Co-Creation Learning - Georg Michalik - E-Book

Co-Creation Learning E-Book

Georg Michalik

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Beschreibung

Das Lernkonzept Flipped Classroom stammt ursprünglich aus der Schuldidaktik. Dabei wird die "zeitraubende" Erarbeitungsphase aus dem Unterrichtsraum in den privaten (Lern-)Bereich des Lernenden verlagert. Ziel ist es, das in der Vorbereitung erworbene Wissen direkt im Unterricht anzuwenden und so zu einem größeren Lernerfolg zu kommen. Das Buch denkt das Lernkonzept erstmals für den Weiterbildungsbereich und gibt mit I-M-P-A-C-T ein Konzept an die Hand, die Lernmethode für die Weiterbildung vorzubereiten. So entsteht eine Neuorganisation von Seminaren, in denen Teilnehmer:innen sich die Lerninhalte vorab selbstständig erarbeiten und mit ihrem Vorwissen dann das eigentliche Seminar besuchen.  

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Seitenzahl: 218

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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-5774-3

Bestell-Nr. 10583-0002

ePub:

ISBN 978-3-7910-5063-8

Bestell-Nr. 10583-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-5064-5

Bestell-Nr. 10583-0150

Georg Michalik/Volker Schulte

Co-Creation Learning

1. Auflage, September 2022

© 2022 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © Vadim Pastuh, Adobe Stock

Produktmanagement: Alexander Kühn

Lektorat: Heike Münzenmaier

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group SE

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[9]Co-Creation Learning – Weiterbildung mit Wirkung

Männliche und weibliche Schreibweise

Es ist uns wichtig, eine geschlechtergerechte Schreibweise zu verwenden. Wo möglich, nehmen wir die geschlechtsneutrale Form. So sprechen wir beispielsweise nicht von »Lernern«, sondern von »Lernenden« und meinen damit sowohl »die Lernende« als auch »den Lernenden«. An dieser Stelle sei übrigens vermerkt, dass, im Kontext dieses Buchs, mit »Lernenden« nicht Lernende in der beruflichen Ausbildung gemeint sind, sondern alle Menschen, die sich beruflich weiterbilden. In manchen Fällen kann die geschlechtsneutrale Form jedoch die Lesefreundlichkeit beeinträchtigen. Wenn beispielsweise bei Lernenden der oder die Einzelne gemeint ist, verzichten wir darauf, jedes Mal »der oder die Lernende« zu schreiben, und sprechen schlicht von »dem Lernenden«. Damit sind alle Formen gemeint: geschlechtsneutral, weiblich und männlich.

[11]Einleitung: Lernen, Planen und Entscheiden im 21. Jahrhundert

Der Weiterbildungsmarkt wird sich stark verändern. Die Covid-19-Krise hat die sich bereits abzeichnenden Trends verstärkt und beschleunigt. Wir sind seit Jahren in der digitalen Transformation. Nun zeigt sich, dass diese auch in Bereiche vordringt, die sich bisher noch bequem auf alten Gewohnheiten und mehr oder weniger garantierten Einnahmen ausruhen konnten. Für die Weiterbildung bedeutet dies, das digitaltechnikbasierte didaktische Methoden und digitale Angebote den Markt stark verändern werden. Weiterbildung wird internationaler und durchlässiger. Die Vorteile des Online Learning gegenüber dem Präsenzunterricht setzen sich immer weiter durch. Dies hängt auch mit dem neuen Anspruchsdenken der Lernenden im Weiterbildungsmarkt zusammen. Die Menschen möchten nicht mehr Zeit in mehrmonatigen oder mehrjährigen Weiterbildungsstudiengängen verbringen, sondern in kürzeren Formaten und Settings praxisorientierte, das heißt fall- und lösungsorientierte Fertigkeiten erlernen, die sie möglichst auch unmittelbar »on the Job« anwenden können. Weiterbildung auf Vorrat, fachlich zu unspezifisch und vielleicht nie angewendet, gehört der Vergangenheit an.

