Case und Care Management - Petra Hellmich - E-Book

Case und Care Management E-Book

Petra Hellmich

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Beschreibung

Case- und Care-Management soll die nötige Unterstützung und Versorgung von Personen mit Pflege- und Betreuungsbedarf möglichst effizient über Organisations- und Institutionsgrenzen hinweg sicherstellen. Im Bereich der Versorgungssicherung kommt dem Konzept wachsende Bedeutung zu. Grund für die Aktualität dieser Begleitung von Betroffenen in Österreich sind steigende Versorgungskosten von Personen mit chronischen Erkrankungen, ständiger Personalmangel im Gesundheitswesen und die Überalterung der Bevölkerung, aber auch die zunehmende Komplexität des Gesundheits- und Sozialwesens mit all seinen differenzierten Angeboten sowie unterschiedlichen und teilweise auch neuen Berufsbildern. Veränderungen, für die es gut ausgebildete Spezialistinnen und Spezialisten braucht, die genau diese hochkomplexen Situationen managen. Dieses Buch gibt Studierenden sowie Interessierten einen Einblick in das Tätigkeitsfeld einer Case-Managerin oder eines Case-Managers. Es hilft, die Hintergründe des Handelns im Case-Management zu verstehen, und gibt anhand eines erläuterten Fallbeispiels eine Hilfestellung für die Transformation des Case-Management-Prozesses von der Theorie in die Praxis.

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Petra HellmichCase und Care Managementim Gesundheits- und Pflegebereich

Eine geschlechtergerechte Schreibweise wird in diesem Buch vorwiegend durch die Verwendung der Schreibung mit Stern * realisiert. Ist eine korrekte, alle Endungen berücksichtigende Schreibung auf diese Weise nicht möglich oder erfordert sie Ergänzungen, die den Lesefluss hemmen, so wird – stellvertretend für beide Geschlechter – in der Regel die weibliche Form gewählt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der deutschen Ausgabe, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autorin oder des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2021

Copyright © 2021 Facultas Verlags- und Buchhandels AG facultas Verlag, Stolberggasse 26, 1050 Wien, Österreich

Umschlagbild: © jannoon028, fotolia.com

Lektorat: Sabine Schlüter, Wien Satz: Wandl Multimedia-Agentur

Druck: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Printed in Austria

ISBN 978-3-7089-2108-2

e-ISBN 978-3-99111-337-9

Vorwort

Das Konzept von Case und Care Management in der Pflege ist seit Jahrzehnten bekannt und findet nun sehr langsam auch Verbreitung und Implementierung in Österreich.

Ein wesentlicher Beitrag dafür war die Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes 2016. In § 16, Kompetenzen in der multiprofessionellen Versorgung, werden eindeutig die Expertise des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege für die Maßnahmensetzung sowohl zur Prävention von Krankheiten und Unfällen als auch zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit, das Aufnahme- und Entlassungsmanagement, die Gesundheitsberatung, die interprofessionelle Vernetzung, der Informationstransfer und das Wissensmanagement sowie die Koordination von Behandlung und Betreuungsprozessen, das Sicherstellen der Behandlungskontinuität sowie die ethische Entscheidungsfindung und die Förderung der Gesundheitskompetenz hervorgehoben. Diese Aufzählung enthält viele Aspekt des Case Managements und befähigt uns damit, im multiprofessionellen Versorgungsteam im Verhältnis zu den anderen Gesundheits- und Sozialberufen einen gleichberechtigten Part einzunehmen. Etwas abgeschwächter war diese Kompetenz bereits im GuKG aus dem Jahre 1996, § 16, Interdisziplinärer Tätigkeitsbereich, geregelt.

In der „Taskforce Pflege“, welche im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Jahre 2020 eingerichtet wurde, geht es darum, gemeinsam mit den Bundesländern Antworten auf die zukünftigen Herausforderungen im Pflegebereich zu finden. Ein Aspekt, mit dem sich diese Arbeitsgruppe beschäftigt, ist der Bereich der Community Nurse. Die Umsetzung dieses Tätigkeitsfeldes für den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege gibt einen guten Ausgangspunkt für Case Management in der Praxis ab. Dieses Buch soll dazu dienen, sowohl Studierenden als auch Interessierten einen Einblick in das Tätigkeitsfeld einer Case Managerin oder eines Case Managers zu geben. Es soll dabei helfen, die Hintergründe des Handelns im Case Management zu verstehen und mit dem erläuterten Fallbeispiel eine Hilfestellung für die Transformation des Prozesses des Case Managements von der Theorie in die Praxis geben.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1Einführung ins Case und Care Management

1.1Historischer Hintergrund

1.2Definitionen

Kapitel 2Care Management als Voraussetzung für Case Management

2.1Das Konzept des Care Managements/Versorgungsmanagements

2.2Leistungsmanagement

Beispiel Care Maps®

Kapitel 3Theoretische Grundlagen des Case Managements

3.1Funktionen im Case Management

3.2Triage

3.3Der Prozess des Case Managements

Aufnahme – Intake und Anamnese

Einschätzung – Assessment

Zielvereinbarung

Maßnahmenplanung

Leistungserbringung

Beurteilung – Evaluation

3.4Zielgruppen und Einsatzgebiete von Case Management

Nursing Case Management

Überleitungspflege

Community Care – Gemeindepflege

Geriatrische Pflege

Rehabilitation

Psychiatrie – Alltagsbegleitung

Pflege- und Gesundheitsberatung

Koordinierungsstellen und Pflegestützpunkte

3.5Berufsbild

3.6Ethik im Case Management

Kapitel 4Die Rollen, Aufgaben und Methoden des Case Managements

4.1Kritisches Denken

4.2(Selbst-)Reflektiertes Denken

4.3Kooperation, Koordination und Vernetzung

Das Konzept der integrierten Versorgung

Kooperation

Koordination

Vernetzung

4.4Fallarbeit als grundlegende Methodik

Fallbesprechung als Monitoring-Instrument

4.5Das Pflegegutachten als Hilfsmittel für das Case Management

Qualitätskriterien für ein Gutachten

Praktisches Agieren bei der Gutachtenerstellung

Kapitel 5Qualitätsmanagement im Case Management

5.1Qualitätssicherung

5.2Prozesse

Kapitel 6Entlassungsmanagement als erster Schritt der konzeptionellen Umsetzung von Case Management

6.1Übergangspflege

6.2Pflege-Überleitung

6.3Überleitungspflege

6.4Entlassungsplanung

6.5Entlassungsmanagement

Österreichischer Expertenstandard für Aufnahme- und Entlassungsmanagement

Schnittstellenmanagement

Kapitel 7Erläutertes Fallbeispiel

7.1Fallbeispiel Herr Schmitz

Erstinformationen

Intake

Erstkontakt

7.2Assessment nach den AEDLs

7.3Tagesereignisskala

7.4Netzwerkkarte

7.5Versorgungsplanung

7.6Lebensqualitätsskala

7.7Zielplanung

7.8Monitoring

Kapitel 8Übungsbeispiel

Übungsbeispiel Frau Gruber

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literatur

Internetquellen

Kapitel 1Einführung ins Case und Care Management

Case und Care Management im Bereich der Pflege bekommt eine immer größere Bedeutung in der Versorgungssicherung von Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Nach diesem Konzept soll die nötige Unterstützung und Versorgung von Personen mit Pflege- und Betreuungsbedarf möglichst rational über Organisations- und Institutionsgrenzen hinweg sichergestellt werden. Grund für die Aktualität dieser Begleitung von Betroffenen in Österreich sind neben steigenden Versorgungskosten von Personen mit chronischen Erkrankungen, ständigem Personalmangel im Gesundheitswesen und Überalterung der Bevölkerung auch die zunehmende Komplexität des Gesundheits- und Sozialwesens mit all seinen differenzierten Betreuungs-, Pflege- und Rehabilitationsangeboten sowie unterschiedlichen und teilweise auch neuen Berufsbildern. Diese Veränderungen bedürfen gut ausgebildeter Spezialist*innen, welche genau diese hochkomplexen Situationen managen.

Internationale Beispiele aus den nordischen Staaten weisen langfristig sowohl eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung als auch eine Reduktion der Kosten für das Gesundheitsbudget nach, wenn ein entsprechendes Case und Care Managementsystem implementiert ist. Durch ein methodisches und systematisches Vorgehen zur individuellen Problemlösung bei Erkrankungen oder nach Unfällen können Kosten, welche durch das Fehlen solcher vernetzten und aufeinander abgestimmten Strukturen entstehen, verringert werden. Um dies jedoch auch in Österreich zu erreichen, müssen im Vorfeld sowohl strukturelle als auch organisatorische Maßnahmen implementiert werden, damit das System des Case und Care Managements vollinhaltlich umgesetzt werden kann. Dies bedeutet auch einen Investitionsbedarf in das Gesundheitssystem, da sowohl in die Ausbildung der handelnden Personen finanziert als auch Planposten geschaffen werden müssen. Erste Schritte wurden bereits durch die Einführung des Entlassungsmanagements getätigt. Ebenso gibt es bereits in vielen Einrichtungen Stellen mit dem Titel Case Management. Leider sind dies jedoch organisationsinterne Bezeichnungen, denen weder eine genormte Ausbildung noch ein standardisiertes Berufsbild zugrunde liegt. Dabei wäre ein strukturiert eingeführtes Case und Care Management durchaus ein Ansatz, welcher helfen würde, den heutigen Herausforderungen im medizinischen, pflegerischen und sozialen Bereich zu begegnen. Dieser ist gekennzeichnet durch hohe Komplexität und die Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Expert*innen. Des Weiteren steigen die Erwartungen der Patient*innen sowie deren Angehöriger laufend. Alle diese Tatsachen und Herausforderungen zwingen uns, mit größtmöglicher Professionalität zu handeln. Darauf ist ein gut implementiertes Case Management eine Antwort.

1.1Historischer Hintergrund

Die Wurzeln von Case und Care Management liegen laut internationaler Literatur in den USA und stammen aus dem Jahr 1863. Ein Arzt namens Samuel G. Howe engagierte sich in Boston für griechische Einwanderer, welche dringend Nahrung, Pflege und soziale Unterstützung benötigten. Er war Vorstandsmitglied der ersten amerikanischen und vielleicht auch weltweiten Wohlfahrtsorganisation Board of Charities of Massachussetts. In dieser Organisation wurde erstmals der Versorgungsbedarf von Immigrant*innen systematisch erhoben und koordiniert erbracht (vgl. Weber-Halter, 2011). Case Management hat also im Sozialbereich – das bedeutet: sowohl in der Pflege als auch in der sozialen Arbeit – seine Wurzeln. Beide Professionen arbeiten schon seit Jahrzehnten nach diesem Ansatz, ohne dies dezidiert so genannt zu haben (vgl. Weber-Halter, 2011).

Die ersten Ansätze, welche als Case Management bezeichnet wurden, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika. Aufgrund der hohen Anzahl an Kriegsverletzten mit bleibenden Einschränkungen oder psychischen Traumata wurde nach Systemen gesucht, diese Menschen möglichst selbstbestimmt, aber auch kostengünstig zu versorgen. Tatsache war, dass die Veteranen oft ungenügend behandelt, versorgt und gepflegt bzw. in institutionelle Einrichtungen abgeschoben wurden, welche ihnen jegliche Selbständigkeit und Selbstbestimmung nahmen. Man erkannte jedoch, dass diese Personen durch die systematische und koordinierte Betreuung durch Sozialarbeiter*innen und Gemeindeschwestern mithilfe einer mobilen Betreuung wieder selbständig leben und dadurch Kosten eingespart werden konnten. Aber nicht nur die Veteranen gehören in die Gruppe der „high cost patients“ (vgl. Weber-Halter, 2011). Auch Menschen in komplexen Krankheitssituationen wie chronisch Kranke, Patient*innen mit psychiatrischen Diagnosen, Menschen mit Beeinträchtigung und pflegebedürftige geriatrische Menschen gehörten dazu (vgl. Wendt, 2015). Ab den 1970er-Jahren förderte die amerikanische Regierung ein CaseManagement-Programm speziell für Obdachlose, Arbeitslose und pflegebedürftige alte Menschen (vgl. Weber-Halter, 2011).

Eine frühe Definition von Case Management von der National Conference on Social Welfare aus dem Jahre 1981 lautet: “Case Management is a process or method for ensuring that consumers are provided with whatever services they need in a coordinated, effective and efficient manner” (Amando et al., 1989, 5). Aus diesen Überlegungen heraus entstanden unterschiedliche Arbeitsmodelle, welche sich zu Beginn vor allem auf die Vermittlungstätigkeit („broker“) von Pflege- und Betreuungsleistungen fokussierten. Dabei halfen die Case Manager*innen den Betroffenen mithilfe ihres Netzwerkes, die entsprechenden Dienstleistungen und Hilfsangebote, welche zur weiteren Betreuung bzw. Rehabilitation notwendig waren, zu organisieren (vgl. Wendt, 2015).

In Großbritannien etablierte sich 1983 auf Basis der Community Care das System des Case Managements. Auch hier war der Druck zur Kostensenkung der Ausgaben für das Gesundheitswesen Grundlage dieser Entwicklung. Erste Erfahrungen wurden durch das Kent-Community-Care-Schema bereits seit den 1970er-Jahren gesammelt. Dabei erhielten Sozialarbeiter*innen ein Budget von zwei Drittel der Kosten der institutionellen Langzeitpflege für die mobile und teilstationäre Versorgung alter Menschen im Gemeindekontext. Da die Versorgung der Zielgruppe gut gemeistert werden konnte, wurde nachgewiesen, dass einerseits viele stationäre Versorgungen vermeidbar waren und andererseits das Case Management die Kosten für die Versorgung und Betreuung senken konnte (vgl. Wendt, 2015).

Im Zuge dieser Entwicklung beschloss das britische Parlament 1990 den National Health Service and Community Care Act, welcher festlegt, dass für die Bedarfsprüfung und Hilfsplanung sogenannte Care Manager*innen die Verantwortung tragen. Sie sind Ansprechpersonen der Betroffenen für die Zusammenstellung der fallbezogenen Hilfspakete. Da in diesem Prozess die Versorgungsplanung – d. h. die Zuerkennung von Leistungen sowie das Mitverwalten und Überwachen der Leistungserbringung unterschiedlicher Anbieter*innen – und nicht die personenbezogene Leistungserbringung der Fallsteuerung im Vordergrund steht, wird dieser Prozess vonseiten der britischen Regierung als Care Management bezeichnet. Dieses wird vor allem durch die Berufsgruppen Sozialarbeit und Community Nursing erbracht (vgl. Wendt, 2015).

Am europäischen Kontinent wurde aufgrund von ökonomischem Druck das Case-Management-System aus Amerika bzw. das Care Management aus Großbritannien ebenfalls übernommen. Ziel war es, Menschen mit hohen Versicherungskosten schnellstmöglich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern und den Versorgungspfad im Akutsetting so effizient wie möglich bzw. die Langzeitversorgungen kosteneffizient zu gestalten. Der Aspekt der Kostenminimierung ist heutzutage das wichtigste Argument bei der Implementierung von Case- und Care-Management-Strukturen, der ursprüngliche Ansatz der Menschlichkeit und Nächstenliebe ist heute nur noch zweitrangig (vgl. Weber-Halter, 2011).

1.2Definitionen

Das heutige Case Management (CM) in der Pflege beschäftigt sich mit Lösungsansätzen für komplexe Pflege- und Betreuungssituationen. Der Begriff Case Management oder, übersetzt, Fallführung bedeutet ein strukturiertes Vorgehen, geleitet durch methodische Grundlagen, welche auch in anderen Bereichen wie der Pädagogik, der Sozialarbeit oder der Medizin mit dem Ziel der Kostenreduktion eingesetzt werden. Die Definitionen von Case Management sind der zugrundeliegenden Intention geschuldet, daher gibt es keine einheitliche Definition dieses Ansatzes.

Von der Österreichischen Gesellschaft für Case und Care Management ist folgende Definition anerkannt:

„Case Management ist eine auf den Einzelfall ausgerichtete diskrete, d. h. von unterschiedlichen Personen in diversen Settings anwendbare Methode zur Realisierung von Patientenorientierung und Patientenpartizipation sowie Ergebnisorientierung in komplexen und hochgradig arbeitsteiligen Sozial- und Gesundheitssystemen.“ (Ewers, 2005; http://oegcc.at/wp-content/uploads/2013/10/Grundlagenpapier_2016.pdf; 6.1.2020)

Das Netzwerk Case Management Schweiz hat 2014 den Begriff Case Management in einen sehr wichtigen Kontext gestellt. Es betont die Bedeutung des Agierens über Organisationsgrenzen hinaus. Diese Definition lautet:

„Case Management ist ein Handlungskonzept zur strukturierten und koordinierten Gestaltung von Unterstützungs- und Beratungsprozessen im Sozial-, Gesundheits- und Versicherungsbereich. In einem systematisch geführten, kooperativen Prozess werden Menschen in komplexen Problemlagen ressourcen- und lösungsorientiert unterstützt und auf den individuellen Bedarf abgestimmte Dienstleistungen erbracht. Die Erreichung gemeinsam vereinbarter Ziele wird angestrebt. Case Management will Grenzen von Organisationen und Professionen überwinden und eine organisationsübergreifende Steuerung des Unterstützungsprozesses gewährleisten. Dazu werden Netzwerke initiiert und gepflegt. Case Management respektiert die Autonomie der Klientinnen und Klienten, berücksichtigt die Anforderungen des Datenschutzes und nutzt und schont die Ressourcen im Klient- sowie im Unterstützungssystem. Die bedarfsbezogene Weiterentwicklung des Versorgungsangebotes wird gefördert“ (Netzwerk CM-CH, 2014, 5).

Zentral in jeder Definition ist, dass beim Case Management immer der betroffene Mensch im Zentrum der Betrachtung steht. Von besonderer Wichtigkeit ist es, sich die originale Intention von Case Management anzusehen, diese Verschränkung und Vernetzung der unterschiedlichen Gesundheitsanbieter mit ihren verschiedenen Spezialisierungen und Tätigkeitsbereichen. Erst diese über die Organisationsgrenzen hinaus bestehenden Kooperationen erlauben einen für die betroffene Person optimalen Versorgungsansatz. Dieser wichtige Punkt fehlt allerdings in der österreichischen Definition. Dies ist jedoch der zentrale Ansatz von Case Management, welcher dieses Konzept auszeichnet.

