Challenge Accepted! - Celeste Barber - E-Book
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Celeste Barber

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Beschreibung

Eine Liebeserklärung an jede ganz normale Frau: Die Komikerin Celeste Barber stellt auf Instagram die Posen der Reichen, Schönen und Gephotoshoppten nach – nur eben in ganz alltäglich. Ohne Visagisten. Ohne Photoshop. Und vor allem ohne Body-Shaming. Wie sie damit zur wohl erfolgreichsten Anti-Influencerin im ganzen Internet wurde, was sie mit dem #metoo verbindet und wie die Welt durch ihre Augen betrachtet aussieht erzählt sie in ihrem ersten Buch - mit einer Extraportion Body-Positivity und durchweg zum Losprusten.

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Seitenzahl: 319

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Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Challenge Accepted! bei HarperCollins Publishers Australia, Sydney.

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Bei der Verwendung im Unterricht ist auf dieses Buch hinzuweisen.

echtEMF ist eine Marke der Edition Michael Fischer

1. Auflage

Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe bei

© 2020 Edition Michael Fischer GmbH, Donnersbergstr. 7, 86859 Igling

Copyright der Originalausgabe: © 2018 Celeste Barber

Covergestaltung: Bernadett Linseisen, unter Verwendung einer Vorlage von Mark Campbell, HarperCollins Design Studio und eines Covermotivs von Corrie Bond, Vivien’s Creative. Haarstyling Covermotiv: Brad Mullins, Vivien’s Creative.

Make-up Covermotiv: Filomena Natoli, Vivien’s Creative.

Layout: Bernadett Linseisen Satz: Lara Nelles

Herstellung: Anne-Katrin Brode

ISBN 978-3-96093-943-6

www.emf-verlag.de

Für JoJo, Mark und Nic.

Bitte kommt jetzt wieder zurück, ich habe euch so viel zu erzählen.

Hier geht’s zum Inhalt

Pilot

Das Kapitel

... in dem ich das Gefühl habe, mich von innen nach außen zu stülpen

... wo ich Ritalin entdecke, meinen (nicht ganz so) imagi­nären Kindheitsfreund

... über meinen Dad

... wo ich viel tanze

... mit meinen #metoo-Storys (Trauriger Emoji)

... über meinen Fake-Bruder Michael

... wo ich in der Schule gemobbt werde (glaube ich jedenfalls)

... in dem ich mich in Comedy verliebe

... darüber, wie ich die Schauspielschule überlebte

... über einen weiteren ekelhaften Mann (#timesup)

... über Sparky

... über Thomas

... über meine Liebe zur LGBTQI-Community

... mit #hothusband

Lieber Wein

Das Kapitel

... in dem mir mein Herz aufgeschnitten wird

... über meine Brüste

Lieber Kater

Das Kapitel

... über meine Mum

... mit Jo und wie ich einmal beim Yoga Ärger bekommen habe

... wo ich herausfinde, dass berühmt sein auf Instagram ungefähr so ist wie reich sein bei Monopoly

... wo ich nach Amerika fliege

... über Harry und Celeste

... in dem ich zum #rolemodelausversehen werde

... darüber, dass wir unsere Körper lieben sollten (#bopo)

... über meinen Achtundzwanzig-Tage-Ausflug zu gesunder Ernährung und Sport

... in dem ich erkläre, warum ich schöne Menschen nicht hasse

... das keinen interessiert

... darüber, wie ich zum Anti-Influencer wurde

Das letzte Kapitel, Teil 1 (Celestes Listen)

Das letzte Kapitel, Teil 2 (Dank)

Liebe Eltern

Pilot

Na, ihr süßen kleinen Schlingel? Danke, dass ihr mein Buch gekauft habt (oder freudig überrascht getan habt, als ihr es von eurer Schwägerin geschenkt bekommen habt, die es wahrscheinlich völlig abgehetzt auf den letzten Drücker am Flughafen gekauft hat und fast ihren Flug zum Familien-Weihnachtsfest verpasst hätte).

Ich wette, ihr dachtet: „Sie ist genau wie ich!“ – bis ihr das Cover gesehen und gemerkt habt, was für ein arroganter Arsch ich in Wahrheit bin. Und ich bin hundertprozentig sicher, dass meine Grundschullehrerin – wir nennen sie mal Mrs Fleet – denkt: „Oh mein Gott, wenn dieses Mädchen einen Buchvertrag an Land ziehen kann, dann ist nichts mehr unmöglich.“ Und da haben Sie recht, Mrs Fleet. Nichts ist unmöglich, auch wenn Sie mich behandelt haben, als wäre ich eine Analphabetin, wo wir doch alle ganz genau wussten, dass ich eine Legasthenikerin mit ADS war.

Dieses Buch ist eine riesige Sache für mich. Nicht nur weil das Geld meine grauen Haare in Schach halten wird, sondern auch weil ihr alle so wahnsinnig lieb und supportive wart und weil die Tatsache, dass ihr dieses Buch kauft, das einmal mehr zeigt. (Aber nicht dass ihr schon auf der ersten Seite emotional werdet!)

Am nächsten dran, ein Buch zu schreiben, war ich in der Grundschule, wo ich die meisten Freistunden und Pausen mit Schreiben verbrachte: „Ich darf meiner Lehrerin nicht wider­sprechen. Ich darf meiner Lehrerin nicht widersprechen.“ Und ich füllte die Seiten damals wirklich erstaunlich schnell. Ich hoffe also, das hier wird ähnlich gut laufen.

Ich liebe das Schreiben. Auch wenn ich kein Sprachgenie bin, meistens nach Gehör buchstabiere und es der Autokorrektur bei achtundneunzig Prozent meines Krams nicht gelingt, Verbesserungen oder Alternativen zu finden. Trotzdem habe ich mich immer gerne mit Stift und Papier ausgedrückt. Jedenfalls bis ich angefangen habe, dieses Buch zu schreiben. Jetzt bin ich so krass gestresst, dass ich mein Gesicht in ein Kissen pressen und schreien möchte. Aber wie geil ist das Cover, bitte schön?!

