buchstäblich zerschlagen. Angesichts des radikalen Umbruchs, den die erneuerbaren Energien mit ihren bei null liegenden Grenzkosten bringen, war das vielleicht unvermeidlich. Große neue deutsche Unternehmen für erneuerbare Energien sollten die Stelle der bisherigen Energieversorger übernehmen und den Weltmarkt dominieren. Aber das ist nicht geschehen: Die deutschen Windräder und vor allem die Solarmodule werden in China und anderen Ländern produziert, nicht in Deutschland.

Während Deutschland auf Kohle setzt (und viele neue Kohlekraftwerke gebaut hat), hat es gleichzeitig seine Versorgung mit anderen fossilen Brennstoffen sichergestellt, vor allem mit Gas. Die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und bald auch Nord Stream 2 stärken die besonderen deutsch-russischen Beziehungen bei der Energieversorgung, die ein Jahrhundert zurückreichen. Ohne Umweg über die baltischen Staaten oder Polen hat Deutschland direkten Zugang zu russischem Gas – eine Situation, die Putin in die Hände spielt. Der Druck auf die ehemals von der Sowjetunion kontrollierten osteuropäischen Länder wird beibehalten und die Ukraine weiter isoliert. Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vereinbarungen über Nord Stream 1 aushandelte, später einen Posten bei der Nord Stream AG erhielt und heute ein prominentes Mitglied des Aufsichtsrats des russischen Ölkonzerns Rosneft ist, verweist auf die enge politische Verstrickung von Politik und Energiemarkt in Deutschland wie in Russland.

Nun, da sich das Zeitalter der fossilen Brennstoffe allmählich dem Ende nähert, kann die Welt viel von Deutschland lernen. Es ist eines der ersten Länder, das die Auswirkungen zu spüren bekommt, wenn ein Großteil des Stroms ohne Grenzkosten erzeugt wird und der Großhandelsmarkt für Strom als wichtigste wirtschaftliche Kraft der Branche an Bedeutung verliert. Am Beispiel von Deutschland kann sich zeigen, wie man ein Stromsystem verwaltet und steuert, das auf dezentraler Stromerzeugung basiert.

Direkt von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu wechseln, wirkt nicht unbedingt vernünftig. Doch direkt von Atomkraft und Gas zu Kohle zu wechseln, ist eine der schlechtesten Optionen. Kohle ist richtig schmutzig, und Gas kommt eigentlich eine wichtige Rolle als Übergangslösung zu. Bestehende Atomkraftwerke abzuschalten, mag angesichts Deutschlands Geschichte als Frontstaat im Kalten Krieg eine nachvollziehbare politische Entscheidung gewesen sein, doch für die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen ist es keine gute Strategie. Aufgrund der massiven Investitionen in die erste Generation der Solaranlagen ist Deutschland im Nachteil, wenn die nächste, deutlich bessere Generation der Solaranlagen zum Einsatz kommt. Das umfangreiche Programm zur Förderung der erneuerbaren Energien schafft keine Arbeitsplätze in Deutschland und bringt auch keinen Wettbewerbsvorteil für deutsche Unternehmen.

Neben der Stromerzeugung kann die übrige Welt noch auf anderen Gebieten von den Erfahrungen profitieren, die Deutschland macht, etwa bei der Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehr. Der große Dieselboom ist grandios gescheitert. Dieselfahrzeuge reduzieren zwar den CO2-Ausstoß im Vergleich zu Benzinern, doch sie stoßen jede Menge andere Schadstoffe aus, die die Luftqualität mindern. Jetzt kämpfen die deutschen Autobauer mit dem Dieselskandal, während sie sich gleichzeitig bemühen, beim Bau von Elektrofahrzeugen mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Das Problem dabei ist weniger die Frage, ob die deutsche Ingenieurskunst diese Aufgabe bewältigen wird, sondern ob der heimische Markt mit seinen hohen Strompreisen die nötige Unterstützung bieten kann.

Langfristig betrachtet kann Deutschland mit diesen Fehlern leben. Die Bevölkerung ist nach wie vor bereit, sehr hohe Preise zu bezahlen, außerdem hat das Land einen deutlich höheren Bestand an energiesparenden Gebäuden als andere Länder, was auch am Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg liegt. Und die deutsche Industrie ist geschützt, da sie nicht für die Kosten der Energiewende aufkommen muss.

Außerdem hat Deutschland trotz aller Kosten erhebliche Vorteile, wenn es um die Abkehr von fossilen Brennstoffen geht. In einer digitalen Zukunft der Roboter, des 3D-Drucks und der künstlichen Intelligenz tritt die Belastung durch hohe Lohnkosten in den Hintergrund. Roboter brauchen keinen Lohn, sie schlafen nicht und wollen auch keine Sozialleistungen. Die deutsche Industrie dürfte davon profitieren.

Mit der allmählichen Abkehr von den fossilen Brennstoffen werden die deutschen Elektrofahrzeuge und die digitale Wirtschaft eine gesicherte Stromversorgung zu einem wettbewerbsfähigen Preis benötigen. Die relative Nachfrage nach Strom wird steigen, und auch die absolute Nachfrage könnte zunehmen. Es stellt sich die Frage, woher all dieser Strom kommen soll.

Wenn Deutschland seine Emissionsziele einhalten will, wird es früher oder später den Kohleabbau einstellen und die Kohlekraftwerke abschalten. Doch wie sollen sie ersetzt werden, zumal alle Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 ebenfalls vom Netz gehen sollen?

Die gute Nachricht ist, dass die Kosten der erneuerbaren Energien erheblich sinken werden, ebenso die Kosten für Speichermöglichkeiten und die Nachfragesteuerung bei der Energie. Die zukünftigen erneuerbaren Energien werden deutlich günstiger sein als die, in die Deutschland so massiv investiert hat. Die schlechte Nachricht lautet, dass man noch viel mehr in die erneuerbaren Energien investieren muss, um die Schließung der Kohle- und Atomkraftwerke auszugleichen, die den Großteil des Stroms liefern. Vor allem muss massiv in die Netzwerke investiert werden. Die deutsche Öffentlichkeit hat sich angesichts der immer weiter steigenden Strompreise bisher bemerkenswert belastbar gezeigt; weniger gelassen reagiert sie allerdings auf den – für die Zukunft der erneuerbaren Energien unabdingbaren – Bau neuer Stromtrassen.

Der Verzicht auf fossile Brennstoffe erfordert eine neue Energiewende, die dieses Mal die Abkehr von der Kohle umfasst (anstelle ihrer verstärkten Nutzung). Sie muss auf realistischen Annahmen gründen anstatt auf dem Unsinn vom Peak Oil: Die Preise für fossile Brennstoffe werden langsam sinken. Anstelle der Großhandelsmärkte sind neue Marktformen nötig, die sich auf Kapazitätsverträge und Festpreise konzentrieren. Das ist die Ökonomie der Grenzkosten, die mehr und mehr gegen null gehen. Und so wie sich die zugrundeliegenden Kosten ändern, wird sich auch die Struktur der Branche und der Unternehmen ändern. Die großen, vertikal integrierten Energieunternehmen werden neuen Mitbewerbern weichen, darunter auch Unternehmen, die von der Informationstechnologie kommen.

Eine neue Energiewende ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit erforderlich. Trotz der politischen Verpflichtungen und der großen Reden seit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen 1992 werden die Schadstoffemissionen bislang nicht erfolgreich reduziert. Das Kyoto-Abkommen, an dem am Ende fast nur noch die europäischen Staaten beteiligt waren und auf das die deutsche Energiewende in Teilen zurückgeht, hat nicht funktioniert. Es konnte den stetigen Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht aufhalten, wie ich bereits in meinem früheren Buch The Carbon Crunch: How we are getting climate change wrong – and how to fix it (2014) dargelegt habe. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre liegt heute bei über 400 Parts per Million. Seit den ersten Bemühungen 1990 sind fast drei Jahrzehnte vergangen, und rückblickend kann man sich kaum eine effektvollere Möglichkeit vorstellen, Geld und Kapital so wirkungslos zu verschleudern. Ein »Weiter so« – eine Fortsetzung der bisherigen Energiewende – ist keine Option.

