Changemanagement in der Produktion - Holger Regber - E-Book

Changemanagement in der Produktion E-Book

Holger Regber

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Beschreibung

Change-Management in der Produktion: Wie Unternehmen eine Traumfigur machen. Viele Ansätze gibt es derzeit, Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Doch was fürs Abspecken gilt, gilt eben auch für die Betriebsverschlankung: Erfolg hat nur, wer Fehler im System begreift und dauerhaft umdenkt. Und so liefert das Autoren-Duo eine auf die Psyche der Mitarbeiter maßgeschneiderte Produktionsdiät, die dazu auffordert, selbst zu handeln. Das stärkt Teamgeist, Unternehmenskultur und Effizienz. Mit Mitarbeiterbefähigung und -beteiligung zum PMI, dem "Production-Mass-Index".

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Holger Regber | Klaus Zimmermann

Change-Management in der Produktion

Holger Regber | Klaus Zimmermann

Change-Management in der Produktion

Prozesse effizient verbessern im Team

Seminare, Trainings und Coachings, die sich rechnen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen: [email protected]@mi-wirtschaftsbuch.de

Nachdruck 2013 © 2007 by mi-Wirtschaftsbuch, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Stephanie Walter, Landsberg am Lech Umschlaggestaltung: Jarzina Kommunikations-Design, Köln Satz: TypoGrafik S. Kampczyk, Mering

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86880-143-9 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86416-119-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie

www.mi-wirtschaftsbuch.deBeachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de

Vorwort

Über mangelnde Vorschläge zur modernen Organisation von Produktionsprozessen brauchen sich die Verantwortlichen in Unternehmen nun wahrlich nicht zu beklagen. Business-Reengineering, Lean Production oder TQM – der Begriffe, Ansätze und Methoden gibt es viele. Theoretisch müsste damit vieles klar sein.

Die Praxis bietet aber oftmals ein ganz anderes Bild: schmutzige Werkhallen und verstellte Transportwege, hohe Bestände und lange Lieferzeiten, aufgrund von Qualitätsfehlern gesperrte Teile und aufwendiges Suchen nach Werkzeugen. Sprachen wir die Verantwortlichen darauf an, so hörten wir immer wieder, dass die theoretischen Ansätze wohl bekannt seien, diese auch schon mal ausprobiert wurden, aber dann doch nicht die erhofften Ergebnisse brachten.

Tatsächlich, die pure Übernahme der Methoden, gleich welchen Namens, kann nicht gelingen. Denn der Wechsel von einer bestehenden Organisation zu einer neuen ist für alle Mitarbeiter im Unternehmen immer auch ein Veränderungsprozess. Und dieser bewirkt im ersten Moment Unsicherheit, Angst und Ablehnung. Um das Scheitern solcher Veränderungsprozesse zu verhindern, müssen sich die Verantwortlichen darüber klar werden, wie ihr Unternehmen in fünf oder zehn Jahren aussehen soll, sie benötigen eine Strategie, um diese Vision zu erreichen, und ein Konzept, um die Mitarbeiter an der Veränderung zu beteiligen.

Nachdem wir das erkannt hatten, begannen wir, die einschlägige Literatur zu durchstöbern. Wir fanden wissenschaftliche Werke mit vielen Fachbegriffen und Zitaten, philosophische oder pragmatische Beschreibungen der Organisationsansätze und Bücher über Mitarbeiterführung und Mitarbeiterbeteiligung. Doch eine praxisorientierte ganzheitliche Darstellung des Veränderungsprozesses fanden wir nicht. Irgendwie wurden wir den Eindruck nicht los, dass viele Autoren eine möglichst vollständige Auflistung ihres Fachwissens bieten möchten, die Verknüpfung der Inhalte aus den jeweiligen Denkschubladen jedoch dem Leser überlassen wird. Wo fängt man an? Welches sind die folgenden Schritte? Welche Randbedingungen sind zu beachten? Es blieben viele Fragen offen.

So entstand die Idee für dieses Buch, welches wir in Anlehnung an den Veränderungsprozess als Prozessbuch bezeichnen möchten. „In verständlicher und unterhaltsamer Weise die vielfältigen Facetten des Veränderungsprozesses in der Produktion darstellen“ und „Ein Lese- und Nachschlagebuch schaffen!“ notierten wir unter anderem auf unsere Denkzettel. Ob wir diesen Anspruch erfüllen konnten, werden Sie einschätzen.

Allerdings merkten wir recht schnell, dass dieses Buch ohne die Unterstützung unserer Familien, Partner und Freunde nicht realisierbar ist. Wir hatten das Glück, die Unterstützung zu bekommen. Dafür möchten wir uns bedanken: Bei Doris Schwarzenberger für die Grafiken. Bei Andrea, Corinna, Marcel, Saskia und Romy für geduldig ertragene familienferne Schreibtischstunden. Für Anregungen, Beratung und Inspiration bei Dr. Ralf Garlichs, Matthias Meinke, Klaus Reichel, Dietrich Regber und Ralf Wetzel. Für die Genehmigung und Bereitschaft, an der Fallstudie mitzuwirken, bei Stefanie Born, Sultan Cekic, Henry Geilinger, Dr. Thorsten Hartmann, Rainer König, Norbert Langer, Karl Polzer, Hans Rittmann, Siegbert Ruf, Gerald Schmid, Malgorzata Serletis, Stefan Weber und Dr. Christoph Weiß. Ohne ihre Mithilfe wäre dieses Buch niemals entstanden. Vielen Dank!

Holger Regber & Klaus Zimmermann

Wir bauen unsere Produktion um!

Sechs Jahre ist es her, seit die erste Auflage von Change-Management in der Produktion erschien und in dieser Zeit hat sich einiges in deutschen Unternehmen getan. Während wir im Jahr 2001 noch die Fähigkeit zur Veränderung als wichtigste Voraussetzung zum Bestehen am Markt anführten, gehört inzwischen Veränderung fast zum Tagesgeschäft der Unternehmen. Der Grund liegt, wie sollte es anders sein, in der permanenten Veränderung der Märkte. So hat Globalisierung selbst für kleinere und mittlere Unternehmen längst den Status der Fiktion verlassen. Wichtige Kunden sitzen in Südamerika oder im arabischen Raum. Zuliefermaterialien werden aus Indien oder Malaysia bezogen. Die härtesten Wettbewerber kommen aus Rumänien, der Ukraine oder China. Hinzu kommt die Verknüpfung der einzelnen Teile zu einem Ganzen mittels eines Netzes ausgeklügelter Logistik, die dafür sorgt, dass die Ware in einer angemessenen Zeit ihren Bestimmungsort erreicht. Und sollten sich die Maschen dieses Netzes doch irgendwann einmal verheddern, gibt es ja immer noch die Möglichkeit der Sonderfahrten. Im Zweifelsfall mit Taxi. Viertausend Kilometer für fünfzig dringend benötigte Teile vom Fuße des bulgarischen Rila-Gebirges an einen beliebigen Ort Deutschlands.

Zu diesem ersten Fakt gesellt sich ein zweiter. Der der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Während Deutschland zum Zeitpunkt der ersten Auflage den Spott als schlafender Riese ertragen musste, gilt dieses unser Land inzwischen wieder als wettbewerbsfähig. Die Lohnstückkosten wurden im Vergleich zu anderen Ländern erheblich reduziert. Die Technologieführerschaft in vielen Branchen ist unbestritten und auch die Produktqualität gilt als exzellent. Eine hohe Flexibilität und kurze Lieferzeiten ergänzen die Palette der Wettbewerbsvorteile und kompensieren so größtenteils weiterhin bestehende Preisnachteile.

