Chronische körperliche Erkrankungen - Gitta Reuner - E-Book

Chronische körperliche Erkrankungen E-Book

Gitta Reuner

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Beschreibung

Chronische körperliche Erkrankungen, wie z.B. Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, Epilepsie, Migräne, Morbus Crohn, Mukoviszidose oder Rheuma, betreffen eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen. Viele von ihnen entwickeln von selbst die Kraft, um mit den zusätzlichen Herausforderungen und Belastungen zu leben, andere benötigen Unterstützung. Chronische körperliche Erkrankung können u.a. durch das Erleben von Kontrollverlust, durch Ängste oder durch die Einschränkung sozialer Kontakte erhebliche Auswirkungen auf das psychische Befinden haben. In manchen Fällen kann eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie angebracht sein, um notwendige Anpassungsprozesse zu unterstützen. Der Leitfaden fasst den Stand der Forschung zu wichtigen Aspekten bei chronischen körperlichen Erkrankungen zusammen. Er gibt für die Psychotherapie relevante Informationen zu einer breiten Auswahl chronischer Erkrankungen. Kernstück des Leitfadens sind Leitlinien zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen, zur Verlaufskontrolle, Behandlungsplanung und zur Transition in die Erwachsenenmedizin. Weiterhin wird ein Überblick über diagnostische Verfahren und Interventionsprogramme gegeben und auf die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit eingegangen. Zahlreiche Materialien, die in der Behandlung eingesetzt werden können, werden zur Verfügung gestellt. Unterschiedliche Fallbeispiele illustrieren die Umsetzung der Leitlinien in den therapeutischen Praxisalltag. Ziel des Leitfadens ist es, die psychotherapeutische Versorgung von chronisch körperlich kranken Kindern und Jugendliche zu verbessern und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in ihrer Arbeit zu unterstützen.

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Gitta Reuner

Melanie Gräßer

Chronische körperliche Erkrankungen

Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie

Band 33

Chronische körperliche Erkrankungen

Prof. Dr. Gitta Reuner, Dipl.-Psych. Melanie Gräßer

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Manfred Döpfner, Prof. Dr. Charlotte Hanisch, Prof. Dr. Nina Heinrichs, Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann, Prof. Dr. Paul Plener

Die Reihe wurde begründet von:

Manfred Döpfner, Gerd Lehmkuhl, Franz Petermann

Prof. Dr. Gitta Reuner, geb. 1968. Seit 1997 psychologische Tätigkeit in der Sozialpädiatrie. Seit 2018 Außerplanmäßige Professorin am Institut für Bildungswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg sowie niedergelassen in eigener Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (Verhaltenstherapie und Neuropsychologie) in Heidelberg.

Dipl.-Psych. Melanie Gräßer, geb. 1971. Seit 2003 psychologische Tätigkeit in der Pädiatrie. Seit 2013 als Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis für Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenenpsychotherapie in Lippstadt niedergelassen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3143-7; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3143-8)

ISBN 978-3-8017-3143-4

https://doi.org/10.1026/03143-000

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|1|Einleitung: Grundlagen und Aufbau des Buches

„Unter Gesundheit verstehe ich nicht Freisein von Beeinträchtigungen, sondern die Kraft, mit ihnen zu leben.“

J. W. von Goethe

Chronische körperliche Erkrankungen betreffen eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen. Viele von ihnen entwickeln von selbst die Kraft, um mit den zusätzlichen Herausforderungen zu leben. Andere benötigen Hilfen. In manchen Fällen ist eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie angebracht, um den Anpassungsprozess zu unterstützen.

Trotz der Häufigkeit chronischer körperlicher Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen werden die besonderen Herausforderungen weder in der Psychotherapieausbildung noch in der Weiterbildung besonders betont, die Fachliteratur für die klinische Praxis der Psychotherapie ist überschaubar.

Dieser Leitfaden soll die psychotherapeutische Versorgung dieser Gruppe an Patient:innen verbessern und klinisch tätige Psychotherapeut:innen in ihrer Arbeit unterstützen.

Der Leitfaden unterteilt sich in insgesamt fünf Kapitel:

1 Im ersten Kapitel des Buches wird der Stand der Forschung zu wichtigen Aspekten bei chronischen körperlichen Erkrankungen zusammengefasst. Außerdem werden kurzgefasste, für die Psychotherapie relevante Informationen zu einer breiten Auswahl chronischer Erkrankungen gegeben.

2 Im zweiten Kapitel, dem Kernstück des Leitfadens, sind Leitlinien zu den Bereichen Diagnostik, Verlaufskontrolle, Behandlungsplanung, Therapie und Transition in die Erwachsenenmedizin formuliert.

3 Im dritten Kapitel werden diagnostische Verfahren und Interventionsprogramme zusammengestellt.

4 Das vierte Kapitel enthält Materialien für den Praxisalltag.

5 Das fünfte Kapitel illustriert die Umsetzung der Leitlinien in den therapeutischen Praxisalltag anhand von Fallbeispielen.

Der Band wird durch den Ratgeber Chronische körperliche Erkrankungen ergänzt (Gräßer & Reuner, 2023). Der Ratgeber enthält hilfreiche Informationen für Eltern, Erzieher:innen, Lehrkräfte und weitere Bezugspersonen. Er stellt Unterstützungs- und Therapiemöglichkeiten vor, gibt Hinweise zur Selbsthilfe und enthält Anregungen und Materialien für den Alltag.

