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CO2 zum Nulltarif? E-Book

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Beschreibung

Um den Klimawandel abzubremsen, ist es zwingend erforderlich, die Treibhausgasemissionen zu verringern. Ein Instrument hierfür ist ein höherer Preis für Emissionen. Dieses Buch beschreibt unterschiedliche Ansätze dieser Bepreisung, ihre Ziele sowie ihre unerwünschten Nebeneffekte und die daraus resultierenden Zielkonflikte. Diskutiert werden zudem wirtschaftspolitische Instrumente, mit denen sich negative Folgen eines höheren Emissionspreises mildern lassen. Der Text analysiert mithilfe zahlreicher Abbildungen die gesamtwirtschaftlichen Effekte eines Preises für Treibhausgasemissionen und ist als Einführung in die volkswirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels gedacht. Er richtet sich an interessierte Praktiker:innen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung sowie an Studierende, Lehrkräfte sowie umwelt- und wirtschaftspolitisch interessierte Bürger:innen. Alle Begriffe und Konzepte werden leicht verständlich erklärt – ökonomische Vorkenntnisse sind daher nicht erforderlich.

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Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)

CO2 zum Nulltarif?

Warum Treibhausgasemissionen einen Preis haben müssen

Thieß Petersen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Verantwortlich: Thieß Petersen, Thomas Rausch

Lektorat: Heike Herrberg

Herstellung: Christiane Raffel

Umschlaggestaltung: Elisabeth Menke

Umschlagabbildung: © Simon Kraus – stock.adobe.com

Satz: Büro für Grafische Gestaltung – Kerstin Schröder, Bielefeld

ISBN 978-3-86793-933-1 (Print)

ISBN 978-3-86793-934-8 (E-Book PDF)

ISBN 978-3-86793-935-5 (E-Book EPUB)

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1: Treibhausgasemissionen – Wo liegt das Problem?

Kapitel 2: Optimales Emissionsvolumen und Marktversagen – Wie hoch sollte das Treibhausgasemissionsvolumen sein?

2.1Verhaltenstheoretische Annahmen der ökonomischen Analyse

2.2Optimales Treibhausgasemissionsvolumen

2.3Treibhausgasemissionen und negative externe Effekte

2.4Quantifizierung der negativen externen Effekte von Treibhausgasemissionen

Kapitel 3: Heilung des Marktversagens – Wie lassen sich negative externe Effekte internalisieren?

3.1Steuer- und Zertifikatslösung bei modelltheoretischen Idealbedingungen

3.2Steuer- und Zertifikatslösung bei realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

3.3Aktuelle Beispiele für die Bepreisung von Treibhausgasemissionen

3.4Abbau umweltschädlicher Subventionen

3.5Geht es auch ohne eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen?

Kapitel 4: Lenkungsziel – Welche ökonomischen Effekte soll eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen erreichen?

4.1Kurzfristige Effekte einer Bepreisung von Treibhausgasemissionen

4.2Mittel- und langfristige Effekte einer Bepreisung von Treibhausgasemissionen

4.3Ressourcenproduktivität und Grenzen des Wachstums

Kapitel 5: (Unerwünschte) Nebeneffekte – Welche gesellschaftlich nicht intendierten Effekte ergeben sich aus der Bepreisung von Treibhausgasemissionen?

5.1Verteilungseffekte der Bepreisung von Treibhausgasemissionen

5.2Arbeitsmarkteffekte der Bepreisung von Treibhausgasemissionen

5.3Wachstumseffekte der Bepreisung von Treibhausgasemissionen

5.4Globale Verteilungseffekte der Bepreisung von Treibhausgasemissionen

5.5Carbon Leakage

Kapitel 6: Sozialpolitische Flankierung der Bepreisung von Treibhausgasen – Wie können soziale Härten während der Transformation der Wirtschaft gemildert werden?

6.1Staatliche Instrumente zur Flankierung einer Emissionsbepreisung

6.2Unerwünschte Nebeneffekte einer staatlichen Flankierung der Emissionsbepreisung

6.3Verteilungseffekte einer staatlichen Flankierung der Emissionsbepreisung

Kapitel 7: Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – Wie können Unternehmen bei einem unilateralen Preis für Treibhausgase international wettbewerbsfähig bleiben?

7.1Staatliche Maßnahmen zur Reduzierung der Produktionskosten

7.2Steuerlicher Grenzausgleich – theoretische Grundlagen

7.3Steuerlicher Grenzausgleich – praktische Umsetzungskonzepte

7.4Abwertung der heimischen Währung

Kapitel 8: Ökonomisches Prinzip der internationalen Arbeitsteilung – Wo soll die Einsparung von Treibhausgasemissionen stattfinden?

8.1Treibhausgasemissionen und realwirtschaftliche Kostenvorteile

8.2Treibhausgasemissionen und Emissionsvermeidungskosten

8.3Treibhausgasemissionen und globale Wertschöpfungsnetzwerke

Kapitel 9: Bepreisung von Treibhausgasen und technologischer Fortschritt – Schafft der Markt die Transformation hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft?

9.1Technologischer Fortschritt in einer wettbewerblich organisierten Marktwirtschaft

9.2Technologischer Fortschritt und die Rolle des Staates

9.3Technologischer Fortschritt und Patentschutz

Kapitel 10: Technischer Fortschritt und Preissenkungen – Wie lässt sich der Rebound-Effekt begrenzen?

10.1Ökonomische Rebound-Effekte

10.2Psychologische Rebound-Effekte

Kapitel 11: Internationale Dimension – Wie kommen wir zu einem einheitlichen globalen Treibhausgaspreis?

11.1Trittbrettfahrerverhalten als Hürde für einen einheitlichen Emissionspreis

11.2Globaler Klimaschutz durch einen Klimaklub

Kapitel 12: Intertemporale Dimension – Wer trägt die Kosten und die Vorteile der Reduzierung von Treibhausgasemissionen?

12.1Generationengerechtigkeit auf nationaler Ebene

12.2Generationengerechtigkeit auf internationaler Ebene

Kapitel 13: Politische Ökonomie der Emissionsreduzierung – Wie lassen sich schmerzhafte politische Reformen umsetzen?

13.1Emissionsanstieg – Erkenntnis- oder Umsetzungsproblem?