Auf die Annehmlichkeiten, die die Arbeitnehmenden im Homeoffice zu schätzen gelernt haben, wollen sie nicht mehr verzichten. »Nach der Krise ist nicht vor der Krise.« Neue Arbeits- und Bildungsgewohnheiten haben Einzug gehalten, die ein hohes Maß an Flexibilisierung von den Bildungsanbietern einfordern. Dieser Trend wird auch von den Arbeitgebenden getragen und verstärkt. Natürlich sehen sie nach wie vor den Sinn und die Notwendigkeit, ihre Mitarbeitenden in Weiterbindungen zu senden, doch hat mit der Homeoffice-Offensive die Preissensibilität für extern einzukaufende Bildungsdienstleistungen zugenommen. Betriebe möchten sich nicht mehr verpflichten, Mitarbeitende über längere Zeiträume in bezahlte Qualifizierungen zu schicken, wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher sind, dass sich die Investition für das Unternehmen rechnet.

Für die Weiterbildungsanbieter hat dies fundamentale Konsequenzen. Zum einen müssen sie versuchen, spezifischere Angebote auf den Markt zu bringen, andererseits müssen sie einen neuen Weg finden, mit Mitbewerbern zu kooperieren und sich zu koordinieren. Einer Weiterbildungsinstitution liebstes Kind war immer, einen länger andauernden Kurs, interdisziplinär zu verkaufen. In der Regel wurden die Kurse, auch an Hochschulen, vor Beginn nur marginal angepasst und überarbeitet. Der Trend im Konsum von Weiterbildungsleistungen wird aber auf kürzere Lerneinheiten hinauslaufen, die darüber hinaus mit anderen Kursen und Programmen, welche auch von anderen Institutionen angeboten werden, kompatibel sein müssen. Hier stehen wir zurzeit noch ganz am Anfang.

[12]Ein weiterer Trend ist die Hybridisierung von formalen Abschlüssen wie beispielsweise solche der höheren Bildung mit Leistungsnachweisen und Zertifikaten von Anbietern der nicht-formalen Weiterbildung. Dies ist von der Politik auch durchaus gewollt. Vorbehalte gibt es vor allem deswegen, weil die Qualität der erbrachten Leistungen, der vermittelten Bildung und damit auch die Qualifikationen der Lernenden bis jetzt noch nicht gut vergleichbar sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass internationale Bemühungen, Qualität vergleichbar zu machen, Früchte tragen werden. Ein Beispiel ist der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR), der von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in sogenannte nationale Qualifikationsrahmen übersetzt worden ist. Die im EQR definierten Lernniveaus dürften auch und gerade für die Weiterbildung in Zukunft eine große Rolle spielen.

Dieses Buch versucht, einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen und Trends in der Weiterbildung zu schaffen. Wir holen dazu thematisch weit aus. Zunächst wird eine knappe Übersicht über die aktuellen makroökonomischen Trends geboten und erörtert, was es für das Lernen bedeutet, wenn immer weniger Leute für qualifizierte Arbeit zur Verfügung stehen und damit auch weniger Zeit haben, in unspezifische oder wenig sinnvolle Weiterbildung zu investieren.

Wir betrachten darüber hinaus die sogenannte Amerikanisierung des Arbeitsmarktes. Die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle und Arbeitsinhalte wird in Zukunft neue ausdifferenzierte Tätigkeitsprofile und eine Vielfalt an Erwerbsformen und Flexibilitätsmustern hervorbringen. Die Hybridisierung von Arbeit und Freizeit wird ebenfalls zunehmen. Arbeitsorte werden flexibel und austauschbar. Konzentrierte kurze Arbeitsphasen wechseln sich mit Freizeit- und sportlichen Aktivitäten ab. Der Trend zur Gig Economy spiegelt dabei die neue Mentalität des Arbeitens und die Flexibilisierung der Weiterbildung wider.

