Coldest Frost - Jennifer Estep - E-Book
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Coldest Frost E-Book

Jennifer Estep

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Beschreibung

Das Team Midgard um die Spartanerin Rory Forseti und ihre Freunde Zoe, Ian und Mateo weiß, dass die Schnitter des Chaos versuchen, mächtige mythologische Artefakte zu stehlen. Seit Covington, der böse Anführer der Schnitter, mehrfach versucht hat, Rory mithilfe von dunklen Artefakten in einen Schnitter zu verwandeln, setzt Team Midgard alles daran, gefährliche Artefakte vor den Schnittern zu schützen. Doch während einer Trainingsmission werden Ian, Zoe und Mateo mit dem gefährlichen Gift der Roten Narzisse infiziert. Dadurch gelingt es Covington, Rorys Freunde seinem Willen zu unterwerfen und sie zu seinen gefügigen Gefolgsleuten zu machen. Wird Rory es schaffen, ihre Freunde zu retten und Covingtons finstere Pläne zu vereiteln?

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Inhalt

Cover & Impressum

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Der Schnitter wich meinem Angriff mühelos aus – genau so, wie ich es erwartet hatte.

Er fuhr herum und hob sein Schwert in der Erwartung, mir die Klinge über den Rücken zu ziehen, so wie er es bei Ian getan hatte, aber ich riss Babs hoch und unsere Waffen schlugen gegeneinander. Ich sah dem Schnitter in die Augen. Überraschung flackerte in ihnen auf und gleichzeitig Respekt. Er beugte sich nach vorn und versuchte, seine Kraft einzusetzen, um mich zurückzutreiben, aber ich stemmte meine Stiefel fest in den Boden und wich keinen Zentimeter zurück.

»Ist das alles, was du kannst?«, fragte ich. »Da musst du schon Besseres aufbieten.«

Hinter seiner Harlekinmaske verzogen sich die Lippen des Schnitters zu einem verschlagenen Lächeln. »Keine Sorge, Spartanerin. Das werde ich.«

Er riss ruckartig den Kopf zurück. Meine Spartanerinstinkte sprangen an, daher wusste ich genau, was er tun würde, aber er war einen Sekundenbruchteil schneller als ich. Bevor ich reagieren, geschweige denn aus dem Weg gehen konnte, ließ er den Kopf vorschnellen und rammte ihn gegen meinen.

Der heftige Schlag ließ mich zurücktaumeln. Weiße Sterne explodierten in meinen Augen und der Schmerz donnerte in meinem Schädel wie ein Vorschlaghammer. Aber so schnell sie gekommen waren, erloschen die Sterne wieder, und eine kühle, tröstliche Kraft stieg stattdessen in mir auf – Heilmagie, die durch meinen Körper strömte. Meine Magie hatte bereits die hässliche Brandwunde geheilt, die das Seil in meiner Hand hinterlassen hatte, und jetzt linderte sie den hämmernden Schmerz in meinem Kopf.

Der Schnitter hob sein Schwert und stürmte auf mich zu, wollte mich überwältigen, solange ich noch benommen war, aber ich setzte seine Bewegungen gegen ihn ein. Ich wirbelte aus dem Weg, dann trat ich gegen einen Stuhl und ließ ihn in Richtung des Schnitters fliegen, genau wie dieser es bei Zoe gemacht hatte. Er stutzte und gab mir dadurch genug Zeit, den Rest meiner Benommenheit abzuschütteln.

Ich drehte das Schwert in meiner Hand und der Schnitter und ich umkreisten einander in dem offenen Raum vor dem Tresen. Zoe und Ian lagen stumm auf dem Boden, genau wie der erste Schnitter, den ich angegriffen hatte. Das Seil lag noch immer um seinen Hals, als sei er eine Marionette, deren Schnüre durchschnitten worden waren.

Mit meinen Spartanerinstinkten studierte ich den Schnitter, gegen den ich gerade kämpfte. Der Typ war ungefähr in meinem Alter und damit viel jünger, stärker und schneller als der erste Schnitter, der ein älterer Mann gewesen war. Dieser zweite Schnitter war zudem viel gefährlicher. Er ließ sein Schwert keine Sekunde lang sinken und wandte niemals den Blick von mir ab, nicht einmal für einen Moment. Ich würde ihn nicht überrumpeln können, daher versuchte ich das nicht einmal. Stattdessen hob ich Babs und stürmte erneut auf ihn zu.