Also alles gut in Deutschland? Haben wir den Wandel geschafft und erweist sich die wirtschaftlich kritische Situation vieler Unternehmen um die Jahrtausendwende im Nachhinein lediglich als temporäre Schwäche? Ist damit gar eine zweite Auflage von Change-Management in der Produktion nicht notwendig? Tatsächlich ist man im ersten Augenblick geneigt, diese Fragen zu bejahen. Die Auftragsbücher sind voll wie nie zuvor. Deutsche Unternehmen melden von Jahr zu Jahr Rekordgewinne. Und selbst der Arbeitsmarkt, das Stiefkind deutscher Wirtschaftspolitik, reagiert und weist zumindest in einigen Bereichen ein Defizit an qualifizierten Arbeitskräften aus.

Allerdings bergen schnelle Antworten die Gefahr der Flüchtigkeit und des Übersehens. Hat man, so wie wir, das Privileg, sich ab und zu einen genaueren Blick auf und in Unternehmen gönnen zu dürfen, dann stellt man fest, dass die gewonnene Effizienz nicht unbedingt aus stabileren und verschwendungsärmeren Prozessen herrührt. Vielmehr haben sich häufig der Aufwand und die Energie erhöht, welche die Wirtschaftsmotoren der Unternehmen antreiben. Und deren Nichterscheinen in der Unternehmensbilanz hat den einfachen Grund, dass die viel belächelte deutsche 35-Stunden-Arbeitswoche vielleicht noch in einigen Großunternehmen gelten mag, im Allgemeinen jedoch längst den Status einer Legende hat. 45-oder 50-stündige Arbeitswochen gelten in kleinen und mittleren Unternehmen inzwischen als normal, auch 60 oder 70 Stunden pro Woche sind keine Seltenheit. Wohlgemerkt ohne Lohnausgleich. So treffen wir immer wieder auf Unternehmen, die das System der Lean Production, der Schlanken Produktion, mit Magersucht verwechseln. Unternehmen also, die ihre unterstützenden Prozesse auf ein Minimum reduzierten, wenn nicht gar ganz eliminierten. Jeder ungeplante Maschinenstillstand führt bei diesen zwangsläufig zu Mehrarbeit, jedes Qualitätsproblem zu Zusatzschichten am Wochenende. Der Wille, sich den Ursachen dieser Probleme zu stellen, mag vielleicht noch vorhanden sein. Kraft und Energie schon lange nicht mehr. So zehren diese Unternehmen von den Innovationen vergangener Zeiten, die irgendwann aufgebraucht sein werden. Keine Investitionen in neue Produkte, neue Fertigungsverfahren oder neue Prozesse. Stattdessen ein ungehemmter Verbrauch momentan noch vorhandener Ressourcen. Ein Kurs, bei dem uns angst und bange wird. Denn man muss kein Prophet sein, um so die nächste wirtschaftlich kritische Situation vorherzusehen.

Ein zweites Phänomen, auf das wir in den vergangenen Jahren immer wieder stießen, ist das Verlagern von wertschöpfenden Prozessen in Länder mit geringeren Personalkosten. Wir verwenden an dieser Stelle bewusst nicht den häufig anzutreffenden Begriff „Billiglohnländer“, da wir sehr im Zweifel sind, ob diese Strategie tatsächlich billiger ist. Natürlich, wenn man die Werkkostenstellen miteinander vergleicht, dann wird man unter dem Strich ein Ergebnis erhalten, welches eindeutig für die Verlagerung von produktiven Arbeitsplätzen in die Ukraine, nach Bulgarien oder Moldawien spricht. Doch Werkkostenstellen kreieren lediglich eine Scheinwahrheit. Und wir möchten an dieser Stelle auch nicht die oftmals erwähnten Qualitätsprobleme als Argument anführen. Als viel wichtiger erachten wir, die Prozesse und deren Schnittstellen zu betrachten. Was geschieht, wenn man die Produktion oder Teile von ihr von den anderen Unternehmensbereichen räumlich trennt? Selbstverständlich werden die Wege länger. Das, was bisher mit einigen Schritten erledigt werden konnte, zieht nun Dienstreisen nach sich. Erst mit dem Auto, später mit dem Flugzeug. Wenn aber ein solcher Aufwand betrieben werden muss, dann sollte dieser wenigstens effizient organisiert sein. Also wird man die Probleme, so es nur irgendwie geht, sammeln. Bis sich eine gewisse Menge angehäuft hat und man quasi ein Problemlos bilden kann. Dann lohnt sich nach unserem traditionellen Kostenoptimierungsverständnis eine Flugreise, um einige Tage im osteuropäischen Werk zuzubringen. Was wiederum nichts anderes bedeutet, als Probleme zu verschieben, Flexibilität einzubüßen und Reaktionszeiten zu verlängern. Und Schnittstellen zwischen der Produktion und anderen Unternehmensbereichen gibt es ausreichend. Zur Entwicklung und zur Konstruktion, zum Personalbereich und zum Controlling, zur IT und zur Logistik … Sie dürfen diese Aufzählung nach Belieben fortsetzen. Allerdings sollten Sie dafür schon ein gewisses Maß an Kreativität aufbringen. Denn nur so können Sie sich unsere Verwunderung vorstellen, als wir am ungarischen Standort eines internationalen Automobilzulieferers erfuhren, dass nahe dem Werk ein ganzes Hotel mit 65 Betten ausschließlich für die Mitarbeiter der europäischen Zentrale angemietet war. Doch damit nicht genug des Aufwands. Verlagerung in Länder mit geringeren Personalkosten bedeutet weiterhin Sprachprobleme, unterschiedliche Kulturverständnisse, Auseinandersetzung mit verschiedenen Rechtssystemen, Logistikaufwand, Zollschwierigkeiten, Qualifikationsdefizite, mangelnde Mitarbeiterloyalität, Entfremdung vom Endprodukt und vom Kunden … Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass selbst der Vorteil geringerer Lohnkosten schwindet, da sich die renommierten westeuropäischen und amerikanischen Unternehmen mit 10- oder 15-prozentigen Lohnsteigerungsversprechen die Mitarbeiter gegenseitig abwerben. Betrachtet man das Phänomen der Produktionsverlagerung unter diesen angeführten und weiteren nicht erwähnten Aspekten, so drängt sich die Frage auf, ob das alles tatsächlich noch so wirtschaftlich ist, wie ursprünglich angepriesen. Oder ob es nicht besser gewesen wäre, den betriebenen Aufwand in die Entwicklung stabilerer und effizienterer Prozesse am deutschen Fertigungsstandort zu investieren?

Ein drittes Phänomen, welches uns beim genauen Blick auf und in Unternehmen auffiel, soll nicht unerwähnt bleiben: die Veränderungsmethodik und die fast kultische Verehrung von Managementmethoden. Immer wieder stoßen wir darauf, dass englischsprachige Tools wie TPM (Total Productive Maintenance) oder TPS (Toyota-Production-System), TOC (Theorie of Constraint) oder SCM (Supply-Chain-Management), TQM (Total Quality Management) oder Six Sigma ähnlich Kometen aufsteigen und in sie die Hoffnung auf schnelle Erfolge projiziert wird. Drastische Senkung der Kosten, erhebliche Verringerung der Durchlaufzeiten, totale Null-Fehler-Qualität – so oder so ähnlich hämmern die Schlagzeilen unserer Produktionsbildzeitung und naive Managementgeister beten sie nach. Dabei wird ganz einfach vergessen, dass ein Tool nichts anderes ist als ein Werkzeug, welches zur effizienten Nutzung Fertigkeiten und Können, Wissen und Erfahrungen benötigt. Aber so werden häufig alle Erwartungen allein in das Tool gesetzt. Kein Wunder, dass dem kometenhaften Aufstieg oftmals ein ebenso rasanter Absturz folgt und die Tool-Erfindungsindustrie gefordert ist, uns mit den nächsten englischsprachigen Abkürzungen zu versorgen.

Die Diskrepanz wird umso deutlicher, wenn man vergleicht, welcher Aufwand zur Planung von Investitionen in neue Fertigungsverfahren oder Maschinen betrieben wird. Da werden Alternativen erarbeitet, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angestellt, Lastenhefte formuliert, Evaluierungen vorgenommen. Tools dagegen tauchen irgendwie im Unternehmen auf und kaum einer kann sich daran erinnern, wieso die Entscheidung gerade auf diese fiel. Sie sind halt plötzlich da und scheinen im Gegensatz zu einer neuen Produktionsanlage auch nicht viel zu kosten. Also probiert man mal eine Weile Business-Reengineering, Lernende Organisation oder BSC (Balanced Score Card). Übersehen wird dabei, dass jedes Tool durch eine Person oder eine Personengruppe „erfunden“ wurde, dieses also die Werte und Grundhaltungen dieser „Erfinder“ transportiert. So steht bei der Lösung von Qualitätsproblemen Six Sigma beispielsweise für einen strikten mathematischen, ingenieurstechnischen Ansatz, Pokayoke für ein pragmatisch orientiertes Vorgehen und Total Quality Management für einen ganzheitliches, mehr philosophisch angehauchtes Denken. Diese drei Tools werden also je nach Identität, nach gelebter Unternehmenskultur, manchmal besser und manchmal weniger gut passen. So betrachtet, scheint ein zielgerichteter Auswahlprozess notwendig, der allerdings in der Praxis weitestgehend entfällt oder Unternehmensberatern überlassen wird. Eine vergebene Chance, finden wir. Denn einerseits besteht so die Gefahr, viel Aufwand in ein ungeeignetes Tool zu investieren. Andererseits birgt der Auswahlprozess, welche Tools tatsächlich zum Unternehmen passen, eine Menge Potenzial, um sich über die tatsächlichen Ursachen der Probleme, den aktuellen Zustand und den angestrebten zukünftigen Zustand zu verständigen. Kein Mensch käme auf die Idee, mit einem Hammer eine Mutter lösen zu wollen, bei der Auswahl von Tools können wir uns jedoch dieses Eindrucks nicht erwehren.

Der genauere Blick auf die vollzogenen Veränderungen in deutschen Unternehmen zeigt also ein anderes Bild, als es sich beim flüchtigen Hinsehen bieten mag. Eines, was weniger die ursächliche Lösung der Probleme als deren Übertünchen spiegelt. Damit bleiben die drei Kernfragen, die wir zur Entwicklung eines selbsttragenden Veränderungsprozesses in der ersten Auflage formulierten, aktuell:

Die Frage nach der Vision: Wie muss die Produktion gestaltet sein, damit es gelingt, den Anforderungen des Marktes augenblicklich und in Zukunft gerecht zu werden?Die Frage nach der Strategie: Welches Vorgehen muss gewählt und welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit es gelingt, die Produktion entsprechend der Vision zu gestalten?Die Frage nach der Integration der Mitarbeiter: Wie wird es möglich, die Mitarbeiter so in den Veränderungsprozess zu integrieren, dass sie selbst Träger und Initiatoren der Veränderung werden?

Im Weiteren gliedert sich das vor Ihnen liegende Buch in drei Teile, die diesen eben angeführten Fragen folgen.

Teil I: Organisation ist alles

Wenige Zeilen zuvor beklagten wir noch unreflektierten Umgang mit Tools, jetzt nutzen wir selber einen Begriff, der sehr gut in die Aufzählung passen würde: Lean Production oder Schlanke Produktion. Ein Widerspruch? Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Schlanke Produktion ist tatsächlich ein eingeführter und oftmals genutzter Begriff. Landläufig versteht man darunter den Abbau von Hierarchien und die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft.

Allerdings stellt für uns Schlanke Produktion kein Tool dar, das man ähnlich einem Medikament einem Bedürftigen verordnet, in der Hoffnung, er möge gesunden. Stattdessen sehen wir Schlanke Produktion als Vision. Wie sollte Produktion gestaltet sein, damit es gelingt, den wechselnden Anforderungen des Marktes momentan und in Zukunft gerecht zu werden? Schlanke Produktion heißt damit für uns, als Unternehmen in der Lage zu sein, in kürzester Zeit, in höchster Güte und zu einem angemessenen Preis die Nachfrage des Kunden zu erfüllen.

Und da stehen viele Unternehmen vor einem Dilemma. Einerseits werden durch die Kunden immer vielfältigere Produkte in immer kleineren Mengen, noch dazu in hoher Qualität und hoher Liefertreue nachgefragt. Andererseits sollten der Aufwand und damit die Produktionskosten mindestens gehalten, wenn nicht gar gesenkt werden. Der einzige Ansatz, dieses Dilemma aufzulösen, besteht darin, zu hinterfragen, welche Tätigkeiten im Unternehmen für den Kunden Wertschöpfung darstellen, wofür er also bereit ist, Geld zu zahlen, und wie der Anteil von Verschwendung beziehungsweise nicht wertschöpfender Arbeit verringert werden kann.

Um diese Verschwendung deutlicher zu machen, werden wir acht Arten davon definieren. Der Verschwendung durch Überproduktion, das ist bereits die erste, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie bewusst genutzt wird, um Probleme in anderen Bereichen (beispielsweise durch Minderqualität oder unpünktliche Bereitstellung von Zwischenprodukten) zu überdecken. Die Vision der Schlanken Produktion setzt an dieser Stelle an und fragt im Umkehrschluss, wie eine Produktionsorganisation gestaltet sein müsste, die in der Lage ist, nur dann zu produzieren, wenn die Produkte auch tatsächlich durch den Kunden nachgefragt werden. Im Wesentlichen ist es dazu notwendig,

ein Produktionssystem zu entwickeln, das in der Lage ist, schnell, flexibel und bedarfsgenau die Wünsche der Kunden zu erfüllen, eine Instandhaltung aufzubauen, die garantiert, dass genau zum Moment der Produktion keine Maschinenausfälle auftreten, und ein Qualitätssystem einzuführen, das eine Null-Fehler-Strategie verfolgt.

Teil 1 wird sechs Kapitel umfassen, die Ihnen Anregung geben sollen, eine Vision der Schlanken Produktion für Ihr eigenes Unternehmen zu entwickeln. Um die Aussagen zu illustrieren und greifbarer zu gestalten, sind alle sechs Kapitel durch praktische Fallstudien ergänzt.

Teil II: Die Organisation prägt die Mitarbeiter, die Mitarbeiter gestalten die Organisation

Strategie und Mitarbeiterbeteiligung sind aufs Engste miteinander verknüpft. Einerseits kann sich derjenige, der über eine Strategie zur Schlanken Produktion nachsinnt, nicht Überlegungen entziehen, wie die betroffenen Mitarbeiter in das System integriert werden sollen. Andererseits wird die Umsetzung der gewählten Strategie erst durch die Beteiligung der Mitarbeiter möglich. Zwischen beiden besteht also eine Wechselwirkung. Ihre Beachtung wird umso wichtiger, da wir davon ausgehen, dass ein permanenter Veränderungsprozess zu einer Schlanken Produktion nur mit den Mitarbeitern erfolgen kann. Veränderungsstrategien, Mitarbeiterführung, Personalentwicklung und Qualifizierung stellen so nur unterschiedliche Sichtweisen auf ein und dasselbe Ziel dar: nämlich aus betroffenen Mitarbeitern Beteiligte zu machen, ihnen zu helfen, dass sie sich als Träger des Veränderungsprozesses entwickeln.

Genau daran scheitern in der Praxis jedoch viele Veränderungsansätze. Mitarbeiter haben das Gefühl, als Objekte, als Figuren auf einem Schachbrett behandelt zu werden. Sie sehen ihre Ideen nicht oder nur ungenügend berücksichtigt. Sie befürchten, dass der Veränderungsprozess zu ihren Ungunsten vonstatten geht. Die Folge sind Widerstände in offener oder verdeckter Form, die, sobald die Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung sich anderen Themen zuwendet, den Veränderungsprozess zum Scheitern bringen.

Ein Change-Management muss also nach Ansätzen suchen, mit denen es gelingt, den Mitarbeitern die Angst vor Veränderungen zu nehmen und ihre teilweise über Jahrzehnte herausgebildeten Einstellungen aufzubrechen. Die Mitarbeiter sollen spüren, dass das Unternehmen ihre Ideen, ihr Engagement, ihre Bereitschaft schätzt und als äußerst wichtig betrachtet. Hinzu kommt die Berücksichtigung der spezifischen Ausgangssituation des Unternehmens und der Branche. Viele Fragen, wenig pauschale Antworten. Und dennoch müssen Lösungen gefunden werden. Wir werden im Teil II diesen Problemen nachgehen und verschiedene Ansätze für Veränderungsstrategien sowie zur Integration der Mitarbeiter aufzeigen. Gleichzeitig möchten wir Ihnen neue Funktionen für einige Ihrer Mitarbeiter im Veränderungsprozess vorstellen und praxiserprobte Methoden skizzieren. Doch wie bereits beschrieben, pauschale Antworten gibt es wenige. Wir können Ihnen Anhaltspunkte, Denkpunkte liefern, Ihren Weg für Ihr Unternehmen müssen Sie letztendlich selbst finden.

Teil III: Nur Theorie ist langweilig – eine Fallstudie über die Festool GmbH

Geht es Ihnen so wie uns? Mögen Sie sich auch ganz gern mit Theorie beschäftigen, aber verlieren dabei nie die praktische Umsetzung aus den Augen? Dann sind Sie in diesem Teil genau richtig. Denn Theorie ist tatsächlich das eine, sei sie auch mit noch so vielen praktischen Tipps versehen. Die Praxis, die ganz konkrete Umsetzung, ist immer das andere. Und wer könnte das wohl besser schildern als Mitarbeiter eines Unternehmens, die den Veränderungsprozess bereits seit einigen Jahren leben?

Ein solches Unternehmen ist die Festool GmbH, ein Unternehmen, das Elektrohandwerkzeuge produziert und vertreibt. 1994 begann das Unternehmen mit dem Veränderungsprozess hin zur Schlanken Produktion und entwickelte sich in einem schwierigen Markt von einem defizitären zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen. Und wenn wir wenige Zeilen zuvor schrieben, dass wir die Mitarbeiter dieses Unternehmens zu Wort kommen lassen wollen, dann war das keine stilistische Floskel. Im Teil III werden zwölf Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionsbereichen und Hierarchieebenen ihren persönlichen und beruflichen Entwicklungsweg im Veränderungsprozess schildern. Unter anderem gehören dazu der Werkleiter, der Change-Agent, der Betriebsrat, der Prozessgestalter, die Insellogistikerin, der Prozessbegleiter, die Montagemitarbeiterin. In Monologen geben sie Auskunft über Wege und Irrwege, über ihren Anteil an den Veränderungen und über die Auswirkungen der Veränderungen auf ihren Arbeitsplatz und ihre Arbeitsaufgaben.

Vielleicht haben Sie nun, nach der Vorstellung der einzelnen Teile dieses Buches, das Gefühl, es gehe alles etwas durcheinander. Von Schlanker Produktion über Rüstzeitreduzierung und Null-Fehler-Strategie bis zu Mitarbeiterführung und Personalentwicklungskonzepten. Oder von japanischen Produktionsphilosophien über deutsche Veränderungsstrategien zu erfolgreichen schwäbischen Unternehmen. Seien Sie unbesorgt, das ist beabsichtigt. Natürlich bietet jedes dieser Themen genügend Stoff für ein oder gar mehrere Bücher. Da entsteht dann ein 700-seitiger Wälzer mit dem lakonischen Titel: Kleines Handbuch der Mitarbeiterführung. In dem werden eine Vielzahl von Theorien diskutiert, alle denk- und undenkbaren Modelle vorgestellt und ein jahrhundertübergreifender Abstecher in die Historie unternommen. Das Ganze nennt man dann Fachoder Sachbuch. Diesen Anspruch verfolgt Change-Management in der Produktion nicht. Wir möchten dieses Buch stattdessen als Prozessbuch bezeichnen. Prozessbuch deshalb, da es Ihnen zum einen den Veränderungsprozess zur Schlanken Produktion vorstellen wird. Zum anderen soll Sie dieses Buch im Veränderungsprozess begleiten und als sachlicher Partner in kritischen Situationen Hilfe geben. Quasi als Nachschlagewerk, in dem man immer wieder einmal blättert, um herauszufinden, wie haben die das beschrieben oder getan. In diesem Sinne sind auch die Kapitel konzipiert. Zwar ist deren Aneinanderreihung Ergebnis einer logischen Folge, doch inhaltlich bilden sie in sich abgeschlossene Komplexe. Es ist damit nicht notwendig, Kapitel 4 zu lesen, um Kapitel 9 verstehen zu können.

Eines können wir Ihnen jedoch von vornherein versichern: Sie werden in diesem Buch sicher Ideen und Anregungen finden, aber nicht den genau für Ihr Unternehmen passenden Weg. So à la Kochrezept, man nehme etwas Hackfleisch, ein mittelgroßes Ei und eine Unze Pfeffer. Alle Versuche in diese Richtung müssten unweigerlich scheitern, hat doch jedes Unternehmen so spezifische Voraussetzungen, wie wir sie uns an unseren Schreibtischen nie ausdenken könnten. Das kann ein Buch einfach nicht leisten. Ihren Weg müssen Sie selbst finden und das ist auch gut. Denn nur so werden Sie eine Strategie entwickeln, die vollständig auf Ihre Gegebenheiten passt.

Doch nun genug der Vorrede. Lassen Sie uns beginnen mit dem Umbau der Produktion.

Teil I Organisation ist alles

1Es geht um die Wertschöpfung

1.1 Von Wertschöpfung und Verschwendung

Was ist Wert? Und was ist etwas wert? Wer über Wertschöpfung schreiben will, der muss sich wohl mit Werten auseinandersetzen. Und das ist, denkt man länger darüber nach, schwierig genug. Da gibt es Dinge, die haben scheinbar einen geringen Wert. Wasser beispielsweise. Zwischen drei und sechs Euro schwankt der Preis für den Kubikmeter in Deutschland. Einige tausend Kilometer südlich jedoch ist der Wert des Wassers wesentlich höher. Ein Vielfaches des deutschen Preises. Oder ein Familienfoto. Für den einen ein unschätzbarer Wert, da sich mit diesem Foto eine Vielzahl von Erinnerungen verbinden, für den anderen nichts weiter als ein Stück Papier. Unsere 24-bändige in Leder gebundene Brockhaus-Ausgabe, vor einigen Jahren für etwa 3000 DM erstanden, schreibt zu Wert: »Durch Schätzung und Abwägung entstandenes Übereinkommen zwischen Menschen über das ihnen Zu- bzw. Abträgliche…« (Brockhaus 1994, Band 24, S. 81) und führt dann weiter aus zu soziokulturellen, gesellschaftlichen, philosophischen und wirtschaftswissenschaftlichen Werten. War sie das Geld wert?

Auch wenn so manches noch im Vagen bleibt, eines wird bereits an dieser Stelle klar. Wer über Wertschöpfung debattieren möchte, sollte sich beschränken. So wie wir in unserem Fall auf Produktwerte. Doch stopp, auch in diesem Fall gibt es Unterschiede. Denn da gibt es einmal den Wert, den der Erzeuger, der Hersteller, einem Produkt zu verleihen meint. Und da gibt es den Nutzen, den der Kunde, der Anwender, mit dem Produkt erzielt. Nach dem Modell der vollständigen Konkurrenz gleichen sich die beiden unterschiedlichen Wertbetrachtungen über den Preis aus. Nur ist eben das Modell der vollständigen Konkurrenz ein theoretisches Gebilde und so in der Praxis nicht anzutreffen. Denn dem Kunden fehlten vor allem in der Vergangenheit Informationen über die Anbieter. So wurde das Produkt zu dem Preis gekauft, welches unter den begrenzt zur Verfügung stehenden Informationen den größten Nutzen versprach.

Beispielsweise die Software, mit der wir just in diesem Augenblick diesen Text schreiben. Diese Software hat eine Vielzahl von Funktionen. Tabellenkalkulationen, Erstellen und Einbinden von Grafiken, Layout-Funktionen. Wir sind uns sicher, dieser Aufzählung könnten wir eine Menge weiterer Funktionen hinzufügen. Nur können wir sie eben nicht benennen, da wir sie noch nie benötigten. Vielleicht nutzen wir 20 %, vielleicht auch 30 % der Funktionalität. Und das, obwohl wir fast täglich unserem Computer den Befehl zum Aufruf genau jener Software erteilen. So gesehen existiert zwischen der Wertbetrachtung des Anbieters des Textverarbeitungsprogramms und unserer Wertbetrachtung als Nutzer (Neudeutsch: User) eine Wertdifferenz von 70 bis 80 %.

Nun ist das Zuviel von Funktionen im Prinzip kein Grund zur Klage. Denn immerhin könnte es sein, dass wir genau diese Funktionen in einer Woche oder in einigen Monaten benötigen. Und dennoch steckt hinter diesen Funktionen Aufwand. Um sie zu definieren, zu planen, zu programmieren, sie zu dokumentieren. Und nicht nur das. Es sind dafür Mitarbeiter einzustellen und zu betreuen, der Fuhrpark ist zu verwalten, die Rechnersysteme müssen zur Verfügung gestellt werden, Energiekosten entstehen, zusätzliche Büroflächen sind anzumieten … Letztendlich finden sich diese Aufwände im Preis wieder. So betrachtet zahlten wir 100 % des Preises, um 20 bis 30 % der Funktionalität des Textverarbeitungssystems nutzen zu können. Sicher ein etwas unglückliches Tauschverhältnis.

Oder nehmen Sie Ihren Videorecorder, Ihre Kamera, Ihr Auto, Ihre Waschmaschine. Welches Produkt Sie auch immer betrachten, Ihren individuellen Bedürfnissen steht ein Standardangebot gegenüber. Und das betrifft beileibe nicht nur die Funktionalität und den Preis. Auch die anderen Entscheidungskriterien für den Kauf eines Produktes, wie Lieferzeiten, Lieferpünktlichkeit, Qualität, Service, sind betroffen. Standard, alles Standard. Solange der Standard über den Erwartungen liegt und der Kunde nur aus einem begrenzten Angebot wählen kann, mag das ja alles kein Problem sein. Genau diese Voraussetzungen sind aber in der Zwischenzeit immer seltener gegeben. Wir möchten an dieser Stelle keine Lobrede für Vernetzung und Globalisierung halten, doch klar ist, dass es dem Kunden genau dadurch gelingt, eine bessere Marktübersicht zu erhalten. Für die Unternehmen heißt es so, Produkte herzustellen, welche

Abbildung 1: Von Technologieorientierung und Auslastungsoptimierung zu Kundenorientierung und Kostenminimierung

die Anforderungen des Kunden wesentlich genauer erfüllen, die sich durch geringere Kosten, höhere Qualität und hundertprozentige Liefertreue auszeichnen. Zugegeben, ein Dilemma. Denn wer seine Produkte genauer auf die Anforderungen seiner Kunden zuschneiden will, muss mehr Produktvarianten im Angebot haben und diese verursachen höhere Kosten. Zugleich ist es wesentlich schwieriger, mit mehr Produktvarianten eine hundertprozentige Liefertreue zu erreichen. Es sei denn, man legt sich große, umfassende Warenausgangslager an. Und die verursachen ebenso höhere Kosten. Kundenorientierung und Bestandsminimierung sind damit eigentlich einander ausschließende Kriterien. Dennoch gilt es, diesen Spagat zu bewältigen. Und der einzige mögliche Ansatz besteht darin, dass das jeweilige Unternehmen seine Prozessschritte, seine Unternehmensfunktionen und seine einzelnen Tätigkeiten äußerst genau auf ihre Wertschöpfung gegenüber dem Kunden hinterfragt.

Von Wert zu Wertschöpfung also. Dabei möchten wir mit unserer Definition von Wertschöpfung wiederum beim Kunden ansetzen. Demnach ist Wertschöpfung der Teil einer Tätigkeit für ein Produkt oder eine Dienstleistung, für die der Kunde tatsächlich gewillt ist, Geld zu bezahlen. Die Endmontage einer Waschmaschine beispielsweise oder das Biegen und Lackieren von deren Gehäuse, die Fertigung des Motors. Also alles Tätigkeiten, durch die am Produkt ein tatsächlicher Wertzuwachs entsteht.

Wenn man Wertschöpfung so festlegt, leitet sich daraus auch das Gegenstück, die Verschwendung, ab. Zugegeben, nun wird keiner von sich aus Verschwendung erzeugen. Wir wollen aus diesem Grund Verschwendung als versteckte Verschwendung bezeichnen. Also Tätigkeiten, die nicht zu einer Wertschöpfung beitragen, aber aus gegebenen Umständen getan werden müssen. Hierzu zählen Aufgaben wie das Um- und Auspacken von Teilen, das Abzählen und Kommissionieren, das Umrüsten und ausfallbedingte Instandsetzen von Maschinen, aber auch das Verwalten von Personal, das Erstellen der Jahresbilanzen, die Konstruktion von Betriebsmitteln et cetera.

Einerseits entsteht Verschwendung damit im Produktionsprozess selbst. Zum anderen sind die Dienstleistungsfunktionen, welche der Produktion helfen, Teile herzustellen, auch als Verschwendung zu betrachten. Natürlich ist es notwendig, Maschinen instand zu halten, Arbeit vorzubereiten, Zulieferteile einzukaufen oder Löhne auszuzahlen. Nur tragen eben diese Tätigkeiten nur mittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei. Sie sind Verschwendung aus der Sicht des Kunden, aber notwendig aus der Sicht des Unternehmens.

Verschwendung muss also nochmals unterteilt werden: nämlich in vermeidbare und in nicht vermeidbare. Legt man zugleich die optimistischsten Schätzungen zugrunde, nach denen der Anteil der wertschöpfenden Tätigkeiten im Unternehmen im Vergleich zu den Gesamtaktivitäten weniger als 10 % beträgt, gibt es im Bereich der vermeidbaren Verschwendungen genügend Potenzial, um die Produktivität auf ein Vielfaches zu steigern.

Abbildung 2: Wertschöpfung, vermeidbare und nicht vermeidbare Verschwendung

Die eigentliche Wertschöpfung in Form von Produkten, für die der Kunde bereit ist, Geld zu bezahlen, findet damit in der Produktion statt. Alle anderen Unternehmensbereiche müssen sich nach diesem Denkmodell als Dienstleister verstehen.

In diesem Moment stocken wir. Ist es tatsächlich so, dass die Produktion interner Kunde ist? Oder ist sie stattdessen nur ausführendes Organ und die eigentliche Wertschöpfung findet in den Köpfen der Entwickler, Konstrukteure, Planer statt? Die Gretchenfrage: Wer hat wem zuzuarbeiten? Wer hat sich nach wem zu richten? Denn dass die Produktion als interner Kunde betrachtet wird, ist in der Realität der Unternehmen wohl eher die Ausnahme. Vielmehr ist das Gegenteil anzutreffen. Alle nehmen Einfluss auf den Produktionsbereich, alle versuchen, ihre Interessen einfließen zu lassen, und Fertigung und Montage haben sich gefälligst danach zu richten.

Nehmen wir ein Beispiel aus der ursprünglichen Form der Produktion, dem Handwerk. Nehmen wir also an, Sie wollten sich bei einem Tischler ein paar neue Fenster für ihr Haus anfertigen lassen. Also werden Sie den Meister aufsuchen, werden sich seine Modelle ansehen, werden über eventuelle Änderungen, Liefertermin, die Qualität des Materials und den Preis verhandeln. Sollten diese Verhandlungen zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgegangen sein, dann nimmt der Meister Maß und beginnt die Fertigung der Fenster. Natürlich wissen Sie, dass der Tischler außer dem zu verwendenden Material und der notwendigen Arbeitszeit noch weitere Aufwendungen hat. So muss er Muster anfertigen, seine Betriebsmittel instand halten, Kalkulationen und Betriebsergebnisse rechnen, eventuell Personalgespräche mit seinen Gesellen führen, bei Qualitätsproblemen Nacharbeiten durchführen. Als Kunde interessiert Sie das nur bedingt. Das Einzige, was Sie tatsächlich interessiert, ist, dass Sie Ihre Fenster pünktlich, qualitätsgerecht und zum vereinbarten Preis erhalten. Und da das auch der Meister weiß, verwendet er seine Hauptkraft darauf, die Fenster fertigzustellen, und wird die sicher notwendigen Nebentätigkeiten in die Abendstunden oder auf die Wochenenden verschieben. Der Tischler weiß einfach ganz genau, worin sein Geschäft besteht. Nämlich in der Produktion von Fenstern. Also richtet er seine ganze Aufmerksamkeit darauf.

Warum sollte es in einem Industrieunternehmen anders sein? Wenn dessen Ziel beispielsweise darin besteht, Küchenmaschinen für den Kunden herzustellen, dann fließen sicher Konstruktion, Design, Entwicklung in das Produkt ein. Der Wert für den Kunden stellt sich aber erst über das reale Produkt dar. Er kauft also Aussehen und Funktionalität nicht als Einzelnes, sondern über das Produkt. Die Wertschöpfung für den Kunden findet somit in der Produktion statt und die greift wiederum auf die Wertschöpfung der anderen Bereiche zurück.

Etwas anders sieht die Sache aus, wenn das Unternehmen dem Kunden nicht mehr Küchengeräte, sondern die Vereinfachung der Küchenarbeit anbieten würde. Vereinfachung der Küchenarbeit könnte Küchengeräte bedeuten, sie könnte aber auch in einem Abwaschservice bestehen. Nehmen wir nun noch an, dieser Abwaschservice würde die im eigenen Unternehmen hergestellten Küchengeräte nutzen. Dann wäre der interne Kunde der Abwaschservice und alle anderen Bereiche, einschließlich der Küchengeräteproduktion, müssten sich diesem gegenüber als interne Dienstleister verstehen.

1.2 Die acht Arten der Verschwendung

Acht Arten der Verschwendung? Waren es nicht nur sieben Arten der Verschwendung? Ja, aufmerksamer Leser, Sie haben recht. Die nach Toyota definierten Arten zur Klassifizierung von Verschwendung beschränken sich auf sieben. Die Grundlagen für die Klassifizierung von Verschwendung stammen dazu aus dem Toyota-Produktionssystem (Taiichi Ohno 1978, S.46). Einer achten Art konnten wir uns nicht enthalten und fügten sie hinzu.

Abbildung 3: Die acht Arten der Verschwendung

Verschwendung durch Überproduktion

Verschwendung durch Überproduktion heißt, Waren herzustellen, für die momentan am Markt kein Bedarf besteht. Das schließt die vorfristige Fertigstellung von Produkten ein, solange diese im Unternehmen zwischengelagert werden müssen, da der Kunde noch nicht bereit ist, sie abzunehmen.

Ursachen:

Geringe Flexibilität in der Produktion, aufgrund deren Fertigwarenlager zur Vermeidung von Lieferschwierigkeiten eingerichtet werdenZeitlich nicht abgestimmte ProduktionsverfahrenVorziehen von Aufträgen unter dem Aspekt der Auslastungsoptimierung Produktion nach Plänen, nicht nach realem Bedarf

Symptome und Anzeichen:

Berge von FertigwarenbeständenÜbervolle LagerVerstaubte beziehungsweise verschmutzte WarenVerschrottungs- oder Sonderpreisaktionen

Auswirkungen:

Hoher Bedarf an LagerflächeBindung von UmlaufkapitalVerbrauch von Rohstoffen, Energie, Arbeits- und Maschinenlaufzeit, ohne dass diesem entsprechende Einnahmen gegenüberstehenWertberichtigungen aufgrund von Produktänderungen

Verschwendung durch Warten

Wartezeiten entstehen immer dort, wo Menschen oder Maschinen aufgrund der Gegebenheiten des Produktionsprozesses in ihren Tätigkeiten blockiert werden.

Ursachen:

Unsynchronisierte FertigungsprozesseStarre Zuordnung »Ein Mitarbeiter – eine Maschine« Unflexible ArbeitszeitenHohe Rüst- und MaschinenausfallzeitenUnvollständige Tätigkeiten (Der Anlagenführer ist für die Bedienung der Maschine, nicht jedoch für ihre Instandhaltung oder ihr Einrichten verantwortlich.)

Symptome und Anzeichen:

Warten auf vorhergehende ProzessschritteWarten auf die Reparatur oder das Rüsten der MaschineWarten darauf, dass die Maschine ihre Bearbeitungsschritte beendet

Auswirkungen:

Verluste an ArbeitszeitErhöhter PersonalbedarfUnnötige Stillstandszeiten von Maschinen

Verschwendung durch Transporte

Transporte sind absolute Nichtwertschöpfung. Dennoch finden sich in nahezu jedem Unternehmen Transportaufgaben in immensen Dimensionen. Sei es, dass die in der Fertigung hergestellten Teile in eine andere Werkhalle zur Montage transportiert werden müssen, sei es, dass Lkws mit Zwischenprodukten vom Werk A zum Werk B rollen. Transport, überall Transport.

Ursachen:

Keine FließfertigungUnzureichend geplante FertigungsprozesseFunktionsorientierte OrganisationsstrukturStreben nach Auslastungsoptimierung

Symptome und Anzeichen:

Hoher innerbetrieblicher LogistikaufwandStändiges Aus- und Einpacken von Zwischenprodukten in TransportbehälterZu spätes oder zu frühes Eintreffen der Teile

Auswirkungen:

Hoher Bedarf an TransportkapazitätenHohe Bestände an ZwischenproduktenWarten aufgrund unpünktlicher oder falscher Bereitstellung von MaterialStändige Abstimmungsprobleme zwischen den einzelnen FunktionseinheitenEinsatz von Terminjägern

Verschwendung im Herstellungsprozess

Unter Verschwendung im Herstellprozess sollen all jene Probleme verstanden werden, die während der Bearbeitung von Serienprodukten auftreten können. Dazu zählen insbesondere hohe Maschinenstillstandszeiten sowie eine falsche oder ungünstige Wahl der Prozessfolge.

Ursachen:

Falsche Prozesswahl in der ArbeitsvorbereitungEinsatz ungeeigneter Maschinen und AnlagenUngenügende Synchronisation der ProduktionsprozesseUngenügende Arbeitsorganisation in der Instandhaltung und während der Rüstvorgänge

Symptome und Anzeichen:

Lange MaschinennebenzeitenHohe Anzahl von MaschinenstörungenHohe Rüstzeiten Permanente Nacharbeiten

Auswirkungen:

Hohe Losgrößen und hohe BeständeEinsatz von TerminjägernLange Durchlaufzeiten der ProdukteGeringe Flexibilität gegenüber den Erfordernissen des Marktes

Verschwendung durch Bestände

Man kaufe nur eine genügende Menge von einem Produkt ein, dann lassen sich Rabatte durchsetzen und der Stückkostenpreis sinkt. So lautete eine der grundlegenden Weisheiten im Einkauf. Auch wenn sich diese glücklicherweise für externe Zulieferer inzwischen immer häufiger als überaltert erweist, für interne Zulieferer gilt sie noch immer als goldene Regel. Zumal es oftmals sicherer scheint, die Zulieferteile im eigenen Lager zu deponieren, als das Risiko eines Lieferverzuges einzugehen. Ähnliches gilt für Zwischenprodukte. Besser man hat, als man hätte. Leider werden oft die Zulieferteile und Zwischenprodukte benötigt, die momentan nicht verfügbar sind.

Ursachen:

Betonung des Einkaufspreises bei gleichzeitiger Vernachlässigung der anderen KriterienUnsicheres Lieferverhalten des internen oder externen ZulieferersQualitätsprobleme beim internen oder externen ZuliefererHohe Marktmacht des externen ZulieferersFertigung in hohen Losen durch den internen Zulieferer

Symptome und Anzeichen:

Verstaubte oder technisch überalterte ZulieferteileImmer fehlen die nicht vorrätigen TeileHoher PlatzbedarfZugestellte TransportflächenHoher Suchaufwand

Auswirkungen:

Einsatz von TeilejägernHohe Lagerbestände und ein geringer KapitalumschlagFehler in Produkten durch ungeprüfte oder überalterte ZulieferteileEnorme Investitionen in Logistik und hochautomatisierte Lagerhäuser

Verschwendung durch Bewegung

Haben Sie sich einmal die Wege betrachtet, die ein Mitarbeiter zur Bearbeitung bestimmter Prozessschritte zurücklegen muss? Wohlgemerkt, es geht nicht um Transporte, sondern um Bewegungen. Der Behälter für die Zulieferteile steht drei Meter von der Maschine entfernt, das Werkzeug liegt auf der falschen Seite, die Bedienpulte sind einige Schritte voneinander entfernt, Greifwege sind enorm lang et cetera.

Ursachen:

Ungenügend geplante ArbeitsplätzeKeine oder ungenügende Standardisierung des ArbeitsplatzesEinsatz von zu großen ungeeigneten BehälternUngenügende Berücksichtigung ergonomischer Kriterien am Arbeitsplatz

Symptome und Anzeichen:

Nachlassende Arbeitsqualität im Laufe eines Tages, einer SchichtGesundheitliche Probleme der Mitarbeiter wie Rücken- oder GliederschmerzenHoher Wegeaufwand Häufiges Suchen am Arbeitsplatz

Auswirkungen:

Erhöhte ProduktfehlerrateErhöhter KrankenstandVerzögerte oder verlängerte BearbeitungszeitenErhöhte Durchlaufzeiten

Verschwendung durch Qualitätsfehler

Die Verschwendung durch Qualitätsfehler zu beschreiben hieße, Wasser in den nächstgelegenen Fluss zu tragen. Immer wieder treten Produktionsfehler auf. Ja, man toleriert gar einen bestimmten Anteil, da viele der Meinung sind, eine bestimmte Fehlerrate sei nun mal nicht zu vermeiden. Nun ist eine Null-Fehler-Produktion tatsächlich ein theoretischer Wert. Aber erst wer diesen theoretischen Wert anstrebt, wird Ergebnisse im einstelligen ppm-Bereich (Parts per million) erzielen können.

Ursachen:

Funktions- statt prozessorientierte QualitätssicherungKeine integrierte QualitätskontrolleFalsche Fertigungs- und PrüfverfahrenUngenügende Qualifikation der MitarbeiterUngenügende Beherrschung des Herstellprozesses

Symptome und Anzeichen:

Hohe AusschussrateBehälter mit gesperrten TeilenLieferengpässe aufgrund von Qualitätsproblemen

Auswirkungen:

Verlust an eingesetzten Rohstoffen, Arbeitszeit, EnergieZurückweisungen und Reklamationen durch KundenEinsatz aufwendiger Prüf- und QualitätssicherungsverfahrenWeiterverarbeitung defekter Produkte (Schrottveredelung)

Verschwendung durch gesundheitsschädliche Arbeitsverfahren

Wie bereits dargestellt, gehört diese Art der Verschwendung nicht zu den klassischen Arten der Verschwendung des Toyota-Produktionssystems. Wir nehmen sie dennoch in das System auf, da Verluste aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten oftmals erhebliche Auswirkungen haben. Rückenprobleme, Augenprobleme, Herz-Kreislauf-Störungen müssen unter anderem hinzugezählt werden. Aber auch psychische Probleme und eine geringe Arbeitsmotivation möchten wir darunter betrachten.

Ursachen:

Ungenügende ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze und ArbeitsverfahrenMitarbeiter werden nicht an der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse beteiligtMonotone, ermüdende TätigkeitenKurzfristiges Kostendenken

Symptome und Anzeichen:

Schnelle physische und psychische ErmüdungKlagen über SchmerzenWeglaufen vom ArbeitsplatzKeine Erfüllung von Vorgabezeiten und Vorgabemenge

Auswirkungen:

Hoher KrankenstandScheinbar undefinierbare QualitätsproblemeHäufige Konsultation von ÄrztenHäufige Erholungspausen

Unter den acht Arten der Verschwendung sind nun zwei, die besonders schwer wiegen: die der Überproduktion und die der Bestände. Denn diese beiden werden bewusst genutzt, um die anderen Arten der Verschwendung zu übertünchen. So legt sich das Unternehmen, welches große Transportaufwendungen hat, Bestände an, um die Risiken unpünktlicher Materiallieferungen zu vermeiden. Wer mit Schwierigkeiten im Herstellungsprozess konfrontiert ist, füllt seine Lagerhäuser, um die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Wir werden auf diese beiden Arten der Verschwendung im nächsten Kapitel eingehen.

1.3 Selbsttest gefällig?

Vielleicht haben Sie Lust bekommen, sich auf die Spur von Verschwendung in Ihrem Unternehmen zu begeben. Nachfolgende Tabelle könnte Ihnen dabei hilfreich sein.

siehe Tabelle

1.4 Fallstudie: Der Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel

Die beschriebenen Arten der Verschwendung sind eine Möglichkeit, nichtwertschöpfende Arbeit zu klassifizieren. Sicher wären andere denkbar und möglich. Aber das ist gar nicht so wichtig. Stattdessen kommt es darauf an, Verschwendung deutlich zu machen und so die Basis zu ihrer Vermeidung beziehungsweise Reduzierung zu legen. Denn eines wird sicher deutlich: Ein verschwendungsfreies Unternehmen wird es nicht geben. Vielmehr geht es darum, die vermeidbare Verschwendung zu reduzieren und dadurch den Anteil der Wertschöpfung zu erhöhen.

Des Weiteren werden sich die beschriebenen Arten der Verschwendung in ihrer reinen Form selten finden lassen. Vielmehr gibt es in der Praxis eine Mischung aus verschiedenen Arten der Verschwendung, die wiederum voneinander abhängen und sich gegenseitig bedingen. Eine Fallstudie soll diese Komplexität darstellen.

Es war einmal ein Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel. Der hatte die Aufgabe, das Gehäuse eines Feldbusknotens auf einer Ventilinsel zu deckeln. Und hieß deshalb Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel. Nun war das häufige Nennen seines Namens etwas unkomfortabel. So viele Silben hintereinander fehlerfrei und schnell auszusprechen, dazu gehören schon besondere rhetorische Fähigkeiten. Die Mitarbeiter, die sich mit ihm beschäftigten, waren jedoch nicht für kommunikative Glanzstücke eingestellt worden, sondern sollten ihn bestellen, kontrollieren, montieren et cetera. Aus diesem Grund erhielt unser Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel eine Teilenummer. Nämlich die 0815. Diese Nummer trug er sicher zu Recht. Denn eigentlich war an diesem Deckel nichts Besonderes. Plastik, vier Bohrungen für Schrauben, zwei Steckkontakte mit angelöteter Kupplung, drei Lämpchen, auch LED genannt – so wie man sich halt einen Deckel vorstellt. Auch vom Wert her war unser Deckel nichts Besonderes. B-Teil mit Trend zum C-Teil. Also, 2,92 € Einkaufsbetrag. Und da 2,92 € nun wirklich nichts besonderes sind, überlegte sich ein Disponent, von der Teilenummer 0815, dem Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel, sogleich einmal 5000 Stück zu bestellen. Gesagt, getan, die 5000 Stück kamen auch pünktlich, wurden gebucht und eingelagert. Nach einer Weile jedoch, etwa 150 Deckel waren verbraucht, stellte sich heraus, dass einige einen Defekt aufwiesen. Und zwar hatte sich die Überwurfmutter eines Steckkontaktes gelockert. Was getan werden muss, muss getan werden. Also wurden 4850 Stück der Teilenummer 0815 aus dem Lager ausgebucht und ausgefasst, kontrolliert, zum Teil nachgearbeitet und anschließend wieder eingelagert sowie eingebucht. So was kommt halt vor. Einige Monate später, inzwischen waren nochmals 230 Deckel verbraucht worden, bemerkte ein pfiffiger Entdecker, dass an einigen der angelöteten Kupplungen kalte Lötstellen auftraten. Also wurden 4620 Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel aus dem Lager ausgebucht und ausgefasst, kontrolliert, zum Teil nachgearbeitet und anschließend wieder eingelagert/eingebucht. Wie gesagt, so was kommt halt vor. Wieder einige Monate später, der Lagerbestand an Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckeln der Teilenummer 0815 war auf 4410 Stück geschrumpft, ließ sich nicht übersehen, dass eine Reihe von Deckeln sich von ihrer Beschichtungsfolie trennte. Also buchte man die noch recht zahlreich verbliebenen Deckel aus. Allerdings war dieser Schaden nicht mehr zu reparieren, unser Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel ging so sehr früh den Weg alles Irdischen. Später fand sich auf dem Werkhof ein Container, an den ein Spaßvogel geschrieben hatte: »Hier ruht der Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckel – Teilenummer 0815«.

Zugegeben, das Beispiel klingt skurril. Doch erstens ist es authentisch und zweitens, egal aus welcher Branche Sie kommen, lieber Leser, wir sind uns sicher, Sie könnten ähnliche Beispiele hinzufügen. Frisch asphaltierte Straßen, die immer wieder aufgerissen werden, ständige Nacharbeiten und Reparaturen am neuen Haus, Rückrufaktionen von Autos, Kühlschränken, Waschmaschinen et cetera.

Doch versuchen wir dieses Fallbeispiel nach den darin enthaltenen Arten der Verschwendung zu klassifizieren.

Arten der VerschwendungTätigkeiten bzw. Sachverhalte, die dieser Art der Verschwendung zuzuordnen sindFolgen dieser VerschwendungDurch TransporteTransport vom Zulieferer zum KundenTransport aus dem Lager zum Prüfarbeitsplatz und zurückkostengünstiger Erwerb nur bei Abnahme aller 5000 Stück möglich erhöhter TransportaufwandDurch Fehler im Herstellprozesshohe Rüstzeiten an der Kunststoffspritzmaschinekostengünstiger Erwerb nur bei Abnahme aller 5000 Stück möglichDurch BeständeBestellung und Annahme aller 5000 TeileBindung von KapitalBindung von Lagerplatzzu spätes Entdecken der Fehlerhohe Auswirkung der FehlerDurch BewegungEin- und Ausbuchen der Teileerhöhter Arbeitsaufwanderhöhter LageraufwandDurch Fehler im Produktkeine hundertprozentige Qualitätskontrolle beim Zuliefererhäufige NacharbeitQualitätsfehler, die erst beim Kunden auftraten

Die in diesem Zusammenhang entscheidende Frage ist wohl, worin die Ursache all dieser Verschwendung liegt. Natürlich in den Produktfehlern, lautet die wohl etwas vorschnelle Antwort. Doch die sind von dem Unternehmen, das mit diesem Missgeschick konfrontiert wurde, nicht zu verantworten. Natürlich hat das Unternehmen daraus seine Konsequenzen gegenüber dem Zulieferer gezogen, doch vermeiden lassen sich diese Fehler aus der Sicht des Kunden nur bedingt. Allerdings wäre ein Vielfaches des Aufwandes vermieden worden, hätte man darauf verzichtet, große Bestände des Ventilinselfeldbusknotengehäusedeckels anzuhäufen. Bei kleinen Mengen, zur sofortigen Verarbeitung bereitgestellt, hätten die Fehler nie zu diesem Aufwand geführt. Zudem wäre es wesentlich schneller möglich gewesen, auf den Lieferanten Einfluss zu nehmen.

2Ansätze für ein schlankes Produktionssystem

2.1 Von Überproduktion und Beständen zu Just in time

Das ist die übliche Strategie: Sorgen Qualitätsfehler oder hohe Rüst- und Maschinenausfallzeiten für Lieferschwierigkeiten, dann füllt man in den Zeiten, in denen die Kapazitäten nicht ausgelastet sind, das Lager mit zusätzlichen Fertigprodukten. Hält der interne oder externe Zulieferer nur selten seine Termine ein, erhöht man die Bestände, um der Gefahr des Produktionsstillstandes zu entgehen. Verschwendung durch Überproduktion oder durch Bestände ist besonders kritisch zu betrachten. Denn diese beiden Arten der Verschwendung ziehen zum einen andere Arten der Verschwendung nach sich. Höhere Bestände an Zulieferteilen beispielsweise führen zwangsläufig zu einem höheren Aufwand bei der Lagerung, bei innerbetrieblichen Transporten, durch Suchen und durch Aus- und Einbuchvorgänge. Andererseits nimmt man aber diese beiden Arten der Verschwendung ganz bewusst in Kauf, um Probleme in anderen Bereichen auszugleichen.

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