Auch die Unternehmen stellen sich auf diese neue Mentalität ein und arbeiten zunehmend, gerade in großen Unternehmen, an agilen Unternehmenswelten. Diese zeichnen sich durch weniger Hierarchie, höherer Selbstverantwortung und Wertschätzungskulturen aus. Dies alles hat Auswirkungen auf die neuen Formen selbstständigen Lernens, auf welche diejenigen Weiterbildungsanbieter zu reagieren haben und Angebote entwickeln müssen, die diesen neuen Ansprüchen Rechnung tragen wollen. Dies ist bisher nur in Ansätzen gelungen. Der Riemen der technologischen Transformation ist die zunehmende Digitalisierung in den Betrieben und in der Weiterbildung. Daher werden wir die Besonderheiten digitalen Lernens, seine Herausforderungen, Vor- und Nachteile, genauer beleuchten.

Weiterbildung dient zusätzlicher Qualifikation. Wir weisen Studierende und Führungspersonen in den Unternehmen stets darauf hin, wie wichtig eine lösungs- und praxis[13]adäquate Qualifizierung in Zukunft ist, weil aufgrund der demografischen Vorgaben praktisch jede qualifizierte Person früher oder später eine Managementfunktion übernehmen wird, bei der sie andere Menschen führen muss und als Vorbild für eine wertschätzende Kultur gilt. Was wird das in der Zukunft für die Führung bedeuten? Führung im digitalen Zeitalter ist aufwendiger, komplexer und vor allem technischer geworden. Wie kann man nun die Notwendigkeiten der Vermittlung sozialer Kompetenz mit den räumlich-technischen Aspekten der Digitalisierung verbinden? Dieses Thema untersuchen wir im Kapitel 1.6 zur Digitalen Leadership genauer und werden dabei feststellen, das bisherige Tugenden von Selbstführung mit der Führung auf räumliche Distanz gut zu vereinbaren, ja notwendig sind, um ein Betriebsklima ohne physische Präsenz aufrechtzuerhalten. Die Ziele bleiben ja dieselben: die Motivation und Produktivität des Unternehmens zu stärken und Fluktuation und Absenzen zu minimieren. Daher beleuchten wir auch das Thema Resilienz. Wenn alle in den unterschiedlichen Hierarchiestufen mehr Verantwortung und Eigeninitiative übernehmen müssen, dann braucht es auch Widerstandskraft und mentale Stärke. Resilienz zeigt sich in einem gelungenen Zusammenspiel von individuellen Schwächen und Stärken sowie in unterstützenden oder hemmenden Faktoren unserer (sozialen) Umwelt. Sie zeigt sich im Umgang mit besonderen Herausforderungen, Entwicklungsaufgaben, Krisen und kritischen Lebensereignissen.

Bringen wir diese Faktoren mit den Aspekten der Weiterbildung zusammen, dann stellt sich sogleich die Frage, ob die Dozierenden fachlich und technisch überhaupt noch in der Lage sind, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Wir zeigen auf, wie wichtig eine weitere Qualifikation, eine Weiterbildung für die Dozierenden selber ist. Ein Dozent möchte gerne die Lernenden voranbringen, ein gutes Vorbild sein. Bisher konnte jedoch der Dozierende in seinem eigenen Kosmos leben, Lerninhalte vordefinieren, vermitteln und dadurch hoffen, den Lernenden neue Erkenntnisse beizubringen. Dies ist heute so nicht mehr durchzuhalten. Lernen heute bedeutet, sich viel stärker auf die Bedürfnisse der Lernenden einzustellen, von Wissensvermittlung wegzukommen, und sich auf die Verwendung und Umsetzung von Erlerntem zu konzentrieren. Dies sind Fertigkeiten, die vielen Dozierenden noch fremd sind.

Wenn die Digitalisierung bereits omnipräsent ist, müssen wir uns gerade im Bezug auf die Bildung fragen, unter welchen ethischen und moralischen Bedingungen wir leben und arbeiten wollen. Gedanken und Reflexionen dazu sind im Thema der digitalen Ethik festgehalten. Des Weiteren widmet sich ein Kapitel der Thematik der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen und beschreibt, wie in Zukunft hochschulorientierte und wissenschaftsbasierte Weiterbildung gestaltet werden muss.