Okay, an diejenigen unter euch, die denken: „Oh Gott, jetzt habe ich gerade wirklich Geld für ein Buch von einer Tante ausgegeben, die nur gut darin ist, unangemessene, unvorteilhafte Fotos von sich selbst zu machen.“ – Keine Angst! Ich werde mich in diesem Buch einigen wichtigen Themen widmen von „Wie reich ist Bill Gates wirklich?“ bis hin zu „Warum Laser-Haarentfernung bei dunklem Haar effektiver ist als bei hellem“.1 Hier kommen fünf Gründe dafür, dass es eine gute Idee war, dieses Buch zu kaufen:

1. Ihr seid dafür in eine Buchhandlung gegangen – yay! Jeder will jemanden vögeln, der so tut, als sei er schlau. Und wenn ihr das Buch online gekauft habt, könnt ihr danach ganz bequem mit einem Klick wieder zurück zu Pornhub 2 gehen – jeder nach seiner Fasson!

2. Wenn ihr es scheiße findet, könnt ihr es auf jeden Fall immer einer Frau mittleren Alters namens Beverly schenken – die scheinen mich ziemlich cool zu finden.

3. Mit dem Kauf dieses Buches ermöglicht ihr es mir, meinen Kindern Schuhe zu kaufen. Sie lassen ihren Dank ausrichten.

4. Die Leute werden euch für Feministen halten, und alle Welt liebt Feministen. Fragt mal Germaine Greer oder Alice Schwarzer.

5. Wenn Brandi Glanville (googelt sie mal, das wird ihr gefallen) einen New-York-Times-Bestseller schreiben kann, dann kann ich das auch.

1 Das war gelogen. Ich schreibe weder über Bill Gates noch über Haarentfernung. Ich habe gelogen, um euch zum Lachen zu bringen. Bitte gewöhnt euch dran, denn das mache ich noch sehr oft auf den folgenden Seiten. Ich habe ein ernstes Bedürfnis danach, Menschen zum Lachen zu bringen, koste es, was es wolle. Ich spreche mit einer Therapeutin darüber.

2 Weder wurde dieses Buch von Pornhub finanziert noch stehen die netten Leute vom Verlag in irgendeiner Verbindung mit Pornhub (nicht das ich wüsste jedenfalls). Das war nur ein Witz. Ein Witz, den ich nun erklären muss. Und wir alle wissen ja, das ist die beste Sorte Witz. Ach, und hier ist ein lustiges Trinkspiel, das ihr spielen könnt, während ihr lest. Jedes Mal, wenn ihr das Wort „Emoji“ lest, müsst ihr trinken. Das Gleiche gilt für die Wörter „und“, „der“, „#hothusband“ und „Muttermund“. LOS GEHT’S!

Das Kapitel, in dem ich das Gefühl habe, mich von innen nach außen zu stülpen

Ich habe nie so richtig verstanden, wie Autoren den Einstieg in ihr Buch finden, besonders, wenn es autobiografisch ist. Und besonders, wenn sie erst sechsunddreißig Jahre alt sind. Schon komisch, wenn man bedenkt, dass ich mein zweites Leben als etwas weniger vollbusige Michelle Visage (die von Ru Paul’s Drag Race) noch gar nicht begonnen habe. Also dachte ich, ich fange direkt mal mit einer meiner Lieblingsgeschichten an. Hier ist sie, die Geschichte des Tages, an dem ich meinen ersten Sohn kennenlernte, und meine ehemals so adrette Vagina zu einem einzigen großen Loch wurde.

Plant eigentlich irgendjemand seine Schwangerschaften? Also, wirklich? Meiner Erfahrung nach sind sie eine verdammte Überraschung, und zwar nicht die von der Sorte „Oh, ich kann mich gar nicht erinnern, das bestellt zu haben, aber danke“, sondern eher die „Der Kuchen ist alle“-Variante in deinem Lieblingscafé. Erst einmal zermürbend, aber du weißt, auf lange Sicht ist es das Beste für dich.

Ich habe vier Kinder. Zwei eigene Jungs, die sich aus mir rausgequetscht haben, und zwei Mädchen, die ich geerbt habe – ein Tauschgeschäft mit meinem Mann Api. Sahra war zwei und Kyah war vier, als ich sie zum ersten Mal traf. Ich bin Stiefmutter, seit ich einundzwanzig Jahre alt bin.

Meinen ersten Sohn bekam ich in einer kleinen Stadt an der mittleren Nordküste von New South Wales. Dort hatte Api ein Haus gekauft, nachdem seine erste Tochter auf die Welt gekommen war, und als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, sind wir zusammen da hochgezogen. Für diejenigen unter euch, die keine Ahnung haben, wovon zur Hölle ich spreche: Die mittlere Nordküste ist ein Gebiet an der Ostküste Australiens, etwa fünfundvierzig Minuten südlich aller hygienischen Standards und bummelig eine Stunde zwanzig Minuten nördlich von wo man zum Lachen in den Keller geht. Stellt euch Paris vor, zieht Kultur, Kunst, das tolle Essen, die pulsierende Metropole und den Verkehr ab. Dann packt ein paar Bäume dazu, einen Strand, Teeniemütter, zwei vorpubertäre Stieftöchter, Engstirnigkeit und einen Woolworth und bums!, ihr seid da!

An der mittleren Nordküste gibt es nichts. Nichts. Für viele Menschen ist das reizvoll, aber zu denen gehöre ich nicht. Ich musste irgendwas tun, um mich zu beschäftigen. Ich lebte im Nirgendwo, war schwanger und zog zwei Mädchen groß, meine Hormone fuhren Achterbahn, und ich brauchte irgendwas, das mich davon abhielt, meine Sachen zu packen und so weit wie möglich von alldem wegzuwatscheln. Also entschied ich mich, nicht einfach nur schwanger zu sein, nein, ich würde so derart schwanger sein, dass ich für nichts anderes mehr Zeit haben würde als für dieses Projekt: die Erschaffung eines Menschen, hallo?!