Es ging vor und zurück. Wir kämpften in der Mitte des Raums, spurteten um Tische herum, sprangen über umgekippte Stühle und taten unser Bestes, uns mit unseren Schwertern in Stücke zu hauen. Je länger der Kampf sich hinzog, umso mehr bebte mein Herz vor Glück. Das war das etwas Beunruhigende daran, ein Spartaner zu sein. Zu kämpfen war für einen Spartaner natürlich, normal. Als sei das etwas, das ich regelmäßig tun sollte.

Mehr als das, es machte mich glücklich.

Und was diesen Kampf noch besser als die meisten machte, war die Tatsache, dass dieser Schnitter sich als ein würdiger Gegner erwies. Schlau, stark, geschickt und skrupellos, genau wie ich. Ich konnte keinen klaren Vorteil ihm gegenüber gewinnen, aber ihm erging es nicht besser, daher kämpften wir weiter und unsere Schwerter krachten immer wieder aneinander. Das scharfe Klirren von Metall auf Metall übertönte alles andere, angefangen von dem stetigen Knallen meiner Stiefel auf den Boden bis hin zu meinen schnellen, heiseren Atemzügen und dem hektischen Schlagen meines Herzens.

Der Kampf tobte weiter … und weiter … und weiter …

Bis der Schnitter endlich einen Fehler machte – oder besser gesagt: sein Umhang das für ihn erledigte.

Er war offensichtlich nicht daran gewöhnt, in einem Umhang zu kämpfen, denn als er versuchte, um den silbernen Kaffeewagen herumzulaufen, verfing sich das Ende des schwarzen Stoffs an dessen scharfen Metallkanten. Knurrend riss der Schnitter den Umhang los, aber die ruckartige Bewegung kostete ihn das Gleichgewicht. Bevor er sich wieder fangen konnte, sprang ich vor, duckte mich und trat ihm die Beine weg.

Der Schnitter landete mit dem Rücken flach auf dem Boden. Er hielt noch immer sein Schwert in der Hand, aber bevor er es heben oder sogar aufstehen konnte, preschte ich vor und drückte ihm meine eigene Klinge an die Kehle.

»Du bist erledigt.« Stolz und Befriedigung erfüllten meine Stimme.

Statt zornig zu sein, lächelte der Schnitter mich erneut an. »Genau wie du, Spartanerin.«

Ich runzelte die Stirn und fragte mich, wovon er sprach und warum seine Stimme so vertraut klang, aber dann entdeckte ich aus dem Augenwinkel einen Schatten – einen, der sich schnell näherte. Schlimmer noch, der Schatten wurde begleitet von dem seltsamen klackenden Geräusch, das ich zuvor gehört hatte.

Ich wirbelte zu dieser neuen Bedrohung herum, aber es war zu spät. Etwas Graues rammte in meine Brust und ich landete direkt neben dem Schnitter auf dem Boden. Ich hielt Babs fest in der Hand, aber bevor ich das Schwert heben konnte, sprang das graue Etwas auf mich drauf und ein Gewicht presste sich auf meine Brust und meinen Bauch. Ich erstarrte.

Ein Fenriswolf stand auf mir.

Aschgraues Fell. Spitze Ohren. Violette Augen. Und jede Menge Zähne und Krallen. Dieser Wolf war jung, kaum mehr als ein Welpe, aber er konnte mir trotzdem die Kehle aufreißen. Der Wolf stieß ein leises, finsteres Knurren aus, beugte sich vor und zeigte mir seine Zähne. Und dann … leckte er mir die Wange.

Ich lachte überrascht. Der Welpe wertete das als Ermutigung und schleckte mir abermals über das Gesicht. Es war ein Weibchen. Ich nahm sie und setzte sie sachte auf den Boden.

Dann richtete ich mich auf und der Schnitter neben mir tat das Gleiche. Er zog sich die Maske vom Gesicht, warf sie beiseite und fuhr sich dann mit der Hand durch sein schwarzes Haar. Seine blauen Augen wurden warm und ein Lächeln breitete sich auf seinen hübschen, vertrauten Zügen aus.

Ich blinzelte überrascht. Ich hatte nicht gewusst, mit wem ich kämpfte, aber eigentlich hätte ich kapieren müssen, dass er es war, wenn man bedachte, wie gut er gekämpft hatte. Schließlich war er einer der wenigen Menschen, der ein ebenso guter Krieger war wie ich.