In einem großen, praxisorientierten Teil gehen wir auf die neue Methode des Co-Creation Learning ein und verdeutlichen, warum dieser Ansatz gerade für die Wei[14]terbildung wegweisend ist. Wir beschreiben, dass Co-Creation die Antwort auf die neuen Trends und Mentalitäten der Lernenden in der Weiterbildung ist, denn durch die Selbststeuerung des Lernens hat der Einzelne im Co-Creation Learning wesentlich mehr Möglichkeiten, seinen persönlichen Lernpräferenzen gerecht zu werden, als das im individuumszentrierten Lernen der Fall ist. Das Instrument hilft, umfassend und prozessual eigene Lernziele festzulegen und zu verfolgen.

[15]Teil 1 Determinanten moderner Weiterbildung

[17]1Makroökonomische Trends

1.1Demografie und Arbeitskräftemangel

Wie wichtig in Zukunft die permanente Weiterbildung in allen Lebensbereichen und Altersklassen wird, kann an den Statistiken der bedeutendsten Industrieländer herausgelesen werden. Seit Jahren wird ein Mangel an Arbeitskräften prognostiziert. Dies gilt für alle industrialisierten Länder der westlichen Hemisphäre. Ganz besonders gilt es aber für die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie für die skandinavischen und die Benelux-Staaten. Wenn auch die Schweiz von jeher aufgrund ihrer hervorragenden wirtschaftlichen Daten eine Sonderstellung innehat, so gilt dieser Trend des Arbeitskräftemangels grundsätzlich auch für die anderen Länder. Dieser Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften wird sich weiter zuspitzen. Dies auch deswegen, weil die Anforderungsprofile heute hoch kalibriert sind. Die Spezialisierung nimmt immer weiter zu.

Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und kann nur über Migration kompensiert werden. Dies bezieht sich vor allem auf die Dienstleistungsbranchen, den Gesundheitsbereich, die Logistik wie auch auf Bildung und Management. Das Wachstum und der Bedarf in Berufen der Zukunft werden die Arbeitsplatzverluste in traditionellen analogen repetitiven Bereichen überkompensieren. Ein Zuwachs von Arbeitsplätzen wird vor allem in den genannten Bereichen, aber auch im traditionellen Handwerk stattfinden.

In den genannten Ländern ist der demografische Wandel bereits weit fortgeschritten. In Deutschland ist bereits jede zweite Person älter als 45 Jahre und jede fünfte sogar älter als 66 Jahre (Statistisches Bundesamt, o. J.). Es wird eine wichtige politische Aufgabe sein, die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch jenseits des 67. Lebensjahres im Erwerbsleben zu halten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sich diese Berufsgruppe auch weiterhin entsprechend fortbildet und qualifiziert. Nur so wird der Fachkräftemangel zu lindern sein. Um ältere Arbeitnehmende im Erwerbsleben zu halten, müssen wir politische Maßnahmen ergreifen, welche die Attraktivität von Arbeit im Alter erhöhen. Dies kann durch Teilzeitmaßnahmen, Steuererleichterungen und Rentenverbesserungen geschehen.

Die Bereitschaft, über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus zu arbeiten, besteht und ist hoch. De facto sind dies potenzielle zusätzliche Arbeitskräfte, dessen Ressourcen und Potenzial bisher zu wenig ausgeschöpft wurden. Gemäß einer Deloitte-Studie wollen 5 % der Arbeitnehmenden über das Pensionsalter hinaus mit dem gleichen Pensum arbeiten wie bisher. 35 % möchten ebenfalls länger arbeiten, indes nur in einem Teilzeitpensum. Geht man von einem Szenario aus, dass diese Zielgruppe noch drei Jahre in einem Teilzeitpensum von etwa 60 % weiterarbeiten würde, dann [18]könnte bis zu einem Drittel der bis 2030 prognostizierten Arbeitskräftelücke geschlossen werden (Deloitte, 2019).

