Chronos & Kairos - Konstantin Wettig - E-Book

Chronos & Kairos E-Book

Konstantin Wettig

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Beschreibung

Immobilien. Die meisten von uns denken bei diesem Wort an Baugrundstücke, Wohnungen und Häuser, kurz: an die eigenen vier Wände, die nicht nur das Grundbedürfnis nach Lebens- und Rückzugsraum befriedigen, sondern längst auch zu Lifestyle- und Statussymbolen geworden sind. Kein Wunder, dass das Internet unzählige Portale bereitstellt, die die Objekte der Begierde in jeder Qualitäts- und Preiskategorie vermarkten. Hier wird einfach jeder fündig. Manche suchen und denken allerdings in anderen Kategorien: Investoren zum Beispiel. Oder Stadtplaner. Sie suchen Objekte mit hohem Entwicklungspotenzial. Hier sind Experten wie Konstantin Wettig gefragt, seines Zeichens Immobilienscout auf dem wohl härtesten Immobilienmarkt Deutschlands: München. Sein dort in rund 25 Jahren gesammeltes Know-how und sein weites und hoch professionelles Netzwerk erzeugen Informationsvorsprünge, die auch Immobilien zutage fördern, die zum Zeitpunkt des Bedarfs dem Markt gar nicht zur Verfügung stehen, aber ideal ins jeweilige Kundenkonzept passen. Diese besonderen Schätze zu finden und zu heben erfordert Fingerspitzengefühl in Verhandlungsgesprächen, aber auch profunde Kenntnisse über Ansprüche und Märkte. Wer gerade im Projektgeschäft erfolgreich sein möchte, muss verstehen, dass Timing mittlerweile deutlich wichtiger ist als das klassische Schlagwort Lage. Mit einem analytischen Blick auf die zahlreichen Aspekte des Begriffs Zeit schlägt Konstantin Wettig die Brücke zum Immobiliengeschäft von heute und der Städteplanung von morgen.

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2018

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INHALT

Vorwort

von Edgar K. Geffroy

Einleitung

Moderne Zeiten

Kapitel 1

Timing. Carpe momentum.

Kapitel 2

„Lage, Lage, Lage“

oder:

vom Ideal zum Irrtum

Kapitel 3

Die Zeit ist reif – doch wer erntet?

Kapitel 4

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Kapitel 5

Kontinuität und Wandel

Kapitel 6

Zeit ist Geld

heißt:

Zeit zu handeln

Kapitel 7

Geduld, Spontaneität, Stillstand

Kapitel 8

Zeit – die Fast Lane für Erfolg

VORWORT

von Edgar K. Geffroy

Immobilien. Die meisten von uns denken bei diesem Wort an Baugrundstücke, Wohnungen und Häuser, kurz: an die eigenen vier Wände, die nicht nur das Grundbedürfnis nach Lebens- und Rückzugsraum befriedigen, sondern längst auch zu Lifestyle- und Statussymbolen geworden sind. Kein Wunder, dass das Internet unzählige Portale bereitstellt, die die Objekte der Begierde in jeder Qualitäts- und Preiskategorie vermarkten. Hier wird einfach jeder fündig.

Manche suchen und denken allerdings in anderen Kategorien: Investoren zum Beispiel. Oder Stadtplaner. Sie suchen Objekte mit hohem Entwicklungspotenzial. Hier sind Experten wie Konstantin Wettig gefragt, seines Zeichens Immobilienscout auf dem wohl härtesten Immobilienmarkt Deutschlands: München. Sein dort in rund 25 Jahren gesammeltes Know-how und sein weites und hoch professionelles Netzwerk erzeugen Informationsvorsprünge, die auch Immobilien zutage fördern, die zum Zeitpunkt des Bedarfs dem Markt gar nicht zur Verfügung stehen, aber ideal ins jeweilige Kundenkonzept passen. Diese besonderen Schätze zu finden und zu heben erfordert Fingerspitzengefühl in Verhandlungsgesprächen, aber auch profunde Kenntnisse über Ansprüche und Märkte.

Märkte verändern sich. Und mit ihnen nehmen auch die dort herrschenden Businessmodelle, die jedem Geschäft und jeder Transaktion zugrunde liegen, neue Formen an. Der Auslöser für all das ist schnell identifiziert: Die Digitalisierung beschleunigt Prozesse, und wir sind gezwungen, unsere Denkprozesse diesem Wandel anzupassen, denn er macht neue Formen des Wohnens, des Lebens und des Arbeitens zwingend erforderlich.