13.2Politische Ökonomie der Klimapolitik auf nationaler Ebene

13.3Politische Ökonomie von Langfristentscheidungen

13.4Politische Ökonomie der Klimapolitik auf internationaler Ebene

Fazit und Ausblick

Anhang 1: Konsumenten- und Produzentenrente als Maß für die gesellschaftliche Wohlfahrt

Anhang 2: Wirkung einer Steuer bei vollkommen elastischer Nachfrage

Anhang 3: Wirkung eines steuerlichen Grenzausgleichs in einer großen Volkswirtschaft

Literatur

Abstract

Vorwort

An der Tankstelle haben viele von uns es zum ersten Mal bemerkt: Zum 1. Januar 2021 hat die deutsche Bundesregierung einen CO2-Preis von 25 Euro je Tonne auf fossile Energieträger wie Benzin, Diesel oder Heizöl eingeführt. Bis zum Jahr 2025 ist ein kontinuierlicher Anstieg des Preises auf 55 Euro vorgesehen, danach sollen weitere Erhöhungen folgen. Mit dieser zunehmenden Besteuerung werden die Kosten für den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase allmählich erhöht. Für Produzent:innen und Konsument:innen soll so ein Anreiz geschaffen werden, auf weniger treibhausgasintensive Güter und Dienstleistungen umzusteigen und damit ihre Lebens- und Produktionsweise besser mit den vorhandenen natürlichen Ressourcen in Einklang zu bringen. Angesichts der wachsenden negativen Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Lebensgrundlagen ist dies ein notwendiger, aber sicher noch nicht ausreichender Schritt.

Die Bundesregierung steht mit ihren Bemühungen nicht allein. Bereits 2005 hat die Europäische Union ein länderübergreifendes Emissionshandelssystem in Kraft gesetzt. Es deckelt die zulässigen Treibhausgasemissionen für insgesamt rund 11.000 erfasste Fabriken und Kraftwerke und erlaubt den Betreibern den Ausstoß von Treibhausgasen nur gegen Vorlage von Zertifikaten, die frei gehandelt werden können. Nachdem Anfang der 1990er-Jahre Finnland und Polen als erste Staaten eine moderate Treibhausgasbepreisung eingeführt haben, gibt es laut Weltbank – Stand: Ende März 2021 – weltweit 64 laufende oder geplante Initiativen auf regionaler, nationaler oder subnationaler Ebene. Darüber hinaus haben viele umsatzstarke Unternehmen interne Treibhausgaspreise eingeführt, um die tatsächlichen Kosten ihres Handelns in ihre strategischen Entscheidungen einfließen zu lassen.

Maßnahmen zur Bepreisung von Treibhausgas verfolgen zwar vor allem langfristige umweltpolitische Ziele, doch sie haben auch kurz- und mittelfristig wichtige wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Durch die Erhöhung der Produktionskosten stellt sich die Frage, wie sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen verändert – insbesondere dann, wenn Konkurrenzbetriebe aus anderen Staaten geringere Emissionspreise tragen. Die Erhöhung der Konsumpreise führt dazu, dass Haushalte mit einem größeren Verbrauch an treibhausgasintensiv hergestellten Produkten und Dienstleistungen starke Kaufkraftverluste hinnehmen müssen – mit Folgen für die Verteilung wirtschaftlicher Teilhabechancen. Der Staat als Empfänger von Treibhausgassteuern oder Erlösen aus dem Verkauf von Zertifikaten muss seine zusätzlichen Einnahmen so sinnvoll und so gerecht wie möglich einsetzen: Wie stark sollen besonders betroffene Familien oder Betriebe unterstützt werden oder wie umfangreich sollen Forschung und Investitionen in neue klimafreundliche Technologien gefördert werden?

Dieser und noch vielen anderen Fragen geht Thieß Petersen mit dem vorliegenden Buch umfassend auf den Grund. In dreizehn Kapiteln erläutert er schrittweise die Chancen und Grenzen des Einsatzes von marktwirtschaftlichen Instrumenten, um Treibhausgase zu reduzieren, und geht ausführlich auf ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ein. Das Buch soll dazu beitragen, die komplexen Zusammenhänge eines immer wichtigeren Themas für noch mehr Menschen verständlich zu machen. Es richtet sich damit an alle, die ein fundiertes volkswirtschaftliches Verständnis über marktwirtschaftliche Instrumente zur Treibhausgasbepreisung erlangen möchten – von politisch Interessierten über Studierende und Expert:innen aus angrenzenden Fachbereichen bis zu Entscheidungsträger:innen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Mit ihrem Projekt Global Economic Dynamics widmet sich die Bertelsmann Stiftung bereits seit Jahren der Aufgabe, wichtige internationale Trends zu identifizieren, anschaulich zu vermitteln und auf nationaler und internationaler Ebene Debatten über ihre politische Gestaltung anzustoßen. Fragen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit nehmen dabei eine immer größere Rolle ein und werden regelmäßig auf dem Blog des Teams beleuchtet – sei es bei der Analyse der unterschiedlichen Auswirkungen der Globalisierung auf Industriestaaten und Entwicklungsländer oder bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines steuerlichen Treibhausgas-Grenzausgleichs. Unsere Zielsetzung ist dabei immer, dazu beizutragen, hohe wirtschaftliche Dynamik, breite Teilhabe am Wohlstand und langfristige soziale und ökologische Tragfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Denn nur auf diesem dreifachen Fundament kann eine zukunftsfähige soziale Marktwirtschaft ruhen.

Wir wünschen eine angenehme Lektüre mit hoffentlich vielen Denkanstößen.

Dr. Jörg Dräger

Andreas Esche

Mitglied des Vorstands

Direktor Programm Megatrends

Einleitung

Um die globale Erwärmung und den Klimawandel zu stoppen oder zumindest abzubremsen, ist es zwingend erforderlich, die Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen zu verringern. Dem Markt allein gelingt dies nicht, weil nicht alle mit dem Ausstoß dieser klimaschädlichen Gase verbundenen Kosten in den Marktpreisen enthalten sind. Ökonom:innen sprechen von einem Marktversagen. Dessen Folgen sind eine systematische Übernutzung der weltweit zur Verfügung stehenden natürlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen und ein zu großes Volumen der globalen, vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen.

Ziel dieser Publikation ist, eine Übersicht über marktwirtschaftliche Instrumente zur Heilung dieses Marktversagens und deren ökonomische und soziale Effekte zu geben. Neben den erwünschten Folgen – einer Verringerung des Emissionsvolumens, das vor allem durch technologische Fortschritte und eine Steigerung der Ressourcenproduktivität erreicht wird – ergeben sich jedoch auch zahlreiche Nebeneffekte, die von Teilen der Gesellschaft nicht erwünscht sind. Sie treten besonders in dem Land auf, das Maßnahmen zur Verringerung seiner Emissionen ergreift. Dazu gehören vor allem Verteilungsfragen, denn eine ökologische Transformation der Wirtschaft verändert Knappheiten und Preise – und damit die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sowie die mit diesen Einkommen verbundene Kaufkraft. Politische Widerstände sind daher vorprogrammiert. Die gesellschaftspolitische Herausforderung besteht darin, die in der Phase der Transformation hin zu einer emissionsärmeren Wirtschaft anfallenden Anpassungskosten so zu verteilen, dass diese Transformation gesellschaftlich akzeptiert wird.

