Chill mal kurz, ich werd' nur schnell erwachsen - Katrin Kroll - E-Book

Chill mal kurz, ich werd' nur schnell erwachsen E-Book

Katrin Kroll

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Beschreibung

Ein idealer Wegbegleiter für Eltern mit vielen praktischen Beispielen! "Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen schwierig zu werden" - Diesen oder einen ähnlichen Satz hat fast jeder schon einmal gehört und viele Eltern fürchten die Zeit, in der ihre Kinder in die Pubertät kommen. Mit ihrem Buch zeigt Katrin Kroll, dass diese Zeit gar nicht so sehr zum Fürchten ist, sondern gut gemeistert werden kann. Professionell und gleichzeitig humorvoll beleuchtet sie verschiedene Themen wie z.B. Identitätsfindung, Sexualität, Medienkonsum, Freundschaften, Schule, Gott, Glaube etc.

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KATRIN KROLL

CHILLMALKURZ,

ICH WERD’ NUR SCHNELL ERWACHSEN

EIN ELTERNGUIDE DURCH DIE PUBERTÄT

SCM R. Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7459-6 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5911-1 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2019 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelzitate wurden folgenden Übersetzungen entnommen:

LÜ: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Hfa: Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel

NGÜ: Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft

Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Damaris Müller

Umschlaggestaltung: Christina Custodis, Bundes-Verlag Witten

Autorenfoto: Torsten Kroll

Titelbild: Gettyimages.de, Bild-ID: 948729486, benzoix

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über den Autor

Vorwort

1. »Ich hab’ jetzt Pubertät, Mama« – Was man grundsätzlich über Pubertät wissen sollte

Die nächste Generation: Schon immer eine Herausforderung

Pubertät – Was ist das eigentlich?

Hormone und Gehirnentwicklung – Was im Körper »abgeht«

Kein Kind mehr und noch nicht erwachsen …

Eltern haben auch Pubertät?!

Zwischen allen Stühlen – Anforderungen und Möglichkeiten für alle

2. »Ich wüsste auch gern, wer ich bin, Papa« – Wie wir die Teens in ihrer Identitätsentwicklung unterstützen können

Identität … Wissen, wer man ist?!

Cool sein … Wer will das nicht?

Selbstwahrnehmung – Kann ich spüren, wer ich bin?

Noch cooler als alle anderen! Die Sache mit dem Vergleichen

Wen frage ich? Wem vertraue ich? Was hast du mir schon zu sagen?

3. »Ist doch alles blöd, Mama« – Was Jugendliche erleben und wo wir helfen dürfen

Gefühle: Lebendigkeit und Überflutung

Affektregulation – Wie geht das eigentlich?

Affektregulation II – Der Weg aus der Krise

Gott ist mittendrin

Werte und Impulskontrolle entwickeln

4. »Ich mach’ das, wie ich will, Papa« – Wie Jugendliche sinnvolle Schritte in die Selbstständigkeit gehen

»Du spinnst wohl?« – Die Ziele des anderen nicht (mehr) verstehen

Pläne umsetzen ist nicht immer einfach

Mit Ängsten und Unwägbarkeiten umgehen lernen

Wer hat welche Verantwortung? – Autorität und Selbstständigkeit

5. »Mir ist egal, ob du den magst, Papa« – Wie wichtig Freunde sind und was das für Eltern bedeutet

»Eric hat gesagt …« – Wer auf wen Einfluss nimmt

Veränderte Beziehungen – Was verbindet uns, was trennt uns?

Gute Beziehungen sind immer freiwillig – oder nicht?

So macht man das! Welche Regeln für Beziehung gelten

6. »Ich hab’ das im Griff, Mama« – Wie Jugendliche fit werden, mit Konsum und Sucht umzugehen

»Da hab’ ich Bock drauf« – Wie sich die Bedürfnisse im Jugendalter verändern

Der Frust mit den Grenzen

»Das machen doch alle« – Sozialer Druck und andere Herausforderungen

Wie stärken wir das Einschätzungsvermögen der Teens?

7. »Warte kurz, ich hab’ ’ne App, Papa« – Wie wir gemeinsam mit unseren Teenagern den Umgang mit Medien erlernen

»Ich bin online« – Eine Welt sich verändernder Kontaktmöglichkeiten

Digital natives und digital immigrants – Eine Generationengrenze der besonderen Art

Potenzial und Gestaltungsraum neuer Medien

Genau hinschauen – Gefahren erkennen und ernst nehmen

8. »Das geht dich gar nix an, Mama« – Wie wir unsere Teenager in ihrer Sexualitätsentwicklung gut begleiten können

O Schreck, die Hormone – Eine echte Herausforderung für alle

Wer spricht mit wem? Eine sinnvolle Sprachkultur zu Sexualität finden

Körpergefühl und Co. – Was es für die Entwicklung gesunder Sexualität braucht

Von der Kostbarkeit schwärmen, das Wertvolle schützen

9. »Das macht mich voll aggro, Mama« – Wie Jugendliche Aggression und Gewalt erleben und wo sie Hilfe brauchen

Woher kommt die ganze Wut?

