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Dieser Sammelband enthält die komplette Serie: Band 1 - Ace – Auf der Flucht Band 2 - Fox – Unter Feinden Band 3 - Yankee – Untergetaucht Band 4 – Tiger – Auf der Lauer Band 5 - Hawk – Auf der Jagd Ace - Auf der Flucht Motorradmechaniker und Biker Scott Thompson ist nicht der gelassene Einzelgänger, den er allen vorspielt. Vor drei Jahren war er als Ace bekannt und gehörte zu einer Elite-Gruppe von Agenten in einem streng geheimen CIA-Programm, Codename Stargate. Doch jetzt könnte ihm die übernatürliche Fähigkeit, die ihn einst für die Regierung unersetzbar machte, zum Verhängnis werden, als seine Gabe ihn auf ein bevorstehendes Unglück aufmerksam macht, das den Tod vieler Unschuldiger zur Folge haben wird, sollte Scott nicht einschreiten. Phoebe Chadwick muss ihren Chef davon überzeugen, sie nicht wegen geplanter Etatkürzungen zu entlassen. Als der mysteriöse Scott einen tragischen Unfall verhindert, bei dem sie und viele andere hätten getötet werden können, versucht sie, ihn zu interviewen. Aber der gut aussehende Fremde ist ein unwilliger Held, der ihre aufdringlichen Fragen nicht beantworten will – trotz der knisternden Anziehungskraft, die zwischen ihnen entflammt. Wenn seine Feinde ihn jagen, muss Scott sich entscheiden, ob er Phoebe trauen kann – und wie weit er bereit ist zu gehen, um sie zu beschützen. Fox Unter Feinden Der geniale Computerprogrammierer und Ex-Phoenix-Agent Nicholas "Fox" Young ist auf einer High-Tech Suche nach Informationen, die ihm helfen sollen, die anderen Stargate-Agenten aufzuspüren, sowie ein Licht auf die wiederkehrenden albtraumhaften Vorahnung, die seine Träume quälen, werfen könnten. Aber das Online-Katz-und-Mausspiel, das er mit der Ex-Hackerin und jetzigen CIA-Freiberuflerin Michelle Andrews spielt, wird auf ein riskantes Niveau katapultiert, als gefährliche Umstände sie zu einem zögernden Bündnis zwingen. Yankee Untergetaucht Als der ex-Stargate Agent Jack "Yankee" Porter den Tod seines Kollegen Thomas Reed untersucht, trifft er dessen Cousine, Dr. Lilly Davis, mit der er vor Jahren eine kurze Affäre hatte, wieder. Auch sie findet die Todesumstände ihres Cousins verdächtig und stellt ihre eigenen Ermittlungen an, die sie in Gefahr bringen. Nach einem verfehlten Anschlag auf Lillys Leben versuchen sie gemeinsam herauszufinden wer hinter dem Tod ihres Cousins und dem Mordanschlag auf Lilly steckt. Die Spuren führen sie zu dem mysteriösen Mr. Smith, der etwas noch Schlimmes als den Tod für die Agenten des ehemaligen, streng geheimen CIA-Programms auf Lager hat – er will sie für seine eigenen ruchlosen Zwecke benutzen. Tiger auf der Lauer Als ihr Yogalehrer Jay über zwei Wochen nicht zu seinem Kurs erscheint, macht sich die Science-Fiction-Autorin Olivia Morikawa, die in ihren gutaussehenden Lehrer verknallt ist, Sorgen. Währenddessen erholt sich Jay "Tiger" Garner, Ex-CIA-Agent des ehemaligen Codename-Stargate-Programms, von seiner Folter durch Mr. Smith. Doch dann hat er eine Vision von seinem Erzfeind, wie dieser Olivias Haus betritt. Jay hat den Verdacht, dass Olivia irgendwie mit Smith verbündet ist. Um herauszufinden, wo Smith sich versteckt, muss er ihr näherkommen, selbst wenn das bedeutet, dass er mit der wunderschönen Olivia ins Bett gehen muss. Hawk auf der Jagd Im spannenden Finale der sexy Codename Stargate-Serie kehrt Ex-CIA-Agent Dylan "Hawk" Steele nach Jahren auf der Flucht nach Washington D.C. zurück. Während er versucht, die Feinde zu besiegen, die sein Leben ruiniert haben, hat er eine schicksalhafte Begegnung mit seiner Ex-Freundin Zara Richardson. Sie ist die einzige Frau, die er jemals geliebt hat, und sie ist möglicherweise die einzige, die dazu beitragen kann, die böse Verschwörung aufzudecken, die von Rache und Größenwahn geprägt ist, und bis in die obersten Ränge der Macht reicht.
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Seitenzahl: 1137
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Ace - Auf der Flucht
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
Chapter 5
Chapter 6
Chapter 7
Chapter 8
Chapter 9
Chapter 10
Chapter 11
Chapter 12
Chapter 13
Chapter 14
Chapter 15
Chapter 16
Chapter 17
Chapter 18
Chapter 19
Chapter 20
Chapter 21
Chapter 22
Chapter 23
Chapter 24
Fox - Unter Feinden
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
Chapter 5
Chapter 6
Chapter 7
Chapter 8
Chapter 9
Chapter 10
Chapter 11
Chapter 12
Chapter 13
Chapter 14
Chapter 15
Chapter 16
Chapter 17
Chapter 18
Chapter 19
Chapter 20
Chapter 21
Chapter 22
Chapter 23
Chapter 24
Chapter 25
Yankee - Untergetaucht
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
Chapter 5
Chapter 6
Chapter 7
Chapter 8
Chapter 9
Chapter 10
Chapter 11
Chapter 12
Chapter 13
Chapter 14
Chapter 15
Chapter 16
Chapter 17
Chapter 18
Chapter 19
Chapter 20
Chapter 21
Chapter 22
Chapter 23
Chapter 24
Chapter 25
Chapter 26
Chapter 27
Chapter 28
Chapter 29
Tiger - Auf der Lauer
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
Chapter 5
Chapter 6
Chapter 7
Chapter 8
Chapter 9
Chapter 10
Chapter 11
Chapter 12
Chapter 13
Chapter 14
Chapter 15
Chapter 16
Chapter 17
Chapter 18
Chapter 19
Chapter 20
Chapter 21
Chapter 22
Chapter 23
Chapter 24
Chapter 25
Chapter 26
Chapter 27
Chapter 28
Chapter 29
Hawk - Auf der Jagd
Kurzbeschreibung
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
Chapter 5
Chapter 6
Chapter 7
Chapter 8
Chapter 9
Chapter 10
Chapter 11
Chapter 12
Chapter 13
Chapter 14
Chapter 15
Chapter 16
Chapter 17
Chapter 18
Chapter 19
Chapter 20
Chapter 21
Chapter 22
Chapter 23
Chapter 24
Chapter 25
Chapter 26
Chapter 27
Chapter 28
Chapter 29
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Über die Autorin
Motorradmechaniker und Biker Scott Thompson ist nicht der gelassene Einzelgänger, den er allen vorspielt. Vor drei Jahren war er als Ace bekannt und gehörte zu einer Elite-Gruppe von Agenten in einem streng geheimen CIA-Programm, Codename Stargate. Doch jetzt könnte ihm die übernatürliche Fähigkeit, die ihn einst für die Regierung unersetzbar machte, zum Verhängnis werden, als seine Gabe ihn auf ein bevorstehendes Unglück aufmerksam macht, das den Tod vieler Unschuldiger zur Folge haben wird, sollte Scott nicht einschreiten.
Phoebe Chadwick muss ihren Chef davon überzeugen, sie nicht wegen geplanter Etatkürzungen zu entlassen. Als der mysteriöse Scott einen tragischen Unfall verhindert, bei dem sie und viele andere hätten getötet werden können, versucht sie, ihn zu interviewen. Aber der gut aussehende Fremde ist ein unwilliger Held, der ihre aufdringlichen Fragen nicht beantworten will – trotz der knisternden Anziehungskraft, die zwischen ihnen entflammt. Wenn seine Feinde ihn jagen, muss Scott sich entscheiden, ob er Phoebe trauen kann – und wie weit er bereit ist zu gehen, um sie zu beschützen.
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Copyright © 2014 - 2023 Tina Folsom
Scott Thompson wischte seine Hände an dem öldurchtränkten Lappen auf dem Werktisch ab und warf einen flüchtigen Blick auf die Ducati Diavel, an der er arbeitete. Vor ein paar Jahren hatte er genauso eine wie diese gehabt, doch gewisse Umstände hatten ihn dazu gezwungen, sich stattdessen eine Ducati Multistrada Touring anzuschaffen, ein Modell, das für jemanden wie ihn, der auf der Flucht war, viel passender war. In deren Seitentaschen verschlossen bewahrte er immer das Wichtigste auf, um von einem Moment auf den anderen verschwinden zu können: Geld, eine Feuerwaffe, gefälschte Papiere, Kleidung, ein Wegwerf-Handy, Schlüssel sowie andere elektronische Geräte. Er war jederzeit bereit, sich aus dem Staub zu machen, sollte es wieder notwendig werden. So wie vor drei Jahren.
Er schob die Gedanken von sich; an die Vergangenheit wollte er nicht erinnert werden. Nie wieder war er in das Haus in einem der Außenbezirke von Washington D.C. zurückgekehrt, in dem er aufgewachsen war. Es war zu gefährlich, das in Besitz zu nehmen, was nun ihm gehörte. Stattdessen arbeitete er in einer Motorradwerkstatt in Cicero, einem Vorort von Chicago, und führte ein unauffälliges Dasein.
„Sind Sie Scott?“
Die zögernde weibliche Stimme ließ ihn herumfahren und zum offenen Garagentor blicken. Die Frau, die dort stand, war nicht das typische Motorradküken, das ein Geschäft wie Al’s frequentierte. Er wettete, dass sie noch nie auf einem Motorrad gesessen, geschweige denn eins gefahren hatte.
„Was kann ich für Sie tun, Ma’am?“
Sie warf ihm ein verlockendes Lächeln zu, während ihre Augen ihn von oben bis unten musterten. Er war froh, dass es kein übermäßig heißer Tag war und er seinen blauen Overall nicht bis zur Taille heruntergerollt hatte, wie er es häufig tat, damit die leichte Brise, die durch die offene Tür zum Hinterhof durch die Garage zog, seinen Körper abkühlen konnte. Denn die Art und Weise, wie diese Frau ihn sogar in seinem völlig bekleideten Zustand beäugelte, verärgerte ihn mehr als nur ein wenig. Als wäre er ein Stück Fleisch. Er hatte diese Art Frauen noch nie gemocht, reiche Femme Fatale, die dachten, sie könnten nur so mit Geld um sich werfen, um sich einen Hengst ins Bett zu locken. Er bevorzugte bodenständigere Frauen. Frauen, die noch ein wenig Unschuld an den Tag legten. Tja, allerdings auch nicht zu viel Unschuld, sondern nur genug, um einen Kerl in dem Glauben zu lassen, dass er die Zügel in der Hand hielt.
„Ich habe gehört, Sie könnten mir helfen, ein Motorrad für meinen Ehemann auszusuchen. Es ist ein Geburtstagsgeschenk“, schnurrte sie.
Scott deutete mit dem Daumen in Richtung des angrenzenden Geschäfts, das ebenfalls dem Inhaber der Reparaturwerkstatt, Al, einem gutmütigen, polnischen Immigranten aus zweiter Generation mit Bierbauch und einem immer kahler werdenden Schädel, gehörte. „Die Verkäufer sind nebenan. Ich bin sicher, dass die Ihnen gerne helfen werden, das richtige Motorrad zu finden.“
Er wandte sich wieder der Ducati zu, hob einen Schraubstock vom Werktisch und ging zurück in die Hocke. Seine Ohren vernahmen den Klang ihrer Schritte, die sich jedoch näherten, anstatt die Garage zu verlassen und das Geschäft zu betreten. Unfreiwillig versteifte er sich.
„Meine Freundin erwähnte, dass Sie in allem, was Sie machen, so ein Ace sind.“
Ace? Scheiße! Niemand hatte ihn in den letzten drei Jahren bei seinem Codenamen genannt. Das war nicht gut.
Bei ihren Worten schaltete sich automatisch sein Training ein. Es war etwas, das ihm so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er es nicht verhindern konnte. Er fuhr hoch, wirbelte herum, und im nächsten Augenblick hatte er die Frau auch schon an den Werktisch gedrängt und hielt ihre Arme gefangen, um sie am Ergreifen einer Waffe zu hindern.
„Wer hat Sie geschickt?“, knurrte Scott fast wie ein Tier.
Als er sie anfunkelte, blickte sie ihn mit den erschrockenen Augen einer Hirschkuh, die in die Scheinwerfer eines Wagens getappt war, an, während sich ihre Brust aufgeregt hob und senkte.
Das Beben ihrer Lippen zeigte ihre Angst. „Was machen Sie denn?“
„Wer?“, verlangte er noch einmal, ohne seinen Griff um ihre Arme zu lockern.
„Jenny.“
Scotts Stirn warf sich in Furchen, als er versuchte, den Namen zuzuordnen. „Welche Jenny?“
„Markovitz. Vom Friseursalon“, erläuterte sie und versuchte, vor ihm zurückzuweichen.
Der Name kam ihm bekannt vor und in weniger als zwei Sekunden hatte sein Gehirn die Verbindung hergestellt. Vor einigen Monaten hatte er einen One-Night-Stand mit einer Friseuse namens Jenny gehabt. Jetzt dämmerte es ihm. Die Frau, die er gerade gegen den Werktisch presste, war nicht hier, um ihn zu töten. Sie war hier, um ihn zu ficken.
„Sie haben den falschen Scott“, behauptete er nun und ließ von ihr ab.
Sie funkelte ihn wütend an und richtete ihre Kleidung zurecht, während sie empört schnaubte: „Ja, das kann ich schon sehen. Scheißkerl! Mich einfach so anzugreifen! So behandelt man doch keine Kundin! Ich beschwere mich bei Ihrem Chef über Sie! Der wird Sie entlassen!“
Scott verengte seine Augen. „Und wenn Sie schon dabei sind, dann vergessen Sie bitte nicht, ihm zu sagen, dass Sie mir einen unsittlichen Antrag gemacht haben.“
„Wie können Sie es wagen?“, fauchte sie durch zusammengebissene Zähne, wobei sich ihre üppige Brust hob. „Ich hatte nicht die Absicht –“
„Hatten Sie die nicht?“, unterbrach er sie und trat näher. „Dann lassen Sie mich mal eine Sache klarstellen: Als Mann weiß ich, wenn mich eine Frau anmacht. Ich schlafe nicht mit Frauen wie Ihnen. Wenn Sie also jemanden brauchen, der Sie flachlegt, warum verführen Sie dann nicht ausnahmsweise mal Ihren Ehemann und lassen Männer wie mich in Ruhe? Denn nächstes Mal geraten Sie vielleicht an einen Fremden, der Sie nicht so sanft behandelt wie ich.“ Dabei hatte sie wahrscheinlich nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wie nahe sie Momente zuvor dem Tod gewesen war, nur indem sie etwas Falsches zu ihm gesagt hatte.
Ihr Mund öffnete sich. Scott konnte sehen, wie sie nach einer Retourkutsche suchte, doch keine Worte kamen über ihre Lippen.
„Stimmt etwas nicht?“, ertönte plötzlich Als raue Stimme von der Tür zum Verkaufsraum.
Scott drehte seinen Kopf. „Ich glaube, die Dame sucht nach einem Motorrad für ihren Ehemann, aber hat den falschen Eingang erwischt.“ Er blickte sie flüchtig an. „Das stimmt doch, oder?“
Ohne ein Wort drehte sie sich weg und näherte sich Al.
„Gut, dann lassen Sie mich Ihnen mal zeigen, was wir auf Lager haben, Mrs. …?“
„Elroy“, antwortete sie und ging durch die Tür, die Al für sie offenhielt.
Bevor Scott sich zurück zu der Ducati drehte, warf Al ihm einen fragenden Blick zu, doch Scott antwortete nur mit einem Achselzucken. Er wusste, dass er überreagiert hatte, aber vielleicht würde dieser Vorfall Mrs. Elroy eine Lektion erteilen, nämlich dass es nicht schlau war, einen völlig Fremden anzumachen.
Gleichzeitig erinnerte er sich an die Friseuse. Er hatte es sich zur Regel gemacht, nie einer Frau, mit der er schlief, viel über sich zu erzählen, doch Jenny hatte er in jener Nacht in einer Kneipe kennengelernt, wo einige Leute seinen Vornamen kannten und wussten, wo er arbeitete. Das war der einzige Grund, warum sie gewusst hatte, wo sie ihn erreichen konnte. Scott machte sich eine mentale Notiz, nie wieder mit einer Frau zu schlafen, die wusste, wie sie ihn finden konnte.
Doch etwas überrascht war er schon, dass Frauen Informationen über ihre One-Night-Stands mit ihren Freundinnen austauschten. Allerdings … was wusste er schon über Frauen? Er hatte noch nie ein richtiges Verhältnis mit einer Frau gehabt. Flirts, One-Night-Stands, ja, und davon viele, genauso wie jeder andere gesunde sechsunddreißigjährige Mann. Doch keine wirkliche Beziehung, in der die Frau die Wahrheit über ihn kannte. Es war eine Notwendigkeit gewesen, seine wahre Identität zu verheimlichen, und war es jetzt noch mehr als zuvor. Fänden gewisse Leute heraus, wer er wirklich war, wäre er im selben Moment tot. Und er hatte vor, am Leben zu bleiben.
Scott griff nach dem Schraubenschlüssel, den er auf den Werktisch hatte fallen lassen, als er Mrs. Elroy angegriffen hatte, und wandte sich wieder der Ducati zu. Doch plötzlich verschwamm alles vor seinen Augen. Er ließ das Werkzeug sofort fallen und klammerte sich am Werktisch fest.
„Scheiße!“, fluchte er und schloss seine Augen, da er instinktiv wusste, was auf ihn zukam.
Anstelle von Dunkelheit begrüßte ihn eine Szene vor seinen Augen, die sich irgendwo an einem anderen Ort abspielte.
Ein Mann saß im Fahrersitz eines Schulbusses. Hinter ihm erklangen die Stimmen von aufgeregten Kindern, die alle durcheinander schnatterten. Es gab Gekicher und Gelächter, dann die Stimme einer Frau, doch die Kinder machten viel Lärm, sodass Scott ihre Worte nicht verstehen konnte. Auch konnte er weder sie noch die Kinder sehen. Sie war vermutlich die Lehrerin, und da sie mit den Kindern im Bus war, war dies möglicherweise ein Ausflug.
Er konzentrierte seinen Blick wieder auf den Busfahrer. Dieser trug ein gestreiftes, kurzärmeliges Hemd und eine kakifarbene Hose, doch Scott konnte sein Gesicht nicht sehen, sondern nur seinen Hinterkopf. Sein braunes Haar hatte einen Haarschnitt dringend nötig und durch eine lichte Stelle auf seinem Oberkopf konnte man seine Kopfhaut sehen. Er hatte versucht, das Haar darüber zu kämmen, doch es war nicht lang genug.
Der Mann murrte und schaute nach links, dann nach rechts, während er sich einem Bahnübergang näherte. Er blickte flüchtig auf seine Armbanduhr. Drei Minuten vor zwei Uhr. Es war Nachmittag, bemerkte Scott, und so wie die Sonne in den Bus schien und anhand der Kleidung, die der Fahrer trug, schien es Sommer zu sein. Der Fahrer streckte seine Hand zum Radio aus. Er drehte die Lautstärke höher, vermutlich um die Stimmen der Kinder zu überdröhnen.
Am Bahnübergang verlangsamte er den Bus und blickte noch einmal flüchtig nach links. Der Bus rollte auf die Schienen, dann brachte ihn der Fahrer zum Stehen.
Scott hielt den Atem an.
Der Busfahrer stellte den Motor ab und zog den Schlüssel aus der Zündung. Er griff zum Türschalter, doch anstatt die Bustür zu öffnen, wackelte er den Schalter nur hin und her. Scott fokussierte seine Augen darauf und sah, dass der Schalter durchgeschnitten worden war und kaum noch an der Armatur hing. Nächstes Mal, wenn jemand ihn betätigte, würde er abbrechen.
Der Fahrer verlor nun keine Zeit mehr. Er schob das Fenster zu seiner Linken hoch und zwängte sich so gekonnt hindurch nach draußen, dass Scott vermuten musste, dass er dies geübt hatte. Als er draußen war, schob er das Fenster zu und nahm etwas aus seiner Hosentasche.
Scott sah durch das Fenster hinaus und beobachtete, wie er etwas außerhalb einhakte – in Haken, die gar nicht dort sein dürften – und das Fenster somit von außen verriegelte.
Wohin der Fahrer verschwand, konnte Scott nicht sagen, denn in diesem Moment zog eine Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich. Die Schranken des Bahnübergangs senkten sich.
Scheiße!
Scott blickte zu den Schienen, zuerst nach links, dann nach rechts, dann sah er in der Ferne sich etwas bewegen. Von rechts näherte sich ein Zug!
Die Insassen des Busses waren sich ihres Schicksals nicht bewusst. Der Zug würde nicht in der Lage sein, rechtzeitig zu stoppen. Er würde voll auf den Bus prallen. Entsetzt ließ er seine Augen schweifen und versuchte, irgendetwas zu finden, was es ihm ermöglichen würde, herauszufinden, wo dieses Unglück, das sich vor seinen Augen abspielte, stattfinden würde.
Er konzentrierte sich und wusste, dass er nur noch wenige Sekunden hatte, bis die Vision verschwinden würde. Das passierte immer, sobald das Desaster geschah.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnübergangs war ein Auto geparkt. Ein anderes stand auf der anderen Straßenseite. Beide trugen Autokennzeichen aus Illinois, ein gutes Indiz dafür, dass dieser Bahnübergang in Illinois war. Er suchte nach Straßenschildern, nach etwas, das ihm helfen würde, den Ort zu identifizieren, und fand eine Telefonnummer auf einer riesigen Anschlagtafel an einem Gebäude. Ein Grundstücksmakler annoncierte seine Dienste mit einer 312 Vorwahl, die Vorwahl für Chicago. Das war gut, denn Makler machten nur vor Ort Werbung, deshalb musste dieser Bahnübergang irgendwo in Chicago sein. Doch Chicago war groß und es gab viele Zuglinien, die nach Chicago führten und sogar noch mehr Bahnübergänge.
Das Lied im Radio stoppte und die Stimme des DJs erklang. „Und das war Stevie Nicks von Fleetwood Mac. Na, da kommt Nostalgie auf, was?“ Eine andere Stimme, ebenfalls aus dem Radio, stieß zu ihm. „Und vielleicht können Sie erraten, wer beim morgigen Baseballspiel zwischen den White Sox und Kansas City die Nationalhymne singen –“
Der Zug, der auf den Bus donnerte, schnitt ihm das Wort ab.
Scotts Knie knickten ein, als er den Aufprall körperlich verspürte, und er fiel nach vorne. Seine Augen flogen auf. Er sah den Boden auf sich zukommen und stützte sich in letzter Sekunde mit den Händen ab, um den Sturz abzufangen. Beinahe wäre er mit dem Kopf auf den harten Betonboden der Garage aufgeschlagen.
Seine Atmung war ungleichmäßig, als er sich aufsetzte. Er schob eine zitternde Hand in sein dunkles Haar und verspürte den Angstschweiß auf seinem Nacken.
Die Kinder aus seiner Vorahnung würden sterben, es sei denn, er unternahm etwas. Das wusste er mit Sicherheit. Er hatte schon zu viele seiner Visionen wahr werden gesehen, als dass er deren Echtheit bezweifelte. Und er hatte genügend Informationen, um herauszufinden, wo und wann dieser Zusammenstoß stattfinden würde: Die Zeit auf der Armbanduhr gab ihm die Uhrzeit, die Erwähnung des Baseballspiels half ihm dabei, das Datum festzustellen, und mit Hilfe von Bildern aus Google Maps, der Richtung, aus der die Sonne kam und die, aus welcher der Zug mit dem Bus zusammengestoßen war, würde ihm helfen, den richtigen Bahnübergang in Chicago zu finden.
Aber er wusste noch eine andere Sache mit Sicherheit: Wenn er diese bevorstehende Tragödie verhinderte, könnte er sich damit offenbaren und seine Feinde direkt zu sich führen. Und wenn sie ihn fanden, würden sie ihn töten.
Sein Herz schlug bis in seine Kehle. Konnte er zulassen, dass all diese Kinder starben, nur um sein eigenes Leben zu schützen? Könnte er mit der Schuld leben, zu wissen, dass er nichts unternommen hatte, diese jungen Menschenleben zu retten?
„Mist!“, fluchte Phoebe Chadwick leise und knallte den Telefonhörer auf die Gabel.
Ihre Kollegin Kathleen, die den Schreibtisch ihr gegenüber benutzte, schaute auf und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Stimmt was nicht?“
Phoebe sprang bereits von ihrem Stuhl hoch. Sie deutete zu dem verglasten Büro am anderen Ende des Großraumbereichs, in dem mehr als zwei Dutzend Bürokabinen untergebracht waren. „Er möchte mich in seinem Büro sehen. Jetzt sofort.“
„Oh oh.“
„Ja.“
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen machte sie sich auf den Weg zu dem Büro, auf dessen Tür die Worte Bruno Novak, Redakteur gedruckt waren. In den letzten Wochen hatten mehrere ihrer Kollegen, die Novaks Büro betreten hatten, kurz darauf ihre Schreibtische geräumt. Ihr Herz schlug ihr bis in die Kehle.
Sie brauchte diesen Job zum Leben. Sie hatte keine Familie und keinen Ehemann, die sie unterstützen könnten. Sie war auf sich selbst gestellt. Ihre Eltern waren geschieden und hatten selbst finanzielle Probleme, und von ihrem letzten Freund hatte sie sich vor über sechs Monaten getrennt, weil dieser nur von ihr geschnorrt hatte, statt sich selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Obwohl Phoebe hoffte, dass sie falsch lag, war ihr klar, dass es mit der Zeitung nicht zum Besten stand. Etatkürzungen mussten gemacht werden, und da die Personalkosten die größte Ausgabenposition war, mussten Leute entlassen werden.
Sie glaubte, jedermanns Augen auf sich zu spüren, als sie vor der Tür stehenblieb. Ihre Handflächen waren feucht, als sie klopfte und nach einem Grunzen von innen eintrat. Sie schloss die Tür hinter sich so schnell wie möglich, damit ihre Kollegen nicht unfreiwillig Zeugen des Gesprächs wurden.
„Bruno, Sie wollten mich sprechen?“, fragte sie so gelassen wie möglich und zwang ihre Stimme, ruhig zu klingen, obwohl sie alles andere als das war.
Novak hob seinen Kopf nicht, brummte noch einmal und winkte ihr zu, sich auf den alten Stuhl vor seinem Schreibtisch zu setzen.
Sie schluckte die Galle, die ihr hochkam, hinunter und folgte seinem unausgesprochenen Befehl.
„Sie haben es vermutlich schon gehört“, begann er und hob schließlich seinen Kopf von dem Stapel von Papieren vor sich.
Ihr Herz sank in ihren Magen. „Ja.“
„Gut, dann halte ich mich kurz. Sie arbeiten noch nicht sehr lange hier.“
„Ich bin schon ein Jahr hier“, protestierte sie schnell, aber er hinderte sie am Weitersprechen, indem er seine Hand hob.
„Ich arbeite schon seit über dreißig Jahren hier. Glauben Sie mir, ein Jahr ist nicht sehr lange. Ich musste Sie auf die Liste setzen. Es stehen drei Leute drauf, und einer davon muss gehen.“
Phoebe schoss von ihrem Stuhl hoch. „Ich brauche diesen Job, Bruno. Bitte.“
„Ich bin nicht derjenige, der hier die Entscheidungen trifft. Der Herausgeber entscheidet, wer geht und wer bleibt.“
Ihr Herz rutschte ihr in die Knie und brachte ihre Beine zum Wanken.
„Wer sonst ist noch auf dieser Liste?“
„Sie wissen doch, dass ich Ihnen das nicht sagen darf.“ Er seufzte. „Aber die anderen zwei haben noch nie Kaffee auf seine teuren italienischen Schuhe verschüttet.“
Phoebe zuckte unwillkürlich zusammen. Sie war dem Herausgeber nur einmal persönlich begegnet, und diese Begegnung war nicht nur ungeschickt, sondern sogar ziemlich peinlich gewesen. Sie wusste bereits jetzt, wer entlassen werden würde.
„Eriksson mag mich nicht.“
„Dann müssen Sie dafür sorgen, dass er Sie mag.“
Phoebe spürte, wie sich ihr Gesicht angewidert verzog. „Sie scherzen wohl. Das kann ich nicht.“
„Verdammt noch mal, Phoebe!“ Novak verdrehte seine Augen. „Was meinten Sie denn, dass ich Ihnen geraten habe?“
„Äh, ich dachte, dass Sie …“, murmelte sie und spürte, wie Hitze in ihre Wangen stieg.
„Was ich vorschlage, ist: Sie müssen dafür sorgen, dass er erkennt, dass Sie eine ausgezeichnete Journalistin sind und dass er es sich nicht leisten kann, Sie zu verlieren.“
„Das schaffe ich!“, sagte sie mit mehr Vertrauen, als sie besaß. Sie würde alles tun, ihren Chef davon zu überzeugen, dass sie die beste Reporterin war, die diese Zeitung je gehabt hatte.
Das Zeitungsgeschäft lag ihr im Blut. Ihr Vater war Journalist und ihre Mutter Lektorin gewesen. Beide hatten nach der Scheidung eine andere Berufsrichtung eingeschlagen. Ihr Vater lebte in Nashville, wo Phoebe aufgewachsen war, und arbeitete dort als Berater für die Polizei, während ihre Mutter nun in Los Angeles lebte, wo sie mit einem Schriftsteller verheiratet war, den sie dadurch finanziell unterstützte, dass sie als Sekretärin arbeitete. Doch das war nicht von Bedeutung. „Ich werde Ihnen eine super Story liefern. Etwas, auf das Sie stolz sein werden.“
Novak nickte langsam. „Und machen Sie schnell. Ich muss ihm diese Liste in einer Woche übergeben. Und sobald er sie in den Händen hat, wissen Sie ja, was geschieht. Er wird einen Blick darauf werfen und seine Entscheidung treffen. Also finden Sie lieber etwas Sensationelles.“
„Eine Woche? Das ist doch verrückt! Wie kann ich in nur einer Woche eine großartige Geschichte finden?“ Es war praktisch unmöglich. Für jegliches Exposé, egal ob es einen Politiker oder ein Unternehmen betraf, würde sie Zeit zum Recherchieren benötigen.
„Dann müssen Sie sich eben Zeit erkaufen.“
„Aber wie denn? Wie kann ich mir mit Eriksson Zeit erkaufen? Sie sagten doch selbst, dass er, sobald er die Liste sieht, seine Entscheidung trifft.“
„Dann tun Sie doch etwas, damit er zögert.“ Er deutete zur Tür. „Also gehen Sie und machen Sie sich an die Arbeit.“ Er senkte seinen Kopf zurück zu seinen Papieren.
Phoebe verließ sein Büro und atmete scharf aus. Zumindest hatte sie noch eine Chance, obwohl sie nicht wusste, wie realistisch es war, in einer Woche eine Supergeschichte zusammenzustellen. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie Eriksson zögern lassen könnte, wie Novak es so schön ausgedrückt hatte. Sie traf den Herausgeber ja nie. Er arbeitete zwei Stockwerke über ihr und die wenigen Male, bei denen sie ihn aus der Entfernung gesehen hatte, war er immer von anderen Leuten umwimmelt gewesen. Sie würde ihn nie alleine antreffen. Und selbst wenn sie die Gelegenheit hätte, ihn zu treffen, wie sollte er seine Meinung über sie ändern? Sie hatte nichts, womit sie ihn beeindrucken konnte.
Phoebe ignorierte die neugierigen Blicke ihrer Kollegen und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. „Ich sitze in der Scheiße.“
„Hat er dich gefeuert?“, flüsterte Kathleen zurück und lehnte sich dabei über ihren Schreibtisch, während sie umherspähte.
Phoebe stützte ihren Kopf in ihre Hände. „Das hätte er genauso gut tun können.“
„Was meinst du denn damit?“
Sie hob ihr Gesicht, um Kathleen anzusehen. „Er hat mir eine Woche gegeben, einen Superartikel zu schreiben, um Eriksson so damit zu beeindrucken, dass er mich nicht feuert.“
„Eine Woche? Der spinnt doch!“ Ein sanftes Pingen von Kathleens Computer zeigte an, dass eine E-Mail in ihrem Posteingang gelandet war. Sie blickte flüchtig auf den Schirm. „Und da wir gerade von dem Spinner sprechen: Hier ist schon wieder mal eine seiner Massen-E-Mails.“ Sie schmollte. „Dringend! Ja natürlich.“
Phoebe seufzte und meldete sich auf ihrem Computer an. Am besten machte sie sich gleich daran, das Internet nach etwas zu durchforsten, aus dem sie einen guten Artikel machen könnte. Als ihr Schirm aufleuchtete, pingte ihr Posteingang ebenfalls, und sie blickte auf die Liste neuer E-Mails. Erikssons E-Mail war die erste.
Betreff:Vertretung dringend gesucht.
Die E-Mail war mit einer Prioritätsflagge markiert worden, als wäre das etwas Neues. Alle E-Mails von Eriksson kamen mit Prioritätsflaggen.
Phoebe überflog die Mitteilung.
Ich benötige jemanden, der heute auf einen Ausflug der Klasse meines Sohnes mitfährt. Der Schulbus fährt in zwei Stunden ab.
Kathleen ächzte. „Als ob ich mit einer Horde Elfjähriger, die mich mit Fragen über meinen Beruf löchern, den Tag verbringen will.“
„Wie bitte?“
„Bist du denn die Einzige, die noch nicht davon gehört hat?“, fragte Kathleen. „Eriksson hat ja schon jedem erzählt, dass er bei diesem Lehrprogramm mitmacht, um bei Kindern Interesse am Journalismus zu wecken, indem er sie auf Recherchiertrips mitnimmt.“ Um das Wort Recherchiertrips machte sie Luft-Anführungszeichen. „Und jetzt will er sich herauswinden und drängt es jemandem vom Personal auf. Ich melde mich auf jeden Fall nicht freiwillig.“
Phoebe griff nach dem Telefon und wählte eine vierstellige Nummer. Sie hatte gerade die perfekte Sache gefunden, um sich Zeit zu erkaufen.
„Mr. Erikssons Büro“, antwortete die Sekretärin.
Kathleen flüsterte: „Was hast du vor?“
Aber Phoebe winkte ab. „Hier ist Phoebe Chadwick. Ich rufe wegen des Schulausflugs von Mr. Erikssons Sohn an.“
„Halleluja“, antwortete die Frau am anderen Ende des Telefons übermäßig dramatisch.
Es gab ein Klicken. Dann ein männliches Gebrüll. „Ja?“
Phoebe schluckte. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Phoebe zwang sich zu einem Lächeln und versuchte geduldig, die Frage noch einmal zu beantworten, obwohl ihr bewusst war, dass eines der anderen Kinder das Gleiche vor nur zehn Minuten gefragt hatte.
Der alte Schulbus tuckerte die Stadtstraßen entlang auf dem Weg zu einem Lagerhaus am Stadtrand von Chicago. Dieses wurde vom Verlag als Archiv genutzt und beherbergte außerdem alte Druckerpressen, die der Verleger der Zeitung aus sentimentalen Gründen aufbewahrte.
Phoebe saß im Fond des Busses, umgeben von mindestens zwei Dutzend elfjähriger Jungen und Mädchen, die alle durcheinander plauderten. Mehrere von ihnen kämpften um die kleinen Notizblöcke mit dem Schriftzug der Zeitung, die sie vorher ausgeteilt hatte. Offenbar hatte sie nicht genügend für alle mitgebracht. Neben all dem Krach hörte der Busfahrer Radio, das abwechselnd Musik spielte und Nachrichten brachte.
Einige Kinder waren auf die Bänke geklettert, um über die anderen Kinder zu schauen, die ihnen die Sicht auf Phoebe blockierten, und so konnte Phoebe kaum etwas durch die Fenster erkennen. Sie seufzte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich freiwillig dafür zu melden? Sich mit einer Horde von Kindern abzugeben, die ohne Punkt und Komma redeten, war anstrengender, als einem Politiker nachzujagen, der ihre kritischen Fragen nicht beantworten wollte.
Du schaffst das, redete sie sich gut zu. Eriksson schuldet dir was.Er wird es sich zweimal überlegen, dich zu feuern. Und sie hoffte, dass es ihr genügend Zeit verschaffen würde, eine ordentliche Geschichte zu finden, mit der sie ihren Job retten konnte. Es war für eine gute Sache.
„Nein, wenn eine Geschichte wichtig genug ist, dann halten wir die Druckerpresse an und setzen die Titelseite zurück. Das ist bereits viele Male getan worden. Und es ist jetzt viel einfacher als früher. Es ist alles computergesteuert“, antwortete sie jetzt auf die Frage, die das Mädchen mit den roten Haaren und den Sommersprossen gestellt hatte.
„Ich habe einen Computer“, warf ein Junge in einem blauen T-Shirt ein. „Er ist ganz neu.“
Ein anderer Junge setzte seinen Ellbogen ein, um sich an ihm vorbei zu drängen. „Und ich habe ein iPad. Ich habe es zum Geburtstag bekommen.“
„Ich auch“, antwortete ein Mädchen aus der Menge.
„Ja, aber meins ist neuer“, antwortete der zweite Junge.
„Hört auf damit, Kinder“, sagte Phoebe und versuchte, die Prahlerei unter Kontrolle zu bringen. „Es ist nicht von Bedeutung, wessen Tablet neuer ist.“
„Doch!“, protestierte jemand.
Immer mehr Stimmen kamen dazu. Alle Kinder sprachen auf einmal und versuchten, herauszufinden, wer das neueste iPad oder den neuesten Computer hatte. Innerhalb von Sekunden glaubte Phoebe, dass ihr Kopf vom Lärm des Stimmengewirrs zu explodieren drohte. Sie war sicher nicht gemacht dafür, Lehrerin zu sein. Bereits jetzt wurde ihr Geduldsfaden immer dünner.
„Miss Chadwick, Miss Chadwick!“
Phoebe drehte ihren Kopf zu dem Mädchen, das nach ihr rief, das sie aber nicht sehen konnte.
„Miss Chadwick!“, beharrte dieses Mädchen, in ihrer Stimme schwang nicht Ungeduld, sondern Angst mit.
„Was ist los?“ Phoebe schoss von ihrem Sitz hoch, nun besorgt, dass sich das Mädchen möglicherweise verletzt hatte. Sie sah die Schülerin im vorderen Teil des Busses stehen, mit einem Arm zum Fenster zeigend.
„Miss Chadwick, warum haben wir mitten auf dem Bahnübergang angehalten?“
Phoebe riss ihren Kopf zur Seite und starrte aus dem Fenster des Busses. Das Mädchen hatte recht: Der Bus stand mitten auf dem Bahnübergang.
„Fahrer!“ rief sie aus und drehte ihren Kopf nach vorne, während sie sich bereits einen Weg durch die Kinder bahnte.
Als sie sah, dass der Fahrersitz leer war, erstarrte sie.
„Was zum –“ Sie hielt sich zurück, um nicht in Gegenwart der Kinder einen unflätigen Ausdruck von sich zu geben.
„Warum ist der Fahrer weg?“, fragte ein Junge hinter ihr.
Phoebe nahm einige Schritte nach vorne, während sie versuchte, so ruhig wie möglich zu erscheinen. „Möglicherweise ging der Motor aus und er überprüft etwas unter der Haube.“
Sie erreichte den Fahrersitz und sie suchte instinktiv den Bereich ab. Der Schlüssel steckte nicht in der Zündung. Sie schaute nach draußen, zuerst nach vorne, dann nach links und rechts, aber der Fahrer war nirgendwo zu sehen.
„Vielleicht ist er hinter dem Bus“, meinte ein anderer Junge.
Phoebe drehte den Kopf und sah, wie mehrere der Kinder sich zum Fond des Busses drängten und aus dem Fenster blickten.
„Er ist nicht da“, sagte ein Mädchen.
„Scheiße!“, fluchte Phoebe.
Warum hatte der Busfahrer den Bus verlassen? Und das ausgerechnet mitten auf einem Bahnübergang? Ohne den Schlüssel konnte sie den Bus nicht von den Schienen bewegen. Ihr Herzschlag ging schneller, aber sie versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie war die einzige Erwachsene hier. Eine Lehrerin hätte sie begleiten sollen, doch sie hatte auf dem Weg zur Schule eine Panne gehabt, und Phoebe hatte deshalb mit ihr ausgemacht, dass der Bus einen Umweg machen würde, um sie abzuholen. Doch in der Zwischenzeit war Phoebe für diese Kinder verantwortlich. Wenn sie merkten, dass sie panisch wurde, dann würden die Kinder sicher auch in Panik geraten.
„Nehmt all eure Sachen, eure Taschen und was ihr sonst noch dabei habt, und wir steigen erst einmal aus dem Bus aus, bis wir wissen, wo der Fahrer ist. Und kein Drängeln und Schubsen, okay?“
Sie hätte sich ihren Atem für ihre letzte Anweisung genauso gut sparen können, da plötzlich alle Kinder versuchten, die ersten zu sein, die die Front des Busses erreichten und alle durcheinander schrien.
Phoebe lehnte sich über das Armaturenbrett und suchte es mit den Augen ab. Es gab mehrere Schalter. Sie versuchte den ersten und blickte nach rechts, aber die Tür öffnete sich nicht. Dann den zweiten. Nichts.
„Öffnen Sie die Tür, Miss Chadwick!“, begann ein Mädchen zu jammern.
„Ich versuche es“, antwortete sie kurz und berührte den nächsten Schalter. Als sie ihn leicht bewegte, brach er ab. Ihr Herz stoppte, während sie ihre Finger betrachtete, die den schwarzen Schalter hielten.
„Sie haben ihn abgebrochen!“, schrie das Mädchen heraus. „Miss Chadwick hat den Türschalter kaputt gemacht!“
Phoebe fühlte über die glatte Stelle, an der der Schalter von der Konsole gebrochen war, während einige der Kinder zu schreien begannen. „Er hat ihn durchgeschnitten“, sagte sie zu sich selbst. „Der Mistkerl hat den Bus sabotiert.“
Angst breitete sich in ihrem Magen aus. Das hier war kein Unfall. Das war überlegt. Der Busfahrer versuchte, die Kinder zu töten.
„Jemand soll die Polizei anrufen und ihnen sagen, wo wir sind.“ Sie hetzte zur Tür und schaute nach oben. Die Tür musste auch manuell zu öffnen sein. Sie suchte jeden Zentimeter ab, aber die Stelle, wo sich normalerweise der manuelle Türöffner befand, war von einem Metallstück bedeckt, das festgeschraubt worden war. „Scheiße!“
Im Hintergrund hörte sie einige Kinder weinen, während andere bereits in ihre Handys sprachen. Aber Phoebe wusste, dass sie nicht darauf vertrauen konnte, dass die Polizei rechtzeitig hier war. Jederzeit konnte ein Zug kommen.
Ihre Augen flogen zur hintersten Bank, wo sich der Notausstieg befand. „Lasst mich zum Notausstieg durch!“
Sie bahnte sich einen Weg durch die Kinder und griff nach dem Hebel des Notausstiegs. Sie versuchte, ihn in die Richtung zu drehen, die angezeigt war, doch nichts passierte.
„Warum geht es nicht auf?“, jammerte ein Mädchen.
Phoebe zog nochmals heftig daran, aber nichts bewegte sich. Mist!
Sie wandte sich zurück zu den Kindern. „Es klemmt. Die Fenster!“, wies sie die Kinder an. „Drückt die Fenster nach außen! Schiebt den Hebel hoch und drückt dagegen, bis das Fenster sich öffnet.“ Sie hatte keine Ahnung, ob die Fenster einfach herausfallen oder in einem Neunzig-Grad-Winkel einrasten würden. In beiden Fällen würden die Kinder in der Lage sein hinauszuklettern, obwohl sie würden springen müssen.
„Welchen Hebel, Miss Chadwick?“, fragte ein Junge.
Sie hetzte in seine Richtung. „Den roten Hebel auf der Unterseite von –“ Ihre Augen fielen auf das Fenster, auf das der Junge zeigte.
„Es gibt keinen Hebel“, sagte der Junge, dessen Augen sich jetzt mit Tränen füllten. Phoebe richtete ihren Blick auf die rote Stelle an der Unterkante des Fensters, aber der Hebel, der dort sein sollte, war abgesägt worden.
„Hier gibt es auch keinen Hebel!“, schrie ein Mädchen aus dem hinteren Teil des Busses.
Die Kinder hetzten zu den Fenstern und Phoebe sah hilflos zu, wie sie mit ihren Fäusten gegen das Glas schlugen. Bevor sie sie in ihren vergeblichen Versuchen, die Fenster einzuschlagen, stoppen konnte, ließ ein Geräusch von draußen ihren Kopf herumwirbeln.
Die Schranken senkten sich und die Warnlichter begannen zu blinken.
Ihr Mund wurde trocken, während die erschrockenen Schreie der Kinder ihre Ohren füllten.
Scott ließ einen gemeinen Fluch von seinen Lippen rollen.
Den richtigen Bahnübergang auf Google Maps zu finden, hatte ihn mehr Zeit gekostet als erwartet. Herauszufinden, dass der Zug mit dem Schulbus am heutigen Tag um circa 14 Uhr – wie in seiner Vorahnung – kollidieren würde, war dagegen eine leichte Sache gewesen: In nur einer Minute hatte er den Zeitplan der White Sox überprüft und festgestellt, dass diese am nächsten Tag gegen Kansas City spielen würden und dass Stevie Nicks von Fleetwood Mac vor dem ersten Wurf die Nationalhymne singen sollte.
Seine Ducati in einen höheren Gang schaltend, raste Scott die Straße hinunter. Er kannte diesen Teil der Chicagoer Vororte gut, gut genug, um alle möglichen bekannten Radarfallen zu meiden, in denen die Polizei auf der Lauer lag. Jetzt von einem Bullen aufgehalten zu werden, konnte er sich nicht leisten. Jede Sekunde zählte. Als er den Ort des bevorstehenden Unfalles herausgefunden hatte, hatte er nur noch schnell den größten Schraubenschlüssel, den er in der Garage finden konnte, in seine Lederjacke gesteckt und war auf sein Motorrad gesprungen. Eine Axt oder ein Stahlschneider wären bessere Werkzeuge gewesen, aber die Zeit war zu knapp gewesen, um danach zu suchen. Er konnte nur hoffen, dass das, was er mitgenommen hatte, stabil genug sein würde.
Scott verlangsamte die Ducati an der nächsten Kreuzung und verfluchte die rote Ampel. Bei Grün war er bereits mittendrin und bog nach links ab, wobei er sich mit seinem Motorrad fast im 45°-Winkel zur Seite neigte, bevor der Gegenverkehr sich überhaupt einen Zentimeter bewegt hatte. Wütendes Hupen verfolgte ihn, aber er ignorierte es und nahm wieder Geschwindigkeit auf.
„Noch drei Blocks“, zischte er heraus, während er an einer Bank vorbeifuhr. Er warf einen Blick auf die Anzeige an der Außenseite, die die Temperatur sowie die Zeit ankündigte: 14.00 Uhr. Der Fahrer würde bereits den Bus verlassen und die Kinder und ihre Lehrerin darin eingeschlossen haben.
Eine weitere Kreuzung, aber dieses Mal musste er nicht verlangsamen. Die Vorfahrt war durch Stoppschilder an den einmündenden Gassen geregelt.
„Noch zwei Blocks.“ Es war fast wie ein Gesang, ein Gebet, das er zum Himmel schickte, der ihm diese Gabe der Vorahnung gegeben hatte. Eine Gabe, die er zuerst verflucht hatte, weil sie ihn anders machte als die anderen, aber die er mit Hilfe seines Adoptivvaters, mit dem er so vieles gemeinsam hatte, einschließlich dieser Gabe, zu schätzen gelernt hatte.
Scotts ganzer Körper war angespannt, die Muskeln in seinem Nacken starr, sein Kiefer zusammengepresst. Der Gedanke, dass er möglicherweise zu spät kommen könnte, ließ ihn am Griff drehen, um noch mehr Kraftstoff in die Maschine zu senden und die Ducati voranzutreiben. Wenn die Polizei ihn jetzt aufhielte, würde es nicht von Bedeutung sein. In wenigen Sekunden würde er am Bahnübergang sein und sobald sie sahen, was dort geschah, würden sie ihn nicht mehr stoppen.
„Komm schon“, murmelte er und sah das gelbe Fahrzeug schon von Weitem, während er über einen leichten Buckel in der Straße fuhr.
Die Straße war fast verlassen. Keine anderen Autos warteten an dieser Seite des Bahnübergangs, deren Schranken bereits geschlossen hatten. Der Bus verhinderte die Sicht auf die gegenüberliegende Seite und machte es ihm unmöglich, zu sehen, ob es dort sonst noch jemanden gab, auf dessen Hilfe er zählen könnte.
Kurz vor den Schranken bremste Scott scharf ab, sprang vom Bike, würgte die Maschine ab und zog sie gleichzeitig auf den Ständer. Er hielt sich nicht damit auf, seinen Sturzhelm abzunehmen. Dafür war keine Zeit.
Während er zum Bus lief, zog er den Schraubenschlüssel aus dem Inneren seiner Lederjacke und umfasste ihn fest mit seiner behandschuhten Hand. Er erreichte die Tür des Busses und sah einige Kinder von innen gegen das Glas treten. Schreie begleiteten ihre fruchtlosen Bemühungen. Sicherheitsglas brach nicht so leicht.
„Bleibt weg von der Tür!“ schrie er, merkte aber, dass sie ihn nicht hörten.
Er öffnete sein Visier und versuchte es noch einmal. „Weg von der Tür!“ Er schlug mit der Hand dagegen und hielt den Schlüssel hoch.
Die Kinder bemerkten ihn endlich und schienen zu verstehen.
„Geht zurück und bedeckt eure Augen!“
Im selben Moment, in dem die Kinder von der Tür zurückgetreten waren, klappte er sein Visier wieder zu und begann, mit dem Schraubenschlüssel gegen das Glas zu schlagen. Die linke Scheibe zersplitterte. Dasselbe tat er mit der rechten Scheibe, bis auch diese zerbrach. Dann griff er in den Rahmen und zog ihn in seine Richtung, um wenigstens eine Seite der Tür zu öffnen. Mit bloßer Kraft und Willensstärke öffnete er sie. Er versuchte dasselbe mit der rechten Seite, aber sie klemmte und bewegte sich keinen Zentimeter. Die Öffnung, die er geschaffen hatte, war schmal, doch sie würde reichen müssen. Die Kinder würden in der Lage sein, sich durchzuquetschen.
„Alle raus jetzt!“, befahl er und warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter. In der Ferne nahm er eine Bewegung wahr: der Zug.
„Schnell!“, schrie er, packte das erste Kind und hob das Mädchen herunter. „Lauf auf die andere Seite der Schranken! Lauf!“
Einem Kind nach dem anderen half er aus dem Bus, wobei er sie fortwährend zur Eile drängte. „Schnell! Schneller! Auf die andere Seite! Lauft, verdammt!“
Die Kinder schrien und weinten. Er konnte nicht vermeiden, dass sie sich an den Glasscherben schnitten, während sie versuchten, sich beim Verlassen des Busses abzustützen, aber ein paar Schnitte und Quetschungen waren besser als die Alternative, die sekündlich näherkam.
Aus der Ferne hörte er Sirenen. Jemand hatte den Notruf gewählt. Aber sie würden nicht rechtzeitig hier sein, um bei der Evakuierung zu helfen. Trotz seines Sturzhelms hörte er das Radio aus dem Bus. Noch sang Stevie Nicks, doch da er das Lied kannte, wusste er, dass es gleich zu Ende sein würde. Und sobald die Stimme des Radiomoderators erklang, würde er nur noch wenige Sekunden Zeit haben, bis der Zug mit dem Bus kollidieren würde.
„Wie viele noch?“, schrie er.
„Drei!“, erklang die panische Stimme einer Erwachsenen. Die Lehrerin.
„Schnell!“ Scott zog das nächste Kind aus dem Zug und schob es in Richtung der Schranken. Der folgende Junge fiel fast aus dem Bus heraus und stolperte über seine eigenen Füße. Er half ihm auf und vergewisserte sich, dass er festen Stand hatte, bevor er sich um das letzte Kind kümmerte.
„Lauf!“, befahl er. Seine Stimme war schon heiser und sein Herz schlug wie die Lokomotive, die sich schnell näherte.
Scott hörte, dass das Lied seine letzten Akkorde erreichte. „Scheiße!“
Eine junge Frau erschien auf der obersten Stufe und eilte nach unten. Sie versuchte, sich seitlich durch die schmale Öffnung zu pressen und er zog von außen an ihr, spürte aber einen Widerstand. Sein Blick flog zu ihrem Gesicht. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, während sie versuchte, sich aus dem Bus zu befreien, jedoch scheiterte.
„Verdammt!“, fluchte er unter seinem Sturzhelm und griff an ihr vorbei, wo ihr Oberteil sich in dem gezackten Rand verfangen hatte, der durch das zerbrochene Glas entstanden war.
Plötzlich stoppte die Musik und die Stimme des Ansagers ertönte. „Und das war Stevie Nicks von Fleetwood Mac. Na, da kommt Nostalgie auf, was?“
Er wusste, dass er jetzt nur noch Sekunden hatte.
Ihre Augen schossen an ihm vorbei und er musste sich nicht umsehen, um zu wissen, wie nahe der Zug war.
„Laufen Sie!“, drängte sie ihn. „Retten Sie sich!“
„Nein!“, schrie Scott und zerrte an ihrem Oberteil. Schließlich riss es sich vom Glas los und die Lehrerin fiel fast in seine Arme. Er wirbelte herum, die nächsten Worte des Radioansagers in seinen Ohren.
„Und vielleicht können Sie erraten, wer beim morgigen Baseballspiel …“
Mit der Frau in seinen Armen sprang Scott zur Seite und landete neben den Gleisen. Er rollte sich über sie und schirmte sie ab, als einen Moment später der Zug in den Schulbus hinter ihnen krachte. Sein Sturzhelm und seine schwere Lederjacke schützten ihn vor den herumfliegenden Trümmern, während er die Frau unter sich so gut er konnte mit seinem Körper abschirmte.
„Bewegen Sie sich nicht“, beschwor er sie, obwohl er keine Ahnung hatte, ob sie ihn durch den Sturzhelm hören konnte.
Aber er wusste, sie war am Leben. Er fühlte ihren Atem an seiner Brust und ihre Hände, die sich in einem Todesgriff in sein Hemd gekrallt hatten.
Das Kreischen der Zugbremsen war der nächste schreckliche Ton, der seine Ohren erreichte. Erst als nichts mehr zu hören war, was bedeutete, dass der Zug zum Stillstand gekommen war, hob Scott seinen Kopf.
Er nahm einen tiefen Atemzug, den ersten bewussten, seit er den Bus erreicht hatte, und fühlte sein Herz donnern. Die Lehrerin in seinen Armen hatte ihre Augen fest zusammengekniffen.
„Sind Sie in Ordnung?“, fragte er, aber sie antwortete nicht.
Er befreite sich von seinem Sturzhelm und versuchte es noch einmal. „Sind Sie okay?“
Schließlich öffnete sie ihre Augen. Das Erste, was er bemerkte, war, dass sie von einem strahlenden Blau waren. Das Zweite, was er wahrnahm, war, dass er zum ersten Mal in die Augen einer Frau blickte und fühlte, dass er ihr alles anvertrauen könnte.
Irritiert durch dieses merkwürdige Gefühl wich Scott zurück, löste sich von ihr und setzte sich auf seine Fersen, wobei er zusammenzuckte. Er war hart auf dem Asphalt aufgeschlagen, hatte die volle Wucht des Sturzes abbekommen, bevor er sich über sie gerollt hatte. Seine Rippen waren geprellt, aber er wusste, dass nichts gebrochen war.
„Sie haben mir das Leben gerettet!“ Sie drückte seine Hand und setzte sich auf. Ihr Kopf drehte sich in Richtung der Schranken.
Scott folgte ihrem Blick und sah die Kinder dort stehen, verwirrt, im Schockzustand, aber nur leicht verletzt. Einige Autos hatten mittlerweile gestoppt und deren Fahrer und Mitfahrer liefen zu den Kindern.
„Sie haben all diesen Kindern das Leben gerettet!“
Bei ihren Worten drehte er sich wieder zu ihr. Sie war hübscher, als er zuerst bemerkt hatte. Ihr schulterlanges dunkelbraunes Haar war leicht gewellt und ihre Haut von einem Bronzeton, ihre vollen roten Lippen die perfekte Ergänzung zu ihren blauen Augen. Er war sich sicher, dass, hätte irgendeine seiner Lehrerinnen, als er ein Kind gewesen war, wie diese ausgesehen, er viel lieber zur Schule gegangen wäre.
„Sind Sie sicher, dass Sie nicht verletzt sind?“, fragte er jetzt.
Sie nickte und presste ihre Lippen zusammen. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.“
„Ich war nur zur rechten Zeit am rechten Ort“, antwortete Scott und wollte aufstehen, aber sie schlang plötzlich ihre Arme um seinen Hals und umarmte ihn so fest, dass er nicht anders konnte, als sie ebenfalls zu umarmen und fest an sich zu drücken.
Es lag so viel Unschuld und Ehrlichkeit in ihrer Umarmung, dass er sich ertappte, wie er über ihr Haar strich und beruhigend ihren Rücken streichelte. Und merkwürdigerweise tröstete diese Geste ihn. Zum ersten Mal, seit er seinen Vater und Mentor – und gleichzeitig seine Bestimmung – verloren hatte, fühlte er sich gebraucht.
„Ich bin da“, raunte er in ihr Haar.
Phoebe spürte die tröstenden Arme des Fremden, der sie gerettet hatte, um sich. Sie konnte endlich wieder atmen. Die Panik und die Todesfurcht, die sie nur Momente zuvor ergriffen hatten, entwichen ihrem Körper. Sie hatte mit hundertprozentiger Sicherheit erwartet, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Der Zug war so nahe gewesen, und als sich ihre Kleidung verfangen hatte, hatte sich ihr Leben wie ein Film vor ihren Augen abgespielt. In dem Augenblick war ihr klar geworden, dass sie noch nicht wirklich gelebt hatte. Und noch nicht geliebt.
„Ich bin da“, murmelte der Fremde nochmals. Seine tiefe, melodische Stimme beruhigte sie und entspannte ihre verkrampften Muskeln, während ihr Körper sich plötzlich mit Bewusstsein regte. Sie presste sich an diesen fremden Mann, der praktisch rittlings auf ihr saß. Die Intimität dieser Stellung entging ihr nicht.
Anscheinend genauso wenig wie ihm, denn er löste sich jetzt aus ihrer Umarmung und begann aufzustehen, wobei er ihr seine Hand reichte, um ihr aufzuhelfen.
„Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?“
Sie musterte heimlich sein Gesicht. Sein Haar war dunkel, beinahe schwarz, und sehr kurz. Seine grünen Augen waren von langen dunklen Wimpern und starken Augenbrauen umrandet. Er war glattrasiert und seine Lippen waren voll und sonderbarerweise sehr verlockend.
„Miss?“
Sie riss ihren Blick von seinem Mund, peinlich berührt, dass er sie dabei erwischt hatte, wie sie ihn anstarrte. „Es geht mir gut. Alles in Ordnung“, antwortete sie schnell. Ihr Blick wanderte nun dorthin, wo die Kinder jenseits der Bahnschranken versammelt standen. „Die Kinder.“ Sie musste sich vergewissern, dass sie alle unverletzt waren.
Ihre Füße trugen sie bereits in deren Richtung, während ihre Augen die Umgebung scannten. Ein Krankenwagen kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen und zwei Sanitäter sprangen heraus und liefen in Richtung des Unglücks. Einen Block entfernt sah sie Lichter blinken, begleitet von Polizeisirenen. Das Polizeiauto hielt im selben Moment am Bahnübergang an, als Phoebe die Kinder erreichte.
„Miss Chadwick, Miss Chadwick“, jammerten mehrere.
„Seid ihr alle in Ordnung?“ Sie versuchte, ihren Blick einzeln über jedes Kind schweifen zu lassen, aber alle bewegten sich in dem Wirrwarr, immer noch voller Angst. „Tut jemandem etwas weh?“
Sie hörte einige Kinder weinen.
„Nur ein paar Kratzer“, versicherte ihr die Stimme ihres Retters hinter ihr. „Ihre Schüler sind alle in Sicherheit.“
Phoebe drehte ihren Kopf halb, doch bevor sie ihm für seine Beteuerung danken konnte, erreichten die Sanitäter die Gruppe der Kinder und plötzlich redeten alle durcheinander.
Eine Sanitäterin suchte ihren Blick. „Madam, haben es alle herausgeschafft?“ Sie deutete zu den Überresten des Schulbusses, die über den Bahnübergang verstreut lagen. Teile hatten sich unter den Rädern des Zuges verfangen. Der Zug hatte angehalten. Die Lokomotive stand nun mehrere Hundert Meter vom Bahnübergang entfernt.
„Alle haben es geschafft.“
„Haben Sie sich verletzt?“
Automatisch schüttelte sie ihren Kopf, doch als sie ihren Arm hob, um auf die Kinder zu deuten, spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Rücken, wo ihr Top sich an einer Glasscherbe verfangen hatte. „Es geht mir gut. Kümmern Sie sich zuerst um die Kinder.“
„Sie bluten.“ Die Worte kamen von ihrem Retter und klangen wie eine Warnung.
„Es ist nichts. Nur ein Kratzer.“ Sie drehte sich gerade rechtzeitig zu ihm, um zu erhaschen, wie er seinen Kopf schüttelte und ein sanftes Lächeln seine Lippen umspielte.
„Sie sind eine interessante Frau.“
Phoebe neigte ihren Kopf zur Seite und verstand nicht, was er damit meinte.
„Sie sollten die Wunde trotzdem behandeln lassen.“
„Später.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Ich heiße Phoebe Chadwick.“
Er nickte und schüttelte ihre Hand, ohne seinen Handschuh abzulegen. „Scott.“
Ihr Reporterinstinkt schaltete sich sofort ein, als er seinen Nachnamen nicht nannte, doch sie hatte keine Möglichkeit, die andere Frage, die bereits auf ihrer Zungenspitze saß, zu stellen.
„Sind Sie die Lehrerin?“, rief ihr ein Mann mit einer autoritären Stimme zu und brachte sie dazu, herumzuwirbeln. Ein Polizeibeamter näherte sich ihr. „Was ist hier passiert?“
Sie nickte dem Polizisten zu. „Ich bin Phoebe Chadwick. Ich bin vom Chicago Daily Messenger. Ich war –“
„Eine Reporterin. Wie schaffen die Reporter es immer, vor uns an Ort und Stelle zu sein?“ Der Polizist sah eindeutig verärgert aus.
„Ich war im Bus! Ich habe die Kinder beaufsichtigt“, verteidigte sie sich instinktiv.
„Sie waren im Bus? Wo ist der Lehrer? Was ist passiert?“
Ihr Herz schlug bis in ihre Kehle, während sie in so wenigen Worten wie möglich vermittelte, was passiert war, als sie festgestellt hatte, dass der Busfahrer den Bus auf dem Bahnübergang abgestellt hatte.
„Und dann kam dieser Mann hier und brach die Tür ein.“ Sie wandte sich zu Scott, doch dieser stand nicht mehr hinter ihr. Sie blickte sich um, um nach ihm zu suchen.
* * *
Eine Reporterin! Scheiße, so ein verflixtes Pech!
Scott unterdrückte einen Fluch und bahnte sich einen Weg durch die Kinder sowie die Erwachsenen, die jetzt zu ihnen gestoßen waren: neugierige Zeugen, Nachbarn, Geschäftsinhaber, Autofahrer sowie noch mehr Sanitäter. Ein zweiter Krankenwagen war bereits angekommen und ein weiterer Polizeiwagen näherte sich von irgendwo, obwohl Scott das Auto noch nicht sehen, sondern nur die Sirene hören konnte. In ein paar Minuten würden die ersten besorgten Eltern eintreffen. Angesichts der vielen Handys, die die zehn- oder elfjährigen Kinder in der Hand hielten, war es nicht schwer zu erraten, dass sie bereits ihre Eltern alarmiert hatten.
Und in ein paar Minuten würden sich die Fernsehcrews hier scharen und mit ihren Kameras und Mikrofonen jeden und jedes, was sich bewegte, interviewen.
Scott musste so schnell wie möglich von hier weg. Er war bereits zu lange geblieben. In dem Moment, nachdem er die Frau gerettet hatte, die er für die Lehrerin gehalten hatte, aber die nach eigener Angabe eine Reporterin namens Phoebe Chadwick war, hätte er von hier verschwinden sollen. Er hatte bereits getan, was er als seine Aufgabe ansah. Er hatte die Kinder vor dem sicheren Tod gerettet. Jetzt musste er dafür sorgen, seine Identität nicht zu offenbaren.
Intrigiert von Phoebe, war er bereits einige Minuten länger geblieben, als er hätte sollen. Von einer Lehrerin hätte er die Art Selbstlosigkeit, die sie zur Schau getragen hatte, erwartet. Sie hatte sich vergewissert, dass alle Kinder den Bus vor ihr verlassen hatten. Von einer Reporterin überraschte ihn diese Handlung jedoch. Sie hatte nicht einmal der Sanitäterin erlaubt, ihre Verletzung zu behandeln, und sorgte sich mehr um die Kinder als um ihr eigenes Wohlbefinden. Sogar von einer Lehrerin hätte er erwartet, dass sie zumindest von ihrer eigenen Verletzung etwas benommen wäre und den Sanitätern erlaubt hätte, sie zu behandeln.
Scott schüttelte den Kopf und ging einem weinenden Mädchen aus dem Weg. Phoebe war nicht sein Problem. Also tat er, was er immer in solchen Situationen tat. Er hielt seinen Kopf gebeugt und vermied Blickkontakt. Noch ein paar Sekunden und er wäre von ihr weg. Er schnappte sich schnell seinen Sturzhelm, wo er ihn fallen gelassen hatte, nachdem er mit Phoebe in seinen Armen aus dem Weg des heranrasenden Zuges gesprungen war.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwei Leute aus einem Van springen, der die Aufschrift eines Fernsehsenders trug. Die Frau hielt ein Mikrofon in ihrer Hand und der Mann trug eine große Kamera auf seiner rechten Schulter. Sie überquerten rasch die Straße und näherten sich dem Unfallort.
„Was ist hier passiert?“, rief ihm die Reporterin schon von Weitem zu. „Ist jemand verletzt? Wurde jemand getötet?“
Scott schnaubte. Ja, das würde eine tolle Story ergeben, nicht wahr? Dutzende von Schulkindern von einem Busfahrer ermordet. Denn das, was hier geschehen wäre, hätte Scott es nicht verhindert, hätte man nicht anders nennen können als Mord. Mit nur einem Achselzucken marschierte Scott an den Reportern vorbei. Am besten ließ man sich mit diesen Leuten erst gar nicht ein. Sie würden bald jemand anderen finden, der ihre neugierigen Fragen beantworten würde.
Die Kinder schienen mehr als bereitwillig zu sein, die Fragen der Reporterin zu beantworten, wenn er ihren aufgeregten Stimmen Glauben schenken durfte. Scott ging weiter und stieß fast mit einem Mädchen zusammen, das unkontrollierbar schluchzte. Er zögerte für einen Augenblick und konnte nicht widerstehen, mit seiner Hand beruhigend über ihr Haar zu streichen.
„Es wird wieder gut werden, Kleine. Alles ist okay. Deine Eltern kommen bald. Dann kümmern sie sich um dich.“
Sie schniefte und sah zu ihm hoch. Erkenntnis erleuchtete ihr Gesicht. „Sie haben mich gerettet.“ Unerwartet schlang sie ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem Bauch.
Er nahm ihre Arme und schob sie sanft von sich. Es wurde höchste Zeit zu gehen, bevor noch mehr Kinder auf die gleiche Idee kamen und versuchten, ihm zu danken.
„Er ist ein Held“, hörte er plötzlich einen Jungen ausrufen.
Scott wirbelte den Kopf in seine Richtung.
Der Junge zeigte auf ihn, während er mit den zwei Reportern sprach. „Er hat uns alle gerettet.“
Verdammt!
Die zwei Reporter starrten ihn an. Und schon liefen sie auch auf ihn zu. „Sir! Sir! Ein Wort.“
Aber Scott wirbelte herum und rannte zu seinem Motorrad, wobei er den Sturzhelm über seinen Kopf stülpte. Er sprang auf seine Ducati, kickte den Ständer weg und warf den Motor an. Die Reporter hatten keine Chance, ihn zu erwischen, so schnell machte er sich aus dem Staub.
Er raste die Hauptstraße entlang und bog an der nächsten Kreuzung ab, bevor die Frau auch nur eine einzige Frage stellen konnte. Es war unwahrscheinlich, dass die Kamera überhaupt schon eingeschaltet gewesen war. Und wenn sie wirklich einen Blick auf ihn erhascht hatten, dann nur mit dem Sturzhelm. Und was sein Motorradkennzeichen betraf: Es war auf ein Postfach-Geschäft registriert und konnte nicht zu ihm zurückverfolgt werden, und sobald er nach Hause kam, würde er das Schild mit einem anderen austauschen. Sie würden nicht in der Lage sein, ihn zu finden.
Das Einzige, was er jedoch bedauerte, war, dass der Moment des Friedens, den er verspürt hatte, als er Phoebe in seinen Armen gehalten hatte, eine Illusion gewesen war.
„Novak ist fuchsteufelswild!“, begrüßte Kathleen sie, während Phoebe sich einen Weg durch ihre aufgeregten Kollegen bahnte, die bei ihrer Ankunft in der Redaktion auf sie zugestürmt waren. Die Nachricht des Busunfalls – sofern er überhaupt als Unfall bezeichnet werden konnte – hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
„Wütend? Worüber? Ich war in einer verdammten Zugkollision!“ Sie fühlte sich immer noch ziemlich aufgerüttelt.
„Ja, vor über vier Stunden!“, brüllte Novak hinter ihr. „Wir gehen in zwei Stunden in Druck und haben nichts vorzuweisen!“
Phoebe wirbelte herum und stellte sich ihrem verärgerten Redakteur.
„Warum haben Sie die Story nicht übers Telefon durchgegeben? Sie waren in dem verfluchten Bus! Eine Story aus persönlicher Sicht! Verdammt noch mal!“
Phoebe stemmte ihre Hände in die Hüften. „Weil die Polizei mich zum Revier schleppte, um meine Aussage aufzunehmen, und die Sanitäter darauf bestanden, meine Verletzungen zu behandeln.“ Sie zeigte auf ihren Rücken, wo unter ihrer frischen Bluse jetzt ein Verband die oberflächliche Schnittwunde schützte. „Und übrigens wäre ich heute fast umgekommen, also wenn’s Ihnen nichts ausmacht, dann nehme ich mir mal eine Minute zum Atmen, okay?“
Ihr Herz donnerte und sie bemerkte, dass ihre Kollegen, die um sie herumstanden, verstummt waren und ihrer hitzigen Konversation mit dem Redakteur lauschten.
Novak presste seine Zähne zusammen. „In mein Büro, jetzt sofort!“ Er machte kehrt und marschierte voraus.
Während sie hinter ihm das Büro betrat, funkelte er die anderen Angestellten an, damit sie verschwanden, bevor er die Tür lautstark zuschlug.
Mit ihm alleine holte Phoebe erst einmal tief Luft und öffnete ihren Mund, um sich zu verteidigen, aber Novak schnitt ihr mit einer gehobenen Hand das Wort ab.
„Kein einziges Wort mehr aus Ihrem Mund, junges Fräulein! Zuerst hören Sie mir mal zu.“ Er sog einen Atemzug ein. „Sie haben mir fast einen Herzinfarkt verpasst, als ich erfuhr, dass Sie sich in diesem Bus befanden, auf den der Zug gedonnert war. Als Sie nicht sofort anriefen, musste ich Kontakt mit einer Fernsehstation aufnehmen, um herauszufinden, ob irgendjemand etwas über Sie wusste. Erst durch Erikssons Sohn haben wir erfahren, dass es Ihnen gut geht. Also tun Sie das nie wieder!“
Die Überraschung, dass er wirklich um sie besorgt gewesen war, machte sie für einen Augenblick sprachlos. Aber sie wäre keine Reporterin, wenn ihr lange die Sprache wegbliebe. „Wir hatten alle Glück. Die Polizei sucht bereits nach dem Busfahrer. Ich habe ihr Wort, dass ich als Erste Bescheid bekomme, sobald sie was haben.“ Möglicherweise würde sie sogar eine exklusive Story bekommen, sobald sie den Kerl geschnappt hatten. „Das ist vielleicht sogar die Art von Story, die ich für Eriksson brauche.“
Novak runzelte die Stirn. „Eriksson ist nicht an der Geschichte des Busfahrers interessiert.“ Er ging zu seinem Computer und winkte ihr zu, ihm zu folgen. Auf den Bildschirm deutend, fügte er an: „Er möchte wissen, wer das ist.“
Auf dem Monitor war ein Mann zu sehen, der durch die Menge der Kinder schritt.
„Das ist Scott.“ Sie sah zu Novak auf. „Er hat uns gerettet. Er zertrümmerte die Tür und zog uns heraus.“
Ihr Chef nickte. „Scott? Haben Sie seinen vollständigen Namen?“
Phoebe schüttelte den Kopf. „Er verschwand kurz nachdem die Polizei und der Krankenwagen auftauchten.“ Sie zeigte auf den Schirm. „Wie sind Sie zu dem Bild gekommen?“
„Erikssons Sohn hatte es mit seinem Handy geschossen und seinem Vater gesagt, dass dieser Kerl ihm das Leben gerettet hat. Eriksson möchte das als die Titelgeschichte haben: der Held, der mysteriöse Retter. Finden Sie ihn! Tun Sie, was auch immer Sie tun müssen, um seine Geschichte zu bekommen.“
Phoebe warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Es sah nicht so aus, als wollte er den Helden spielen, sonst wäre er geblieben. Wäre er auf Ruhm aus gewesen, dann hätte er genügend Gelegenheit dazu gehabt, als Debbie Finch von WYAT News kam. Sie lief ihm praktisch nach, um ihn zu interviewen.“
„Und hat sie ein Interview bekommen?“
„Nein. Er sprang auf sein Motorrad und machte sich aus dem Staub.“ Er war geradezu geflüchtet, jetzt wo Phoebe noch mal darüber nachdachte. „Vielleicht ist er schüchtern.“ Nun gut, nicht einmal sie glaubte das. Während des kurzen Kontakts zwischen ihnen beiden hatte er selbstbewusst gewirkt. Stark, selbstsicher und entschieden.
„Schüchtern?“ Novak schnaubte. „Ganz bestimmt nicht.“ Er klopfte an den Bildschirm und zeigte auf Scotts Gesicht. „Besorgen Sie uns diese Geschichte! Finden Sie ihn und ich kann Ihnen garantieren, dass Eriksson Sie nicht feuert. Sie haben sich etwas Zeit erkauft. Nutzen Sie sie gut. Beweisen Sie mir und Eriksson, dass Sie die Art von Journalistin sind, für die ich Sie immer schon gehalten habe.“
Sie ließ ihre Augen zurück zu dem Foto auf dem Computer schweifen. „Kann ich eine Kopie davon bekommen?“
„Ich maile sie Ihnen.“
„Haben die anderen Kinder auch irgendwelche Fotos gemacht? Vielleicht von seinem Motorrad?“
„Ich sorge dafür, dass Erikssons Sohn mit seinen Mitschülern spricht. So wie ich Kinder kenne, hat jeder irgendwas fotografiert. Sie tauschen die Bilder bestimmt bereits über ihre Handys miteinander aus. Ich schicke Ihnen, was ich bekommen kann.“
„Danke.“ Sie wandte sich zur Tür.
„Und Phoebe.“
Sie blieb stehen.
„Ich bin froh, dass Ihnen nichts passiert ist.“
Sie lächelte in sich hinein und öffnete die Tür. Novak war doch nicht so ein kalter Fisch, wie er anderen immer vormachte. Wenn es hart auf hart ging, sorgte er sich doch um seine Schäfchen. Und er war ein Journalist mit Integrität und einem Auge für eine gute Story. Das Scheinwerferlicht auf den Helden dieses Unfalles zu werfen statt auf den vermutlich geisteskranken Busfahrer, der den Bus auf den Bahnübergang gefahren und dann sabotiert hatte, war die positive Richtung, die die Eltern dieser Kinder brauchten.