Wenn wir Begriffe wie „Beschleunigung“ und „Prozesse“ näher betrachten, kommt sehr schnell der Schlüsselfaktor Zeit ins Spiel – ein Faktor, dem auch wir Menschen uns unterwerfen müssen. Zeit selbst verändert sich zwar nicht, doch sie verändert uns, und wir sind gut beraten, auf solche Veränderungen angemessen zu reagieren. Aussitzen war noch nie die erste Wahl, wenn es um Lösungsfindung ging. Es sind die Macher, die Veränderungen mitgehen, analysieren und irgendwann sogar steuern.

Was Zeit und Wandel mit dem Immobiliengeschäft zu tun haben? Konstantin Wettig erklärt das und vieles mehr in diesem Buch – und teilt mit uns sein Expertenwissen, seine Denkstrukturen und seine Leidenschaft für die Immobilienwelt. Das Timing, mit der Lektüre zu beginnen, könnte also nicht besser sein.

Ihr Edgar K. Geffroy

Unternehmensberater und mehrfacher Wirtschaftsbestsellerautor

EINLEITUNG

MODERNE ZEITEN

” In any given moment we have two options: to step forward into growth or to step back into safety.

ABRAHAM A. MASLOW

Gründer legen Grundsteine. Grund genug für einen Immobilienspezialisten, sich zu fragen, was ein erfolgreiches Immobilienprojekt sonst noch mit einem Start-up gemeinsam hat. Nimmt man nämlich zusätzlich die Lupe eines Wirtschaftsexperten zur Hand, offenbart sich, dass der Vergleich der so unterschiedlichen Geschäftsmodelle gar nicht so abwegig ist, denn viele bauen ihre Erfolgsabsichten auf dieselben Fundamente:

eine außergewöhnliche Idee, mit der alles beginnt;

eine Finanzierung, die auch nicht vorhersehbare Ereignisse und Hindernisse absichert;

ein Plan, der die einzelnen Schritte des Aufbaus zeitlich koordiniert;

ein schlagkräftiges Team, das diesen Plan skizziert und umsetzt;

das richtige Timing: Braucht der Markt das, was wir entwickeln, auch dann noch, wenn die Marktreife eintritt?

Vom großen Erfolg träumen viele Unternehmensgründer. Doch was bringt die beste Idee, wenn die Zeit (sprich: der Markt) noch nicht reif dafür ist? Oder wenn irgendwann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Investoren nicht mehr an den Gründer und seine Idee glauben? Dann ist der Prozess des Scheiterns vorprogrammiert. Fast 90 % aller neu gegründeten Unternehmen teilen dieses Schicksal innerhalb der ersten drei Jahre. Selbst im Startup-Mekka Silicon Valley, wo die Möglichkeiten genauso unbegrenzt sind wie die Zahl und die Qualität der Ideen, gilt diese ernüchternde Quote. Die Leidtragenden dort sind dann nicht nur die desillusionierten Unternehmensgründer und deren Mitarbeiter, sondern auch das Heer der Risikokapitalgeber: Wenn neun von zehn ihrer Schützlinge den Markt verlassen, wird auch ohne Taschenrechner schnell klar, dass die Nummer 10 im Alleingang nicht nur die gesammelten Verluste aus drei Jahren wettmachen, sondern langfristig auch den von allen erhofften Gewinn einfahren muss. Damit dieses System, dieses riskante Geschäftsmodell, auch weiterhin funktioniert, müssen auch in Zukunft zwangsläufig neue Giganten der Größenordnung Uber, Airbnb, Dropbox, Snapchat oder WhatsApp aus der Asche aufsteigen. Kann Wachstum tatsächlich unendlich sein? Können Ideen wirklich auf Knopfdruck entstehen, wie es beim Brainstorming in Unternehmen immer wieder gefordert wird? Als sicher gilt, dass sich Erfolg heute nur dort einstellen kann, wo Nischenfindung, Zielstrebigkeit und Performance optimal ineinandergreifen.

Doch was genau macht eigentlich den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg eines Start-ups? Bill Gross, Gründer des Start-up-Studios Idealab im kalifornischen Pasadena, ist dieser Frage vor rund drei Jahren nachgegangen. Seit Gründung im Jahr 1996 hat der Inkubator rund 150 Start-ups zur Marktreife geführt, doch am Ende standen den Erfolgen deutlich mehr Fehlschläge gegenüber, was Bill Gross dazu bewog, der Ursache dieses Phänomens auf den Grund zu gehen. Aus der vorstehenden Fünf-Punkte-Liste ersetzte er kurzerhand „Plan“ durch „Geschäftsmodell“ und bewertete anhand dieser Vorgaben in mühevoller Kleinarbeit 100 eigene und 100 fremde Start-ups. Das Ergebnis überraschte selbst ihn: Es war mit einem Wert von 42 % das Timing, das den Unterschied ausmachte. Das Team punktete in 32 % aller Fälle, und der von Bill Gross zuvor favorisierte Faktor „Idee“ landete mit überschaubaren 28 % lediglich auf dem dritten Rang.

Das Ergebnis der Analyse von 200 Start-ups im Überblick:

Um den Kreis zu schließen, stellt sich nun die Schlüsselfrage: Ist Timing auch auf dem Immobiliensektor ein so wesentlicher Erfolgsfaktor? Nein, selbstverständlich nicht, werden viele Immobilienexperten behaupten, denn in beiden Listen fehlt schließlich die elementare Erfolgsvoraussetzung für ein Immobiliengeschäft: die Lage. Und dreimal lautstark skandiert scheint der Klassiker jedes andere Argument sowieso im Keim zu ersticken. Der Tenor vieler Immobilienhändler ist dabei immer derselbe: Alles außer Lage ist veränderbar und ersetzbar, denn irgendwann, wenn alle Probleme der Projektfindungs- und -erstellungsphase vergessen sind, zählt nur diese eine, unumstößliche Wahrheit. Im Terrain der Immobilien ist das Argument „Lage“ somit der unangefochtene Platzhirsch. Es klingt logisch, denn die Lage beeinflusst auf der einen Seite zwar sowohl Bau- als auch Nebenkosten, auf der anderen Seite aber auch den Nutzwert. Dass die uralte Binsenweisheit „Lage ist alles“ am Ende überwiegend den Blickwinkel des Immobilieneigentümers bzw. des Nutzers berücksichtigt – und hier längst nicht das gesamte Spektrum –, wird bei dieser Wertung leider allzu gern verschwiegen.

In der Businesswelt – und die Immobilienwelt mit ihren zahlreichen und weitverzweigten Berufsfeldern ist ein bedeutender Teil von ihr – geht es um wirtschaftlichen Erfolg, und Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Gelegentlich wird man vom Erfolg geradezu überrascht, weil man ihn zwar immer herbeigesehnt, aber nicht so schnell mit ihm gerechnet hat. Am Ende weiß man gar nicht mehr, welcher der Väter den größten Beitrag geleistet hat. Aber auch hier bringt ein „Vaterschaftstest“ Gewissheit, und deshalb behaupte ich an dieser Stelle: Das Timing ist der primäre Erfolgsfaktor im Immobiliensektor. Das Gewicht des Faktors Lage ist folglich allenfalls sekundär, selbst wenn er häufig kaufentscheidend sein mag. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Erfolg und Lage bedingen einander nicht mehr – allenfalls in 1A-Lagen sind Zusammenhänge erkennbar. Vielmehr ist aus meiner Sicht die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Lage und Erfolg nur generiert worden, um am Point of Sale mit einem Argument glänzen zu können, das doch eigentlich gar keins ist.

Wenn es darum geht, Erfolg zu definieren oder gar zu generieren, basieren unsere größten Irrtümer auf der falschen Einschätzung der verschiedenen Facetten des Zeitbegriffs und gleichzeitig auf der eklatanten Missachtung der Gesetze der Logik. Mit Blick auf die unendlich vielen Definitionen und Formen des Aspekts Zeit werde ich in den folgenden acht Kapiteln Argumente für diese auf den ersten Blick gewagte Behauptung sammeln, um sie auszubreiten, zu ordnen und mit Logik und Antworten zu füllen.

Zeit ist einer der wichtigsten Begriffe unseres Lebens, denn Zeit ist schließlich allgegenwärtig. Und sie ist – das liegt in der Natur der Sache – nicht zu verbiegen, denn sie verläuft geradlinig und immer gleich: Jede Sekunde gleicht allen vorhergehenden und allen nachfolgenden; die Erde dreht sich mit stoischer Konstanz durch Raum und Zeit; Gezeiten und Jahreszeiten folgen den Gesetzen, die die Natur beschlossen und verabschiedet hat. Gesetze, gegen die wir uns – entgegen unserer Natur – nicht auflehnen können.

Der große Denker Sir Isaac Newton hat sich 30 Jahre lang mit dem Thema Zeit beschäftigt und am Ende seiner Forschungen die These „Zeit ist absolut“ mit scheinbar unumstößlichen Argumenten manifestiert. Dieser physikalische Grundsatz sollte in der Wissenschaft rund 200 Jahre lang Bestand haben – bis zu dem Tag, an dem Albert Einstein die Relativität der Zeit beweisen konnte.

Sie sehen: Auch die größten Denker können irren. Im Gegensatz zu Newton bleibt uns allerdings noch die Zeit, unsere Irrtümer zu korrigieren und aus unseren Fehlern und unserem Irrglauben zu lernen.

Wir können die Zeiger einer Uhr drehen und wenden, wie wir möchten: Das Immobiliengeschäft war, ist und bleibt in erster Linie ein People’s Business, und gerade Zeit ist heute mehr denn je ein Luxus, den sich nur die wenigsten – Käufer wie Verkäufer – wirklich leisten können. Und Hand aufs Herz: Zögern und andere Formen der Zeitverschwendung können sich noch viel weniger von uns leisten. In einer Zeit, in der Beschleunigung und Komplexität zunehmen, wo der Tritt aufs Gaspedal in seiner Wirkung nur eine Richtung kennt, wird es höchste Zeit, die Übersicht zu behalten, will man nicht schon in der Startphase am Tempo der Welt scheitern.

Die Zeit drängt, obwohl wir alle keine Zeit haben. Nehmen wir uns deshalb die Zeit, über ihre Facetten und deren Auswirkungen nachzudenken, um abschließend beurteilen zu können, welchen Einfluss die Zeit und insbesondere das Timing auf die Immobilienwelt haben. Und warum Lage zwar ohne Zweifel wichtig, gleichzeitig aber auch oft ein Irrtum sein kann.

KAPITEL 1

TIMING. CARPE MOMENTUM.

” Some people dream of success, while other people get up every morning and make it happen.

WAYNE HUIZENGA

In der griechischen Mythologie hat jeder und alles einen zuständigen Gott. Die Zeit hat sogar zwei: Weit über die Grenzen Griechenlands hinaus bekannt ist Chronos, der für den Ablauf der Zeit und die Lebenszeit verantwortlich zeichnet. Er lebt noch heute im Chronometer, in der Chronologie der Ereignisse und – als Bad Boy – in chronischen Krankheiten weiter. Kairos, der Gott des günstigen Zeitpunkts einer Entscheidung, ist hingegen eher unbekannt. Dargestellt wird der jüngste Sohn des Zeus mit einer einzigen Haarlocke an der Stirn, dem Symbol für die gute Gelegenheit, die ergriffen werden soll, sobald man ihm begegnet. Ist der günstige Zeitpunkt verstrichen, lässt sich Kairos am kahlen Hinterkopf nicht mehr festhalten: Die Chance ist vertan. Doch ein Gott wäre kein guter Gott, wenn er den Menschen nicht die Hand reichen würde: In der linken hält Kairos deshalb eine Waage, um für uns die Zeit zu messen, die Wertigkeit des Moments; in der rechten trägt er eine Klinge, um die hinderlichen Bindungen zur Vergangenheit zu kappen und uns damit den Weg in eine bessere Zukunft frei zu machen, hinein in eine neue Dimension des Jetzt, in eine Zeit mit einer höheren Wertigkeit. Chancen bietet Kairos wahrlich allen, aber nur die Aufmerksamen sind in der Lage, die Vorzeichen wahrzunehmen, um diese Chancen dann auch tatsächlich als solche zu erkennen. Nur die Wachsamen bemerken, wann die Zeit für Veränderung reif ist. Kairos symbolisiert also die Qualität der Zeit, die Relevanz eines jeden einzelnen Augenblicks, während Chronos der Quantität der Zeit ein Gesicht gibt.

Wenn wir an Chancen denken, denken wir gleichzeitig auch an die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich uns überhaupt bieten. Denn nur wer die Chance auf Erfolg geboten bekommt, kann am Ende auch tatsächlich Erfolg verbuchen. Wir leben in dem Glauben, dass wir alle Chancen unter Berücksichtigung ihrer Wahrscheinlichkeiten mathematisch berechnen können, doch wir handeln nicht danach. Am Ende macht diese Inkonsequenz („Nach neunmal Rot muss doch jetzt endlich Schwarz folgen!“) nur die Spielcasinos reich. Kein Wunder, dass wir verwirrt sind, denn nicht nur im Englischen und Französischen ist mit dem Begriff „chance“ in erster Linie das deutsche „Glück“ gemeint. Der Begriff „Gelegenheit“ wird damit nur am Rande erfasst.

Wahres Glück ist seltener als Gold und immer auch eine Frage der Perspektive, die oftmals einen völlig falschen Blickwinkel bietet und das Ergebnis in logischer Konsequenz nicht nur optisch verzerrt. Wir reden zum Beispiel vom Glück der späten Geburt oder vom Glück, eher auf der Sonnenseite des Lebens oder auf der Nordhälfte von Mutter Erde geboren zu sein. Dass wir unsere Geburt nicht einem glücklichen Zufall, sondern dem Liebesglück und der daraus resultierenden Zeugungsbereitschaft unserer Eltern verdanken, wird bei aller Liebe zur Dramaturgie nur allzu gern übersehen.

Erfolg. Aus der Not geboren – mit Weitsicht realisiert.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Allianz Arena, direkt an der A 9 in der Fröttmaninger Heide gelegen, deren Baukosten sich auf rund 346 Millionen Euro summierten.

Der Anfang im Jahr 2000 war alles andere als rosig: Weil Günter Behnisch, der Architekt des Olympiageländes, sein Veto einlegte, konnte der mit Blick auf die Fußball-WM 2006 anvisierte Umbau des Olympiastadions zu einem WM-tauglichen Fußballstadion nicht umgesetzt werden. Zumindest nicht nach den Vorgaben der beteiligten Fußballvereine, die eine moderne Lösung ohne Leichtathletikbahn anstrebten. Die von der Stadt seit Jahren favorisierte Lösung war somit plötzlich vom Tisch – und die prestigeträchtige Teilnahme Münchens am FIFA World Cup 2006 in akuter Gefahr.

Ein Jahr später gingen die Rivalen FC Bayern München und TSV 1860 München eine historische Allianz ein: Sie gründeten gemeinsam eine Gesellschaft, die den Bau eines neuen, hochmodernen Stadions zum Gegenstand hatte – eine Lösung, die nach positivem Bürgerentscheid mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit umgesetzt werden konnte. Der Entwurf der Baseler Architekten Herzog & de Meuron, die auch für die 2017 in der Hamburger HafenCity eröffnete Elbphilharmonie verantwortlich zeichneten, machte das Rennen – und wurde vom österreichischen Baukonzern Alpine zügig umgesetzt. Die vom Stadtrat genehmigte In­frastruktur wurde parallel installiert, sodass den Bauherren die Arena am 30. April 2005 mehr als rechtzeitig übergeben werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits aufseiten der FIFA fest, dass sowohl das Eröffnungsspiel als auch fünf weitere Spiele der WM 2006 in der neuen Arena ausgetragen werden sollten.

Die Allianz Arena München Stadion GmbH, 100%-ige Tochter der FC Bayern München AG, ist mittlerweile alleiniger Eigentümer der Immobilie. Auch weil die Allianz AG 2014 Aktienanteile am FC Bayern im Wert von 110 Mio. Euro erworben hatte (adidas war bereits 2002 mit 75 Mio. Euro, Audi 2010/11 mit 90 Mio. Euro eingestiegen), konnten die Baukredite bereits im Jahr 2014 getilgt werden – etliche Jahre vor Ende der ursprünglich kalkulierten Laufzeit.

Doch warum ausgerechnet Fröttmaning? Aus mehr als einem Dutzend Vorschläge kristallisierten sich damals zwei Favoriten heraus: Fröttmaning und das ZHS-Gelände (Zentrale Hochschulsportanlage gegenüber dem Olympiapark), wobei der ZHS-Standort aufgrund der vorhandenen Infrastruktur die besseren Karten hatte. Fröttmaning machte am Ende das Rennen, obwohl die erforderliche Infrastruktur mit rund 200 Mio. Euro zu Lasten der Stadt zu Buche schlagen sollte. Einer der Gründe für die Entscheidung: die befürchteten Auseinandersetzungen mit den Anwohnern im Olympiadorf, die Protest gegen das Bauwerk angekündigt hatten. Weil die Zeit drängte und zeitfressende Klagen nicht ins Konzept passten, wurde das Projekt im Norden Münchens aus dem Boden gestampft – und damit ein Glücksfall für den FC Bayern und die Stadt München, denn dort konnten sämtliche Register einer modernen Planung gezogen werden – ohne Rücksicht auf beschränkende Aspekte jeglicher Couleur.

“ Warum die optimale Lage wählen, wenn man sie auch selbst erschaffen kann? „

Mit diesem Beispiel lässt sich anschaulich beweisen, dass zum Zeitpunkt einer Entscheidung für einen Standort nicht die Lage entscheidend ist, denn sonst hätte man alles auf die Karte ZHS setzen müssen. Man ist einen anderen Weg gegangen: Man hat die optimale Lage nicht gewählt, sondern erschaffen. Mit ihrer Entscheidungsfindung haben die Bauherren Weitsicht bewiesen – und für Fußballfans aus aller Welt und die eigene Bilanz langfristig das Optimum bereitgestellt.

Alles nur Zufall?

Bereits Aristoteles war sich ziemlich sicher: „Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintritt.“ Doch das Attribut „Zufall“ verpassen wir gern nach Gutdünken. So war es schließlich schon immer: Der eigene Misserfolg wird gern Pech genannt, der Erfolg der anderen in der Rubrik „reiner Glückstreffer“ kategorisiert. Uns allen begegnen im Leben günstige Gelegenheiten, aber viele haben nicht die Gabe, diese Gelegenheit auch als solche zu erkennen – oder nicht den Mut, im richtigen Moment beherzt zuzugreifen, um den Ball nach einem beherzten Solo im Netz des Erfolgs zu versenken.

Mit dem Glauben an den Zufall ist das übrigens so eine Sache. Die meisten Ereignisse, die wir uns sonst nicht erklären können, bezeichnen wir als Zufälle, weil wir nicht genügend Informationen besitzen, um uns das Geschehen als logische Folge aufeinander aufbauender Ereignisse bewusst zu machen. Wenn uns die Jugendliebe just in dem Moment anruft, in dem wir an sie denken, sind wir erstaunt über die göttergleiche Macht des Zufalls. Nicht erstaunt waren wir hingegen in den abertausenden Momenten, in denen wir in den Jahrzehnten davor an sie gedacht haben – und in denen sie nicht angerufen hat. Genauso verhält es sich mit den Glückstreffern im Fußball, denn nur allzu gern wird dem Zufall nicht vorhandenes Erklärungspotenzial zugeschrieben: Geht der Ball von Innenpfosten zu Innenpfosten und dann ins Netz, nachdem der Schuss kurz zuvor von einem Verteidiger minimal abgelenkt wurde, sprechen wir von einem Zufallstreffer. Dass dem Schützen das in seiner langen Karriere schon hundert Mal passiert ist, er aber immer das Pech hatte, dass der Ball nach dem zweiten Pfostenkontakt die Torlinie nicht überquerte, wird bei solchen Betrachtungen gern außer Acht gelassen.

Die Hand Gottes des Kraken Paul, der bei der WM 2010 beeindruckende Vorhersagen getroffen hatte, hat es anschaulich bewiesen: Ob ein Ereignis – mag es auch noch so selten und beeindruckend sein – reiner Zufall ist oder nicht, erklärt der gesunde Menschenverstand. Wenn wir es ihm denn erlauben.

