Cataleya - Claudia Fischer - E-Book

Cataleya E-Book

Claudia Fischer

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Beschreibung

"Ich liebe den Moment, wenn Menschen begreifen, dass ich dabei bin sie zu töten. Ich halte ihre Hand und geleite sie sanft." Cataleya, ein fünfzehnjähriges, unscheinbares Mädchen mit dem Namen einer Blume, bewahrt schreckliche Geheimnisse hinter den dunklen Augen. So wie die Cattleya Orchidee jahrelang ihre Schönheit in einer Knospe verhüllt, schlummert auch das Verderben tief verborgen, bis es hervorbricht. Unerklärliche Todesfälle im verschlafenen Städtchen Ashland in Oregon geben der Polizei Rätsel auf. Sind es Unfälle oder Morde? Gibt es einen Zusammenhang? Aus Misstrauen wird erst Gewissheit, als der Tod immer öfter zuschlägt. Keiner ist mehr sicher, denn das Böse kennt keine Gnade.

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Seitenzahl: 288

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Buchbeschreibung:

Cataleya, das Mädchen mit dem Namen einer Blume, hat ein besonderes Hobby: Sie tötet gerne.

Unterstützt wird sie dabei von ihren Geschwistern Neela und Joshua, die drei ergeben ein mörderisches Trio.

Doch was steckt dahinter? Gibt es das Böse wirklich?

Nicht nur die Polizei muss diese Frage beantworten.

Achtung: Dieses Buch enthält diverse sensible Inhalte.

Über die Autorin:

Claudia Fischer, geb. 1965, stammt aus einem kleinen Ort in Bayern.

Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Lange Zeit war sie Realschullehrerin und unterrichtete dort Englisch und Musik, wurde jedoch wegen einer Erkrankung frühpensioniert. Seitdem ist sie Vollzeit-Autorin und Lektorin.

Das Schreiben begleitet sie ihr ganzes Leben. Ihre Geschichten spielen vor dem Hintergrund des amerikanischen Wilden Westens, sie ist seit ihrer Jugend davon fasziniert, was sich auch in den Abby-Romanen zeigt, die das Leben der Banditen Butch Cassidy und Elzy Lay thematisieren.

Ihr anderes Genre ist Thriller, etwas, das sie schon immer mit Begeisterung las.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Nachwort der Autorin

1. Kapitel

Cataleya

Ashland, Oregon

Freitag, 13. April 2018, 6:50 Uhr

Mit dem Block auf den angezogenen Knien und dem Stift erwartungsvoll in der Hand liege ich auf meinem Bett und überlege, wie ich beginnen soll. Mein Blick fällt auf eines meiner Kinderbücher im Regal und ich blättere kurz darin. Diese kitschigen Bilder, wie habe ich sie früher geliebt. Blümchen, Tiere, und dann die kleinen Sprüche, so wie dieser hier:

Ich liebe nämlich Abzählreime, sie erinnern mich an meine Kindheit, an unsere Spiele, die freudige Erwartung und den kleinen Kitzel im Magen, wenn der Reim zu Ende geht und es dich trifft.

Ja, wir sind der Kinder dreien, nur sind wir inzwischen beinahe erwachsen, wir sitzen nicht mehr in einem Busch, sondern wir nützen andere Schatten, um unser Tun zu verbergen. Und noch ein Unterschied, es trifft die anderen, nicht uns.

Doch der Kitzel ist ungebrochen, er ist sogar angewachsen und ich habe das Gefühl, er wird mit jedem Mal größer.

Unseren ersten Mord begingen wir vor genau zwei Jahren. Es war aufregend, wir hatten es nicht einmal wirklich geplant, es geschah eher spontan und hinterher lagen wir uns lachend in den Armen.

Ich bin die Jüngste und diejenige, die handelt, meine ältere Schwester und mein Bruder beschützen mich, und inzwischen hecken wir alles bis ins kleinste Detail aus, so dass ich meinem Vergnügen nachgehen kann, ohne Gefahr zu laufen, erwischt zu werden.

Wir sind schlau, niemand würde vermuten, welch schwarze Gedanken wir hegen, niemand traut uns zu, etwas Böses im Sinn zu haben. Meine Schwester ist die freundlichste und hilfsbereiteste Person, die man sich vorstellen kann. Mein Bruder ist schüchtern und von ausgesuchter Höflichkeit und ich, ja, ich bin die Kleine, die unschuldig dreinblickt und die Herzen rührt.

Ach, wenn sie alle wüssten, …

Aber vielleicht sollte ich von vorne beginnen und uns alle erst einmal vorstellen?

Wir sind die Familie Morton und wir wohnen in Ashland, nahe der Stadt Medford in Oregon, etwa 75 Meilen von der Pazifikküste und 25 Meilen von der Kalifornischen Grenze entfernt. Das Klima ist wärmer hier, als man für die nördliche Lage vermuten könnte, aber ich liebe es, wenn im Winter der Nebel aufzieht und tagelang nicht verschwindet. Diese Düsternis hat etwas Wundervolles, niemand sieht genau, was nebenan passiert, man kann tun, was man will, ohne beobachtet zu werden, und genau so ist unser Leben. Wir haben immer den Nebel um uns, es ist, als seien wir unsichtbar, Schemen in einer Welt, die zu arglos ist, um unser Tun zu durchschauen.

Unsere Mutter Delilah arbeitet als Ärztin in einer psychiatrischen Klinik und das ist ein harter Job, man kann ihr das täglich ansehen, wenn sie nach Hause kommt.