Der Text ist wie folgt strukturiert: Das erste Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die zahlreichen negativen Konsequenzen, die ein hohes weltweites Treibhausgasemissionsvolumen nach sich zieht. Im zweiten Kapitel wird mithilfe eines volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Vergleichs das aus gesamtgesellschaftlicher, globaler Sicht optimale Volumen an jährlichen Treibhausgasemissionen bestimmt. Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass ein unregulierter Markt dieses Volumen überschreitet, weil die wirtschaftlichen Akteure nicht alle Kosten ihrer Entscheidungen tragen und es daher zu einem sogenannten negativen externen Effekt kommt, der eine Form des Marktversagens ist. Im dritten Kapitel werden die beiden zentralen Instrumente zur Heilung dieses Marktversagens – die Erhebung einer Mengensteuer (Preislösung) und die Vergabe von Emissionsberechtigungen (Zertifikatslösung) – diskutiert. Dabei wird auch deutlich, dass die praktische Umsetzung dieser Instrumente vor allem dadurch erschwert wird, dass sich die Höhe der Schäden für Umwelt und Gesellschaft, die Treibhausgasemissionen verursachen, nicht eindeutig monetär bewertet lässt.

Das vierte Kapitel skizziert das Ziel, das mit einer Bepreisung von Treibhausgasemissionen verfolgt wird: die Reduzierung des globalen Emissionsvolumens durch eine Steigerung der Ressourcenproduktivität, um so ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Das fünfte Kapitel verdeutlicht, dass der Weg zu einer emissionsärmeren oder sogar -neutralen Wirtschaft mit einer Reihe unerwünschter Nebeneffekte verbunden ist. Dazu gehören Preissteigerungen mit Kaufkraftverlusten für die Verbraucher:innen, der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von ressourcen- und energieintensiven Unternehmen, temporäre Beschäftigungs- und Einkommensverluste sowie die Gefahr, dass emissionsintensive Produktionsverfahren in Länder verlagert werden, die weniger strenge Auflagen haben. Letzteres kann sogar zu einem Anstieg der weltweiten Emissionen führen.

Im sechsten Kapitel werden einige zentrale Instrumente diskutiert, die soziale Härten für private Haushalte und Unternehmen (inklusive der dort beschäftigten Menschen) abfedern können. Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen für den Fall, dass ein Land im Alleingang einen höheren Preis für Treibhausgasemissionen einführt und so die Produktionskosten der Unternehmen im Inland erhöht. Die Herausforderung besteht darin zu verhindern, dass emissionserhöhende Produktionsprozesse in die Länder verlagert werden, die keinen Treibhausgasemissionspreis haben. Im achten Kapitel wird der Frage nachgegangen, welchen Beitrag die internationale Arbeitsteilung zur Reduzierung des globalen Emissionsvolumens beitragen kann und wie ein höherer Emissionspreis die bisherige Form der internationalen Arbeitsteilung verändert (z. B. durch die Rückverlagerung bestimmter Arbeitsprozesse aus weit entfernten Niedriglohnländern).

Im neunten Kapitel wird diskutiert, inwieweit der private Unternehmenssektor den für eine Transformation hin zu einer emissionsärmeren Wirtschaft erforderlichen technologischen Fortschritt selbst auf den Weg bringen kann und in welchem Ausmaß eine staatliche Flankierung dieses Prozesses erforderlich ist. Das zehnte Kapitel behandelt das Phänomen, dass ein technologischer Fortschritt, der die Ressourcenproduktivität erhöht und damit den Ressourcenverbrauch sowie das Treibhausgasemissionsvolumen senken sollte, tatsächlich das Gegenteil erreichen kann. Hier geht es um sogenannte Rebound-Effekte. Für sie gibt es neben ökonomischen auch psychologische Ursachen.

Die Frage, wie es gelingen kann, die aus weltwirtschaftlicher Sicht optimale Lösung für das Problem eines zu hohen Emissionsvolumens durchzusetzen – also einen einheitlichen Weltmarktpreis für Treibhausgasemissionen, an den sich alle Länder halten –, wird im elften Kapitel diskutiert. Das zwölfte Kapitel beschäftigt sich damit, wie die Kosten und Nutzen, die mit den Maßnahmen zur Reduzierung des Emissionsvolumens verbunden sind, zwischen den jetzt lebenden Menschen und den künftigen Generationen verteilt werden. Im abschließenden dreizehnten Kapitel geht es um die Frage, wie die für eine ökologische Transformation erforderlichen Reformen gegen bestehende Widerstände durchgesetzt werden können.

Die Ausführungen sind bewusst knapp gehalten, um den Umfang des Textes auf ein überschaubares Maß zu beschränken. Nahezu jedes Kapitel könnte – bei einer weiteren Ausdifferenzierung und der Berücksichtigung der umfangreichen Literatur zu den ökonomischen Aspekten der Treibhausgasemissionen und des Klimawandels sowie geeigneter Instrumente zum Umgang mit diesen Herausforderungen – ganze Bücher füllen. Der Text ist somit als Einführung in die ökonomischen Aspekte des Klimawandels konzipiert. Er beschränkt sich auf marktwirtschaftliche Instrumente zur Verringerung der weltweiten Treibhausgasemissionen. Diese Fokussierung bedeutet nicht, dass marktwirtschaftliche Instrumente allein in der Lage sind, das globale Emissionsvolumen zu verringern. Ziel der Ausführungen ist, die Bepreisung von Treibhausgasen – unzweifelhaft ein integraler Bestandteil einer emissionsreduzierenden Wirtschafts- und Klimapolitik – detailliert zu analysieren und zu diskutieren.

Für wertvolle Anregungen und Hinweise danke ich Christian Bluth, Andreas Esche, Cora Jungbluth, Sonja Peterson, Thomas Rausch und Marcus Wortmann. Alle verbleibenden Fehler gehen zu meinen Lasten.

Kapitel 1: Treibhausgasemissionen – Wo liegt das Problem?

