Carlo Ancelotti. Die Autobiografie - Carlo Ancelotti - E-Book

Carlo Ancelotti. Die Autobiografie E-Book

Carlo Ancelotti

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Beschreibung

Seit 2016 ist er Trainer beim FC Bayern München – Carlo Ancelotti: Beliebt bei seinen Spielern, erfolgreich auf all seinen Stationen von Juventus über Chelsea bis zu Madrid. In dieser anekdotenreichen und einsichtsvollen Autobiografie schildert er seinen Werdegang aus der italienischen Provinz in die Top-Vereine der italienischen Liga, wo er es als Spieler bis in die Nationalmannschaft schaffte. Als Trainer blieb er seiner Philosophie stets treu: den Kontakt zu seinen Spielern zu halten und sein System an die Mannschaft anzupassen, nicht umgekehrt. Der Erfolg und seine große Beliebtheit geben ihm Recht.

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Seitenzahl: 263

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Für Papa Giuseppe und Mama Cecilia.Und für Stefano.

Übersetzung aus dem Italienischen von Elisabeth LieblISBN 978-3-492-97505-6August 2016© 2009–2016 RCS Libri S.p.A., MilanDeutschsprachige Ausgabe:© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016Die Originalausgabe erschien 2009 und in aktualisierterAusgabe 2015 unter dem Titel »Preferisco la coppa« beiRizzoli, Mailand.Die deutsche Ausgabe wurde 2016 von den Autoren aktualisiert.Litho: Lorenz & Zeller, Inning am AmmerseeCovergestaltung: Rothfos & Gabler, HamburgCovermotiv: Levon Biss/gettyimagesDatenkonvertierung: psb, BerlinSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Vorwort zur deutschen Ausgabe

von Alessandro Alciato

15. April 2016 in Parma. Der Abend fing gut an. Es war warm, draußen kämpften die letzten Sonnenstrahlen gegen die Dämmerung an, doch bald würde die Nacht hereinbrechen. Man trug kurze Ärmel, der Frühling zeigte sich von seiner schönsten Seite, fast als wäre er dort zu Hause. Er brachte die Seelen ebenso zum Strahlen wie die Natur.

Der Opa im Haus setzte die Brille auf, denn auch so lässt sich Glück in menschliche Bahnen lenken. Sein Enkel sah ihn an und lächelte. Das Lächeln von Kindern fällt immer strahlend aus, auch wenn es im Falle des Enkels noch ein zahnloses war.

Währenddessen aß der Opa, und wenn der Opa sich zu Tisch setzt, dann kann draußen eine Bombe hochgehen, er würde es nicht bemerken. Der Enkel aber machte urplötzlich ein hochkonzentriertes Gesicht.

Der Opa zog die Augenbrauen hoch.

Der Enkel schaute unschuldig drein.

Der Opa richtete seinen Blick auf die Hand des Enkels, als wolle er sich dessen, was er gerade gesehen hatte, noch einmal versichern.

Denn in der kleinen Hand des Enkels befand sich nichts anderes als das Mobiltelefon des Opas.

Der Opa nahm’s gelassen. »Scheiße!«, schrie er auf Deutsch, denn Sprachkenntnisse zu haben ist immer gut, vor allem in schwierigen Situationen.

Aus der Küche kam ein fragendes »Hat dir das Essen nicht geschmeckt?«.