Gelegenheit macht Liebe

Kairos lebt. Und das nicht nur in der Psychologie, wo „Kairophobie“ für die Angst steht, Entscheidungen fällen zu müssen. Zum Beispiel die Entscheidung, eine sich bietende Chance blitzschnell beim Schopf zu packen. Kairos, die göttliche Gelegenheit, ist immer und überall. Man muss ihn nur unter seiner Maske wahrnehmen. Kairos ist die optimale Konstellation der Kräfte, die Einfluss auf das Geschehen und seine Verwandlung haben. Kairos selbst ist der Moment, der alles verändert, der das Vergangene für immer zurücklässt und die Zukunft und damit das Leben völlig neu definiert. Wer kennt sie nicht, die Liebe auf den ersten Blick (eine tolle Zeitersparnis, auch wenn eine zweite Meinung nachweislich immer eine gute Idee ist)? Die Frage ist, was man aus dieser Gelegenheit macht: Für den Zögernden bleibt die Liebe auf den ersten Blick immer eine Träumerei, während der Entschlossene sie zum Tanz auffordert.

Das Problem bei guten Gelegenheiten: Man kann sich kaum auf sie vorbereiten. Sie kommen meist spontan, wenn wir gerade einmal nicht auf sie warten. Und wenn wir auf sie warten, kommen sie besonders gern dann, wenn wir nicht mit ihnen rechnen, weil wir gerade mit deutlich wichtigeren Dingen beschäftigt sind. Bei vielen Gelegenheiten kann man zudem gar nicht so schnell einschätzen, ob es sich um gute oder schlechte handelt. Sie sind einfach da und schweigen, statt klar und deutlich zu rufen: „Ab jetzt wird alles gut!“ Wir müssen mit kühlem Kopf abwägen und mit Entschlossenheit und einem gewissen Restrisiko eine Entscheidung darüber treffen, ob wir noch länger abwarten oder sofort beherzt zugreifen. Oder ob wir es uns leisten können, auf eine noch bessere Gelegenheit zu warten – auf die Gefahr hin, dass Kairos uns das niemals verzeihen wird.

Besonders deutlich wird die Problematik, wenn wir von der Geschäftsführung ein Angebot erhalten, die nächste Stufe der Karriereleiter zu betreten, denn das erlaubt uns gleichzeitig den Zutritt zur nächsten Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide oder – noch besser – unserer eigenen Bedürfnispyramide. Wer greift bei einer solch seltenen Gelegenheit nicht gern zu? Ist die Stelle allerdings an eine Bedingung geknüpft („Standortwechsel – möglicherweise sogar ins Ausland“), erbittet man sich sicherheitshalber ein Wochenende Bedenkzeit: Alles zurücklassen, was man sich zur Schaffung seiner Identität aufgebaut hat? Ist der finanzielle Gewinn es wert, das Abenteuer Zukunft anzutreten, oder wird der Großteil des Mehreinkommens am neuen Standort von höheren Lebenshaltungskosten aufgefressen? Es gibt nur äußerst selten ein Zurück, wenn sich die Gelegenheit irgendwann in der Zukunft als gar nicht so gute entpuppt.

Wir neigen dazu, den Spatz in der Hand zu entwerten und die Taube auf dem Dach durch eine rosarote Brille zu bewundern. Und wir und unser Ego lieben es geradezu, unseren Lebenslauf mit einer mondän-weltmännischen Zeile zu garnieren und aufzuwerten. Wir greifen zu und verlieren etwas für immer – in der Hoffnung und meist sogar im festen Glauben, dass das Gras auf der anderen Seite des Lebens saftiger ist. Und wenn es dann nicht so wird, wie wir es uns ausmalen, reden wir es uns und anderen so lange schön, bis wir Frische und Saftigkeit des Grases im Mund zu schmecken glauben. Das Eingestehen von Fehlern und persönlichen Fehlentscheidungen gehört nun einmal nicht zu unseren Stärken. Stark sind wir eher darin, Erfolge unseren außergewöhnlichen Fähigkeiten, unserem Leistungsvermögen und unserer Lösungskompetenz zuzuschreiben, während die Misserfolge auf den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umständen und den Fehleinschätzungen anderer basieren, weshalb sie höchstwahrscheinlich auch allen anderen eine bittere Niederlage bereitet hätten. Das Vermutete wird kurzerhand zum Offensichtlichen. Wer wackelt schon gern freiwillig an den Sockeln des eigenen Selbstwertgefühls und der persönlichen Entscheidungskompetenz?

Diese Einstellung zeigt sich am deutlichsten überall dort, wo das richtige Timing zum ausschlaggebenden Faktor wird: An der