Der Begriff Care Management bezieht sich heute auf die systemische Komponente des Case Managements. Die Österreichische Gesellschaft für Case und Care Management definiert den Begriff wie folgt:

„Care Management meint die System- und Versorgungssteuerung, die fallübergreifend und einrichtungsübergreifend bedarfsgerechte Hilfen im Sozial- und Gesundheitswesen koordiniert, organisiert und die strukturellen Voraussetzungen dafür im Gemeinwesen/in der Region aufzeigt.“ (http://oegcc.at/wp-content/uploads/2013/10/OeGCCGrundlagenpapier_ 2 90711. pd; 2.2.2020)

Dabei ist das Care Management auch zuständig für die Analysen des Schnittstellenmanagements und damit verantwortlich für eine qualitativ hochwertige, jedoch im Sinne der Kosten effiziente Organisation zwischen den unterschiedlichen Versorgungsebenen. Die Instrumente des Care Managements sind Service- und Leitstellen sowie deren Beratungsfunktion und die Bildung von Versorgungsnetzen. Hans-Peter Bischof verdeutlicht dies in seiner Definition von Care Management:

„Care Management zielt auf die reibungslose integrierte Organisation von Versorgungsleistungen durch den Aufbau und die Etablierung von organisationsinternen, organisationsübergreifenden und regionalen Netzwerken, auf die dann im Einzelfall zurückgegriffen werden kann.

Durch Care Management werden die Abläufe verbessert, Beteiligte vernetzt, Kooperationen gefördert und somit die Kontinuität der Versorgung und die Effektivität der Leistungen sichergestellt.“ (https://slideplayer.org/slide/7759395/; 2.2.2020)

Care Management trägt dafür Sorge, dass die Versorgungsleistung auf dem adäquaten, d. h. notwendigen Level erfolgt, um somit unnötige Kosten für das Gesundheits- und Sozialwesen zu ersparen (vgl. Schwarz et al., 2012).

Was anhand der zahlreichen und doch teilweise unterschiedlichen Definitionen zum Thema Case und Care Management, welche in der Literatur zu finden sind, anschaulich wird, ist, dass es kein einheitliches Verständnis dieses Begriffs gibt. Dies erschwert die internationale Vergleichbarkeit von Studien zu diesem Thema. Des Weiteren führt es dazu, dass selbst in Österreich unterschiedlichste Tätigkeiten und Aufgaben als Case Management bezeichnet werden, ohne dass es vonseiten der Gesetzgebung klare Regelungen zu den Themen Ausbildung, Tätigkeitsbereich und Kompetenzen dieser Berufsgruppe, der Case Manager*innen, gibt.

Was jedoch klar ist, sind die wissenschaftlichen Ebenen, auf denen Case und Care Management agiert.

Betrachten wir Case und Care Management heute, sind es drei Ebenen wissenschaftlichen Handelns, die uns interessieren:

1.Auf der Makroebene sollte Case Management ein integrierter Bestandteil der Gesundheitsversorgung sein. Dies bedeutet, dass im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik das Konzept des Case Managements implementiert sein sollte. Grundlage dafür ist das Care Management, auf das in Kapitel 2 noch genauer eingegangen wird (vgl. Weber-Halter, 2011).

2.Im Bereich der Betriebskultur und damit auf der Meso-Ebene sollte das Handeln der verantwortlichen Pflegepersonen durch die Prinzipien der Fallsteuerung bestimmt sein. Dies bedeutet, dass ein nach den Prinzipien das Qualitätsmanagements implementiertes Entlassungsmanagement vorhanden ist, welches auch personell entsprechend den Anforderungen besetzt ist. Der in Österreich gültige Qualitätsstandard für Aufnahme- und Entlassungsmanagement wird in Kapitel 10 vorgestellt (vgl. WeberHalter, 2011).

3.Die Mikroebene bestimmt die Umsetzung von Case Management auf der persönlichen Ebene im direkten Patientenkontakt. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind die Unterstützungsnetzwerke und die Kooperation der Fachkräfte untereinander, mit externen Dienstleister*innen, mit den Patient*innen sowie deren Vertrauenspersonen. Case Management ist dann sinnvoll und gut implementiert, wenn das Verfahren oder der Prozess bedarfsorientiert eingesetzt wird und so die individuelle Situation der Betroffenen bestmöglich strukturiert unterstützt wird (vgl. Weber-Halter, 2011).