Doch mit dem Essen hatte das Ganze nichts zu tun. Alessandro, der Enkel, spielte mit Opa Carlos Telefon. Genauer gesagt hatte er die Tastatur blockiert, nachdem er wohl versucht hatte, Beethovens Neunte darauf nachzuspielen. Zumindest klickte er seit mehreren Minuten auf der Tastatur herum. Pech. Denn dabei ging so einiges verloren. Das Telefon verabschiedete sich in ein besseres Leben und nahm die zahllosen SMS mit, die der Opa bekommen hatte. Opa Carlo. Carlo Ancelotti. Die beiden Deutschen Sami Khedira und Toni Kroos waren die Ersten, die ihm geschrieben hatten, nachdem vermeldet worden war, dass Carlo der neue Trainer des FC Bayern München werden würde: »Du hast die absolut richtige Entscheidung getroffen. Bayern ist eine Religion. Herzlichen Glückwunsch.« Danach waren die anderen eingetrudelt, angefangen bei Cristiano Ronaldo. Seine Spieler mochten ihn immer: Denn seine Spezialität ist es, nicht nur die Muskeln zu trainieren, sondern auch die Herzen. Eine Nachricht aber konnte der Enkel nicht löschen, die von Florentino Pérez. Das hatte einen einfachen Grund: Die Nachricht war nie abgeschickt worden. Der Präsident von Real Madrid hatte, nachdem er jenen Trainer vor die Tür gesetzt hatte, der die legendäre »Décima«, den zehnten Europapokal, nach Madrid geholt hatte, jeden Kontakt zu ebendiesem Trainer abgebrochen. Nicht ein Telefonat. Nicht eine Mail. Nicht eine SMS, wie Jungverliebte sie sich manchmal schicken, einfach um zu signalisieren: »Hey, es gibt mich noch.« Pérez hat eine absolute Kommunikationssperre mit Ancelotti durchgezogen, der sich allerdings an diese Art von Launen längst gewöhnt hat. Das ist immer so: Wenn er irgendwo neu hinkommt, rümpfen die Leute die Nase. Und wenn er weggeht, würden die Spieler am liebsten eine öffentliche Demonstration veranstalten. In Spanien war das nicht anders.

Te jamón. Das waren die ersten Worte, die Carlo Ancelotti in Madrid gelernt hat. Kaum ausgesprochen, haben ihn auch schon alle schräg angeguckt oder sich über ihn lustig gemacht mit diesem leicht snobistischen Grinsen, das ein netter Kerl wie er überhaupt nicht verdient hat: »Ach, wieder so ein armseliger Tropf von Italiener, der nicht richtig Spanisch kann! Nein, mein Guter, te amo heißt das, ich liebe dich.« Dabei hatte Carletto, dem man in Madrid mittlerweile den Spitznamen »Don Carlos« gegeben hat, gar keinen Fehler gemacht. Aber wie üblich ist er darauf nicht groß herumgeritten. Denn er hatte keineswegs die Absicht, in aller Öffentlichkeit einen Seelenstriptease hinzulegen. Er wollte einfach nur sagen, dass ihm der spanische Schinken unglaublich gut schmecke. Und Schinken heißt auf Spanisch jamón. Genial wie immer. Denn wie könnte man besser ausdrücken, dass man sich an einem neuen Ort schon eingelebt hat? Denn für den neuen Trainer des FC Bayern gilt letztlich nur eine Gebrauchsanweisung: Drehen seine Gespräche sich irgendwie ums Essen, geht es ihm gut. Beginnt er dagegen eine Diät, sollte man schleunigst einen Arzt rufen. Oder ganz laut schreien. Aber er wird sich fangen. Am Ende fängt er sich immer wieder. Er ist der einzige Trainer auf der ganzen Welt, dessen Siegerqualitäten in direkt proportionalem Verhältnis zu seinem Taillenumfang stehen.

Denn letztlich gibt es keinen Triumph ohne ein gutes Restaurant. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir es hier zuallererst mit einem Bauernsohn zu tun haben und erst in zweiter Linie mit einem Mann, der eine ganz außergewöhnliche Karriere hingelegt hat. Es geht hier um sein Leben, das ihn von den Feldern Reggiolos, die er als Junge mit seinem Vater bestellt hat, auf den grünen Rasen der berühmtesten Stadien der Welt geführt hat; wie in das Stadion Santiago Bernabéu, jenen Tempel, in dem Real Madrid seinen eigenen Mythos zelebriert, und nun nach München in die Allianz Arena. Und doch enden die Geschichten in diesem Buch mit den Erfolgen, die er als Trainer von Chelsea gefeiert hat. Was danach geschah, hat jeder mitbekommen. Doch wie Carlo überhaupt zum Spitzentrainer geworden ist, ist der eigentlich interessante Teil der Geschichte, der Ihnen das ein oder andere Lachen entlocken wird. Getreu Carlos Motto: »Nicht die Salami ist gesundheitsschädlich, sondern das Messer!« Die Szenerien wandeln sich, die Messer vielleicht auch, der Protagonist aber bleibt sich stets gleich. Die Kulisse nimmt vielleicht immer schillerndere Töne an, hinter der Bühne aber waren durchaus keine Erdstöße zu spüren – es sei denn, das Abendessen hatte sich zu lange hingezogen. Zu Real Madrid rief man Ancelotti im Sommer 2013, nachdem José Mourinho entlassen worden war, der in allem das Gegenteil von Ancelotti ist. Florentino Pérez hat ihn in den Raum geführt, in dem die Trophäen des Clubs ausgestellt sind, hat auf die neun Europapokale im Schaukasten gezeigt und ihm eine einzige Aufgabe gestellt: »Carletto, du musst die Champions League gewinnen!« Woraufhin er im Stillen dachte: »Na, das fängt ja gut an.« Offiziell meinte er: »Ich werde es versuchen.« Man hatte ihn geholt, um einen Pokal zu gewinnen, der seit zwölf Jahren für Madrid in weiter Ferne lag, und zwölf Jahre sind im Fußball eine Ewigkeit. Real hat neun Mal den Europapokal der Landesmeister, der seit 1992 Champions League heißt, gewonnen; nur mit dem zehnten Mal, der Décima, wollte und wollte es einfach nicht klappen. Ein Albtraum, der zur Besessenheit wurde. Eine Hoffnung, die sich immer dann in Luft auflöste, wenn man sich ihrer Erfüllung so nah wähnte. Nicht einmal Mourinho, der sich selbst »The Special One« nennt, konnte dieses Wunder vollbringen. Vielleicht hatte er einfach zu viel darüber geredet. Ancelotti hingegen machte sich in aller Ruhe im Sportzentrum von Real in der Ciudad Deportiva de Valdebebas an die Arbeit, löste Blockaden, fand einen Weg, Bale und Cristiano Ronaldo auf dem Rasen zur Zusammenarbeit zu bewegen, hat Di Maria reaktiviert und Modric zum unverzichtbaren Stammspieler gemacht. So setzte er stillschweigend jenen Befehl um, der in eine freundliche Anfrage verpackt war.

Ich war dabei am 24. Mai 2014 in Lissabon und habe das Endspiel der Champions League 2013/14 gegen Atlético Madrid für Sky kommentiert. Ein Lokalderby also, nur auswärts. Lissabon, das plötzlich zur Hauptstadt Spaniens wurde. Und Madrid zur Hauptstadt Portugals. Ein geografischer Fieberwahn, hochkochende Emotionen, die alle Grenzen beiseitefegten. Wenige Sekunden vor Schluss, die Nachspielzeit war fast vorüber, Real lag 0 : 1 hinten, und Ancelotti war auf dem besten Weg – auch wenn er das nie zugeben würde –, zum Extrainer von Real Madrid zu werden. Atlético hatte in dieser Saison schon den Meistertitel geholt. Sollte der Lokalrivale nun auch noch im europäischen Fußball triumphieren, dann wäre das mehr, als die Real-Bosse würden verkraften können. Der Überpräsident Florentino Pérez hatte im Gespräch mehr als einmal fallen lassen: »Wenn er verliert, muss er weg.« Und dann erzielte Sergio Ramos in der 93. Minute den Ausgleich. In der Verlängerung das Tor von Bale. Dann noch eins von Marcelo. Und schließlich Ronaldo. Das Endergebnis lautete 4 : 1. Und Ancelotti war die Trainerbank zunächst sicher, sagte er von sich doch immer wieder, er sei der »erste Trainer der Welt mit einem erdbebensicheren Arsch«. Genau so läuft es bei ihm immer: In dem Augenblick, in dem man ihn zum Teufel jagen will, in dem die Trainerbank glutheiß wird und mit ihr seine Hinterbacken, zaubert er ein Kaninchen aus dem Zylinder – mit der erklärten Absicht, das Tier gleich im Anschluss zu verspeisen. Er gewinnt, wenn niemand es erwartet. Ich bin ihm begegnet, als er kurz nach dem Abpfiff mit abwesendem Blick über den Rasen schlenderte, während seine Spieler zur Kurve mit den weiß gekleideten Real-Fans rannten, um sich dort mit einem lauten »Hala Madrid« feiern zu lassen.

»Jetzt hast du’s geschafft, Carlo!«

»Ja, ich hab’s geschafft …«

»Carlo, du hast gewonnen!«

»Ich habe gewonnen …«

»Carlo, du hast die Décima geholt!«

»Der zehnte Pokal …«

»Carlo, du scheinst mir gerade ein bisschen weggetreten.«

»Irgendwie hab ich das alles noch nicht begriffen.«

Da entschloss ich mich zur Nagelprobe, mit der man am sichersten seinen Geisteszustand beurteilen kann.

»Carlo, entschuldige mal, aber hast du vielleicht Hunger?«

»Nein.«

Alles klar. Er stand neben sich. Wenige Minuten später aber war er schon wieder bei Sinnen, als man ihm den Champions-League-Pokal überreichte. In genau dem Moment, in dem er auf der Tribüne das Ergebnis seiner Einzigartigkeit und gleichzeitig seiner Normalität greifbar in Händen hielt. »Eine Trainerlegende« hatte Beppe Bergomi, der mit Italien 1982 Weltmeister wurde, ihn genannt. Dabei wusste Carlo noch nicht, was bald darauf geschehen würde und was es in Madrid in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal gegeben hatte. Während der traditionellen Pressekonferenz mit dem Trainer der Siegermannschaft stürmten plötzlich Carlettos Spieler den Saal. Sie hatten Perücken auf, hüpften herum wie die Verrückten und fielen ihrem Trainer um den Hals. Ja, so mancher drückte ihm sogar einen Schmatz auf. Und ihre Botschaft war nicht gerade das, was man diplomatisch nennen würde: »Carletto, wir stehen hinter dir.« Oder in anderen Worten: »Liebe Bosse von Real Madrid, wenn ihr euch einbildet, ihr kommt ohne diesen Mann aus, dann könnt ihr gleich einen Bus bestellen, denn dann hauen wir auch ab.« Ein Jahr später hatten sie weniger Glück. Sie durften ihren Trainer nicht behalten, trotz einer Serie von zweiundzwanzig Siegen in Folge. Doch jene Nacht war unvergesslich. Und Carlo war immer noch derselbe wie damals, als er als Trainer des AC Reggiana mit völlig unbekannten Spielern arbeitete. Nicht schlecht für einen, der am Ende der ersten Saison als Clubtrainer Anno Domini 1996, nachdem er die Reggiana gerade in die Serie A geführt hatte, beschlossen hatte: »Zu viel Stress. Drei Jahre noch, dann höre ich auf. Oder vielleicht vier, dann haben wir das Jahr 2000. Eine schöne runde Zahl.« So rund wie die Zehn.

Zu Anfang der Saison des Champions-League-Triumphs hatte er Gareth Bale nach Madrid geholt, der für alle nur der »100-Millionen-Euro-Mann« war, denn fast so viel hatte Real hingeblättert, um ihn von Tottenham abzulösen. Für Ancelotti war er einfach nur der Junge, mit dem man reden musste, weil er mindestens einmal pro Woche im Sportzentrum, der Ciudad Deportiva, übernachtete. Er schien immer müde zu sein. »Er ist dem Druck nicht gewachsen«, behaupteten bald böse Zungen. »Meine Tochter weint jede Nacht, ich komme kaum zum Schlafen«, vertraute der Spieler seinem neuen Trainer an. Wo andere nach dem Schuldigen suchen, hat Carlo längst die Lösung gefunden. Wo andere Millionäre sehen, sieht Carlo den Menschen. Punkt. Und dafür hat er das Vertrauen seiner Spieler und ihren hundertprozentigen Einsatz. Selbst von solchen wie Cristiano Ronaldo, der in einem der wenigen Interviews, die er gibt, immer wieder betonte: »Ich möchte Ancelotti danken für alles, was er für mich und den Verein getan hat.« Das kommt von einem Mann, der drei Mal zum Weltfußballer gewählt wurde und zwei Tage, bevor Real Madrid Carlo abgesetzt hat, auf seinem Twitter-Account verkündete: »Great Coach and amazing person. Hope we work together next season.« (Ein toller Coach und ein wunderbarer Mensch! Ich hoffe, wir arbeiten auch nächste Saison zusammen.) Einer von denen, der bei der internen montagmorgendlichen Spielerbewertung durch Ancelotti und seinen Stab vor Beginn der Trainingswoche immer mindestens sieben von zehn Punkten erhielt. Die interne Spielerbewertung ist eine Gewohnheit von Carlo, die er in München wohl beibehalten wird.

Nach der Décima holte Real auch noch die Club-Weltmeisterschaft in Marrakesch mit einem Sieg gegen Atlético San Lorenzo, den argentinischen Verein, dessen prominentester Fan Papst Franziskus ist. Aber Ancelotti hat damit wohl keine Sünde auf sich geladen, denn das Gesetz der Tore ist letztlich unumstößlich wie die Zehn Gebote: Der Stärkere gewinnt.

Überhaupt, die göttliche Fügung. Im Laufe einer außergewöhnlichen beruflichen Karriere spielt man manchmal nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen das Schicksal. Das so manchen Schabernack bereithält. Beispiel gefällig? 2001 verlässt Carlo Juventus (mehr oder weniger freiwillig) im Ruf, der »ewige Zweite« zu sein. Zwei Jahre später tritt er in Manchester mit Milan eben gegen die Bianconeri aus Turin an, schlägt sie und holt so seinen ersten Pokal. In Istanbul verliert er eine sicher geglaubte Partie gegen Liverpool und zwei Jahre später steht er demselben Verein auf der anderen Seite des Bosporus gegenüber, in Athen, wo er seinen zweiten Champions-League-Sieg einfährt. Bei Juventus trainiert er Zinédine Zidane, und im September 2013 wird dieser sein Vize bei Real Madrid. Im Jahr darauf wirft er im Halbfinale Bayern München aus dem Rennen um den Champions-League-Pokal – wie 2003 übrigens mit Milan –, er holt sich die ersehnte Décima, und wo landet er 2016? Richtig, sein neuestes Abenteuer führt ihn geradewegs auf die Trainerbank der Bayern.

Sie haben ihn weggeschickt aus Spanien und werden ihn doch in guter Erinnerung behalten. Denn jeder Club, den Carlo trainiert, wird für ihn zur Familie. Es ist kein Zufall, dass er vor dem Champions-League-Finale von Real gegen den Stadtrivalen Atletico Madrid seinen Spielern einen Film vorgeführt hat, in dem ihre Familie ihnen für die anstehende Herausforderung alles Gute wünscht. Zuneigung ohne Grenzen. In Rom, wo er acht Jahre beim AS Rom gespielt hat, muss er noch heute die berittenen Carabinieri rufen, wenn er in einem Restaurant seine Rechnung begleichen will. Dort würde man ihn gerne als Trainer haben … irgendwann einmal. Dasselbe gilt für das Andenken an ihn beim AC Mailand. Und bei Chelsea hat er heute noch zahlreiche Freunde, obwohl Roman Abramowitsch das Versprechen, das er seinem neu erwählten Trainer gegeben hatte, nicht gehalten hat: »Wenn ihr die ersten sechs Partien gewinnt, dann fliege ich mit euch in meiner privaten Boeing zum Essen, egal, wohin ihr wollt.« Abramowitsch konnte das nicht ahnen, doch als er dieses Versprechen gab, in dem das Wort Essen vorkam, hatte er eigentlich schon verloren. Die ersten sechs Spiele gewann Carletto, doch Abramowitschs Maschine landete nie auf dem Flughafen von Parma, denn Carlettos Wahl war auf ein Restaurant gefallen, in das er schon David Beckham auf einen Teller Tortellini eingeladen hatte. Aus Paris, wo er Saint-Germain zur Meisterschaft geführt hatte, schied er nicht wirklich einvernehmlich, aber auch dort flogen nicht die Fetzen. Man hatte heimlich José Mourinho kontaktiert – ja, schon wieder der –, und obwohl Carletto wirklich ein gutmütiger Typ ist, kann er eines nicht ausstehen, genauer gesagt sind es zwei Dinge, die er absolut nicht leiden kann: Mangel an Vertrauen und Mangel an Ehrlichkeit. Er hat davon erfahren und gleich darauf dem Club seine Entscheidung mitgeteilt: »Zum Ende der Saison verlasse ich den Verein.« Natürlich haben sie einen auf ahnungslos gemacht, ja, man hat ihm sogar die Daumenschrauben angelegt: Wenn er zu Real Madrid gehe, müsse er die vertraglich vereinbarte Summe für die Vertragsauflösung selbst bezahlen. Aber Geld hält Carlo nicht. Würde hat keinen Preis. Was er wert ist, kapierte man in Paris wohl erst, nachdem er sich mit seinen überdimensionalen Hinterbacken auf der Bank des Bernabéu niedergelassen hatte. Viele Spieler schrieben Carlo damals eine Menge netter Botschaften. Auch Zlatan Ibrahimović, der erst kürzlich erklärt hat, er hätte Carlo ein eigenes Kapitel in seiner Autobiografie gewidmet, wäre diese zu jenem Zeitpunkt nicht bereits auf dem Markt gewesen. All diese Botschaften waren auf ebenjenem Telefon gespeichert, das Enkel Alessandro soeben ins Jenseits befördert hatte. Es gab da einen Moment, vor einem Champions-League-Spiel gegen den FC Porto, als man Carlo klipp und klar sagte: »Wenn du jetzt verlierst oder uns das Spiel nicht überzeugt, dann müssen wir dich von deinen Aufgaben entbinden.« Was man halt so von Clubchefs zu hören bekommt, in dem Sinne also nichts Neues. Aber solche Dinge sind leichter gesagt als getan. In dem Fall hat es geklappt. Paris Saint-Germain gewann die Partie 2:1. Und dann kam es doch zur Trennung. In Frankreich wollte man eigentlich eine Mannschaft aufbauen, die die Champions League gewinnen kann. Pech, dass diesen Sieg im Jahr darauf Real Madrid einfuhr, dem gerade José Mourinho den Rücken gekehrt hatte und das nun von Ancelotti trainiert wurde. Dem man das Lächeln nicht mal in Paris hatte abgewöhnen können. Überhaupt ist sein Lächeln einfach ansteckend. Im Camp des Loges, dem Trainingszentrum von PSG, das im Norden an eine Straße grenzt, im Süden an eine Kaserne, gab es früher mal einen Brauch. Jeden Morgen, wenn Mannschaftskapitän Mamadou Sakho ins Trainingszentrum kam, stieg er in den ersten Stock hinauf, marschierte nach links, den ganzen Korridor entlang bis zum Trainerbüro. Er ging zum Schreibtisch des Trainers, drückte ihm die Hand und marschierte dann ohne ein Wort wieder hinaus, hinunter in die Umkleide, wo er sich umzog und zum Training antrat. Einmal, zweimal, hundert Mal. Ancelotti wusste nicht recht, wie er ihm beibringen sollte, dass er einen Spaß gemacht hatte, als er bei Dienstantritt meinte, er wünsche, dass der Mannschaftskapitän den Trainer jeden Tag persönlich begrüßt. Er wollte ihn ja nicht vor den Kopf stoßen, also sprach er mit anderen Mitarbeitern darüber, in der Hoffnung, dass man Sakho irgendwie Bescheid sagen würde. Vergeblich. Eines Tages erzählte Carlo die Geschichte in einem Interview für den Corriere della Sera. Am nächsten Morgen die gleiche Szene: Sakho kam, trat ins Büro, nahm einen Meter vor dem Schreibtisch Aufstellung und blieb dort stehen. Der Trainer sah ihn an.

»Mamadou, was ist denn los?«

»Ich habe den Corriere della Sera gelesen.«

»Wunderbar. Lesen bildet.«

Die beiden verabschiedeten sich mit gegenseitigem Schulterklopfen. Denn Carlo ist der Auffassung, dass zu viel Förmlichkeit die Menschen trennt, und geht daher andere Wege. Ab und zu ein gemeinsames Abendessen. Ein Glas Wein, das man zusammen trinkt. Wie mit dem legendären Sir Alex Ferguson, der ihm in der Zwischenzeit ein guter Freund geworden ist. Männer, die etwas zustande bringen, zuerst auf dem Platz und dann beim Essen.

Dieses Buch erzählt von den Geheimnissen dieses Mannes bis zu dem Augenblick, in dem er Chelsea übernimmt. Aber das ist nur der Anfang. Denn vermutlich wird es eine Fortsetzung geben, weil mich ohnehin schon alle dauernd nach neuen Geschichten über Carlo fragen. Dieses Buch umfasst die Bekenntnisse eines Mannes, der Spaß am Leben hat und diesen auch vermitteln will. Denn eines ist klar: Ich bin hier parteiisch. Ich mag Carlo Ancelotti, weil er mein Trauzeuge war und einer meiner besten Freunde ist. Wenn ich ihn sehe, geht es mir gut. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie wissen, warum ich damit nicht allein dastehe. Viel Spaß beim Lesen also und guten Appetit. Und noch mehr Spaß bei seinen künftigen Triumphen.

Ah, ich hab was vergessen. Das erste Mal, das Karl-Heinz Rummenigge Carlo am Telefon hatte, war ausgesprochen surreal. Der Dialog lief, im Großen und Ganzen, wie folgt:

»Hallo, Carlo, hier spricht Rummenigge.«

»Hallo, Kalle.«

»Guardiola geht zum Ende der Saison, und wir wollen dich haben.«

»Gut. Mache ich.«

Dauer der Vertragsverhandlungen: vier Minuten, in etwa. Die Bayern wollten ihn, und er wollte die Bayern. Das war im November 2015. Da war der Frühling schon wieder Erinnerung, doch diese kehren ja bekanntlich wieder. Bis zum nächsten Mal also. Bis zum nächsten Abenteuer.

Bis zum nächsten Telefonat.

April 2016

Paolo Maldini über Carlo Ancelotti

Ich werde ihn weiterhin duzen, wie ich es immer gemacht habe. Wenn ein Spieler seine aktive Laufbahn beendet, wird er meist zum Freund seines Trainers. Dann fallen die Barrieren, und es stellt sich eine gewisse Vertrautheit ein. Ich habe Glück gehabt während meiner Laufbahn. Als Spieler war ich Mannschaftskamerad von Carletto. Wir sind also schon ein altes Paar. Wenn ich für Milan das Banner hochgehalten habe, war Carletto der Wind, der es flattern ließ. Er hat geblasen, und ich bin losgelaufen mit meiner Nummer 3 auf dem Rücken, die mir immer Glück gebracht hat, auch weil ich Glück hatte mit meinen Nebenmännern und meinem Umfeld. Er hat mir immer gezeigt, wo’s langgeht. Sowohl in der Kabine als auch bei Besprechungen ist Carletto sich immer gleich geblieben: ein sympathischer Chaot. Der selbst vor dem Finale der Champions League Witze erzählte. Da redet er dann von Bollito misto, einer seiner vielen Leibspeisen, hebt die Augenbrauen, und wir gehen raus und gewinnen, weil wir locker drauf sind. Die Leute stellen sich immer höchst dramatische Ansprachen vor, bei denen Tränen fließen. Und die Tränen fließen tatsächlich, aber vor Lachen. Manchmal konnten wir hören, was in der Kabine des Gegners vor sich ging: nämlich nichts, die absolute Stille. Während bei uns Silvio Berlusconi und der Trainer Witze erzählten. Wir sind eine Familie, und in Familien macht man das so.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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