Die Umwelt und das Klima werden durch Treibhausgase belastet: Neben Kohlendioxid (CO2) gehören dazu auch Methan (CH4), Distickstoffmonoxid bzw. Lachgas (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), Tetrafluormethan (CF4), Hexafluorethan (C2F6), Oktafluorpropan (C3F8) und Schwefelhexafluorid (SF6). Das Emissionsvolumen all dieser Treibhausgase wird ausgedrückt in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Mit Blick auf das jährliche Volumen macht Kohlendioxid den mit Abstand höchsten Anteil aus: Im Jahr 2017 lag das Volumen der in Deutschland ausgestoßenen genannten Treibhausgase bei rund 1.080 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Die Menge an CO2-Emissionen betrug rund 971 Millionen Tonnen (vgl. Statistisches Bundesamt 2019: 3 und 12).

Das quantitativ wichtigste Treibhausgas ist Wasserdampf. Es spielt in der Diskussion zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen jedoch keine Rolle, weil die Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre nicht direkt vom Menschen gesteuert werden kann. Wasserdampf entsteht aus der Verdunstung von Wasser, allen voraus dem der Ozeane. Der menschliche Einfluss auf diese Verdunstung ist vernachlässigbar, selbst wenn zukünftig Wasserstoff als Energieträger eingesetzt wird. Es gibt jedoch einen indirekten Einfluss des Menschen auf das Ausmaß des weltweiten Wasserdampfvolumens: Da warme Luft mehr Wasserdampf halten kann als kalte Luft, erhöht der Mensch über die von ihm steuerbaren Treibhausgase die globale Erwärmung und mit ihr die Wasserdampfkonzentration (vgl. Rahmstorf und Schellnhuber 2007: 35 f.). Wegen des fehlenden direkten Einflusses des Menschen auf die Wasserdampfkonzentration spielt dieses Treibhausgas in den weiteren Ausführungen keine Rolle.

Zu den natürlichen Ressourcen gehören grundsätzlich alle Bestandteile der Natur, also »nachwachsende (biotische) und nicht-nachwachsende (abiotische) Rohstoffe, der physische Raum, die Fläche, die Umweltmedien, also Wasser, Boden und Luft, die strömenden Ressourcen sowie alle lebenden Organismen« (Umweltbundesamt 2018: 10). Da es in diesem Buch um die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen geht, sind im Folgenden mit dem Begriff »Ressourcen« nur die natürlichen Ressourcen gemeint, deren Nutzung durch den Menschen zu solchen Emissionen führt. Auch die Begriffe »Ressourcenproduktivität« und »Ressourceneffizienz« beziehen sich ausschließlich auf diese natürlichen Rohstoffe.

Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid ist seit dem Beginn der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rasant gewachsen. Mit dem wirtschaftlichen Fortschritt und der Zunahme des materiellen Wohlstands stieg der CO2-Ausstoß je Einwohner:in stark an. Vor allem in den hoch entwickelten Volkswirtschaften Europas und Nordamerikas ist der Lebensstil immer CO2-intensiver geworden. Erst in den letzten Jahren ist dort ein Rückgang der durchschnittlichen CO2-Emissionen je Einwohner:in festzustellen. In Asien steigt der CO2-Ausstoß je Einwohner:in infolge des großen Wirtschaftswachstums samt eines Anstiegs der durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen seit dem Jahr 2000 (siehe Abbildung 1.1).

Abbildung 1.1: Entwicklung des CO2-Ausstoßes je Einwohner:in in verschiedenen Weltregionen

Quelle: Ritchie und Roser 2017 (aktualisiert 2020)

Wegen der steigenden Bevölkerungszahlen hat auch das globale Emissionsvolumen enorm zugenommen. Die Kombination aus einem schnell wachsenden materiellen Wohlstand je Einwohner:in und einer starken Zunahme der Bevölkerungszahlen hat dazu geführt, dass Asien seit zwei Jahrzehnten die Region mit dem weltweit höchsten CO2-Emissionsvolumen ist (siehe Abbildung 1.2).

China ist dabei in erheblichem Maße für den Anstieg der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die chinesischen Emissionen sind zwischen 1990 und 2014 von 2,8 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten auf 11,6 Milliarden gestiegen. Damit war das Land in diesem Zeitraum für mehr als die Hälfte des globalen Anstiegs der Treibhausgasemissionen von 33,8 Milliarden Tonnen auf 48,9 Milliarden verantwortlich. So gesehen ist China »der Haupttreiber des weltweiten Treibhausgasausstoßes« (Frondel 2019: 167).

Abbildung 1.2: Entwicklung des gesamten CO2-Ausstoßes in verschiedenen Weltregionen

Quelle: Ritchie und Roser 2017 (aktualisiert 2020)

Die mit Abstand wichtigste Emissionsquelle ist der Energiesektor inklusive des Verkehrswesens. Weitere Quellen sind die Industrie, die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft (vgl. Umweltbundesamt 2020a: 71). Exemplarisch zeigt sich dies an Deutschlands Treibhausgasemissionen des Jahres 2018 (siehe Tabelle 1.1).

Tabelle 1.1: Deutschlands Treibhausgasemissionen im Jahr 2018, ausgedrückt in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten

Quelle: Umweltbundesamt 2020c

Treibhausgasemissionen sind eine zentrale Ursache für den Treibhauseffekt und die damit verbundene globale Erwärmung. Für Letztere gibt es zwei grundsätzliche Ursachen (vgl. zu den folgenden Ausführungen Rahmstorf und Schellnhuber 2007: 13, 29–53). Zum einen kann die Sonnenstrahlung, die auf die Erde trifft, zunehmen, etwa durch eine Veränderung der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Zum anderen kann sich die Abstrahlung der Wärme von der Erde verändern. Für eine Verringerung der in das All zurückgespiegelten Wärmestrahlung gibt es wiederum zwei Gründe:

1.Die Reflexionsflächen der Erde können sich verringern, etwa durch einen Rückgang der weltweiten Eisflächen. Dadurch wird ein kleinerer Anteil der Sonnen- bzw. der Wärmestrahlung von der Erde zurückgespiegelt. Die Folge ist, dass sich die Erde erwärmt.

2.Eine Veränderung in der Atmosphäre kann dazu führen, dass die von der Erde reflektierte Wärme nicht das Weltall erreicht. Verantwortlich für diese zweite Möglichkeit ist eine Erhöhung der Konzentration bestimmter Gase – der bereits genannten Treibhausgase – und von anderen Partikeln in der Luft. Die Treibhausgase absorbieren die Wärmestrahlung, statt sie in das All entweichen zu lassen, sodass es zu einem Wärmestau kommt. Dieser Treibhauseffekt ist grundsätzlich ein natürlicher und auch notwendiger Vorgang, denn ohne ihn wäre die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche rund 33 Grad Celsius niedriger, als sie es ist (vgl. Umweltbundesamt 2020e: 74). Problematisch ist jedoch, dass die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre infolge menschlicher Aktivitäten dramatisch zugenommen hat.