Meine Schwester Neela ist 19 und studiert an der hiesigen Southern Oregon University, mein Bruder Joshua ist 17, er ist ein Junior, das heißt, er ist im dritten Jahr, und ich bin 15, und bereits ein Sophomore, also im zweiten Highschool Jahr, denn ich übersprang eine Klasse, da man beschied, ich sei hochintelligent.

Als wir noch alle drei gemeinsam an der Highschool waren, machten wir uns sogar einen Spaß daraus, denselben Psychologiekurs zu belegen, um unserer Mutter eine Freude zu bereiten, so sagten wir, doch in Wahrheit holten wir uns dort viele Ideen für unsere nächsten Unternehmungen.

Ach so, ich sollte mich auch vorstellen, ich heiße Cataleya.

Sie wissen, dass mein Name von einer Orchidee stammt? Und zwar von der südamerikanischen Orchideengattung Cattleya. Diese Blume wurde zu Ehren des britischen Gartenbauspezialisten Sir William Cattley so benannt. Die Blüten der Cattleya sind meist rosa oder gelb, manchmal auch weiß und sie duften angenehm. Ich mag zwar keine dieser Farben, sie passen nicht zu mir, doch ich liebe den Gedanken, dass bei Orchideen die Blüte sehr lange im Verschlossenen bleibt. Genauso ist es bei mir, die Frucht ist eigentlich reif, aber niemand weiß, wann all das Schöne sichtbar werden wird.

Was gibt es noch zu unserer Familie zu sagen?

Unser Vater Robin starb vor zwei Jahren und ja, nun können Sie es vielleicht schon erraten, er starb durch meine Hand. Ich denke so gern daran zurück an diesen Moment, an dem ich ihn über die Klippen stieß, an seinen fassungslosen Blick. Das Letzte, was er in seinem Leben hörte, war unser Gelächter.

Wir mussten natürlich Trauer vortäuschen, es war nicht schwer, wir hatten ja Tränen gelacht, man tröstete uns, brachte uns zu ausgebildeten Psychologen, die mit uns verarbeiten sollten, was wir erlebt hatten, wir spielten unsere Rollen ausgezeichnet.

Ausgerechnet ich machte einen kleinen Fehler, ich passte nicht auf, als ich ein Bild über meine seelische Verfassung zeichnen sollte.

Das Bild verriet mich, die Psychologin erkannte wohl sofort, wen sie vor sich hatte, es half nichts, sie brachte sich kurze Zeit später um, so hieß es zumindest, die Wahrheit sah natürlich anders aus. Den Testbericht über mich vernichteten wir, niemand sollte ihn je zu Gesicht bekommen. Wobei ich ihn gerne und teils mit Stolz gelesen hatte, ganze Sätze kann ich noch daraus zitieren, aber ich ärgerte mich über den Schluss:

„Cataleya ist ein hochintelligentes Mädchen mit dissozialer Störung. Das Gefühl für Recht und Unrecht sind bei ihr nicht vorhanden, weitere Testungen und ein stationärer Aufenthalt sind anzuraten!“

So weit käme das noch, dass man mich ins Irrenhaus sperrt, vielleicht sogar noch zu meiner Mutter, nein, das hat Mutter nicht verdient, sie arbeitet so schwer, sie muss weiter geschützt werden und darf nicht wissen, dass ihre Kinder so aufregende Geheimnisse haben.

Sie fragen sich bestimmt, wie wir es schafften diesen Selbstmord vorzutäuschen. Es war so einfach. Die junge Dame war sehr empfänglich für den Charme meines Bruders, er war beinahe 16 und lud sich bei ihr ein. Angeblich wollte er mit ihr über mich sprechen, er weinte ihr vor, dass ich verrückt sei und er Angst vor mir hätte, ach er spielte seine Rolle so gut, sie nahm ihn tröstend in den Arm, meine Schwester und ich saßen vor der Tür und hörten alles mit. Wir mussten uns das Lachen verbeißen. Es war einfach nur herrlich, wir freuten uns darauf, sie bald tot zu sehen. Sie bemerkte nicht, dass mein Bruder ein kleines Pülverchen in ihr Glas schüttete. Sie hatte ihm Limonade angeboten und trank selbst welche, Limonade, ich bitte Sie, was ist das für eine lausige Gastgeberin?

Das Pülverchen machte sie sehr benommen und zu einem Spielball meines Bruders, er bat sie um Wein und sie schenkte sich und ihm ein. Als mein Bruder uns ins Zimmer ließ, lag sie lallend auf der Couch.

Meine Schwester hielt sie fest und ich setzte die Flasche Wein an, flößte sie ihr ein, sie weigerte sich anfangs noch, doch sie hatte keine Chance, je mehr sie trank, desto willensschwächer wurde sie. Auch eine zweite Flasche leerte sie.

Wir trugen sie schließlich in ihr Auto, das in der Garage stand, nahmen ihre Hand, um die Türen zu öffnen und den Motor zu starten, legten ihr noch eine weitere Flasche Wein in den Arm und ließen sie dort liegen.

Natürlich blieben wir noch eine Weile, wir wollten sichergehen, dass sie nicht mehr aufwachte.

Nebenbei machten wir alles sauber, mein Bruder hatte genau wie meine Schwester und ich von Anfang an Handschuhe getragen und Miss Watson weisgemacht, er hätte eine Art Krätze an den Händen, so schöpfte sie keinen Verdacht.

Das Limonadenglas packten wir ein als Souvenir, es steht auf dem Regal über meinem Bett, ich betrachte es immer wieder gerne und die Erinnerungen erfüllen mich.

Später erfuhren wir, dass Miss Watson nicht einmal an den Abgasen gestorben, sondern an Erbrochenem erstickt war. Auch gut, egal wie, sie konnte nichts mehr über mich verraten und ich passte seitdem auf, was ich von mir gab.

Zum Glück findet man im Arbeitszimmer unserer Mutter genug Literatur darüber, wie man sich zu verhalten hat, damit man in der Gesellschaft geliebt wird, und es ist notwendig für mich, darüber Bescheid zu wissen und mich entsprechend zu benehmen.

Sei immer freundlich und höflich, voller Respekt gegenüber Erwachsenen und Lehrern, achte und ehre deine Eltern und sei fleißig in der Schule.

Nichts leichter als das!

Sherilyn Brown

Sherilyn erwachte wie immer kurz nach sechs Uhr, heute war Freitag der 13., das war das Erste, an das sie dachte, während sie sich schwungvoll aus dem Bett erhob und sich mit Morgengymnastik auf den Tag einstimmte. Schließlich wollte sie fit und beweglich sein für die nachmittägliche Trainingsstunde an der Highschool, sie war im Leichtathletikteam und bei den Cheerleadern und sehr ehrgeizig.

Aber bestimmt würde heute etwas Schlimmes geschehen, mit so einem Datum erwartete man es einfach.

Sie war 16 Jahre alt und ging gern zur Schule, dort waren ihre Freunde und die geliebten Sportstunden. Wenigstens im Sport war sie die Beste, in allen anderen Fächern war diese Cataleya Morton nicht zu schlagen, das war wirklich ein Ärgernis, denn Cataleya war noch dazu ein Jahr jünger und ihr schien alles zuzufliegen.

Viele wollten Cataleyas Freundschaft, schon wegen ihres attraktiven Bruders Joshua, auf den Sherilyn selbst ein Auge geworfen hatte. Es hieß, er habe noch niemanden für den Abschlussball und beinahe jedes Mädchen der Highschool stellte sich in Positur, wenn Josh ihr begegnete.

Er hatte aber auch eine lässige Art, die dunklen, glatten Haare trug er straff zurückgekämmt, doch oft fielen sie ihm über die Stirn und verdeckten seine fast schwarzen, ein wenig schräggestellten Augen, und er war sportlich und muskulös.

Sherilyn träumte sich schon lange in seine Arme, sie sehnte sich danach, seinen Mund zu küssen, der sich zu einem unglaublich sexy schiefen Lächeln verzog, wenn er Mädchen zunickte.

Er hatte immer wieder Freundinnen, aber nie für lange Zeit.

Was wäre es für ein Triumph, an seiner Seite zum Abschlussball zu gehen, sie wäre sofort die Ballkönigin und jeder würde sie beneiden.

Schon deshalb stellte sie sich mit Cataleya gut, versuchte stets, mit ihr in Arbeitsgruppen zu gelangen, und saß meistens neben ihr in den verschiedenen Kursräumen.

Dabei brauchte Cataleya niemanden, sie hatte keine vertraute Freundin, sie interessierte sich nur für den Schulstoff und ihren Bruder.

Meistens verbrachten die beiden die Mittagspause gemeinsam, früher waren sie dabei von ihrer älteren Schwester Neela begleitet worden. Neela war Schulsprecherin gewesen und genoss einen hervorragenden Ruf. Sie war mit dem letztjährigen Footballstar der Schule zum Abschlussball gegangen und hatte jedem die Schau gestohlen.

Cataleya besaß so gar nichts von diesem Glanz. Sie wirkte unscheinbar, war auch kleiner als ihre Geschwister und trat nur durch ihre Schulleistungen hervor. Gewöhnlich saß sie mit ausdruckslosem Gesicht im Unterricht, wirkte beinahe verächtlich, als wüsste sie schon alles, was die Lehrer ihnen beizubringen versuchten, und Sherilyn hatte den begründeten Verdacht, dass das tatsächlich so war.

Sie zog sich sorgfältig an, schminkte sich im Rahmen des Erlaubten, denn es gab strenge Regeln an der Highschool, und band die langen blonden Haare zu einem Zopf.

Zusammen mit ihrer Mutter nahm sie ein kräftiges Frühstück ein und dann war es auch schon Zeit, aufzubrechen. Wie immer verzichtete sie auf den Bus, joggte die eineinhalb Meilen bis zur Schule und bremste sich vorher ab, um völlig entspannt und locker das Gebäude betreten zu können. Sie eilte zum Spind und holte ihre Schulsachen heraus.

Aus den Augenwinkeln entdeckte sie Cataleya, die gerade mit ihrem Bruder durch den Gang schlenderte und den Spind gegenüber öffnete. Josh hielt einstweilen ihre Tasche.

Sherilyn winkte ihr zu und Cataleya hob höflich ihre Hand. Man konnte dem unnahbaren Mädchen viel nachsagen, sie achtete peinlich genau darauf, niemanden vor den Kopf zu stoßen.

Josh grüßte ebenfalls mit einem freundlichen Nicken und Sherilyn liefen angenehme Schauder über den Rücken. Vielleicht war es doch kein so schlechter Tag. Angestrengt überlegte sie, wie sie Cataleya ansprechen konnte.

„Hast du alle Aufgaben in Literatur bearbeitet?“, wollte sie daher wissen. „Ich hatte bei der dritten Frage echt Probleme, aber Google half.“

„Ich fand das Ganze einfach!“, gab Cataleya gelangweilt zurück.

„Was musst du auch Literatur belegen!“, spottete Josh. „Das ist wohl das uninteressanteste Fach der gesamten Highschool!“

Cataleya reagierte zornig.

„Nur, weil du nicht lesen magst. Die besten Inspirationen kommen aus Büchern, wie du nur zu gut weißt!“, fuhr sie ihren Bruder an.

Josh blinzelte Sherilyn zu und sie lachte, denn sie merkte, dass Josh seine Schwester nur ärgern wollte.

Cataleya drehte sich um, bedachte Sherilyn mit einem taxierenden Blick und verdrehte genervt die Augen.

„Das ist übrigens Sherilyn!“, stellte sie seufzend vor. „Sie belegt fast dieselben Kurse wie ich.“

„Hi, Sherilyn, ich bin Josh! Nett dich zu treffen. Essen wir gemeinsam zu Mittag?“

Sherilyn glaubte, zu schweben vor Glück. Ihre schönsten Träume wurden wahr. „Ja, gerne!“, strahlte sie.

Seit wann war Freitag der 13. ein Unglückstag?

Sie betrat an Cataleyas Seite den Kursraum, während Josh in seine eigene Klasse verschwand.

Der Literaturkurs war interessant wie immer, die Lehrerin, Mrs.

Powell, schaffte es ohne große Mühe, die Schüler und Schülerinnen mit ausgewählten Büchern in ihren Bann zu ziehen. Sherilyn vernahm zu ihrer Freude, dass ihre mühsam angefertigte Hausaufgabe volle Punktzahl ergattert hatte, genau wie Cataleyas, aber das war nicht anders zu erwarten gewesen.

Nach zwei Stunden war kurze Pause, dann ging es auch schon in den Geschichtskurs. Sie bekamen die Resultate ihrer letzten Klassenarbeit und Sherilyn freute sich über ein A+. Kurz las sie ihre Antworten und die wenigen, ermunternden Korrekturen des Lehrers, Mr. Bender, durch und warf dann einen Blick zu Cataleya, wollte mit ihr vergleichen, wie sie es oft tat.

Sie erschrak zutiefst.

Cataleya saß vor ihrer Arbeit, auf der ein großes rotes B prangte.

Ihr Gesicht war leichenblass und vor Wut verzerrt. Sie hatte die Hände ineinander geradezu verkeilt, es sah aus, als sei sie kurz davor, sich sämtliche Fingerknochen zu brechen.

Cataleya hatte nicht volle Punktzahl? Wie konnte das sein? Und anscheinend war sie fassungslos deswegen.

Sherilyn wusste nicht, wie sie reagieren sollte, vor allem fühlte sie natürlich auch unbändigen Stolz, dass sie ein einziges Mal besser war als Cataleya, das war noch nie vorgekommen.

„Ein B ist doch nicht so schlimm“, versuchte sie, zu trösten. „Du hast so gute Noten, da macht das bestimmt nichts aus!“

„Ach ja?“, fragte Cataleya mit so eisiger Stimme, dass Sherilyn verstummte, und hob ihre Hand.

Mr. Bender näherte sich und meinte begütigend: „Sie haben da einiges fehlinterpretiert, Sie sind über das Ziel an zwei oder drei Stellen hinausgeschossen, Miss Morton.“

„Wie wollen Sie das beurteilen? Sie haben doch keine Ahnung!“

„Miss Morton, Sie vergessen sich, bleiben Sie bitte sachlich. Sie wissen sehr viel, aber denken Sie daran, dass Sie die Schülerin sind und ich der Lehrer!“

Cataleya zuckte unmerklich zusammen. Ihr Ausdruck veränderte sich, sie wurde wieder zu einem netten Mädchen.

„Verzeihen Sie, Mr. Bender“, flötete sie, und Sherilyn hörte heraus, wie unecht diese Entschuldigung klang.

„Sie haben natürlich recht, hätten Sie vielleicht Zeit, mir genau zu erklären, was ich falsch machte?“

Mr. Bender schien erleichtert.

„Selbstverständlich! Kommen Sie morgen in meine Sprechstunde um 16 Uhr! Da können wir alles klären!“

„Um 16 Uhr kann ich leider nicht, wir haben Training.“

„Dann werden wir einen anderen Termin finden, sie haben meine E-Mail-Adresse, schreiben Sie mich an!“

„Gerne Mr. Bender!“

Der Lehrer wandte sich anderen Schülern zu und Cataleya nahm ihre Arbeit und knüllte sie langsam zusammen. Ihr Gesicht war voller Hass.

Sherilyn fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Doch dann überwog die Vorfreude auf das Mittagessen mit Josh und den Rest des Unterrichts träumte sie vor sich hin, sie konnte es sich ja leisten, sie hatte ein A+ erhalten.

Als es nach einem anschließenden langweiligen Mathematikunterricht endlich zur Mittagsstunde läutete, schien Cataleya sich beruhigt zu haben. Sie war herablassend freundlich wie immer, sie sprach sowieso wenig, man kannte sie gar nicht anders. Sherilyn verdrängte das ungute Gefühl, das sie gehabt hatte, es war klar, die erfolgsverwöhnte Cataleya konnte ein B nicht so leicht verkraften und auf sich sitzen lassen.

Sie betraten gemeinsam die Kantine und holten sich Essen.

Sherilyn ernährte sich sehr gesund und vegetarisch, schon lange, sie achtete auf sich, ihr Ziel war schließlich, Sport zu studieren, sie war eine ausgezeichnete Leichtathletin und bereits auf vielen Wettkämpfen als Siegerin hervorgegangen.

Cataleya dagegen lud sich achtlos ein Fleischgericht auf ihr Tablett und nahm eine Cola light dazu. Sie ging voraus zu ihrem Bruder, der schon an einem Tisch saß und für sie freigehalten hatte.

Josh stand höflich auf, als Sherilyn sich zu ihnen setzte, was sie ein wenig komisch fand. Niemand sonst tat das.

Sherilyn hatte erwartet, dass Cataleya sich über Mr. Bender auslassen würde, doch sie erwähnte ihn mit keinem Wort.

Das Mädchen stocherte im Essen herum und ließ schließlich einen halb leergegessenen Teller zurück. Sherilyn dagegen aß wie immer mit gesundem Appetit und plauderte mit Josh, der sie offensichtlich näher kennenlernen wollte und ihr viele Fragen stellte.

Sie war geschmeichelt wegen seiner Aufmerksamkeit und überglücklich. Sie fühlte förmlich die bohrenden Blicke anderer Mädchen, die sich glühend an ihre Stelle wünschten.

So richtete sie ihren Rücken extra gerade und vergaß nicht, ab und zu mit einem strahlenden Lächeln Freundinnen zuzuwinken.

Es blieb nicht aus, Susan, ihre Kameradin seit Kindertagen, gesellte sich zu ihnen.

„Hi, Sheril, hi, Cataleya, hallo Josh!“, flötete sie und stellte ihre Kurven gekonnt zur Schau.

„Hi, Susan“, kam es lustlos von Cataleya, während Sherilyn ihre Freundin schon etwas freundlicher begrüßte.

Auch Josh nickte ihr lächelnd zu.

Susan kannte keine Hemmungen. „Josh, stimmt es eigentlich, dass du noch niemanden für die Prom hast? Ich bin übrigens auch noch frei!“, hauchte sie mit einer Stimme, von der wohl nur Susan selbst überzeugt war, dass sie sexy klang.

Der betörende Blick, mit dem sie ihn zusätzlich bedachte, war schon fast peinlich und Sherilyn errötete für ihre Freundin. Am liebsten wäre sie unter dem Tisch versunken.

Doch Josh meisterte die Situation mit Bravour.

Er verzog seine Mundwinkel zu diesem schiefen Lächeln, das Sherilyn so liebte, und aus seinen Augen blitzte der Spott förmlich heraus. „Wie kann so ein hübsches Mädchen noch keinen Partner haben?“, flirtete er ungeniert. „Sind die Jungs hier denn blind? Ich würde dich ja sofort fragen, doch leider, leider bin ich schon vergeben!“

Sowohl Sherilyn als auch Susan sogen enttäuscht die Luft ein.

„Ach, du hast schon jemanden? Wer ist es denn?“, wollte Susan wissen.

Josh blinzelte Sherilyn zu.

„Ich habe gerade Sheril hier gefragt und sie sagte ja!“, log er und trat unter dem Tisch leicht auf Sherilyns Fuß.

Cataleya stieß einen kleinen, genervten Seufzer aus, ansonsten blieb sie stumm.

Sherilyn errötete noch mehr, aber ging sofort darauf ein. Natürlich machte Josh einen Witz und meinte das nicht ernst, doch sie würde ihn nicht verraten.

„Ja“, strahlte sie. „Das stimmt!“

„Dann gratuliere ich euch beiden, das sind aufregende Neuigkeiten!“, rief Susan und verschwand, um diese Tatsache sofort unter die Leute zu bringen.

Sherilyn bemerkte aus den Augenwinkeln, wie ringsum Getuschel einsetzte und inzwischen glühte sie vor Verlegenheit beinahe, ihr Gesicht war bestimmt tomatenrot.

Cataleya starrte sie mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht an, er war nicht zu deuten, und Sherilyn fühlte sich wieder unbehaglich.

„Jetzt werdet ihr miteinander hingehen müssen!“, meinte Cataleya schließlich. „Da kommst du nicht mehr raus, Josh!“

„Ich hoffe es!“, antwortete er und blinzelte Sherilyn wieder zu.

„Du hast doch noch keinen anderen Partner?“

„Nein!“

„Alles Idioten hier!“, lachte er. „Dann frage ich dich also ganz offiziell, ob du mit mir zur Prom gehen möchtest! Willst du?“

„Ja, gern!“, strahlte Sherilyn.

Am Freitag, den 13. wurden Träume wahr.

Wer hatte jemals behauptet, das sei ein Unglückstag?

Cataleya

Es ist jetzt Mittagspause.

Ich musste meine Ausführungen heute Morgen unterbrechen, denn wie alle anderen muss ich zur Schule.

Überhaupt ist die Schule ein Ort, an dem ich mich wirklich wohlfühle.

Die meisten Lehrer sind zwar dumm, aber immerhin klug genug zu erkennen, dass ich intelligenter bin als alle anderen, und so geben sie mir stets beste Noten. Alles andere würde ihnen nicht gut bekommen, man erinnere sich nur an den Sportlehrer Mr. Frings, der vor etwa einem Jahr meine Schwester auslachte, weil Neela einen Ball nicht fangen konnte.

Mr. Frings überlebte das nicht. Er machte es uns einfach, er ist ein begeisterter Kletterer und eines Tages hatte er einen bösen Unfall in den Bergen, der mit einem nicht richtig gesicherten Haken in der Felswand zusammenhing.

Meine Geschwister hatten mich von oben herabgelassen und ich konnte den Haken mit einem Hammer lockern, gerade, als Mr. Frings beinahe meine Höhe erreicht hatte. Er war sehr erstaunt, als er mich entdeckte, aber lange hielt seine Überraschung nicht, er fiel 300 Fuß tief, das reichte.

Das Begräbnis war herzzerbrechend, die ganze Schule trat an, alle weinten, Mr. Frings war ein sehr beliebter Lehrer gewesen. Eigentlich schade um ihn.

Meine Schwester hielt als Schülersprecherin eine ergreifende Trauerrede.

Sie sah wirklich wunderschön aus mit ihren langen schwarzen Haaren, die sie ordentlich zusammengebunden hatte, und sie vergoss ein paar wirkungsvolle Tränen. Ich war so stolz auf sie.

Ja, meine Schwester Neela ist sehr beliebt, sie war auch eine der besten ihres Jahrgangs, die Universitäten rissen sich um sie, doch sie blieb in Ashland, sie wollte nicht weg von zuhause und das war uns allen natürlich lieber so.

Alle bewundern sie und nun stand sie am offenen Grab und erzählte mit stockender Stimme, was für ein großartiger Mensch Mr. Frings war.

Man glaubte ihr, denn sie spielte es so gut, und keiner außer mir hatte ja sein panisches, schreckverzerrtes Gesicht gesehen, als er abstürzte, oder seinen entsetzten Aufschrei gehört, der in kürzester Zeit verstummte. Vielleicht hätten sie dann genauso lachen müssen wie ich.

Ich halte nichts davon, die Menschen leiden zu lassen. Sie sollen schnell sterben, aber ich genieße es, dafür verantwortlich zu sein. Ich, die Herrin über Leben und Tod, dieser Gedanke gefällt mir. Ich glaube, ich würde ein guter Henker werden, vielleicht sollte ich in einen Staat ziehen, in dem die Todesstrafe noch vollzogen wird, wie Texas zum Beispiel. Ich würde gerne die Spritze geben, würde den Knopf drücken, ich würde es genießen, zuzusehen, wie der Mensch vom Leben zum Tod gleitet.

Den elektrischen Stuhl dagegen lehne ich ab, es ist zu viel Leid dabei, zu viel Schmerz. Und man kann dem Sterbenden die Hand nicht halten, er sitzt ganz allein mit seiner Angst, und die Stromstöße müssen schreckliche Schmerzen auslösen, zumindest denke ich mir das.

Man sieht ja auch auf Filmaufnahmen, wie die Menschen sich gequält aufbäumen. Nein, das wäre nichts für mich.

Ich finde, wir sind mit unseren Opfern immer human umgegangen, es war rasch vorbei und erfolgte sehr unerwartet.

Aber wo war ich? Genau, bei der Beerdigung. Das ist eine meiner großen Schwächen, ich bleibe nicht immer beim Wesentlichen, lasse mich fortreißen.

Neelas Rede rührte alle Zuhörer zu Tränen. Mich auch, ja, ich bin manchmal sogar zart besaitet. Ich stand neben meinem Bruder und er ergriff meine Hand, es sah bestimmt rührend aus, auch als er sich zu mir beugte und mir tröstend etwas zuflüsterte.

Dabei musste ich mir mit aller Macht das Lachen verbeißen, denn Josh hatte mir alles andere als Trost vermittelt, er hatte einen bösen Spruch losgelassen, der mit Mr. Frings und seiner stets zu engen Sporthose zusammenhing. Man konnte alles sehen, wenn man wollte, wahrscheinlich war er stolz darauf gewesen.

Ich barg mein Gesicht in den Händen, damit niemand sah, wie ich kicherte.

Meinen Bruder erregt es immer, wenn wir jemanden ins Jenseits schicken. Er spricht nicht mit mir darüber, aber ich weiß, dass er dann die Nacht bei Neela verbringt. Ich höre sie manchmal, denn Neelas Zimmer grenzt an meines.

Jetzt am Grab fühlte ich auch, wie er ein wenig zitterte und meine Hand umklammerte. Er hatte schon ein paarmal versucht, in mein Bett zu kommen, doch ich will das nicht und Neela verbot es ihm. Er murrt deswegen, fordert, wir sollten eine richtige Gemeinschaft sein und alles miteinander teilen, doch da halten Neela und ich fest zusammen.

Sie sagt, ich sei noch zu jung und sie bestimmt.

Das gestehe ich ihr neidlos zu, sie ist die Älteste und auch wenn ich klüger bin als sie, weiß sie einfach besser, wie man mit Menschen umgeht und was jeweils zu tun ist, damit man nicht auffällt.

Außerdem ist sie hübscher als ich, an ihr sieht jedes Kleid fantastisch aus, sie könnte Fetzen tragen und würde herumstolzieren wie ein Supermodel.

Josh ist immer so ungeduldig. Er ist eben ein Mann und Männer sind anders, nicht so kühl und überlegt wie wir Frauen, es ist unsere Aufgabe, die Männer im Zaum zu halten, und sei es mit Sex.

Josh würde beim Töten nie selbst Hand anlegen, aber er feuert mich an, das heißt, ich brauche natürlich keinen Zuspruch, für mich ist das, was wir tun, ein Vergnügen, nichts im Leben macht mir mehr Freude.

Mr. Frings‘ Beerdigung war so schön gewesen, ich wollte so etwas so schnell wie möglich wieder erleben, all die Menschen, die vielen Blumen, die Reden, nie wieder erfährt der Mensch so viel Beachtung und Wertschätzung wie bei seinem Begräbnis. Daher tun wir unseren Opfern doch eigentlich einen Gefallen, sie sind einmal in ihrem Leben im Mittelpunkt und werden von allen geliebt, egal wie jammervoll ihr Dasein vorher gewesen war.

Es gibt Tränen und keiner sagt etwas Böses oder Schlechtes, genaugenommen ist eine Beerdigung das schönste Fest, das ein Mensch erleben darf, und für mich ist das immer etwas Erhebendes. Ich erweise den Toten jede Achtung, die ihnen an diesem Tag zusteht, ich fühle einfach, dass sich das gehört.

Dennoch muss ein Mord gut überlegt sein, man kann nicht durch die Straßen ziehen und die Menschen wahllos töten, es gibt leider so etwas wie Gesetze und man bekommt leicht Ärger.

Nein, die Faszination liegt auch darin, dass niemand weiß, wer dahintersteckt, zum Glück sind die Menschen so dumm.

Ich forderte meine Geschwister nach Mr. Frings Begräbnis jeden Tag auf, wieder ein Opfer zu suchen, ich war begierig darauf zu töten, diese Macht zu fühlen, dieses Verlangen hat sich bis heute nicht geändert, es ist jedes Mal etwas, das mich erhöht, das mich zur Göttin macht, ich liebe diesen Moment, in dem ich handle, in dem die Person erkennt, dass sie sterben wird, die aufgerissenen Augen, der erstaunte Blick, dann die Panik, die so schnell einem ewigen Frieden weicht.

Diese ersten Morde waren insofern nicht erfüllend, weil ich den entscheidenden Augenblick nicht mitbekam.

Das wollte ich ändern, ich wollte meinem nächsten Opfer ins Gesicht sehen, den Übergang erleben, vielleicht sogar tröstend die Hand halten, ja, das war mein Wunsch und meine Geschwister verstanden es, so begannen wir mit der Suche. Es sollte jemand sein, den niemand groß vermissen würde, vielleicht sogar jemand, bei dem jeder froh war, dass er den Weg ins Jenseits antreten würde. Schließlich sind wir keine Unmenschen, wenn es nicht sein muss, nehme ich doch den Kindern nicht den Vater oder die Mutter, geschweige denn würde ich mich an Kindern vergreifen. Außer natürlich, die Notwendigkeit gebietet es.

Ich schließe es nicht aus, aber ich versuche, es zu vermeiden.

Sherilyn

Die Mittagszeit verging wie im Traum.

Josh hatte Sherilyn noch zum Spind begleitet und sich mit einer kleinen Umarmung verabschiedet. Glücklich schwebte sie geradezu durch die Gänge, dann machte sie sich auf der Toilette ein wenig frisch, kühlte ihr immer noch rotes Gesicht ab und lachte ihr Spiegelbild an.

Sie war ein beliebtes Mädchen an der Schule, da sie stets freundlich und vor allem sehr sportlich war, aber so viel Aufmerksamkeit wie heute hatte sie noch nie erhalten. Jeder grüßte sie und hinter ihrem Rücken wurde getuschelt.

Josh …

Seine Berührung hatte wahre Stromstöße in ihr ausgelöst. Sein Blick, der auf ihr geruht hatte die ganze Zeit, es war etwas Besonderes gewesen.

Und wie gekonnt er Susan begegnet war, es war kaum zu glauben.

Ob sie ihn heute noch einmal treffen würde? Sie hatten keine gemeinsamen Kurse, auch im Sport gingen sie unterschiedliche Wege, sie war dieses Semester im Leichtathletik- und Cheerleader Team, er spielte Football.

Sie träumte eine Weile vor sich hin, ihre Vorstellungen gingen nicht über gemeinsame Spaziergänge, Händchenhalten und zarte Küsse hinaus.

Josh wirkte so höflich und distanziert, es würde wunderbar werden, alles mit ihm zu entdecken. Sie warf einen Blick auf die Uhr und erschrak. Sie war spät dran für die tägliche Stunde in der Bibliothek.

Hastig suchte sie ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Weg.

Cataleya

Ich habe versucht, zu arbeiten, doch meine Gedanken schweifen ständig ab.

Heute ist Freitag, der 13., ich habe nie daran geglaubt, dass dieser Tag tatsächlich Unglück bringen würde, doch scheint es sich zu bewahrheiten.

Gleich am Morgen im Gang hängte sich mir Sherilyn wieder an die Fersen, diese dumme Gans regt mich auf. Sie will immer so gut sein wie ich, ständig vergleicht sie ihre Arbeiten mit meinen, sie hat keinen Schimmer von meinen Leistungen, aber sie versucht stets, mich zu übertreffen.

Und natürlich will sie etwas von Josh, klar, das wollen alle. Bis jetzt wachte Neela über ihn, sie sucht die Mädchen für ihn aus, er darf nur Mädchen haben, die sie sorgfältig auswählt, und dann auch nur für kurze Abenteuer, oft auf der Schultoilette, noch nie war es Josh erlaubt gewesen, eine mit nach Hause zu bringen. Er muss Neela immer gleich danach genau erzählen, was er mit ihnen anstellte, sie will jedes Detail wissen, ich glaube, das macht sie scharf und Josh verbringt dann die Nacht bei ihr. Sie sagt, er kriegt es nirgends so geil wie bei ihr, das darf er nicht vergessen.

Ich bekomme das manchmal dann in der Schule mit, wenn es Tränen gibt, ja, da war einmal diese anhängliche Hannah, sie verfolgte Josh ständig, er hatte sie nur kurz auf dem Parkplatz des Schulhofes gefickt, das schwor er Neela, doch Hannah wurde mit der Zeit richtig lästig. Sie stammte aus einer Familie, in der es sowieso genug Kinder gab, sie hatte drei Geschwister, da war es doch nicht schlimm, dass wir von unserer Regel abwichen und auch sie beseitigten. Sie ging jedem auf die Nerven, bestimmt auch ihrer Familie, also taten wir ein gutes Werk.

Wie wir das anstellten? Es war beinahe wieder zu einfach.

Josh verabredete sich mit ihr und sie trafen sich am Waldrand beim Crowson Reservoir, dort ist normal kein Mensch.

Neela und ich warteten, bis er sich an ihr vergnügt hatte, das wollten wir den beiden noch vergönnen, so konnte sie doch befriedigt aus dem Leben scheiden. Sie sollte es ja schön haben dabei, darauf achteten wir schon.

Auch dass Josh ein Kondom benützte, er durfte keine Spuren hinterlassen. Es war jetzt wichtig, dass er nicht beim Töten dabei war, denn jeder wusste, dass zwischen ihm und Hannah etwas gelaufen war, also brauchte er ein Alibi. Er gab ihr nach dem Sex etwas zu trinken, das natürlich mit einem starken Schlafmittel aus unserem Vorrat versetzt war, und wartete, bis sie völlig benommen war, dann übernahmen Neela und ich.

Josh lief nach Hause - es waren ja nur etwa zweieinhalb Meilen - und erzählte unserer Mutter, dass Neela und ich bei einer Mitschülerin auf einer Party seien. Er hätte keine Lust gehabt, er sei mit Hannah verabredet gewesen, doch sie sei nicht gekommen und er hätte Angst, sie würde wohl Schluss machen.

Neela und ich schleppten Hannah eine Weile durch den Wald, dann zurück zu ihrem kleinen Motorrad, mit dem sie gekommen war, sie war vollkommen weggetreten, wir hatten sie zwischen uns und sie lallte uns voll.

Ich setzte Hannah hinter mich und fuhr mit ihrer Honda los, während Neela uns mit dem Auto folgte. Ich steuerte den White Rabbit Trailhead an, und wie Sie wissen, dort ist es nicht ungefährlich, vor allem nicht, wenn es allmählich dunkel wird. Als wir ziemlich hoch oben waren, stieg ich vom Motorrad, ließ Hannahs Hand Gas geben und sie fuhr mit hoher Geschwindigkeit in eine Schlucht.

Natürlich mussten wir uns überzeugen, ich stieg zu ihr hinunter und tatsächlich war sie nicht ganz tot. Sie hatte überall Wunden, stöhnte vor Schmerzen, nein, das wollte ich nicht, dass sie litt. Ich nahm einen Stein und schlug ihn auf ihren Kopf, dorthin, wo sowieso schon ein Loch gewesen war, es würde nicht auffallen.

Nun war es so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Sie starrte mich ungläubig an, ihre Augen brachen, ich wartete und hörte dieses Röcheln, von dem ich schon gelesen hatte.

Es hatte etwas wirklich Erhebendes. Sie hauchte ihr Leben aus, so klang das also. Ich war glücklich und sehr berührt, dass ich das erleben hatte dürfen.

Obwohl ich Handschuhe getragen hatte die ganze Zeit über, fasste ich sie nicht an und als sie ganz still lag, machte ich mich wieder auf den Weg nach oben. Neela hatte gewartet und reichte mir andere Kleidung, denn ich war doch ziemlich schmutzig geworden. Wir fuhren dann nach Hause und erzählten unserer Mutter von der Party, auf der wir angeblich gewesen waren. Sie würde sowieso nicht nachfragen, es war wieder ein harter Tag für sie gewesen, Josh hatte ihr etwas zu essen gemacht, ihr die Zeitung gebracht und die Füße massiert. Er ist wirklich ein guter und fürsorglicher Sohn.

Man fand Hannah dann drei Tage später, wie Sie sicher wissen. Es war ein schrecklicher Unfall. Oder auch mehr, denn sie hatte anscheinend ein Schlafmittel genommen, man entdeckte eine Cola Dose am Reservoir Parkplatz, die Reste davon enthielt.

Es hatte inzwischen geregnet, sämtliche Reifenspuren waren verschwunden, der Fall konnte nie befriedigend geklärt werden.

Josh weinte sich in der Schule ein paar Tage lang die Augen aus. Er habe Hannah doch so geliebt, er verstehe es nicht, er wollte sie treffen, sie sei nicht gekommen, da sei er nach Hause gegangen.

Der Todeszeitpunkt war laut Gerichtsmediziner eindeutig später gewesen, Josh hatte den ganzen Abend dann angerufen bei ihr, hatte auf allen Social-Media-Kanälen nach ihr gefragt, niemand wusste, wo sie war, sein Alibi war felsenfest.