Heidelberg und Lippstadt, Sommer 2023

Gitta Reuner und

Melanie Gräßer

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Grundlagen und Aufbau des Buches

1  Stand der Forschung

1.1  Definitionen und Prävalenzen chronischer körperlicher Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

1.2  Besonderheiten bei ausgewählten chronischen körperlichen Erkrankungen

1.2.1  Angeborene Herzfehler

1.2.2  Asthma bronchiale

1.2.3  Cystische Fibrose (Mukoviszidose)

1.2.4  Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)

1.2.5  Diabetes mellitus Typ 1

1.2.6  Epilepsie

1.2.7  Migräne und Spannungskopfschmerz

1.2.8  Neurodermitis

1.2.9  Tumore des zentralen Nervensystems (ZNS-Tumore)

1.2.10  Rheuma bei Kindern – Juvenile idiopathische Arthritis (JIA)

1.2.11  Seltene Erkrankungen

1.2.12  Exkurs: Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS)

1.3  Chronische körperliche Krankheit und psychische Störung – Multimorbidität

1.3.1  Gesundheitsbezogene Lebensqualität

1.3.2  Exkurs: Nutzung von komplementären/alternativen medizinischen Maßnahmen (CAM) bei chronischer körperlicher Krankheit

1.3.3  Altersbezogene Aspekte

1.3.4  Transition: Übergang in die Erwachsenenmedizin

1.4  Psychische Anpassung an chronische körperliche Krankheit

1.4.1  Das biopsychosoziale Modell

1.4.2  Coping

1.4.3  Non-Compliance/Non-Adhärenz mit der Behandlung der chronischen körperlichen Krankheit

1.4.4  Chronische körperliche Krankheit und traumatischer Stress

1.4.5  Exkurs: Pädiatrisches Delir

1.4.6  Systemische Aspekte bei chronischer körperlicher Erkrankung

1.4.7  Exkurs: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Kinder und Jugendliche mit chronischer körperlicher Krankheit

1.5  Interventionen

2  Leitlinien

2.1  Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle

2.2  Exploration bei Vorliegen einer chronischen körperlichen Krankheit

2.2.1  Gestaltung des Erstkontaktes

2.2.2  Exploration der Kinder/Jugendlichen und der Eltern/Bezugspersonen

2.2.3  Exploration der allgemeinen Verhaltensentwicklung, der krankheitsspezifischen Entwicklung, des Krankheitskonzeptes und der Krankheitsanpassung

2.2.4  Exploration von krankheitsbedingtem traumatischem Stress und anderer Traumata

2.2.5  Exploration von krankheitsbedingten/-spezifischen Einschränkungen, Krankheitsmanagement sowie sozialrechtlichen Belangen

2.2.6  Exploration von Ressourcen und der Lebensqualität

2.2.7  Exploration der Erzieher:innen, Lehrkräfte und anderer wichtiger Bezugspersonen

2.2.8  Exploration der mitbehandelnden Ärzt:innen

2.3  Besonderheiten in der Diagnostik

2.3.1  Besonderheiten bei der Anwendung psychometrischer Verfahren

2.3.2  Besonderheiten bei der multiaxialen Diagnose nach ICD-10 (MAS)

2.4  Integration der diagnostischen Befunde in die Bedingungsanalyse, die Definition von Behandlungszielen und die Therapieplanung

2.5  Verlaufskontrolle und Qualitätssicherung

2.6  Leitlinien zur Behandlungsindikation und Behandlungsplanung

2.7  Leitlinien zur Therapie

2.7.1  Besonderheiten in der Gestaltung der Rahmenbedingungen

2.7.2  Besonderheiten in der Therapieplanung

2.7.3  Besonderheiten in der Psychoedukation

2.7.4  Allgemeine und spezifische Coping-Strategien

2.7.5  Compliance und Non-Compliance

2.7.6  Akzeptanz und Selbstwert

2.7.7  Krankheitsbedingte Sonderrolle und Stigmatisierung

2.7.8  Wut, Trauer und Abschied

2.7.9  Besonderheiten bei der Transition in die Erwachsenenbehandlung

3  Verfahren zur Diagnostik und Therapie

3.1  Verfahren zu Diagnostik und Verlaufskontrolle

3.2  Verfahren zur Therapie

3.2.1  Psychoedukation

3.2.2  Schulische Aspekte

3.2.3  Kreative Ansätze in der Arbeit mit chronisch körperlich kranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

3.2.4  Einsatz digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) und Apps

3.2.5  Einsatz von Videospielen und Serious Games

3.2.6  Biofeedback

3.2.7  Online-Interventionen und videogestützte Psychotherapie

3.2.8  Ambulante Einzeltherapie mit chronisch körperlich kranken Kindern und Jugendlichen

3.2.9  Gruppentherapie mit chronisch körperlich kranken Kindern und Jugendlichen

4  Materialien

M01 Steckbrief zu meiner Krankheit

M02 Geschwister-Steckbrief: Meine Familie und ich

M03 10 Dinge, die du über meine Krankheit wissen solltest

M04 10 Dinge, die ich über die Krankheit meiner Schülerin bzw. meines Schülers wissen möchte

M05 Fragebogen zu Verantwortlichkeiten für das Krankheitsmanagement – Eltern-/Bezugspersonenversion

M06 Fragebogen zu Verantwortlichkeiten für das Krankheitsmanagement – Patient:innenversion

M07 Checkliste zur Verantwortungsübertragung (angelehnt an Noeker & Petermann, 2000)

M08 Leitfaden für eine günstige Gesprächsführung bei Non-Compliance Noeker & Petermann, 2000

M09 Vertrag zur Zusammenarbeit in der Familie

M10 Stundenbeurteilungsbogen

M10 Stundenbeurteilungsbogen – Beispiel einer 13-jährigen Patientin mit JIA, möglicher Schmerzverstärkung und beginnender depressiver Symptomatik