Aus der globalen Erwärmung ergeben sich etliche Konsequenzen, von denen hier lediglich die ökonomisch relevanten skizziert werden. Zu den wichtigsten Negativeffekten gehören die folgenden (die Ausführungen sind Petersen 2008 entnommen und basieren auf Rahmstorf und Schellnhuber 2007: 54 – 81):

•Das Abschmelzen der Gletscher und des arktischen Meereseises bewirkt eine Verstärkung der Erderwärmung, weil die Sonnenlicht reflektierenden Eisflächen kleiner werden. Der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels und das zunehmende Überflutungsrisiko bewirken höhere Kosten für den Küstenschutz und für die Beseitigung von Überflutungsschäden. Zudem sind kostenintensive Verlagerungen von Produktionsstätten erforderlich sowie die Umsiedlung der Bevölkerung, die in dann nicht mehr sicheren Orten wohnt.

•Mit dem Abschmelzen der Gletscher ist zudem eine Abnahme der Wasservorräte verbunden. Hiervon sind die Landwirtschaft und damit die Herstellung von Agrarprodukten betroffen. Weitere negative Folgen sind für die Trinkwasserversorgung der Menschen zu erwarten. Die Erwärmung von Seen und Flüssen führt schließlich zu einer vermehrten Algenbildung, die die Wasserqualität verschlechtert und daher die Kosten der Trinkwasserversorgung erhöht.

•Die globale Erwärmung kann darüber hinaus die Meeresströmungen verändern. Derzeit sinken die relativ kalten Wassermassen im europäischen Nordmeer und in der Labradorsee, wodurch sie das wärmere Wasser der südlichen Meere anziehen. Dieser Wärmetransport kann als Konsequenz der Erwärmung zum Erliegen kommen. Damit ginge eine Abkühlung im Nordatlantikraum einher, während sich die Südhalbkugel weiter erwärmen würde. Zudem würde der Meeresspiegel »praktisch ohne Verzögerung im Nordatlantik um bis zu einem Meter steigen, auf der Südhalbkugel etwas fallen« (Rahmstorf und Schellnhuber 2007: 69). In den Regionen mit steigendem Meeresspiegel sind daher erhebliche Maßnahmen für den Küstenschutz erforderlich. Andernfalls ist mit großen Schäden durch Überschwemmungen zu rechnen.

•Eine weitere Folge der globalen Erwärmung ist das Auftauen von Permafrostböden. Im Bereich instabiler Abhänge sind Schutzmaßnahmen erforderlich oder die Beseitigung von Schäden, die durch Bergstürze auftreten. Zu denken ist darüber hinaus an die Schäden, die aus dem Versinken von Häusern und Infrastruktur (Straßen, Pipelines etc.) entstehen sowie aus dem Versickern von Seen, die als Trinkwasserquellen dienen.

•Im Zuge des Klimawandels sind weiter zunehmende Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürren, Stürme, Überflutungen etc. zu erwarten. Wirtschaftlich relevante Konsequenzen sind unter anderem Hitzewellen mit einer steigenden Zahl von Hitzetoten, die Zunahme von hitzebedingten Erkrankungen, ein hitzebedingter Rückgang der Arbeitsproduktivität, die Zunahme tropischer Wirbelstürme mit entsprechenden Schäden, starke Niederschlagsereignisse mit Überflutungen sowie immer mehr Dürren mit entsprechenden Ernteeinbußen.

•Der Klimawandel hat zudem Folgen für die Ökosysteme, etwa das Massensterben von Tier- und Pflanzenarten mit den entsprechenden Produktionseinbußen in der Landwirtschaft. Weitere Konsequenzen sind mehr Waldbrände, ein stärkerer Insektenbefall und die Ausbreitung von Krankheiten, die von Insekten übertragen werden (Malaria, Borreliose), die generelle Ausbreitung von Krankheiten (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und die Versauerung der Ozeane durch eine erhöhte CO2-Konzentration, was wiederum negative Folgen für die Fischbestände und damit für die Fischerei hat.

•Aus den beschriebenen Konsequenzen ergeben sich schließlich gravierende Folgen für die Produktion von Nahrungsmitteln. Ernteeinbußen resultieren aus Wassermangel, Dürren, Stürmen, Überflutungen und einem stärkeren Insektenbefall. Zudem ist davon auszugehen, dass eine steigende globale Durchschnittstemperatur in den meisten Regionen der Welt – allen voran im globalen Süden – die Ernteerträge reduzieren wird (vgl. Nicoll 2016: 342). Schließlich werden auch noch Jagdkulturen (Arktis) und Fischfanggründe beeinträchtigt.

Neben diesen negativen Konsequenzen haben die skizzierten klimatischen Entwicklungen auch einige Vorteile, die vor allem die Regionen in den höheren Breitengraden, etwa Kanada, Skandinavien und Russland, betreffen. Der Rückgang des arktischen Eises öffnet den arktischen Ozean für die Schifffahrt und reduziert Transportkosten. Die globale Erwärmung bewirkt eine Reduktion der kältebedingten Todesfälle, Energieeinsparungen infolge des geringeren Heizbedarfs und eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge. Zudem werden diese Regionen eine Ankurbelung des Tourismus erwarten können.

Während die Erwärmung im Norden also noch Vorteile haben kann, werden sich im Süden die negativen Folgen eher verstärken. Hierbei ist vor allem zu denken an vermehrte Dürren mit Ernteausfällen und die Erhöhung des Risikos von Hungersnöten, zunehmend tropische Wirbelstürme, die über Meereswasser mit mindestens 27 Grad Celsius entstehen, eine größere Brandgefahr und mehr Hitzetote. In der Konsequenz verschärft sich die Diskrepanz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (vgl. Rahmstorf und Schellnhuber 2007: 70–81). Bereits jetzt treffen die negativen Konsequenzen des Klimawandels vor allem die Entwicklungsländer und dort wiederum die ärmsten Schichten der Bevölkerung (vgl. Deutscher Bundestag 2006: 23).