Ich meldete uns bei einem Calmbirth-Kurs an, und bald wurden wir zu einem dieser Paare, die so tun, als hätten sie das Kinderkriegen erfunden. Calmbirth ist so ähnlich wie HypnoBirthing und Active Birth, und es ist fantastisch. Eine Geburtsvorbereitungsstrategie, die zukünftige Eltern mental, emotional und physisch einnorden soll.

Bei Calmbirth geht es darum, sich während der Geburt auf sich selbst und den Partner zu konzentrieren und die Wehen anders zu erleben – ohne Angst und ohne das Gefühl, jemanden oder etwas zu brauchen. Es setzt Selbstvertrauen frei, es macht dich stark für dich selbst. Ich glaube, Beyoncé hat die Methode erfunden.

Mein Körper würde das alles hinkriegen, das wusste ich, aber ich fürchtete, dass mein hyperaktives Hirn mich sabotieren könnte. Ich wollte eine so natürliche Geburt wie möglich, war aber nicht freigeistig genug, um mich wirklich darauf einzulassen. Als mich meine Hebamme fragte, welches Geburtsszenario ich mir wünschen würde, sagte ich: „Idealerweise bekäme ich mein Baby im Regenwald, und mit Regenwald meine ich einen Ort, wo keine Medikamente benötigt werden und alles natürlich abläuft und in Einklang mit den umstehenden Bäumen und Opossums. Aber der Regenwald muss beheizt sein, und es muss das leise Rauschen von Verkehr zu hören sein, und ich muss die Zivilisation ein bisschen riechen können. Zusätzlich bräuchte ich einen OP direkt nebenan, vollgestopft mit allen Medikamenten und betäubenden Cremes dieser Welt, falls ich meine Meinung ändere, okay?“

Das nächstgelegene Krankenhaus, in dem ich alle meine Untersuchungen hatte, war winzig. Da gab es keine Medikamente, keine beheizten Böden, sehr wenige Opossums und definitiv keinen OP direkt nebenan. Es war ein reiner Geburtsregenwald: ein kalter Geburtsregenwald. Und niemand will einen kalten Regenwald. Niemand. Aber wegen der Sache mit meinem Herzen – also, wenn das jetzt kein Grund ist weiterzulesen, dann weiß ich auch nicht! – waren die Ärzte beunruhigt, dass es unter der Geburtsbelastung voll explodieren könnte (doch! Das ist tatsächlich der korrekte medizinische Fachausdruck). Also wurde ich als Risi­koschwangerschaft eingestuft und durfte nicht im Regenwald-Krankenhaus gebären. Das sollte ich in dem größeren Krankenhaus tun, dem Drogen-Krankenhaus, wo sie Eins-a-Morphium und noch ein bisschen geilen Scheiß von der Straße bereithielten.

Das Drogen-Krankenhaus war eine Stunde entfernt, also beschlossen wir, alle Untersuchungen und Termine vor der Geburt im Regenwald-Krankenhaus zu machen, und dann das ganze Reißen und Schreien im Drogen-Krankenhaus zu erledigen.

Am errechneten Geburtstermin wachte ich auf und hatte Wehen. Wir taten alles, was man tun soll, um die Wehen zu fördern – Rumlaufen, Schwangerschaftsyoga, Chili essen. Api schlug Sex vor und bekam meinen Todesblick zu spüren. Er musste dann dringend eine feierliche Surfrunde absolvieren, während meine Mutter mir den Rücken massierte. Die ganzen typischen „Ich glaub, es geht los“-Aktionen eben.

Nach einem ganzen Tag „Scheiße, scheiße, scheiße, werde ich das wirklich schaffen?“ machten wir uns auf den Weg ins Regenwald-Krankenhaus. Ich musste wissen, ob ich wirklich Wehen hatte oder nur Blähungen (wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ich dachte, es würde losgehen, und dann saß mir nur ein nicht mehr ganz so frischer Burrito mit Bohnen quer).

Wie gesagt, das Regenwald-Krankenhaus war kalt und still. Ich hasse kalt und still. Kalt und still beruhigt mich nicht – es macht mich wahnsinnig. Warm und lebendig will ich es haben, wenn ich dreißig werde oder einen Menschen auf die Welt bringen will. Es tröstet mich, wenn um mich herum was los ist. Ich mag das. An so einem Ort ist es für mich so viel einfacher, zu entspannen oder „in mich zu gehen“. Wie viele Lavendelkerzen es auch sein mögen – nichts entspannt mich so sehr wie grelles Neonlicht, hellblaue Handschuhe und „SIE MÜSSEN JETZT PRESSEN“-Rufe aus den umliegenden Geburtsräumen.

Brenda, die Hebamme im Regenwald-Krankenhaus, war scheiße. Ich hatte Schmerzen, fürchtete mich und fror wie blöd, aber das juckte sie nicht. Ich weiß, ich war nicht die Erste, die drauf und dran war, ein Kind zu bekommen, und ich habe auch die Wehen nicht erfunden (wir wissen alle, das war Tina Knowles, Beyoncés Mum), aber ich hatte Angst und hoffte auf ein wenig Trost und Verständnis und vielleicht eine Tasse Tee mit Milch und Honig. #Geburtsdiva. Es war ihr piepegal.

Sobald wir angekommen waren, fragte sie, ob ich offen sei. Ich tat sofort, was ich immer tue, wenn mir was unangenehm ist, und machte ein paar Witze. Api durchschaute mich sofort.

Ich: Na ja, kommt drauf an, wofür.

Hebamme: Wie bitte?

Api: Oh Gott.

Ich: Na ja, ich würde mich grundsätzlich schon als offenen Menschen bezeichnen, aber auch ich habe meine Grenzen …

Api: Bitte hör auf.

Ich: Wir können gerne mal Kaffee trinken gehen, wenn das hier geschafft ist, aber mehr ist echt nicht drin …

Api: Ich hasse dich.

Hebamme: Hat sich Ihr Muttermund weit genug geöffnet, damit sich da ein Kopf von der Größe einer Pampelmuse durchquetschen kann?

Ich: Oh … weiß nicht.

Hebamme: Okay, ich muss Sie jetzt untersuchen, um zu sehen, ob Sie so weit sind.

Ich: Ich bin ziemlich sicher, dass ich …

Und damit rammte sie mir zwei behandschuhte Finger rein, fühlte und zog sie wieder raus. Mit ein bisschen Schmodder und dem Rest meiner Würde an ihren Fingern erklärte sie: „Zwei Zentimeter. Das dauert noch.“ Dann ging sie und schloss die Tür hinter sich.

Ich schaute Api an, und noch bevor ich „Hol mich verdammt noch mal hier raus“ sagen konnte, hatte er schon angefangen, meine Sachen zu packen. Er half mir vom Bett runter und flehte mich an, nie wieder Witze in einem Krankenhaus zu reißen, worauf ich antwortete: „Das kann ich dir nicht versprechen, Kumpel, ich wurde gerade von einer Frau namens Brenda gefistet.“

Wir fuhren nach Hause, wo meine Mum nervös hin und her lief, holten meine Taschen und machten uns auf den Weg ins Drogen-Krankenhaus. Die Fahrt dauerte 353837 Stunden, und Api war an allem Schuld. Der Rücksitz war nicht breit genug, Apis Schuld. Meine Wehen waren höllisch, Apis Schuld. Ich war schwanger, Apis Schuld. Die Krise in Syrien? APIS SCHULD.

Im Drogen-Krankenhaus angekommen, war auf einmal alles kalt und still. Mein Gott, was soll das mit diesen ganzen kalten und stillen Krankenhäusern?! Wir mussten eine Art Klingel betätigen, um durch ein paar Türen zu kommen, und als wir da erst einmal durch waren und im Kreißsaal ankamen, war plötzlich die Hölle los, und ich war so erleichtert. Da rannten Hebammen von Zimmer zu Zimmer, müde und verwirrte Männer schlichen durch die Gänge, Telefone klingelten und Menschen redeten sehr laut. BÄM! Ich war in Sicherheit. Ich würde das auf jeden Fall schaffen. Es war immer noch nicht so warm, wie ich es mir erhofft hatte, aber hier ging’s ja auch um was anderes, und da­rauf musste ich mich jetzt konzentrieren – ich musste mich demnächst von innen nach außen stülpen. Wir lernten unsere Hebamme Wendy kennen und zeigten ihr unseren Geburtsplan. Sie war voll dabei, was Calmbirth anging, und wollte uns auf jeden Fall bei einer Wassergeburt unterstützen. Ich weiß das, weil sie sagte: „Ich bin voll dabei, was Calmbirth angeht, und will euch auf jeden Fall bei einer Wassergeburt unterstützen.“ Brenda und ihre Finger vermisste ich jedenfalls nicht, das ist mal klar. Wendy war ein so großer Beistand, dass sie anfing, Api Anweisungen zu geben, bevor wir überhaupt im Kreißsaal waren.

Wendy: Okay, Daddy, was Mummy während dieses atemberaubenden Prozesses von dir braucht, ist deine Unterstützung, also kein Anfassen oder Ansprechen während einer Wehe, okay?

Api: Okay.

Wendy: Okay. Und, Mummy, was ich von dir brauche, ist …

Ich spürte eine weitere Wehe anrollen, ich fror und ich war nicht in Stimmung für Wendys Geschichten.

Ich: Ich stoppe dich hier gleich mal, Wendy. Ich weiß, was von mir gebraucht wird, und das ist das Ausscheiden einer verdammten Person, und zwar vorne raus. ALSO LASS MICH BITTE IN FRIEDEN!

Wehe vorbei. Mögliche lebenslange Freundschaft mit Wendy? Gefährdet.

Nach einigen weiteren Wehen dieser Qualität musste Wendy uns für eine Weile allein lassen und ein paar Fünfzehnjährigen helfen, die auch kurz vor der Entbindung waren. Das war gut. So hatten Api und ich die Gelegenheit, zusammen zu sein und zu tun, was wir tun mussten, also er schlafen und ich rumlaufen wie ein Elefant, der irgendjemandem was beweisen will.

Während der nächsten fünf Stunden lief ich herum, brüllte, schrie, hüpfte auf dem Gymnastikball, trat nach dem Gymnastikball, ging unter die Dusche, kam aus der Dusche, machte die Dusche kaputt, saß wieder auf dem Ball und Api schlief. Wendy war zwischendurch ein paarmal reingekommen, um nach mir zu sehen, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, um die Anrufe werdender Teeniemütter entgegenzunehmen. Die mittlere Nordküste ist offenbar ein Umschlagplatz für ruinierte Jungfernhäutchen und gerissene Kondome.

Nach sieben Stunden Wehen kam Wendy wieder rein und ICH WAR FERTIG.

Ich: Wendy, ich schaff das nicht.

Wendy: Das klingt, als wärst du in der nächsten Phase angekommen, Liebe.

Ich: Was meinst du?

Wendy: Wenn es langsam Zeit wird zum Pressen, sagen die meisten Frauen, sie würden es nicht schaffen. Aber das wirst du, das wirst du, Liebe.

Ich: Okay, das verstehe ich. Ich weiß, es gibt Leute, die sagen, sie schaffen es nicht, und dann schaffen sie es doch und hatten nur Angst, aber du musst kapieren, dass ich es nicht schaffe! Also pack deinen Kram wieder ein, wir fahren nach Hause. API, WACH AUF, WIR GEHEN!

Haha, lustig, am Ende stellte sich heraus, dass Wendy recht hatte. Das war tatsächlich der Übergang gewesen und ich drauf und dran, mein Baby kennenzulernen. Shit! Das tröstete mich in dem Moment kein bisschen. Ich wusste, ich war schon zu weit für die meisten Drogen in diesem Krankenhaus und dass der einzige Weg des Babys von innen nach außen über vaginalen Exorzismus führte.

Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass der Gedanke da­ran, mein Baby in den Armen zu halten, die Angst besiegte und mir stattdessen die Kraft verlieh, weiterzumarschieren, selbstbewusst und stark. Tat er nicht. Der Schmerz lähmte mich, dieser unablässig brennende ring offire, und auch die Vorstellung, so fest pressen zu müssen, dass mein Arsch explodieren würde!

Wendy sagte, ich solle mich aufs Bett legen, damit sie nachsehen könne, wie weit der Muttermund schon offen sei. Ruhig und umsichtig trat ich Api, um ihn verdammt noch mal aufzuwecken, damit ich zum zweiten Mal an diesem Tag von einer Frau gefistet werden konnte. Und ja, sie hatte recht: Ich war acht Zentimeter offen und bereit, mich in die lauwarme Badewanne zu legen, um zu zerreißen.

Wendy ließ die Wanne ein, Api wanderte etwas benommen herum – aber hey, niemand wacht so einfach aus einem Nachmittagsschläfchen auf – und ich versuchte wegzurennen.

Ich stieg in die Badewanne, und nichts änderte sich. Ich hatte gedacht, das Wasser würde all den Schmerz fortspülen, das ist es nämlich, was diese ganzen Frauen in den Geburtsvideos dir erzählen. Und dann gibt es noch die Frauen, die einen Orgasmus während der Geburt hinkriegen. Ich scheiß auf diese Frauen. Das Wasser war für’n Arsch. Ich hatte immer noch Schmerzen, alles war genauso unbequem wie vorher, und jetzt war ich auch noch nass. Und zwar nicht auf die Art nass, wie es die Orgasmus-Ladys waren.

Meine Fruchtblase war noch nicht geplatzt, und ich begann langsam durchzudrehen. Die Badewanne stand in der Ecke des Raumes,und über ihr hing ein rotes Seil für den Notfall. Damit konnte man die wirklich Befugten rufen. Dann würde die Besetzung von Grey’s Anatomy sofort angerast kommen.

Wendy war noch mal losgelaufen, um sich anderen Muttermündern zu widmen, und ich bekam einen Wahnsinnsdruck in den Körpergegenden, in denen man während des Übergangs ins nächste Stadium einer Geburt einen Wahnsinnsdruck erwarten würde. Verdammte Scheiße, es kommt. Mein Baby quetscht sich da gerade durch, ob ich drücke oder nicht! Gott im Himmel, waren die Gerüchte, die diese Bitches in der Schule über mich verbreitet hatten, wahr? War ich wirklich „offen“ für alles?

Dann kam diese übermächtige Welle. „Oh Gott!“, schrie ich Api an. „Hol sie, hol Wendy, es kommt, das Baby kommt!“

Damit sprang Api auf und riss so fest an dem roten Seil über der Badewanne, dass er das verdammte Ding aus der Wand holte. Während er versuchte, sein hübsches Gesicht aus dem Seil zu befreien, wurde mir plötzlich klar, dass es nicht mein Baby war, das da rauskam, sondern dass meine Fruchtblase geplatzt war. YES! Von wegen offen! Ihr könnt mich mal, Klasse-acht-Bitches!

Nachdem meine Fruchtblase geplatzt war, kam Wendy zurück, um nach Api zu sehen, und ich versuchte, es mir so gemütlich wie möglich zu machen. Die treue Wendy schlug ein paar Positionen vor.

Wendy: Versuch mal die Hockstellung.

Ich: Nein.

Wendy: Vielleicht anlehnen und die Beine auf den Badewannenrand legen?

Ich: Nein.

Wendy: Manche Frauen liegen gern auf der Seite und stützen sich auf dem Ellenbogen ab, während der Partner das obere Bein in die Luft hält. Wie bei einem Fallrückzieher.

Ich: Nein. Obwohl Rückzieher gut klingt …

Wendy: Okay, dann bringen wir dich mal auf alle viere.

Api: Hehe, so hat das ganze Schlamassel angefangen.

Ich: IST DAS DEIN ERNST?

Api: Entschuldigung, hab nur versucht, die Stimmung zu heben.

Ich: Komm her und lass mich dir den Schwanz abschneiden. Das wird meine Stimmung heben!

Also ging ich auf alle viere und biss in den Badewannenrand, als das Pressen anfing. Es heißt, man soll so drücken, wie man drückt, wenn man aufs Klo geht.

Wendy hatte alles im Griff. Seit fünfundvierzig Minuten drückte ich, als würde ich auf dem Klo sitzen, und Wendy, meine Wendy, lehnte sich vor und erzählte mir, wie wichtig es sei, mich ganz darauf zu konzentrieren so zu drücken, als würde ich scheißen.

Wendy: Wir haben’s bald geschafft, wirklich.

Ich: SCHEISSARSCHTITTENSCHWANZKACKEUNDHURENSOHN!!!

Wendy: Du machst das so gut, Mummy.

Ich: AAARRRGGGHHH!!!

Wendy: So, du drückst weiter wie auf dem Klo. Bitte mach dir keine Sorgen, dass da ein bisschen Kot kommen könnte, dafür hab ich eine kleine Kotschaufel.

Und damit präsentierte sie mir eine Schaufel in Form einer Suppenkelle, ungefähr so stolz wie Mufasa in König der Löwen Simba präsentiert. Sie hielt sie mir vors Gesicht, zeigte sie dann Api und dann, nur zur Sicherheit, zeigte sie sie mir noch einmal.

Das alles spielte sich ab, während ich in den schlimmsten Wehen lag. Ich drehte mich um – das heißt, mein Kopf drehte sich um hundertachtzig Grad, und der Rest meines Körpers blieb, wo er war. Mit blutunterlaufenen Augen funkelte ich sie an und knurrte durch zusammengebissene Zähne: „Die Kackschaufel interessiert mich nicht, Wendy. Es ist mir egal, selbst wenn ich dir ins Gesicht scheiße. Hol. Es. Einfach. Raus.“

Api hatte Angst. Die in der Ecke stehende Hebammenschülerin, die auf meinen shirtlosen #hothusband in der Wanne starrte, hatte Angst. Ich selber hatte Angst vor mir. Aber Wendy verzog keine Miene. Sie hielt meinem Blick stand, während sie langsam die Kotschaufel senkte. Ich glaube, wenn sie gedurft hätte, hätte sie mir befohlen, die Schnauze zu halten und mich zusammenzureißen, aber sie war professionell genug, es nicht zu tun. Wendys und Celestes BFF-Status: unverändert.

Nachdem ich eine Stunde lang gepresst hatte, sagte Wendy, sie müssten nun mein Herz kontrollieren, denn es sollte nicht zu lang so stark beansprucht werden. Offenbar sind acht Stunden Geburtswehen in Ordnung, aber wenn man bei acht Stunden fünf Minuten angekommen ist, kriegen die Leute Panik.

Ungefähr um diese Zeit war es auch, als der ring of fire so richtig schön zu lodern anfing und Wendy den Kopf meines Babys ertasten konnte. BÄH! Sie fragte, ob ich nicht zwischen meine Beine greifen und ihn selbst berühren wolle, um ein Teil dieses Augenblicks zu sein.

EIN TEIL DIESES AUGENBLICKS? Ich bin dieser Augenblick. Ohne mich kein Babykopf, kein in der Badewanne heulender #hothusband, keine Kackschaufel. KEIN VERDAMMTER AUGENBLICK! Aber ich hab immer panische Angst, was zu verpassen, und wollte bei der Geburt meines Sohnes nicht außen vor sein, also griff ich hinunter. Es war genauso eklig, wie ich es erwartet hatte. Schleimig und haarig und einfach bah.

Also erlegte ich mir selbst die Hände-wo-ich-sie-sehen-kann-Regel auf und machte grunzend weiter.

Mit der nächsten Wahnsinnspresswehe kam der Kopf. Ich konnte es nicht sehen, weil ich ja auf allen vieren war, aber Api konnte es und meinte, unser Sohn sehe genau aus wie er. Er fing sofort an zu heulen. Ich selbst wirkte bei dem Versuch, mich umzudrehen, um auf mein Baby zu schielen, wie eine Katze, die versucht, es sich auf einer Ledercouch gemütlich zu machen. Aber der Rest seines Körpers war noch in mir, ich war also nicht so wendig wie erwartet. Ich musste Api einfach vertrauen.

Ein Fun Fact bezüglich Badewannengeburten: Babys können Ewigkeiten unter Wasser bleiben, bevor sie ihren ersten Atemzug tun müssen. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib, weil ich dachte, mein Sohn würde ertrinken, dabei war er völlig okay, obwohl sein Kopf eine ganze Minute unter Wasser war, während er schon draußen steckte (eklig). Als sein Körper herausgeschossen kam, fing ich ihn auf, drückte ihn an meine Brust und ließ ihn nicht mehr los.

Wir nannten ihn Lou.

Heute habe ich zwei wunderbare Jungs, Lou und Buddy. Sie sind bei Weitem das Beste, was mir je passiert ist. Gleich nach dem Tag, an dem ich Sporty Spice traf.

Das Kapitel, wo ich Ritalin entdecke, meinen (nicht ganz so) imagi­nären Kindheitsfreund

Meine Familie ist klein, da sind nur wir vier, meine Mutter Kath, mein Vater Nev, meine ältere Schwester Olivia und ich.

Meine Eltern sind so ein tolles Team. Mum hat eine ziemlich kurze Zündschnur, und Dad liebt nichts mehr, als sie zum Explodieren zu bringen, auf eine liebevolle Art natürlich. Mum ist sehr kreativ: Sie leitete drei erfolgreiche Inneneinrichtungs-Firmen und entschied im reifen Alter von zweiundsechzig Jahren, ihre eigene Sojakerzen-Marke zu gründen, Flame Candles, die Shops im ganzen Land mit Kerzen versorgt. Mein Dad ist der geschickteste und cleverste Mann der Welt. Er ist lustig und geduldig und kann alles reparieren. Gemeinsam haben sie zwei Häuser gebaut – Mum hat sie entworfen, und Dad hat sie gebaut –, zwei Töchter bekommen und sehr viel Mühe auf die Namensfindung ihrer Haustiere verwendet, ganz so, als wären sie ein unfruchtbares Paar und die Tiere alles, was sie haben. Als ich geboren wurde, hatten wir einen Silky Terrier, Phoebe Josephine; dann bekamen wir einen Schnauzer, Lucinda May, gefolgt von einem weiteren Silky Terrier namens Bronte Isabella. Aktuell behandelt Mum ihren zweiten Schnauzer, Clover Lee, wie ein unterschätztes hochbegabtes Kind.

Liv und ich waren glückliche Kinder, uns fehlte es an nichts. Wir hatten unsere eigenen Zimmer, durften Käse essen, wann immer wir wollten, und wenn wir nervten und unsere Eltern uns rausschmissen, weil wir zu laut waren, hatten wir genug Platz, um uns mit Stöcken zu jagen, ohne dass irgendein ernstlicher Schaden angerichtet werden konnte.

In der Schule war ich nicht wirklich gut, das war einfach nicht mein Ding. Manchmal tat ich so, als würde ich im Koma liegen, wenn mein Vater WIE JEDEN MORGEN um genau 6:55 Uhr in mein Zimmer kam, um mich für die Schule zu wecken. Ich kniff die Augen ganz fest zu und machte mich steif wie ein Brett, so wie Komapatienten es ja bekanntermaßen tun, nur um nicht gehen zu müssen.

Ich hasste einfach das Konzept. Das Lernen fiel mir schwer, ich konnte mich nicht konzentrieren, war schnell gelangweilt und wollte eben alles andere lieber tun als still sitzen. Wie sich herausstellte, hatte ich ADS, und eine kleine katholische Privatschule hoch im Norden von New South Wales war einfach kein geeigneter Nährboden für die damit einhergehenden „Symptome“.

Ich liebe es, Menschen zum Lachen zu bringen – über mich, mit mir, ganz egal. Solange die Menschen wegen mir lachen, bin ich glücklich. In der Schule war ich als Klassenclown der perfekte Sündenbock für Klassenkameraden, die gern Quatsch machten, und auch ein geeignetes Opfer für Lehrer, die mal Dampf ablassen mussten. Mathe, Englisch, Sport – eigentlich jedes Fach, für das man kein Mikrofon benötigte – mochte ich am wenigsten. Physik war das schlimmste, erinnere ich mich.

Vor jeder Physikstunde mussten wir uns vor dem Klassenzimmer aufreihen. Die Schultaschen mussten draußen bleiben, also holten wir nur unsere Bücher raus und marschierten dann im Gänsemarsch hinein, vorbei an unserer Lehrerin, die in der Tür stand und überprüfte, ob wir auch alle ordnungsgemäß dastanden. Wenn sie mit unserer Haltung zufrieden war, durften wir das Klassenzimmer betreten.

Für gewöhnlich stand ich ganz hinten in der Reihe, zusammen mit meinen unverdächtigen Komplizen Sean und Doug. Die beiden hatten ihre Sachen immer parat, besonders Sean, ein echt cleverer Typ, den Doug und ich immer verarschten, um uns besser zu fühlen.

Eines schönen Tages, als wir uns so in Reih und Glied aufstellten (ich nervte wahrscheinlich grade irgendwen, weil ich mal wieder meine Sachen vergessen hatte und einen Stift brauchte), hob Mrs Physik plötzlich vor mir den Arm. Ich dachte, sie wollte mit mir einschlagen oder eine Gettofaust machen oder so, aber dann begriff ich, dass das nicht der Fall war. Sie schmiss mich raus.

„Ich möchte, dass du draußen wartest, Celeste“, sagte sie, ohne mich anzusehen.

„Warum?“, protestierte ich.

„Wir können heute ausnahmsweise mal keine Ablenkung gebrauchen.“ Und damit schloss sie die Tür.

Meine Klassenkameraden marschierten weiter, auch Sean und Doug, und ich blickte ihnen sehnsüchtig nach. Ungefähr so, wie Rose am Ende von Titanic Jack hinterherblickt, als er mitten im Nordatlantik von dieser Tür runterrutscht.

Es war mir so peinlich – aber da sich Mrs Physik diese Praxis bald zur Gewohnheit machen sollte, lernte ich schnell, mit meiner Scham zu leben.

Aber jetzt mal ehrlich. Ablenkung? Sie glaubte, mich nicht ins Klassenzimmer zu lassen, sondern stattdessen draußen mit allen Schultaschen und einer komplett verglasten Wand, durch die ALLE mich sehen konnten, würde dafür sorgen, dass ich niemanden mehr ablenkte? Ich glaube, nicht alle Physiker sind schlau.

Jemanden aus dem Unterricht zu werfen, bevor dieser überhaupt angefangen hat, weil er ein Ablenkungsrisiko darstellt – das ist, als würde man Bill Cosby eine Packung K.-o.-Tropfen und eine Hotelsuite zur Verfügung stellen. Wenn ich freie Sicht auf Sean und Doug hatte, war ich nicht mehr zu bremsen.

Was solche improvisierten Auftritte anging, hatte ich ein paar zuverlässige Standardgags auf Lager. Der abwärtsfahrende Aufzug und „von der Bühne gezerrt werden“ waren eine sichere Bank, die zündeten immer. So zu tun, als ob man von einer Biene angegriffen wird, war ebenfalls ein Publikumsliebling. Oder der hier: Wenn es mir gelang, jemandes Aufmerksamkeit zu gewinnen, während mir Mrs Physik den Rücken zukehrte, tat ich so, als würde ich eine Frage durch die Scheibe stellen, und wenn mir derjenige antwortete, mimte ich ein „Ich hör dich nicht!“ Das war der Knaller, die Leute kriegten sich nicht mehr ein.

Die Hauptattraktion war meine Unsichtbar-Nummer. Wenn sich Mrs Physik umdrehte, um zu sehen, warum alle lachten, warf ich mich blitzschnell zu Boden und verschwand in den Schultaschen meiner Klassenkameraden. Meine Gage bestand aus unbewachten Pausenbroten.

Ich war kein freches Kind. Ich hatte zu viel Angst, um frech zu sein. Ich war einfach laut, laut und lustig, und die meisten meiner Lehrer kapierten das nicht. Aber das war okay für mich. Eigentlich half es mir sogar. Es half mir, daran zu arbeiten, eine lustigere Frau zu sein, eine stärkere Frau und eine widerstandsfähigere Frau.

Die Diagnose ADS zu bekommen (oder war es ADHS? Ich erinnere mich nicht, hab nicht aufgepasst) war das Beste, was mir jemals hätte passieren können – also das und Tickets für Janet Jacksons Velvet-Rope-Tour 98 zu bekommen. (Die Leute behaupten, „Rhythm Nation“ sei ihr bestes Album, aber ich sag’s euch, „Velvet Rope“ hat einfach alles: fette Beats, Gänsehaut-Balladen und genug Auto-Tune, um auch die überzeugtesten Hetero-Ladys umzudrehen.)

Ich hatte wirklich immer nur die besten Absichten. Ich war profimäßig organisiert, was das Lernen anging. Meine Eltern hatten einen Lernbereich für mich und meine Schwester eingerichtet, und dort holte ich zur Hausaufgabenzeit also meine Stifte raus und legte sie ordentlich neben meine Schulbücher. Mein Taschenrechner war in Top-Taschenrechner-Position, und ich erstellte sogar einen Lernplan, wobei ich jeden Farbstift verwendete, der mir zur Verfügung stand. Rot für Mathe, Pink für die Theatergruppe, der Rest interessierte mich nicht mehr so. Der Lernplan klebte direkt vor meinen Augen an der Wand.

Neben mir ein herrliches Glas Wasser in Raumtemperatur, ich nehme meinen Stift, bereit, mich richtig ins Zeug zu legen, dann ... Ende der Geschichte. Irgendwas hat mich abgelenkt, der vorbeilaufende Hund, ein in die Ecke geschmissenes Handtuch, meine niesende Mutter im Wohnzimmer nebenan – irgendwas zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, und bums!, das war’s. Und das ist es, liebe Freunde, was wir schlauen Leute „typisches ADS-Verhalten“ nennen. Ich hatte die besten Absichten, mich hinzusetzen und zu arbeiten, es hat mir sogar Spaß gemacht, die ganzen Lernutensilien zu besorgen, aber ich konnte einfachnicht.