M11 Checkliste zur Erhebung sozialrechtlicher Aspekte

M12 Glossar zu sozialrechtlichen Aspekten bei chronischer körperlicher Krankheit

M13 Selbsthilfeangebote, Fachverbände und Elternverbände

M14 Literaturempfehlungen – Bilder- und Kinderbücher sowie Ratgeber

5  Fallbeispiele

5.1  Melia: 12-jähriges Mädchen mit Morbus Crohn und Anpassungsstörung

5.2  Mohammed: 4-jähriger Junge mit einem angeborenen Herzfehler

5.3  Tamara: 3-jähriges Mädchen mit sehr starkem Asthma bronchiale

5.4  Steven: 7-jähriger Junge mit Mukoviszidose und sehr geringer Behandlungscompliance

5.5  Luana: 10-jähriges Mädchen mit Colitis ulcerosa

5.6  Joanna: 17-jähriges Mädchen mit Diabetes mellitus Typ I und Spritzenphobie

5.7  Kerstin: 9-jähriges Mädchen mit neu diagnostizierter Epilepsie

5.8  Sabine: 16-jähriges Mädchen mit Migräne und Spannungskopfschmerzen

5.9  Samuel: 15-jähriger Junge mit Neurodermitis

5.10  Yvonne: 11-jähriges Mädchen mit einem Hirntumor

5.11  Ben: 18-jähriger Junge mit rheumatischer Erkrankung

5.12  Serkan: 14-jähriger Junge, Gliedergürtelmuskeldystrophie, sehr seltene Erkrankung

5.13  Carlo: 8-jähriger Junge, mit zunächst unklarer Bewegungsstörung

5.14  Cedrik: 5-jähriger Junge mit Multimorbidität

5.15  Therapiegruppe mit fünf Mädchen mit unterschiedlichen chronischen körperlichen und psychischen Erkrankungen

6  Literatur

|7|1  Stand der Forschung

1.1  Definitionen und Prävalenzen chronischer körperlicher Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Als chronische körperliche Krankheiten werden Krankheiten bezeichnet, die von langer Dauer sind (d. h. einige Monate bis zu lebenslang), die ihre Ursache in Störungen bzw. Schädigungen körperlicher Prozesse oder Strukturen haben und die Einschränkungen altersgerechter Aktivitäten zur Folge haben können. Diese breite Definition findet allgemeine Zustimmung. Allerdings muss gleich zu Beginn festgestellt werden, dass mit Blick auf die Dauer, die Ursache und die Folgebelastungen nicht eindeutig definiert ist, wann von einer „chronischen Krankheit“ auszugehen ist. Auch wenn die Abgrenzung von akuten Krankheiten intuitiv einfach erscheint, liegt keine Übereinstimmung bezüglich des Zeitraums vor, ab dem eine Krankheit als „chronisch“ bezeichnet wird, vielmehr variieren die Angaben zwischen 3 und 12 Monaten (Lohaus & Heinrichs, 2013; Warschburger, 2000). Bei einigen Krankheiten ist ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung klar, dass sie lebenslang vorliegen werden, sodass sie von diesem Zeitpunkt an als „chronisch“ bezeichnet werden können (z. B. Diabetes mellitus Typ I). Bei anderen Krankheitsbildern, die sich erstmals in Kindheit oder Jugend manifestieren, kann es längere symptomfreie Phasen geben, in denen die Krankheit nicht wahrnehmbar erscheint (z. B. Asthma bronchiale, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Epilepsien oder rheumatische Erkrankungen). Dennoch liegt das Krankheitsbild dauerhaft vor. Für die Gruppe der Epilepsien wurden Kriterien formuliert, die erfüllt sein müssen, damit von einer „Heilung“ bzw. „Auflösung“ der chronischen Erkrankung gesprochen werden kann (Fisher et al., 2014).

Chronische körperliche Krankheiten können sämtliche Systeme des Körpers betreffen, auch das zentrale Nervensystem (ZNS). Die Klassifikation erfolgt anhand des Internationalen Klassifikationssystems der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der International Classification of Diseases in der aktuell zehnten Fassung (ICD-10) im Hinblick auf das betroffene System (WHO, 2004). Dabei ist die Grenze zwischen chronischen körperlichen und psychischen Störungen in manchen Fällen nicht eindeutig zu bestimmen. So werden z. B. bei der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beide Aspekte in die Definition integriert. Auch bei chronischen Tic-Störungen oder bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen ist eine ausschließliche Zuordnung der Ätiologie bzw. der Symptomatik als „somatisch“ oder „psychisch“ nicht möglich.

Um das Zusammenspiel von Körperfunktionen und Aktivitäten der Betroffenen im Hinblick auf die Teilhabe abzubilden, wird das Klassifikationssystem International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) verwendet (WHO, 2001). In der ICF wird die funktionale Gesundheit immer auch mit Bezug zum Lebenshintergrund einer Person definiert und über die Trias der Körperstrukturen und -funktionen, zu denen auch die psychischen Funktionen und geistigen Fähigkeiten gehören, der Aktivitäten, die jemand ausüben kann, und der Teilhabe,|8|also der Art und des Umfangs, wie eine Person in allen Lebensbereichen ihr Dasein entfalten kann, definiert. Jede Beeinträchtigung der Funktionen, Aktivitäten oder Teilhabe stellt somit eine Behinderung dar. Das biopsychosoziale Modell der ICF soll interdisziplinär Hilfestellung geben, um Beeinträchtigungen zu beschreiben und zu verstehen und Teilhabeprozesse zu gestalten (vgl. Abbildung 1). Im Gegensatz zum klassifizierenden Ansatz der ICD stellt die ICF also ein dimensionales Instrument dar, welches die Wechselwirkungen unterschiedlicher Faktoren in Beziehung setzt.

Abbildung 1:  Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF (WHO, 2001)

Bei manchen Menschen liegt im Kontext der chronischen körperlichen Krankheit zudem eine Behinderung nach der Definition im SGB IX § 2 vor, nämlich wenn sie „körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate behindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.“ (Sozialgesetzbuch (SGB) IX, § 2 Begriffsbestimmungen).

Die aus einer chronischen körperlichen Krankheit resultierenden Folgebelastungen von Funktionen und Aktivitäten sind heterogen (vgl. Tabelle 1). Hinzu kommen häufigere Stigmatisierungserfahrungen, Einschränkungen sozialer Kontakte oder eine altersuntypische Lebensplanung bei eingeschränkter Zukunftsperspektive (Schmidt & Thyen, 2008). Es ist somit naheliegend, dass auch chronische Krankheiten, die sich vorwiegend in somatischen Aspekten manifestieren, deutliche Auswirkungen auf die psychische Befindlichkeit haben und Anpassungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen durch Ängste, Erleben von Kontrollverlust oder durch Konflikte zwischen Entwicklungsaufgaben und Krankheitserfordernissen erschwert werden können.

Tabelle 1:  Mögliche Einschränkungen und Folgebelastungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen

|9|Einschränkungen von alterstypischen Funktionen, Aktivitäten oder Rollen

Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit

Einschränkungen der Beweglichkeit

Schmerzerfahrungen

Beeinträchtigungen durch Medikamentennebenwirkungen

Einschränkungen der Konzentration bzw. kognitiven Belastbarkeit

Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit

Einschränkungen in der Lebensführung oder Freizeitgestaltung (z. B. Klassenfahrten/Ausflüge, Reisen/Auslandsaufenthalte, Partnerschaften/Sexualität, Kinderwunsch)

Strukturierung des Tagesablaufs durch erforderliche notwendige Ruhephasen, Durchführung notwendiger medizinischer Maßnahmen (z. B. Durchführung von Inhalation), Arztbesuche usw.

Erhöhte Anzahl von Schulfehltagen

Einschränkungen möglicher Hobbys

Einschränkungen in der Ausbildung/Studium/Berufswahl

Abhängigkeit von kompensatorischen Maßnahmen, medizinischen Hilfsmitteln

Medikamenteneinnahme

Einhalten einer Diät

Applikation von Spritzen, Pens usw.

Applikation von Cremes, Verbänden usw.

Künstlicher Darmausgang, Urinbeutel usw.

Durchführung von Inhalation

Tragen eines Epilepsiehelms, Korsetts usw.

Regelmäßige Überwachung bestimmter Körperfunktionen/Werte (z. B. Blutzucker, Blutdruck usw.)

Nutzen von technischen Hilfsmitteln (z. B. Insulinpumpe, Eventrecorder usw.)

Nutzen von Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl, Gehilfen, Einlagen, Bandagen, Orthesen)

Arztkontakte

Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte

Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie usw.

Behandlung: Die Behandlung findet je nach betroffenem Organsystem durch medizinische spezialisierte Einrichtungen statt. Für nahezu alle chronischen körperlichen Krankheiten gilt, dass die Fortschritte im Krankheitsverständnis zu einer Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten führen. Dazu zählen z. B. genspezifische Therapien (z. B. Onkologie) und Anpassung der Pharmaka an die zugrunde liegenden Pathologien (z. B. neue Antiepileptika). Zudem werden im Verlauf immer mehr Wirkstoffe auch für Kinder und Jugendliche zur Behandlung zugelassen, die bisher nur in der Behandlung von Erwachsenen eingesetzt werden konnten (z. B. Januskinase-Inhibitoren).

Epidemiologie: Chronische körperliche Krankheiten betreffen Kinder und Jugendliche in erheblichem Ausmaß. Einige Autor:innen bezeichnen etwa 15 % aller Schulkinder als chronisch krank (Pinquart, 2013b), Warschburger (2009) geht sogar davon aus, dass ca. 23 % aller Kinder und Jugendlichen von mindestens einer chro|10|nischen Krankheit betroffen sind. Laut Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert Koch-Instituts ist in Deutschland in der Gruppe der 0- bis 17-Jährigen jedes achte Kind betroffen (Kamtsiuris, Atzpodien, Ellert, Schlack & Schlaud, 2007). Die Prävalenzen ausgewählter Krankheitsbilder wurden altersabhängig im Rahmen dieser Studie erfasst (vgl. Tabelle 2). Abgesehen von diesen häufigen chronischen Krankheiten gibt es auch eine Vielzahl von seltenen Erkrankungen, die chronisch verlaufen.

Tabelle 2:  Epidemiologie ausgewählter chronischer körperlicher Krankheiten (in %) laut KiGGS-Studie (Kamtsiuris et al., 2007)

Erkrankung

Gesamt

0 – 2 Jahre

3 – 6 Jahre

7 – 10 Jahre

11 – 13 Jahre

14 – 17 Jahre

Obstruktive Bronchitis

13.3

12.3

16.3

14.6

12.2

11.2

Neurodermitis

13.2

8.7

13.3

15.1

14.8

12.9

Heuschnupfen

10.5

0.5

4.9

10.5

14.3

18.4

Skoliose/Wirbelsäulendeformationen

5.2

0.8

1.5

3.3

6.5

11.1

Asthma bronchiale

4.7

0.5

2.7

4.7

7.0

7.0

Epilepsien

3.6

1.8

3.5

4.3

3.9

3.7

Herzkrankheiten

2.8

3.4

2.7

2.3

2.8

2.9

Migräne

2.5

0.2

1.5

3.9

5.4

Blutarmut/Anämien

2.4

1.7

2.2

2.4

2.3

3.0

Schilddrüsenerkrankungen

1.6

0.3

0.4

0.9

2.0

3.6

Diabetes mellitus

0.1

0.1

0.1

0.2

0.2

0.2

1.2  Besonderheiten bei ausgewählten chronischen körperlichen Erkrankungen

In diesem Kapitel werden physiologische Grundlagen, epidemiologische Daten, Hauptsymptome sowie Behandlungsformen verschiedener chronischer körperlicher Krankheiten dargestellt und mögliche Folgebelastungen und Herausforderungen für die psychische Anpassung skizziert. Die Auswahl schließt zum einen sehr häufige chronische Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters ein, zum anderen werden seltene, aber im Hinblick auf die psychische Anpassung und psychotherapeutische Versorgung besondere Krankheitsbilder erörtert.

|11|Hilfreiche Materialien1

Weiterführende Informationen zu den im Folgenden vorgestellten Krankheitsbildern erhält man über die jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften, Selbsthilfe-, Eltern- und Patientenverbände bzw. über die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF). In Kapitel 4 findet sich eine Liste mit Adressen von Selbsthilfegruppen und Fachverbänden nach Krankheitsbildern sortiert (vgl. M13 ab S. 159).

Kapitel 3 enthält außerdem eine thematisch und nach Krankheitsbildern sortierte Übersicht zu Patientenschulungen und Psychoedukationsprogrammen (vgl. Tabelle 13, S. 117 ff) sowie eine Liste zu Filmen, Videos und Apps, die in der Psychotherapie zum Einsatz kommen können (vgl. Tabelle 14, S. 123 ff).

Eine umfangreiche Liste mit Literaturempfehlungen (z. B. Kinderbücher, Elternratgeber) zu den verschiedenen Krankheitsbildern sowie weitergehenden Themen sind im Kapitel 4 in M14 (vgl. ab S. 161) zu finden.

1.2.1  Angeborene Herzfehler

Physiologische Grundlagen: Mit „angeborenen Herzfehlern“ werden sehr unterschiedliche Fehlbildungen des Herzens oder der vom Herzen abgehenden Blutgefäße zusammengefasst, die sich vor oder in Zusammenhang mit der Geburt entwickeln. Anatomisch unterscheidet man Fehlbildungen mit Öffnungen in den Scheidewänden zwischen rechter und linker Herzhälfte, Verengungen (Stenosen) von Klappen oder großen Blutgefäßen, abnormale Stellungen der großen Gefäße, einer Herzkammer oder des ganzen Herzens und ungenügende Entwicklung von Herzkammern oder Gefäßen. Am häufigsten ist der Ventrikelseptumdefekt, ein „Loch“ in der Scheidewand zwischen beiden Herzkammern. Einige Herzfehler sind auf umschriebene Chromosomenanomalien zurückzuführen. Etwa jedes fünfte Kind mit einem angeborenen Herzfehler weist weitere Auffälligkeiten auf, z. B. Trisomie 21, Williams-Beuren- oder Marfan-Syndrom. Auch Alkohol- oder Drogenkonsum in der Schwangerschaft oder mütterliche Infektionen (z. B. Röteln-Embryopathie) können Herzfehler zur Folge haben. In vielen Fällen bleibt die genaue Ursache allerdings unbekannt.

Prävalenz, Inzidenz: Ungefähr eines von 100 Neugeborenen kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt, das sind ca. 6.000 Kinder pro Jahr in Deutschland.

Hauptsymptome: Je nach Art und Ausprägung des Herzfehlers kommt es zu einer verminderten Leistungsfähigkeit (z. B. starkes Schwitzen beim Stillen oder Füttern, |12|Trinkschwäche, sehr langsames Gedeihen), Blauverfärbung der Haut und der Schleimhäute (Zyanose), Herzrhythmusstörungen, Atembeschwerden, Lebervergrößerungen, Wachstumsstörungen. Es kann auch vorkommen, dass sich Symptome erst im späteren Leben manifestieren.

Behandlungsformen: Ungefähr ein Drittel der Herzfehler wird bereits im Rahmen der pränatalen Diagnostik festgestellt. In einigen Fällen muss unmittelbar nach der Entbindung der Herzfehler operativ korrigiert werden, in anderen Fällen werden operative Eingriffe erst später erforderlich. In einigen Fällen werden Herzfehler bereits intrauterin operiert. Je nach Art des Herzfehlers sind Katheterinterventionen möglich, häufig werden eine oder mehrere Operationen am offenen Herzen notwendig. Zudem ist oft eine längere medikamentöse Behandlung erforderlich.

Folgebelastungen: Kinder mit angeborenen Herzfehlern sind häufig, zumindest bis zu einer Korrektur, körperlich nur eingeschränkt belastbar und können deshalb an manchen alterstypischen Aktivitäten nicht teilnehmen. Mit zunehmendem Lebensalter kann die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, mit Narben oder Deformationen sowie mit einer evtl. durch Medikamente eingeschränkten Leistungsfähigkeit als belastend erlebt werden. Aufseiten der Patient:innen und Angehörigen resultieren aus den frühen Erfahrungen mit langen Krankenhausaufenthalten bzw. lebensbedrohlichen Situationen evtl. gravierende Ängste und/oder überbehütendes Verhalten. Manche Eltern zeigen auch Jahre nach einer erfolgreichen Korrektur des Herzfehlers des Kindes noch Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch Kinder können nach schweren Narkosen und intensivmedizinischen Behandlungen von einem postoperativen Delir betroffen sein (Meyburg et al., 2018). Im Kontext der Mangelversorgung des Gehirns bis zur Korrektur kann es zu kognitiven Funktionseinschränkungen (z. B. Lernstörungen, Konzentrationsprobleme) kommen. Im schulischen Umfeld sind deshalb häufig Nachteilsausgleiche oder sonderpädagogische Hilfen sinnvoll. Einige Kinder mit angeborenen Herzfehlern besuchen Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Körper/Motorik.

Hilfreiche Materialien

Informationen zum Thema Angeborene Herzfehler finden sich auf den Internetseiten des Bundesverband Herzkranke Kinder e. V., der Kinderherzen Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e. V. und des Kompetenznetz angeborene Herzfehler (vgl. auch M13 ab Seite 159).

Auf der Internetseite www.herzklick.de finden Betroffene und Angehörige Informationen rund um das Thema Herzfehler und das Leben mit Herzfehler (Erklärvideos, Peers für ältere Patient:innen usw.).

1.2.2  Asthma bronchiale

Physiologische Grundlagen: Asthma bronchiale (kurz Asthma) ist ein heterogenes Krankheitsbild, das durch chronische Entzündungen der Atemwege, sowie in Stärke |13|und Häufigkeit variierenden Symptomen mit Atemnot, Giemen, Brustenge, Husten und bronchialer Hyperreagibilität gekennzeichnet ist. Ursächlich wird ein multifaktorielles Geschehen angenommen, bei dem eine genetische Disposition mit exogenen und psychosozialen Faktoren zusammenspielt. In Abhängigkeit von der Pathophysiologie und Symptomatik werden allergisches und nicht allergisches Asthma unterschieden. Während erstere Form häufig mit anderen Allergien (z. B. Pollen, Schimmelpilze) einhergeht, können beim nicht allergischen Asthma beispielsweise Infektionen oder externe Reize (z. B. kalte Luft, Sport) Atemnotanfälle auslösen. Darüber hinaus gibt es weitere Formen, deren Unterscheidung wichtig ist für die weiterführende Therapie (Bundesärztekammer [BÄK], Kassenärztliche Bundesvereinigung [KBV] & Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF], 2020).

Prävalenz, Inzidenz: Die 12-Monats-Prävalenz im Kindesalter liegt bei unter 1 % bei Kindern unter zwei Jahren und steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Übergreifend wird für 3- bis 17-Jährige in der 2. Welle der KiGGS-Studie im Jahr 2018 eine Prävalenz von 4 % angegeben, dabei sind Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen. Im Vergleich zur Basiserhebung aus den Jahren 2003 bis 2006 erscheint die Prävalenz stabil (Poethko-Müller, Thamm & Thamm, 2018).

Hauptsymptome: Das Hauptsymptom bei Asthma ist die wiederholt auftretende Atemnot, die anfallsartig einsetzt und lebensbedrohlich sein kann. In manchen Fällen ist ein hartnäckiger langanhaltender Husten das Leitsymptom. Die Betroffenen geben häufig ein Engegefühl in der Brust an, beim Abhören kann ein hochfrequentes Geräusch beim Ausatmen festgestellt werden (Giemen). Die Ausprägung der Symptome (Asthma-Kontrollgrad) wird durch gezielte Anamnese sowie Diagnostik der Lungenfunktion festgestellt. Patient:innen können ihre Lungenfunktion selbstständig regelmäßig mithilfe eines Peak-Flow-Meters bestimmen. Gemessen wird die Geschwindigkeit der Luft beim Ausatmen. Für die Einteilung in die Stufen „Kontrolliertes Asthma“, „Teilweise kontrolliertes Asthma“ und „unkontrolliertes Asthma“ werden die Häufigkeit von Symptomen, die Einschränkungen im Alltag, nächtliche Symptome, der Einsatz von Notfall-/Bedarfsmedikamenten und die Lungenfunktion herangezogen.

Behandlungsformen: Die Behandlung von Asthma basiert auf der medikamentösen Therapie mit meist zu inhalierenden Medikamenten, da die Wirkstoffe so gezielter und in höherer Dosis zum Zielort in die unteren Atemwege gelangen als bei einer systemischen Behandlung. Für die Behandlung akuter Symptome werden sogenannte „Reliever“ eingesetzt, die kurzfristig die Entspannung der Bronchialmuskulatur (Bronchospasmolytika) bewirken und die Bronchien erweitern (Bronchodilatans). Auch wenn keine akuten Symptome vorliegen, müssen täglich Medikamente eingenommen werden (sogenannte „Controller“). Diese vermindern die dem Asthma zugrunde liegende chronische Entzündung bzw. erweitern die Bronchien längerfristig. Die langfristige Therapie orientiert sich an einem Stufenplan, bei dem die Therapie in fünf Schritten angepasst werden kann, wenn die bisherige Behandlung nicht zur Kontrolle führt (BÄK et al., 2020). Die nicht medikamentöse Therapie des Asthmas beinhaltet spezielle Atemtechniken, die bei Symptomen Erleichterung verschaffen können, die Vermeidung von Auslösern und die Teilnahme an strukturierten, evaluierten Asthmaschulungen.

|14|Bei vielen Kindern und Jugendlichen gelingt die Behandlung gut, sodass ein Leben ohne wesentliche Beeinträchtigungen möglich ist. Im Jugendalter verschwinden die Symptome bei Jungen etwas häufiger als bei Mädchen.

Folgebelastungen: Ob und in welchen Bereichen Folgebelastungen bei Asthma entstehen, ist vermutlich multifaktoriell bedingt und nicht eindeutig an Krankheitsfaktoren gebunden. Zumindest aus Sicht der Kinder scheint ein Zusammenhang zwischen Krankheitsschwere (Kontrollgrad) und psychischen Problemen bzw. der Lebensqualität zu bestehen, des Weiteren sind altersgebundene Effekte anzunehmen (Miadich, Everhart, Borschuk, Winter & Fiese, 2015). Laut Ergebnissen der 2. Welle der KiGGS-Studie ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Asthma im Vergleich zu Gleichaltrigen nur geringfügig beeinträchtigt, und zwar vor allem im Bereich „körperliches Wohlbefinden“ (Baumgarten et al., 2019). Aspekte, die zu Folgebelastungen führen können, sind z. B. die hohe Verantwortungslast für das Einhalten der Langzeittherapie, die Dauersensibilisierung und ggf. Angst vor Atemnotanfällen bei Betroffenen und der Umwelt, sowie Einschränkungen von Aktivitäten. Daraus können depressive Symptome wie Verlust von Freude oder Wut auf die Krankheit, Zukunftsängste, sozialer Rückzug oder auch Konflikte mit Erziehungspersonen resultieren. Das Erleben eines Asthmaanfalls mit erheblicher Atemnot kann mit Todesangst einhergehen und zu Traumafolgesymptomen führen. Bei nächtlichen Atemnotanfällen ist die Schlafqualität erheblich beeinträchtigt, sodass Konzentrations- und Leistungsprobleme den Alltag erheblich belasten können.

Hilfreiche Materialien

Weitere Informationen zu Asthma bronchiale sind bei der Deutschen Atemwegsliga e. V., der Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind, dem Deutschen Allergie- und Asthmabund e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter e. V. zu erhalten (vgl. auch M13 ab Seite 159).

1.2.3  Cystische Fibrose (Mukoviszidose)

Physiologische Grundlagen: Cystische Fibrose (CF) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Multiorganerkrankung, die nicht heilbar ist und trotz immer besserer Behandlungsoptionen lebensverkürzend verläuft. Als Ursache ist eine Dysfunktion bzw. das Fehlen des CFTR-Kanals (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) auf Chromosom 7 bekannt, welches den Einbau von Chlorid-Kanälen in Zellwänden reguliert. Durch den Defekt bzw. das Fehlen kommt es zu einer veränderten Chloridkonzentration in Gewebezellen und in der Folge zu einer Eindickung von Sekreten in den betroffenen Organen. Im Bereich der Lunge kommt es so zur Erniedrigung und Eindickung der sogenannten periziliären Flüssigkeit, was wiederum die reinigende Funktion der Flimmerhärchen beeinträchtigt. Der alte Name der Krankheit „Mukoviszidose“ leitet sich aus dem Lateinischen „mucus“ für „Schleim“ und „viscidus“ für „zäh“ bzw. „klebrig“ ab und greift den physiologischen Prozess auf.

|15|Prävalenz, Inzidenz: Cystische Fibrose gilt mit einer Inzidenz von 1 : 3.000 bis 1 : 3.500 als die häufigste lebensverkürzende, autosomal-rezessiv vererbte Multisystemerkrankung in kaukasischen Bevölkerungsgruppen. Wesentlich seltener kommt die Erkrankung in Japan, der Türkei und Südafrika vor.

Hauptsymptome: Typischerweise kommt es zu Entzündungen und Infektionen der Lunge, zu einer Gedeihstörung (bedingt durch exokrine Pankreasinsuffizienz sowie sekundäre Erkrankungen wie Osteoporose und Diabetes mellitus). Zusätzlich betroffen sind häufig Leber und Gallenwege, männliche Geschlechtsorgane und obere Atemwege. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist seit den 1960er Jahren stark angestiegen und liegt inzwischen bei ca. 40 Jahren.

Behandlungsformen: Heute wird im Rahmen des Neugeborenenscreenings jedes Neugeborene auf Cystische Fibrose untersucht, sodass die Erkrankung oft bereits vor Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert wird. Damit können Therapien bereits sehr früh auch schon präventiv geplant werden. In Deutschland werden Patient:innen an zertifizierten Mukoviszidose-Einrichtungen von multidisziplinären Teams betreut. Das Deutsche Mukoviszidose-Register sammelt systematisch Daten zu Diagnostik, Therapie und Verlauf. Die Prognose variiert extrem, da die Krankheit eine weite Spannbreite an klinischen Symptomen und Komplikationen aufweist. Grundsätzlich wird auf die ständig steigende Lebenserwartung durch neue Therapieoptionen hingewiesen. Die Behandlung besteht aus zahlreichen Bausteinen. Sogenannte CFTR-Modulatoren werden seit 2012 eingesetzt, um die Funktion des CFTR-Kanals zu verbessern. Des Weiteren kommen regelmäßig Schleimlöser, Medikamente gegen Infektionen und Entzündungen der Atemwege sowie zur Erweiterung der Atemwege zum Einsatz. Stammzellbehandlungen und Einsatz der sogenannten Genschere werden im Hinblick auf die CF derzeit intensiv erforscht. Andere Bausteine der Behandlung umfassen die Ernährung, Inhalation und Physiotherapie sowie eine bewusste Lebensführung und psychosoziale Angebote. Um Infektionen mit multiresistenten Keimen zu verhindern, müssen an CF erkrankte Personen umfangreiche Hygieneregeln beachten und sollen sich von anderen Menschen mit CF fernhalten.

Folgebelastungen: Bei CF sind Folgebelastungen auf unterschiedlichen Ebenen zu erwarten. Die Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufes, akute Krisen mit schwerwiegenden Symptomen sowie krankheitsbedingte Schmerzen und körperliche Schwäche fordern die Patient:innen und ihre Familien gleichermaßen. Hinzu kommen Anforderungen durch die aufwändige Behandlung, welche sowohl zeitliche Ressourcen als auch einen hohen Grad an Disziplin fordert. Auch Rehabilitationsmaßnahmen sind immer wieder notwendig. Die soziale Integration kann durch sich entwickelnde körperliche Stigmata (z. B. Husten mit Auswurf, körperliche Schwäche, verspätete Pubertätsentwicklung) beeinträchtigt werden. Hilfen zum Umgang mit krankheitsbedingten Fehlzeiten und Leistungseinschränkungen sind in Schule und Beruf von großer Bedeutung. Nachteilsausgleiche oder Beschulung in einer sonderpädagogischen Einrichtung mit Förderschwerpunkt Körper/Motorik können sinnvoll sein, um diese Belastungen zu minimieren. Die Kooperation zwischen Stamm- und Klinikschule ist bei längerfristigen Klinikaufenthalten besonders wichtig. Patient:innen und das gesamte Umfeld müssen sich zudem mit den eingeschränkten Zukunftsperspektiven, der begrenzten Lebenserwartung und ggf. auch mit Abschied und Sterben auseinandersetzen (Koerner-Rettberg, Neumann & Ballmann, 2013).

|16|Hilfreiche Materialien

Umfangreiche Informationen zu Cystischer Fibrose sind in der aktuellen AWMF-Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) zu finden: S3-Leitlinie: Mukoviszidose bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren, Diagnostik und Therapie (AWMF-Registernummer 026 – 024).

Informationen für Betroffene und Interessierte bietet auch Mukoviszidose e. V., der Bundesverband Cystische Fibrose mit Sitz in Bonn (vgl. auch M13 ab Seite 159).

1.2.4  Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)

Physiologische Grundlagen: Zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) zählen Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, sowie die unklassifizierte Colitis. Bei allen diesen Krankheitsbildern kommt es zu Entzündungen im Verdauungstrakt. Während bei der Colitis ulcerosa die Entzündung fast ausschließlich vom Enddarm ausgehend den Dickdarm und hier die Darmschleimhaut (innere Schicht der Darmwand) betrifft, kann es beim Morbus Crohn im gesamten Verdauungstrakt vom Mund bis zum After zu Entzündungsherden kommen. Ferner können beim Morbus Crohn alle Schichten der Darmwand entzündet sein, es kann zu Fisteln und Verengungen kommen. Die Ursachen von CED sind noch ungeklärt. Anzunehmen ist jedoch ein Zusammenwirken aus erblicher Veranlagung und Umwelteinflüssen (z. B. westlicher Lebensstil in Bezug auf Ernährung und Stillen). Schlussendlich kommt es durch Fehlsteuerungen im Immunsystem zu Entzündungsprozessen als Abwehrreaktion auf Darmbakterien und Stoffe, die eigentlich sonst toleriert werden.

Prävalenz, Inzidenz: Die Häufigkeit von CED nimmt weltweit und in allen Altersgruppen zu. In Deutschland sind aktuell ca. 55.000 Kinder und Jugendliche von einer CED betroffen. Bei ca. 25 % der Fälle wird die Diagnose schon vor dem 10. Lebensjahr gestellt, auch Säuglinge können betroffen sein. Jüngere Studien schätzen die Prävalenz der CED im Kindes- und Jugendalter auf ca. 66 pro 100.000 Versicherten unter 18 Jahren (Wittig, Albers, Koletzko, Saam & von Kries, 2019).

Hauptsymptome: Die Symptome beginnen oft schleichend mit Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen oder leichtem Durchfall, wobei die Symptome oft einzeln auftreten und dementsprechend oft erst spät einer CED zugeordnet werden können. Blutige Durchfälle kommen häufiger bei der Colitis ulcerosa vor. Beim Morbus Crohn kann es häufiger zu Komplikationen durch Fisteln und Verengungen im Darm kommen. Die Krankheiten verlaufen in der Regel schubweise und führen oft zu Gewichtsverlust und gerade bei Kindern und Jugendlichen zu Wachstumsverzögerungen. Außerhalb des Darms können Symptome mit Entzündungen der Haut, der Augen und der Gelenke auftreten.

Behandlungsformen: Die Behandlung der CED zielt darauf ab, die aktiven Entzündungen zum Stillstand zu bringen und möglichst anhaltende Entzündungsfreiheit |17|zu erreichen. Die Darmschleimhaut sollte vollständig abheilen, sodass bleibende Schäden vermieden werden. Langfristig sollen neue Schübe verhindert und die Ausbreitung der Krankheit eingedämmt werden. Die Behandlung orientiert sich dabei an den akuten Symptomen und zielt darauf ab, Beschwerden zu mindern und Beeinträchtigungen der Wachstums- und Pubertätsentwicklung abzuwenden. Ein wesentliches Ziel ist die Reduktion von Einschränkungen im Alltag. Eine Ernährungstherapie in Form einer mehrwöchigen speziellen Trinknahrungskur kann erhebliche Besserung bewirken. Die medikamentöse Therapie wird je nach Krankheitsstadium und Art der CED mit Kortisonpräparaten, Immunsuppressiva und Biologika durchgeführt.

Folgebelastungen: Das Krankheitsmanagement bei CED erfordert in den akuten Phasen ein striktes Ernährungsmanagement, zudem können erhebliche Folgebelastungen durch Nebenwirkungen der Medikamente auftreten, z. B. Cushing-Syndrom bei Kortisonbehandlung oder MTX-Intoleranz. Abgesehen von den sehr schmerzhaften Entzündungen sind die Patient:innen durch den imperativen Stuhldrang und Durchfälle stark belastet. Nach außen sichtbare Krankheitsfolgen (z. B. Psoriasis, „Mondgesicht“) oder ein sich verändernder Körpergeruch, eine geringere Körpergröße und häufige und/oder längere Toilettengänge können zudem stigmatisierend wirken und den Alltag von Kindern und Jugendlichen mit CED erschweren. Relevante Einschränkungen der Teilhabe und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität werden insbesondere im Schulalter berichtet. Schulische Fehlzeiten und geringeres Bildungsniveau sowie erhöhte Raten von Depression und Ängsten werden in der bislang noch wenig umfangreichen Literatur zu diesem Thema berichtet (Stapersma et al., 2019).

Hilfreiche Materialien

Weitere Informationen zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bietet die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V. (vgl. auch M13 ab Seite 159).

1.2.5  Diabetes mellitus Typ 1

Physiologische Grundlagen: Diabetes mellitus Typ 1 (kurz: Diabetes Typ I) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden, sodass durch den resultierenden kompletten Insulinmangel die Energieversorgung des Körpers gestört ist.

Prävalenz, Inzidenz: Nach wie vor gilt Diabetes Typ I als häufigste Stoffwechselerkrankung des Kindes- und Jugendalters. Die mittlere jährliche Neuerkrankungsrate (Inzidenzrate) stieg seit den 1990er Jahren von ungefähr 13 auf ca. 23 pro 100.000 Kinder an. Eine weitere Verdopplung wird für die kommenden 20 Jahre vorhergesagt (Bendas et al., 2015).

Hauptsymptome: Infolge des Insulinmangels kommt es zu typischen Symptomen wie z. B. häufiges Wasserlassen (Polyurie), massivem Durst (Polydipsie), Ketoazidose und |18|Gewichtsverlust. Eine allgemeine Schwäche, Müdigkeit am Tage, Kopf- und Bauchschmerzen, plötzlich trockene und juckende Haut können Warnsignale sein. Häufig zeigen sich die Symptome abrupt, während sich der Diabetes mellitus Typ II oft schleichend manifestiert. Als akute Komplikationen gelten die diabetische Ketoazidose (DKA), das hyperglykämische/hyperosmolare Syndrom HHS oder Hypoglykämie. Die DKA muss als häufigste Todesursache von Kindern mit Diabetes Typ I gelten und erfordert schnellstmögliche spezialisierte Behandlung. Als besonders schwere Komplikation im Kontext der DKA kann ein Hirnödem auftreten.

Behandlungsformen: Unmittelbar nach Diagnose des Typ-I-Diabetes muss mit der Insulintherapie begonnen werden, die dann lebenslang fortgesetzt wird. Dabei greifen Stoffwechselselbstkontrolle (Insulinmessung) und Insulinsubstitution eng ineinander. Die Behandlung erfolgt durch spezialisierte Behandlungsteams und zielt darauf ab, (1) schwere akute Stoffwechselentgleisungen (diabetisches Koma, Ketoazidose, Hypoglykämie) zu vermeiden und (2) Folgeerkrankungen vorzubeugen und dabei (3) eine normale körperliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit zu erzielen. Zur qualifizierten Diabetesbehandlung ist deshalb ein interdisziplinäres Team mit Fachleuten aus den Bereichen Medizin, Diabetesberatung, Psychologie, Kinderkrankenpflege, Ernährungsberatung und Sozialarbeit erforderlich. Schulungen von Patient:innen und Angehörigen sind fester Bestandteil der Diabetesbehandlung und diese finden bereits ab Diagnosestellung in den jeweiligen Zentren statt (Danne, Kordonouri & Lange, 2016).

Kinder und Jugendliche mit Diabetes Typ I können und sollen allgemeine Kindertageseinrichtungen und Schulen besuchen. Die betreuenden Einrichtungen müssen jedoch genau informiert und geschult werden, um die Kinder bzw. Jugendlichen in der Blutzuckermessung und Insulingabe zu unterstützen und in Notfällen richtig zu handeln. Unter diesen Voraussetzungen ist die Teilhabe an alterstypischen Aktivitäten mit nur wenigen Einschränkungen möglich.

Folgebelastungen: Die Behandlung und das Krankheitsmanagement fordert vom Zeitpunkt der Diagnose an eine besondere Anpassungsleistung von Betroffenen und deren Familien. Um eine möglichst normale Blutzuckereinstellung zu erreichen, müssen die Betroffenen umfangreiche Kenntnisse über Ernährung und Zusammensetzung von Nahrungsmitteln erwerben, die Messung des Blutzuckers vornehmen und das Insulin zuführen können. Das erforderliche strikte Einhalten von Regeln kann mit alterstypischen Selbstbestimmungsbedürfnissen in Konflikt geraten. Durch regelmäßiges Blutzuckermessen und regelmäßige Insulinzufuhr wird die Erkrankung mehrfach täglich ins Bewusstsein gerufen. Je nach Entwicklungsstand sind die Betroffenen abhängig von Hilfen durch andere, was z. B. Interaktionsprobleme begünstigen kann.