»Glückwunsch, Rory«, sagte er. »Du hast mich besiegt.«

»Und dann hast du mich mit deiner Geheimwaffe bezwungen«, gab ich das Kompliment zurück. »Ihre Niedlichkeit allein genügt, um mich dahinzuraffen.«

Logan Quinn lächelte mich immer noch an, dann kraulte er den Kopf der jungen Wölfin, die jetzt zwischen uns saß. »Nyx! Du solltest Rory umbringen, nicht ihre Wange lecken, als sei sie deine beste Freundin. Was für ein Furcht einflößender Fenriswolf bist du?«

Nyx stieß ein kieksiges kurzes Heulen aus und wedelte mit dem Schwanz. Ich lachte und kraulte sie hinter den Ohren. Nyx gehörte Gwen Frost, meiner Cousine und Logans Freundin, aber ich hatte nicht gewusst, dass die Wölfin hier war. Ich freute mich darüber, Nyx zu sehen, selbst wenn sie gerade so getan hatte, als wollte sie mich töten.

»Dürfen wir uns jetzt hinsetzen?«, erklang eine andere Stimme. »Wenn ich noch länger auf diesem harten Boden liege, bekomme ich einen Krampf im Nacken.«

Der erste Schnitter, der immer noch verkrümmt auf dem Boden gelegen hatte, richtete sich auf und nahm das Seil von seinem Hals. Dann zog er seine Maske herunter und offenbarte ein weiteres unerwartetes, aber vertrautes Gesicht. Er hatte blondes Haar, aber seine blauen Augen waren die gleichen wie die Logans. Man konnte leicht erkennen, dass sie miteinander verwandt waren. Linus Quinn war Logans Dad und der Anführer des Protektorats, der Polizei der mythologischen Welt.

»Also schön, Leute«, rief Linus. »Die Trainingsmission ist offiziell beendet.«

»Endlich«, murmelte die erste Stimme wieder.

Zoe setzte sich hin, drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte, den Hals knacken zu lassen. Neben ihr richtete sich auch Ian auf. Linus ging durch den Raum und drückte auf einen Schalter an der Wand, woraufhin das Licht aufflammte.

Wir befanden uns in der Bibliothek der Altertümer auf dem Campus der Mythos Academy in Snowline Ridge, Colorado. Die Bibliothek sah genauso aus wie immer, obwohl das Team Midgard heute Nacht das Licht heruntergedreht und so getan hatte, als sei sie ein Museum, in das Schnitter einbrachen. Das war Teil unserer Trainingsmission gewesen.

Takeda hatte uns vor einigen Tagen unsere Zielvorgaben gegeben – wir sollten das Artefakt, Aphrodites Manschette, vor Schnittern beschützen. Danach hatten meine Freunde und ich uns Pläne für die Mission zurechtgelegt, während Takedas Leute die Aufgabe hatten, diese zu durchkreuzen.

Ich war davon ausgegangen, dass er wahrscheinlich einige Protektoratswachen bitten würde, sich als Schnitter auszugeben, aber ich hatte keine Ahnung gehabt, dass er Linus, Logan Quinn und Nyx rekrutieren würde. Wahrscheinlich hätte ich etwas in der Art erwarten sollen. Takeda hatte uns aufgetragen, die heutige Nacht von Anfang bis Ende wie eine richtige Mission zu behandeln und auf Überraschungen gefasst zu sein. Und dass der Anführer des Protektorats und einer der besten Krieger in der gesamten mythologischen Welt einen Part bei unserem Training übernommen hatten, war definitiv eine Überraschung.

Ich war voll und ganz in das Training eingetaucht und hatte mich gezwungen, dem Ganzen mit kritischem, objektivem Blick zu begegnen. In meinem Kopf war die Bibliothek zu einem unbekannten, neuen Gebäude geworden, nicht einem Ort, den ich jeden Tag nach dem Unterricht besuchte. Die Schnitter aus dem Kamin kriechen zu lassen, war ein schlauer Trick gewesen und genau so eine unerwartete Aktion, wie sie die Schnitter im echten Leben oft durchzogen. Ich hatte genauso erbittert gegen Linus und Logan gekämpft, wie ich gegen echte Schnitter gekämpft hätte, die meinen Tod wollten.

Vielleicht lag es an meiner Spartanermagie, aber mich gedanklich in diese Art von Mission zu begeben, hatte alles extrem realistisch erscheinen lassen, bis hin zu dem Zorn, den ich verspürt hatte, als Ian und Zoe augenscheinlich im Kampf gefallen waren. Selbst jetzt hatte ich noch Mühe, das Bild der beiden auf dem Boden Liegenden aus dem Kopf zu bekommen. Oder vielleicht war das weniger auf meine Spartanermagie, sondern eher auf meine ständige Sorge zurückzuführen, dass ich einmal nicht in der Lage sein würde, meine Freunde vor den Schnittern zu beschützen.

Zoe ließ endlich ihren Hals knacken, dann stand sie auf, kam zu uns und streichelte Nyx, die sich glücklich auf den Boden fallen ließ, um sich den Bauch kraulen zu lassen. Linus zog sein Handy aus der Tasche und schickte irgendjemandem eine Nachricht. Ich hatte immer noch Babs in der Hand, aber nun schob ich das Schwert in seine Scheide zurück. Logan tat das Gleiche mit seinem Schwert, dann ging er zu Ian hinüber, der nach wie vor auf dem Boden saß.

»Du hast gut gekämpft.« Logan grinste. »Beinahe hättest du mich mit deiner verdammten Axt erwischt.«

Ian grinste zurück. »Nächstes Mal werde ich dich erwischen.«

Aus Logans Augen leuchtete leidenschaftlicher Ehrgeiz. »Das werden wir ja sehen.«

Er beugte sich vor und streckte die Hand aus. Ian fasste den Spartaner am Unterarm und ließ sich von Logan auf die Füße helfen. Dann steckten die beiden die Köpfe zusammen und redeten über ihren Kampf.

Ich beobachtete sie einen Moment lang, aber statt den zwei Typen hatte ich plötzlich ein anderes und viel beunruhigenderes Bild vor meinem inneren Auge: einen Mann und eine Frau, die tot auf dem Boden der Bibliothek lagen.

Obwohl es nur eine Erinnerung war, sah ich sie immer noch so deutlich vor mir, als lägen sie vor Logans und Ians Füßen. Der Mann und die Frau trugen schwarze Schnitterumhänge, ihre Münder waren zu stummen Schreien des Schmerzes und der Überraschung geöffnet, ihre geweiteten, blicklosen Augen auf die Decke gerichtet, und da war natürlich das Blut, das aus ihren tödlichen Wunden über den Stein lief. So viel Blut …

Die Trauer stach mir wie ein Messer in die Brust und zerfetzte mir das Herz. Tyson und Rebecca Forseti, meine Eltern, waren genau an der Stelle gestorben, an der Logan und Ian gerade standen. Wie immer, wenn ich mich in der Bibliothek aufhielt, stiegen die schrecklichen Erinnerungen daran, wie wir ihre Leichen gefunden hatten, in mir auf. Die Erinnerungen und die gleichermaßen schrecklichen Gefühle, die mit ihnen einhergingen, waren nicht mehr gar so scharf wie früher, aber sie trafen mich immer noch bis ins Mark. Meine Hände verkrampften sich zu Fäusten, meine Brust schnürte sich zu und der Atem stockte mir in der Kehle, sodass ich vor lauter Trauer und Herzschmerz kaum noch Luft bekam.

In dem Bemühen, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, bevor die anderen meinen inneren Aufruhr bemerkten, wandte ich den Blick von dieser furchtbaren Stelle auf dem Boden ab und konzentrierte mich auf die Decke, die aus leuchtenden, farbigen Buntglassteinchen bestand, die mit glänzenden, silbernen Nähten verbunden waren.

Saphirblau, Smaragdgrün, Rubinrot, Opalweiß, Amethystviolett. Die Juwelenfarben und die zarten Formen erinnerten mich an die Wildblumen in den Eir-Ruinen auf dem Gipfel des Snowline Ridge Mountain. Je länger ich zu den Buntglassteinen in Form von Blumen emporschaute, umso mehr schienen sie sich zu bewegen, zu verlagern und zu verschieben, als würde eine Phantombrise über sie hinwegwehen, so wie der Wind über die realen Blumen im Haupthof der Ruinen pfiff.

Ich konzentrierte mich auf die Buntglasblumen, insbesondere auf die kleinen Frostfeuer mit ihren weißen Blütenblättern und dem herzförmigen Smaragd in der Mitte. Langsam entkrampften sich meine Hände, meine Brust entspannte sich und meine Atmung wurde leichter, auch wenn der Schmerz in meinem Herzen nicht nachließ. Nach etwa einer Minute war ich wieder in der Lage, den Blick auf den Boden der Bibliothek zu senken.

Ich konnte nicht ändern, was meinen Eltern passiert war. Jetzt konnte ich nur zusehen, dass ich mich an Covington, dem bösen Anführer der Schnitter und Mörder meiner Eltern, rächte.

Und ich würde meine Rache bekommen – ganz gleich, was ich dafür tun musste.

Logan und Ian beendeten ihre Unterhaltung über den Kampf und kamen zu mir, Zoe und Nyx hinüber. Die Walküre tätschelte ein letztes Mal den Wolfswelpen, dann sahen wir alle Linus an, der den Kopf schüttelte.

»Ich weiß nicht, wer Sieger unserer Trainingsmission ist«, sagte er, »denn am Ende waren alle tot.«

Nyx stieß ein tadelndes Bellen aus.

»Nun, alle bis auf Nyx«, korrigierte Linus sich.

»Nicht alle«, erscholl eine andere Stimme. »Mir ist es ebenfalls gelungen, zu überleben. Ich würde sagen, das macht mich zum Sieger, zusammen mit Nyx.«

Ich schaute zu der Doppeltür hinüber. Die Stimme gehörte einem dünnen Mann mit schwarzem Haar und dunkelbraunen Augen, der einen schwarzen Schnitterumhang trug. Hiro Takeda war ein Samurai und der Anführer von Team Midgard. Er hatte sich zusammen mit Logan und Linus als Schnitter ausgegeben.

»Auf dem Weg in die Bibliothek ist es mir außerdem gelungen, das letzte Mitglied des Teams zu überwältigen«, sagte Takeda.

Er trat zur Seite, damit Mateo in die Bibliothek kommen konnte.

Mateo sah uns alle mit einem beschämten Achselzucken an. »Tut mir leid, Leute. Takeda hat sich draußen an mich herangeschlichen.«

Das war also der Grund, warum Mateos Antwort ausgeblieben war, als ich mithilfe unserer Funkgeräte versucht hatte, ihn zu erreichen. Natürlich war er von Takeda ausgeschaltet worden. Der Samurai war ein erbitterter Krieger.

»Und während alle anderen damit beschäftigt waren, gegeneinander zu kämpfen, ist es mir gelungen, mich an euch vorbeizuschleichen, Zoes Elektroschloss zu knacken und das Artefakt zu stehlen.« Takeda lächelte, hob die Hand und zeigte uns eine breite Goldmanschette. »Der Sieger kassiert die Beute.« Dann verschwand sein Lächeln und sein Gesicht wurde ernst. »In diesem Fall bekommt also der Schnitter das Artefakt.«

Enttäuschung stieg in mir auf, zusammen mit jeder Menge Frustration. Die gleiche Mischung von Gefühlen stand auch Zoe, Ian und Mateo ins Gesicht geschrieben.

»Nun, der Action-Teil unserer Trainingsmission ist zu Ende, aber auf uns wartet noch Arbeit«, stellte Linus Quinn fest. »Lassen Sie uns in den Bunker hinuntergehen und das Bildmaterial sichten, damit wir aus unseren Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen können.«

 

Logan hob Nyx hoch und bettete sie in seine Armbeuge, während meine Freunde und ich unsere Taschen hinter dem Ausleihtresen hervorholten. Wir hatten unsere reguläre Ausrüstung während unserer Trainingsmission in der Bibliothek gelassen.

Sobald alle ihre Sachen beisammenhatten, trat Linus ins Treppenhaus und wir folgten ihm hinauf in den ersten Stock, in dem weiße Marmorstatuen von Göttern und Göttinnen aller Kulturen der Welt standen.

Zum Beispiel Venus, die römische Göttin der Liebe, die ein steinernes Herz in der Hand hielt. Oder Horus, der ägyptische Kriegsgott, auf dessen Schulter ein Falke saß. Skadi, die nordische Göttin des Winters, die eine Halskette aus steinernen Schneeflocken trug.

Wir gingen an all diesen Göttern und Göttinnen vorbei, bis Linus bei einem Bücherregal an der Wand stehen blieb und auf einen kleinen, silbernen Knopf an der Seite drückte. Ein grünes Licht blitzte auf und scannte seinen Daumen. Einen Moment später löste sich das Bücherregal von der Wand, schwang auf und offenbarte einen geheimen Aufzug. Meine Freunde versammelten sich vor dem Aufzug, aber ich blieb zurück, um die Statue, neben der ich vorhin gesessen hatte, zu betrachten.

Sigyn, die nordische Göttin der Hingabe, sah genauso aus wie immer. Langes Haar wallte ihr über die Schultern, ein ernster Ausdruck stand auf ihrem Gesicht und alte, verblasste Narben zogen sich kreuz und quer über ihre Hände und Arme.

Einmal mehr hatte ich das Gefühl, sie total enttäuscht zu haben.

Vor einigen Monaten hatte Sigyn mich gebeten, ihr Champion zu werden, diejenige, die hier im Reich der Sterblichen für sie arbeitete. Meine Mission? Covington zu bezwingen und ihn daran zu hindern, mit dem Narziss-Herz, einem mächtigen Artefakt, Menschen zu seinen willenlosen Lakaien zu machen. Ich war Covington und Drake Hunter, Covingstons rechter Hand und gleichzeitig Ians böser älterer Bruder, jetzt schon einige Male entgegengetreten. Letztendlich hatte das Team Midgard das Narziss-Herz sogar tatsächlich gefunden.

Obwohl wir schon einige Schlachten gewonnen hatten, erschien es mir jedoch so, als würden wir den Krieg verlieren.

Es war nur eine Frage der Zeit, bevor Covington und Drake wieder zuschlagen würden, und ich hatte keine Ahnung, wie ich sie aufhalten sollte. Vor ein paar Wochen hatte Covington mithilfe eines Samenkorns einer Roten Narzisse versucht, mich in einen Schnitter zu verwandeln. Es wäre ihm auch fast gelungen. Ich hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, das Samenkorn aus meiner Hand herauszuschneiden, um zu verhindern, dass es mich völlig vergiftete. Seither hatte ich Albträume, in denen dieses Samenkorn mit seinem schwarzen Dorn tief in meine Hand stach, unter meine Haut kroch und sein brennendes Gift wieder und wieder in meine Venen spritzte.

In einem Schwertkampf konnte ich einen Schnitter mühelos niedermetzeln. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Freunde vor dem Samenkorn einer Roten Narzisse beschützen sollte, geschweige denn vor dem Narziss-Herz selbst, das noch mächtiger war.

Sigyn schien meine aufgewühlten Gedanken zu spüren, denn sie senkte langsam den Kopf, als wolle sie mir ermutigend zunicken. Ich erwiderte die Geste, dann ging ich zum Aufzug und stieg mit meinen Freunden in die Kabine.

Es war eng, aber wir zwängten uns alle hinein und fuhren mit dem Aufzug nach unten. Ein paar Minuten später glitt die Tür auf und offenbarte einen kleinen Raum, in dem an Metallhaken an den Wänden graue Protektoratsumhänge hingen. Wir stiegen aus dem Aufzug und gingen durch einen langen Gang, vorbei an mehreren Räumen mit Glastüren – einer Küche, einer Waffenkammer und sogar einem Bereich voller blinkender Server und anderem Computerequipment.

Schließlich traten wir in den Besprechungsraum, einem großen Bereich, der das Herz des Bunkers ausmachte. Er war das supergeheime Hauptquartier von Team Midgard. Weitere Gänge zweigten hier ab und führten in andere Teile des Bunkers. Ein Holztisch beanspruchte einen erheblichen Teil des Raums und Stühle waren zu mehreren Monitoren gedreht, die an einer Wand befestigt waren.

Deckenhohe Regale zogen sich an der anderen Seite des Raums entlang. Sie enthielten viel mehr als nur Bücher. Schwerter, Dolche, Schilde und Speere glänzten auf den Brettern, daneben andere Waffen, Rüstungen, Schmuck und Kleidung, die verschiedenen Göttern, Göttinnen, Kriegern und unterschiedlichen Kreaturen gehört hatten. All die Gegenstände waren Artefakte mit einzigartiger, mächtiger Magie und eins war schöner und gefährlicher als das andere.

Mateo löste sich von der Gruppe und eilte zu einem Schreibtisch an der Wand. Darauf standen nicht nur mehrere Monitore und Tastaturen, sondern auch Footballbälle, Fußbälle und Tennisbälle, auf denen irgendwelche Mannschaftslogos und -namen zu sehen waren. Mateo warf seine Tasche auf den Schreibtisch, zog seinen Laptop heraus und trug ihn zum Besprechungstisch. Dann setzte er sich und begann zu tippen, um die Aufnahmen der Sicherheitskameras von der Trainingsmission aufzurufen.

Ian ging zu einem Schreibtisch neben dem von Mateo und legte seine Wikingerstreitaxt zwischen die Stapel von Büchern über Mythengeschichte und die Schwerter, Dolche und anderen Waffen, die die Tischplatte bedeckten.