Damit steigt dann auch der Migrationsdruck (Klimaflucht). Schon jetzt wird die Zahl der Klimamigrant:innen auf 25 bis 50 Millionen Menschen geschätzt (vgl. Nicoll 2016: 383 sowie BAMF 2012: 30). Diese Form der Migration hat zwei grundsätzliche Ausprägungen: die freiwillige Migration in Regionen mit einem angenehmeren Klima und eine unfreiwillige Migration. Letztere kann schleichend erfolgen – wenn die Menschen beispielsweise absehen können, dass sich ihre Lebensbedingungen vor Ort infolge einer Grundwasserspiegelabsenkung, der Bodenversalzung oder des ansteigenden Meeresspiegels zunehmend verschlechtern – oder abrupt, etwa die Flucht vor Überschwemmungen, Waldbränden und Stürmen (vgl. BAMF 2012: 15).

Zusammenfassend ist trotz einiger positiver Effekte festzuhalten, dass im Ergebnis die negativen Auswirkungen des Klimawandels weit überwiegen – zumindest mit Blick auf den bis jetzt erreichten Stand des Emissionsvolumens klimaschädlicher Treibhausgase und die daraus resultierende globale Erwärmung. Auch wenn der Klimawandel ein weltweites Problem ist, sind die negativen Folgen regional unterschiedlich gravierend. Negativ betroffen ist vor allem der globale Süden, der aufgrund seines – im Vergleich zu den meisten entwickelten Volkswirtschaften der Nordhalbkugel – geringen wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus bisher am wenigsten zu den globalen Treibhausgasemissionen beigetragen hat.

Kapitel 2: Optimales Emissionsvolumen und Marktversagen – Wie hoch sollte das Treibhausgasemissionsvolumen sein?

Treibhausgasemissionen sind eine Folge zahlreicher wirtschaftlicher Aktivitäten, die den Menschen einen Nutzen stiften. Gleichzeitig haben diese Emissionen aber auch die oben beschriebenen negativen Effekte. Aus der Abwägung der positiven und negativen Effekte lässt sich das optimale Volumen von Treibhausgasemissionen pro Jahr bestimmen. Da jedoch die Wirtschaftsakteure nicht alle Kosten tragen, die mit diesen Emissionen verbunden sind, führen eigeninteressierte Entscheidungen zu einem – gemessen am gesamtgesellschaftlich optimalen Volumen – zu hohen Ausstoß von Treibhausgasen. Damit liegt ein systematisches Marktversagen vor.

2.1 Verhaltenstheoretische Annahmen der ökonomischen Analyse

Bevor dieses Marktversagen hier näher erläutert wird, sind einige grundlegende Bemerkungen zum ökonomischen Herangehen an die Analyse des menschlichen Verhaltens erforderlich (vgl. Weise et al. 1983: 50 – 61). Die Ausführungen dieses Buches basieren auf folgenden grundlegenden Annahmen zum menschlichen Verhalten im Kontext ökonomischer Entscheidungen:

•Ziel eines Menschen ist, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen einen möglichst großen Nutzen zu erreichen. Nutzenstiftend sind neben dem Konsum von Gütern auch soziale Anerkennung bzw. Prestige, Freizeit, Macht, der Wunsch nach einer intakten Umwelt, soziale Kontakte, die Weiterentwicklung individuell geschätzter Fertigkeiten, Sicherheit, Fairness, die Einhaltung gesellschaftlicher Normen und moralischer Grundsätze und mehr.

•Schwerpunkt der ökonomischen Analyse sind die Konsumaktivitäten. Diesbezüglich gelten folgende Annahmen zum individuellen Verhalten: Jeder Mensch wünscht eine Vielzahl von Gütern, also Waren und Dienstleistungen. Einige davon sind für jedes Individuum knapp, sodass eine Ausweitung der konsumierbaren Güter als eine Verbesserung – d. h. Nutzensteigerung – gesehen wird. Jeder Mensch ist dabei bereit, von einem Gut einige Mengeneinheiten abzugeben, wenn er dafür zusätzliche Einheiten eines anderen Gutes erhält. Dabei misst jeder Mensch einem Gut einen persönlichen Wert bei, der von Individuum zu Individuum unterschiedlich sein kann. Generell gilt jedoch: Je mehr Einheiten ein Mensch in einem Zeitraum (z. B. einem Jahr) von einem Gut zur Verfügung hat, desto geringer ist der persönliche Wert dieses Gutes.

•Diesen Wünschen nach Gütern und anderen nutzenstiftenden Dingen stehen Restriktionen gegenüber. Dazu gehören neben dem verfügbaren Einkommen und den Preisen für Güter auch zeitliche Restriktionen, soziale Normen und moralische Werte. Wird in einer Gesellschaft eine bestimmte Verhaltensweise als unangemessen angesehen und ein Verstoß gegen diese Norm geahndet (durch gesellschaftliche Missachtung, soziale Ächtung oder Ausgrenzung und andere Sanktionen), stellen diese gesellschaftlichen Reaktionen Kosten dar, die jedes Individuum für sich berücksichtigt.

•Menschliches Verhalten kann extrinsisch wie auch intrinsisch motiviert sein. Bei einer extrinsischen Motivation reagiert ein Individuum auf Anreize von außen, konkret auf Belohnungen oder Sanktionen. Bei einer intrinsischen Motivation unternimmt ein Mensch eine Aktivität um ihrer selbst willen, also »aus Gründen, welche im Innern einer Person liegen« (Frey und Benz 2001: 19). Die Tätigkeit wird ohne eine Belohnung von außen durchgeführt. Beispiele für eine intrinsisch motivierte Handlung sind das Einhalten von Normen, weil diese als sinnvoll angesehen werden, oder auch ein umweltschonendes Verhalten, weil das Individuum eine intakte Umwelt anstrebt. Die wirtschaftswissenschaftliche Analyse beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die sich aus veränderten Knappheiten und damit auch veränderten Preisen ergeben. Dies betrifft die extrinsische Motivation. In der traditionellen ökonomischen Analyse werden intrinsische Motivationen nicht weiterverfolgt, weil diese als ein Phänomen angesehen werden, das durch Preise nicht verändert wird (vgl. zur Kritik an dieser Annahme Frey und Benz 2001: 19 sowie Frey und Bohnet 1994). Die intrinsische Motivation wird also als eine konstante Größe gesehen.