Um ältere Arbeitnehmende von einer Weiterführung des Erwerbslebens zu überzeugen, braucht es entsprechende Verbesserungen der finanziellen Anreize sowohl für die Arbeitnehmenden wie auch für die Arbeitgeber. Dadurch, dass die Vorsorgeleistungen im Erwerbsalter steigen, sind nach dem jetzigen System ältere Mitarbeitenden für die Arbeitgeber wesentlich teurer als junge. Personen, die über das übliche Pensionsalter hinaus im Erwerbsleben bleiben, entrichten zusätzlich noch Pensions- und Rentenabgaben. Dieses System ist unattraktiv und muss reformiert werden.

Auch die Covid-19-Krise hat grundsätzlich an diesem Trend des Fachkräftemangels nichts geändert. Wer derzeit – wir sprechen vom Frühjahr 2022 – auf Stellensuche ist, kann sich sehr gute Chancen auf einen neuen Job ausrechnen. Gemäß dem Job-Market-Index der Adecco-Gruppe haben schweizerische Firmen im vierten Quartal 2021 39 % mehr Stellen ausgeschrieben als im Vorquartal. Auch wenn man die Daten mit den Bedingungen vor der Pandemie vergleicht, ist immer noch ein enormer Anstieg um 18 % festzustellen (Adecco, 2022). Im Frühjahr 2022 wurden gemäß Datenfirma X28 160.000 offene Stellen verzeichnet. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht nur hoch qualifizierte Jobs offen sind, sondern auch Hilfsarbeiter, Bäcker und Bürokräfte gesucht werden. Für die Arbeitgeber ist diese Situation sogar so prekär, dass sie notgedrungen auch auf temporäre Arbeitskräfte zurückgreifen (X28, 2022). All dies zeigt, dass es wahrscheinlich seit dem Boom der 1950er- und 1960er-Jahre für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr so attraktiv wie heute gewesen ist, einen adäquaten neuen Job zu suchen und auch zu finden.

Mittel- und langfristig ist mit einer weiteren Verschärfung des Arbeitskräftemangels zu rechnen. Je nach Szenario werden in Deutschland aufgrund des Ausscheidens der Babyboomer-Jahrgänge von aktuell 4,1 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dreißig Jahren nur noch 33 Mio. zur Verfügung stehen (Statistisches Bundesamt, o. J.). Auch für Deutschland gilt, dass nur durch Nettozuwanderung langfristig das Potenzial an Arbeitnehmenden gehalten oder leicht ausgebaut werden kann. Dass dies natürlich auch Auswirkungen auf die gesellschaftliche und kulturelle Kohäsion dieser Länder hat und entsprechend anzupacken ist, steht außer Frage.

Neben den konjunkturellen Einflüssen auf dem Arbeitsmarkt ist es vor allem der demografische und technologische Wandel, der für die nächsten Jahre prägend sein wird. Aus demografischer Perspektive altert die Erwerbsbevölkerung und nimmt ab, Deutschland dürfte in den 2020er-Jahren knapp 10 % seiner Erwerbsbevölkerung einbüßen. Gleichzeitig ändert sich durch den demografischen Wandel aber auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit auch die Nachfrage nach Jobs. Der technologische Wandel wiederum bestimmt, welche Jobs zu welchem Grad automa[19]tisiert werden können. Gemäß einer Studie von Deloitte aus dem Jahr 2020 ist davon auszugehen, dass etwa zwei Drittel der erbrachten Arbeitszeit nach wie vor nur von Menschen zu erbringen sind und nicht automatisiert werden können. Der Grund ist darin zu suchen, dass viele Berufe eine Interaktion mit anderen Menschen voraussetzen. Das letzte Drittel kann durch neue Technologien ersetzt werden. Dies wird durch den Einsatz von Robotern wie auch durch die Weiterentwicklung von Data Analytics geschehen. Berufe in den Bereichen Erziehung und Ausbildung, Medizin und Gesundheit wie auch Entrepreneurship und Jurisprudenz werden in Zukunft noch stärker als bisher gefragt sein (Deloitte, 2020).

Wir können als Fazit festhalten: In Zukunft dürften mehr Jobs geschaffen werden als wegfallen. Da nicht alles automatisiert werden kann, dürfte der Druck auf den Arbeitsmarkt steigen. Die Position der Arbeitnehmenden wird sich dadurch verbessern, jene der Arbeitgebenden abschwächen, weil Arbeit ein rares Gut ist.

1.2Amerikanisierung des Arbeitsmarktes

Wenn früher von der Amerikanisierung der Gesellschaft gesprochen wurde, so wurde damit intendiert, die Gesellschaft schlage einen Weg hin zum Schlechteren ein. Mithin galt – und gilt bis heute – die Vorstellung, dass alles, was sich an gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA vollzieht, in wenigen Jahren zu uns nach Europa herüberschwappt, vor allem was die Arbeitsformen und Arbeitsinhalte betrifft.

Was die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle und Arbeitsinhalte anbelangt, werden in Zukunft neue ausdifferenzierte Tätigkeitsprofile eine Vielfalt an Erwerbsformen und Flexibilitätsmustern mit sich bringen, vor allem in den Dienstleistungsberufen. Damit einher geht eine Hybridisierung von Arbeit und Freizeit. Der Mensch arbeitet wenige Stunden konzentriert, um sich dann sportlich zu betätigen oder auch zu entspannen und sich danach vielleicht, völlig unabhängig von institutionalisierten Arbeitszeitmodellen, wieder für ein paar Stunden an die Arbeit zu machen.

Heute haben die Menschen mehr Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – es ist nicht mehr unbedingt notwendig, sich auf einen klassischen 9-to-5-Job zu verlassen. Stattdessen sind die Menschen in der Lage, kreativer und selbstständiger zu sein, wenn es um ihre Arbeit geht, und nehmen je nach Wunsch oder Bedarf kurzfristige Jobs an. Diese Art zu arbeiten, ist als Gig Economy bekannt.

Die Menschen arbeiten schon seit einigen Jahren in der sogenannten Gig Economy, aber durch Covid-19 ist das Interesse an Teilzeitarbeit und freiberuflicher Tätigkeit sprunghaft angestiegen. Aber ist das eine gute Sache? Was sind die Vor- und Nachteile der Gig-Arbeit? Werfen wir einen genaueren Blick darauf.

[20]Die Gig Economy ist ein Arbeitsmarkt, der aus freiberuflichen oder Teilzeitjobs besteht, im Gegensatz zu festen Vollzeitverträgen. Gigworker können in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sein – vom Fahren eines Busses oder Lieferwagens über die Entwicklung von Werbematerial bis hin zu technischem Support und Auftritten von Künstlern. Was eine Person zu einem Teil der Gig Economy macht, ist nicht ihr professioneller Hintergrund oder die gewählte Branche, sondern die Tatsache, dass sie auf kurzfristiger, projektbezogener Basis arbeitet und nicht als langfristig Angestellter ein und desselben Arbeitgebenden.

Auch Angestellte können Teil der Gig Economy sein. Sie könnten zum Beispiel als Sekretärin oder Lehrerin arbeiten und in ihrer Freizeit Gigs als Barkeeper oder Babysitter annehmen, um ihr Einkommen aufzubessern. Gigworker übernehmen oft eine viel größere Vielfalt an Aufgaben als Angestellte, die in Vollzeit für ein einziges Unternehmen arbeiten.

Jobs der Gig Economy nehmen zu. Die am schnellsten wachsenden Segmente der Gig Economy finden sich in den kreativen und wissensintensiven Branchen. So könnte beispielsweise ein Grafikdesign-Studio einen Werbeberater anheuern, der es bei einem bestimmten Projekt unterstützt, oder eine Pizzeria könnte einen fachkundigen Werbetexter mandatieren, der bei der Erstellung einer neuen Speisekarte hilft.

Die modernen Technologieunternehmen tragen dazu bei, dass die Gig Economy ihreReichweite vergrößert, indem sie Arbeitnehmende und Verbraucher schneller und effizienter zusammenbringen.

Die Gig Economy kann in drei Komponenten unterteilt werden:: Auf der einen Seite stehen die Gig-Economy-Arbeitnehmenden, die für eine bestimmte Aufgabe oder ein bestimmtes Projekt eingestellt werden, auf der anderen Seite die Personen, die eine bestimmte Aufgabe, die erledigt werden muss, vorweisen (z. B. eine Taxifahrt, ein neues Website-Design oder einen Lieferservice). Die dritte Komponente stellen Unternehmen dar, die Arbeitnehmende direkt mit Verbrauchern zusammenbringen – in der Regel handelt es sich dabei um App-basierte Plattformen. Diese dienen als Mittler zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Hier können diese unabhängigen Einzel-Selbstständigen Kurzzeit-Dienstleistungen anbieten und über Plattformen wie Uber, TaskRabbit oder Upwork die Mandate holen. Die selbstständig Erwerbstätigen entscheiden am Ende selbst, ob und wann sie ein Angebot annehmen.

Der Begriff Gig Economy steht also für neue Formen des informellen Arbeitsmarktes, bei dem zeitlich befristete Aufträge kurzfristig an Arbeitssuchende, Freelancer oder Teilzeitbeschäftigte vergeben werden.

Auch hier ist ein eindeutiger Trend festzustellen: Das Angestelltenverhältnis wird an Dominanz verlieren. Ein-Mann- oder Eine-Frau-Betriebe wird es in Zukunft viel häu[21]figer geben. Menschen werden vermehrt projektbezogen für unterschiedliche Auftraggeber arbeiten. Diese Flexibilität wird für die Erwerbstätigen eine freiere und individuelle Arbeitsorganisation, aber auch eine Freiheit und Flexibilität bei der Auftragsannahme schaffen. Aufgrund der knappen Arbeitnehmerressourcen werden wir in Zukunft noch stärker entscheiden dürfen, ob wir ein Projekt annehmen oder nicht. Und dieser Entscheid dürfte stark davon beeinflusst werden, ob uns eine Arbeit sinnvoll scheint oder nicht. Der Anteil an Selbstständigen, Self-Entrepreneuren, Projektarbeitern usw. wird in Zukunft entsprechend ansteigen. Der Vorteil daran ist, dass wir unsere Arbeit aufgrund der digitalen Technologien jederzeit von überallher erledigen können. Schon heute gibt es in der Start-up-Szene und bei den Self-Entrepreneuren entsprechende Working-Hubs in Florida, der Karibik oder auch auf den Balearen und Kanaren. Von morgens um neun bis zum frühen Nachmittag wird gearbeitet, dann ein paar Stunden gesurft, um sich vielleicht am Abend noch einmal an den Computer zu setzen und ein Projekt weiterzuentwickeln.

Umgekehrt werden zukünftig langfristige Arbeitsverhältnisse so selten sein wie das Berufsbild des katholischen Dorfpfarrers. Menschen, die 30 oder 40 Jahre auf einer Stelle sitzen und arbeiten, gehören definitiv der Vergangenheit an. Die Autoren können sich noch daran erinnern, dass in den 1990er-Jahren zu viele Stellenwechsel in einem Lebenslauf – und damit war ein Stellenwechsel alle 2–3 Jahre gemeint – sich negativ auf die Karriere und die Bewerbung auswirkten. Hingegen gelten heute Lebensläufe, die nur wenige Stellenwechsel über viele Jahre bezeugen, als langweilig und wenig dynamisch.

Die Kehrseite dieser Entwicklung ist der Verlust einer langfristig geplanten sozialen Sicherheit. Die Lebensverhältnisse insgesamt sind nach wie vor von der Kultur der Arbeit geprägt, doch der Ort, an dem diese ausgeführt wird, und die Zeit, die für diese in Anspruch genommen wird, ist nicht mehr gefestigt. Mit der freien Wählbarkeit ist auch eine Unsicherheit in der Lebensplanung verbunden.

Die typische Erwerbstätigkeit für Arbeitnehmende in den kommenden Jahren wird etwa so aussehen: eine feste Teilzeitanstellung, darüber hinaus eine Beschäftigung mit Projekten aus akquirierten Mandaten und unter Umständen das Nachgehen noch weiterer berufsähnlicher Aktivitäten, die wenig oder gar nichts mit dem angestammten Beruf zu tun haben (Bademeister, Barkeeper, Fitnesscoach). Hobby und Beruf werden zunehmend deckungsgleich.

1.3Die Spielarten von Remote Work

Die Welt befindet sich seit mehr als zwei Jahren in der Covid-19-Krise. Die Pandemie hat die Arbeitsorganisation für viele Arbeitnehmende grundsätzlich verändert. Nach gut zwei Jahren Krisensituation mit längeren Homeoffice-Phasen haben sich [22]Modelle entwickelt, die Arbeits- und Freizeitwelt komplementär ineinandergreifen lassen. Die alten Ansätze von Work-Life-Balance bzw. Life-Domain-Balance werden nun von dem Lebensansatz des »Work-Life-Blending« abgelöst. Die täglichen Übergänge zwischen Arbeits- und Privatleben werden fließend. Die Menschen wechseln situativ zwischen beruflichem und privatem Kontext. Die Produktivität hat dabei zugenommen, weil bürobedingte Leerläufe, Ablenkungen etc. sich im privaten Bereich selbstbestimmter steuern lassen. Die Wertschöpfung nimmt zu, die Arbeit ist produktiver.

Mit dem Wechsel von der Büroarbeit zum Homeoffice aufgrund der Pandemie haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen grundlegend verändert. Um zu ermitteln, inwieweit der Wechsel zum Homeoffice die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden beeinflusst hat, wurden im März 2020 sowie Januar 2022 zwei Umfragen der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zur Arbeit im Homeoffice durchgeführt.

Mit diesen Umfragen sollte zudem untersucht werden, ob Führungsprinzipien, die sich bereits im Geschäftsalltag bewährt haben, auch im Homeoffice wirksam sind, und ob es einen Zusammenhang zwischen digitaler Führung, Wohlbefinden und Resilienz im Homeoffice gibt. Dabei sind Telearbeit und Homeoffice kein neues Phänomen. Laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik arbeiteten bereits im Jahr 2018 rund 138.000 Personen mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit in sogenannter Telearbeit von zu Hause aus. Weitere 445.000 waren regelmäßig im Homeoffice, aber mit weniger als 50 % ihres Arbeitspensums. Weitere 478.000 Beschäftigte taten dies gelegentlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass von den 5,1 Mio. Arbeitsplätzen in der Schweiz die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten während der Pandemie auf Homeoffice-Arbeit umgestiegen ist. Im Jahr 2016 wünschten sich 87 % der Beschäftigten mehr Homeoffice, wobei der Anteil der temporären Heimarbeitsplätze zu diesem Zeitpunkt bei 28 % lag. Im Jahr 2014 konnte bereits rund die Hälfte der 4,9 Mio. Beschäftigten in der Schweiz organisatorisch und technisch von zu Hause oder von unterwegs arbeiten (Schulte et al., 2020).

Die Ergebnisse sind eindeutig, sowohl 2020 wie 2022. Grundsätzlich bietet das Homeoffice viele Vorteile und wenig Nachteile. Zunächst einmal spart es den Nutzern Zeit, weil das Pendeln entfällt. Auch die Arbeitszeiten können flexibler gestaltet werden. Voraussetzung ist, dass das Homeoffice die technischen und organisatorisch-räumlichen Voraussetzungen erfüllt, um produktive Arbeit zu leisten. Die Nachteile können darin bestehen, dass der Vorgesetzte zusätzliche Anstrengungen unternehmen muss, um die Mitarbeitenden im Homeoffice zu begleiten. Zudem sind die persönlichen sozialen Kontakte eingeschränkt, weil man die Kollegen aufgrund der Homeoffice-Organisation seltener sieht. Persönliche Kontakte können durch Sprach- und Videoanrufe [23]nicht vollständig kompensiert werden. Homeoffice verdrängt die angestammte Büroarbeit an einem vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsplatz.

Anders sah es freilich für Eltern im Homeoffice aus. Diese mussten sich während der verschiedenen Lockdowns auch um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Gemäß einer Studie des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung war dies jedoch mit enormen Belastungen verbunden. Erwerbsarbeit, Kleinkinderbetreuung oder Homeschooling brachten die Betroffenen an ihre Belastungsgrenzen (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2021).