Körperliche und emotionale Ebenen der Aggression

»Da haut’s bei mir die Sicherung raus!« – Impulskontrolle lernen

Gewalt – Wo positionierst du dich?

10. »Ich bin eh voll der Loser, Papa« – Was Jugendlichen Selbstbewusstsein gibt und ihnen Ressourcen eröffnet

Selbstbewertung kann (oder muss?) man lernen

Identitätsarbeit als Prozess

Erfolge und Misserfolge feiern und gemeinsam tragen

11. »Helft mir, Mama und Papa« – Wo wir Jugendlichen in Krisenzeiten klare Hilfe anbieten müssen

Themen und Situationen

12. »Die ist okay, Mama!« – Helfer und Hilfen

Beratungsstellen

Pädagogische Fachleute

Berater und Therapeuten

Jugendamt

Ärzte und Kliniken

Helfernetze

13. »Ich hab’ jetzt Pubertät, Gott« – Was Gott in der nächsten Generation sieht

Mein Bild von Gott

Gottes Bild von mir

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Über die Autorin

KATRIN KROLL ist Erzieherin und hat an der IGNIS Akademie Christliche Psychologie studiert. Sie arbeitet psychotherapeutisch mit Kindern, Jugendlichen und Familien und bildet Seelsorger und Berater im Kinder- und Jugendbereich aus. Als Supervisorin unterstützt sie außerdem Schulen, Kitas und pädagogische Einrichtungen. Sie ist verheiratet und lebt in Jena und Kitzingen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Ich freue mich sehr darüber, dass Sie dieses Buch aufgeschlagen haben. Wie schön, dass es Menschen gibt, die sich Gedanken darüber machen, wie wir junge Menschen unterstützen können – und die sich nicht von jugendlichen Ideen und Verhaltensweisen in die Flucht schlagen lassen ☺.

Aber ich kann mir natürlich auch vorstellen, dass Sie manche Fragen mitbringen oder vielleicht im Stress sind. Für alle diese Situationen ist dieses Buch gedacht.

Ich möchte mich gemeinsam mit Ihnen auf den Weg machen, um über Jugendliche und deren Lebenssituation nachzudenken. Dabei ist es mir ein Anliegen, Ihnen nicht nur sachliche Informationen über die verschiedenen Entwicklungen in der Pubertät zu vermitteln, sondern insbesondere auch hilfreiche Anregungen für den »alltäglichen Wahnsinn« weiterzugeben. Vielleicht gelingt es uns ja außerdem, gemeinsam über die eine oder andere Situation zu schmunzeln.

In meiner psychotherapeutischen Arbeit komme ich mit vielen Familien in Kontakt, und ich staune über die verschiedenen Lebenswege, die Eltern und Jugendliche miteinander gehen. In den persönlichen Gesprächen erleben wir eine Menge interessanter Dinge: Wir lachen viel und weinen manchmal; da gibt es Wut und Eifersucht, Streit um Grenzen und Bedürfnisse und immer wieder wundern wir uns – gelinde gesagt – übereinander.

In alldem habe ich festgestellt, dass es sich lohnt, mit der nächsten Generation in Kontakt zu kommen. Auf diesem gemeinsamen Weg können wir alle viel lernen, und es ist großartig zu bemerken, dass Gott gerade auch in diesen Dingen erlebbar ist.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und immer wieder neue Aha-Erlebnisse: die Erleichterung, in manchen Situationen nicht alleine zu sein; die Ermutigung, neue Ideen auszuprobieren oder einfach dranzubleiben; und die Gelegenheit, auch mal herzlich über die eine oder andere Situation zu lachen …

Ihre Katrin Kroll

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1.

»Ich hab’ jetzt Pubertät, Mama« – Was man grundsätzlich über Pubertät wissen sollte

Die nächste Generation: Schon immer eine Herausforderung

Rumms. Die Tür im oberen Stock fliegt zu und mit donnernden Schritten poltert Christina über die Treppe nach unten.

Angelika hält den Atem an: Sie kann spüren, dass ihre Tochter heute gar keine gute Laune hat. Behutsam stellt sie den Becher mit Tee, den sie ihr zum Frühstück gemacht hat, auf den Tisch.

Christina schiebt den Kopf durch die Küchentür. »Ich geh mal.«

Angelika protestiert: »Bitte iss erst noch was!«

»Tschüss, Mama!«

Christinas vorwurfsvoller und zugleich spöttischer Ton verletzt Angelika in letzter Zeit immer häufiger. Sie lauscht auf die sich entfernenden Schritte ihrer Tochter. Bis vor Kurzem war sie doch noch »ihr kleines Mädchen« und jetzt geraten sie fast jeden Tag aneinander und sprechen kaum noch »normal« miteinander.

Genervt lässt Angelika sich auf einen der Stühle am Tisch sinken, verdreht die Augen und trinkt aus der Teetasse ihrer Tochter. Nie hätte sie gedacht, dass sich das zwischen ihr und Christina in dieser Art entwickeln würde. »Schließlich sind wir doch jetzt im Jahr 2019 und die Dinge liegen nicht mehr so wie zu meiner Teenagerzeit«, denkt sie. »Oder täusche ich mich da?«

So wie Angelika ist es wohl schon so manchem Erwachsenen gegangen: In der Pubertät verändern sich unsere Kinder, und wir sind – gelinde gesagt – herausgefordert, mit dem Wechsel umgehen zu lernen. Verwundert, genervt und oft auch verletzt beobachten wir, wie sich unsere Kinder zu Jugendlichen entwickeln, und diese Zeit fühlt sich für alle Beteiligten neu und ungewohnt an.

Das ist allerdings keine Frage der Gesellschaft oder der Zeit, in der wir leben. Dem griechischen Philosophen Sokrates (469–399 v. Chr.) werden Sätze zugeschrieben, die dessen Verwunderung darüber Ausdruck geben, was eigentlich mit den jungen Leuten los ist:

Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

Zwar ist nicht eindeutig erwiesen, ob dieses Zitat wirklich von Sokrates stammt. Aber es war zweifellos auch schon vor 2400 Jahren für die Erwachsenen ziemlich unverständlich, wie es überhaupt sein kann, dass die Teenager sich so verhalten, wie sie es tun. Da hilft es auch nicht viel, dass wir uns vielleicht noch dunkel erinnern können, dass wir uns selbst während dieser Periode gegen die Regeln unserer Eltern aufgelehnt haben.

Eigentlich ist es aber irgendwie nachvollziehbar: Die neue Generation versucht, sich von der älteren zu lösen und herauszufinden, wie sie ihr Leben gestalten will. Dabei fehlen den jungen Leuten allerdings noch klare Konzepte (was sie natürlich niemals zugeben würden). Oft ist es eher ein grundsätzliches Aufbegehren gegen die elterliche Macht als der konkrete Wunsch, einen eigenen Plan durchzusetzen.

Dazu kommt, dass die Jugendlichen nicht durchgängig aggressiv und ablehnend sind, sondern vielmehr von einem Tag zum anderen – und manchmal sogar von einer Stunde zur anderen – von Nähe zu Distanz und von Freundlichkeit zu offener Feindlichkeit wechseln können.

Im Folgenden wollen wir zunächst einmal der Frage nachgehen, warum diese Phase so schwierig ist und um welche Zeiträume genau es sich handelt.

Pubertät – Was ist das eigentlich?

Wenn Eltern rückwärtsblicken, können sie manchmal gar nicht genau sagen, wann »das« begonnen hat. Wir begegnen ganz verschiedenen Ereignissen, die sich im Übergang von Kindheit zum Erwachsensein abspielen, und benutzen ganz unterschiedliche Begriffe, um diese Beobachtungen zu beschreiben.

Zum Beispiel verwenden wir das Wort Pubertät, das von dem lateinischen Wort pubertas (Geschlechtsreife) abgeleitet wird und damit zunächst auf einen Zeitraum zielt, in dem sich die Geschlechtsmerkmale verändern.

Ab ca. dem 10. Lebensjahr findet ein körperlicher Umbau statt: Die Körperformen verändern sich, plötzlich wachsen Haare unter den Achseln und im Genitalbereich und die äußeren Genitalien finden neue Formen.

Dieser äußere Prozess ist damit verbunden, dass bei den Mädchen die Regelblutung einsetzt (man nennt diesen Beginn Menarche) und es bei den Jungs zu nächtlichen Samenergüssen kommen kann.

Wenn wir das so beschreiben, ist es leicht nachvollziehbar, dass alle diese Neuerungen vor allem für die Jugendlichen selbst sehr verwirrend sind. Das Körpergefühl muss diese »krass ekligen« (Originalzitat Simon, 12 Jahre) Veränderungen erst integrieren und so fühlen sich die Jugendlichen zunächst ungelenk, hässlich und fremd in ihrem »neuen Körper«.

Neben dem Wort Pubertät werden noch verschiedene andere Begrifflichkeiten verwendet, die weitere Aspekte dieser Zeit transportieren:

• Adoleszenz: von lateinisch adolescere (heranwachsen). Hier wird der Fokus auf die Entwicklung zum Erwachsenen gelegt. Die angegebenen Zeiträume differieren bei verschiedenen Autoren, umschließen aber meist ca. das zehnte bis vierundzwanzigste Lebensjahr.

• Teenagerzeit: Der Begriff bezieht sich auf die englische Zählweise und rechnet zu den Teenagern alle Jugendlichen ab 13 (thirteen).

• Jugend: Bezeichnung für eine begrenzte Zeit zwischen der Kindheit und dem Erwachsensein, die im Allgemeinen auf das Alter zwischen dreizehn und achtzehn festgelegt wird. An diesem Begriff orientiert sich auch das deutsche Strafrecht bei der Prüfung, ob eine Straffähigkeit vorliegt.

Es wird deutlich, dass wir sehr unterschiedliche Bezeichnungen verwenden und mit jedem Begriff nur einen Teil der Entwicklung fassen können.

Eigentlich ist es sogar witzig, dass sich in diesen unterschiedlichen Definitionen die Verwirrung spiegelt, die diese Zeit auslöst: Da ist ein junger Mensch in einem Wandel begriffen, und von außen ist vor allem wahrnehmbar, dass der Übergang fließend vonstattengeht. Wir haben nicht schlagartig einen Erwachsenen vor uns, sondern erleben jeden Tag, wie die Persönlichkeit eines Jugendlichen zwischen Aspekten des Erwachsenseins und der Kindheit hin und her wechselt.

Die Teenager wollen weiter liebevoll umsorgt werden wie ein kleines Kind, suchen aber gleichzeitig (manchmal lautstark und zickig) Unabhängigkeit. Sie fühlen sich verunsichert und ungeschickt, können aber elterlichen Rat auch nicht mehr ohne Weiteres annehmen.

Leider gibt es kein Display, an dem man ablesen kann, was gerade angebracht wäre. Und leider wissen die Jugendlichen auch oft selbst nicht, was sie brauchen oder wollen.

Deshalb fordert diese Zeit, die sich im Großen und Ganzen zwischen dem zehnten und dem zwanzigsten Lebensjahr abspielt, von allen Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität, Barmherzigkeit, Geduld und immer wieder auch Humor.

Das Wort Pubertät legt ja schon nahe, dass es sich dabei nicht nur um psychosoziale Entwicklungen handelt, sondern auch um eine Vielzahl an körperlichen Funktionen und Neuerungen. Nähern wir uns doch einmal vorsichtig diesem Geschehen an …

Hormone und Gehirnentwicklung – Was im Körper »abgeht«

Thomas und sein Sohn David sitzen beim Abendessen. Anne macht sich in der Küche noch einen Tee. Sie hört »ihre beiden Männer« über den gemeinsamen Lieblingsfußballverein sprechen und lächelt in sich hinein. Offensichtlich sind sie einer Meinung über den neuen Trainer, und es belustigt Anne, wie sehr sie sich über diese Sache gemeinsam aufregen können.

Vorsichtig nimmt sie die heiße Teekanne und geht zum Tisch.

Als sie dort ankommt, sind die Gesichter jedoch verschlossen und Schweigen ist eingekehrt. Sie stellt die Kanne ab und will schon fragen, was los ist, da springt ihr Sohn David auf.

»Bei dir gilt immer nur, was du denkst. Das ist voll ätzend!«, wirft er seinem Vater vor. Er steht am Tisch und macht große Handbewegungen, während er sich noch weiter in Rage redet.

Als ihm die Puste ausgeht, zögert er einen Moment – er weiß offensichtlich nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Doch dann dreht er sich um, rennt aus dem Raum und knallt die Tür hinter sich zu.

Thomas und Anne schauen sich an.

So ähnlich spielt sich vieles während der Pubertät ab: Aus scheinbar heiterem Himmel ändert sich die Laune und alle Beteiligten sind plötzlich mit den veränderten Gegebenheiten konfrontiert und nicht selten überfordert.

Woran liegt das?

Natürlich müssten wir im oben beschriebenen Fall noch ein bisschen mehr über David und seine Eltern wissen, um wirklich einschätzen zu können, weshalb sich der Streit entwickelt hat. Was wir aber sicher wissen, ist, dass sich im Körper der Jugendlichen einiges tut. (Erschrecken Sie bitte nicht, wenn es jetzt ein bisschen theoretisch wird – wir haben es gleich überstanden!)

Hormonelle Veränderungen

Zum einen schüttet der Hypothalamus (eine zentrale Hirnregion) irgendwann nach dem zehnten Lebensjahr vermehrt das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) im Körper aus. Es wird schon vorher im Körper produziert, aber erst mit Beginn der Pubertät veranlasst das Gehirn eine stark erhöhte Freisetzung.

Dieses Hormon löst in der Hypophyse, einer anderen Gehirnregion, die Bildung weiterer Hormone aus, die die sexuelle Reifung (Ausschüttung von Sexualhormonen, Beginn des Zyklus beim Mädchen, Beginn vermehrter Samenreifung beim Jungen) in Gang setzen.

Das heißt also, dass sich innerhalb kürzester Zeit der Anteil von Hormonen im Blut massiv verändert.

Und jeder Erwachsene weiß: Neben der Auswirkung auf den Zyklus der Frau und die Samenbildung beim Mann haben Hormone großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und Gefühlswelt. Ein wahrer Hormonsturm kann sich in Körper und Psyche ereignen … Kein Wunder also, dass sich mit den schwankenden Hormonen auch die Emotionen bei den Jugendlichen im Tages- und Monatsverlauf stark verändern. Hier passt die Formulierung »von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt« sehr gut.

Die Wechsel kommen unvermutet und zunächst unbeeinflussbar. Vielleicht sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass es für niemanden angenehm ist, wenn die Hormone mit dem Körper und der Gefühlswelt Achterbahn fahren. Leider erreicht die Hormonsekretion erst in der mittleren Adoleszenz (ca. 14–18 Jahre) eine relative Ausgewogenheit.

Der zweite große Einflussfaktor in der Pubertät ist …

Die Gehirnentwicklung

Die Neuroforschung hat in den letzten Jahren erstaunliche Ergebnisse erzielt. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Gehirnentwicklung in den ersten zehn Jahren eher quantitativ passiert: Durch Lernen und Erleben werden im Gehirn immer neue Verknüpfungen hergestellt. Die Masse vergrößert sich durch zunehmende Lernprozesse und Erfahrungen – auch wenn so mancher Konflikt mit unseren Kindern uns das schnell vergessen lässt.

Ab dem zehnten Lebensjahr (dieser Zeitpunkt ist natürlich kein genauer, sondern markiert einen fließenden Übergang) verändert sich die Entwicklungsart. Es kommen nicht nur neue Verknüpfungen hinzu, sondern die bestehenden werden auch überprüft, neu vernetzt und im Einzelfall sogar wieder abgebaut (!). Das erzeugt keinen Verlust von Intelligenz, sondern dient dazu, eine bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Hirnteilen herzustellen.

Allerdings sind die betroffenen Regionen während des Umbaus logischerweise manchmal nicht voll funktionsfähig. (Was erklärt, dass so mancher Erwachsene in dieser Zeit trotzdem an der Intelligenz des eigenen Nachwuchses zweifelt …) Zudem ist es interessant, dass die Gehirnentwicklung während dieser Periode nicht mehr parallel verläuft (d. h. dass alle Gehirnteile gleichmäßig reifen), sondern vielmehr unterschiedliche Teile unterschiedlich langsam oder schnell vorankommen.

Besonders gut kann man das an den Funktionen des Frontalhirns erklären: In diesem Bereich sind die Fähigkeiten angesiedelt, die wir für Planung und Impulskontrolle entwickeln.

Wenn nun ein Jugendlicher eine bestimmte Idee hat (z. B. dass der Vater sich in Bezug auf Fußball irrt), ist er vielleicht in diesem Moment nicht imstande, sich auch noch einen guten Plan einfallen zu lassen (z. B. wie er dem Vater seinen Irrtum in Ruhe erklären kann). Ebenso wenig ist es ihm möglich, auf einen geeigneten Zeitpunkt für eine entsprechende Handlung zu warten (z. B. den Vater nach dem Essen zu bitten, noch mal ausführlicher über Fußball zu sprechen).

Für bestimmte Abläufe ist eine reibungsfreie Funktion unseres Gehirns notwendig. Wenn diese aber im Moment nicht vorhanden ist und dann noch das ausgeschüttete Testosteron Aggressionen erhöht, eskalieren Situationen, ohne dass es weitere Auslöser braucht.

(Wer die Fußball- oder ähnliche Diskussionen schon geführt hat, weiß allerdings, dass es in den meisten Fällen dabei noch nicht mal zwischen Erwachsenen sachlich zugeht ☺.)

Geänderter Biorhythmus

Eine weiterer wichtiger Umstand ist, dass sich der Biorhythmus in der Pubertät verändert. Unsere innere Uhr – also die Zeitpunkte, zu denen wir wach oder schläfrig werden – wird ebenfalls von der Sekretion verschiedener Hormone gesteuert, z. B. von Melatonin.

Im Zuge der Gesamtumstellung des Hormonhaushaltes verändert sich auch der Zeitpunkt der Melatoninausschüttung. Dies hat zur Folge, dass die Jugendlichen abends wesentlich später müde werden, tagsüber aber zunächst insgesamt antriebseingeschränkter oder schläfriger sein können – zumindest, bis der Biorhythmus wieder eine neue Stabilität gefunden hat.

Jeder, der aktuell einen Jugendlichen zu Hause hat, kann davon ein Lied singen: »Chillen«, »Pennen« oder »Abhängen« gehört dann plötzlich zu den Hauptbeschäftigungen eines Menschen, der (gefühlt) erst gestern noch ganz lebendig im Garten gespielt hat.

Alle Mahnungen oder Aufforderungen können ablehnende Grunzlaute oder hitzige Diskussionen heraufbeschwören (wobei für Letzteres dann überraschenderweise doch wieder Antrieb da ist ☺).

Kein Kind mehr und noch nicht erwachsen …

Diese körperlichen Veränderungen fühlen sich für die Jugendlichen selbst beunruhigend an. Auf der einen Seite gleicht ihr Körper plötzlich dem eines Erwachsenen und das T-Shirt mit dem Dinosaurier passt jetzt einfach nicht mehr so richtig dazu. Auf der anderen Seite erleben sie verwirrende Gefühle und auch für sie selbst wahrnehmbare Brüche im Denken. Beides ist für die Entwicklung des Selbstwertgefühls eine echte Herausforderung.

Die Teenies suchen nach Anerkennung und Selbstständigkeit, obwohl sie vieles für sich selbst noch gar nicht geklärt haben. Und wenn wir Erwachsenen – vielleicht sogar unbewusst – diesen Zustand wahrnehmen und schlimmstenfalls sogar ansprechen, bringt die entstehende Scham alle in Aufruhr.

Während dieser Zeit findet auch noch ein anderer, sozialer Prozess statt, bei dem die Jugendlichen sich neu in die soziale Gemeinschaft ihrer Peergroup (Gleichaltrigengruppe) einfinden. Sie müssen neu entscheiden, welche Freundschaften sie jetzt leben und wie sie ihre Freizeit verbringen wollen. Auch auf diesem Gebiet sind sie oft zwischen den Ideen und Bedürfnissen eines Kindes (z. B. Spiel, Neugier, hohe körperliche Aktivität) und neuen Wünschen und Herausforderungen (z. B. Selbstbestimmung, »Chillen«, Unsicherheit im Kontakt mit dem anderen Geschlecht) hin und her gerissen.

Das erzeugt natürlich eine ganze Menge Frustration. Die Jugendlichen merken, dass sie Dinge möchten, die sie noch gar nicht richtig beherrschen. Manche Freundschaften entstehen und andere gehen verloren und das löst große Gefühle wie Sehnsucht, Verliebtsein, Trauer oder Aggression aus. Die Jugendlichen realisieren, dass ihr Verhalten nicht immer gleich ist, und versuchen, sich selbst einen Reim auf diese Geschehnisse zu machen.

Für uns Erwachsene ist es oft atemberaubend, wie schnell Beziehungen entstehen und wieder zerbrechen. Mit Erstaunen und vielleicht auch manchmal Entsetzen beobachten wir, mit wem sich unsere Teenies zusammenschließen und auf welche Weise es dann wieder zum Abschied kommt.

Diese und noch andere Themen sind für die Jugendlichen ein wesentlicher Bestandteil ihres Alltags.

Kein Wunder also, dass sie plötzlich manche Leistungen nicht mehr zeigen, die sie vorher ohne Probleme erbracht haben. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes mit »Wichtigerem« beschäftigt. Auch wenn wir Erwachsenen in der Einschätzung der Prioritäten da oft anderer Meinung sind.

Das heißt natürlich nicht, dass wir Jugendlichen keine Aufgaben stellen oder Grenzen setzen sollten. Aber dazu kommen wir später noch.

Die Spannung wird nicht zuletzt dadurch verschärft, dass während der Pubertät zum ersten Mal die Frage nach gegengeschlechtlichen Beziehungen und Partnerschaft aufkommt. Die damit verbundenen Lebensaufgaben – wie Beziehungsaufbau, der Umgang mit sexuellen Gefühlen und Bedürfnissen, der Umgang mit den Irritationen und Unterschieden zwischen den Geschlechtern (um nur einige zu nennen) – sind für niemanden von uns leicht. Egal, wie alt wir sind.

Aber natürlich ist es umso schwieriger, sich voranzutasten, wenn man ständig Dinge zum ersten Mal tun muss und noch keine Vorstellung davon hat, wie das genau geht (und das gleichzeitig nie zugeben würde).

Wenn ich das so schreibe, erscheint ein Lächeln auf meinem Gesicht, und ich stelle fest, dass die Pubertät für die Jugendlichen wirklich nicht leicht ist. Vielmehr schlagen sie einen Weg ein, auf dem sie noch viel lernen müssen und lernen werden. Dazu gehört auch, Fehler machen zu dürfen und trotzdem zu erleben, dass Beziehungen halten.

Aber genau das ist die große Spannung während der Pubertät: Wer hält es mit mir und meinen Veränderungen und Schwankungen aus? Wer ist mein Freund? Wer liebt mich? Wer versteht mich?

Stressresistente Eltern, coole Freunde, liebevolle erste Partner, die Jugendgruppe und klare, unterstützende Pädagogen übernehmen hier eine wichtige Rolle.

Und ich bemerke auch immer wieder, wie intensiv die Jugendlichen sich mit Gott und seinem Humor, seiner Liebe und Barmherzigkeit auseinandersetzen. An diesem Punkt können wir Erwachsenen sehr wohl auch etwas von den Teenies lernen.

Eltern haben auch Pubertät?!

Beate trägt den Korb mit der schmutzigen Wäsche durch das obere Stockwerk. In Timos Zimmer angekommen, bleibt ihr einen Moment der Atem weg. Warum kann der Junge sich nicht merken, dass er lüften soll?, denkt sie.

Doch auch noch andere Dinge ärgern sie: Das Zimmer sieht aus wie nach einem Hurrikan. Kleidungsstücke liegen verstreut, leere Flaschen und Lebensmittelverpackungen wurden achtlos überall hinterlassen.

Auf einmal erfüllt Beate eine unglaubliche Wut. Warum muss ich mich damit überhaupt beschäftigen? Wie oft habe ich Timo schon gesagt, dass ich sein Zimmer nicht mehr aufräume. Er ist mit seinen 17 Jahren jetzt wirklich alt genug!

Vor lauter Zorn kommen ihr die Tränen. Irgendwas fühlt sich falsch an … und überfordernd.

Nicht nur die Jugendlichen sind während der Pubertät in einem schwierigen Alter – auch für die Eltern findet meist eine Veränderung statt. Die Rollen, die sich während der Kleinkindphase in der Familie oder bei Alleinerziehenden herausbilden, scheinen jetzt plötzlich nicht mehr so richtig zu passen.

Auf der einen Seite möchte man immer noch für sein Kind sorgen und es beschützen, auf der anderen Seite macht der Jugendliche einem das nicht leicht. Und er sollte ja auch schließlich immer selbstständiger werden, oder nicht?

Für die meisten Eltern ist die Pubertät ihrer Kinder auch eine Zeit, in der sie selbst Bilanz ziehen. Sie merken, dass sie immer wieder überlegen, wie es für sie weitergehen soll. Mit der Zeit verändern sich die Aufgaben innerhalb der häuslichen Gemeinschaft und oft auch der berufliche Kontext (z. B. durch einen beruflichen Wiedereinstieg). Auch in der Partnerschaft der Erwachsenen können ganz neue Fragen auftauchen.

Wenn nun unsere eigene Unsicherheit auf einen von der Pubertät bewegten Jugendlichen trifft, kann das eine explosive Mischung bilden. Hier zeigt sich, dass sich nicht nur die Jugendlichen entwickeln müssen und vor Lernaufgaben stehen. Sondern auch wir Erwachsenen treffen in dieser Lebensphase neue Entscheidungen und brauchen dafür sicher hin und wieder Unterstützung.

Zwischen allen Stühlen – Anforderungen und Möglichkeiten für alle

Jeder erlebt die Pubertät auf seine Weise. Jeder Teenie reagiert anders. Jeder Erwachsene findet eigene Wege, damit umzugehen. Das war schon zu allen Zeiten so, wie wir eingangs festgestellt haben. Was jedoch noch hinzukommt, ist die spezielle Herausforderung der jeweiligen Gesellschaft und des Zeitgeistes.

In unserer Zeit betrifft dies ganz unterschiedliche Themen, die wir in den folgenden Kapiteln näher aufgreifen wollen. Hier möchten wir zunächst ein Bild zeichnen, das momentan den Hintergrund der Pubertät bildet.

Unsere Jugendlichen finden sich aktuell in einer gesellschaftlichen Rolle wieder, die es in der menschlichen Geschichte nie zuvor gegeben hat.

Ganz anders als noch vor hundert Jahren müssen die meisten Jugendlichen in unserer westlichen Welt nicht selbst für ihr Auskommen sorgen. Und sie sind in der Regel auch nicht gezwungen (aus wirtschaftlichen, sozialen oder religiösen Gründen), früh zu heiraten.

Daraus ergibt sich ein ganz besonderer Freiraum: Jugendliche haben Zeit zum Lernen, für Selbstverwirklichung, Spaß und Experimente. Im Gegensatz zu allen Generationen zuvor verfügen sie über einen Überschuss an Zeit, der mit einer nie da gewesenen finanziellen Versorgung einhergeht. Das heißt, dass sie sich relativ frei auf ihre Ausbildung konzentrieren und erste Gehversuche in der Gesellschaft machen können, ohne unter dem Druck der wirtschaftlichen Eigenverantwortung zu stehen.

Natürlich klingt das zunächst sehr schön und hat ohne Zweifel Vorteile. Allerdings wird den Jugendlichen oft auch bewusst, dass sie an der Gestaltung der realen Gesellschaft nicht an vielen Stellen wirklich beteiligt sind. Dadurch kann in ihnen ein Gefühl von »Sinnlosigkeit« entstehen, weil sie sich nicht direkt ins Geschehen eingebunden erleben. In Kombination mit der überschießenden hormonellen Emotionalität ergeben sich so zum Beispiel rege Diskussionen über den Sinn von Schularbeiten und Mitarbeit im Haushalt.

Heutzutage haben die Jugendlichen Zugriff auf viele Ressourcen. Eine Vielzahl an Bildungswegen und Ausbildungs- bzw. Fördermöglichkeiten stehen ihnen prinzipiell offen. Das wiederum gibt ihnen die Freiheit, den eigenen Bildungsweg bzw. die eigene Lebensgestaltung selbst zu wählen.

Aber es ist oft auch eine unglaubliche Überforderung mit zehn, vierzehn oder achtzehn Jahren aus zehn, hundert oder tausend Möglichkeiten wählen zu müssen.

Einige Jugendliche reagieren verunsichert auf diese scheinbare Unbegrenztheit. Sie gewinnen den Eindruck, dass es wichtig sei, gleich die richtige Wahl zu treffen, um ihren Lebenslauf lücken- und fehlerlos zu gestalten. Andere fühlen sich veranlasst, alles auszuprobieren, was zur Wahl steht. Sie schaffen es nur mit Mühe oder gar nicht, die vielen Reize und Anregungen in ihren Alltag zu integrieren.

Es wird deutlich, dass die Jugendlichen in der Zwickmühle stecken, einerseits allen Freiraum und alle Möglichkeiten zu haben und andererseits viel Druck zu erleben, erfolgreich sein zu müssen.

Wir, die wir der vorhergehenden Generation angehören, sind dabei auch nicht immer die besten Ratgeber, weil sich die Gegebenheiten seit unserer Jugend so massiv verändert haben. Dazu gehört sicher auch, dass sich die medialen Zugänge und die Menge der verfügbaren Informationen so sehr verändert haben, dass wir »Älteren« uns schon Mühe geben müssen mitzuhalten.

Ich möchte unsere Zeit jedoch nicht allzu schwarzmalen. Es ist großartig, dass unsere Kinder freier aufwachsen und mehr Förderung erhalten! Ich freue mich immer wieder über all die unglaublichen Möglichkeiten, die uns unsere Zeit bietet: Die vorangegangenen Generationen mussten sich diese Möglichkeiten erst mühsam erkämpfen.

Aber ich möchte auch um Verständnis werben. Jugendliche (und ihre Eltern ☺) erleben in der Pubertät die Herausforderung, vielen anstrengenden und komplexen Aufgaben gegenüberzustehen.

Es ist mir ein Herzensanliegen, dass wir uns gegenseitig immer besser verstehen und unterstützen. Und dass wir immer wieder staunend erleben, dass Gott in die Teenager und Eltern aller Zeiten neue Ideen und liebevolle Geduld investiert.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

2.

»Ich wüsste auch gern, wer ich bin, Papa« – Wie wir die Teens in ihrer Identitätsentwicklung unterstützen können

Identität … Wissen, wer man ist?!

Alex (14) sitzt auf dem Sofa in ihrem Zimmer und lackiert ihre Fußnägel abwechselnd lila und türkis.

Eigentlich heißt sie ja Alexandra. Das ärgert sie schon immer: so ein ätzend langweiliger Name. Ihre Lieblingssängerin heißt Ariana. Das klingt mal cool. Aber Alexandra Wiesinger – wer will schon so heißen? Das ist doch total blöd.

Alex fühlt sich so, wie sich ihr Name für sie anhört: langweilig, uninteressant, ein bisschen altmodisch.

Natürlich hat sie im Teeniekreis gehört, dass Gott sie liebt und so … Aber was hilft ihr das, wenn sich kein Mensch für sie interessiert?

Darf man überhaupt so denken? Was Gott wohl wirklich über sie denkt?

Vielleicht findet der mich genauso langweilig wie ich mich selbst.

Als die Teeniekreisleiterin sie letzte Woche gefragt hat, ob sie mit ihr zusammen mal einen Abend vorbereiten will, hat Alex irgendwas von »Muss noch lernen« gefaselt. Wie krass doof! Dabei hatte sie sich das schon lange gewünscht: Mal auch was Cooles machen. Und dann, wenn Lisa sie fragt, kneift sie. Ich bin nicht nur langweilig, ich bin auch noch feige.

Jetzt steigen Alex Tränen in die Augen. Auch das noch. Wo sie doch schon das Make-up für den Teeniekreis fertig hat. Mühsam drückt sie die Tränen weg und holt lieber ihr Handy. Sie will nachschauen, was auf WhatsApp grad so passiert und ob ihr jemand geschrieben hat.

Haben Sie beim Lesen dieser Szene ein bisschen geschmunzelt? Vielleicht kennen Sie diese Zustände bei Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn: Sie sind auf der Suche danach, wie sie sein wollen oder sollen, und das ist nicht immer einfach. Die Erforschung der eigenen Identität ist meist mit wechselnden Emotionen und unterschiedlichen Selbstwertempfindungen verbunden.

Manchmal schauen wir den Teenies dabei zu, ohne so leicht einen Zugang zu den Themen ihrer »Identitätsarbeit« zu finden. Da geht es um Freunde und Freizeitaktivitäten, um Idole und die Verbundenheit in sozialen Medien. Wenn wir jedoch ehrlich sind, merken wir, dass sich zwar die genauen Inhalte unterscheiden, die zugrunde liegenden Fragen aber auch in unserem »erwachsenen« Leben immer noch dieselben sind.

Identität ist kein abstrakter Zustand. Vielmehr ist es so, dass Menschen ihre Selbstwahrnehmung im Laufe ihres Lebens immer wieder an den gleichen Themen festmachen: Was kann ich? Was interessiert mich? Mit wem verbringe ich gerne Zeit? Wer ist mir Vorbild? Was treibt mich an? Was sind meine Ziele? Wie sieht mich Gott?

Es kann sogar ein bisschen witzig sein, wenn wir uns dabei erwischen, dass wir die gleichen Fragen haben wie unsere Teenies – nur eben in einer anderen »Verpackung«.

In meinen Gesprächen mit Jugendlichen wird mir immer wieder bewusst, dass das eigentlich eine gute Sache ist: Auch wir Erwachsenen müssen diese Arbeit immer wieder von Neuem leisten.

Denn es ist eben nicht so, dass Identität zu einem Punkt X fertig vom Himmel fällt. Sondern wir erleben, dass Gott mit uns einen individuellen Lebensweg geht, auf dem wir entdecken dürfen, welche Möglichkeiten und Schätze, aber auch welche Begrenzungen und Lernaufträge er in uns hineingelegt hat.

Im Gespräch mit Alex habe ich zugegeben, dass ich auch schon Aufträgen, vor denen ich Angst hatte, mit einer gemurmelten Ausrede aus dem Weg gegangen bin. Da stimmte sie ein – teils höhnisches, teils erleichtertes – Gelächter an. Das war für mich ein wenig … peinlich. Aber es hat unser Gespräch erleichtert.

Ich konnte sie dafür gewinnen, dass es ganz normal ist, in mancher Hinsicht unsicher zu sein. Und dass es sinnvoll ist zu überlegen, was man will und was nicht. Und dass wir uns gemeinsam auf den Weg begeben können, um herauszufinden, wer wir sind und wie Gott sich uns gedacht hat.

Elternguide

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