Insgesamt ergibt sich aus diesen Annahmen die Überzeugung, dass Menschen unter gegebenen Restriktionen das Bündel wirtschaftlicher Aktivitäten wählen, das ihnen den größten Nutzen stiftet. Verändern sich diese Restriktionen – also steigt etwa der Preis für ein Konsumgut –, passen Individuen ihre ökonomischen Entscheidungen an die neue Situation an. Diese Anpassung erfolgt nicht zufällig, sondern systematisch. Dabei wird angenommen, dass Aktivitäten, deren Preis in Relation zu allen anderen Handlungsalternativen steigt, weniger nachgefragt bzw. ausgeführt werden. Bezogen auf den Ressourcenverbrauch und das Volumen von Treibhausgasemissionen bedeutet dies Folgendes: Wenn der Preis, den eine Person für den Ausstoß von Treibhausgasen zahlen muss, steigt, werden emissionsverursachende Aktivitäten weniger nachgefragt bzw. durchgeführt. Das muss nicht für jede einzelne Person der Fall sein, gilt aber für das Verhalten der Gesamtheit von Individuen. Grundsätzlich wird angenommen, dass Menschen systematisch – und damit auch vorhersehbar – auf spürbare Preisänderungen reagieren: Aktivitäten und Produkte, deren Preis steigt, werden im Durchschnitt aller Menschen in geringerem Ausmaß nachgefragt.

Abschließend eine Bemerkung zum Optimierungsverhalten, da es in volkswirtschaftlichen Analysen häufig um mathematische Optimierungen geht. Das damit verbundene Entscheidungskonzept ist ein allwissender, nur am eigenen Nutzen interessierter und emotionslos optimierender Homo oeconomicus. Dies ist ein umstrittenes Konzept, weil es Anforderungen an die Entscheidungsfähigkeiten der Wirtschaftsakteure stellt, die kein Mensch im wirklichen Leben erfüllen kann. Zentral für den Homo oeconomicus ist die Überzeugung, dass ein:e Entscheider:in unter gegebenen Restriktionen mit vollständigen Informationen die Handlungsalternative auswählt, die individuell den größten Nutzen stiftet. Tatsächlich ist dieses Entscheidungskalkül nur eine sehr grobe Beschreibung menschlichen Verhaltens. So ist beispielsweise die Annahme unrealistisch, dass jemand unendlich schnell alle notwendigen Informationen verarbeitet, um zu einer vollständigen Information zu gelangen. Außerdem ist das ökonomische Handeln der Menschen häufig nicht rational, sondern geprägt von Stimmungen, Eindrücken, Gefühlen und Sehnsüchten, aber auch von Neidgefühlen, Verstimmungen und Illusionen (vgl. zur Kritik am Homo oeconomicus ausführlicher Petersen 2021, Kapitel 9).

Wenn im Folgenden von einem Optimierungsverhalten gesprochen wird, bedeutet dies daher nicht, dass jeder Mensch jederzeit seinen Nutzen streng mathematisch maximiert. Die theoretischen Ausführungen zu einem nutzenoptimierenden Verhalten dienen lediglich dem Zweck zu zeigen, welche Entscheidungen von wirtschaftlichen Akteur:innen unter gegebenen Restriktionen und deren Veränderungen zu erwarten sind. Ziel ist, wie erwähnt, abzuschätzen, mit welchen systematischen Reaktionen auf die Einführung oder Erhöhung eines Preises für Treibhausgasemissionen zu rechnen ist.

Die Ausführungen der gesamten Publikation beruhen auf den in diesem Abschnitt skizzierten wirtschaftswissenschaftlichen Annahmen und Wirkungszusammenhängen.

2.2 Optimales Treibhausgasemissionsvolumen

Nicht alle durch menschliche Aktivitäten verursachten Treibhausgasemissionen müssen verhindert werden. Ökonomisch betrachtet, gibt es vielmehr ein optimales Treibhausgasemissionsvolumen. Treibhausgasemissionen sind das Resultat wirtschaftlicher Aktivitäten: Das Heizen von Wohnungen, der Transport von Menschen und Waren sowie die Herstellung von Waren und Dienstleistungen sind Aktivitäten, die nicht erneuerbare Ressourcen verbrauchen (allen voran fossile Energien) und damit Treibhausgasemissionen verursachen. Diese Aktivitäten stiften bei den Verbraucher:innen einen Nutzen – der Ausstoß der damit verbundenen Treibhausgase stiftet also einen Nutzen. Gleichzeitig sind die Treibhausgasemissionen für die Verbraucher:innen mit Kosten verbunden, denn diese müssen für die wirtschaftlichen Aktivitäten (das Heizen der Wohnung, die Fahrt mit dem eigenen Pkw oder der Bahn, den Konsum von Gütern – damit sind im Folgenden Waren und Dienstleistungen gemeint) Geld bezahlen, Zeit aufwenden und ggf. eine gesellschaftliche Missachtung auf sich nehmen.

Ökonomisch betrachtet, lohnt sich die Emission einer zusätzlichen Tonne Treibhausgas immer dann, wenn der in Geldeinheiten bewertete Nutzen dieser Emission größer ist als die in Geldeinheiten ausgedrückten Kosten. Solange dies gilt, stiftet eine emittierte Tonne Treibhausgas einen positiven Nettonutzen. Das erhöht den Nutzen des betroffenen wirtschaftlichen Akteurs und damit auch die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Das aus wohlfahrtstheoretischer Sicht optimale Emissionsvolumen ist erreicht, wenn die letzte emittierte Tonne Treibhausgas der Gesellschaft einen Nutzen stiftet, der genauso hoch ist wie die gesamtgesellschaftlichen Kosten, die mit dem Ausstoß dieser Tonne verbunden sind. Die regionale Abgrenzung dieser Abwägungen kann ein einzelnes Land sein. Da die globale Erwärmung und der Klimawandel jedoch ein globales Phänomen sind, müssen sie letztlich auch für die Welt als Ganzes gelten.

Grafisch lässt sich dieses optimale Emissionsvolumen mithilfe des Grenznutzens und der Grenzkosten bestimmen (siehe Box 1). Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass eine bestimmte wirtschaftliche Aktivität einen Nutzen stiftet. Jede zusätzliche Einheit dieser Aktivität steigert zwar den Nutzen, doch die Nutzenzuwächse werden dabei immer kleiner. Die Kurve oder Gerade, die diesen Nutzenverlauf abbildet, ist die Grenznutzenkurve – sie hat eine negative Steigung (siehe Abbildung 2.1). Mit Blick auf die Kosten, die diese Aktivität verursacht, wird in der Regel angenommen, dass die zusätzlichen Kosten mit jeder weiteren Einheit dieser Aktivität größer werden. Die Kurve bzw. Gerade, die diesen Kostenverlauf abbildet, ist die Grenzkostenkurve – sie hat eine positive Steigung (siehe Abbildung 2.1).

Box 1: Grenznutzen und Grenzkosten

Der Grenznutzen einer wirtschaftlichen Aktivität gibt den zusätzlichen Nutzen an, den eine Person daraus zieht, dass sie eine zusätzliche Einheit dieser Aktivität durchführt. Wenn diese Aktivität z. B. das Fahren mit dem eigenen Pkw (gemessen in jährlich zurückgelegten Kilometern) ist, gibt der Grenznutzen dieser Aktivität also den Nutzen an, den der letzte zusätzlich gefahrene Kilometer der betreffenden Person stiftet. Eine wichtige Eigenschaft in der volkswirtschaftlichen Nutzentheorie ist das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen: Es besagt, dass der Grenznutzen eines Gutes mit zunehmendem Konsum dieses Gutes immer geringer wird. Der zusätzliche Konsum eines Gutes bewirkt zwar eine Erhöhung des Gesamtnutzens, doch diese Zuwächse werden bei steigendem Konsum des betreffenden Gutes immer kleiner (vgl. Petersen 2021, Kapitel 2).

Die Grenzkosten einer wirtschaftlichen Aktivität geben die zusätzlichen Kosten an, die entstehen, wenn eine zusätzliche Einheit dieser Aktivität durchführt wird. Bezogen auf das Fahren mit einem Pkw sind die Grenzkosten also die Kosten, die der letzte gefahrene Kilometer verursacht (Benzinverbrauch, Abschreibungen des Pkws, anteilige Reparaturkosten, individueller Zeitaufwand, Stress etc.). In der Volkswirtschaftslehre gibt es unterschiedliche Annahmen bezüglich des Verlaufs der Grenzkosten. Eine gängige Annahme sind steigende Grenzkosten – das bedeutet, dass die Grenzkosten mit jeder zusätzlichen Einheit der betrachteten wirtschaftlichen Aktivität immer größer werden. Die Gesamtkosten, die mit der Nutzung eines Pkws verbunden sind, steigen also mit jedem zusätzlichen Kilometer. Die Kostenzuwächse werden dabei mit jedem zusätzlich gefahrenen Kilometer immer größer (vgl. Petersen 2021, Kapitel 4).

Der Grenznutzen und die Grenzkosten lassen sich sowohl für einzelne Konsument:innen bzw. Unternehmen angeben als auch für die gesamte Volkswirtschaft. Die gesamtwirtschaftlichen Größen ergeben sich aus der Aggregation der einzelwirtschaftlichen Kosten und Nutzen.

Mithilfe dieser Verläufe der Grenznutzen- und Grenzkostenkurven bzw. -geraden für eine bestimmte wirtschaftliche Aktivität lässt sich für jede ökonomische Aktivität das optimale Aktivitätsvolumen bestimmen – auch für das Ausmaß des jährlichen Treibhausgasemissionsvolumens. Wird beispielsweise das jährliche weltweite Emissionsvolumen von Treibhausgasen (THG) in Tonnen gemessen, ergibt sich das aus globaler Sicht optimale Treibhausgasemissionsvolumen (THG*) aus dem Schnittpunkt der gesamtgesellschaftlichen Grenznutzengerade mit der Grenzkostengerade (es können auch Kurven verwendet werden). Das lässt sich wie folgt erklären:

•Bei einem Emissionsvolumen in Höhe von TGH‘ sind die Kosten, die mit der Emission der letzten Tonne Treibhausgas anfallen (die Grenzkosten in Höhe von GK‘, z. B. 20 Euro) kleiner als der Grenznutzen, der mit der Emission dieser Tonne verbunden ist (GN‘, z. B. 28 Euro). Aus gesamtwirtschaftlicher bzw. gesamtgesellschaftlicher Sicht ist hier eine Ausweitung der Treibhausgasemissionen sinnvoll: Eine weitere Tonne Treibhausgas bringt der Gesellschaft einen zusätzlichen Nutzen in Höhe von 28 Euro, doch sie verursacht lediglich Kosten in Höhe von 20 Euro. Per Saldo bleibt ein gesamtgesellschaftlicher Nettonutzen von acht Euro.

•Bei Emissionen in Höhe von THG* entsprechen die gesamtgesellschaftlichen Zusatzkosten der letzten Tonne Treibhausgas (z. B. 25 Euro) exakt dem gesamtgesellschaftlichen zusätzlichen Nutzen, den diese Tonne der Gesellschaft stiftet (ebenfalls 25 Euro). Eine weitere Steigerung der Treibhausgasemissionen ist nicht mehr sinnvoll. Die nächste Tonne hat höhere Kosten, zum Beispiel 25,05 Euro. Der zusätzliche Nutzen, den diese Tonne Treibhausgas der Gesellschaft bringt, ist jedoch geringer, also beispielsweise 24,95 Euro. Der Ausstoß dieser Tonne ist folglich mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzenverlust verbunden, der in Geldeinheiten ausgedrückt 0,10 Euro beträgt.

Abbildung 2.1: Grafische Bestimmung des optimalen Volumens an Treibhausgasemissionen je Zeiteinheit (z. B. pro Jahr)

Da Treibhausgasemissionen nicht an Ländergrenzen haltmachen, bezieht sich die regionale Abgrenzung der Analyse in Abbildung 2.1 auf die gesamte Welt. Es ist aber auch möglich, das optimale Emissionsvolumen aus Sicht einer bestimmten Region zu betrachten. Das bietet sich beispielsweise an, wenn die Vor- und Nachteile, die mit Treibhausgasemissionen verbunden sind, regional unterschiedlich hoch ausfallen. Dies ist, wie am Ende des ersten Kapitels beschrieben, zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden der Fall.

Um das aus gesamtgesellschaftlicher Sicht optimale Niveau wirtschaftlicher Aktivitäten zu bestimmen (sei es für die Welt oder für eine bestimmte Region), wäre es in der Realität erforderlich, die genauen Verläufe der Grenzkosten- und Grenznutzenkurven zu kennen. Tatsächlich liegen diese Informationen allerdings nicht vor. Dies ist jedoch in den meisten Fällen des praktischen Wirtschaftslebens unproblematisch: Wenn die Preise, die mit einer bestimmten wirtschaftlichen Aktivität verbunden sind, flexibel sind, alle Verbraucher:innen und alle Unternehmen sämtliche Informationen über das bestehende Marktangebot haben und kein Wirtschaftsakteur über eine Marktmacht verfügt, mit der er das Marktgeschehen beeinflussen kann, ergibt sich das optimale Aktivitätsniveau automatisch. Dieses entspricht dann dem Marktgleichgewicht (Q*), das sich durch eine Gleichgewichtsmenge (THG*) und einen Gleichgewichtspreis (P*) auszeichnet: