Chatgruppen und öffentlicher Dienst - Klaus Krebs - E-Book

Chatgruppen und öffentlicher Dienst E-Book

Klaus Krebs

0,0

Beschreibung

Erstmals umfassender Überblick Das Werk gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Beamtinnen und Beamte – insbesondere der Polizei – in Chatgruppen agieren. Anlass hierfür sind die in den letzten Jahren zunehmend bekannt gewordenen Vorfälle, bei denen Beamtinnen und Beamte verfassungsfeindliche, menschenverachtende und extremistische Nachrichten in Chatgruppen entweder verbreiteten oder (stillschweigend) duldeten. Derartige Verhaltensweisen sind mit dem besonderen Dienst- und Treueverhältnis, wie es für das Berufsbeamtentum konstitutiv ist, schlechthin unvereinbar. Grundlagen verstehen: Verfassungsrecht, Beamtenverhältnis, Strafrecht Die Autoren legen die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Beamtenverhältnisses dar, erklären ausführlich die wichtigsten Straftatbestände, die in Chatgruppen verwirklicht werden können, und zeigen die bei Verfehlungen möglichen straf- und dienstrechtlichen Konsequenzen mitsamt ihrer praktischen Umsetzung auf. Auch strafprozessuale und polizeirechtliche Zwangsmittel – etwa die Beschlagnahme – werden eingehend erörtert. Sowohl im Strafrecht als auch im Öffentlichen Recht weist der Umgang mit Chatgruppen Besonderheiten und Spezifika auf, die es bei der Rechtsanwendung zu beachten gilt; diese werden von den Autoren souverän und mit großer Sachkenntnis herausgearbeitet. Einzigartige intradisziplinäre Zusammenstellung Eine vergleichbare Aufbereitung der komplexen, in sich vielgestaltigen Materie zum Thema »Chatgruppen und öffentlicher Dienst« liegt bislang noch nicht vor. Das intradisziplinär angelegte Werk leistet somit einen grundlegenden Beitrag zur Vermessung der juristischen »Infrastruktur« in einem Bereich, in dem sich – auch aufgrund der stets vorauseilenden technologischen Entwicklung – eine stabile Rechtsdogmatik bislang noch nicht herausgebildet hat. Systematische Übersicht der Rechtsprechung Zugleich erhebt es den Anspruch, erstmals auch die bisher ergangene, äußerst umfangreiche Rechtsprechung zum Thema systematisch aufzuarbeiten und, wo dies geboten erscheint, kritisch zu reflektieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich der Polizei, da sich namentlich aus deren Tätigkeitsfeld heraus das Gros der bislang bekannten Fälle entwickelt hat. Ratgeber für ... Der Band richtet sich in erster Linie an all jene, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit der beamten- und strafrechtlichen Bearbeitung der einschlägigen Vorkommnisse befasst sind – sei es bei den jeweiligen Dienststellen, sei es bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie in der Anwaltschaft. Angesprochen sind jedoch auch Führungskräfte in den Behörden, die mit rechtlichen Fragen zur Nutzung digitaler Kommunikationsmittel konfrontiert sind, sowie alle am Recht der Beamtinnen und Beamten in Chatgruppen Interessierten aus Wissenschaft und Praxis.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 533

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Chatgruppen und öffentlicher Dienst

Ein beamten- und strafrechtlicher Überblick

Prof. Dr. Klaus Krebs

Hochschule für Polizei Baden-Württemberg

Prof. Dr. Andreas Nitschke

Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung Kiel-Altenholz

Prof. Dr. Torsten Noak, LL. M.

Hochschule für Polizei Baden-Württemberg

Prof. Dr. Lars Steinhorst

Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg

Prof. Dr. Florian Zenger, LL. M., M.M.

Hochschule für Polizei Baden-Württemberg

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

 

Print-ISBN 978-3-415-07600-6

EPUB-ISBN 978-3-415-07602-0

 

© 2024 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Titelfoto: © peshkova – stock.adobe.com

eBook-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

 

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 StuttgartStuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Vorwort

Beamtinnen und Beamte nehmen im Interesse der Allgemeinheit Aufgaben wahr, welche die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordern (BVerfGE, 119, 247, 261). In einem harten Kontrast hierzu sind in den letzten Jahren zunehmend Vorfälle bekannt geworden, in denen Beamte verfassungsfeindliche, menschenverachtende und extremistische Nachrichten in Chatgruppen verbreiteten oder stillschweigend duldeten. Exemplarisch dafür stehen die vom ZDF Magazin Royale im Original veröffentlichten Chatgruppenverläufe von Polizistinnen und Polizisten des 1. Frankfurter Polizeireviers (abrufbar unter: https://itiotentreff.chat).

Praktische Reaktionen auf solche Vorkommnisse in Chatgruppen sind zur Sicherung des liberalen Rechtsstaats notwendig und wichtig, jedoch oftmals mit vielen juristischen Schwierigkeiten verbunden, auch weil sich eine stabile Rechtsdogmatik zu derartigen „Chatgruppen-Fällen“ erst etablieren muss: Wie so oft ist die technische Entwicklung vorausgeeilt; sie zog eine breitflächige Verlagerung von Kommunikationsprozessen in den digitalen Raum der Chatgruppe nach sich. Das rezeptionsfähige Recht beginnt sich erst nach und nach darauf einzustellen. Die vielfältigen technischen Kommunikationsmodalitäten in der Chatgruppe – Verlinken, Teilen, Kommentieren oder Weiterleiten von Liedern, Texten, Bildern, Videos und Sprachnachrichten – erfordern differenzierte rechtliche Würdigungen der einzelnen Posts. Dabei zählt die oft diffizile Abgrenzung zwischen straf- oder beamtenrechtlichen Rechtsverletzungen von folgenlosen verbalen Geschmacklosigkeiten in der Chatgruppe zu den rechtspraktischen Herausforderungen. Das Buch versucht einen intradisziplinären Beitrag zu leisten, um auf diesem Gebiet rund um Entgleisungen in Chatgruppen, speziell mit Beamtenbeteiligung, die juristische Infrastruktur zu vermessen, zu ertüchtigen und auszubauen.

Die Verfasser sind – dem intradisziplinären Ansatz des Buches entsprechend – teils im Strafrecht, teils im Öffentlichen Recht fachlich beheimatet. Wir haben uns vorgenommen, die ebenso komplexen wie teils noch fragilen Rechtsprechungslinien systematisch aufzuarbeiten und hinterfragend sowie teils kritisch zu reflektieren.

Das geschah einerseits in der Überzeugung, dass der „Rechtsstab“ aus Verwaltung, Anwaltschaft, Justiz und Gesetzgebung in Zukunft weiterhin mit derartigen Chatgruppen-Konstellationen zu kämpfen haben wird. In der universitären Klausurpraxis ist das Thema bereits angekommen, um zu bleiben (Hartmann/Horstmann, JuS 2024, 341 ff.; Hippeli, JSE 2023, 129 ff.). Andererseits wollen die Verfasser allen Rechtsakteuren den Zugang zu dieser neuartigen Rechtsmaterie erleichtern. Es gibt zwar kein eigenständiges „Chatgruppenrecht“, doch es gibt im Strafrecht und Öffentlichen Recht zahlreiche rechtliche Spezifika im Umgang mit Chats, die es für Rechtsanwender zu beachten gilt. Vor allem jenen Besonderheiten versucht das Buch nachzugehen, wobei dieses Unterfangen angesichts der hohen Aktualität und rechtlichen Dynamik des Themenfeldes durch eine mehr als übliche Vorläufigkeit geprägt ist: Reflektiert und dargeboten wird ein Zwischenstand in der Hoffnung, dass Forschung und praktische Rechtsanwendung davon profitieren können. Sicher taucht dabei nicht alles auf, was erörterungswürdig wäre.

Wir danken dem Richard Boorberg Verlag, insbesondere Herrn Dr. Markus Rutsche, ganz herzlich dafür, dass er der Themenidee dieses Buches sofort offen gegenübertrat und dessen Realisierung ebenso unkompliziert wie engagiert förderte. Den studentischen Hilfskräften an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Frau Rebecca Mückenheim und Frau Teresa Schloßmann, danken wir für ihre sehr gründliche, engagierte und wertvolle Unterstützung. Die in diesem Werk zitierten Internetseiten wurden zuletzt am 15.04.2024 abgerufen. Schließlich: Die Gesetze, die im Zentrum dieses Buches stehen, sehen derzeit noch davon ab, sich gendergerechter Sprache zu bedienen. Deshalb verwenden auch wir das generische Maskulinum, das sich nachfolgend gleichermaßen auf alle Geschlechter beziehen soll.

 

Im Frühjahr 2024

Die Verfasser

 

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

A. Einführung

I. Grundidee und Anlass des Buches

II. Themenfokussierung und Begrenzungen

III. Technische Grundlagen von Messenger-Diensten

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Beamtenverhältnisses

I. Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG)

II. Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG)

III. Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG)

IV. Beamtenschaft und Grundrechte

V. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1. Hinführung

2. Legitimität des Zwecks

3. Eignung

4. Erforderlichkeit

5. Angemessenheit

C. Ausgewählte Straftatbestände

I. Einführung

1. Allgemeines

2. Initiative zu einem § 341 StGB n. F.

II. Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

a) Propagandamittel als Inhalte (§ 11 Abs. 3 StGB)

b) Strafbare Verhaltensweisen

aa) Verbreiten im Inland

bb) Der Öffentlichkeit zugänglich machen

cc) Herstellen, Vorrätighalten, Einführen und Ausführen des Propagandamittels

dd) Unterlassen

aaa) Nichtverhinderung der Tat

bbb) Nichtlöschen geposteter Inhalte

ee) Teilnahme

c) Tatbestandsausschluss (§ 86 Abs. 4 StGB)

aa) Hinführung

aaa) Erster Inkurs: Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG)

bbb) Zweiter Inkurs: Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)

bb) Staatsbürgerliche Aufklärung

cc) Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen

dd) Kunst

ee) Wissenschaft, Forschung oder Lehre

ff) Berichterstattung

gg) Ähnliche Zwecke

III. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

a) Strafbare Verhaltensweisen

aa) In einem verbreiteten Inhalt verwenden

bb) Herstellen, Vorrätighalten, Einführen und Ausführen des Inhalts

cc) Unterlassen; Teilnahme

b) Tatbestandsausschluss (§ 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB), insbesondere: teleologische Reduktion des „Verwendens“

IV. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

a) Strafbare Verhaltensweise: Auffordern zu einer rechtswidrigen Tat durch Verbreiten eines Inhalts

b) Unterlassen und Teilnahme

V. Volksverhetzung (§ 130 StGB)

1. Inkurse: Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG); verbotene Differenzierungskriterien (Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG)

a) Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)

b) Verbotene Differenzierungskriterien (Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG) als Bollwerk gegen Rassismus, Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

2. Grundlagen

a) Einführung

b) § 130 Abs. 1 StGB

c) § 130 Abs. 2 StGB

d) § 130 Abs. 3 (ggf. i. V. m. Abs. 6) StGB

e) § 130 Abs. 4 (ggf. i. V. m. Abs. 6) StGB

f) § 130 Abs. 5 (ggf. i. V. m. Abs. 6) StGB

g) Tatbestandsausschluss (§ 130 Abs. 8 StGB)

3. Chatgruppenbezug

a) § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB

b) § 130 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 StGB; § 130 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 StGB

c) § 130 Abs. 8 StGB i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB

d) Unterlassen; Teilnahme

VI. Gewaltdarstellung (§ 131 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

VII. Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

a) Strafbare Verhaltensweisen

b) Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören

c) Unterlassen; Teilnahme

VIII. Verbreitung pornographischer Inhalte (§ 184 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

IX. Verbreitung gewalt- und tierpornographischer Inhalte (§ 184a StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

X. Verbreitung kinderpornographischer Inhalte (§ 184b StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XI. Verbreitung jugendpornographischer Inhalte (§ 184c StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XII. Beleidigung (§ 185 StGB)

1. Inkurs: APR (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG)

2. Grundlagen

3. Chatgruppenbezug

a) Strafbare Verhaltensweisen: Beleidigung; Verbreiten von Inhalten (§ 11 Abs. 3 StGB)

b) Chatgruppen als „beleidigungsfreie Sphären“

c) Meinungs- und Kunstfreiheit als Wahrnehmung berechtigter Interessen

d) Unterlassen und Teilnahme

XIII. Üble Nachrede (§ 186 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XIV. Verleumdung (§ 187 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XV. Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung (§ 188 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XVI. Verhetzende Beleidigung (§ 192a StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XVII. Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XVIII. Verletzung des persönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XIX. Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XX. Strafvereitelung (§ 258 StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XXI. Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XXII. Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XXIII. Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen (§ 353d StGB)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

XXIV. Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke (§ 106 UrhG)

1. Grundlagen

2. Chatgruppenbezug

D. Eingriffsrecht

I. Strafverfahrensrecht

1. Durchsuchung (§§ 102, 103, 105 StPO)

a) Zweck der Durchsuchung und Durchsuchungsgegenstände (insbesondere Wohnungen)

b) Zuständigkeit

c) Form und Inhalt der Durchsuchungsanordnung

d) Voraussetzungen der Durchsuchung

2. Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien (§ 110 StPO)

a) Zweck des Sichtungsverfahrens

b) Begriff Papiere

c) Durchsicht

d) Voraussetzungen der Durchsicht

e) „Fernsichtung“ (§ 110 Abs. 3 Satz 2 StPO)

3. Sicherstellung und Beschlagnahme sowie Auswertung von Mobiltelefonen (§§ 94, 98 StPO)

a) Begriffe Sicherstellung und Beschlagnahme

b) Daten als Gegenstände der Sicherstellung und Beschlagnahme

c) Zuständigkeit

d) Form und Inhalt der Beschlagnahmeanordnung

e) Durchführung der Beschlagnahme (auch mittels Datenkopie?)

4. Sicherstellung und Beschlagnahme von sonstigen Datenträgern und von E-Mails (§§ 94, 98 StPO)

5. Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung (§§ 111b ff. StPO)

6. Weitere Maßnahmen

7. Sonderproblem: Zugriff auf verschlüsselte Daten

8. Analyse und Auswertung der Daten

9. Inkurs: Grundrechtsrelevanz und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

II. Präventiv-polizeiliche Maßnahmen

1. Abgrenzung der polizeilichen Handlungsfelder

2. Rechtsquellen; Eingriffsbefugnisse

3. Vorrang strafverfahrensrechtlicher Vorschriften?

E. Beamtenrechtliche Aspekte

I. Die möglichen Verhaltensweisen in Chatgruppen

1. Das aktive Einstellen bzw. Weiterleiten von Inhalten in die Chatgruppe

2. Das positive Kommentieren von Inhalten in der Chatgruppe

3. Die bloße Kenntnisnahme von Inhalten bzw. passive Mitgliedschaft in einer Chatgruppe

a) Die Mitgliedschaft in einer Chatgruppe

b) Beweisbarkeit der tatsächlichen Kenntnisnahme von Inhalten

c) Notwendigkeit der Distanzierung von zur Kenntnis genommenen eingestellten Inhalten?

II. Die Begründung des Beamtenverhältnisses

1. Charakterliche Eignung (§ 9 BBG/§ 9 BeamtStG)

2. Gewährbieten bezüglich des Eintretens für die fdGO (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG/§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG)

3. Die Prognose

a) Einzelfälle zum fehlenden Gewährbieten aufgrund von Verhaltensweisen in Chatgruppen

b) Andere Fälle zur fehlenden charakterlichen Eignung aufgrund von Verhaltensweisen in Chatgruppen

III. Die Rücknahme der Ernennung von Beamten (§ 14 BBG/§ 12 BeamtStG)

IV. Disziplinarrecht

1. Verhalten innerhalb oder außerhalb des Dienstes (§ 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG/§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtStG)

a) Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlichem Verhalten

b) Die besonderen Anforderungen bei außerdienstlichem Verhalten

c) Verhaltensweisen von Ruhestandsbeamten (§ 77 Abs. 2 BBG/§ 47 Abs. 2 BeamtStG)

2. Die Verletzung von Dienstpflichten

a) Allgemeine Dienst- und Treuepflicht (Art. 33 Abs. 4 und Abs. 5 GG)

b) Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG/§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG)

aa) Objektive und subjektive Komponente der Pflichtverletzung

bb) Die objektive Komponente

aaa) Grundlegendes zur Ermittlung des objektiven Inhalts

bbb) Beispielfälle aus der Rechtsprechung

cc) Die subjektive Komponente

aaa) Grundlegendes zur Ermittlung der subjektiven Einstellung

bbb) Beispielfälle aus der Rechtsprechung

dd) Bloßes Haben und Mitteilen einer Überzeugung oder weitergehendes Ziehen von Folgerungen?

aaa) Personelle und dienstliche Verknüpfung

bbb) Die plakative Kundgabe

ccc) Äußerungen im vertraulichen Kreis

ee) Der „normale“ Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht und die Qualifikation der Verfassungsfeindlichkeit

ff) Die verschiedenen Verhaltensweisen

aaa) Das eigene Versenden bzw. Posten, Weiterleiten und positive Kommentieren von Inhalten

bbb) Die bloße Kenntnisnahme von Inhalten

ccc) Die reine Mitgliedschaft in einer Chatgruppe

c) Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung (§ 60 Abs. 2 BBG/§ 33 Abs. 2 BeamtStG)

d) Neutralitätspflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG/§ 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtStG)

e) Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG/§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG)

aa) Objektiv mit der fdGO nicht in Einklang zu bringende Äußerungen bei subjektiv verfassungstreuer Gesinnung

bb) „Geschmacklose Witze“ bei subjektiv verfassungstreuer Gesinnung

cc) Kenntnisnahme objektiv verfassungsfeindlicher Inhalte bei subjektiv verfassungstreuer Gesinnung

dd) Die reine Mitgliedschaft in einer Chatgruppe

f) Verschwiegenheitspflicht (§ 67 BBG/§ 37 BeamtStG)

g) Melde- bzw. Unterrichtungspflicht (§ 62 Abs. 1 Satz 1 BBG/§ 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG/§ 33 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtStG sowie § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG/§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG)

3. Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 66 BBG/§ 39 BeamtStG)

4. Exkurs: Personalsteuerungsmaßnahmen bei Fehlverhalten

5. Förmliches Disziplinarrecht

a) Beginn des Disziplinarverfahrens: Einleitungsentscheidung

b) Zusammentreffen mit Ermittlungsverfahren: Verhältnis des Straf- zum Disziplinarverfahren

c) Wohnungsdurchsuchung

d) Handybeschlagnahme und Auswertung

e) Abschluss des Disziplinarverfahrens

aa) Einstellung des Disziplinarverfahrens

bb) Disziplinarverfügung, insbesondere zum Disziplinarmaß

V. Die Entlassung von Beamten

1. Verlust der Beamtenrechte wegen strafrechtlicher Verurteilung (§ 41 BBG/§ 24 BeamtStG)

2. Entlassung von Probebeamten (§ 34 Abs. 1 BBG/§ 23 Abs. 3 BeamtStG)

a) Entlassung aufgrund § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG/§ 23 Abs. 3 Nr. 1 BeamtStG

b) Entlassung aufgrund § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG/§ 23 Abs. 3 Nr. 2 BeamtStG

3. Entlassung von Widerrufsbeamten (§ 37 Abs. 1 BBG/§ 23 Abs. 4 BeamtStG)

4. Entlassungsverfahrensrecht

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Anmerkungen

Orientierungsmarken

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Register

Abkürzungen

a. A.

andere Auffassung

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

Abs.

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AfD

Alternative für Deutschland

AG

Amtsgericht

Alt.

Alternative

AO

Abgabenordnung

APR

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Art.

Artikel

BAG

Bundesarbeitsgericht

BBG

Bundesbeamtengesetz

BDG

Bundesdisziplinargesetz

BDM

Bund Deutscher Mädel

BDSM

Akronym aus „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“, das eine Gruppe sexueller Praktiken beschreibt

BeamtStG

Beamtenstatusgesetz

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BND

Bundesnachrichtendienst

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BPolG

Bundespolizeigesetz

Bsp.

Beispiel

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfSchG

Bundesverfassungsschutzgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BW

Baden-Württemberg

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

CD

Compact Disc

CDU

Christlich Demokratische Union Deutschlands

d. h.

das heißt

dpa

Deutsche Presse-Agentur GmbH

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DVD

Digital Video Disc

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

etc.

et cetera (lateinisch für: und so weiter)

EU

Europäische Union

FAP

Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei

fdGO

freiheitlich demokratische Grundordnung

FDJ

Freie Deutsche Jugend

ff.

folgende

GG

Grundgesetz

gg.

gegen

ggf.

gegebenenfalls

GIF

Graphics Interchange Format

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GwG

Geldwäschegesetz

h. A.

herrschende Ansicht

h. M.

herrschende Meinung

HinSchG

Hinweisgeberschutzgesetz

HJ

Hitler-Jugend

i. d. R.

in der Regel

i. S. d.

im Sinne des

i. V. m.

in Verbindung mit

ID

Identifier (Kennung)

IGVP

Integrierte Vorgangsbearbeitung Polizei

IS

Islamischer Staat

IT

Information Technology

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JTAG

Joint Test Action Group

KI

Künstliche Intelligenz

KPD

Kommunistische Partei Deutschlands

LBG

Landesbeamtengesetz

LDG

Landesdisziplinargesetz

LG

Landgericht

lit.

littera (lateinisch für: Buchstabe)

n. F.

neue Fassung

NDiszG

Niedersächsisches Disziplinargesetz

NPD

Nationaldemokratische Partei Deutschlands

NRW

Nordrhein-Westfalen

NS

Nationalsozialismus

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

OWiG

Ordnungswidrigkeitengesetz

PC

Personal Computer

PDF

Portable Document Format

PIN

Personal Identification Number

PKK

Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê)

PKS

Polizeiliche Kriminalstatistik

POLAS

Polizeiauskunftsystem

PolG

Polizeigesetz

QR-Code

Quick-Response-Code

s. o.

siehe oben

SA

Sturmabteilung (paramilitärische Kampforganisation der NSDAP)

SG

Soldatengesetz

SMS

Short Message Service

sog.

sogenannte/r/s

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SRP

Sozialistische Reichspartei

SS

Schutzstaffel (nationalsozialistische Organisation in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus)

StGB

Strafgesetzbuch

StGBÄndG

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches

StPO

Strafprozessordnung

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

SubvG

Subventionsgesetz

TV-L

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder

u. a.

unter anderem

UrhG

Urheberrechtsgesetz

USB

Universal Serial Bus

V-Leute

Vertrauenspersonen

Var.

Variante

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VStGB

Völkerstrafgesetzbuch

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WLAN

Wireless Local Area Network

WStG

Wehrstrafgesetz

z. B.

zum Beispiel

ZEVIS

Zentrales Verkehrsinformationssystem

 

 

A.Einführung

I.Grundidee und Anlass des Buches

Der Beginn des dritten Jahrtausends hat eine schleichende „Revolution der Kommunikation“ mit sich gebracht: Wurden Briefe und Postkarten zunächst nach und nach durch SMS und E-Mails ersetzt, bahnte sich die digitale Kommunikation ihren Weg über Plattformen und Messenger-Dienste, wie etwa über Threema, Signal und vor allem WhatsApp. Zusätzlichen Schub erhielt diese Entwicklung durch die im Jahr 2020 einsetzende Corona-Pandemie, welche zu einer phasenweisen Rückführung persönlicher und einer dauerhaften Zunahme digitaler Kommunikation führte. „Legitime inhaltliche Kritik (etwa an der Verhältnismäßigkeit einzelner Maßnahmen) ist häufig umgeschlagen in irrlichternde Verschwörungstheorien“.[1] „Querdenker“, „Reichsbürger“, Verschwörungstheoretiker und Extremisten nutzten die Pandemiezeit, welche viele Menschen verunsicherte, sowie die Verbreitung von Messenger-Diensten für ihre Zwecke, etwa indem sie ihre Botschaften mittels Kurzvideos kursieren ließen.

„Gewiss“, so der Präsident des BVerfG, „sind die Deutschen keine tiefgreifend gespaltene Gesellschaft; wohl aber sind wir in den vergangenen Jahren auseinandergerückt.“[2] Laut Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 ist die geschätzte Zahl von Personen mit Rechtsextremismuspotenzial in Deutschland auf 38.000 angewachsen, die Zahl der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ stieg auf 23.000 Personen an.[3]

Dass diese Entwicklungen an dem knapp zwei Millionen Menschen umfassenden Beamtenkörper in Deutschland nicht spurlos vorbeizog, verwundert nicht. Was jedoch neu und angesichts des traditionell für Beamte existierenden besonderen Dienst- und Treueverhältnisses jedenfalls in der Intensität und Vielzahl ebenso überraschend wie alarmierend wirkt, ist eine erschreckend hohe Zahl von – erwiesenem oder scheinbarem, aktivem oder passivem – Fehlverhalten durch Beamte in jener digitalen Kommunikationswelt.

So heißt es etwa in einer dpa-Meldung:

„Die Debatte um ein mögliches Rechtsextremismus-Problem bei der Polizei in Baden-Württemberg findet kein Ende. Gegen beinahe 100 Polizisten wurde 2022 wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus ermittelt. 94 Beamte seien betroffen gewesen, gegen 49 von ihnen seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden (…). Gegen weitere zwölf Beschäftigte werde aktuell ein Disziplinarverfahren geprüft oder vorbereitet. In einem Fall sei ein Beamter entlassen worden, in einem anderen sei ein Entlassungsverfahren eingeleitet worden. Mangels Beweislast oder wegen Verjährungsfristen sei in 31 Fällen kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Der Verdacht gegen die 94 Beamten bezieht sich laut einer Sprecherin auf 26 Fälle. Der überwiegende Anteil stehe im Zusammenhang mit Äußerungen oder Mitgliedschaften in Chatgruppen, so das Innenministerium weiter. Vorgeworfen werde den Beamten etwa, nicht aktiv gegen das Einstellen extremistischer Bilder vorgegangen zu sein.“[4]

 

Vorfälle dieser Art, die starkes mediales Interesse auf sich ziehen,[5] waren und sind häufig extremistisch, rassistisch und/oder fremdenfeindlich grundiert. Jenes nicht nur unrühmliche, sondern für den liberalen Verfassungsstaat gefährliche Handeln von Beamten im digitalen Kommunikationsraum fordert die fdGO heraus. Denn es bedroht die Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dabei ist der Staat besonders in einer Krisenzeit – wie sie in Deutschland seit dem Jahr 2020 mit der Corona-Pandemie, dem Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 sowie der Klima- und Energiekrise, dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien und hoher Inflation geradezu zum Dauerzustand wurde – darauf angewiesen, dass Beamte für ihn eintreten:[6] „Ein demokratischer Rechtsstaat (…) ist auf loyales Personal angewiesen.“[7]

Derlei Konstellationen, die vergleichbar im ganzen Bundesgebiet in den letzten Jahren auftraten, stehen im Fokus der Rechtsprechung und dieses Buches. Anderes Fehlverhalten in Chatgruppen mit Beamtenbeteiligung, etwa islamophobes, antisemitisches und antiziganistisches, homophobes, ableistisches, behindertenfeindliches, sexistisches und frauenfeindliches Verhalten, wird hierbei ebenso berücksichtigt wie Fälle von Kinderpornographie und Machtmissbrauch.[8] Gemein ist all diesen Formen von Fehlverhalten das Element von Menschenverachtung.[9] Die Flut an Judikaten, die es in jüngerer Vergangenheit zu Chatgruppen mit Beamtenbeteiligung gegeben hat, ist ebenso gewaltig wie schockierend. Sie verdient (mehr) wissenschaftliche Aufmerksamkeit und gibt Anlass für den Versuch, die neuen, teils noch fragilen Rechtsprechungslinien und unbewältigten Problemlagen auf diesem Gebiet herauszuarbeiten, zu ordnen, zu kontextualisieren und ggf. zu hinterfragen. Auf dem jungen Themengebiet wird es auch zukünftig noch viel juristisches Neuland zu erschließen geben.[10]

In Chatgruppen vollziehen sich gruppendynamische Prozesse,[11] wobei nicht selten „in salopper, distanzloser und teilweise vulgärer Sprache“ kommuniziert wird.[12] Dabei stellt nicht alles, was geschmacklos ist, gleich eine Straftat oder ein Dienstvergehen dar. Wenn in Chatgruppen mitunter geradezu typisch eine Art Überbietungswettbewerb textlicher Eskalationen und Flachheiten stattfindet,[13] wird nicht jede extreme Äußerung im Chat ernsthafter Ausdruck eines gefestigten extremistischen Wesens des Äußernden sein,[14] sondern nicht selten von der schlichten Begierde nach Aufmerksamkeit und Gruppenresonanz geleitet.[15] Diese seit jeher verbreiteten menschlichen Neigungen mögen seit Jahrzehnten bereits etwa an manchen Stammtischen in der Bundesrepublik vorgeherrscht haben. Im Unterschied zu Stammtischgesprächen werden jedoch im Rahmen der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie alle Äußerungen in Chatgruppen – gleich ob Text-, Sprach-, Musik-, Bild- oder Videodateien (kurz: sog. Postings[16]) – durch die Protokollierung des Chatverlaufs festgehalten und langfristig kontrollierbar bleiben. Mögliche Zeugen an Stammtischen vergessen schnell die genaue Wortwahl; die exakte Dokumentation des Chatverlaufs verbleicht dagegen auch nach Jahren nicht. Die scheinbare Intimität der Kommunikation in einer geschlossenen Chatgruppe erweist sich als trügerisch. Die Mitteilungen sind dauerhaft und nachweisbar in der Welt und können selbst nach ihrer Löschung mittels eines Datenwiederherstellungsprogramms nachträglich überprüfbar gemacht werden. Nicht nur deshalb sind Stammtische und Chatgruppen regelmäßig ungeeignet für rechtliche Parallelwertungen.[17] Die Maßstäbe zur rechtlichen Würdigung von Chatgruppenverläufen sind in vielerlei Hinsicht gänzlich neu zu entwickeln.[18]

Im Dienste der fdGO bringt die Entwicklung auch für das Straf- und Beamtenrecht Herausforderungen mit sich: Diese Rechtsgebiete müssen sich dem Phänomen stellen, sich wandeln, manche Gesetzesauslegung muss überdacht oder neu justiert werden. In dieser juristischen Umbruchzeit, die dem technischen Fortschritt nachfolgt, ist vieles noch unsicher. Fester rechtlicher Boden existiert bislang nur in Teilen.[19]

Das mag einerseits nicht anders zu erwarten sein, ist aber andererseits problematisch: Ermittelnde und zur Verfolgung verpflichtete Dienststellen sowie Strafverfolgungsbehörden haben mit zahlreichen wissenschaftlich schwach durchdrungenen Fragen praktisch zu kämpfen und umzugehen. Auch der in Chatgruppen involvierten Beamtenschaft können sich Fragen stellen, etwa wann und wie sie auf Extremismen in einer Chatgruppe zu reagieren hat. Reichen Widerworte? Muss die Chatgruppe verlassen werden? Unter welchen Umständen muss davon ausgegangen werden, dass Extremismen in der Chatgruppe überhaupt wahrgenommen wurden? Besteht dann gar eine Meldepflicht für verbeamtete Chatgruppenmitglieder, die selbst nichts Verwerfliches posten, aber Mitglied einer Chatgruppe mit rassistischen Inhalten sind? Wie viel Zeit bleibt für eine solche Meldung? Wie wirkt sich der besondere Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation (Art. 10 Abs. 1 GG) auf die straf- und beamtenrechtliche Würdigung und Verwertbarkeit von Chatprotokollen aus? Und welche Inhalte sind überhaupt extremistisch bzw. – je nach Chatgruppengröße – von straf- oder dienstrechtlicher Relevanz? Welche sind dagegen als bloß geschmacklose Scherze noch von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt, wann überschreitet von der Meinungsfreiheit geschützte Satire die Grenzen der politischen Mäßigungspflicht von Beamten? „Die Meinungsfreiheit“, so die zur Vorsicht vor allzu schnellen Verbotsannahmen mahnenden Worte eines ehemaligen Bundesverfassungsrichters, „schützt auch verfassungsfeindliche Ideologien. Dies gilt für religiösen Fundamentalismus ebenso wie für den Rechtsextremismus, der nach unserer Geschichte besonders schwer zu ertragen ist. Diesen Ideologien entgegenzutreten ist Aufgabe des freien Diskurses in einer couragierten Zivilgesellschaft, nicht aber des Staates in Form von Verboten. Die Lehre aus Weimar liegt nicht in einer Gesinnungsjustiz gegen die Feinde der Freiheit, sondern in der beseelten Durchsetzung der Freiheit selbst.“[20] Die Bürger sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung infrage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern.[21]

Dieses Büchlein hat sich vorgenommen, vor allem straf- und beamtenrechtliche Praxisfragen dieser Art im Zusammenhang mit der Nutzung von Chatgruppen durch Beamte systematisch aufzuarbeiten. Dabei kann es sich nur um eine Momentaufnahme handeln: Vieles ist auf diesem ungesicherten rechtlichen Terrain in Bewegung und noch nicht durch die Rechtsprechung abschließend geklärt. Auf entsprechende Unsicherheiten wird dort, wo sie noch existieren, hingewiesen. Zugleich werden vereinzelt eigene Vorschläge zur rechtsdogmatischen Weiterentwicklung zur Diskussion gestellt.

Es erscheint den Versuch wert, einen Aufschlag zu probieren und eine – soweit ersichtlich – erste Gesamtdarstellung des juristisch anspruchsvollen Rechtskomplexes zu wagen, da immerhin Manches zwischenzeitlich juristisch geklärt ist und es vor allem einen erheblichen rechtspraktischen Bedarf nach einer rechtsgebietsübergreifenden Aufarbeitung nicht nur bei den Dienststellen in der Bundesrepublik gibt, welche trotz diverser rechtlicher Unsicherheiten auf „Nazi-Chats“ mit Beamtenbeteiligung reagieren müssen.

Reicht nicht ein oft leichter zu vermarktender Aufsatz, muss es gleich ein ganzes Buch zu diesem spezifischen Thema sein? Aus Sicht der Autoren lautet die Antwort auf Letzteres: „Ja“! Denn die betroffenen Rechtsgebiete sind zu umfangreich, um sie ganzheitlich und wissenschaftlich seriös in Aufsatzform darreichen zu können.

II.Themenfokussierung und Begrenzungen

Das so skizzierte Wagnis, ein behauptetes „Recht der Beamten in Chatgruppen“ ausleuchten zu wollen, erfordert selbst in Buchform strikte Begrenzung und Fokussierung. Denn das Thema hat viele Perspektiven. Sie reichen von den Ausgangspositionen des Verfassungs- über das vorrangig zu prüfende Strafrecht hin zum meist nachgelagerten, aber praktisch besonders bedeutsamen Beamten- und Disziplinarrecht.[22] Zugleich wird auch spezifisches Strafprozess- und Polizeirecht aufgegriffen, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Verwertbarkeit von Chatgruppenverläufen. Alle nachfolgend aufgerufenen Grundrechte, Straftatbestände, Ermittlungsmaßnahmen und Dienstpflichtverletzungen sollen nicht abstrakt in ihrer enormen Breite vorgestellt, sondern möglichst konkret auf die in Chatgruppen häufig virulenten Rechtsaspekte reduziert präsentiert werden.

Konsequent ausgespart wird deshalb zunächst die Kommunikation über Plattformen wie etwa TikTok, Instagram[23] oder Facebook.[24] Auch insoweit sind delikate juristische Fragen bei Beamtenbeteiligung aufgeworfen, die eine eigene Untersuchung verdient hätten.[25] Ebenso bleiben das Datenschutzrecht, das bei der Auswertung von Chatgruppen regelmäßig unproblematisch ist,[26] das Personalvertretungsrecht sowie Besonderheiten für das Recht der über drei Millionen Angestellten im öffentlichen Dienst weitestgehend ausgeblendet. Vieles wird für sie ganz ähnlich gelten wie für Beamte (vgl. etwa § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L[27]), auf die sich die Ausarbeitung konzentriert. Im Einzelnen werden die Anforderungen an die Angestellten tendenziell niedriger, jedenfalls nicht schärfer sein, da sie nicht wie Beamte in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis stehen (vgl. Art. 33 Abs. 4 GG). Auch im privaten Arbeitsrecht sind zahlreiche jüngere Entwicklungen im Zusammenhang mit Messenger-Diensten zu verzeichnen.[28] Sie werden hier nicht vertieft. Das vorliegende Buch soll auch nicht als Ratgeber konzipiert sein, weshalb auf Handlungsempfehlungen und Präventionsmaßnahmen, denen gerade in diesem sensiblen Bereich wohl ganz grundsätzlich mit einer gewissen Zurückhaltung zu begegnen wäre,[29] weitgehend verzichtet wird. Anderweitig findet sich bereits Entsprechendes.[30] Auf anthropologische bzw. (gruppen-)psychologische Ursachenergründung für das besondere Kommunikationsverhalten sowie die zahlreichen Auffälligkeiten in Chatgruppen wird gleichfalls verzichtet.[31] Das Buch ist intradisziplinär, nicht interdisziplinär ausgerichtet.[32]

Wenn sich die nachfolgende Darstellung vor diesen Hintergründen ganz auf Beamte konzentriert, bleibt abschließend hervorzuheben und klarzustellen, dass Richter und vor allem Soldaten weitestgehend ausgeklammert werden. Hinsichtlich der Richterschaft mag es zunächst kaum einschlägige Fälle von Fehlverhalten in Chatgruppen geben. Ganz anders dagegen stellt sich die Situation bei der über 180.000 Personen umfassenden Bundeswehr dar. Die zahlreichen Vorkommnisse[33] soldatischen Fehlverhaltens in Chatgruppen, welche die Rechtsprechung in jüngerer Zeit beschäftigte, stehen nicht im Fokus dieses Buches, werden aber punktuell und soweit (wie häufig[34]) Vergleichbarkeit zu den Beamtenpflichten besteht, durchaus in Bezug genommen. Denn Soldaten unterliegen besonderen Dienstpflichten, die sich nur teilweise mit denen der Beamten decken.[35] Schwerpunktmäßig wird nachfolgend auf einschlägige Fälle mit Beteiligung von Beamten aus dem Polizeivollzugsdienst eingegangen. Diese Schwerpunktsetzung erklärt sich zum einen aus der vergleichsweise hohen Anzahl einschlägiger Fälle mit polizeilicher Beamtenbeteiligung. Zum anderen sind diese Fälle von übergeordneter Brisanz aufgrund des von der Polizei ausgeübten staatlichen Gewaltmonopols. Die Polizei ist als „Freund und Helfer“[36] auf besonderes Vertrauen in der Bevölkerung angewiesen (vgl. nur § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG/§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Extremistische Vorfälle innerhalb der Polizei, wie sie in Verbindung mit Chatgruppen in jüngerer Vergangenheit gehäuft zum Vorschein kamen, gefährden dieses Vertrauen und können schlimmstenfalls zu Legitimitätsproblemen der bewaffneten „Institution Polizei“ führen.

Für die jeweils in Bezug genommenen Vorschriften folgt aus dem Vorstehenden, dass vornehmlich das Bundesbeamtengesetz (BBG) sowie das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) in Bezug genommen werden, nicht aber etwa die Dienstpflichten aus dem Soldatengesetz (SG) und dem Deutschen Richtergesetz (DRiG). Auch im Übrigen werden jeweils – etwa in der disziplinarrechtlichen Darstellung – die bundesgesetzlichen Normen (BDG) herangezogen, für die sich in den Disziplinargesetzen der Länder häufig vergleichbare Vorschriften finden, die hier jedoch außen vor bleiben.

III.Technische Grundlagen von Messenger-Diensten

Diverse rechtliche Bewertungen, wie etwa die der nachweisbaren Kenntnisnahme extremistischer Inhalte, hängen von technischen Gegebenheiten der Messenger-Dienste ab. Daher werden diese nachfolgend umrisshaft behandelt, wobei die Technologien des Marktführers WhatsApp im Vordergrund dieser Skizze stehen.

Bei WhatsApp handelt es sich um ein seit 2009 existierendes sog. Instant-Messaging-Programm.[37] Mit weltweit ca. zwei Milliarden Nutzern ist WhatsApp der vermutlich meistgenutzte Messengerdienst.[38] Inhalte werden über das Internet ohne wesentliche zeitliche Verzögerung dem Kommunikationspartner übermittelt. Dies erfolgt bei WhatsApp verschlüsselt in Form einer sog. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.[39] Inhalte werden also auf dem Gerät des Versenders verschlüsselt und auf dem Endgerät des Empfängers wieder entschlüsselt.[40]

WhatsApp ermöglicht, wie die meisten Instant-Messaging-Programme, auch Gruppenchats. Bei WhatsApp erstellt dazu ein Nutzer eine Gruppe. Diese kann er mit einem Gruppenbild und einem Gruppennamen versehen. Aus seiner Kontaktliste kann er Gruppenmitglieder hinzufügen. Er kann auch weiteren Gruppenmitgliedern Administratorrechte einräumen, sodass auch sie Mitglieder hinzufügen können. Die Person, die hinzugefügt wird, wird ohne weiteres Zutun ihrerseits Mitglied der Gruppe. Zwar kann in den Einstellungen von WhatsApp unter dem Menüpunkt „Datenschutz“ hinterlegt werden, dass ein Hinzufügen zu Gruppen generell oder für bestimmte Kontakte untersagt wird, dies ist aber keine Standardeinstellung.

Neue Chatgruppenmitglieder können aber nicht nur aus bestehenden Kontakten der Administratoren ausgewählt und hinzugefügt werden. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, einen Beitrittslink zu generieren. Ein solcher Link kann beliebig gestreut werden. Sogar ein QR-Code kann erstellt werden, der einen Zugang nochmals vereinfacht. Es ist so ohne Weiteres möglich, dass sich Chatgruppen aus bisher völlig unbekannten Personen zusammensetzen. WhatsApp lässt Gruppen mit bis zu 1024 Mitgliedern zu. Zwar ist es bei Erstellung der WhatsApp-Gruppe möglich, jeden Neuzugang von Administratoren bestätigen zu lassen. In diesem Fall kann eine Person, die der Gruppe beitreten möchte, zwar einen Beitrittslink nutzen, wird aber erst nach Bestätigung durch einen Administrator Mitglied der Gruppe. Dies ist jedoch keine Standardeinstellung, sondern muss bei Einrichtung der Gruppe extra ausgewählt werden.

Administratoren könnten auf diese Weise – bei entsprechender Einstellung – den Gruppenzugang kontrollieren und zudem Gruppenmitglieder löschen. Auch auf die Inhalte der Chatgruppe können AdministratorenEinfluss nehmen. Sie können einzelne Posts anderer Gruppenmitglieder löschen. Sichtbar ist dann nur noch der Hinweis, dass eine Nachricht der betreffenden Person gelöscht wurde. Auch jeder Nutzer kann eigene Nachrichten zunächst wieder löschen. Diese Löschfunktionen sind aber auf einen Zeitraum von zwei Tagen begrenzt.

Die Nutzung selbstlöschender Dateien ist auch bei Nutzung von WhatsApp-Gruppen möglich. Nachrichten, Bilder und Videos werden nach einer vorgegebenen Zeitspanne im Chat automatisch gelöscht.

Wer einer Gruppe nachträglich hinzugefügt wird, sieht erst ab diesem Zeitpunkt den Inhalt der Chatgruppe.

Die klassische Kommunikationsform in einem Gruppenchat ist das Posten von Textnachrichten, die von allen anderen Gruppenmitgliedern gesehen werden können. Typisch für solche Textnachrichten ist die knappe, oft plakative Darstellung von Inhalten.

Zunehmend werden Chatprogramme wie WhatsApp und hierbei auch Gruppenchats zum Austausch anderer Inhalte genutzt. Versendet werden können insbesondere Bild- und Videodateien. Über WhatsApp können Bilder und Videos in verschiedenen üblichen Dateiformaten versendet werden. Große Dateien werden allerdings komprimiert, was mit einem gewissen Qualitätsverlust einhergeht. Eine spezielle Form bildhafter Darstellungen sind sog. GIFs. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Dateiformat (erkenntlich an der Dateiendung .gif), das allerdings vorwiegend für – oft animierte – sich in Dauerschleife wiederholende Kurzvideos mit einer Dauer im Sekunden- bzw. Sekundenbruchteilbereich genutzt wird. Diese haben oft (vermeintlich) lustige, in manchen Fällen aber auch strafrechtlich relevante Inhalte. Eine weitere, gerade in Chats und Chatgruppen übliche Bilddarstellung sind sog. Sticker. Hierbei handelt es sich meist um fiktive Darstellungen oder um Ausschnitte aus größeren Bilddateien. Hierbei werden oft unvorteilhafte Aufnahmen einer Person verwendet, die durch die Reduktion auf die Darstellung dieser Person in der konkreten Situation vermeintlich humorvoll sein sollen.

Möglich ist auch das Versenden von Sprachnachrichten. Dazu kann bei WhatsApp direkt in der App die Aufnahmefunktion genutzt werden. Ein Drücken des Mikrofonsymbols startet die Aufnahme, das Loslassen beendet diese. Die Audiodatei wird dann automatisch in die Gruppe hochgeladen. Es bedarf keines weiteren Zwischenschritts.

Rechtlich spielt gerade das Posten von Mediendateien wie Bildern, Videos etc. eine große Rolle.[41] Bei bestehender Internetverbindung werden Mediendateien ebenso wie Textnachrichten direkt in den Chat hochgeladen und stehen anderen Gruppenmitgliedern zur Verfügung. Fehlt es kurzzeitig an einer hinreichenden Datenverbindung, wird die Datei hochgeladen, sobald wieder eine ausreichende Internetverbindung vorhanden ist. Werden bei Auswertungen sichergestellter Mobilgeräte Dateien im WhatsApp-Ausgangsordner gefunden, kann daher in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie auch hochgeladen wurden.

Wird WhatsApp in der Standardeinstellung genutzt, werden Mediendateien durch jedes Mitglied der Gruppe direkt und ohne weiteres Zutun des Nutzers heruntergeladen. Die heruntergeladenen Dateien sind sodann auf dem Endgerät des Chatgruppenmitglieds gespeichert und können von diesem aufgerufen, genutzt, bearbeitet, vervielfältigt und Dritten Personen weitergeleitet werden; jedes Chatgruppenmitglied hat also die volle Verfügungsgewalt über die Datei. Dies spielt insbesondere bei Tatbeständen, die an den Besitz anknüpfen, eine Rolle.[42]

WhatsApp bietet in den Einstellungen der App die Möglichkeit, ein automatisches Downloaden von Mediendateien zu limitieren. Differenziert nach den Kategorien „Fotos“, „Audio“, „Videos“ und „Dokumente“ kann jeweils ausgewählt werden, ob diese gar nicht, nur über eine WLAN-Verbindung oder immer, also sowohl über WLAN als auch Mobilfunk, automatisch geladen werden.

Bei Standard-Einstellung wird ein Chatgruppenmitglied über jeden neuen Post in der Gruppe gleichermaßen informiert wie über sonstige WhatsApp-Nachrichten, also meist über einen Signalton oder ein Vibrieren des Mobilgeräts. Chatgruppen können auch für acht Stunden, eine Woche oder dauerhaft „stummgeschaltet“ werden. Der Nutzer erhält über neue Nachrichten in der Gruppe keine Mitteilung, sieht aber anhand einer kleinen blau hinterlegten Zahl neben der Chatgruppe in der Übersichtsdarstellung aller Chats, dass neue Nachrichten in der Gruppe eingegangen sind.

Die Funktion des „Stummschaltens“ mag viele praktische Vorteile haben, birgt aber auch die Gefahr, dass eine Chatgruppe nicht mehr beachtet wird und ein Gruppenmitglied von den Inhalten auch über längere Zeiträume keinerlei Kenntnis nimmt, zugleich bei Standardeinstellungen aber alle Mediendateien in der Gruppe automatisch auf seinem Endgerät gespeichert werden.

Eine nachträgliche Überprüfung von über Chats erhaltenen Dateien ist – zumindest bei umfangreicher Nutzung von WhatsApp – nur erschwert möglich. Zwar ermöglicht es die App unter dem Menüpunkt „Speicher verwalten“, die über WhatsApp geladenen Dateien einzusehen. Sortiert werden sie allerdings nicht nach einzelnen Chats, sondern entweder nach Größe oder nach Häufigkeit der Weiterleitung. Möchte ein Nutzer prüfen, was er über einen bestimmten Chat erhalten hat, muss er selbigen durchsehen, was sich bei umfangreicher Chatkommunikation mühsam gestalten kann.

Selbst wenn einmal heruntergeladene Inhalte auf dem Endgerät gelöscht werden, bleibt ein Vorschaubild erhalten. Solche Miniaturbilder werden von Programmen und so auch WhatsApp bei Foto- und Videodateien automatisch erzeugt und auf dem Endgerät aus Effizienzgründen abgespeichert. Bei Auswertungen von Datenträgern lassen sich Vorschaubilder (oft auch als Thumbnails bezeichnet) anhand des Dateipfades sowie in der Regel auch der Dateigröße identifizieren.

Bemerkt also ein Gruppenmitglied, dass in einer Chatgruppe Bilder oder Videos eingestellt wurden, die es nicht erhalten wollte, genügt das Löschen der automatisch heruntergeladenen Datei nicht, um sich des Inhalts vollständig zu entledigen. Das Vorschaubild bleibt vorhanden. Eine Löschung ist zumindest für Laien kaum möglich. Selbst bei einer Deinstallation der App werden diese Miniaturbilder nicht endgültig gelöscht, sondern können jedenfalls mittels forensischer Software wiederhergestellt werden. Letzteres gilt auch für händisch gelöschte Dateien, sofern keine spezielle Löschsoftware genutzt wird, die die Datei mehrfach überschreibt. Ein „normales“ Löschen führt lediglich dazu, dass die Datei für den Nutzer nicht mehr sichtbar und aufrufbar ist und der Speicherplatz freigegeben wird. Solange hier aber keine Überschreibung durch andere Dateien erfolgt, ist der gelöschte Inhalt wiederherstellbar.

Absichern können sich Nutzer, indem sie den automatischen Download vollständig deaktivieren. Zwar werden auch dann Vorschaubilder generiert. Diese sind aber so verschwommen, dass der Inhalt ohne Download der Mediendatei nicht hinreichend erkennbar ist, sondern sich höchstens erahnen lässt.

Die Kombination aus einer unkomplizierten Gründung und Erweiterung von Chatgruppen, die sofortige Übermittlung von Inhalten im Chat und das – zumindest bei Standardeinstellung – automatisierte Herunterladen von Dateien durch alle Gruppenmitglieder ermöglicht es, über Chatgruppen sehr einfach rechtlich problematische Inhalte weit zu streuen. Zugleich können Nutzer bei Teilnahme an vielen Gruppen leicht den Überblick über die jeweiligen Inhalte verlieren und ungewollt straf- und disziplinarrechtlich relevante Nachrichten sowie inkriminierte und Mediendateien erhalten, die – womöglich sogar unbemerkt – auch auf ihrem Endgerät gespeichert werden.[43]

Andere Chatprogramme, wie z. B. Signal oder Threema, funktionieren im Wesentlichen vergleichbar wie WhatsApp. Eine besonders sichere Verschlüsselung, mit der z. B. geworben wird, ändert für die hier bedeutsamen rechtlichen Fragen nichts.

In der Praxis werden Chatverläufe in gerichtlichen Verfahren und Verwaltungsverfahren häufig als Ausdrucke bzw. Fotografien des Chats eingebracht und z. B. im Strafverfahren als Urkundsbeweis verlesen (bzw. ggf. ergänzend in Augenschein genommen).[44] Hierbei ist zu beachten, dass solche Chats keinesfalls fälschungssicher sind. So lassen sich Chatverläufe mit entsprechenden Programmen wie z. B. „FakeWhats“ leicht verändern und es können komplett neue, täuschend echt aussehende Chats generiert werden.[45] Der Beweiswert von übergebenen Chatausdrucken oder nur abfotografierten Chats ohne eine Überprüfung der Echtheit, z. B. anhand von Metadaten in der Applikation, ist daher eingeschränkt.[46]

B.Verfassungsrechtliche Grundlagen des Beamtenverhältnisses

I.Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG)

Art. 33 GG versammelt in seinen fünf Absätzen verfassungsrechtliche Grundentscheidungen, die das Beamtentum in Bund und Ländern insgesamt sowie jedes einzelne Beamtenverhältnis prägen. Innerhalb dieser sog. Grundnorm des öffentlichen Dienstes sind insbesondere die Abs. 2, 4 und 5 für die Konturen des Beamtentums in Deutschland grundlegend, weshalb der Inhalt dieser Verfassungsvorgaben bei der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts in den einschlägigen Chatgruppenfällen stets mitbedacht werden muss.

Art. 33 Abs. 2 GG bestimmt als besonderes Gleichheitsrecht, dass Deutschen der Zugang zu jedem öffentlichen Amte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung offensteht. Dieses sog. Prinzip der Bestenauslese vermittelt Bewerbern ein subjektives Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Zugleich soll es objektiv-rechtlich die Funktionsfähigkeit sowie die Qualität des Personals im öffentlichen Dienst garantieren. Letzteres erscheint schon deshalb besonders wesentlich, weil „dem Staat bei hoheitlichen Entscheidungen ein Monopol zukommt“.[47]

Das mit Anwendungsvorrang ausgestattete Unionsrecht der EU beeinflusst und überspielt das nationale Beamtenrecht in zunehmendem Maße.[48] Auch Art. 33 Abs. 2 GG ist davon betroffen: Entgegen dem Wortlaut von Art. 33 Abs. 2 GG können sich nicht nur Deutsche im Sinne des Art. 116 GG auf das Prinzip der Bestenauslese berufen, sondern wegen des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots auch alle Unionsbürger (vgl. Art. 45 AEUV, Art. 18 AEUV).

Weiterhin ist der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG trotz seines Wortlauts („Zugang“) nicht auf die Einstellung in den öffentlichen Dienst begrenzt. Vielmehr gilt der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Leistungsgrundsatz auch für alle statusmäßigen Verbesserungen, insbesondere für Beförderungsämter[49] sowie den Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn.

Die Zugangskriterien der Eignung, Befähigung und Leistung stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Eignung im weiteren Sinne bildet den Oberbegriff.[50] Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung.[51] Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach.[52] Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit sowie charakterliche und gesundheitliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind.[53] Dabei beschränkt sich die Relevanz dieser Eignung nicht allein auf die Einstellung von Beamten, sondern spielt auch für etwaige Entlassungen von Widerrufs- und Probebeamten aufgrund von menschenverachtenden und fremdenfeindlichen Posts in einer Chatgruppe eine Rolle.[54] Insoweit genügt es bereits, wenn der Dienstherr aufgrund der Chatgruppen-Nachrichten berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung von Bewerbern bzw. von Widerrufs- und Probebeamten hat.[55] Dem Dienstherrn steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu, sodass angerufene Verwaltungsgerichte nur nachprüfen, ob der Entscheidung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet und sachfremde Erwägungen vermieden worden sind.[56]

Auch für Lebenszeitbeamte, die Fehlverhalten in einer Chatgruppe zeigen, kann Art. 33 Abs. 2 GG betroffen sein: So ist ein Beförderungsverbot während eines laufenden Disziplinarverfahrens zwar gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, die Zulässigkeit ist aber in der Rechtsprechung anerkannt.[57] Nur wenn der Verdacht, der zur Einleitung des Disziplinarverfahrens geführt hat, offensichtlich haltlos ist, darf kein Beförderungsverbot daran anknüpfen.[58] Endet ein Disziplinarverfahren mit einer Bezügekürzung oder einer Zurückstufung, so ergeben sich Beförderungssperren unmittelbar aus dem Gesetz (siehe exemplarisch § 8 Abs. 4 BDG bzw. § 9 Abs. 3 BDG).

II.Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG)

Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist nach Art. 33 Abs. 4 GG als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Daraus folgt zunächst, dass bestimmte Aufgaben im Staat regelmäßig nicht von Beschäftigten, sondern von Beamten wahrzunehmen sind (sog. Funktionsvorbehalt). Besonders hoheitliche Tätigkeiten müssen grundsätzlich von Beamten erledigt werden, die durch ihr Dienst- und Treueverhältnis dem Staat und dessen Gemeinwohlzwecken in verstärkter Weise verpflichtet sind.[59] In diesem Sinne ist etwa das Aufgabenfeld der Polizei mit besonderen hoheitlichen Befugnissen verbunden. Polizeiliche Möglichkeiten zur Anwendung unmittelbaren Zwangs bis hin zum finalen Rettungsschuss zeugen davon. Konsequenz dessen ist, dass der Polizeivollzugsdienst als Teil des öffentlichen Dienstes durch Beamte geprägt wird. Tarifangestellte sind im hoheitlichen Kernbereich der Polizei vergleichsweise höchst selten.

Der verfassungsrechtlichen Konzeption des Art. 33 Abs. 4 GG nach sollen Beamte durch ihr gesteigertes Maß an Unabhängigkeit und ihre besonderen Pflichten, respektive Streikverbot, als stabiler Garant für Demokratie und Rechtsstaat auch in Krisenzeiten fungieren.[60] Jedwede extremistischen Verhaltensweisen in Chatgruppen oder das schweigsame Dulden dessen durch Beamte konterkariert diese ihnen verfassungsmäßig zugedachte Rolle.

III.Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG)

Gemäß Art. 33 Abs. 5 ist das Recht des öffentlichen Dienstes (hier zu verstehen als das Beamtenrecht[61]) unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Diese Verfassungsbestimmung richtet sich zwar in erster Linie an den Gesetzgeber, prägt aber zugleich die Rechtsstellung des Beamten, denn sie sind als Teil der Exekutive mittelbar über Art. 20 Abs. 3 GG auch an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden.[62] Das Wort „Berücksichtigung“ in Art. 33 Abs. 5 GG meint insoweit nichts anderes als Beachtung.[63] Das einfache Gesetzesrecht, das die Rechte und Pflichten der Beamten näher regelt, ist daher stets im Lichte des Art. 33 Abs. 5 GG auszulegen.

Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsätze umfassen einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, insbesondere unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt wurden.[64] Kurz: Bei Substanzialität sowie Anerkennung in Weimar wird das jeweilige beamtenrechtliche Prinzip mit Verfassungsrang ausgestattet.[65] Erfüllt sind diese beiden Voraussetzungen („Substanzialität plus Anerkennung in Weimar“) etwa in den Lebenszeit-, Alimentations- und Laufbahnprinzipien, aber auch hinsichtlich des Streikverbots für Beamte, des Grundsatzes der Hauptberuflichkeit, der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und – für die vorliegende Darstellung besonders relevant – der Treue-, Mäßigungs-, Dienstleistungs-, Gehorsams-, Verschwiegenheits- und Neutralitätspflicht der Beamten.

Innerhalb dieser mit Verfassungsrang ausgestatteten Dienstpflichten kommt der sog. politischen Treuepflicht in Chatgruppen-Fällen herausragende Bedeutung zu. Nach jener Treuepflicht als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG müssen sich Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, bekennen und für sie eintreten.[66] Wie das Grundgesetz insgesamt, erscheint diese politische Treuepflicht als Teil des Kontrastprogramms zum Nationalsozialismus, „in der der Beamte nicht der Verfassung und dem Gemeinwohl, sondern der Person des Führers und der Auffassung einer Partei verpflichtet war“.[67]

Die nähere Ausformung dieser Pflicht hat das BVerfG bereits am 22.05.1975 in seinem umstrittenen, aber bis heute maßgeblichen[68], sog. „Radikalenbeschluss“ vorgenommen:

Der Beamte muss sich danach mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Nicht gemeint ist damit eine Verpflichtung dahingehend, dass sich Beamte die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen machen müssen. Doch wird ihnen die Bereitschaft abverlangt, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Damit wird Beamten nicht verboten, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange damit nicht zugleich dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage infrage gestellt werden. An einer unkritischen Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen.[69]

Inkurs: Freiheitlich-demokratische Grundordnung

In diesen Zusammenhang gehört die fdGO, ein „Schlüsselbegriff“[70] der sog. wehrhaften oder streitbaren Demokratie.[71] Anders als die Weimarer Reichsverfassung, die sich „als bloß formales politisches System inhaltlich neutral begriffen hat“[72], war den Schöpfern des GG daran gelegen, ein Bollwerk gegen die Feinde der Demokratie zu errichten und den Staat mit vielfältigen Befugnissen zum Schutz der fdGO auszustatten. Ganz nach dem Motto: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“.[73] Beispiele sind die Einschränkungsvorbehalte des Brief-, Post und Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GG) und der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1, Abs. 2 GG). Überdies wurden dem Bundesverfassungsgericht die Befugnisse übertragen, die Verwirkung bestimmter Grundrechte auszusprechen (Art. 18 GG), politische Parteien zu verbieten und diese von staatlicher Parteienfinanzierung und steuerlichen Vergünstigungen auszuschließen (Art. 21 Abs. 2, Abs. 3 GG). Auch das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG ist in diesen Kontext einzuordnen.[74] Auf der Ebene des einfachen Rechts sind es bspw. die Strafvorschriften der §§ 86, 86a StGB, die die fdGO schützen.[75]

Zum Inhalt der fdGO hält sich das GG bedeckt, insbesondere bietet es keine Legaldefinition an. Allerdings hat sich das Bundesverfassungsgericht – gerade in den Parteiverbotsverfahren gegen SRP, KPD und NPD – an einer inhaltlichen Konturierung des Begriffs versucht.[76] Es sieht das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) im Vordergrund, das durch die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit näher ausgestaltet wird.[77] Diese Rechtsprechung aufgreifend, enthält § 4 Abs. 2 BVerfSchG[78] eine Begriffsbestimmung der fdGO, die die wesentlichen Erkenntnisse des Gerichts nachzeichnet.[79] Die Norm lautet:

„Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b)die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c)das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,d)die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,e)die Unabhängigkeit der Gerichte,f)der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft undg)die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.“

 

Die Verpflichtung der Beamtenschaft gemäß Art. 33 Abs. 5 GG, die fdGO zu wahren und zu schützen,[80] korrespondiert mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG, der für die Berufung in ein Beamtenverhältnis die Gewähr des Bewerbers verlangt, „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten“. Diese grundsätzliche Eintrittspflicht gilt selbstverständlich auch im Zusammenhang mit Chatgruppenaktivitäten.

IV.Beamtenschaft und Grundrechte

Die Beamtenschaft, die aufgrund ihres Beamtenstatus Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu erfüllen hat (vgl. § 3 Abs. 2 BeamtStG), besitzt der Natur der Sache nach ein engeres Verhältnis zum Staat als der „Normalbürger“. Daraus schloss die sog. Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis,[81] dass in diesem Verhältnis die Einschränkung der Grundrechte der Beamten ohne Beachtung eines etwaigen Gesetzesvorbehalts, also ohne nennenswerte Begrenzung, zulässig sein sollte.[82] Die „Verzichtstheorie“ argumentierte, dass der Beamte bei Eintritt in das öffentliche Dienstverhältnis freiwillig und wirksam auf die Ausübung seiner Grundrechte verzichte, und dies zeitlich für die gesamte Geltungsdauer des Dienst- und Treuverhältnisses.[83]

Beide Auffassungen sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Denn sie lassen unberücksichtigt, dass die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 3 GG umfassend gelten, der Staat in allen Belangen an diese gebunden ist[84] und eine Einschränkung der Grundrechte nur „durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes“ erfolgen darf (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG).[85] Auch steht ihnen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entgegen, der effektiven Rechtsschutz gegen jegliches staatliches Handeln gewährleistet.[86] Überdies bedürfte es des nachträglich eingefügten Art. 17a GG nicht, wenn der Grundrechtsschutz des Bürgers mit Begründung eines solchen besonderen Gewaltverhältnisses endete.[87] Die Verzichtstheorie verkennt insbesondere, dass ein Grundrechtsverzicht lediglich im Einzelfall wirksam ausgeübt werden kann.[88] Folgerichtig formuliert das Bundesverfassungsgericht:

„Der Beamte genießt Grundrechtsschutz. Er steht zwar ‚im Staat‘ und ist deshalb mit besonderen Pflichten belastet, die ihm dem Staat gegenüber obliegen, er ist aber zugleich Bürger, der seine Grundrechte gegen den Staat geltend machen kann.“[89]

 

Deshalb sieht man die Beamtenschaft heutzutage nicht mehr in einem besonderen Gewaltverhältnis, sondern, etwas abgemildert, in einem „Sonderstatus“.[90] „Es stoßen sich“, so wiederum das Bundesverfassungsgericht, „zwei Grundentscheidungen des Grundgesetzes: Die Garantie eines für den Staat unentbehrlichen, ihn tragenden, verläßlichen, die freiheitliche demokratische Grundordnung bejahenden Beamtenkörpers […] und die Garantie der individuellen Freiheitsrechte […].“[91]

Daraus folgt einerseits, dass es im Verhältnis Staat-Beamtenschaft keine grundrechtsfreien Räume gibt. Zudem stehen alle Einschränkungen unter der Herrschaft des Parlamentsvorbehalts.[92] So darf etwa ein Beamter, dem im Rahmen eines Disziplinarverfahrens vorgeworfen wird, in einer Chatgruppenunterhaltung eine Beleidigung (§ 185 StGB) begangen zu haben, darauf pochen, dass ggf. seine Grundrechte auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) oder Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) in die Bewertung seines Verhaltens umfassend einbezogen werden.[93] Überdies dürfen grundrechtsverkürzende Maßnahmen, die chatgruppenbezogenes Fehlverhalten ahnden, sei es die Kürzung der Bezüge, die vorläufige Suspendierung vom Dienst oder gar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis,[94] nur auf der Grundlage eines den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden formellen Gesetzes erfolgen. Andererseits muss der Beamte die für ihn im GG vorgesehenen Grenzen seiner Grundrechte akzeptieren, zuvörderst die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG). Diese können eine sog. verfassungsimmanente Schranke der Grundrechte der Beamtenschaft darstellen.[95] Jedoch bedürfen, und da schließt sich der Kreis, darauf beruhende Grundrechtseinschränkungen – Beispiel: das von Art. 33 Abs. 5 GG garantierte Zurückhaltungs- und Mäßigungsgebot – stets einer formellen Rechtsgrundlage (§ 33 Abs. 2 BeamtStG).[96]

V.Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1.Hinführung

Ein elementarer Aspekt des Themas ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser wird im Grundgesetz nicht explizit erwähnt, hat als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips aber Verfassungsrang. Das Bundesverfassungsgericht spricht von einer „übergreifenden Leitregel allen staatlichen Handelns“[97]. Gleich, ob die Bewertung eines Chatgruppenverhaltens als Straftat, deren Ausermittlung und Aburteilung im Strafverfahren, die Prävention weiteren kriminellen Unrechts im Wege polizeirechtlicher Maßnahmen oder die Verhängung beamtenrechtlicher Disziplinarmaßnahmen: Nirgends darf der Staat außer Acht lassen, dass ein belastendes Handeln so ausgeübt werden muss, dass die individuellen Rechte geschützt bleiben bzw. Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen nur zulässig sind, soweit es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.[98] Um es plastisch auszudrücken: der Staat darf nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“.

Hierbei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die der Schaffung der Gesetze durch die Legislative und die der – im hiesigen Zusammenhang bedeutenderen – Umsetzung der Gesetze durch Einzelakte der Exekutive und Judikative.[99] Sowohl die Maßnahmen des Gesetzgebers als auch die der Verwaltung und Rechtsprechung müssen sich an den Voraussetzungen der Legitimität des Zwecks, der Eignung, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit messen lassen.[100]

2.Legitimität des Zwecks

Der durch die Maßnahme verfolgte Zweck ist legitim, wenn er von der Rechtsordnung gebilligt wird.[101] Der Gesetzgeber ist (nur) an die Verfassung gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG), während Exekutive und Judikative der gesamten Rechtsordnung verpflichtet sind.[102] Der legitime Zweck von Einzelmaßnahmen folgt dabei dem des zugrunde liegenden Erlaubnisgesetzes, dies gilt auch für die Fälle mit Chatgruppenbezug. Im Straf- und Strafverfahrensrecht ist das der Schutz der Rechtsgüter, die durch das strafbewehrte Verhalten in der Chatgruppe verletzt werden (StGB), sowie die Verfolgung dieses Verhaltens (StPO). Im Polizeirecht geht es um die Abwehr von Gefahren, die von den Chatgruppen ausgehen (BPolG und PolG der Länder), und im Beamtenrecht um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Berufsbeamtentums (Disziplinarvorschriften).[103]

3.Eignung

Das Mittel muss zur Erreichung des festgestellten Zwecks geeignet sein. Die daran gestellten Anforderungen sind überschaubar: man verlangt lediglich, dass mithilfe des Mittels der Zweck in irgendeiner Weise gefördert werden kann,[104] und geht von einem weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers aus.[105] Ein Fehlen der Eignung ist nur anzunehmen, wenn eine Maßnahme „offenkundig am Ziel vorbeigeht“[106]. Dies dürfte in den seltensten Fällen vorkommen.

4.Erforderlichkeit

Die Erforderlichkeit liegt vor, wenn es kein Mittel gibt, das weniger intensiv in die Rechte des Betroffenen eingreift, zur Zielerreichung aber ebenso gut geeignet, d. h. genauso effektiv ist.[107] Die Prüfung verlangt also zweierlei, nämlich das Aufzeigen einer oder mehrerer rechtmäßiger Handlungsalternativen (auf der Ebene der Gesetzgebung: alternativer Gesetzesformulierungen) und den Vergleich von deren Effektivität mit der des tatsächlich eingesetzten Mittels.[108] Auch hier erkennt das Bundesverfassungsgericht einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum des Staates an und verneint die Erforderlichkeit nur dann, wenn „die sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststeht“.[109]

5.Angemessenheit

Schließlich muss die Angemessenheit vorliegen. Andere Begrifflichkeiten für diese Prüfungsebene sind „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ oder – vielleicht am treffendsten – „Zumutbarkeit“. Angesprochen ist damit die Zweck-Mittel-Relation. Der verfolgte Zweck und die durch den Einsatz des Mittels hervorgerufenen Folgen dürfen nicht außer Verhältnis zueinanderstehen. Verfassungswidrig ist eine Maßnahme in der Regel dann, wenn sie dem Einzelnen, vor allem in seiner Position als Grundrechtsträger, einen Nachteil zufügt, der erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Zweck steht.[110] Hierbei ist wie folgt vorzugehen:[111] Zunächst sind die sich gegenüberstehenden Rechtspositionen (z. B. Grundrechte Dritter, Staatszielbestimmungen), also die durch den Eingriff belasteten und die zu dessen Rechtfertigung bemühten, herauszuarbeiten. Sodann sind die gegenläufigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Hierzu ist deren jeweilige (abstrakte) Gewichtigkeit, also ihr Rang, zu bestimmen.[112] Anschließend ist die konkrete Intensität der Gefährdung des Rechtsguts, das durch die Maßnahme geschützt werden soll, der Schwere der Beeinträchtigung (Kriterien: Häufigkeit, Dauer und Ausmaß) des nachteilig betroffenen Freiheitsrechts gegenüberzustellen. „Je schwerwiegender eine Grundrechtseinschränkung ist, desto gewichtiger muss auch das mit der Regelung zu erreichende Ziel sein.“[113]

C.Ausgewählte Straftatbestände

I.Einführung

1.Allgemeines

Das folgende Kapitel befasst sich mit Straftatbeständen, die die Beamtenschaft im Rahmen ihrer Chatgruppenaktivitäten verwirklichen kann. Es werden Grundlagen und, darauf aufbauend, die chatgruppenrelevanten Aspekte dargestellt (wobei eine strikte Trennung der Punkte nicht immer durchzuhalten ist). Da in dem vorliegenden Format eine bis in die letzte Verästelung führende Analyse möglicher Strafbarkeiten nicht zu leisten ist, wurde die Auswahl von Tatbeständen getroffen, die das Inhaltsverzeichnis widerspiegelt. Wir sind aber davon überzeugt, die im Chatgruppengeschehen relevanten Tatbestandsmerkmale (wie das „Verbreiten von Inhalten“) ebenso nachhaltig aufgegriffen und erläutert zu haben wie die Verteidigungsargumente der Beamten, die sich besonders aus ihrer Position als Grundrechtsträger ergeben. Deshalb sollte das Buch auch bei der rechtlichen Bewältigung anderer Strafvorschriften behilflich sein können, etwa dem Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression (§ 80a StGB), dem gefährdenden Verbreiten personenbezogener Daten (§ 126a StGB), der Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) oder der Bedrohung (§ 241 StGB).

2.Initiative zu einem § 341 StGB n. F.

Inmitten der Arbeit an dem Buch ließ der Bundesrat mit einer Initiative aufhorchen, die einem inadäquaten Verhalten von Beamten in Chatgruppen entgegenwirken soll. Es gab dort einen Gesetzesantrag des Landes NRW und damit verbunden den „Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbot volksverhetzender Inhalte und verfassungswidriger Kennzeichen im Zusammenhang mit der Dienstausübung“,[114] dessen Autoren Strafbarkeitslücken der aktuellen Gesetzesfassung beklagen. Diese, so liest man, hingen damit zusammen, dass zentrale Tatbestandsmerkmale der §§ 86, 86a, 130 StGB eine Form von Öffentlichkeit voraussetzten, die die typische Beamtenchatgruppe nicht erfülle.[115] Deshalb schlug man als neuen § 341 StGB ein Amtsdelikt[116] namens „Volksverhetzende Inhalte und verfassungswidrige Kennzeichen im Zusammenhang mit der Dienstausübung“ vor,[117] das auf wesentliche Strafbegrenzungen der §§ 86, 86a, 130 StGB verzichtet. Unter dem 06.12.2023 wurde der Gesetzesentwurf dem Bundestag zugeleitet.[118] Die daraufhin ergangene Stellungnahme der Bundesregierung deutet indes darauf hin, dass die Vorschrift in absehbarer Zeit nicht kommen wird. Deren verfassungsrechtlich sympathische Begründung hat folgenden Kern:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts […] ist allein die Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit einer Meinung noch kein Grund, sie zu verbieten. Dafür ist vielmehr erforderlich, dass die Meinungsäußerung die rein geistige Ebene verlässt und die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutsgefährdung überschreitet […]. Vor diesem Hintergrund trägt gerade die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 130 Absatz 2 Nummer 1a StGB nicht jede Art der Äußerung, sondern nur das ‚Verbreiten‘ unter Strafe zu stellen, der ,wertsetzenden Bedeutung‘ der Meinungsfreiheit Rechnung […].“[119]

 

Auf § 341 StGB n. F. wird daher nicht weiter eingegangen.

II.Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86 StGB)

1.Grundlagen

§ 86 StGB ist gleichzeitig abstraktes Gefährdungs- und mittelbares Organisationsdelikt.[120] Seine Schutzgüter sind die fdGO[121] und der Gedanke der Völkerverständigung (siehe Abs. 2).[122] Der Versuch ist nicht strafbar. Für Taten im Ausland gilt § 5 Nr. 3 a) StGB.

Als Organisationen erfasst § 86 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB verbotene Parteien (SRP, KPD)[123] und Vereinigungen (Bsp.: Deutsche Alternative, FAP, Nationale Front, Nationale Sammlung, Blood-and-Honour-Division Deutschland, PKK),[124] während § 86 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausländische Organisationen, die für die Zwecke einer der in den Nr. 1 und Nr. 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig sind, regelt. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB nimmt – jedenfalls mittelbar – Bezug auf die NSDAP, ihre Untergliederungen und die ihr angeschlossenen Verbände (SA, SS, HJ, BDM).[125] Schließlich bezieht § 86 Abs. 2 StGB die internationalen Terrororganisationen in die Vorschrift ein, die in der zitierten EU-Vorschrift aufgelistet sind (Bsp.: die Hamas).

Propagandamittel sind gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 StGB Inhalte (§ 11 Abs. 3 StGB), die gegen die fdGO oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Sie müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Tendenz in diese Richtung erkennen lassen; reine Kritik, Ablehnung oder historische Dokumentationen genügen nicht.[126] Unter § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der auf keine konkrete Organisation bezogen ist, fallen Propagandamittel, die „in ihrem inhaltlichen Kern mit den Bestrebungen einer konkreten ehemaligen nationalsozialistischen Organisation identisch“ sind.[127] Beispiele aus der Rechtsprechung: ein Liedtext, in dem zum „Marschieren unter dem Hakenkreuz“ als Machtübernahme aufgerufen wird[128] oder die Darstellung einer Hammer und Sichel durchschlagenden Faust mit der Umschrift „Rotfront verrecke“.[129] Propagandamittel im Sinne des § 86 Abs. 2 StGB sind Inhalte (§ 11 Abs. 3 StGB), die gegen den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation oder gegen die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sind (§ 86 Abs. 3 Satz 2 StGB).

Als Tathandlungen sanktioniert § 86 Abs. 1, Abs. 2 StGB zum einen, dass die Propagandamittel im Inland verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; beide Varianten verlangen subjektiv wenigstens bedingten Vorsatz. Zum anderen wird bestraft, wer die Propagandamittel herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. Hierbei muss der Täter neben dem Vorsatz noch eine Verbreitungsabsicht (dolus directus ersten Grades) aufweisen.[130]

§ 86 Abs. 4 StGB normiert einen Tatbestandsausschluss („gelten nicht“),[131] wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. Bei geringer Schuld erlaubt § 86 Abs. 5 StGB dem Gericht ein Absehen von der Bestrafung. Es gilt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.

2.Chatgruppenbezug

a)Propagandamittel als Inhalte (§ 11 Abs. 3 StGB)

Erhebliche Chatgruppenrelevanz entsteht durch die Bezugnahme des § 86 Abs. 3 StGB auf § 11 Abs. 3 StGB, der den Fokus seit seiner Änderung durch das 60. StGBÄndG[132] nicht mehr auf den Begriff der „Schrift“, sondern den des „Inhalts“ legt. „Die Verbreitung strafbarer Inhalte“, erklärt der Gesetzgeber, „erfolgt nicht mehr vorrangig über papierene Trägermedien, sondern digital über moderne Informations- und Kommunikationstechnik, insbesondere über das Internet […].“ Es sollen „alle technischen Methoden der Informationsübertragung erfasst und […] eine von technischen Entwicklungen möglichst unabhängige Regelung geschaffen werden […]“.[133]

Folge dessen ist, dass die in Chatgruppen zu beobachtenden Postings allesamt dem § 11 Abs. 3 StGB zuzuordnen sind. Eine genauere Unterscheidung orientiert sich daran, ob der Inhalt verkörpert wird und ob es für seine Wahrnehmbarkeit eines Hilfsmittels bedarf.[134] Dem folgend sind die geläufigen Inhaltsträger – Chatgruppen-Nachrichten mit eigenen oder einkopierten Texten, eingestellte oder weitergeleitete Word- und PDF-Dokumente (etwa Flugblätter), Zeichnungen, Fotos (ggf. mit Kurztexten, sog. Memes) und Videos – „in einem Datenspeicher enthaltene Inhalte“ und keine „Schriften“[135] oder „Abbildungen“.[136] Denn für ihre Wahrnehmbarkeit ist ein Mobiltelefon/PC mit Umsetzungssoftware und Bildschirm als Hilfsmittel notwendig. Audiodateien fallen auch unter die genannte Kategorie (und sind keine „Tonträger“), weil die Audiodatei selber nicht die Verkörperung der Musik oder der Sprache darstellt, sondern Inhalt des