Als ich sechzehn war, brachten meine Eltern mich in der Hoffnung auf Antworten zu einem Spezialisten. Obwohl ich Brüste hatte und seit ungefähr zwei Jahren monatlich blutete, musste ich zu einem Kinderarzt gehen. Das Wartezimmer war voller Spielzeug und Kinderbücher. An den Wänden hingen Poster mit dem Alphabet, neben jedem Buchstaben ein Bild: A wie Apfel, B wie Baum und so weiter.

Ich guckte mir die einzelnen Buchstaben an und war froh über die Ablenkung vom Arztgeruch im Wartezimmer. Das ergab scheinbar alles Sinn – K wie Karotte, L wie Löwe, logo –, bis ich zum Y kam. Neben dem Buchstaben war ein kleines Bild von einem Boot. Einem blauen Boot mit weißen Streifen. Das Wort darunter fing mit Y an, aber ich hatte keine Ahnung, welches Boot mit einem Y am Anfang geschrieben wurde. Ich fragte meinen Dad: „Was ist ein Ü-a-cht? “

Die Sprechstundenhilfe guckte zu uns rüber, als würde sie denken: „Ach Gott, das muss hart sein mit so einer schwierigen Tochter.“ Mein Dad hatte Tränen in den Augen, weil er so lachen musste, und antwortete: „Das soll Yacht heißen.“

„Und warum schreiben die das dann nicht mit J, bitte schön?“

„Gute Frage, Prinzessin. Weiß ich auch nicht.“ Mein Dad ist mein größter Fan. Na ja, nach meiner Mum, die gleich nach meiner Schwester kommt.

Wenn der Arzt dieses Gespräch gehört hätte, hätten sich meine Eltern die Arztkosten sparen können, denn dann hätte er mir direkt meine Tabletten gegeben und schwupps, ab in den Ritalin-Himmel!

Als ich endlich dran war, sollten Mum, Dad und ich uns in drei Stühle setzen, die nebeneinander aufgereiht waren. Mein Stuhl war dem Arzt am nächsten, ich war ja auch die Hauptattraktion. Und hier erfuhr ich dann, dass ADS erblich ist und häufig vom Vater an das Kind weitergegeben wird.

Oh mein Gott, na klar!! Mein Vater und ich waren völlig gleich! Ich fragte mich, ob ihn diese Information unglücklich machte. Als ich zu ihm rüberschaute, sah ich, dass er sich ganz auf eine Fliege konzentrierte, die zwischen Fensterscheibe und Fliegengitter gefangen war. Mir wurde klar, dass es für ihn wahrscheinlich total okay war, dass ich ihn in dieser Hinsicht beerbte.

Während des Termins sprach die meiste Zeit meine Mum, und mir wurden viele Fragen gestellt. Ich war ein selbstbewusster Teenager, aber trotzdem blickte ich für die Antworten fragend zu meiner Mutter. Das waren die Fragen:

Frage: Fällt es dir schwer, dich zu konzentrieren?

Antwort: Wie war die Frage?

F: Fällt dir Lesen, Schreiben und Buchstabieren schwer?

A: Nö, nich wörklich.

F: Findest du, dass du eine kurze Aufmerksamkeitsspanne hast und leicht abgelenkt bist?

A: Manchmal schon, aber hey, haben Sie den Fussel gesehen, der da gerade von Ihrem Pullover auf den Boden gefallen ist?!

F: Hast du ständig Schwierigkeiten in der Schule, weil du so spät mit einer Arbeit anfängst und nichts zu Ende kriegst?

A: Sag ich nicht.

Nach dem Termin bat mich der Arzt, draußen zu warten, während er mit meinen Eltern die „nächsten Schritte“ besprechen würde. Ich glaube, er wollte einfach nachsehen, welche Medikamente er gerade dahatte, um mir das Zeug sofort verabreichen zu können!

Also setzte ich mich wieder ins Wartezimmer, chillte mit Fünfjährigen, die mich höflich siezten, und machte mir nicht allzu viele Gedanken darüber, was gerade passiert war. Die Tür zum Sprechzimmer stand offen. Wahrscheinlich wollte mein Arzt cool und nahbar rüberkommen, während er Pillen verschrieb, die übergewichtige Brummifahrer achtundvierzig Stunden wach halten könnten. Ich konnte das ganze Gespräch mithören.

Mum: Wir wollen nicht, dass sie sich verändert.

Arzt: Dieses Medikament wird sie nicht verändern – es wird ihr helfen.

Mum: Gut. Wir wissen, sie ist lebendig und laut, aber wir mögen das. Ihre Persönlichkeit ist nicht das Problem, aber ihre Konzentrationsschwierigkeiten beeinträchtigen sie sehr.

Dad: Was glaubt ihr, wie lange steckt die Fliege schon da fest?

Arzt: Ritalin verändert nicht ihre Persönlichkeit, es wird ihr nur dabei helfen, sich zu konzentrieren.

Mum: Okay, wunderbar. Ich möchte einfach, dass sie weniger Probleme in der Schule hat.

Dad: Glaubt ihr, die Familie der Fliege fragt sich schon, wo sie bleibt?

Mum: Neville!

Dad: ’tschuldigung.

Mum: Wir stimmen der Medikation nur zu, wenn sie ihr wirklich dabei hilft, sich besser zu fühlen.

Arzt: Ich glaube wirklich, dass dies die beste Lösung für Celeste ist. Es wird einen durchweg positiven Effekt haben.

Mum: Okay, wunderbar.

Dad: Ich hab Hunger.

Ich werde dieses Gespräch nie vergessen. Dass meine Mutter schon damals so leidenschaftlich dafür kämpfte, dass ihr lebendiges, lautes, durchschnittlich aussehendes Mädchen genau so bleibt, wie es ist, bedeutete mir alles. An die Fliege denke ich auch noch oft.

Als wir nach Hause kamen, genehmigte ich mir sofort meine Drogen, und sie waren gut. So gut! Sie knallten sofort voll rein, und das erwartet man schließlich von gutem Stoff. Ich setzte mich aufs Sofa und las meinen Eltern eine Passage aus einer Broschüre mit dem Titel Leben mitADHS vor. Das hier stand da ungefähr: