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"Vom Leitfaden zum Handbuch, ohne den Faden zu verlieren." So könnte man die Grundidee für das Business Angels Handbuch beschreiben. Nachdem alle Bestände des Buchs "Angel Investing at its best: Leitfaden für Business Angels II" längst leer geräumt sind, stellte sich die Frage: Neuauflage oder neues Buch? Es ist ein neues Buch geworden, aber es schließt, wie der Untertitel auf dem Cover vermeldet, an den Leitfaden an. Der deutsche Business Angels Markt ist seit 2018 noch einmal deutlich reifer geworden und das musste sich auch im Handbuch niederschlagen. Die Zusammenschlüsse und Netzwerke von Angels haben sich weiter ausdifferenziert, ebenso der Anlagefokus der Angels selbst. Die Digitalisierung setzt sich durch und das GESSI Standardvertragswerk ist aus dem Angel Alltag nicht mehr wegzudenken. Neben der Frage, wie ein guter Deal gelingen kann, werden immer stärker Antworten auf Fragen gesucht, die sich in der oft langen Zeit des Haltens und Managens von Beteiligungen und der optimalen Vorbereitung des Exits stellen. Ein Blick auf den Aufbau und die Unterstützung der Angels Community durch die Arbeit von Business Angels Deutschland (BAND) e.V. rundet das Buch ab.
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Seitenzahl: 597
Veröffentlichungsjahr: 2024
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„Vom Leitfaden zum Handbuch, ohne den Faden zu verlieren.“ So könnte man die Grundidee für das Business Angels Handbuch beschreiben. Nachdem alle Bestände des Buchs „Angel Investing at its best: Leitfaden für Business Angels II“ längst leer geräumt sind, stellte sich die Frage: Neuauflage oder neues Buch?
Es ist ein neues Buch geworden, aber es schließt, wie der Untertitel auf dem Cover vermeldet, an den Leitfaden an. Der deutsche Business Angels Markt ist seit 2018 noch einmal deutlich reifer geworden und das musste sich auch im Handbuch niederschlagen. Die Zusammenschlüsse und Netzwerke von Angels haben sich weiter ausdifferenziert, ebenso der Anlagefokus der Angels selbst. Die Digitalisierung setzt sich durch und das GESSI Standardvertragswerk ist aus dem Angel Alltag nicht mehr wegzudenken. Neben der Frage, wie ein guter Deal gelingen kann, werden immer stärker Antworten auf Fragen gesucht, die sich in der oft langen Zeit des Haltens und Managens von Beteiligungen und der optimalen Vorbereitung des Exits stellen. Ein Blick auf den Aufbau und die Unterstützung der Angels Community durch die Arbeit von Business Angels Deutschland (BAND) e.V. rundet das Buch ab.
„Handbuch“ bedeutet, dass das Buch immer dann hilfreich zur Hand sein sollte, wenn Business Angels, Start-ups und die anderen Akteure des Ökosystems Informationen benötigen. Auch deswegen wurde auf eine kompakte Form und konzentrierte, relativ kurze Beiträge Wert gelegt. Aus Platzgründen wurde im Vergleich zum Leitfaden II auf einige Themenbereiche verzichtet, die eher am Rande der Angel Tätigkeit liegen. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis erleichtert das Auffinden.
Unser Dank als Herausgeber gilt zunächst den 80 Autorinnen und Autoren der 66 Beiträge für das Handbuch, die ihre Expertise im Dienst der Weiterentwicklung des Business Angels Marktes zur Verfügung gestellt haben. Der Dank gilt dem Team des Verlags des VentureCapital Magazins, insbesondere Mathias Renz, Head of VentureCapital Magazin, und Janine Heidenfelder, Chefredakteurin VentureCapital Magazin, die umfassende Unterstützungsarbeit geleistet haben. Ein besonderer Dank richtet sich an die Partner des Handbuchs, die durch ihr Sponsoring maßgeblich dazu beigetragen haben, dass dessen Erscheinen möglich war.
Ute Günther, Roland Kirchhof
1. Grundlagen
Um zu verstehen, was einen Business Angel ausmacht, gibt es verschiedene Herangehensweisen. Zum einen kann man sich mit der Person befassen, die hinter diesem Begriff steht. Wer ist er oder sie? Was macht ihn oder sie aus? Zum anderen kann man aber auch die zugehörige Tätigkeit eines Business Angels in den Mittelpunkt stellen und sich fragen, warum und wie hilft diese Person einem jungen Unternehmen, die ersten Schritte zu gehen? Vielleicht verschwimmen aber auch die Grenzen zwischen diesen Herangehensweisen, wenn man einfach beschreibt, was sie sind und was sie tun. Starten wir also mit den Grundlagen und den wichtigsten Merkmalen dieser besonderen Gattung von Kapitalgebern.
Unter einem Business Angel versteht man einen Privatinvestor, der sich durch drei Wesenszüge charakterisieren lässt:
Humankapital:
Viele Business Angels waren oder sind selbst erfolgreiche Unternehmer oder Führungskräfte und bringen daher diese umfangreichen Erfahrungen und Branchenkenntnisse als Humankapital mit. Sie bieten Start-ups in diesem Bereich strategische Beratung, Mentoring und Unterstützung in operativen Fragen.
Sozialkapital:
Durch ihre oft umfangreichen geschäftlichen und persönlichen Netzwerke können Business Angels den Start-ups einen wertvollen Zugang zu potenziellen Kunden, Geschäftspartnern und weiteren Investoren als Sozialkapital verschaffen. Diese Verbindungen können entscheidend für das Wachstum und den Erfolg eines jungen Unternehmens sein.
Finanzkapital:
Letztlich verfügen Business Angels über ausreichend finanzielle Mittel, um Start-ups mit Kapital zu unterstützen. Sie investieren typischerweise in sehr frühen Unternehmensphasen, in denen andere Finanzierungsquellen – wie Banken oder Risikokapitalgeber – oft noch nicht zur Verfügung stehen. Sie sind sich dabei des hohen Ausfallrisikos bewusst und investieren nur finanzielle Mittel, deren Ausfall sie verkraften können. Ihre Investitionen liegen dabei i.d.R. zwischen 25.000 und 500.000 EUR.
Das Human-, Sozial- und Finanzkapital wird dem jungen Unternehmen aktiv zur Verfügung gestellt. Durch das Bild des „Engels“ wird angedeutet, dass der Mehrwert für ein Unternehmen durch eine Business Angel Finanzierung von eben diesen Flügeln getragen wird, wobei der eine Flügel durch das Human- und Sozialkapital, der andere Flügel durch das Finanzkapital beschrieben werden kann. Beide Flügel sollten/müssen schlagen, um dem Start-up den bestmöglichen Rückenwind für den eigenen geschäftlichen Erfolg zu geben. Genau darin liegt die Bedeutung von Business Angels. Wegen der Verbindung dieser beiden Elemente spricht man auch von „Smart Money“ oder „intelligentem Kapital“. Doch Achtung: Auch ein Business Angel hat nichts zu verschenken! Er ist also nicht selbstlos und unterscheidet sich so von manch anderen Interpretationen eines Engels.
Das Kapital eines Business Angels nennt man auch „informelles Beteiligungskapital“ im Unterschied zum „formellen Beteiligungskapital“, das durch Beteiligungsgesellschaften, insbesondere Venture Capital-Fonds, meist in späteren Phasen der Unternehmensgründung und mit den schon angesprochenen höheren Beteiligungsbeträgen bereitgestellt wird.
Business Angels investieren in junge Unternehmen (Kapital gegen Anteile) mit dem Ziel, in einigen Jahren den sogenannten Exit zu schaffen, d.h., die Beteiligung (Anteile) oder das ganze Unternehmen gewinnbringend zu veräußern. Der Exit kann auf verschiedene Weise gestaltet werden: Da der Börsengang nur in den seltensten Fällen in Betracht kommt, ist in der Regel ein Trade Sale an einen strategischen Investor wahrscheinlicher. Auch der Verkauf an einen anderen Finanzinvestor (Secondary Purchase), meist im Zuge einer weiteren Finanzierungsrunde, ist ein möglicher Weg. Selten kommt es zu einem Rückkauf der Anteile durch das Unternehmerteam. Business Angels sind vor diesem Hintergrund zwar wichtige Mentoren und Unterstützer, die mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk entscheidend zum Erfolg von Start-ups beitragen können. Aber sie sind eben auch Kapitalgeber und erwarten bzw. erhoffen sich in dieser Rolle als Investoren auch ein positives finanzielles Ergebnis aus ihrem Engagement im Rahmen eines Exits. Damit unterscheiden sie sich auch von den Mäzenen, für die ein finanzieller Rückfluss aus einer Unterstützungsleistung nicht so relevant ist.
Business Angels investieren ihr Geld als Eigenkapital in nicht börsennotierte Unternehmen, wobei es jedoch im Vergleich zu anderen Finanzierungsquellen – wie zum Beispiel Venture Capital – durchschnittlich um niedrigere Summen geht. Man geht hier in der Regel von einem Investmentbetrag von 25.000 EUR bis 100.000 EUR (manchmal wird die Spanne auch mit 50.000 EUR bis 500.000 EUR angegeben) pro Business Angel aus.
Innerhalb dieser Bandbreite, aber auch für höhere Summen, kann man häufiger beobachten, dass sich mehrere Business Angels über eine Syndizierung zusammenschließen, um gemeinsam zu investieren. Die resultierende Summe reicht in der Regel (hoffentlich) aus, um das junge Unternehmen für eine erste institutionelle Venture Capital-Runde vorzubereiten. Selten jedoch reicht das so gewonnene Kapital aus, um das Unternehmen bis zum Break-even gänzlich zu finanzieren.
Wie schon beschrieben ist das Finanzkapital nur ein Aspekt beim Engagement eines Business Angels. Darüber hinaus steht der Business Angel der Unternehmensführung mit Rat und Tat zur Seite. Diese Form der intensiven Betreuung wird auch als „Hands-on“-Betreuung bezeichnet, da der Privatinvestor vor allem einen Mehrwert durch seine Rolle als Mentor erbringt. Dieser Mehrwert ist abhängig vom eigenen Erfahrungsschatz der Gründer im unterstützten Start-up. Optimal funktioniert das als Hol- und Bringschuld. Zum einen sollte ein Business Angel seine Unterstützung aktiv einbringen, ohne diese jedoch aufzuzwingen. Zum anderen sollte das Start-up die Unterstützung seines Business Angels – jenseits des zur Verfügung gestellten Kapitals – dort aktiv einholen, wo es zweckmäßig erscheint. Es ist am Ende des Tages ein Miteinander, welches von zwei Faktoren bestimmt wird.
Kompetenz-Fit:
Der Business Angel kann/sollte/muss bestimmte Kompetenzen haben, die sowohl komplementär als auch substitutiv zu denen der Gründer im Start-up sein können. Bei komplementären Kompetenzen kann der Business Angel dem Gründungsteam in operativen Bereichen helfen, wo es selbst Lücken aufweist. Bei substitutiven Kompetenzen kann der Business Angel eher Sparringspartner für die operativen Handlungen der Gründer sein, um Fehler zu vermeiden. So oder so muss im Vorfeld festgelegt werden, wo und wie die „Hands-on“-Betreuung stattfinden soll.
Personal-Fit:
Der Business Angel und das Start-up-Management müssen für eine wirkungsvolle „Hands-on“-Betreuung aber auch persönlich zueinanderpassen, um den Austausch auf der kommunikativen Ebene und das optimale Zusammenspiel der verschiedenen oder gleichen Kompetenzen bestmöglich zu gestalten. Weder eine Bevormundung der Gründer durch den Business Angel, zum Beispiel aufgrund der eigenen beruflichen Erfahrung, noch eine Zurückweisung des Kapitalgebers durch die Gründer, zum Beispiel aufgrund der eigenen Vorstellungen, sind dabei hilfreich. Es ist ein Miteinander, welches insbesondere auch durch die unterschiedlichen Charaktere auf Kapitalgeber- und -nehmerseite bestimmt wird.
Unabhängig davon, wie sich die konkrete Zusammenarbeit gestaltet und wie stark der Business Angel in den operativen Ablauf involviert sein will bzw. dieses vom Start-up gewünscht wird, wird es zu einem regelmäßigen Kontakt im Rahmen der Investor Relations zwischen beiden Seiten kommen. Die wesentliche Triebfeder dafür ist der Informationswunsch des Business Angels, wie sich sein Investment im Speziellen und das Gründerteam bzw. das Unternehmen/Produkt im Allgemeinen entwickelt. Es gibt daher gerade am Anfang einen häufigen und offenen Kommunikationsbedarf – im Idealfall von beiden Seiten aus. Dabei kann man zwischen einer formellen und informellen Kommunikation unterscheiden.
Bei der informellen Kommunikation kommt es zu bedarfsorientierten Telefonaten, spontanen Meetings, Ad-hoc-Updates und kurzen Nachrichten per E-Mail oder SMS.
Bei der formellen Kommunikation kommt es zur festgelegten Übersendung von Geschäfts- oder Finanzberichten, zu Gesellschafterversammlungen und/oder regelmäßigen Präsentationen der aktuellen Key Performance Indicators (KPIs).
Gemeinsames Ziel der Investor Relations sollte es sein, dass das Start-up den Business Angel über die Fortschritte und Herausforderungen des Unternehmens informiert, auch um zu schauen, wo man dessen Hilfe benötigen könnte.
Sowohl der Business Angel als auch die Gründer wünschen sich vor diesem Hintergrund einen engen Austausch. Dieser sollte gerade am Anfang eng und intensiv sein, um die Entwicklung des Start-ups möglichst positiv zu gestalten. Dieses gemeinsame Ziel haben beide Seiten, und das spiegelt sich auch in der gemeinsamen Motivation für eine Zusammenarbeit wider.
Im Hinblick auf den Steckbrief zu einem Business Angel müssen die Start-ups verstehen, dass die Motivation für die Aktivitäten eines Business Angels eben nicht nur im monetären, sondern auch im nicht monetären Bereich liegt. Die Triebfeder des Handelns eines Business Angels im nicht monetären Bereich ist das Interesse an einem innovativen Produkt oder einer neuartigen Dienstleistung. Es ist aber auch das Interesse, junge Gründerinnen und Gründer zu unterstützen, und dabei Spaß zu haben, deren positive Entwicklung zu fördern. Es geht also um das unternehmerische Miteinander und nicht nur um die Überweisung des Investmentbetrags. Entsprechend muss/sollte dies auch vom Start-up bedient werden. Es gibt Studien, die sogar belegen, dass die nicht monetären Ziele eines Business Angels höher bewertet werden als die monetären. Das sollte man aber nicht falsch verstehen, denn am Ende ist es auch für den Business Angel enttäuschend, wenn er seine monetären Ziele nicht erreicht.
Bleibt schließlich nur noch die Frage, wer nun diese Business Angels als Person eigentlich sind und über welche Eigenschaften sie charakterisiert werden können. Hier einige Hinweise (eher aus praxisorientierter Beobachtung als aus wissenschaftlichen Studien abgeleitet, denn leider gibt es nur sehr wenige repräsentative Erhebungen zum Business Angels Markt).
Laut Business Angel Report 2023 von AddedVal.io und Google stellen Business Angels für deutsche Start-ups mit 78 Prozent die größte Investorengruppe dar und sind für etwa 66 Prozent aller Start-up-Investitionen verantwortlich.
Business Angels sind oft in der Altersgruppe von 40 bis 65 Jahren zu finden. In diesem Alter haben sie in der Regel eine erfolgreiche Karriere hinter sich und verfügen über die nötigen finanziellen Mittel, um in Start-ups zu investieren. Dabei gibt es zwei Gruppen, die diese Spannbreite erklären. Zum einen Manager oder Unternehmensinhaber mit einer klassischen Karriere in Konzernen oder Familienunternehmen, die eher am Ende ihres aktiven Berufslebens noch als Business Angel agieren möchten. Zum anderen eher jüngere Start-up-Gründer (meist aus dem Internet- oder Hightech-Bereich), die aus einem erfolgreichen Exit heraus nun die Seite wechseln und zum Start-up-Investor werden, um weiter aktiv zu sein.
Traditionell sind Business Angels überwiegend männlich. Dies spiegelt die historische Geschlechterverteilung in führenden Wirtschaftspositionen wider. In den letzten Jahren hat jedoch die Zahl weiblicher Business Angels zugenommen. Diese Entwicklung ist Teil eines breiteren Trends hin zu mehr Diversität im Investmentbereich.
Business Angels bringen also oft (aber nicht immer – s.o.) Jahrzehnte an Erfahrung in einer bestimmten Branche oder in der Unternehmensführung mit. Diese Berufserfahrung nutzen sie, um Start-ups strategisch zu beraten und zu unterstützen. Viele Business Angels haben selbst Unternehmen gegründet (Gründungserfahrung) oder in leitender Position geführt (Führungserfahrung). Diese Erfahrung macht sie zu wertvollen Mentoren, da sie die Herausforderungen und Chancen der Unternehmensgründung aus erster Hand kennen.
Business Angels haben in der Regel tiefgehende Kenntnisse in bestimmten Branchen wie Technologie, Finanzen, Biotechnologie oder Konsumgüter. Diese Spezialisierung ermöglicht es ihnen, gezielt in Start-ups zu investieren, die in ihren Kompetenzbereichen liegen. Daher verfolgen die meisten Business Angels bei der Zusammenarbeit mit einem Start-up einen bestimmten Investmentfokus.
Business Angels sind bereit, hohe Risiken einzugehen, da sie wissen, dass Investitionen in Start-ups mit Unsicherheiten verbunden sind. Gleichzeitig suchen sie nach Innovationen und disruptiven Ideen, die Aussicht auf Erfolg haben. Sie haben daher eine höhere Risikoneigung als andere Investoren und versuchen dennoch aufgrund ihrer Erfahrung in aussichtsreiche Start-ups zu investieren.
Business Angels investieren in einigen Fällen direkt als Privatperson, häufiger jedoch über eine eigene Beteiligungsfirma, meist in Form einer GmbH oder UG (Unternehmergesellschaft). Sie können demnach direkt oder indirekt, d.h. über den „Umweg“ einer Beteiligungsgesellschaft, in Start-ups investieren. Die Entscheidung für den einen oder anderen Weg wird meist durch steuerliche, persönliche oder regulatorische Aspekte bestimmt.
Einen Business Angel zu finden, ist nicht ganz einfach, denn sie laufen (leider) nicht mit einem großen Schild um den Hals durch die Gegend. Da es um Geld geht, sind Business Angels gerade in Deutschland (im Gegensatz zu den USA) eher scheu und zurückhaltend. Sie müssen also aktiv gesucht und gefunden werden. Unterstützung für diese Kontaktaufnahme gibt es dabei vor allem bei den Business Angels Netzwerken, über Business Angels Deutschland (BAND), in zahlreichen Gründungswettbewerben, Matching-Events oder Berichten über Start-ups in den Medien. Die Kontaktaufnahme zu einem möglichen Business Angel findet laut einer Studie der ZEW jedoch in 80% der Fälle über einen privaten Kontakt oder durch das persönliche Beziehungsnetzwerk statt.
Fazit: Den typischen Business Angel gibt es eigentlich gar nicht. Er bzw. sie sind so unterschiedlich wie die Menschen, die durch dieses Investorenbild repräsentiert werden. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten und deshalb sollte man zwischen der Charakteristik des Investorentyps „Business Angel“ und der persönlichen Charakteristik des dahinterstehenden Menschen unterscheiden. Die grundsätzliche Charakteristik (wie zum Beispiel die grundlegenden Wesenszüge, die Art des Investments und die beiden Flügel aus Human- und Sozialkapital sowie Finanzkapital) scheint vorgegeben zu sein. Das gilt für die persönliche Charakteristik wie Ziele und Motivation sowie den Kommunikationsbedarf und die Ausgestaltung der „Hands-on“-Betreuung sicherlich nicht und hier sollte/muss man die Rahmenbedingungen einer Zusammenarbeit zwischen einem Business Angel und den Gründerinnen und Gründern eines Start-ups auf die jeweils handelnden Akteure anpassen.1
1 Weiterführende Literatur
1. AddedVal.io/Google (2023): Business Angel Report 2023, Berlin 2023.
2. Hargreaves, R. (2021): Business Angel Investing: Everything you need to know about investing in unquoted companies, Petersfield/Hampshire (UK) 2021.
3. Kollmann, T. (2022): Digital Entrepreneurship – Grundlagen der Unternehmensgründung in der Digitalen Wirtschaft, 8. Auflage, Wiesbaden 2022.
4. Kirchhof, R. (2021): Stichwort Business Angel, in: Kollmann, T./Kuckertz, A./Stöckmann, C. (Hrsg.): Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung, 3. Auflage, Wiesbaden 2021.
Die deutsche Angels Szene ist bunter denn je. Junge und ältere Investoren arbeiten Hand in Hand. Über Club-Deals und Investorennetzwerke finden immer wieder neue Konsortien zusammen. Für Start-ups ergibt sich dadurch eine erweiterte Bandbreite, wenn es um die Wahl des richtigen Partners für Finanzierung und Aufbau des eigenen Unternehmens geht. Auch wenn wir beileibe noch keine amerikanischen Verhältnisse haben, die deutsche Angels Szene hat sich im letzten Jahrzehnt enorm weiterentwickelt. Durch stärkere mediale Aufmerksamkeit nimmt auch die breite Öffentlichkeit immer größeren Anteil daran. Doch auch Angels und damit einhergehend ihre Start-ups leiden unter der aktuellen multiplen Krisensituation.
Die seit 2023 vorherrschende wirtschaftlich angespannte Lage geht an den Business Angels nicht spurlos vorbei. Die Zahl der Erstfinanzierungen sank 2023 um 10% und entwickelte sich 2024 weiter rückläufig. Auch die sonst üblichen Ticketgrößen von 50.000 EUR und mehr – entscheidendes Kapital für Gründer in der Startphase – reduzierten sich um bis zu 20%. So ist auch wenig verwunderlich, dass die Zahl der Gründungen um 10% abnahm. Das Fatale: Während weniger Frühphasenkapital von den als Sparringspartnern anerkannten Business Angels zur Verfügung steht, wird gleichzeitig immer mehr in kapitalintensiven Branchen wie Künstliche Intelligenz oder Energie gegründet. Fehlt es diesen Gründungen an finanziellen Mitteln, wird der Innovationsrückstand hierzulande immer größer. Hinzu kommen aus der Politik die falschen Signale: Die lang bestandene Ungewissheit gefolgt vom permanenten Zusammenschrumpfen des INVEST Zuschusses, der mittlerweile nur noch Business Angels Neulingen gewährt wird, sorgte in der Branche für viel Verunsicherung. Weiterhin werden keine neuen Verträge zwischen Business Angels und dem European Angel Fund des EIF geschlossen, obwohl der Co-Investment-Fonds aus öffentlichen Mitteln zu Pari-passu-Bedingungen die Szene eindeutig beflügelt hatte. Zumindest zeigen hier einige Bundesländer Eigeninitiative und schaffen Lösungen, wie mit dem NRW.Seed.Cap der NRW.Bank in Nordrhein-Westfalen oder dem Business Angels Bonus in Sachsen. Diese Weichenstellungen sind wichtige Signale für die Angels, die schließlich 74% aller Start-up-Finanzierungen mit Eigenkapital in der Frühphase stemmen.1
In den letzten 20 Jahren hat sich die deutsche Business Angel Landschaft grundlegend verändert. Es dominiert nicht mehr der männliche Mittfünfziger, der seinen Managementposten aufgegeben oder sein Unternehmen veräußert hat. Die Angel Szene ist deutlich jünger geworden. Ebenso hat der Anteil weiblicher Business Angels über die Jahre hinweg zugenommen, wenngleich er mit 13,8% nach wie vor gering ist. Immerhin engagieren sich mehr Start-up-Unternehmerinnen und -Unternehmer zwischen 20 und 40 inzwischen nach dem ersten Exit oder Teil-Exit als Business Angels und investieren neben Kapital in andere Jungunternehmen Zeit sowie (Digitalisierungs-) Know-how und bringen ihr breites und zumeist auch internationales Netzwerk ein. Es ist nicht mehr – wie bis vor rund zwei Jahrzehnten – das eine Unternehmen, das man heutzutage in seinem Leben aufbaut, nicht mehr das oft beschworene Lebenswerk. Viel stärker als früher werden Unternehmen als Lebensabschnitt gesehen, die Zusammenarbeit mit Investoren und Netzwerken gesucht, in Konsortien gedacht. Immer mehr Start-up-Unternehmer gründen nach einer Pause neu, engagieren sich als Angel oder schließen sich einem Venture Capital-Fonds an.2
Viele Angels der neuen Generation entstammen den Alumni-Kreisen renommierter Gründerlehrstühle an WHU, EBS, TUM, RWTH, HSG und weiteren. Die erfolgreichen Jungunternehmer nutzen für den Aufbau ihrer Start-ups auch verstärkt die Drähte zu ihren ehemaligen Hochschulen, um gutes Personal für ihre Projekte zu rekrutieren, und dienen Absolventen damit als Mentoren und Steigbügelhalter. Die Kontakt- und Wissensvermittlung ist dabei keine Einbahnstraße, denn die Hochschulen profitieren im Gegenzug von Netzwerk und Know-how ihrer einstigen Absolventen. Daneben erweitern auch immer mehr Selfmade Angels die Szene, die über ein gewisses (Familien-)Vermögen verfügen und den Job als Business Angel als Berufung sehen.
Aus dem einst erlauchten Kreis der Business Angels ist heute ein „bunter Haufen“ geworden – und das hat durchaus Vorteile. Denn nicht nur die Figur des Angels an sich hat sich verändert, sondern auch die Art zu investieren. Immer stärker verschwimmen die Grenzen zwischen unternehmerischem Investor, Angel Investor, Company Builder, Family Office, Single-GP und Venture Capital-Fonds. Was die dahinterstehenden Persönlichkeiten jedoch verbindet: Sie sind nicht nur erstklassige Unternehmer und Wissensträger, sondern auch geschickte Networker, die sich über Investment-Clubs, Netzwerke, Onlineplattformen und informelle Verbindungen gegenseitig in immer neuen Investmentopportunitäten und gegebenenfalls Club-Deals einbeziehen – und dies über deutsche Grenzen und sämtliche Altersklassen hinweg.
Nach wie vor engagieren sich Business Angels vor allem in frühen Phasen, doch zeigt sich auch hier seit einigen Jahren ein Wandel. Investments gehen über die Seed-Phase hinaus, Angels bleiben immer öfter in den folgenden drei Finanzierungsrunden mit an Bord, schaffen damit auch ein Ankerinvestment für Venture Capital-Gesellschaften, die in diesen Phasen als Investoren hinzukommen. Die entscheidende Stärke von Business Angels ist schließlich, dass sie Gründern zuhören und ihren Ideen Vertrauen schenken, wenn es noch keine andere Investorengruppe tut. Das ist für den Angel zwar mit Aufwand verbunden, teils auch mit einem Totalausfall, aber im Optimalfall auch sehr lukrativ. Eines ist es aber auf jeden Fall: besonders wertvoll für Gründungskultur und die Volkswirtschaft.
Doch auch die Business Angels haben die zurückliegenden Krisenjahre nicht unbeschadet überstanden. Trotz der insgesamt robusten Szene haben Neuinvestitionen in Start-ups, wie bereits erwähnt, zuletzt abgenommen. Die Investoren haben ihre Kapital-Allokation auf das bestehende Portfolio gerichtet und zeigen sich hinsichtlich neuer Engagements wesentlich zurückhaltender als noch vor zwei Jahren. Unsichere Wertentwicklungen in anderen Vermögensbereichen und Anlageklassen sowie wirtschaftliche und politische Unsicherheiten haben auch die Angel Investoren nach Jahren der großzügigen Kapitalvergabe vorsichtiger werden lassen. Oftmals erhält das Investment in Betongeld heute den Vorzug vor einer Frühphasen-Finanzierungsrunde. Hinzu kommt, dass 80% der Business Angels im Zeitraum von dreieinhalb Jahren in nur ein Start-up investieren. Es fehlt ein konstantes Investitionsverhalten. Insofern fordert Business Angels Deutschland (BAND) als Bundesverband Anreizmodelle für Angels und insgesamt bessere Rahmenbedingungen, die im europäischen Vergleich mithalten können.3
Fazit: Business Angels sind gerade in Zeiten, in denen Venture Capitalisten und andere Investorengruppen noch selektiver und vorsichtiger werden, von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Start-up-Landschaft. Auch wenn sie aktuell zögerlicher unterwegs sind und die Krise an ihnen nicht spurlos vorbeigeht, sind sie die Hauptinvestorengruppe in frühen Gründungsphasen. Sie bieten Kapital, strategische und operative Expertise sowie den Zugang zu ihren Netzwerken. Sie dienen als Sparringspartner, Mentoren, Zuhörer und Türöffner. Gerade das brauchen Start-ups derzeit besonders.
1 https://www.business-angels.de/wp-content/uploads/2024/06/BAND-BA_Manifest_2024_06.pdf
2 https://www.addedval.io/business-angel-report-2023/
3 https://www.addedval.io/business-angel-report-2023/
Business Angels sind eine tragende Säule der Start-up-Finanzierung. In Deutschland stellen sie über 80% der aktiven Investoren und Investorinnen dar und spielen eine entscheidende Rolle in der Frühphase eines Start-ups. Die erste Finanzierungsrunde wird meistens vollständig von Business Angels getragen. Allerdings ist quantitativ bisher zu wenig über das Business Angels Ökosystem bekannt. Dadurch fehlt eine wichtige Grundlage für alle Teilnehmenden, um realistische Erwartungen zu setzen, Finanzierungsstrategien zu planen und lenkende Entscheidungen zu treffen.
In diesem Kapitel zeigen wir auf Basis einer Auswertung der Start-up- und Business Angel Datenbank von AddedVal.io, wie sich das Angels Ökosystem in den letzten fünf Jahren entwickelt hat. Insbesondere verrät unsere Analyse, zu welchen Bewertungen und Ticketgrößen Business Angels investieren, aus welchen Investoren sich Finanzierungsrunden zusammensetzen und welche weiteren Faktoren für erfolgreiche Start-up-Finanzierungen relevant sind. Darüber hinaus beleuchten wir sowohl die demografischen Merkmale als auch die regionalen Unterschiede der beteiligten Akteure.
Um ein umfassendes und aussagekräftiges Bild des deutschen Angel Marktes zu zeichnen, wurden 53.522 einzelne Start-up-Investments ausgewertet, die durch AddedVal.io und startupdetector zwischen dem 01.07.2019 und dem 30.06.2024 im Handelsregister erfasst wurden. Für die Auswertung berücksichtigt wurden nur im Handelsregister veröffentlichte Investments, die nicht später als zehn Jahre nach Gründung stattfanden und von externen Unternehmerinnen und Unternehmern durchgeführt wurden.
Aus der Analyse der Handelsregisterdaten lässt sich eine Zahl von rund 16.0001 deutschen Business Angels ableiten, die innerhalb der letzten fünf Jahre in mindestens ein deutsches Start-up investiert haben. Einheimische Angels machen damit 82% der etwa 19.400 bei deutschen Start-ups aktiven Angels aus. Ausländische Angel Investments kommen vorrangig aus der Schweiz, den USA, Österreich und dem Vereinigten Königreich.
In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der aktiven Angels stetig. Im Jahr 2023 waren über 5.700 Angels aktiv, und damit 56% mehr als im Jahr 2020. Ein gutes Zeichen für die Dynamik des Ökosystems ist, dass mit über 4.000 Erstinvestorinnen und -investoren im Jahr 2023 ganze 73% zum ersten Mal als Angel auftraten. Besonders wichtig für den Erfolg der Start-ups ist jedoch auch, dass über die Zeit mehr Angels mit viel Erfahrung heranwachsen. Derzeit haben aber nur 20% der seit Juli 2019 aktiven Angels in mehr als ein Start-up investiert. Unter den über 3.000 Angels mit Erfahrung gibt es immerhin 149 „Super Angels“, die bereits zehn und mehr Start-ups in ihrem Fünfjahresportfolio haben. Das Wissen und die erworbene Intuition dieser Gruppe stellen trotz ihrer geringen Größe einen unschätzbaren Wert für das Ökosystem dar.
Im durch AddedVal.io erfassten Zeitraum haben 4.954 Start-ups in 7.661 Finanzierungsrunden Geld von Business Angels erhalten. In 93% der Runden waren deutsche Angels beteiligt. Seit einem Boom im Coronajahr 2021 sinkt die Gesamtzahl der Finanzierungsrunden. Noch stärker ist der Einbruch bei den Gründungen zu beobachten. Die Zahl der Runden mit Angel Beteiligung ist allerdings erst im Jahr 2023 gefallen. Die Zahl der Einzelinvestments durch Business Angels ist sogar weiter gestiegen und lag im Jahr 2023 fast 20% über dem Wert von 2021.
Wie ist es zu erklären, dass sowohl die Zahl der Business Angels als auch die Zahl der durch sie getätigten Investments zunimmt, während die Zahl der Finanzierungsrunden rückläufig ist? Die Antwort liegt zum Teil in der Zurückhaltung der Venture Capital-Gesellschaften. Aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten gingen Venture Capital-Investments stark zurück, und auch Angels investierten – zumindest in späteren Runden – kleinere Beträge. Dies führt dazu, dass Start-ups, um ihr Überleben zu sichern, pro Runde mehr Angels für ein Investment überzeugen müssen. Die durchschnittliche Zahl der Angels pro Runde hat sich von weniger als drei im Jahr 2019 inzwischen auf über vier erhöht. Zusätzlich fokussierten sich viele Angels mehr auf das eigene Portfolio, anstatt das Risiko neuer Investments zu wagen. Der Anteil der Follow-on-Investments durch Bestandsinvestoren stieg von 17% im Jahr 2021 auf 24% im Jahr 2023.
Bis auf einen kurzzeitigen Coronaboom im E-Commerce ist Healthtech konstant der beliebteste Sektor bei deutschen Angels. 20% der Angel Investments flossen im ersten Halbjahr 2024 in das Thema Gesundheit. Dass sich die Branche derzeit bei der Zahl der Investments so stark vom Rest absetzt, mag auch am oft vergleichsweise hohen Finanzbedarf von Medizin-Start-ups liegen, der zurzeit weniger durch Venture Capitalisten abgedeckt wird.
Neben der Gesundheitsbranche sind langfristige Aufwärtstrends insbesondere in zukunftsorientierten Bereichen wie Energie, Umwelttechnologie und Logistik zu erkennen. Gegründet wird derzeit hauptsächlich im Bereich Software, wo die neuen Möglichkeiten in der generativen KI einen regelrechten Boom verursacht haben. Umwelttechnologien und Nachhaltigkeit geraten dadurch bei Neugründungen aktuell in den Hintergrund.
Die meisten Start-ups geben in der ersten Finanzierungsrunde zwischen 10% und 25% ihrer Anteile (Post-Money) an Investorinnen und Investoren ab und erhalten dafür zwischen 100.000 und 1,3 Mio. EUR.2 Die üblichen Bewertungen in der ersten Runde liegen also zwischen 1 und 7 Mio. EUR Post-Money (2,8 Mio. EUR im Median). Die höchsten Erstrundenbewertungen der letzten Jahre fanden sich bei Fintechs und Insurtechs sowie im Energie- und Industriebereich. Dagegen scheint es für Start-ups mit stärkerer B2C-Ausrichtung wie in den Branchen Gaming, Sport, Lebensmittel, Medien oder E-Commerce schwerer, hohe Bewertungen durchzusetzen.
In über fünfzig Prozent der Fälle wird die erste Finanzierungsrunde vollständig von Business Angels getragen. Und auch in späteren Runden sind im Durchschnitt drei bis vier Angels beteiligt. Die Menge der übernommenen Anteile einzelner Angels ist dabei von vielen Faktoren abhängig. In den Daten des fünfjährigen Beobachtungszeitraums reichen die Anteile in der ersten Runde von unter 0,1% bis über 50% nach Investment.3 Bei der deutlichen Mehrheit der Investments liegt dieser Wert aber unter 5%. Im Median4 erhalten Angels jeweils 2,2%, solange kein Venture Capital mit an Bord ist. Weil sich im Laufe der Jahre die Zahl der Angels pro Finanzierungsrunde erhöht hat, ist der Medianwert je Angel (ohne Venture Capital) im Zeitraum zwischen 2020 und 2023 von 2,9% auf 1,9% gesunken. In späteren Runden gibt es weniger: Ab Runde drei liegt der Median unter 1%. Kommt ein Venture Capitalist dazu, sind es auch in der ersten Runde nur 0,6% pro Angel.
Für 40% der Investments deutscher Business Angels (12.233 Datenpunkte) wurden durch AddedVal.io auch die Investmentbeträge erfasst. Die Höhe der Angel Tickets in der ersten Runde reicht von unter 5.000 EUR bis in die Millionen. In fast zwei Dritteln der Fälle investierten Angels zwischen 10.000 und 100.000 EUR. Das am häufigsten unterschriebene Ticket sind 50.000 EUR. Erfahrenere Angels mit mindestens fünf Start-ups im Portfolio investieren ein paar Tausend Euro mehr. Bei Angels mit über zehn Start-ups liegen die Tickets um die 75.000 EUR. Ist in der gleichen Finanzierungsrunde ein Venture Capitalist beteiligt, verringern sich Angel Tickets allerdings im Median auf 42.000 EUR. In späteren Runden wird etwas weniger eingezahlt. Vor allem Bestandsinvestoren investieren verständlicherweise etwas geringere Summen als neue Angels. Im Durchschnitt macht der Unterschied 10.000 bis 20.000 EUR aus. In der zweiten Finanzierungsrunde sind normalerweise etwa 80% der Investoren neu dabei, in späteren Runden um die 60%.
Neben finanziellen Mitteln bringen Business Angels auch ihre Berufs- und Gründungserfahrung ein. Die Auswahl des „richtigen“ Angels ist für Gründerinnen und Gründer auf Kapitalsuche daher von entscheidender Bedeutung. Die Personen, die sich entscheiden, in Start-ups zu investieren, sind genauso unterschiedlich wie ihre jeweiligen Beweggründe. In der Mehrheit sind es aber immer noch Männer mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren und hoher Bildung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass besonders jene, die lange genug in gut bezahlten Jobs gearbeitet haben, das nötige Finanzpolster besitzen. Eine Analyse der Bilanzsummen von Angel Holdings ergibt, dass Erstinvestorinnen und -investoren im Median bereits 1,5 Mio. EUR besitzen. Super Angels, die in zehn und mehr Start-ups investieren, haben im Median 6,3 Mio. EUR auf dem Konto.
In einer Auswertung von LinkedIn-Daten durch AddedVal.io zeigt sich, dass 77% der aktiven deutschen Angels Positionen im Management, im Vorstand oder als Partner innehatten. 20% haben selbst bereits Unternehmen gegründet. Die am häufigsten in der Berufserfahrung auftauchenden Branchen sind Software, Finanzwesen, Consulting sowie die Arbeit im Venture Capital.
Da die genannten Berufe und Positionen traditionell häufiger von Männern besetzt sind, fällt es Frauen schwerer, zur Investorin zu werden. Nur etwa 15% der deutschen Angels sind weiblich. Seit dem Jahr 2020 hat sich dieser Anteil lediglich um drei Prozentpunkte erhöht. Dabei zeigen die Daten, dass weibliche Business Angels wichtig und nützlich für das Start-up-Ökosystem sind, insbesondere für weibliche Gründungsteams und für Geschäftsmodelle mit weiblicher Zielgruppe. Denn dort gibt es eine Lücke in Bezug auf die Investitionsbereitschaft männlicher Angels. Innerhalb der letzten fünf Jahre gingen nur 16% der Investments männlicher Angels an Female Founders. Bei weiblichen Angels waren es dagegen 26%.
Auch beim Alter zeichnet sich ein leichter Trend ab. Zwischen 2020 und 2023 ist der Durchschnitt von 51 auf 49 Jahre gesunken. Eine Quelle der jüngeren Generation von Business Angels ist die Gruppe der Start-up-Gründerinnen und Gründer selbst, die entweder durch Secondaries oder durch einen lukrativen Exit zu Geld gekommen sind. Nicht wenige davon entscheiden sich, ihre Erfahrung und ihre Mittel an neue Start-up-Unternehmen weiterzugeben. Eine genauere Untersuchung der 100 Top Angels mit den größten Start-up-Portfolios zeigt, dass die Hälfte von ihnen selbst eines oder mehrere Start-ups gegründet und teilweise wieder verkauft hat. Doch auch die Gründerszene ist immer noch männlich geprägt. Im Jahr 2023 waren in nur 18% der Gründungen eine oder mehrere Frauen in der Geschäftsführung vertreten. Ein wachsender Anteil an Gründerinnen ist also eine Voraussetzung dafür, dass auch mehr Frauen von der Gründerin zur Angelina werden.
Im allgemeinen Vergleich der Städte und Bundesländer findet die Mehrzahl der Finanzierungsrunden in Berlin statt, wo auch die meisten Start-ups gegründet werden. Vergleicht man Großstädte pro Kopf, setzt sich München mit 14 bis 18 Runden pro 100.000 Einwohnern pro Jahr vor Berlin an die Spitze. Deutsche Angels investieren relativ zur Bevölkerungszahl außerdem gerne in Potsdam, Frankfurt am Main und Hamburg.
Die Münchener Stärke bei der Finanzierung passt damit zusammen, dass in Bayern mit Abstand die meisten Angels leben. Über 3.700 (23%) der seit Juli 2019 aktiven Business Angels kommen aus Bayern. Dabei profitiert die bayerische Angel Szene auch vom wohlhabenden Münchener Umland mit den Städten Grünwald und Gräfelfing im Landkreis München sowie dem Landkreis Starnberg. Vor Berlin (2.500) liegt als Wunschheimat deutscher Angels seit 2022 außerdem Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 2.700 (17%).
Business Angels investieren allerdings nicht nur in der eigenen Heimat. Während regionale Netzwerke immer noch wichtig sind, suchen sich inzwischen viele Angels ihre Start-ups ortsunabhängig. Der lokalste Angel Markt ist vermutlich Bayern, wo fast 60% der Angel Investments durch heimische Investoren getragen werden. Berliner Angels müssen ob des Angebots auch nicht weit über die Stadtgrenzen hinausschauen und belassen 70% ihrer Investments in der Hauptstadt. Damit decken sie allerdings nur 42% der Gesamtzahl der Angel Investments in Berliner Start-ups ab; der Rest kommt von außerhalb. Insgesamt sind etwa 55% der Angel Investments in Deutschland überregional – finden also zwischen verschiedenen Bundesländern statt.
Die Auswertung der Start-up- und Business Angel Datenbank von AddedVal.io zeigt, dass die Zahl der aktiven Angels und ihrer Investments in Deutschland weiter zunimmt. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit spielen die Verfügbarkeit und das Know-how von Business Angels eine noch stärkere Rolle für Start-ups.
Die demografischen Merkmale und regionalen Unterschiede unterstreichen die Vielfalt und die breite Verteilung der Angel Investments in Deutschland. Die steigende Anzahl weiblicher Angels und die Verjüngung des Durchschnittsalters sind positive Signale für die Zukunft des deutschen Business Angel Ökosystems. Dennoch besteht Bedarf für mehr Förderung weiblicher Marktteilnehmerinnen.
Die Zahl der Start-up-Gründungen ist im letzten Halbjahr nach langer rückläufiger Tendenz wieder gewachsen. Diese Entwicklung könnte auf eine Erholung des Marktes und ein gestärktes Vertrauen der Gründerinnen und Gründer hinweisen. Es ist zu erwarten, dass die durch viele KI-Gründungen gestärkte Softwarebranche in Zukunft noch mehr in den Fokus deutscher Angels rücken wird.
1 Die genaue Zahl ist 15.948. Es existiert jedoch ein Fehlerbereich dadurch, dass z.B. die Kategorisierung als Business Angel nicht immer eindeutig ist, oder dass Angels teilweise gebündelt investieren. Um den Anschein falscher Präzision zu vermeiden, werden Zahlen von Angels und Investments gerundet.
2 Der Bereich bezieht sich jeweils auf die mittleren 50% der Datenpunkte (zwischen 25. und 75. Perzentil).
3 Alle Angaben zu Anteilen („Shares”) beziehen sich auf den Anteil an der Gesamtmenge der vorhandenen Shares nach der Finanzierungsrunde (Post-Money).
4 Der Median ist der Wert in einer geordneten Datenreihe, der genau in der Mitte liegt, sodass die Hälfte der Datenpunkte kleiner und die andere Hälfte größer ist. Der Median ist weniger anfällig für besonders große oder kleine Ausreißer als das arithmetische Mittel (Durchschnitt).
Seit 2019 befragt Business Angels Deutschland (BAND) jährlich die bei BAND akkreditierten Business Angels zu ihren Angels Aktivitäten im zurückliegenden Jahr – Zielgröße jeweils 100 ausgefüllte Fragebögen. In der Quintessenz gewähren diese Befragungen seltene Praxiseinblicke in die konkrete Arbeit von 100 aktiven Angels über einen Zeitstrahl von inzwischen bereits sechs Jahren. Eine vergleichbare Langzeitstudie dieser Art ist bisher weder national noch international bekannt. Überhaupt muss konstatiert werden, dass es dem Angel Markt weithin an Transparenz fehlt, wobei sich in den letzten zwei Jahrzehnten ein zunehmend ausdifferenziertes Praxisfeld entwickelt hat, das noch viel zu selten seriös erforscht wird.
Im Folgenden werden einige der zentralen Ergebnisse der BAND-Langzeitstudie 2018–2023 vorgestellt.
Tabelle 1 fasst die Basisdaten – Investitionssumme, Dealhäufigkeit und Portfoliogrößen – im Sechsjahresüberblick zusammen.
2018 – im ersten Jahr der Studie – hatten 100 Angels insgesamt 30,5 Mio. EUR investiert. Während es in den vier Folgejahren Schwankungen gab und sich im Jahr 2022 gegenüber den beiden Coronajahren 2020 (23 Mio. EUR) und 2021 (25 Mio. EUR) mit 27 Mio. EUR eine leichte Erholung andeutete, zeigen die Zahlen für 2023 einen starken Einbruch bei der Höhe des investierten Angel Kapitals, und zwar um mehr als 40%.
Hingegen ist die Anzahl der Deals von 157 im Jahr 2018 über die Jahre angestiegen und hat 2023 einen Höchststand von 282 Deals erreicht. Das sind 57% mehr Deals als 2018.
Mit dem Anstieg der Anzahl der Deals über die Jahre korreliert die kontinuierliche Verringerung der durchschnittlichen Investitionssumme, und zwar um 66% von 194.449 EUR im Jahr 2018 auf 66.737 EUR im Jahr 2023, wie nachstehende Tabelle im Detail zeigt.
Zu Beginn der Langzeitstudie waren Ticketgrößen unter 20.000 EUR die Seltenheit, in den Jahren 2018 und 2019 kamen sie gar nicht bzw. nur ganz vereinzelt vor. 2023 lag jedoch knapp ein Drittel aller Deals unterhalb der 20.000-EUR-Schwelle. Auf die Größenordnung zwischen 20.000 und 50.000 EUR entfiel ein zweites Drittel, auch das ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren.
Insgesamt zeigt sich ein deutlicher Trend hin zu kleineren Deals bis zu 100.000 EUR mit einem markanten Sprung 2023 auf 82%. Das ist eine deutliche Verschiebung, bedenkt man, dass 2018 nur 46% und 2019 nur 37% der Deals kleiner als 100.000 EUR waren.
Dem entspricht, dass es weniger Angels gibt, die Tickets in der Größenordnung bis 300.000 EUR investieren. Während diese Ticketgröße in der Vergangenheit durchaus einen signifikanten Anteil ausmachte, kam sie 2023 nur noch auf 14%. Auch Ticketgrößen bis 500.000 EUR sind rückläufig.
Werfen wir noch einen Blick auf die durchschnittliche Portfoliogröße: 2022 waren 100 Angels in 705 Start-ups investiert und hatten damit ihre Portfolien, die 2021 (coronabedingt?) auf ein Allzeittief von insgesamt „nur“ 576 Start-ups gefallen waren, wieder auf Vor-Corona-Niveau angefüttert. Der Anstieg hat sich 2023 fortgesetzt: 100 Angels hatten insgesamt 937 Start-ups unter ihren Fittichen, so viele wie noch nie und sicherlich auch eine Folge der wachsenden Zahl kleiner Deals.
Gravierende Unterschiede im Investitionsverhalten zwischen männlichen und weiblichen Angels? Fehlanzeige! Weder investieren Frauen weniger noch sind ihre Tickets pro Deal kleiner, wie als Vermutung vielfach kommuniziert wird. Auch was die Intensität des Angel Engagements betrifft, agieren männliche und weibliche Angels auf Augenhöhe. So gibt es beispielsweise keine signifikanten Unterschiede zwischen den Portfoliogrößen männlicher und weiblicher Angels.
In welcher Unternehmensphase profitieren die Start-ups vom Angel Geld? Der Sechsjahresverlauf zeigt, dass ein wesentlicher Teil des Angel Kapitals in Folgefinanzierungen fließt. 2018 gab es eine massive Gewichtsverlagerung hin zu Folgefinanzierungen. Nur noch 39% des 2018 investierten Kapitals kam neuen Deals zugute, 61% verblieben im eigenen Portfolio. Dass dieser Anstieg an Folgeinvestments 2018 eine Folge der Neufassung des INVEST Zuschusses vom 01.01.2017 war, wonach nunmehr auch Anschlussinvestitionen von bereits INVEST geförderten Finanzierungen förderfähig waren, kann zumindest vermutet werden.
Der Trend hin zu Folgefinanzierungen setzte sich 2019 fort: 58% Kapital für Folgefinanzierungen, 42% für Erstfinanzierungen und auch 2020 gab es mehr Angel Geld für Folge- als für Erstfinanzierungen, allerdings war der Anteil mit 51% – trotz Pandemie – leicht rückläufig. 2021 drehte sich das Bild dann wieder zugunsten der Erstfinanzierung (60%) und blieb im Folgejahr relativ konstant: 2022 investierten die Angels 56% ihres Geldes in neue Deals, 43% gingen in Folgerunden, 2023 war das Verhältnis 60% Erst- und 40% Folgefinanzierungen.
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch diese Zahlen: Wer 2023 ausschließlich nur in Erstrunden finanziert hat, hat durchschnittlich 75.698 EUR investiert, wer nur in Folgerunden finanziert hat, hat durchschnittlich pro Deal 159.762 EUR investiert, also fast exakt das Doppelte.
Die Zahl der erfolgreichen Exits hat sich seit 2018 mehr als halbiert, wobei der Abwärtstrend bereits vor Corona begonnen und sich dann in den ersten beiden Pandemiejahren fortgesetzt hat. Waren es 2018 noch 30 erfolgreiche Exits, die auf das Konto der jeweils 100 Angels gingen, waren es 2019 insgesamt 25 und 2020 und 2021 jeweils nur 18.
Dagegen konnten die Angels 2022 so viel erfolgreiche Exits wie lange nicht mehr realisieren, in Summe 26, also fast ein Drittel mehr als in den beiden zurückliegenden Jahren und sogar über dem Wert vor Corona. Freuen konnten sie sich 2022 auch über geringe Ausfallzahlen: Nur 24 gescheiterte Beteiligungen mussten verschmerzt werden, das war die zweitniedrigste Quote nach dem Coronajahr 2020 mit 23 gescheiterten Beteiligungen auf 100 Angels.
Die bereits gemutmaßte Befürchtung, dass für die 2022 noch relativ geringen Ausfallzahlen nach wie vor die Corona-Stabilisierungsmaßnahmen ausschlaggebend waren und das böse Erwachen erst noch kommen würde, hat sich dann bewahrheitet. Mit 78 gescheiterten Beteiligungen war 2023 ein Allzeithoch zu verzeichnen. Dem stand 2023 ein Allzeittief bei den Exits gegenüber.
Beginnend mit der Befragung für 2023 werden von den Angels zusätzliche Informationen zum getätigten Exit erbeten, denn Haltedauer, Multiple, ROI, Exit-Kanal etc. sind nach wie vor ein viel zu weißer Fleck im Angels Ökosystem.
Wenn Angels einen Exit realisieren, können sie ein durchaus beachtliches Multiple erzielen: 2022 lag das durchschnittliche Multiple beim 9,9fachen des investierten Kapitals, 2023 sogar beim 18,8fachen. Darunter jeweils ein Exit mit einem 50fachen (2022) und einem 100fachen Multiple (2023) am oberen und einem 1,2fachen bzw. 1fachen am unteren Ende. Nehmen wir – bei dieser breiten Range – den Median, ergibt sich für 2022 das 5-Fache und für 2023 das 8,7fache.
Kommen Exits zustande, sind diese für die Angels durchaus positiv. Nicht nur, dass mit den erzielten Exit-Erlösen der eine oder andere Verlust aus gescheiterten Beteiligungen ausgeglichen werden kann, sondern vor allem, dass die Gewinne aus Exits eben jenes Kapital sind, das die Angels wiederum für Investments in neue Start-ups nutzen. Funktioniert dieser Kreislauf, bleiben Angels motiviert und verfügen fortgesetzt über ausreichend Liquidität, um weiterhin in junge innovative Start-ups zu investieren.
Beim Aufspüren potenzieller Deals sind die Angels extrem umtriebig mit dem Grundtenor „Augen und Ohren stets offen halten“.
Dabei steht das eigene, persönliche Netzwerk hoch im Kurs. Es ist der favorisierte und der mit großem Abstand am meisten genutzte Dealflow-Kanal. Knapp 30% der 2024 befragten Angels geben an, das eigene Netzwerk als ihre einzige Dealflow-Quelle zu nutzen. Gegenüber dem Vorjahr ist dieser Anteil nochmals größer geworden.
70% sind „multichannel“ unterwegs. Aber auch von denjenigen, die aus unterschiedlichen Dealflow-Quellen schöpfen, wird das eigene Netzwerk mehrheitlich als zentral für den Dealflow erachtet, nur dass sie darüber hinaus weitere, ganz unterschiedliche Quellen gezielt nutzen. Etwa ein Viertel der Angels geben an, Mitglied in einem (bzw. auch in mehreren) Business Angels Netzwerk(en) zu sein. Digitale Plattformen haben im Vergleich zur Vorjahresbefragung deutlich Boden gutgemacht, wobei mit 39% LinkedIn, also kein explizites Angels Tool, am meisten genannt wird.
Erstmals wurden „Branchennetzwerke“ als Suchmatrix für potentielle Angel Investments genannt. Für Angels mit spezifischen Branchen als Investitionsschwerpunkt dürften sie sich zukünftig durchaus als ertragreiche Dealflow-Quelle erweisen.
Interessant vor allem, welche Dealflow-Quellen auf die Plätze verwiesen worden sind. Abgeschlagen auch in diesem Jahr die Pitch-Veranstaltungen. Nur 14% der Angels nennen diese als potenzielle Dealquelle. Dennoch finden sie in großer Zahl statt, wobei Angels diese zunehmend skeptisch beobachten und sehr genau kategorisieren. Die „Pitch-Veranstaltungsschwemme“ sehen sie kritisch: „Ohne eindeutige Adressierung an Business Angels sind sie ziemlich überflüssig und Zeitverschwendung.“
Angels unterscheiden trennscharf zwischen Matching-Veranstaltungen, die bevorzugt von einem im Angels Ökosystem erfahrenen Player veranstaltet werden und gezielt für das Zusammentreffen ausgewählter kapitalsuchender Start-ups und Angels konzipiert sind – die oftmals auf eine bestimmte Branche, Unternehmensphase etc. fokussiert sind –, und solchen, die von Akteuren veranstaltet werden, die eher am Rande mit dem Angels Ökosystem vertraut sind und Pitches als ein Add-on in die Agenda aufnehmen. Letztere werden dann von Angels – wenn überhaupt – besucht, um sich über Trends zu informieren, ein regionales Ökosystem in seiner Besonderheit kennenzulernen und sich zu vernetzten, weniger aber, um gezielt Dealflow zu generieren, wobei die Erwartungshaltung der pitchenden Start-ups durchaus eine andere sein dürfte.
Hochschulen, die doch die perfekte Dealflow-Quelle für Frühphasenfinanzierer überhaupt sein könnten – dort wären die Hidden Champions der Hochtechnologie zu finden und der „frühe Vogel“ könnte seiner Bestimmung nachkommen –, wurden 2023 kein einziges Mal explizit als Dealflow-Quelle erwähnt. 2022 waren es zumindest noch magere 4,5% der Angels, die sich an den Hochschulen umsahen.
Des Weiteren trifft man bei der Frage nach der Dealflow-Herkunft auf eine Vielzahl von Einzelnennungen, z.B. „auf Messen“, bei „Businessplan-Wettbewerben“, beim „HTGF“ oder einfach „Geduld“.
Kaum Veränderung beim Thema Syndikate: Nach wie vor geben mehr als die Hälfte der Angels (60%) an, nicht im Syndikat zu investieren. Denk-, vielleicht auch erwartbar wäre, dass mit der Tendenz zu kleineren Tickets die Bereitschaft, sich als Angel einem Syndikat anzuschließen, wächst. Das ist aber nicht der Fall.
Dezidiert gegen jede Art von Syndikaten und Syndizierung sprechen sich vor allem diejenigen aus, die
nach eigener Einschätzung selbst erfahren genug sind und ihre Entscheidungen unabhängig von anderen treffen wollen. Sie sind überzeugt, dass Eigenverantwortung ein wichtiger Treiber ist, um als Angel Investor erfolgreich zu sein.den Abstimmungsnotwendigkeiten skeptisch gegenüberstehen: Wenn Entscheidungen nicht eindeutig getroffen werden können, müssen Kompromisse ausgehandelt werden. Die daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten bergen latentes Konfliktpotenzial, das im schlimmsten Fall zu Streitigkeiten führt, die gerade bei Misserfolgen eskalieren. den administrativen Aufwand fürchten, denen Syndikate zu kompliziert und zu aufwendig, schlicht „zu anstrengend“ sind. Auch seien „verdeckte Eigeninteressen“ nicht ausgeschlossen.Deren Fazit: Hände weg von Syndikaten, sie haben mehr Nach- als Vorteile. Wer in Syndikaten investiert, bevorzugt mehrheitlich wechselnde Syndikate im Zuge eines Stimmenpoolings, weil „unverbindlicher“.
Am 06. Februar 2023 ist die neue INVEST Förderrichtlinie in Kraft getreten. Demnach sind nur noch Erstfinanzierungen INVEST förderfähig, Anschlussfinanzierungen dagegen nicht mehr. Der Erwerbszuschuss wurde auf 25% erhöht, die Mindestinvestitionssumme auf 10.000 EUR gesenkt. Wichtigster Einschnitt in die bisherige Förderpraxis war die Einführung eines auf 100.000 EUR gedeckelten INVEST-Lebenszeitkontos, was in der Konsequenz heißt, dass Angels, die bereits 100.000 EUR an Erwerbszuschüssen ausgezahlt oder bewilligt bekommen haben, keine weitere INVEST-Förderung mehr erhalten, und zwar rückwirkend. Damit hat INVEST eine deutliche Gewichtsverlagerung hin zur Förderung von First Time Angels erfahren. Für erfahrene Angels, die viel investieren, bedeutet das, dass sie entweder mit sofortiger Wirkung oder in naher Zukunft ohne INVEST investieren müssen.
21% der 2024 befragten Angels gehörten zur Gruppe derjenigen, die das INVEST-Lebenszeitkonto bereits ausgeschöpft haben.
Welche Auswirkungen die Neufassung von INVEST auf die Praxis des Angel Investings hat, spiegelt sich in den Zahlen wider: Setzt man die Gesamtzahl der 2023 mit INVEST getätigten Beteiligungen ins Verhältnis aller im Jahr 2023 von den Angels eingegangenen Engagements, ergibt sich, dass nur noch 19% mit INVEST zustande gekommen sind, so wenig wie noch nie. Damit setzt sich der signifikante Abwärtstrend seit 2018 – dem Beginn der Langzeitstudie –, wo 41% der Angel Beteiligungen mit INVEST stattgefunden haben, fort und erreicht seinen Tiefpunkt.
Mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie ist der Radius und die Wirkmächtigkeit von INVEST deutlich eingeschränkt worden, was zu viel Unruhe im Markt geführt hat. Niemand hat etwas dagegen, dass der Staat die Mobilisierung von First Time Angels unterstützt, aber nicht auf Kosten der erfahrenen Angels, die die Stabilität des Angels Marktes sichern. Insofern ist es vor allem der Ausschluss erfahrener Angels, aber auch die Absenkung der INVEST Mindestinvestitionssumme auf 10.000 EUR, der kritisch gesehen wird.
So ist es beispielsweise eingeübte Praxis, dass erfahrene Angels – sitzen sie gemeinsam mit noch jungen Kolleginnen und Kollegen am Cap Table – diese „unter ihre Fittiche“ nehmen, sie bei ihren ersten Schritten in die Angels Welt unterstützen. Mit Einführung des INVEST Lebenszeitkontos leisten sie diese Mehrarbeit nunmehr für Angels, die vom INVEST Zuschuss profitieren, der ihnen verwehrt ist.
Nehmen wir die Interessen der Start-ups in den Blick, liegt es auf der Hand, dass sie sich erfahrene Angels mit entsprechenden Referenzen und ausreichend Kapital auch für größere Tickets wünschen, ein Muss gerade für innovative, technologiegetriebene Geschäftsideen.
Inwieweit die Verschlechterung des INVEST Zuschusses (mit)verantwortlich ist für den drastischen Rückgang der Gesamtsumme des investierten Angels Kapitals auf nur noch 18 Mio. EUR 2023, kann nicht abschließend beantwortet werden. In jedem Fall ist dies ein Mitgrund, denn nicht wenige der befragten Angels haben angegeben, dass sie infolge der inzwischen „unattraktiven Konditionen“ des INVEST Zuschusses ihr „Angel Engagement zurückgefahren (haben)“.
Langzeitstudien über das Angels Ökosystem sind insbesondere deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie Einzelergebnisse relativieren, langfristige Entwicklungen markieren und Vergleichsparameter setzen. Gleichzeitig schärfen sie das Profil des Angel Investings, weil sie es ermöglichen, Reaktionen und Verhaltensweisen der Angel Investoren angesichts unterschiedlicher Herausforderungen und zu verschiedenen Zeiten zu analysieren. Damit liefern sie über die Jahre Erkenntnisse, die zu beachten unverzichtbar ist, um ein starkes an den Akteuren ausgerichtetes Angels Ökosystem zu gestalten. Vielfach kommt ihnen auch die Funktion eines Weckrufes zu, insbesondere dann, wenn sich auf der Zeitachse eklatante Veränderungen zeigen.
Beim Blick auf die BAND-Langzeitstudie 2018 bis 2023 lässt insbesondere das Jahr 2023 aufhorchen. Es hat gravierende Einbrüche gebracht mit einem starken Rückgang der Investitionssumme um mehr als 40% im Vergleich zum Vorjahr. Mit 18,8 Mio. EUR wurde 2023 so wenig wie noch nie in der sechsjährigen Laufzeit der Befragung investiert. Im Jahr 2018, dem ersten Jahr der Analyse, waren es 30,5 Mio. EUR, die die jeweils 100 befragten Angels ihren Start-ups hatten zugutekommen lassen.
Gleichzeitig ist im Befragungszeitraum 2018 bis 2023 die Anzahl der Deals um 57% angestiegen. Weniger Kapital für mehr Deals bedeutet kleinere Tickets. So sank die durchschnittliche Investitionssumme pro Deal von 194.449 EUR im Jahr 2018 auf 66.737 EUR im Jahr 2023, was einem Rückgang von 66% entspricht.
Dass die Ticketgröße pro Deal im Vergleich zu 2018 nur noch etwa ein Drittel beträgt und kleine Tickets die Regel zu werden scheinen, ist in seiner gesamten Tragweite erst durch die Langzeitstudie sichtbar geworden und muss als relevante Marktveränderung wahrgenommen werden, die vor allem den Erfolg technologiegetriebener Start-ups gefährdet, weil diese häufig höhere Anfangsinvestitionen benötigen, um z.B. Prototypen oder Versuchsanlagen zu bauen. Hier sind risikobereite Business Angels vonnöten, die den Mut haben, in Deeptech zu investieren und die auch größere Tickets bereithalten.
Geht der Trend hin zu kleinen Tickets, verschärft sich das Finanzierungsproblem der Deeptech-Start-ups eklatant. Hier muss gegengesteuert werden. Als ein geeignetes Instrument bieten sich Angels Co-Investment-Fonds an, wie sie von BAND bereits mehrfach gefordert worden sind. Deren Dringlichkeit wird durch die Zahlen aus der Sechsjahreslangzeitstudie nochmals untermauert.
Auch die drastisch gesunkenen Exit-Zahlen sind besorgniserregend. 2023 gab es so wenige Exits wie noch nie in den sechs zurückliegenden Jahren mit der Folge, dass Angels Kapital und Know-how viel zu lange in bestehenden Beteiligungen brachliegen. Fehlende Exit-Erlöse führen zu fehlenden Re-Investments. Auch besteht die Gefahr, dass Business Angels mangels Exit-Chancen die Lust zu investieren verlieren. Beides führt dazu, dass weniger Kapital für neue Frühphaseninvestments zur Verfügung steht.
Dieser Sachverhalt birgt die latente Gefahr in sich, dass es für Start-ups immer schwieriger wird, eine robuste Erstfinanzierung zu finden, und der Frühphase das Austrocknen droht.
Fehlt es an Risikokapital in der Anfangsphase, lähmt das nicht nur die gesamte Finanzierungskette. Es schwächt vor allem die Sektoren, die auf innovative Ideen und unternehmerisches Risiko angewiesen sind, die Innovationsdynamik wird gemindert, der technologische Fortschritt verlangsamt sich.
Um dem entgegenzuwirken, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Zahlen und Analysen aus der BAND-Langzeitstudie dulden keinen Aufschub.
In welche Richtung kann das gehen? Die Studie gibt Hinweise auf die Gründe, die dafür verantwortlich sind, dass sich die Investitionsbereitschaft und -freude der Angels in jüngster Zeit derart eingedämmt hat, und weist damit den Weg, welche Stellschrauben neu zu justieren sind.
Hier werden von den befragten Angels insbesondere Forderungen an die Politik adressiert. Diese reichen von „drastischem Bürokratieabbau“ und „weniger Regulierung“ über „endlich international wettbewerbsfähige Mitarbeiterbeteiligung“, den Aufbau eines Secondary-Marktes, das Einrichten von Co-Investment-Fonds, um öffentliche Mittel durch privates Geld zu hebeln, bis hin zu einem „Reset des INVEST Zuschusses“. Dabei sind für die Angels vor allem drei Punkte zentral: INVEST wieder für alle Angels öffnen, Folgefinanzierungen als förderfähig einstufen, Zuschuss auf mindestens 20% erhöhen. Mehrfach findet sich auch der Wunsch, die Untergrenze von 10.000 EUR wieder anzuheben.
Ganz oben auf dem Forderungskatalog: Angels wünschen sich von der Politik, dass sie „ein öffentliches Bekenntnis für Business Angels“, deren Mut und deren Risikobereitschaft ablegen, sie als Investoren anerkennen, die in der frühen Phase – wenn kein anderer sich traut – in Start-ups investieren. Das würde den Bundeshaushalt nicht belasten und könnte das schlechte Klima, das sich in letzter Zeit in der Angels Szene massiv ausgebreitet hat, zumindest aufhellen und das verlorene Vertrauen, das nicht zuletzt durch kurzfristige und rückwirkende Änderung des INVEST Zuschusses gelitten hat, zumindest aufhellen. Angels haben dafür den Begriff der „emotionalen Förderung“ geprägt.
Verlassen wir das Jahr 2023 und betrachten wir die BAND-Langzeitstudie in Gänze, offenbart sie aber durchaus auch Positives: Werfen wir einen Blick auf die beiden Coronajahre 2020 und 2021. Weder gab es einen Einbruch bei der Anzahl der getätigten Deals oder in der Höhe des investierten Kapitals, noch haben sich die Portfolios der Angels verkleinert oder die Zahl der gescheiterten Beteiligungen exorbitant erhöht. Auch gab es keinerlei Anzeichen, dass Angels in wilden Aktionismus verfallen sind oder radikale Strategiewechsel vollzogen haben.
Es entspricht dem „Wesen“ des Angel Investings, Risiken einzugehen und den Krisenmodus als Normalität anzuerkennen, von überraschenden Wendungen nicht aus der Bahn geworfen zu werden, strategische Anpassungen oder notwendig werdende Kehrtwendungen stets auf dem Schirm zu haben, vielleicht sogar besonders dann aktiv zu werden, wenn die Risiken größer und für andere radikal abschreckend werden, um im Erfolgsfall – durchaus verdient – überproportional zu profitieren.
In der Krise einer Pandemie aus dem „Nichts“ haben Deutschlands Angel Investorinnen und Investoren ihrem Epitheton „Risikokapitalgeber“ alle Ehre gemacht, sich und ihre Start-ups mit Kompetenz, Mut und Umsicht durch die Coronajahre navigiert.
Business Angels „können“ Krise, verlieren angesichts neuer Herausforderungen weder Kopf noch Kompass, setzen sich für „ihre“ Start-ups zu 100% ein, sind verlässliche Partner ihrer Portfoliounternehmen. Ihre Leistungen für Innovation und Wachstum sind nicht hoch genug einzuschätzen. Sie sind Deutschlands wichtigste Frühphasenfinanzierer. Ohne Angels wären viele erfolgreiche Start-ups gar nicht an den Start gekommen.
Außer ihren Start-ups sind Angels nur sich selbst verpflichtet. Sie investieren ihr eigenes Geld und gehen ein hohes persönliches Risiko ein. Dementsprechend agieren sie eigenverantwortlich und selbstbestimmt im Vertrauen auf ihre Kompetenz und ihre Erfahrung. Angel Investing ist in erster Linie im persönlichen Umfeld, in den persönlichen Netzwerken der Angels verankert. Formalen Strukturen stehen Angel Investoren eher ablehnend gegenüber, sie bevorzugen informelle Runden, setzen auf Flexibilität und niedrige bis keine Eintrittsbarrieren. Reglementierungen jeder Art sind ihnen ein Gräuel. Indikatoren dafür finden sich in den Ergebnissen der Langzeitstudie zahlreich. So begründen sie beispielsweise ihre Skepsis gegenüber Syndikaten mit der Aversion gegen komplexe Ab- und Zustimmungsprozesse, auch speisen sie ihren Dealflow bevorzugt aus ihren persönlichen Netzwerken.
Dabei bewegen sich Angels in einem informellen Markt, der ihnen die Freiheit für autonomes Handeln lässt, dem sie aber jederzeit den Rücken kehren können, wenn andere Assetklassen attraktiver erscheinen, vor allem aber, wenn sie die Motivation verlieren. Wenn Angels keinen Antrieb und keine Freude mehr haben zu investieren, ist es irrelevant, dass sie im Blick auf getätigte Beteiligungen „Krise können“, Herausforderungen stemmen und meistern.
Insofern ist die schlechte Stimmung unter den Angels, die die jüngste Befragungsrunde der BAND-Langzeitstudie offenbart hat, eine mehr als besorgniserregende Tendenz, von der eine massive Bedrohung des Angel Marktes ausgeht und die den Weckruf, der allein beim Betrachten des zahlenmäßigen Einbruchs im Jahr 2023 und den damit zusammenhängenden Verschiebungen ausgelöst wird, nochmals potenziert. Die Studie mahnt Diskurs und Korrekturen an und gibt Hinweise, wo Lösungsansätze zu finden sind.
Langzeitstudien sind sowohl als Markt- als auch als Stimmungsbarometer von großem Mehrwert. Darüber hinaus liefern sie Hinweise auf Wirkungsmechanismen und systemische Zusammenhänge innerhalb des Angel Marktes. Damit sind sie ihrerseits ein dringendes Plädoyer für mehr Forschung über Angel Investing.
2. Netzwerke
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