Es gibt keinen technischen Grund, warum man den Klimawandel nicht in den Griff bekommen könnte. Der Fortschritt kommt schnell und in gewaltigen Schritten. Neue Solarzellen können ein breiteres Lichtspektrum nutzen, es gibt neue Materialien wie Graphen, die Digitalisierung schreitet rapide voran und stellt einen weniger kostspieligen Übergang zu einer kohlenstoffarmen globalen Wirtschaft in Aussicht. Mein Buch erklärt, wie sich diese Energiezukunft entwickeln könnte. Es liegt an der Politik, das Potenzial dieser neuen Technologien auszuschöpfen, anstatt weiter auf fossile Brennstoffe zurückzugreifen, vor allem auf Kohle.

Dieter Helm, November 2017

Vorwort und Dank

Wenn Sie das lesen, liegt der Ölpreis vielleicht irgendwo zwischen 20 und 100 Dollar pro Barrel. Er könnte auch darüber oder darunter liegen. Und auch wenn es für Unternehmen, Händler und Kunden von großer Bedeutung ist, wird sich daraus nicht viel über den Preis in mittel- oder langfristiger Sicht ableiten lassen. Dass der Preis im Jahr 2008 bei 147 Dollar lag und Anfang 2016 bei 27 Dollar, besagt lediglich, dass er stark schwankt. Banker, Investoren und Regierungen mögen sich bei dem Ganzen die Finger verbrennen, aber die meisten werden ihre Wunden lecken und noch einmal davonkommen, falls die Preiseinbrüche seit Ende 2014 lediglich Ausreißer waren – und nur dann.

Wenn wir die Zukunft unserer Energieversorgung betrachten, ist die perspektivische Entwicklung entscheidend, nicht der Status Quo; egal, wie spektakulär dieser gerade sein mag. Bis Ende 2014 war man sich allgemein darüber einig, wohin sich die Preise entwickeln würden: immer weiter nach oben. Ganz normale, vernünftige Menschen redeten sich ein, dass die globalen Ölvorkommen zur Neige gehen würden, während die Nachfrage aufgrund der immer weiter wachsenden Volkswirtschaft Chinas und des Aufstiegs anderer Länder in Südostasien, Indien und Afrika praktisch unersättlich wäre. Ein begrenztes und schließlich sinkendes Angebot würde mit einer stets steigenden Nachfrage kollidieren, wodurch es zu einem ökonomischen Schock käme, neben dem die von der OPEC verursachten Ölkrisen in den 1970er-Jahren harmlos wirkten.

Wer das für übertrieben hält, muss nur genauer hinschauen; es lässt sich am Handeln der Unternehmen ablesen und ist eingebettet in die Energiepolitik weltweit, vor allem in Europa. Die Ölunternehmen haben eifrig neue Vorkommen erschlossen, bei denen die Kosten bis zu 100 Dollar pro Barrel oder noch mehr betragen. Sie liegen in der Arktis oder im Teersand Kanadas. Die Unternehmen investierten ihr Geld dort, wohin ihre Analysen sie geführt hatten.

Experten und Institute veröffentlichten Berichte und Bücher über Peak Oil, die These vom Ölfördermaximum, nach welcher die Ölproduktion unumkehrbar zurückgehen werde. Sie drängten auf Diversifizierung, um Kunden und Ökonomien vor den kommenden Preisschocks zu bewahren, und Webseiten zum Thema schossen wie Pilze aus dem Boden. Wer Mitte bis Ende der 2000er-Jahre gegen das Ölfördermaximum argumentierte, betrieb eine Art Randsportart und wurde verspottet. Das ging so weiter bis zum Kollaps des Ölpreises Ende 2014.

Umweltschützer und Politiker glaubten die Geschichte vom Peak Oil. Sie redeten viel über den bevorstehenden Ölschock, was den Lobbyisten der Kernenergie und der erneuerbaren Energien natürlich sehr entgegenkam. Diese seien zwar jetzt noch teuer, behaupteten sie, würden sich ab dem Jahr 2020 aber rechnen. Denn dann wären Öl – und vor allem Gas – deutlich teurer als die kohlenstoffarmen Alternativen. In Großbritannien wurde die Kernkraft als langfristiger Gewinner präsentiert. Und in Deutschland redete man sich ein, dass die Energiewende eine gute Strategie für die Industrie wäre, weil sie einen – auf erneuerbaren Energien basierenden – Wettbewerbsvorteil gegenüber den von fossilen Brennstoffen abhängigen USA brächte.

Unternehmen investierten hohe Summen in Projekte, die kaum Gewinn versprachen; Anleger kauften trotzdem Anteile; Banken gaben dafür Kredite; und Energiekunden wurden verpflichtet, umfangreiche Programme für erneuerbare Energien mitzufinanzieren, etwa für Windparks an Land und im Meer sowie die erste Generation der Solaranlagen. Es genügte, wenn ein Lobbyist mit einer Prognose für immer weiter steigende Preise um die Ecke kam.

Doch alles ist anders gekommen, zumindest kurzfristig betrachtet. Es kann sich natürlich wieder ändern, und vielleicht ist dieser Fall auch schon eingetreten, wenn Sie das lesen. Vielleicht aber auch nicht. In diesem Buch geht es nicht um kurzfristige Schwankungen. Es geht darum, warum man heute vernünftigerweise damit rechnen muss, dass die Preise für fossile Brennstoffe mittel- oder langfristig allmählich sinken werden. Es geht um den allmählichen Niedergang der Öl- und Gasindustrie und darum, wie sich dieser Wandel vollziehen wird.

Für viele Umweltschützer ist der Niedergang der fossilen Brennstoffe ein tröstlicher Gedanke und wird am Ende sogar das Problem der Erderwärmung »beheben«. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass dieser Wandel reibungslos vonstattengehen oder sich infolge von Kampagnen oder politischen Maßnahmen vollziehen wird. Am Ende werden die Brennstoffe überflüssig sein, und wir werden sie womöglich einfach im Boden lassen – aber das wird kaum die Folge von Boykotten, Demonstrationen und Kampagnen gegen »Fehlinvestitionen« sein.

Der Anflug von Realismus, der Ende 2014 auf den Märkten spürbar wurde, war für viele Unternehmen und Anleger unangenehm, vor allem im Bereich erneuerbare Energien, die nun mit den niedrigen Gaspreisen zu kämpfen hatten, und für Elektrofahrzeuge, die mit Benzin- und dieselgetriebenen Fahrzeugen konkurrieren mussten. Aber das ist nur der Anfang. In den großen ölfördernden Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien wird der sinkende Ölpreis das Überleben ihrer autokratischen Regimes und die Lebensgrundlage ihrer Bürger bedrohen. Für die USA und Europa hingegen wird die neue Energiewelt deutlich angenehmer.

Die fossilen Brennstoffe werden an Bedeutung verlieren. Das hat in erster Linie mit einer Verlangsamung des massiven Wirtschaftswachstums in Chinas tun, das für einen Großteil der gestiegenen Rohstoffpreise verantwortlich war; aber auch mit der Gewinnung von Schieferöl und anderen neuen Methoden zur Förderung fossiler Brennstoffe. Darüber hinaus stellen neue Technologien und die sich verändernden wirtschaftlichen Strukturen die Branche vor große Herausforderungen. Wir sprechen hier von Digitalisierung, Robotern, 3D-Druckern, künstlicher Intelligenz und der Anwendung von Kommunikationstechnologien auf die Infrastruktur. Und da in dem Zug fast alles elektrifiziert werden wird, geht es um Strom und darum, wie sich die Erzeugung von Strom sowie seine Übertragung, Verteilung und Nachfrage durch die sich entwickelnde neue Generation von Technologien, durch Elektrofahrzeuge, neue Speichermöglichkeiten, Batterien, eine dezentralisierte Stromerzeugung, durch intelligente Stromnetze, intelligente Stromzähler und Gateways in Haushalten und Unternehmen verändern werden.

Mit der Neuausrichtung der Wirtschaft verändert sich fast alles für die Ölproduzenten, aber auch für die Stromerzeuger: die Kosten, die Natur der Märkte, die Art des Wettbewerbs. Nur wenige der großen, etablierten Unternehmen können mittelfristig damit rechnen, diesen Wandel zu überleben – und wenn, dann nicht auf Dauer.

Erst in der Rückschau, vielleicht im Jahr 2050, werden Historiker diese Entwicklung und die mittel- bis langfristigen strukturellen Veränderungen klar nachzeichnen können. Vorhersagen lässt sie sich nicht genau. Mein Buch befasst sich mit den bis zu einem gewissen Grad vorhersehbaren Überraschungen, die auf uns zukommen, und mit den radikalen Veränderungen unserer Energiezukunft, die sie mit sich bringen. Doch dazu werden sicher neue Technologien kommen, die den Wandel noch weiter beschleunigen.

Ich selbst habe bereits einen außergewöhnlichen technologischen Wandel erlebt. Meine Doktorarbeit tippte ich auf einer Schreibmaschine von Olympia, die ich überall mit mir herumtrug, wie heute meinen Laptop, auf dem ich jetzt mein Buch geschrieben habe. Es gab keine Faxgeräte und keine Textverarbeitungsprogramme, kein Internet, keine E-Mails und kein Google, es gab weder Apple noch Amazon, ja noch nicht einmal Microsoft.

Im Energiesektor gibt es breiten Widerstand gegen die Vorstellung, dass die Zukunft ganz anders aussehen könnte – aber das war fast immer so. Die konventionelle Öl- und Gasgewinnung läuft heute noch fast genauso ab wie vor 50 Jahren. Ähnlich verhält es sich mit den Kohlekraftwerken und Atomreaktoren. Hochspannungsleitungen und -kabel haben sich kaum verändert. Wenn man diejenigen, die für Energieunternehmen arbeiten oder in der Energiepolitik tätig sind, bittet, ihre Vorstellungen von der Entwicklung der kommenden 30 Jahre aufzuschreiben, werden sich diese kaum von den heutigen unterscheiden – mit jeder Menge Öl, Gas und Kohle und einer allmählichen Steigerung bei den aktuellen erneuerbaren Energien.

2013 beschäftigte ich mich mit einem Kraftwerk, das übernommen werden sollte. Die Investoren gaben mehrere Prognosen zur Preisentwicklung in Auftrag, um herauszufinden, wie rentabel die Übernahme sein könnte. Sie ergaben genau das, was ich erwartet hatte – eine Übertragung der Vergangenheit auf die Zukunft. Außerdem entsprachen sie den Prognosen der britischen Regierung bei deren Überlegungen zur Erweiterung des Kernkraftwerks Hinkley Point und der Frage, wie viel britische Steuerzahler für die Energie bezahlen müssten, die das Kraftwerk in den kommenden 35 Jahren erzeugen würde. Auch die Hochrechnungen der Internationalen Energieagentur sahen ähnlich aus.

Doch mir erschien dieser Konsens falsch, und das war er auch. In keiner Prognose wurde auch nur in Betracht gezogen, dass die Zukunft ganz anders aussehen könnte. Auch wenn Anleger und Unternehmen gern einen konkreten Basisfall haben, von dem sie ausgehen können, geht es bei der Modellierung von Energiesystemen nicht um die Prognose einzelner Aspekte. Ein gutes Modell analysiert, wie sich markante Veränderungen auf Märkte und Unternehmen auswirken und wie die Reaktionen und Kausalketten aussehen. Es befasst sich mehr mit der Überlegung »Was wäre wenn« als mit der Frage »wie wird es sein«.

Man benötigt für eine solche Analyse einen Gesamtzusammenhang, und dieser erfordert weit mehr als Daten. Der Schlüssel liegt in den richtigen Fragen – nach den weiteren ökonomischen Faktoren und danach, wie Technologien die Natur der Kosten und damit die Beschaffenheit der Märkte verändern. Und beim Thema Energie geht es auch um Politik, Regierungen und sogar Kriege. Diesem Buch liegen folgende Fragen zugrunde: Was passiert, wenn die Preise für fossile Brennstoffe mittel- bis langfristig sinken sollten anstatt zu steigen? Wer würde gewinnen, wer verlieren? Die Antworten sind oft überraschend – selbst wenn sie vorhersehbar sind.

Jede einzelne Frage könnte und wird wahrscheinlich noch im Mittelpunkt von Artikeln und Büchern stehen. Doch ich habe hier einen anderen Ansatz gewählt. Diese Fragen sind wichtig, um zu verstehen, was das 21. Jahrhundert für uns bereithält und wie unsere Energiezukunft aussehen wird. Ich habe für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen eine allgemeinere Vorgehensweise gewählt – um zu verdeutlichen, wie sich die Antworten in ein Gesamtbild einfügen, das nicht nur für Energiespezialisten nachvollziehbar ist, sondern auch für ein breiteres Publikum, das sich für globale politische und ökonomische Zusammenhänge interessiert. Die Verallgemeinerung wird Experten zweifellos vor den Kopf stoßen, doch dann haben sie nicht verstanden, worum es mir geht: Ich möchte, dass meine Leser in langfristigen Zeiträumen und Gesamtzusammenhängen denken. Daher habe ich auch auf langatmige Quellenangaben und Anmerkungen verzichtet und mich auf wenige Erklärungen und Links zu Materialien beschränkt, mit denen sich die Leser vielleicht näher beschäftigen wollen.

Je breiter ein Buch angelegt ist, desto mehr Themen fließen darin ein und desto mehr hat man anderen zu verdanken, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Eine mittel- und langfristige Perspektive und der Blick über verschiedene Energiebranchen hinweg erfordern diesen allgemeinen Ansatz, und entsprechend gibt es viele Menschen, die mir in den letzten Jahrzehnten geholfen haben, mich beeinflusst und mit mir diskutiert haben.

An erster Stelle sind hier meine Akademikerkollegen zu nennen, die – frei von wirtschaftlichen Interessen – einen unabhängigen Standpunkt im Sinne des Allgemeinwohls einnehmen. Cameron Hepburn ist der beste Experte zu Klimawandel und Klimapolitik, den ich kenne, und seit vielen Jahren ein guter Freund. Sein Einfluss zieht sich durch das ganze Buch, obwohl er natürlich nicht für mögliche Fehler verantwortlich ist und auch nicht notwendigerweise die gleiche Meinung wie ich vertritt. Wir planten einmal, gemeinsam einen Artikel über »vorhersehbare Überraschungen« zu schreiben, und mein Buch ist nun der Beitrag, den ich zu diesem gemeinsamen Unterfangen geleistet hätte. Colin Mayer hat immer wieder mit meiner Arbeit zu tun gehabt, seit wir beide Anfang der 1980er unsere ersten Schritte in der akademischen Welt taten. Er hat mich in vielerlei Hinsicht beeinflusst. In Oxford stand mir Chris Llewellyn Smith mit wissenschaftlichem Rat zur Seite, ebenso Myles Allen. Alex Teytelboyms Kommentare und Kritik waren von unschätzbarem Wert. Malcolm McCulloch hat mich beim Kapitel über neue Technologien unterstützt und mich unter anderem mit sehr nützlichen Daten zur Photovoltaik versorgt. Matthew Bell hat das Kapitel über Emissionen für mich durchgesehen und kommentiert, Edward Lucas das Kapitel über Russland. Ihnen allen gebührt mein Dank.

Cameron und Colin haben zusammen mit mir Aurora Energy Research gegründet und entwickelt, außerdem beteiligt waren John Hood, Rick van der Ploeg und John Feddersen. John und Ben Irons haben mein Denken über viele Aspekte der Energiemärkte verändert. Dank gebührt auch Manuel Kohler, Florian Habermacher und Mateusz Wronski. Andreas Löschels Kenntnisse über den deutschen Energiemarkt waren außerordentlich wertvoll. Von allen Genannten habe ich viel gelernt.

In akademischen Kreisen und anderswo ist es zwar üblich, den Beitrag der Manager der großen Energieunternehmen unter den Tisch fallen zu lassen, doch das ist ein schwerer Fehler. Ihre Entscheidungen spielen eine große Rolle – sie müssen überlegen, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Ich habe das Privileg, viele dieser Manager zu kennen und aus der Nähe zu beobachten, wie sie sowohl die wirtschaftliche wie die politische Seite ihrer Aufgabe handhaben. Einigen von ihnen möchte ich besonders danken: John Browne von BP, Ed Wallis von PowerGen, David Varney von British Gas, Sam Laidlaw von Centrica, Iain Conn von BP und mittlerweile Centrica, Vincent de Rivaz von EDF, Keith Anderson von Scottish Power, Johannes Teyssen von E.ON, Peter Voser und jetzt Ben van Beurden von Shell sowie Helge Lund und heute Eldar Saetre von Statoil, Charles Berry, mittlerweile bei der Weir Group, Andrew Duff, jetzt bei Severn Trent, und Steven Holliday und John Pettigrew bei National Grid. Mein besonderer Dank gilt außerdem Chris Anastasi, Edward Beckley, Richard Abel, Gordon Parsons, Neil Angell, Richard Clay, Tom Crotty, James Flannagan, Janine Freeman, Angela Hepworth, Matthew Knight, Andrew Mennear, John Moriarty, Cordi O’Hara, Peter O’Shea, Nick Park, Tom Restrick, Martin Stanley, Mark Shorrock, Lars Sorensen, Rupert Steele, Sara Vaughan und Jens Wolf.

Im Lauf der Jahre habe ich mit vielen Ministern und Verantwortungsträgern im Energiesektor zusammengearbeitet. 2011 war ich Berater für Günther Oettinger von der Europäischen Kommission und arbeitete am Rahmen für die Klima- und Energiepolitik 2030 mit, wobei ich viele hervorragende Mitarbeiter der Kommission kennenlernte. Zwei möchte ich besonders hervorheben: Jos Delbecke und Peter Vis. Peter half mir sehr mit seinen detaillierten Kommentaren zum Kapitel über Europa. In Großbritannien kenne ich jeden Energieminister seit 1979 und auch die meisten ihrer Gegenstücke im Schattenkabinett der Opposition. Dazu zählen: David Howell, Nigel Lawson, Peter Walker, Cecil Parkinson, Tim Eggar, Michael Heseltine, Tony Blair, John Prescott, Margaret Beckett, Patricia Hewitt, John Hutton, Chris Huhne, Edward Davey und Amber Rudd. Seit den frühen 1980er-Jahren hat es praktisch jedes Jahr einen neuen Minister gegeben, und auch im Schattenkabinett gab es entsprechende Umbesetzungen. Was die aktuellen Sonderberater betrifft, hier habe ich besonders von den Gesprächen mit Guy Newey, Stephen Heidari-Robinson und Josh Buckland profitiert.

2017 führte ich für die britische Regierung eine Überprüfung der Energiekosten in Großbritannien durch und entwickelte dabei die Themen für dieses Buch, vor allem im Hinblick auf die Gestaltung der Strommärkte. Jeremy Allen vom Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie leitete das Team, das mich bei meiner Arbeit unterstützte.

Daniel Russo arbeitete das gesamte Manuskript durch und half mir mit vielen nützlichen Hinweisen und treffsicherer Kritik und unterstützte mich bei den Abbildungen. Mit seiner klugen und praktischen Art hatte er großen Einfluss auf das Buch. Frühere Unterstützung bei der Recherche erhielt ich von Nevena Vlaykova.

Bei der abschließenden Arbeit am Buch waren Jenny Wand und Kerry Hughes eine große Hilfe, und Taiba Batool von Yale University Press betreute das Projekt bis zur Fertigstellung.

All den genannten Menschen bin ich zu Dank verpflichtet, und wie jeder Autor weiß, muss sich die Familie damit arrangieren, dass ein Buch den Autor komplett in Beschlag nimmt. Mein Dank geht wie immer an Sue, Oliver und Laura für ihre Geduld.

Einleitung

Werfen wir einen Blick ins Jahr 2050 – also fast 35 Jahre in die Zukunft. Wie wird die Welt dann aussehen? Wie wird die Technologie unser Leben verändert haben? Werden wir in einer Welt der Roboter und künstlichen Intelligenz (AI) leben? Mit neuen Materialien wie Graphen, Kernfusion und Elektrofahrzeugen? Und jetzt springen wir zurück, ins Jahr 1980 – in eine Welt der Schreibmaschinen und Festnetztelefone. Es gibt kein Internet, keine Apps, keine Mobiltelefone, keine Laptops, noch nicht einmal Textverarbeitungsprogramme (wie wir sie heute kennen) oder Faxgeräte.

Im Energiesektor ist es wichtig, so weite Zeithorizonte ins Auge zu fassen. Unsere zukünftige Welt wird sehr viel Energie benötigen, das können wir mit Sicherheit sagen. Wir können auch sicher davon ausgehen, dass viele Entscheidungen, die wir heute in dem Bereich treffen, für die Welt von morgen prägend sein werden. Viele Kraftwerke des heutigen Energienetzes existierten auch schon 1980 oder waren geplant. Das jüngste Kohlekraftwerk in Großbritannien ging 1974 ans Netz. Auch bei der Energieübertragung hat sich nicht viel getan, ebenso wenig bei den Kernkraftwerken.

Was unsere derzeitigen Energiesysteme wesentlich ausmacht, wird in 35 Jahren nicht verschwunden sein: Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke, Verbrennungsmotoren, die Erdölexploration, große Öl- und Gasförderanlagen, die OPEC (Organisation erdölexportierender Länder), die Dominanz der arabischen Staaten und Russlands riesige Reserven. Manches hat sich bereits verändert, etwa die Anteile der fossilen Brennstoffe im Energiemix. Am eindrucksvollsten ist der Siegeszug von Gas: Gaskraftwerke konkurrieren bei den Marktanteilen heute direkt mit Kohlekraftwerken, dazu kommen Schiefergas und -öl sowie große Fortschritte bei der Gewinnung der fossilen Brennstoffe. Windkraft- und Solaranlagen, Energiepflanzen zur Gewinnung von Bio-Ethanol sowie Biomasse sind alle »neu«, jedoch noch ohne großen Einfluss. Denn trotz alledem ist die Welt heute mehr auf Kohle angewiesen als 1980, und Erdöl dominiert nach wie vor das Transportwesen. Die wichtigsten Lieferanten fossiler Brennstoffe haben die Welt unter sich aufgeteilt: Die USA, Saudi-Arabien und Russland produzieren jeweils über 10 Millionen Barrel am Tag (mbd: million barrels per day). Dazu kommen die übrigen OPEC-Mitglieder und ihre wichtigsten Kunden: China, Europa, Japan und wieder die USA – und der ganze Rest. Mit Ausnahme der USA handelt es sich bei den ölproduzierenden Ländern um autoritäre Staaten, deren Einfluss (und Reichtum) mit zunehmender Nachfrage weiter steigen wird. Die Verbraucherländer müssten dann weiter betteln, die Augen verschließen oder sogar in den betreffenden Staaten einmarschieren, wenn ihre Volkswirtschaften aufgrund der steigenden Energiekosten ins Schlingern geraten. Es ist bemerkenswert, wie wenig sich in den vergangenen 35 Jahren an der Energiefront verändert hat. Tatsächlich reichen viele Verwerfungslinien bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts oder sogar noch weiter zurück, bis zu den Ursprüngen der Ölindustrie in Russland und in den USA.

Die Unternehmen spiegeln diese Stabilität. Die langsame Erosion der Marktanteile großer privater Ölunternehmen zugunsten der immer mächtiger werdenden Konkurrenten in staatlicher Hand begann bereits in den 1970er-Jahren und zeigte in den 1980er-Jahren allmählich Wirkung. Heute befindet sich die Ölindustrie weitgehend in der Hand von Unternehmen wie Saudi Aramco, der National Iranian Oil Company, Kuwait Petroleum Corporation, Pemex und Rosneft, sowie chinesischer Unternehmen wie PetroChina. Selbst in den demokratischen Staaten sind Unternehmen wie Statoil größtenteils in Staatsbesitz. Über 90 Prozent der globalen Reserven sind in staatlicher Hand, Firmen wie Exxon, Chevron, Shell und BP wurden an den Rand gedrängt.

Wenn der Blick zurück ein derart kontinuierliches Bild ergibt, ist es kein Wunder, dass die Zukunft als Fortsetzung der von fossilen Brennstoffen geprägten Vergangenheit gesehen wird, mit der zentralen Rolle von Öl im Transportwesen und der Petrochemie, und der von Kohle bei der Stromgewinnung und in der Industrie. Die fossilen Energieträger ermöglichten die Industrialisierung. Mit ihr entstand eine Welt, die heute 7 Milliarden Menschen versorgt, im Vergleich zu weniger als 2 Milliarden im Jahr 1900. Fossile Brennstoffe haben uns von den Einschränkungen der Handarbeit und von den Pferdestärken (im wörtlichen Sinn) befreit, indem sie uns die enormen Kapazitäten ihrer gespeicherten Energie eröffneten. Erst die fossilen Brennstoffe ermöglichten das 20. Jahrhundert.

Die Versuchung, von dieser Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen und 2050 als eine abgewandelte Version von heute zu betrachten, ist geradezu überwältigend – die aktuellen Energieszenarien der großen Unternehmen belegen es. Auch wenn viel Wirbel gemacht wird um die Herausforderungen der Zukunft, vor allem um die Dekarbonisierung, weisen Exxon, BP, Shell und Statoil nach wie vor Öl, Gas und Kohle wichtige Rollen im Energiemix der kommenden 50 Jahre zu. Die Internationale Energieagentur (IEA) vertritt eine ähnliche Haltung. Den Prognosen für die Verwendung von Kohle in Kraftwerken nach ist ihr Anteil am Primärenergiebedarf, der zwischen 1990 und 2013 von 25 auf 29 Prozent stieg, zwar kritisch zu betrachten, jedoch werde sie auch in den kommenden 50 Jahren der dominierende Energielieferant bei der Stromerzeugung bleiben. Öl spielt in diesen Prognosen weiterhin eine zentrale Rolle im Transportwesen, und Gas wird einen größeren Teil der Nachfrage in der Petrochemie abdecken sowie Heizenergie liefern.

Das steht in deutlichem Widerspruch zu dem, was nötig wäre, um aktiv etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen und das Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 umzusetzen. Zur Erinnerung: Man hat sich zum Ziel gesetzt, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Tatsächlich zeigen aktuelle Studien, dass die globale Stromindustrie bei ihrer Infrastrukturplanung bereits eine Erwärmung um 2 Grad Celsius eingeplant hat.[1] Wenn das Ziel erreicht werden soll, können keine weiteren auf CO2 basierenden Investitionen mehr getätigt werden. Somit besteht ein grundlegender Konflikt zwischen den Annahmen der Wirtschaft, die nach dem Motto »alles wie gehabt« verfährt, und dem Schicksal unseres Planeten. Dabei steht sehr viel auf dem Spiel.

Obwohl uns die Wissenschaft eindringlich vor den negativen Auswirkungen eines globalen Temperaturanstiegs um mehr als 1,5 oder 2 Grad Celsius warnt, scheint die Welt den Kopf in den Sand zu stecken und sich an die Prognosen der staatlichen Einrichtungen und der Unternehmen zu klammern. Seit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen 1992 ist ein Vierteljahrhundert vergangen, doch trotz wiederholter »Verpflichtungen«, »Zielvorgaben« und »globaler Übereinkommen« sind die Emissionen (und auch die Menge des vorhandenen Kohlendioxids in der Atmosphäre, zu dem sie beitragen) immer weiter gestiegen. Allein Wirtschaftskrisen und die Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums sorgten – vorübergehend – für einen nennenswerten Rückgang beim Schadstoffausstoß. Alternativen wie die derzeitigen Solaranlagen, Windparks und Biokraftstoffe haben, abgesehen davon, dass sie die Strompreise in die Höhe getrieben und den Wettbewerb verzerrt haben, kaum etwas bewirkt. Leider muss man sagen, dass sie auch nie etwas ausrichten werden. Es gibt einfach nicht genug Agrarland für Energiepflanzen, zu wenig geeignete Standorte für Windanlagen zu Land oder in seichtem Wasser und zu wenig Dächer für konventionelle Solarmodule, als dass diese nicht kontinuierlich liefernden Energiequellen mit ihrer geringen Leistung wesentlich Wirkung zeigen könnten, es sei denn auf lokaler Ebene.

Sind wir also dazu verdammt, das 20. Jahrhundert im 21. Jahrhundert zu wiederholen? Wird es wie gehabt weitergehen mit Windparks, Solaranlagen und dem massiv subventionierten Anbau von Mais und Raps? Sollen wir uns abfinden mit dem Chaos und dem Blutvergießen im Nahen Osten und womöglich ewig die Geiseln reicher autokratischer Ölstaaten bleiben? Müssen die Europäer vor Präsident Putin und seinen Nachfolgern in die Knie gehen, in tiefer Dankbarkeit für die russischen Gaslieferungen? Muss China eine Hochseeflotte aufbauen, um seine Versorgungsroute durch die Straße von Hormuz zu sichern, und sollten wir anfangen, Dämme zu errichten, um uns vor den unvermeidlichen Folgen des Klimawandels zu schützen?

Diese Fragen lassen sich nicht mit Gewissheit beantworten. Doch die Zukunft ist nicht nur düster. Die Fakten, auf denen die gängige Meinung dazu beruht, sind wesentlich weniger stichhaltig, als die Ölproduzenten und die großen Ölfirmen uns glauben machen. Denn dieses Mal könnte alles ganz anders kommen. Der Grund dafür sind drei große »vorhersehbare Überraschungen«, die ihre – und unsere – Welt wirtschaftlich und geopolitisch verändern werden. Um die Hintergründe dieser vorhersehbaren Überraschungen und die Konsequenzen, die sie im Detail für die Entwicklung des Energiesektors und seine derzeitigen und mögliche künftige Akteure haben werden, geht es in diesem Buch.

Endnote

[1] Siehe Pfeiffer, A., Millar, R., Hepburn, C. und Beinhocker, E., »The ›2°C Capital Stock‹ for Electricity Generation: Cumulative Committed Carbon Emissions and Climate Change«, in: Applied Energy 179, 2016.

Teil 1Vorhersehbare Überraschungen

Wie der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und den angeblich in Saddam Husseins Besitz befindlichen Massenvernichtungswaffen einst erklärte, gibt es das »bekannte Bekannte«, das »bekannte Unbekannte« und das »unbekannte Unbekannte«.[2] Gemeint sind bestehende Tatsachen, Überraschungen, die vorherzusehen sind, und echte Überraschungen. In meinem Buch geht es in erster Linie um das bekannte Unbekannte, die vorhersehbaren Überraschungen.

Es handelt sich dabei um Ereignisse, von denen wir erwarten können, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach eintreten. Es kann natürlich anders kommen: Vorhersagen sind nur Vorhersagen, keine Tatsachen. Dennoch sind sie der Ausgangspunkt, um über die Zukunft der Energie nachzudenken und über die Frage, welche Auswirkungen diese Zukunft auf die erdölproduzierenden Länder, auf Unternehmen und Verbraucher haben wird. Vorhersehbare Überraschungen sollten in Unternehmensstrategien und in energiepolitische Maßnahmen einfließen.

Es gibt viele solche vorhersehbare Überraschungen. Die Herausforderung besteht darin, darunter diejenigen zu erkennen, die den gesamten Energiesektor und damit die Unternehmenslandschaft und die Geopolitik beeinflussen werden.

Unter den möglichen Kandidaten ragen drei heraus. Da wäre zum einen das Ende des »Rohstoffsuperzyklus«, eines massiven Preisanstiegs bei den Rohstoffen im vergangenen Jahrzehnt, der in erster Linie durch den Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht entstand. Mit dem Ende dieses Superzyklus herrschen wieder »normale« Preise, und mittel- und langfristig könnten die Ölpreise sogar sinken. Die zweite vorhersehbare Überraschung ist die Begrenzung der CO2-Emissionen: Die Agenda zur Bekämpfung des Klimawandels und deren wissenschaftliche Unterstützer werden dafür sorgen, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe immer stärker eingeschränkt wird. Zu diesen beiden vorhersehbaren Überraschungen kommt verstärkend eine dritte: das Aufkommen neuer Technologien. Jede der drei Entwicklungen für sich genommen würde reichen, um einen Bruch mit der Vergangenheit auszulösen. Zusammen werden sie zu einem radikalen Wandel führen, der das allmähliche Ende der fossilen Brennstoffe beinhaltet.

In den folgenden drei Kapiteln geht es um jeweils eine dieser Entwicklungen. Teil 2 behandelt die Auswirkungen für die wichtigsten Produzenten fossiler Brennstoffe und für die Verbraucher, Teil 3 die Unternehmen.

Kapitel 1: Das Ende des Rohstoffsuperzyklus

Die erste vorhersehbare Überraschung ist bereits eingetroffen: das Ende des Rohstoffsuperzyklus und, im Zusammenhang damit, einbrechende Preise für Öl, Kohle und Gas seit Ende 2014. Obwohl dieser Einbruch vorherzusehen war, hat er viele überrascht. Wie es weitergeht, hängt nun davon ab, ob wir verstehen, wie es überhaupt zum Superzyklus kam und was sein Ende ausgelöst hat. Daran entscheidet sich die künftige Entwicklung der Rohstoffpreise.

Wer glaubt, die niedrigen Preise in den Jahren 2015 und 2016 seien Ausreißer gewesen und der Zyklus werde bald wieder volle Fahrt aufnehmen, klammert sich an das Prinzip der Kontinuität: an die Vorstellung, dass die OPEC und Russland so weitermachen werden wie bisher. In dem Fall wäre der Preiseinbruch eine vorübergehende Phase – schmerzhaft zwar, aber nicht von Dauer. Sobald die Produzenten mit dem höchsten Kostenaufwand vom Markt gedrängt sind, so die Theorie, wird es wieder weitergehen wie bisher: Die niedrigen Preise werden Wirkung zeigen, das Angebot wird sinken und die Nachfrage steigen.

Für diejenigen, die hier grundlegende wirtschaftliche Kräfte am Werk sehen, die das Sinken der Preise so verstärken könnten, dass sie auch mittel- bis langfristig zurückgehen werden, ist der Preisverfall nur der Auftakt eines langen Dramas, das die Energiemärkte von Grund auf verändern, die Macht der Ölproduzenten untergraben und das Wesen der Unternehmen verändern wird. Auch Angebot und Nachfrage werden in diesem Drama ihre Wirkung entfalten. Kurzfristig werden die Preise bis 2020 vielleicht wieder steigen, doch nicht auf mittlere oder lange Sicht.

Rohstoffzyklen sind nicht neu

Dass Anleger, Unternehmensführer und Politiker auf die Dauerhaftigkeit bestimmter Rohstoffsuperzyklen vertrauen, zeigt ein weiteres Mal, wie leichtgläubig sie sind. Nicht nur im Energiesektor ist man anfällig für die verführerische Idee, aus »besonderen Gründen« könnten sich die Preise nur in eine Richtung bewegen. Schon beim als »Südseeschwindel« bekannten Börsenboom im Jahr 1720, beim holländischen Tulpenfieber (1800), im Vorfeld des New Yorker Börsencrashs (1929) und in jüngerer Zeit bei der Hypothekenkrise (2007/2008) klammerten sich die Anleger an solche besonderen Gründe. Der Mensch ist wohl einfach von Natur aus gutgläubig.

Bei all diesen Spekulationsblasen glaubte man, die Gesetze der Ökonomie ließen sich außer Kraft setzen. Doch Rohstoffpreise bilden keine Ausnahme von der Regel. Sie sind zwar nicht immer wirtschaftlich (im Fall von Öl sogar eher selten), doch Angebot und Nachfrage müssen sich die Waage halten; ein bisschen wie bei der doppelten Buchführung. Auf jeden Verkäufer muss ein Käufer kommen. Jemand muss bezahlen – und dazu bereit und in der Lage sein, wenn das Geschäft zustande kommen soll. Wenn der Preis steigt, sinkt die Nachfrage und das Angebot erhöht sich. Und wenn der Preisanstieg anhält, kurbelt das technische Innovationen an. So funktioniert Ökonomie.

Genau das hat sich im Energiesektor abgespielt. Aus diesem Grund hat sich der Ölpreis Ende 2014 halbiert und ist 2015 noch tiefer gesunken. Es handelte sich dabei um eine sehr gut vorhersehbare Überraschung. Einfache ökonomische Weisheiten wie diese erklären die meisten Vorgänge auf den Energiemärkten in den vergangenen Jahrzehnten bzw. im letzten halben Jahrhundert. Dennoch sind sie den meisten Politikern und vielen Spitzenmanagern entgangen.

Bereits ein kurzer Blick auf die prognostizierte Entwicklung des Ölpreises im Vorfeld des Preiseinbruchs von 2014 ist ernüchternd. Bei Goldman Sachs rechnete man mit 200 Dollar pro Barrel.[3] Im Rückblick sind die Konjunkturausblicke, die alle großen Unternehmen damals veröffentlichten, peinlich zu lesen. Jedoch, und das ist entscheidend, die Führungsetagen glaubten an das, was darin verkündet wurde, und tätigten aufgrund dieser Prognosen Investitionen in Milliardenhöhe, von Teersanden in Alberta bis zu Ölbohrungen in der Arktis. Die Analysten unterstützten sie darin. Nur vier Monate vor dem Preiseinbruch fasste James Hamilton, Wirtschaftswissenschaftler und führender Experte für den Ölmarkt, eine Analyse zur Frage, warum die Preise oben bleiben würden, so zusammen: »Meine Schlussfolgerung lautet, dass mit dauerhaft 100 Dollar pro Barrel zu rechnen ist.«[4] Vielleicht waren die Politiker einfach naiv, als sie von einer positiven Entwicklung des Ölpreises ausgingen, obwohl sie doch kaum etwas davon verstanden. Insbesondere europäische Politiker vertrauten leichtgläubig auf einen weiteren Preisanstieg und dass er die so begeistert subventionierten erneuerbaren Energien bereits im Jahr 2020 rentabel machen würde.[5]

Für viele in der Energiebranche ist die Internationale Energieagentur (IEA) der Maßstab schlechthin, wenn es um Analysen und Prognosen zukünftiger Entwicklungen geht. Sie bestimmt die Schlagzeilen, und wenn sie sich zum Energiemarkt äußert, wird das weltweit zitiert. Man könnte also eine entsprechende Trefferquote bei ihren Prognosen erwarten. Aber nein: Ihre Bilanz ist verheerend. Sie gab die Richtung vor, als es hieß, dass die Preise immer weiter steigen würden. Das Gleiche war passiert, als sie nach der Iranischen Revolution 1979 von immer höheren Preisen ausging. Tatsächlich sind die Prognosen der IEA (oder »Vorausberechnungen«, wie sie die IEA selbst nennt) so schlecht, dass man seit den 1970er-Jahren besser beraten ist, wenn man einfach den aktuellen Preis hochrechnet, anstatt auf das Fachwissen der IEA zu vertrauen.[6]

Meine Kollegen bei Aurora Energy Research haben die Bilanz der IEA analysiert. Abbildung 1.1 zeigt den tatsächlichen Ölpreis und die Vorhersagen (Vorausberechnungen) der IEA zu verschiedenen Zeitpunkten seit Anfang der 1980er-Jahre. Abgesehen vom Ausmaß der Prognosefehler zeigt sich dabei vor allem, dass die IEA die Preiseinbrüche Mitte der 1980er oder in den Jahren 2014/2015 nicht vorhersagte. (Auch die Preisanstiege Ende der 2000er-Jahre wurden nicht von ihr prognostiziert.) Die Prognosen der anderen weltweit anerkannten Energiebehörde, der amerikanischen Energy Information Administration (EIA), sind nicht viel besser.

Abbildung 1.1: Prognosen für Rohölpreise im Vergleich zu den tatsächlichen Preisen, 1983–2015, Preis pro Barrel

Quellen: Aurora Energy Research, »Predictable Surprises: Lessons from 30 Years of Energy Sector Forecasts«, 2013, mit Daten der IEA, World Energy Outlook, 1982, 1993, 2000, 2006, 2010, 2012,

© OECD/International Energy Agency, World Energy Outlook, IEA Publishing

Die Fehler sind zu gravierend, um zufällige Ausrutscher zu sein. Was hier passiert, ist vielmehr grundsätzlicher Natur. Mit ihrer Aufwärtstendenz bei den Preisen verbreitet die IEA asymmetrische Informationen, und das ist vermutlich kein Zufall; in einer Welt der Preisschocks und damit verbundener Sorgen um die Sicherheit lassen sich ihre Rolle und ihr Budget besser rechtfertigen. Doch das hat Unternehmen und Regierungen nicht davon abgehalten, die IEA ausgesprochen ernst zu nehmen.

Beim Abgleich ihrer Prognosen mit den aktuellen Daten zeigt sich, dass der gegenwärtige Preisrückgang nicht erwartet wurde. Tatsächlich sagte die IEA an jedem Punkt der Preisentwicklung, an dem der Preis in Wirklichkeit sank, eine Erholung voraus. Die Negativentwicklung wäre nur vorübergehend, dann würde sich alles regeln und der Preis zu seinem »normalen« Stand zurückkehren, hieß es. Ob die Ölproduzenten und -unternehmen (und viele Analysten) der IEA glaubten oder eigene Modelle nach den gleichen Berechnungsgrundlagen erstellten: Sie folgten dem Beispiel der Energieagentur und versäumten es durchweg, die Preiseinbrüche vorherzusehen.

Abbildung 1.2: Prognosen für den Rohölpreis im Vergleich zum tatsächlichen Preis, 2010–2020, pro Barrel

* Durchschnittlicher Preis für die Sorte Brent, Stand Mai 2016.

Quellen: Aurora Energy Research, »Predictable Surprises: Lessons from 30 Years of Energy Sector Forecasts«, 2013, mit Daten der IEA, World Energy Outlook, 2013, 2014, 2014 © OECD/International Energy Agency, World Energy Outlook, IEA Publishing

An den Warenterminmärkten sah es nicht besser aus. Dort werden Wunschvorstellungen in die Tat umgesetzt. Abbildung 1.3 zeigt, dass die Terminmärkte an jedem Punkt seit Ende 2014, an dem ein Preisverfall einsetzte, von einer schnellen Erholung ausgingen. Im Januar 2016 rechneten sie mit einem Preis von 40 Dollar im Jahr 2020. Seitdem sind die Preise stark auf und ab gesprungen.

Abbildung 1.3: Auf dem Warenterminmarkt gehandelte Rohölpreise im Vergleich zu den tatsächlichen Preisen

Quelle: Aurora Energy Research, mit Daten von Thomson Reuters

In den kommenden Jahren kann alles Mögliche passieren. Der Preisverfall seit Ende 2014 hat gezeigt, dass die Märkte kurzfristig stark schwankungsanfällig sind und schon kleine Veränderungen bei Angebot und Nachfrage starke Ausschläge beim Preis bewirken können. Es ist nicht verwunderlich, dass der Markt nach einem derartigen Preisschock oszilliert, bis er zu einem neuen Gleichgewicht gefunden hat. Jeder Fetzen Information bekommt Gewicht, von chinesischen Produktionszahlen über Äußerungen der amerikanischen Notenbank zum Leitzins bis zu Treffen zwischen Saudis und Russen; im Chaos der Märkte scheint alles ein wichtiger Anhaltspunkt. Doch man sollte diese Schwankungen ignorieren und am besten auch die täglichen Meldungen gar nicht lesen. Unsere Energiezukunft beruht nicht auf kurzfristigem Geschehen. Ob der Preis im nächsten Jahr deutlich steigen oder weiter fallen wird, sagt so gut wie nichts über die mittel- und langfristige Entwicklung aus.

Auf lange Sicht

Ein Blick in die Geschichte ist da schon hilfreicher. Zwar hat der Mensch schon immer Öl und Teer genutzt, doch die Ölindustrie, wie wir sie heute kennen, ist gerade einmal 150 Jahre alt. Die Entwicklung eines Verfahrens zur Gewinnung von Kerosin, ursprünglich zum Zweck der Beleuchtung, begann zeitgleich in Baku (damals im russischen Zarenreich, heute die Hauptstadt von Aserbaidschan) und in Pennsylvania. Mit der Erfindung des Verbrennungsmotors fanden die neuen Technologien zur Raffination von Rohöl rasch Verbreitung.[7]

Im Rückblick ist kaum vorstellbar, wie gering damals das große Potenzial von Öl eingeschätzt wurde, und dasselbe gilt für die Rohstoffvorräte. Seitdem wurde in fast jedem Jahrzehnt vorhergesagt, dass die Vorkommen bald erschöpft seien, und doch hielt das Angebot während des gesamten 20. Jahrhunderts mit der rapide wachsenden Nachfrage Schritt. Auch die Prognose, dass der Preis immer weiter steigen würde, ist nicht neu, obwohl die Realität immer wieder das Gegenteil bewies.

Die häufig verwendete Grafik von BP in Abbildung 1.4 zeigt die Entwicklung des Ölpreises von den 1860er-Jahren bis heute – und diese ist bemerkenswert. Trotz zweier Weltkriege, einer ungeheuren wirtschaftlichen Entwicklung, beispielloser wachsender Weltbevölkerung und großer Umbrüche in Industrie und Verkehr blieb der reale Preis von 1880 bis 1970 ziemlich konstant. Tatsächlich geht der allgemeine Trend sogar leicht nach unten: Im Verlauf dieser knapp 100 Jahre sank der Preis. Als Reaktion auf die immer weiter wachsende Nachfrage vergrößerte sich das Angebot, und technische Neuerungen senkten Schritt für Schritt die Kosten. Die Geschichte der Ölindustrie ist vor allem eine Geschichte davon, wie das Angebot auf die Nachfrage reagiert. Die ergänzte gestrichelte Linie im Schaubild steht für den historischen Durchschnitt, berechnet in Bezug auf die gesamte Periode. Auf lange Sicht betrachtet, können wir diesen als »Normalpreis« betrachten.

Abbildung 1.4: Rohölpreis 1861–2016

Quelle: BP, »Statistical Review of World Energy 2015«, 64. Aufl., Juni 2015, bp.com/statistical review (Historischer Durchschnitt ergänzt)

Nach den ersten Entdeckungen Ende des 19. Jahrhunderts wurden außerhalb Russlands und der USA weitere Vorkommen gefunden und erschlossen. Der Iran wurde schon früh zu einem zusätzlichen wichtigen Lieferanten. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts führte die Entdeckung eines großen Ölfeldes in Persien zur Gründung der Anglo-Persian Oil Company (aus der später BP wurde). Als weiteres wichtiges ölproduzierendes Land außerhalb der USA und der Sowjetunion kam Venezuela dazu. Die riesigen Vorkommen in Saudi-Arabien wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und erschlossen, wodurch aus einem relativ kleinen und unbedeutenden Scheichtum in der Wüste einer der wichtigsten Akteure auf dem globalen Ölmarkt wurde, mit allen geopolitischen Konsequenzen, die mit diesem neuen Status einhergingen.

In den 1970er-Jahren brach das stabile Verhältnis von Angebot und Nachfrage zusammen. Es kam zur ersten großen, auffälligen Abweichung bei der langfristigen Preisentwicklung. Angesichts steigender Preise und niedriger Grenzkosten wurde die Verteilung der resultierenden Gewinne zum Streitpunkt zwischen Unternehmen und erdölproduzierenden Ländern. In den 1950er- und 1960er-Jahren ging im goldenen Zeitalter des Wirtschaftswachstums in Europa, den USA und dann in Japan die Nachfrage nach Öl immer weiter nach oben. Die Industrieländer wurden wirtschaftlich und politisch abhängig vom Öl aus dem Nahen Osten. Bei nominalen Preisen von 2 bis 4 Dollar pro Barrel stieg die Nachfrage nahezu ungebremst. Da die Ölförderung im Nahen Osten so günstig war (und immer noch ist), gab es wenig Anreize, sich nach anderen Anbietern umzusehen. Warum sollte man teurere Alternativen erschließen, solange die billigen Ölquellen noch sprudelten? In den USA näherte sich die Ölförderung Ende der 1960er-Jahre dem Scheitelpunkt, gleichzeitig trugen die Kriege in Korea und Vietnam zu einer wachsenden Abhängigkeit von Importen bei.

Seit Gründung der OPEC 1960 hatten die ölproduzierenden Länder versucht, untereinander Absprachen zu treffen, um ihre Position bei Verhandlungen mit den Ölfirmen zu stärken. Doch erst der von Israel ausgelöste Sechstagekrieg 1967 und der Jom-Kippur-Krieg 1973 schweißten die ölreichen Länder im Nahen Osten so zusammen, dass die Organisation wirkungsvoll agieren konnte.[8]

Vorübergehend erwiesen sich der Krieg und die Solidarität gegen Israel als Bindemittel für die Golfstaaten, selbst der Iran und Libyen kooperierten. Ihre Ölembargos beendeten das bequeme Leben der Ölverbraucher jäh; Ende 1974 hatten sich die Ölpreise vervierfacht und lagen bei 11 Dollar pro Barrel. Der davon ausgelöste Schock, verbunden mit der offenkundigen Ohnmacht, etwas dagegen tun zu können, reichte so tief, dass der Kapitalismus in eine Krise geriet. Inflation und hohe Arbeitslosigkeit kombinierten sich zur Stagflation. Einige Länder, darunter Großbritannien, gingen regelrecht in die Knie; eine Jahre währende Inflation von über 20 Prozent, Umbrüche in der Industrie und Arbeitskämpfe führten dazu, dass das Land 1976 um Unterstützung beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bitten musste. Darauf folgte der »Winter der Unzufriedenheit« 1978/1979, in dem aufgrund der Streiks nicht einmal die Toten beerdigt wurden.

Die USA erlebten die glücklosen Versuche der Präsidenten Gerald Ford und Jimmy Carter, die Nachwirkungen der Preissteigerungen in den Griff zu bekommen, nachdem ihr Vorgänger Nixon aufgrund des Watergate-Skandals zurückgetreten war. Carter setzte auf alternative Energien wie die Solarenergie, auf Energiesparmaßnahmen, eine Drosselung der Nachfrage und vor allem auf Kohle, wie die Europäer Ende der 2000er-Jahre.

Doch das Ganze wurde nur noch schlimmer. Infolge der Iranischen Revolution 1979 erreichte der Ölpreis mit nominal 39 Dollar pro Barrel (etwa 135 Dollar in den Preisen von 2015) einen neuen Höchststand und hatte sich damit nochmals verdoppelt. Das überzeugte die Politiker davon, dass es sich bei den Steigerungen der 1970er-Jahre nicht um eine Ausnahme handelte, sondern um einen grundlegenden strukturellen Bruch mit der Vergangenheit. Man kam zu der Auffassung, dass man sich nun einer Zukunft stetig steigender Preise stellen müsse.

Für Jimmy Carter bestand kein Zweifel:

… dass die Ölpreise und allgemein die Preise für Energie weltweit gestiegen sind, und es besteht auch kein Zweifel, dass die Preise in der Zukunft weiterhin steigen werden.[9]

Der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt sah das ähnlich:

Die Ölpreise werden für den Rest des Jahrhunderts steigen, weil die Ölreserven allmählich aufgebraucht werden.[10]

Auch der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing teilte diese Ansicht, ebenso der Präsident der Europäischen Kommission, Roy Jenkins.[11] Nach den schrecklichen Erfahrungen in den 1970er-Jahren konnten sich die Entscheidungsträger nur noch eine Welt vorstellen, in der die Ölpreise erdrückend waren wie die Umklammerung einer Boa Constrictor, und eine Politik, die bei der Bewältigung der unmittelbaren Folgen machtlos war.

Auch die Wirtschaft schloss sich der Sichtweise der Politiker an. Man ging zwar von einer geringeren Nachfrage aus,[12] hielt aber weiterhin an steigenden Preisen fest. Die wissenschaftliche Welt folgte ihrem Beispiel.[13] Man begab sich auf die Suche nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen, die immer teurer zu werden drohten. Davon profitierte in erster Linie die Atomindustrie, vor allem in Frankreich und Japan.[14] Die 58 französischen Druckwasserreaktoren sind das Ergebnis der Ölschocks, ebenso die über 50 Atomkraftwerke in Japan. Sie sind die strategische Antwort auf die Ölembargos von 1973 und den Ölpreisschock. In Großbritannien verkündete die Regierung Thatcher 1980 ein Programm zum Bau von zehn Atommeilern, demnach sollte ein Kraftwerk pro Jahr gebaut werden.[15] Auch Deutschland, Belgien, Schweden, Italien und sogar Spanien schlossen sich dem Nuklearboom an.

Die Prognosen (gestützt von der IEA) und die Überzeugung, mit der sie verkündet wurden, erinnern gespenstisch an die Vorhersagen aus den ersten zehn Jahren dieses Jahrhunderts. Die Äußerungen der Politiker in den 1970er- und 1980er-Jahren hätten auch von Obama, Merkel, Hollande und Barroso stammen können – wiederum unterstützt von den »Vorausberechnungen« der IEA und der amerikanischen EIA.

Das Märchen vom Ölfördermaximum

Zur Vorstellung eines immer weiter steigenden Ölpreises, wie sie in den 1970er- und 2000er-Jahren gängig war, gab es natürlich auch eine passende Theorie. Sie nennt sich Peak Oil und basiert auf dem weit verbreiteten Konsens der 1970er-Jahre, dass die Welt nicht in der Lage wäre, ihre wachsende Bevölkerung zu ernähren, und für das anhaltende Wirtschaftswachstum nicht genügend Ressourcen zur Verfügung stünden. In seinem 1972 veröffentlichten Bericht Die Grenzen des Wachstums setzte derClub of Rome den Rohstoffbedarf ins Verhältnis zu »bekannten« Vorkommen wesentlicher Rohstoffe und Mittel zur Welternährung und prophezeite der Weltbevölkerung ein malthusianisches Albtraumszenario:

Wenn die derzeitigen Wachstumsraten bei der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelerzeugung und Ressourcenausbeutung unverändert anhalten, werden die Grenzen des Wachstums für unseren Planeten in den nächsten hundert Jahren erreicht sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dies zu einem plötzlichen und unkontrollierbaren Rückgang beim Bevölkerungswachstum und der Produktionskapazitäten führen.[16]

Die These vom Ölfördermaximum bot sich als verlockende Erklärung für stetig steigende Preise an. Man ging dabei davon aus, dass alle wichtigen Vorkommen entdeckt wären und die Förderrate absehbar wäre. Bei weiterhin steigender Nachfrage würde demnach die Förderung ihren Höchststand erreichen und dann zurückgehen. M. King Hubbert, der geistige Vater des als Peak Oil bekannten Konzepts vom Fördermaximum, prognostizierte, dass die Förderung in den USA 1970 ihren Höchststand erreichen und dann unumkehrbar zurückgehen würde.[17] Diese Vorhersage erwies sich zwar als richtig (zumindest bis zur Nutzung unkonventioneller Vorkommen wie Ölschiefer), doch fast alles andere an seiner Peak-Oil-Hypothese war falsch. Das hat diejenigen, die bereits wussten, dass die Theorie nicht stimmt, bislang nicht davon abgehalten, sie weiterhin als Argument anzuführen. Mit zahlreichen Webseiten und Kommentaren, in denen die Anhänger der Peak-Oil-Theorie jeden noch so offenkundigen Widerspruch »erklären«, halten sie den Glauben an das Fördermaximum weiter am Leben.

Dabei waren auch eigennützige Interessen im Spiel. Wenn die Ölpreise tatsächlich immer weiter steigen und wichtige Rohstoffe knapp würden, bräuchte man Alternativen. Zudem würde das Wirtschaftswachstum gebremst, weswegen manche eine ganz neue Organisation unserer Gesellschaft in einer Welt des Nullwachstums für notwendig hielten. Für andere waren steigende Preise ein hervorragendes Argument, um die jeweils von ihnen präferierten Technologien zu fördern. Die Nutznießer der Subventionen konnten die verführerische Begründung vorbringen, diese wären aufgrund des steigenden Ölpreises nur temporär, sodass sich die Politiker zu keiner langfristigen Unterstützung verpflichten, sondern sich nur klug auf die Seite der zukünftigen Gewinner stellen würden.