Crashkurs Arbeitsrecht für Führungskräfte - Alexander Christ - E-Book

Crashkurs Arbeitsrecht für Führungskräfte E-Book

Alexander Christ

0,0
39,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der auch das Arbeitsrecht nicht unberührt lässt – und in Zukunft verstärkt prägen wird. Dieser Crashkurs von Dr. Alexander Christ bietet Führungskräften, die ihre Teams kompetent und empathisch führen möchten, genau das Wissen, das sie dafür brauchen. Er deckt alle zentralen arbeitsrechtlichen Themen ab: von der Stellenausschreibung über das Onboarding bis hin zu Abmahnung und Kündigung. Anschaulich und praxisnah werden die Inhalte durch die Darstellung von realen Gerichtsfällen und den dazugehörigen Urteilen der Arbeitsgerichte vermittelt. Besonders hilfreich: die Praxistipps für Führungskräfte als feste Rubrik. Inhalte: - Grundlagen des Arbeitsrechts - Wichtige Grundsätze für Führungskräfte - Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses - Störungen im Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung - Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie und Stellung der Gewerkschaften im Betrieb, Zusammenarbeit mit dem Bettriebsrat - Arbeitsgerichtsverfahren

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 444

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumAbbildungsverzeichnisVorwortWas Ihnen dieser Crashkurs Arbeitsrecht bietet1 Wozu Sie arbeitsrechtliches Grundwissen ­benötigen1.1 In fünf Schritten vom Sachverhalt zur arbeitsrechtlichen Frage1.2 Rechtsgefühl für die richtige, die sachgerechte Entscheidung 1.3 Fortentwicklung des Arbeitsrechts durch die Praxis2 Grundlagen des Arbeitsrechts2.1 Was ist Arbeit? Der Begriff und seine Bedeutung2.2 Wer mit wem? Die Parteien im Arbeitsverhältnis2.3 Wo steht’s? Die Rechtsquellen2.4 Rechtsquelle: Europarecht2.5 Rechtsquelle: Verfassungsrecht2.6 Rechtsquelle: Deutsche Gesetze2.7 Rechtsquelle: Tarifverträge2.8 Rechtsquelle: Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen2.9 Rechtsquelle: Arbeitsvertrag2.10 Rechtsquelle: Weisungen/Direktiven2.11 Rechtsquelle: Betriebliche Übung2.12 Was, wenn sich Regelungen widersprechen? 3 Wichtige Grundsätze für Führungskräfte3.1 Fürsorgegrundsatz und Treuepflicht3.2 Gleichbehandlungsgrundsatz und Willkürverbot3.3 Diskriminierungsschutz3.4 Weisungsgrundsatz3.5 Verschwiegenheitspflicht4 Individualarbeitsrecht: Begründung des ­Arbeitsverhältnisses4.1 Der Arbeitsvertrag und seine Abgrenzung zu anderen ­Vertragsformen4.2 Stellenausschreibung, Bewerbungsgespräch und ­Internetrecherche4.3 Bewerberauswahl und Bewerbungskostenerstattung4.4 Der Arbeitsvertrag und seine Form4.5 Nachweisgesetz4.6 AGB-Kontrolle4.7 Befristeter oder unbefristeter Arbeitsvertrag?4.8 Befristung mit und ohne Sachgrund4.9 Probezeit4.10 Arbeit auf Abruf4.11 Arbeitnehmerüberlassung4.12 Mindestlohn und Entgelttransparenz4.13 Anfechtungsmöglichkeiten des abgeschlossenen ­Arbeitsvertrages5 Individualarbeitsrecht: Durchführung des Arbeitsverhältnisses5.1 Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Haupt- und Nebenpflichten5.2 Ort der Arbeitsleistung5.3 Arbeitszeit, Mehrarbeit und Überstunden5.4 Arbeitszeit: Ruhepausen und Ruhezeit5.5 Arbeitszeit: Arbeit an Sonn- und Feiertagen5.6 Arbeitszeit: Beginn 5.7 Arbeitszeit: Mehrarbeit und Überstunden5.8 Weisungsrecht/Direktionsrecht5.9 Weisungsrecht: »Nach billigem Ermessen« 5.10 Weisungsrecht: Beispielhafte Tätigkeitszuweisungen5.11 Weisungsrecht: Grenzen5.12 Versetzung, Versetzungsvorbehalt und Zumutbarkeit einer Versetzung5.13 Vergütung: Textbausteine für die vertragliche Regelung 5.14 Vergütung: Sachbezüge5.15 Vergütung: Abrechnung des Arbeitsentgelts 5.16 Vergütung: Provisionen, Textbaustein Anwesenheitsprämie5.17 Vergütung: Lohuntergrenzen5.18 Vergütung: Überzahlung, Vorschuss, Pfändung5.19 Urlaub: Textbausteine für die vertragliche Regelung5.20 Urlaub: Urlaubsanspruch korrekt berechnen5.21 Urlaub: Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel5.22 Urlaub: Urlaubsantrag stellen 5.23 Urlaub: Bildungsurlaub5.24 Urlaub: Krankheit, Kündigung, Erreichbarkeit5.25 Urlaub: Widerruf nach Genehmigung, Nichterteilung 5.26 Urlaub: Mitbestimmung, Urlaubsplan 5.27 Nebentätigkeiten5.28 Homeoffice, Mobile Arbeit, Telearbeit5.29 Homeoffice-Vereinbarung5.30 Homeoffice: Arbeitszeit, Weisungsrecht und Datenschutz5.31 Homeoffice: organisatorische Maßnahmen5.32 Homeoffice: Arbeitsplatz, Versicherungsschutz, Gesundheit5.33 Homeoffice: Ausstattung, laufende Kosten, ­steuerliche Aspekte5.34 Homeoffice: Absprache und Umsetzungsprozess 5.35 Personalgespräch6 Individualarbeitsrecht: Störungen im ­Arbeitsverhältnis6.1 Störungen auf Arbeitgeberseite6.2 Störungen auf Arbeitnehmerseite6.3 Störungen auf beiden Seiten6.4 Rolle der Führungskraft 6.5 Krankheitsfall: Anzeigepflicht der Arbeitsunfähigkeit6.6 Krankheitsfall: Aufgabe des Medizinischen Dienst und des ­Betriebsarzt6.7 Krankheitsfall: Entgeltfortzahlung6.8 Betriebliches Eingliederungsmanagement: Ziele6.9 Betriebliches Eingliederungsmanagement: Ablauf6.10 Schlechtleistung6.11 Abmahnung: Gründe und Funktion 6.12 Abmahnung: Regeln für die rechtssichere Abmahnung6.13 Abmahnung: Berechtigung, Anhörung, Anzahl6.14 Abmahnung: Fehlverhalten längere geduldet, ­respektloses ­Verhalten6.15 Abmahnung: Wann ohne Abmahnung gekündigt werden kann6.16 Abmahnung: Muster für eine wirksame Abmahnung6.17 Arbeitnehmerhaftung7 Individualarbeitsrecht: Beendigung des ­Arbeitsverhältnisses7.1 Kündigung: Grundlagen 7.2 Kündigung: Ordentliche Kündigung7.3 Kündigung: Außerordentliche Kündigung7.4 Kündigung: Änderungskündigung7.5 Kündigung: Teilkündigung7.6 Kündigung: Verhaltensbedingte Kündigung7.7 Kündigung: Verdachtskündigung7.8 Kündigung: Betriebsbedingte Kündigung7.9 Kündigung: Personenbedingte Kündigung7.10 Kündigung: Besonderer Kündigungsschutz7.11 Kündigung: Sonderfall – Kündigung Schwerbehinderter7.12 Einvernehmliche Vertragsaufhebung – Aufhebungsvertrag7.13 Muster: Aufhebungsvertrag8 Besondere arbeitsrechtliche Fragen8.1 Altersgrenzen8.2 Arbeitszeugnis8.3 Personalakte8.4 Aufbewahrungsfristen8.5 Wettbewerbsverbot8.6 Betriebsübergang8.7 Werksstudenten und Praktikanten8.8 Berufsausbildungsverhältnis8.9 Mutterschutz und Elternzeit8.10 Schwerbehinderung8.11 Sabbatical8.12 Arbeits- und Gesundheitsschutz9 Kollektivarbeitsrecht9.1 Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie und Stellung der ­Gewerkschaften im Betrieb9.2 Grundlagen der Betriebsverfassung9.3 Betriebsrat: Betrieb, Mitarbeiter, leitende Angestellte9.4 Betriebsrat: Wahl9.5 Betriebsrat: Beteiligungsrechte9.6 Betriebsrat: Betriebsvereinbarung 9.7 Betriebsrat: Betriebsversammlung9.8 Betriebsrat: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 9.9 Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat10 Arbeitsgerichtsverfahren10.1 Allgemeiner Verfahrensgang in Arbeitssachen10.2 Verhalten von Führungskräften vor Gericht11 Praktische Ratschläge für Führungskräfte11.1 Die Förderungspflicht des Vorgesetzten11.2 Gewaltfreie Kommunikation11.3 Systemisches Konsensieren11.4 Einführung agiler Arbeitsmethoden12 Statt eines Nachworts: Nachdenken über die Aufgabe einer FührungskraftDer AutorIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!Stichwortverzeichnis

Buchnavigation

InhaltsubersichtCoverTextanfangImpressum
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

Bitte respektieren Sie die Rechte der Autorinnen und Autoren, indem sie keine ungenehmigten Kopien in Umlauf bringen.

Dafür vielen Dank!

myBook+

Ihr Portal für alle Online-Materialien zum Buch!

Arbeitshilfen, die über ein normales Buch hinaus eine digitale Dimension eröffnen. Je nach Thema Vorlagen, Informationsgrafiken, Tutorials, Videos oder speziell entwickelte Rechner – all das bietet Ihnen die Plattform myBook+.

Und so einfach geht’s:

Gehen Sie auf https://mybookplus.de, registrieren Sie sich und geben Sie Ihren Buchcode ein, um auf die Online-Materialien Ihres Buches zu gelangen

Ihren individuellen Buchcode finden Sie am Buchende

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit myBook+ !

(((ns Impressum aufnehmen, und zwar unter 'Cover')))Autorenfoto Copyright: © Matthias Burchhardt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-18247-5

Bestell-Nr. 14191-0001

ePub:

ISBN 978-3-648-18248-2

Bestell-Nr. 14191-0100

ePDF:

ISBN 978-3-648-18249-9

Bestell-Nr. 14191-0150

Dr. Alexander Christ

Crashkurs Arbeitsrecht für Führungskräfte

1. Auflage, Juni 2025

© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney

Produktmanagement: Kerstin Erlich

Lektorat: Ulrich Leinz

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Der Verlag behält sich auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Sofern diese Publikation ein ergänzendes Online-Angebot beinhaltet, stehen die Inhalte für 12 Monate nach Einstellen bzw. Abverkauf des Buches, mindestens aber für zwei Jahre nach Erscheinen des Buches, online zur Verfügung. Ein Anspruch auf Nutzung darüber hinaus besteht nicht.

Sollte dieses Buch bzw. das Online-Angebot Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte und die Verfügbarkeit keine Haftung. Wir machen uns diese Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

Abbildungsverzeichnis

Normenpyramide des deutschen Arbeitsrechts

Abschluss des Arbeitsvertrages

Das Arbeitsverhältnis

Fragerecht des Arbeitgebers

Vertragsbeziehungen bei der Arbeitnehmerüberlassung

Wichtige Eckpunkte im Arbeitszeitgesetz

Umfang des Weisungsrechts

Gleichwertigkeit der Tätigkeit bei Versetzung

Homeoffice – Mobile Arbeit – Telearbeit

Störungen im Arbeitsverhältnis

Änderungskündigung durch den Arbeitgeber

Betrieb – Unternehmen – Konzern

Das Ehrenamt des Betriebsrats

Betriebsratssitzung und Beschlussfassung 1

Betriebsratssitzung und Beschlussfassung 2

Übersicht über die Beteiligungsrechte des Betriebsrates

Anhörung des Betriebsrats bei Einstellung und Versetzung, § 99 BetrVG

Arbeitsgerichtsbarkeit Instanzenzug

Vorwort

Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.

Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944)

Arbeitsrecht beschäftigt mich seit nunmehr dreißig Jahren. Während dieser Zeit habe ich unzählige Mandanten in Kündigungsrechtstreiten vertreten und ihnen entweder zu einer Weiterbeschäftigung oder zu einer angemessenen Abfindung verholfen, habe Geschäftsführer und Personaler dabei unterstützt, praxistaugliche und möglichst konfliktfreie Lösungen für ihren betrieblichen Alltag zu finden und Betriebsräte dabei unterstützt und beraten, Rechte der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer effektiv und konstruktiv umzusetzen. Für das Arbeitsrecht habe ich mich früh entschieden, gleich nachdem ich nach meinem Studium in die Anwaltschaft eingetreten war. Was damals in der kleinen Kanzlei einer Kollegin vor allem eine bewusste Entscheidung gegen das dort auch mögliche Familienrecht und Verkehrsrecht war, das wurde bald zu einer wirklichen Herzensangelegenheit. Arbeitsrecht und meine Kenntnisse in diesem Rechtsgebiet sind für mich seither ein echtes Instrument geworden, Menschen zu helfen. Wie oft hatte ich völlig aufgelöste Anrufer am Telefon oder Mandanten in meiner Kanzlei, die mir glaubhaft versicherten, nun nach der erhaltenen Kündigung sei ihr Leben praktisch vorbei, alles sei aus, niemals wieder würden sie einen neuen Job finden und ganz sicher bekämen sie vor keinem Gericht der Welt Recht. Verzweiflung pur. Und zugleich die unerklärliche Hoffnung, nur ein Anwalt könne das Blatt wenden.1

Gemütsschwankungen, hochfahrende Emotionen, tiefe Enttäuschungen, all das prägte viele Verfahren und Beratungsmandate, die ich in den letzten drei Jahrzehnten für tausende von Mandanten führen durfte. Genau das hat das Arbeitsrecht für mich so spannend und abwechslungsreich gemacht, genau diese Alltagsbedeutung war es, die mich immer weiterarbeiten ließ in diesem nie endenden Rechtsgebiet – denn was wären Menschen ohne eine für den Einzelnen sinnstiftende Arbeit? Und die Reise geht weiter, denn vielleicht nie zuvor in der deutschen Rechtsgeschichte veränderte sich das Arbeitsrecht so sehr, wie es sich derzeit wandelt.

Wir erleben einen ganz fundamentalen Veränderungsprozess in der Arbeitswelt insgesamt: die Transformation von überwiegend manuellen Arbeitsprozessen hin zu einer umfassenden DigitalisierungDigitalisierung. Arbeit wird mehr und mehr maschinell erledigt. Wie bitte? Man mag einwenden, das sei doch schon seit Jahrzehnten der Fall. Auch mir ging es zunächst so, als ich das Schlagwort von der »digitalen Revolution« hörte, und ich dachte, was soll denn nun schon so neu sein, Computer haben wir doch seit Ende der 90er-Jahre im Einsatz. Doch etwas ist aktuell entscheidend anders: während Computer bislang oft nur gelegentliche Begleiter des Arbeitsalltags waren, übernehmen heute Programme zunehmend ganze Jobbeschreibungen für Vollzeitarbeitsplätze2. Und dies wird Auswirkungen auf das Recht haben, früher oder später. Aktuell merken wir davon noch wenig, das Arbeitsrecht erscheint derzeit (noch) wie ein erratischer Block, der allen digitalen Stürmen trotzt. In den letzten Jahren habe ich beispielsweise Seminare mit dem Titel »New Work und klassisches Arbeitsrecht« gehalten, und schon der Seminartitel zeigte, dass wir noch immer davon ausgehen, New Work sei so ein momentaner Modefimmel, dem mit dem klassischen Arbeitsrecht irgendwie beizukommen sei. Ich glaube inzwischen, diese Auffassung täuscht.

Das Arbeitsrecht muss und wird sich ändern. Verändern muss sich beispielsweise das ArbeitszeitrechtArbeitszeitrecht, das kaum irgendwo sonst so statisch und unflexibel ist wie in Deutschland. Verändern müssen sich unsere gängigen Vorstellungen davon, welchen Stellenwert Vollzeitarbeit und Arbeit insgesamt in einem Menschenleben haben und haben sollten. Jüngere Generationen fragen heute bereits im ersten Vorstellungsgespräch danach, wie kompliziert denn das Antragsprocedere für ein Sabbatical oder eine längere Auszeit im Ausland sei, wie mir immer wieder von Personalern berichtet wird. Oder es werden gleich zu Anfang eines Arbeitsverhältnisses Fragen nach der Work-Life-Balance gestellt. Die Realität ist, dass die moderne Arbeitswelt die Vollbeschäftigung nicht mehr benötigt. Die anstehenden Aufgaben können intelligenter von weniger Arbeitskräften gelöst werden. Gut die Hälfte meines Berufslebens war ich selbst Personalleiter in internationalen Unternehmen. Ich weiß, dass vieles, was Menschen in Unternehmen tun, Selbstbeschäftigung und Zeitvertreib ist oder nur die eigene Rolle rechtfertigen soll – während andere Wenige aufgrund der Fülle der ihnen aufgebürdeten Aufgaben kaum atmen können.

Was wir noch nicht verstanden haben, so scheint es mir, ist, was mit der gewonnenen Zeit sinnvollerweise anzufangen wäre. Man könnte die Zeitgewinne, die schlauere, schnellere Arbeitsprozesse hervorbringen, eventuell kreativ zur Entwicklung neuer Ideen nutzen. Da besteht, glaube ich zu erkennen, insgesamt noch Entwicklungsbedarf.

Fangen wir also im Kleinen, fangen wir bei uns selbst an: Wer schnell und kompakt an die essentiellen Informationen gelangt, hat am Ende des Tages, der Woche, mehr Zeit für andere Dinge übrig, sei es nur der sinnende Blick aus dem Fenster oder Zeit für den Spaziergang im Wald, bei dem einem die besten Ideen kommen.

Der Wechsel der Blickrichtung

Anwälte sind seltsame Menschen. Sie beschäftigen sich, meist zeitlebens, mit den Problemen anderer Leute. Um dies wirklich gut tun zu können und gleichzeitig selbst dem täglichen Verantwortungsdruck Stand zu halten, muss man lernen, sich in die Situation hineinversetzen zu können, in der die anderen oder der andere stecken. In meiner Tätigkeit ist mir dabei das Zitat von Antoine de Saint-Exupéry zu einer Art Arbeitsmotto geworden. Es stand in meiner ersten Berliner Kanzlei groß auf einem Bild im Besprechungszimmer. Der Wechsel der Blickrichtung ist im Arbeitsrecht der Schlüssel zur Problemlösung. Was ich über den Anwaltsberuf sagte, gilt nahezu deckungsgleich auch für Vorgesetzte in Führungspositionen. Menschen in Unternehmen, die die Verantwortung für andere übernehmen, indem sie in eine Führungsposition eintreten, verlieren nach meiner Beobachtung überraschend rasch das Interesse, die Blickrichtung zu wechseln. Doch das erweist sich schnell als entscheidender Fehler. Zu kurz kommt auch manchmal eine ausreichende Sachverhaltsermittlung. Wenn dann noch mangelnde Fähigkeiten in gewaltfreier Kommunikation oder in der Interaktion mit anderen insgesamt hinzutreten, ist der Weg in den offenen Konflikt vorgezeichnet. Genau diese Eskalation aber gilt es in der Personalführung zu vermeiden.

Ein Team ist immer nur so gut, wie es die Vorgesetzten zulassen. Die Probleme einzelner Teammitglieder, mit ihrem Alltag fertig zu werden, verschwinden nicht, aber sie lassen sich bewältigen, wenn die Fähigkeit zum Wechsel der Blickrichtung stets beibehalten wird, wenn die Sachverhaltsermittlung (also die Klärung, worum es wirklich geht) ernsthaft und vollständig unternommen wird, wenn die Fähigkeit trainiert wird, wirklich gewaltfrei zu kommunizieren – und wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen beherrscht werden. Das Letztere ist die Grundlage, das Fundament, auf dem alles andere sicher steht. Um diese vier elementaren Werkzeuge des Arbeitsrechts geht es in diesem Buch.

1 … schrieb doch schon William Shakespeare in Heinrich VI, Teil 2, 4. Akt: »The first thing we do, let’s kill all the lawyers.« Die Figur des »Dick the butcher« stellt sich bei diesem berühmt gewordenen Ausspruch eine quasi-kommunistische Revolution vor und glaubt, alles, was Anwälte tun, sei Pergamente hin und her zu schieben, um die einfachen Leute systematisch zu ruinieren.

2 Auf dieser interessanten Seite kann man nachsehen, welche Jobs in der Zukunft womöglich durch Fortschritte mit Künstlicher Intelligenz überflüssig werden: https://job-futuromat.iab.de

Was Ihnen dieser Crashkurs Arbeitsrecht bietet

Das Ziel dieses Crashkurses ist es, schnell und möglichst punktgenau die Informationen zu vermitteln, die jede Führungskraft, die Mitarbeiter effektiv und einfühlsam führen möchte, mindestens benötigt. Dieses Buch ist für Praktiker geschrieben – von einem Praktiker, der Autor war wie erwähnt mehr als eineinhalb Jahrzehnte auch Personalleiter in großen Unternehmen.

Wichtig ist, bei der Lektüre den Blick darauf zu behalten, dass die Themen im Arbeitsrecht meist aufeinander aufgebaut sind. Nichts steht für sich, weniges ist zufällig. Daher sind gelegentliche Wiederholung in der Darstellung nicht nur nicht vermeidbar, sondern geradezu notwendig, um durch Wiederholung und erneutes Benennen einerseits eine wichtige Bedeutung und andererseits einen Querbezug sichtbar zu machen.

Gewisse Grundsätze wiederholen sich in immer neuen Spielarten der einen ursprünglichen Idee. So zieht sich beispielsweise das Thema »Weisungsrecht« wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Das ist so, weil das Direktionsrecht das Führungsmittel jeder Führungskraft ist und weil aus diesem Grund dessen praktische Bedeutung nicht deutlich genug hervorgehoben werden kann.

Eingefügt in die Themenbereiche sind jeweils passende Fälle aus meiner Beratungspraxis sowie relevante höchstrichterliche Rechtsprechung. Die stellenweise zitierten Entscheidungen aus der Rechtsprechung inklusive der Quellenangaben dienen als Anregung, bestimmte Passagen bei Bedarf nachzulesen. Ich nenne daher die Quellen zu den Urteilen, die mir in meiner Praxis immer besonders wichtig waren, in den Fußnoten.

1 Wozu Sie arbeitsrechtliches Grundwissen ­benötigen

Für seine Arbeit muss man Zustimmung suchen, aber niemals Beifall.

Charles-Louis de Montesquieu (1689–1755)

Wir leben in einer Zeit, in der sich jeder die akut benötigten Informationen spielend aus dem Internet holen kann, mittels der gängigen Suchmaschinen oder neuerdings der KI-Tools wie ChatGPT, DeepSeek, Grok. Da braucht man nur die Frage zu stellen, die man auf dem Tisch hat, und schon erscheint auf dem Bildschirm eine Lösung zu jedem Problem. Vorausgesetzt ist allerdings, man hat die Frage präzise genug gestellt. Und genau hier sind wir beim Kern der Sache.

Nur wer gelernt hat, die richtigen Fragen zu stellen, oder besser gesagt, die wirklich entscheidenden Fragen präzise zu stellen, kann darauf bauen, eine für seinen Fall wirklich passende Antwort zu erhalten. Hierfür wird ein Grundwissen benötigt, das sich eben nicht passgenau aus dem Internet herunterladen lässt.

1.1 In fünf Schritten vom Sachverhalt zur arbeitsrechtlichen Frage

Es bleibt also Aufgabe der Führungskraft, zunächst den SachverhaltSachverhalt, um den es konkret geht, vollständig zu ermitteln. Ein häufig zu beobachtender Fehler liegt darin, vorschnell zur Lösung kommen zu wollen, indem mehrere Lösungsvorschläge unterbreitet werden, die jedoch alle nur ungenau oder gar nicht zum eigentlichen juristischen Problem passen. Dies ist ein häufig in der arbeitsrechtlichen Praxis zu beobachtender Übereifer, der oft nur auf Abwege führt, anstatt zur passgenauen Lösung.

Der Fragestellung geht eine Problemerkenntnis voraus. Dieser Problemerkenntnis wiederum liegt eine spezifische und vollständige Sachverhaltsdurchdringung zugrunde. Mit anderen Worten, zunächst muss jeder, der im Arbeitsrecht mit herausfordernden Situationen konfrontiert wird und diese lösen möchte, erst einmal den vorliegenden Sachverhalt vollständig und korrekt verstanden haben (sodass der Sachverhalt notfalls in eigenen Worten wiedergegeben werden kann, beispielsweise im Austausch mit dem Personalbereich, um die nun zu ergreifenden Schritte abzustimmen, oder einem Anwalt gegenüber, der möglicherweise hinzugezogen werden muss). Sodann kann auf der Basis des erfassten (also verstandenen) Sachverhalts das darin enthaltene arbeitsrechtliche Problem herausgefiltert werden. Die wesentlichen Schritte bilden die Grundlage für die sich hieraus ergebenden konkreten Fragen.

Frage

Schritt 1

Ermittlung des vollständigen und abgrenzbaren Sachverhalts

»Worum geht es?«

Schritt 2

Klärung offener Sachverhaltsfragen:

»Was ist noch unklar?«

Schritt 3

Test: Wiedergabe des Sachverhalts in eigenen Worten

»Ich habe es so verstanden«

Schritt 4

Gedankliche Durchdringung des Problems

»Worum also geht es denn genau?«

Schritt 5

Stellen der juristischen, arbeitsrechtlichen Fragen

Wer sich angewöhnt, diese fünf Schritte bei jedem neuen Problem nacheinander zu durchlaufen, vermeidet es, vorschnell eigene Lösungsansätze zu präsentieren, die es dann sowohl dem befragten Experten wie auch einem beliebigen Gesprächspartner erschweren, in eigenen Worten auf das Problem einzugehen, da zunächst mit den unrichtigen Teilen der übereilten Lösung aufgeräumt werden muss. Umgekehrt wird es demjenigen viel leichter fallen, sich zur Kernfrage eines Problems, die nicht selten durch viele unwichtige Details verstellt ist, voranzuarbeiten.

Die Nutzung von KI (Künstlicher Intelligenz) macht den Menschen mit seinen Fähigkeiten nicht überflüssig. Das Europäische Parlament definiert den Begriff Künstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz so: »Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.«3 Menschen sind es, die künstliche Intelligenz in Gang setzen, dabei aber ihre eigene menschliche Intelligenz gebrauchen. Und doch neigen wir alle dazu, den Resultaten, die uns die künstliche Intelligenz vorlegt, beinahe blind zu übernehmen und diese Ergebnisse nicht mehr sehr kritisch mit Hilfe unserer eigenen natürlichen Intelligenz zu hinterfragen. Vielmehr glauben wir das, was uns dort vorgetragen wird, nahezu unbesehen und argumentieren häufig noch, wenn es im Internet steht, dann muss es ja schließlich stimmen.

3 Europäisches Parlament, https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20200827STO85804/was-ist-kunstliche-intelligenz-und-wie-wird-sie-genutzt?utm_source=chatgpt.com

1.2 Rechtsgefühl für die richtige, die sachgerechte Entscheidung

Die Praxis zeigt aber, zu sachgerechten und menschlichen Lösungen gelangt vor allem derjenige, der zwar die Hilfsmittel der künstlichen Intelligenz bei der Lösungsermittlung einsetzt, sich aber gleichwohl weiterhin noch seiner eigenen natürlichen Intelligenz bedient und die zur Verfügung stehenden Ergebnisse kritisch bewertet.

Gerade im Arbeitsumfeld kommt es letztlich darauf an, sozialverträgliche, menschliche Lösungen zu finden, die vom Gegenüber akzeptiert werden können.

Der Autor dieses Buches fühlt sich einer humanen Verantwortung verpflichtet und möchte nicht einem Maschinendenken das Wort reden. Auch deshalb zielt dieses Buch auf die Gewinnung eines arbeitsrechtlichen Grundverständnisses ab, auch und gerade in digitalen Zeiten.

Wer über heute (noch) gängige Medien wie Tageszeitung, Fernsehen, Radio oder Newsletter zu Neuigkeiten aus dem Arbeitsleben informiert wird, der hat unweigerlich auch kuriose Geschichten mit überraschendem Ausgang aus der arbeitsgerichtlichen Welt gehört. Es gibt eine Reihe von Entscheidungen, die unser Bild vom Arbeitsrecht bis heute prägen. Vieles von dem, was Menschen über das Arbeitsrecht zu wissen glauben, ist bestimmt von diesen wenigen, wegweisenden Entscheidungen, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Ganz oben auf der Liste solcher Entscheidungen, die sich ins arbeitsrechtliche Gedächtnis eingeschrieben haben, steht vielleicht der Fall »Emmely«: Eine Kassiererin, die über 30 Jahre lang beanstandungsfrei in einem Supermarkt gearbeitet hatte, wurde fristlos entlassen, weil sie zwei an der Kasse liegengebliebene Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte. Der Fall löste beträchtliches Medieninteresse aus und lief durch drei Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht. Das BAG hob die Kündigung auf und entschied, dass bei einem langjährigen beanstandungsfreien Arbeitsverhältnis ein Bagatelldiebstahl nicht zwingend eine fristlose Kündigung rechtfertigt.4 Die Folge: Arbeitgeber dürfen nicht pauschal wegen kleinerer Diebstähle fristlos kündigen, es muss eine Interessenabwägung erfolgen.

In Erinnerung geblieben sind kuriose anmutende Fälle wie der »Nackt im Homeoffice«-Fall oder der »Bienenstich«-Fall. Im erstgenannten Fall erhielt ein Arbeitnehmer, der im Homeoffice arbeitete, eine fristlose Kündigung seines Arbeitgebers, nachdem er während einer Videokonferenz nackt vor seinem Computer erwischt wurde. Die fristlose Kündigung erfolgte wegen »unsittlichen Verhaltens«. Der Arbeitnehmer klagte – und gewann. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass es keinen arbeitsrechtlichen Verstoß gebe, da die Videokonferenz ohne vorherige Ankündigung gestartet worden war und der Arbeitnehmer sich in seinem privaten Umfeld aufhielt. Die Folge: Arbeitnehmer im Homeoffice genießen Privatsphärenschutz, selbst wenn sie während der Arbeit unbekleidet sind. Der Fall verdeutlicht, wie wichtig eine vollständige Sachverhaltsaufklärung ist, denn in den Details (Starten der Konferenz ohne vorherige Ankündigung) liegt oft die Lösung verborgen. Im zweiten Fall hatte eine Altenpflegerin in einer Pflegeeinrichtung ein Stück Bienenstich gegessen, das eigentlich für die Bewohner bestimmt war. Der Arbeitgeber sah darin einen schweren Vertrauensbruch und kündigte sie fristlos. Die Pflegekraft klagte und verlor. Das Gericht entschied, dass auch ein geringer Wert eines Gegenstandes eine Kündigung rechtfertigen kann, wenn dadurch das Vertrauensverhältnis massiv beschädigt wird. Die Folge: Arbeitnehmer müssen sich bewusst sein, dass auch vermeintlich harmlose Lebensmittel-Entwendungen als schwerer Vertrauensmissbrauch gewertet werden können.

Wo ist der Unterschied zwischen dem Bienenstich-Fall und dem Fall Emmely, wird man sich vielleicht fragen?

Beide Fälle handeln doch von Kleinigkeiten, könnte man einwenden. Im Fall der Kassiererin fehlte dem Bundesarbeitsgericht eine intensive Interessenabwägung (die langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit versus der einmalige Verstoß, der sich nicht gegen den Arbeitgeber richtete), im Altenheim-Fall war es nach Auffassung des Gerichtes ein zwar wertmäßig harmloser Vertrauensbruch, aber doch ein solcher, der die Vermutung aufkommen ließ, das könnte sich auch auf relevantere Werte erstrecken. In eine ähnliche Richtung geht der folgende »Katzenfutter«-Fall. Eine Supermarkt-Mitarbeiterin wird fristlos entlassen, weil sie reduziertes Katzenfutter, das für die Tafel bestimmt war, mitnimmt und damit Katzen füttert. Der Warenwert beträgt nur wenige Euro, aber der Arbeitgeber sieht dies als Diebstahl an. Das Gericht bestätigte die Kündigung und argumentiert, dass auch kleinere Beträge einen schweren Vertrauensbruch darstellen können, wenn es sich um Eigentum des Arbeitgebers handelt.

Ein Rechtsgefühl für die richtige, die sachgerechte Entscheidung lässt sich per KI (noch) nicht entwickeln. Der innere Kompass, den wir alle von Natur aus in uns tragen, bei manchen aber durch Ellenbogengesellschaft, falsch verstandenes Erfolgsstreben oder den kindlichen Wunsch, nicht negativ auffallen zu wollen, verschüttet wurde, kann trainiert und notfalls reaktiviert werden. Viele Fälle lassen sich so lösen, weil im Grunde einleuchtend und klar ist, wie gehandelt werden muss.

4 BAG, Urteil vom 10.6.2010 – Az. 2 AZR 541/09

1.3 Fortentwicklung des Arbeitsrechts durch die Praxis

Arbeitsrecht ist und war immer vor allem auch Richterrecht. Aus Urteilen wurden manchmal später sogar gesetzliche Regelungen. Manchmal werfen Entscheidungen aber Probleme erst in deren ganzer Tragweite auf. In den ersten Jahren nach Gründung des Bundesarbeitsgerichts 1954 waren es vor allem die folgenden Entscheidungen, die in juristischen Kreisen für Aufsehen sorgten und die weitere Entwicklung des Arbeitsrechts geprägt haben.

Im Beschluss »Streik und Arbeitsverhältnis« entschied das BAG, dass ein rechtmäßiger Streik das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern lediglich suspendiert. Nach Streikende lebt das Arbeitsverhältnis unverändert wieder auf.5

Im Urteil »Streik um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall« wurde die Gewerkschaft IG Metall vom BAG zum Schadenersatz für einen Streik verurteilt, der zur Durchsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geführt wurde. Das Gericht stufte den Streik als rechtswidrig ein.6 Später wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gesetzlich geregelt.

Im Fall »Videoüberwachung« entschied das BAG, dass die dauerhafte Überwachung von Arbeitnehmern per Video nur dann zulässig ist, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung besteht und dies nur mit Hilfe der Überwachung aufzuklären ist.7 Das Urteil stellte klar, dass Arbeitgeber bei der Aufklärung von Straftaten das mildeste mögliche Mittel anzuwenden haben.

Einige weitere Fälle aus der arbeitsrechtlichen Praxis zur Illustration. Der »Fall des politisch unliebsamen Arbeitnehmers« behandelte die Entlassung eines Arbeitnehmers, die damit begründet wurde, dass er sich politisch engagierte und kommunistische Ideen vertrat. Der Arbeitgeber argumentierte, dass dies das Unternehmensimage schädige. Das Gericht stellte klar, dass die Meinungsfreiheit auch im Arbeitsverhältnis gilt. Es gebe jedoch Grenzen, wenn betriebliche Interessen beeinträchtigt seien, dann könne die Meinungsfreiheit diesen untergeordnet sein. Das Thema kommt aktuell wieder auf die Tagesordnung, allerdings haben sich inzwischen die politischen Vorzeichen geändert, verdächtigt sind oftmals nicht Betätigungen im linken, sondern nun im rechten politischen Spektrum, in der Sache geht es um nichts anderes.

Das verdeutlicht der »Facebook-Like«-Fall: Ein Arbeitnehmer wird entlassen, weil er auf Facebook mehrere Beiträge mit rechtsextremen Inhalten geliked hat, darunter Symbole verfassungswidriger Organisationen. Der Arbeitgeber sah darin ein imageschädigendes Verhalten und kündigte fristlos. Das Gericht bestätigte die Kündigung, da das öffentliche Verhalten des Arbeitnehmers dem Ansehen des Unternehmens erheblich schaden konnte. Die Folge: Likes auf Social Media können zur Kündigung führen, wenn sie extremistische oder menschenverachtende Inhalte betreffen. Im Ergebnis nachvollziehbar wird man dennoch fein unterscheiden müssen, wer genau beurteilt und beurteilen kann, welcher Inhalt bereits extremistisch ist und welcher noch nicht. In Zeiten ungecheckter Faktenchecker wird all dies immer mehr zu einem neuen Problem. Festzuhalten bleibt, dass das weite Feld des Internets eine Untiefe bleibt, in der Arbeitnehmer wie Führungskräfte leicht auf einen unsicheren Pfad kommen können.

Rechtsgeschichte geschrieben hat der Fall »Lohnfortzahlung im Krankheitsfall«. Vor diesem Urteil war es üblich, dass Arbeitnehmer bei Krankheit keinen oder nur verminderten Lohn erhielten. Das BAG entschied 2009, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, das volle Gehalt für eine bestimmte Zeit weiterzuzahlen, da Krankheit kein selbst verschuldeter Umstand ist. Zudem muss der Arbeitgeber nicht nur das Grundentgelt, sondern auch Zuschläge wie Sonntags- oder Feiertagszuschläge fortzahlen, wenn diese Bestandteile des regulären Arbeitsentgelts sind. Der Arbeitgeber hat den erkrankten Arbeitnehmer nach dem Lohnausfallprinzip also so zu stellen, als hätte er gearbeitet.8

Im Urteil »Körperreinigung« entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Körperreinigungszeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.9 Auch dieser Fall zeigt letztlich nur, was schon der gesunde Menschenverstand einem hätte sagen können. Das Ergebnis dürfte die Parteien des Rechtsstreits eigentlich nicht überrascht haben, und man fragt sich, warum nur brauchte es hier drei Instanzen, um zu einem solchen naheliegenden Ergebnis zu gelangen.

Wie in weiteren Beispielfällen im Verlauf dieser Darstellung zu sehen sein wird, stellen sich immer wieder grundlegende Fragen, die durch eine bloße Lektüre der einschlägigen Gesetze nicht zu beantworten sind. Arbeitsrecht hat einen enormen Praxisbezug, denn es regelt sich ständig wandelnde Rechtsbeziehungen. Arbeit ist und bleibt wandlungsfähig.

5 BAG, Urteil vom 28.1.1955 – Az. GS 1/54

6 BAG, Urteil vom 31.10.1958 – Az. 1 AZR 632/57

7 BAG, Beschluss vom 29.6.2004 – Az. 1 ABR 21/03

8 BAG, Urteil vom 14.1.2009 – Az. 5 AZR 89/08

9 BAG, Urteil vom 23.4.2024 – Az. 5 AZR 212/23

2 Grundlagen des Arbeitsrechts

Die meisten Leute verpassen die Gelegenheit, weil sie in einen Overallgekleidet ist und nach Arbeit aussieht.

Thomas Edison (1847–1931)

2.1 Was ist Arbeit? Der Begriff und seine Bedeutung

»Arbeit« kann je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben. Ganz allgemein ausgedrückt versteht man unter ArbeitArbeit jede zielgerichtete, bewusste Tätigkeit, die zur Erreichung eines bestimmten Zweckes oder Ergebnisses dient. Im wirtschaftlichen Zusammenhang meint Arbeit den Einsatz von körperlicher oder geistiger Energie zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen, oft im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Entlohnung. Physikalisch ist Arbeit das Produkt aus Kraft und dem zurückgelegten Weg in Richtung der Kraft – auch diese Erklärung hilft uns für ein umfassendes Verständnis des Begriffes weiter. Soziologisch ist Arbeit eine zentrale soziale Aktivität, die zur Existenzsicherung, gesellschaftlichen Teilhabe und Identitätsbildung beiträgt.

Wenn wir heute von »Arbeit« im arbeitsrechtlichen Sinne sprechen, dann ist damit in erster Linie eine Leistung im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages gemeint. Genauer bezeichnet Arbeit hier die vertraglich geschuldete Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Sie umfasst sowohl die körperlichen wie geistigen Tätigkeiten, die im Auftrag und nach Weisung des Arbeitgebers erbracht werden.

Historischer Ausgangspunkt in Deutschland ist die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 und des Deutschen Reiches von 1871, die den Gewerbetreibenden das Recht einer freien Vereinbarung mit ihren Gehilfen, Gesellen und Lehrlingen einräumte. Rechtlich handelt es sich bei der Vereinbarung, wonach jemand etwas für einen anderen zu machen sich bereit erklärt und dafür ein Entgelt erwartet und erhalten soll, um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 I BGB. Ein Dienstvertrag hat die Leistung unselbständiger Dienste, also Dienste für einen anderen, den Dienstherrn, zum Gegenstand.

DienstvertragDienstvertrag

§ 611 BGB. Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

ArbeitsvertragArbeitsvertrag

§ 611a BGB. Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Wesentliche Merkmale von Arbeit sind demnach

Weisungsgebundenheit: Der Arbeitnehmer unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt beziehungsweise Art der Arbeit.

Persönliche Leistungspflicht: Der Arbeitnehmer muss die Arbeit grundsätzlich selbst erbringen (er darf also nicht einen Bekannten oder Freund an seiner Stelle schicken).

Eingliederung in die betriebliche Organisation: Der Arbeitnehmer ist in die Strukturen und Abläufe des Betriebes eingebunden.

Vergütungspflicht: Für die Leistung dieser Arbeit darf der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein Entgelt erwarten.

Erwerbstätigkeit in Deutschland

Im März 2023 waren in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (www.destatis.de) von den rund 83 Millionen Einwohner 45,7 Millionen als »Erwerbstätige« erfasst. Hiervon bilden die Arbeitnehmer mit 39,8 Millionen die mit Abstand größte Gruppe vor den Selbständigen mit 4,5 Millionen und den Beamten, Richtern und Soldaten mit 1,4 Millionen Menschen.

Einige weitere Details sind wichtig, um das Wesen der Arbeit besser zu verstehen.

Das ArbeitsverhältnisArbeitsverhältnis stellt ein Dauerschuldverhältnis dar. Es ist daher nicht nach einem einmaligen Leistungsaustausch beendet, wie dies etwa beim Kauf der Fall ist (Ware gegen Geld). Vielmehr läuft es entweder auf unbestimmte Zeit oder wird für einen festgelegten Zeitraum von den Parteien eingegangen, also befristet abgeschlossen. Daraus ergibt sich, dass es dann, wenn es nicht wie bei einer Zeitbefristung nach Zeitablauf automatisch endet, ausdrücklich gekündigt werden muss, um wirksam einseitig beendet zu werden.

Zweitens erwachsen aus dem Arbeitsverhältnis wechselseitige Rechte und Pflichten (Vergütung, Urlaub, Arbeitsleistung usw.).

Ferner ist im Ausgangspunkt der Arbeitsbeziehung ein gewisses Machtungleichgewicht gegeben: wer seine Arbeitskraft einem anderen zur Verfügung stellt, der willigt nach klassischer Betrachtungsweise in ein Über-/Unterordnungsverhältnis ein, denn der Arbeitgeber ist regelmäßig wirtschaftlich der Stärkere der beiden Parteien. Ihm gehören die Arbeitsmittel, er ist der »Herr des Geldes«. Allerdings verfügt der Arbeitnehmer über die Qualifikation und das Know-how, das der Arbeitgeber im jeweiligen Zeitpunkt benötigt, sodass sich hieraus eine gewisse Koabhängigkeit ergibt.

In der betrieblichen Praxis zeigt sich, wenn der Arbeitgeber nicht ein leicht größeres Interesse daran hat, dass der Arbeitnehmer ihm erhalten bleibt, dann kommt es erfahrungsgemäß früher oder später zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein »gesundes« Arbeitsverhältnis zeichnet sich mit anderen Worten dadurch aus, dass der Arbeitgeber bemüht ist, den guten Arbeitnehmer nicht zu verlieren. Der Arbeitgeber sollte also den Arbeitnehmer immer etwas mehr behalten wollen als umgekehrt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber.

Allerdings darf auch der Arbeitnehmer nicht »am längeren Hebel« sitzen und dem Arbeitgeber ständig mit Weggang drohen. Ideal ist eine wechselseitige Wertschätzung, diese führt erst zu einem dauerhaften Aufrechterhalten eine solchen Arbeitsbeziehung. Der Arbeitgeber schätzt die Arbeit(-sleistung) des Arbeitnehmers, dieser wiederum wertschätzt, dass ihm der Arbeitgeber die Möglichkeit der Verwirklichung seiner Persönlichkeit in der Arbeit gibt.

2.2 Wer mit wem? Die Parteien im Arbeitsverhältnis

Der Begriff des »Arbeitsverhältnisses« bezeichnet die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Rechtliche Basis hierfür ist § 241 I BGB, der das zwischen diesen beiden bestehende Schuldverhältnis regelt. Vertragspartner werden also Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

ArbeitnehmerArbeitnehmer in diesem Sinne ist nach § 611a I 1 BGB jeder, der auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages verpflichtet ist (1) im Dienste eines anderen (2) weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit (3) in persönlicher Abhängigkeit zu leisten (4), wofür ihm als Gegenleistung ein vereinbartes Entgelt zusteht (5). Die vereinbarte Entgeltlichkeit des Dienstes grenzt das Arbeitsverhältnis von der unentgeltlichen Geschäftsbesorgung ab, etwa aus Auftrag, § 662 BGB, oder aus reiner Gefälligkeit. Abzugrenzen vom Arbeitnehmer ist der SelbständigeSelbständige, der keiner Weisungsgebundenheit unterliegt und seine Leistung auf eigene Rechnung erbringt.

Unterschied zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag

DienstvertragDienstvertrag und WerkvertragWerkvertrag unterscheiden sich im Hinblick auf den geschuldeten Erfolg.

Gegenstand des Dienstvertrages, § 611 BGB, ist die Erbringung einer Tätigkeit oder Leistung ohne garantierten Erfolg. Die Vergütung wird für die geleistete Arbeit gezahlt, unabhängig vom Ergebnis. Der nichtselbständige Arbeitnehmer wird auf der Basis eines solchen Dienstvertrages tätig.

Gegenstand des Werkvertrages, § 631 BGB, demgegenüber ist die Erstellung eines konkreten Werkes oder die Erreichung eines konkreten Erfolgs. Die Vergütung wird dementsprechend dann geschuldet, wenn der erwartete Erfolg, das vereinbarte Werk hergestellt wurde. Ein Selbständiger wird also die vereinbarte Vergütung dann erhalten, wenn das gewünschte Ergebnis vorliegt.

Ein Arbeitgeber schließt mit einem Arbeitnehmer oder mit einer Vielzahl von Personen Arbeitsverträge ab und verpflichtet sich damit zur Zahlung von Entgelt und zur Einhaltung arbeitsrechtlicher Pflichten. Er hat in dieser Position das Weisungsrecht, das sich auf die Anweisungen bezieht, die sich auf die Erbringung der jeweiligen Arbeit beziehen: der Arbeitnehmer kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb bestimmen. Neben der Vergütungspflicht muss der Arbeitgeber die fälligen Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer an die zuständige Stelle abführen und geeignete Maßnahme ergreifen, sodass die auf den Arbeitnehmer übertragene Arbeit sicher und gefährdungsfrei absolviert werden kann. Mit anderen Worten: der Arbeitgeber trägt Sorge, dass der Arbeitsschutz, Arbeitszeitregelungen und der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet und angewandt werden.

ArbeitgeberArbeitgeber können private Personen, ein Unternehmen, ein Verein oder eine Behörde sein. Wer den Arbeitnehmer gegenüber einem Arbeitgeber am Ende tatsächlich repräsentiert, ist eine ganz andere Frage. Dies sind meist die Führungskräfte oder ganz allgemein der Personalbereich oder die jeweilige Personalleitung.

2.3 Wo steht’s? Die Rechtsquellen

Wichtigste Rechtsquelle des Arbeitsrechts ist der jeweilige, individuell abgeschlossene Arbeitsvertrag. Dieser wird ergänzt und detailliert durch entsprechende Weisungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die es dem Arbeitnehmer erleichtern sollen, seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten konkret nachzukommen. Über dem individuellen Arbeitsvertrag stehen kollektivrechtliche Betriebsvereinbarungen (oder Dienstvereinbarungen) sowie Tarifverträge der jeweiligen Branche.

Im Verhältnis der drei Ebenen Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag gilt das sogenannte »Günstigkeitsprinzip«, wonach der Arbeitnehmer sich die für ihn günstigste Regelung aussuchen kann.

Unmittelbare Geltung beanspruchen Verordnungen und Gesetze. Darüber steht für jedermann das Grundgesetz mit seinen unverbrüchlichen Grundrechten. Eine hohe Geltungsstufe beansprucht inzwischen das europäische Recht, im Wesentlichen geformt durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Normenpyramide des deutschen Arbeitsrechts

2.4 Rechtsquelle: Europarecht

Europakritiker betrachten das europäische Arbeitsrecht oft mit Skepsis, insbesondere in Bezug auf die zunehmende Regulierung, Bürokratisierung und Einschränkung nationaler Souveränität. Dabei bestehen vor allem folgende Bedenken:

Verlust nationaler Entscheidungsfreiheit: Kritiker bemängeln, dass die EU in nationale Arbeitsmarktregelungen eingreift, obwohl das Arbeitsrecht traditionell stark von nationalen Gegebenheiten abhängt. Beispielsweise werden die EU-Richtlinien und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeit, zu Mindestlöhnen oder zu Arbeitnehmerrechten angeführt, die als Einschränkung nationaler Gestaltungsmöglichkeiten gesehen werden. Kritisiert wird auch die Praxisferne mancher Entscheidungen: so werden etwa die Vorgabe zur Arbeitszeit einerseits als zu starr, andererseits als zu unkonkret gesehen. Fragwürdig ist nach wie vor, ob auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Einheitslösungen für unterschiedliche Länder möglich sind. Manchen gehen dagegen die Vereinheitlichungsbestrebungen zu langsam, Kern der Kritik ist eine ermüdende Umsetzungsbehäbigkeit.

Im Gegenzug vermissen Kritiker auch die langangekündigte Umsetzung erweiterter Freizügigkeitsregelungen, die es Arbeitnehmern ermöglichen würden, problemlos und bürokratiefrei ihr Arbeitsverhältnis von einem Land der EU in ein anderes Land zu wechseln.

Auch wegen dieser Bedenken muss festgehalten werden, dass der Einfluss des europäischen Arbeitsrechts in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Dabei ist es insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Arbeitsrechtsangelegenheiten, die zu einer reflexhaften Umsetzung in Deutschland führt. Exemplarisch sei hier nur das Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung genannt, das am 14. Mai 2019 im Fall »CCOO gegen Deutsche Bank SAE« gefällt wurde. Eine spanische Gewerkschaft klagte gegen die Deutsche Bank in Spanien, weil das Unternehmen keine systematische Arbeitszeiterfassung betrieb. Die Gewerkschaft argumentierte, dass ohne ein solches System die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen nicht effektiv überprüft werden kann. Der EuGH entschied, dass alle EU-Staaten Arbeitgeber in ihren Ländern dazu verpflichten müssen, ein »objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit« einzuführen. Kaum war das Urteil veröffentlicht, begannen Unternehmen in Deutschland, über eine Wiedereinführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung nachzudenken. Das EuGH-Urteil wurde oft missverstanden. Entschieden wurde gerade nicht, dass alle EU-Staaten Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter vollständig zu erfassen. Vielmehr verpflichtet das Urteil ausdrücklich nicht direkt zur täglichen Arbeitszeiterfassung, sondern verlangt nur, dass ein verlässliches System zur Erfassung der geleisteten Arbeitszeit einschließlich der Pausenzeiten im Betrieb vorhanden sein muss. Wie ein solches System konkret ausgestaltet wird, bleibt den nationalen Gesetzgebern überlassen. Nach der Begründung des EuGH ergibt sich dies aus den Grundrechten der Arbeitnehmer gemäß der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und der EU-Grundrechtecharta.10 In Deutschland führte das Urteil zunächst dazu dass der Gesetzgeber untätig blieb. Erst 2022 nutzte das Bundesarbeitsgericht einen ihm vorgelegten Fall eines Betriebsrats, der meinte, ihm komme ein Initiativrecht zu, die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb nach § 87 I Nr. 6 BetrVG zu fordern, eine eigene Entscheidung in dieser Sache zu treffen.

Das BAG entschied im sogenannten »Stechuhr-Urteil«, dass Arbeitgeber bereits dazu verpflichtet seien, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten inklusive Pausenzeiten zu erfassen, und dies folge mitnichten aus dem Arbeitszeitgesetz, sondern vielmehr aus dem deutschen Arbeitsschutzgesetz.11 Die Begründung überraschte, leuchtet aber nach näherer Betrachtung durchaus ein. Wie soll ein Arbeitgeber die Einhaltung der Pausen oder der Ruhezeit tatsächlich überwachen, wenn er nicht auf Aufzeichnungen über den Beginn und das Ende der Arbeitstätigkeit sowie über die gemachten Pausen verfügt? In der öffentlichen Diskussion entstand der Eindruck, dass Arbeitgeber nun die Stechuhren reaktivieren müssten.12

Doch gilt es auch die Vorteile des Europarechts für Deutschland herauszustellen, wie Sie in den »Sieben Säulen« zusammengefasst sind.

Europäisches Arbeitsrecht: sieben Säulen

Diese sieben Säulen beinhalten wesentliche Grundgedanken eines auf europäischer Ebene harmonisierten und auf einen einheitlichen Standard gehobenen Arbeitsrechts.

Arbeitnehmerfreizügigkeit: Eines der Grundprinzipien der EU, wonach Arbeitnehmer in jedem EU-Mitgliedsstaat ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit arbeiten dürfen. Rechtsgrundlage: Art. 45 AEUV, Verordnung (EU) 492/2011

Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrecht: es beinhaltet das Verbot einer jeglichen Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung. Rechtsgrundlage: Gleichbehandlungsrichtlinien, zum Beispiel 2000/78/EG, 2000/43/EG, Art. 157 AEUV (gleicher Lohn für gleiche Arbeit)

Arbeitsschutz und Work-Life-Balance: Regelungen zur Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten, Mindesturlaub und Elternzeit. Rechtsgrundlage: Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG), Vereinbarkeitsrichtlinie (2019/1158/EU)

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Datenschutz: Mindesstandards für Arbeitsschutzmaßnahmen, Unfallverhütung und Schutz gefährdeter Gruppen (zum Beispiel Schwangere, Jugendliche) sowie zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis. Rechtsgrundlage: Arbeitsschutzrahmenrichtlinie (89/391/EWG), Datenschutz-Grundverordnung 2016/679/EU

Rechte bei Massenentlassungen und Unternehmensumstrukturierungen: Schutzmaßnahmen bei Betriebsschließungen, Insolvenzen oder Fusionen. Rechtsgrundlage: Massenentlassungsrichtlinie (98/59/EG), Unternehmensübergangsrichtlinie (2001/23/EG)

Mitbestimmung und soziale Dialoge: Stärkung der Arbeitnehmerbeteiligung (Europäische Betriebsräte). Rechtsgrundlage: Richtlinie über Europäische Betriebsräte (2009/38/EG), Sozialpartner-Dialog nach Art. 154 f. AEUV

Mindesstandards, insbesondere auch für bestimmte Beschäftigungen: Zielt ab auf eine generelle Vereinheitlichung und Verbesserung der Transparenz im Arbeitsverhältnis, insbesondere auch auf den Schutz für Teilzeitkräfte, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeitnehmer. Rechtsgrundlage: Teilzeitarbeitsrichtlinie (97/81/EG), Befristungsrichtlinie (1999/70/EG), Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG), EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (2019/1152/EU).

Primär- und Sekundärrecht

Man unterscheidet im europäischen Recht zwischen Primär- und Sekundärrecht.

Das europäische Primärrecht stellt die Rechtsgrundlage für die Existenz der Europäischen Union und ihrer Organe (Vertrag über die Europäische Union, EUV, und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV) sowie für das Verhältnis der Mitgliedsstaaten untereinander und zur Europäischen Union dar. Auch die wichtige Charta der Grundrechte der EU13 zählt zum Primärrecht. Bedeutsam ist ferner die Europäische Sozialcharta (ESC), die die sozialen Grundrechte der Bürger der EU regelt. Dem Schutz der Menschenrechte dient die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950, die in Deutschland seit 1954 in Kraft ist.

Grundsätzlich wirkt das Primärrecht nicht direkt auf die Bürger ein, Ausnahmen im Arbeitsrecht sind jedoch das Recht auf Freizügigkeit oder der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit. Aus dem Katalog der Menschenrechte der EMRK sind insbesondere das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) sowie die Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) von besonderer praktischer Bedeutung.

Wichtiger, da unmittelbar geltend, ist das Sekundärrecht der Europäischen Union, zu dem alle Rechtsakte gehören, die die Organe der EU nach Maßgabe des Primärrechts erlassen. Verordnungen wirken gemäß Art. 288 II AEUV unmittelbar in das deutsche Arbeitsrecht, ohne dass sie der Umsetzung in nationales Recht bedürfen. Hier gilt also der Grundsatz, EU-Recht bricht nationales Recht. Eine EU-Verordnung lässt sich von ihren Rechtwirkungen her somit mit dem innerstaatlichen Gesetz vergleichen, denn sie hat allgemeine Geltung und ist in allen ihren Teilen unmittelbar verbindlich und wirksam. Richtlinien binden die Mitgliedsstaaten der EU und verpflichten diese zur Umsetzung innerhalb einer bestimmten Frist (beispielsweise innerhalb von zwei Jahren). Hierzu wird die EU-Richtlinie vom jeweiligen Mitgliedsstaat in nationales Recht übertragen. Hat ein nationales Gericht (beispielsweise ein deutsches Arbeitsgericht) Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit oder Auslegung einer Richtlinie, so kann es ein laufendes Verfahren aussetzen und den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen (Vorabentscheidung nach Art. 267 I, II AEUV). Dabei entscheidet der EuGH jedoch nicht über den Streitfall selbst, sondern legt die europäischen Rechtsgrundsätze dar, die für den Streitfall oder für die Gültigkeit von Rechtsnormen entscheidend sein können. Anschließend geht der Fall wieder an das ursprünglich zuständige Gericht zurück, das den Streitfall dann im Lichte dieser Ausführungen des EuGH zu entscheiden hat.

Alle wichtigen arbeitsrechtlichen Richtlinien der EU und ihre Umsetzung in deutsches Recht

Man sieht anhand der Themen, wie stark europäisches Arbeitsrecht mittlerweile in das nationale deutsche Arbeitsrecht einwirkt.

Richtlinie der EU

Umsetzung in deutsches Recht

92/85/EWG Mutterschutz

MuSchG

94/33/EG Jugendarbeitsschutz

JArbSchG

96/71/EG Arbeitnehmerentsendung

AEntG

06/54/EG und 00/78/EG Gleichbehandlung,

00/43/EG Rassendiskriminierung

AGG

01/23/EG Betriebsübergang

§ 613 a BGB

03/88/EG Arbeitszeitgestaltung

ArbZG

98/59/EG Massenentlassung

§§ 17 – 22 KSchG

97/81/EG Teilzeitarbeit

§ 4 I TzBfG

99/70/EG Befristete Arbeitsverträge

§ 14 TzBfG

03/41/EG Betriebliche Altersversorgung

§§ 112 ff. VAG

08/104/EG Leiharbeit

AÜG

02/14/EG Unterrichtung und Anhörung des Betriebsrats

BetrVG

09/38/EG Europäischer Betriebsrat

EBRG

18/957/EU Arbeitnehmerentsendung

AEntG

2019/1152 Transparenz der Arbeitsvertragsbedingungen

NachwG

2019/1158 Eltern- und Pflegezeit

BEEG

2019/1937 Whistleblowing

HinSchG

2022/2041 Mindestlohn

MiLoG

2023/970 Entgelttransparenz

EntgTranspG

10 EuGH, Urteil vom 14.5.2019 – Az. C-55/18

11 BAG, Urteil vom 13.9.2022 – Az. 1 ABR 22/21

12 So etwa BILD am 13.9.2022: Stechuhr-Comeback in Deutschland, https://www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/urteil-arbeitszeiterfassung-ist-pflicht-stechuhr-comeback-in-deutschland-81313270.bild.html (abgerufen am 2.3.2025)

13https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012P/TXT (zuletzt abgerufen am 6. Februar 2025)

2.5 Rechtsquelle: Verfassungsrecht

Deutschland besitzt mit dem GrundgesetzGrundgesetz (GG) einen Verfassungstext, der in seinen ersten Artikeln 1 bis 19 GG elementare Grundrechte bindend festschreibt. Ein eigenes Kapitel zum Arbeits- und Sozialrecht weist das Grundgesetz zwar nicht auf, allerdings wirken die Grundrechte auch auf das Arbeitsverhältnis. GrundrechteGrundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 III GG).

Aus Art. 20 I und 28 I GG folgt das Sozialstaatsprinzip. Es verpflichtet den Staat, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit zu gewährleisten, indem er die Lebensbedingungen seiner Bürger fördert und soziale Ungleichheiten ausgleicht. Es ist ein grundlegendes Prinzip des deutschen Verfassungsrechts, das die Gestaltung eines fairen und solidarischen Gemeinwesens sicherstellen soll. In ihrer klassischen Funktion sind die Grundrechte des Grundgesetzes Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat und »dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern«.14

Im Arbeitsverhältnis stellt sich aber zudem die Frage, ob Grundrechte eine Drittwirkung haben können. Nach modernem Grundrechtsverständnis kann man also fragen, ob sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber (oder umgekehrt) auf ein Grundrecht berufen kann. So könnten sich aus Grundrechten Schutzpflichten ergeben. Zudem könnte man davon ausgehen, dass mit dem Grundgesetz eine objektive Wertordnung aufgestellt wurde, die »als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten muss«.15

Unstreitig wird die unmittelbare Drittwirkung eines Grundrechts für Art. 9 III 1 GG, die sogenannte Koalitionsfreiheit angeordnet. Die Koalitionsfreiheit garantiert das Recht jedes Einzelnen, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen wie Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände zu bilden, ihnen beizutreten oder fernzubleiben.

Ursprünglich hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Vorstellung von der unmittelbaren Drittwirkung auch den übrigen Grundrechten zugeschrieben. Seit 1985 schloss sich das BAG aber der Linie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) an und sieht heute die Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht nur mittelbar über die ausfüllungsbedürftigen Normen des Privatrechts als gegeben an.16

Wichtige Grundrechte im Arbeitsverhältnis

Allgemeiner Gleichheitssatz

Art 3 I GG trägt den Gleichbehandlungsgrundsatz (»Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich«), der sich in seiner grundgesetzlichen Formulierung unmittelbar an den Gesetzgeber wendet, in den arbeitsrechtlichen Kontext. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatzarbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz hindert den ­Arbeitgeber daran, einzelne Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von Begünstigungen auszunehmen oder ihnen Belastungen aufzuerlegen.

Besonderer Gleichheitssatz

Art. 3 II, III GG verbietet, jemanden wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, seines Glaubens oder seiner religiösen oder politischen Anschauungen zu ­benachteiligen oder zu bevorzugen; verbietet zudem eine Benachteiligung wegen einer Behinderung; stellt klar, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind.

Berufsfreiheit

Art. 12 I GG: Das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen, stellt den Kern der arbeitsrechtlichen Grundfreiheit dar. Allerdings gibt es im Arbeitsrecht keinen Einstellungsanspruch des Bewerbers gegen einen konkreten Arbeitgeber und auch keine absolute Bestandsgarantie für ein Arbeitsverhältnis.

Verbot der Zwangsarbeit

Art. 12 II GG: Es besagt, dass niemand verpflichtet werden darf, seine gesamte Arbeitskraft nach Anweisung des Staates einzusetzen. Eine Ausnahme bilden nur im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen und für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht bestehende »Hand- und ­Spanndienste« (bei Abfassung des Grundgesetzes dachte man etwa an die Ausbesserung von Straßen). Arbeitszwang ist beispielsweise bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Gewissensfreiheit

Art. 4 I GG schützt die Freiheit des Glaubens sowie des religiösen und weltanschaulichen ­Bekenntnisses. Ein Beispiel: ein Drucker lehnt es ab, an der Herstellung kriegsverherrlichender ­Bücher mitzuwirken17.

Meinungsfreiheit

Art. 5 I 1 GG garantiert die freie Meinungsäußerung; sie steht in einem Spannungsverhältnis zur ­gleichzeitigen Pflicht auf gegenseitige Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis, die eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag darstellt und zudem aus § 241 II BGB folgt.

14 BVerfG, 15.1.1958 – Az. 1 BvR 400/51; BVerfGE 7, 198 (204) – Lüth-Entscheidung

15 BVerfG, 15.1.1958 – Az. 1 BvR 400/51; BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth-Entscheidung

16 BAG, 27.2.1985 – Az. GS 1/84; BAGE 48, 122 (139); NZA 1985, 702

17 BAG, 20.12.1984 – Az. 2 AZR 436/83; BAGE 47, 363 (365 ff.), NZA 1986, 21

2.6 Rechtsquelle: Deutsche Gesetze

Ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch, ähnlich dem Bürgerlicher Gesetzbuch (BGB), das die wesentlichen Regelungen des Zivilrechts umfasst, existiert in Deutschland nicht. Arbeitsrechtliche Regelungen sind daher auf eine Vielzahl von Gesetzen zu verschiedenen Themen verteilt. Die wichtigsten Gesetze sind in der folgenden Übersicht aufgeführt.

Deutsche Gesetze, die Regelungen zum Arbeitsrecht enthalten

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Handelsgesetzbuch (HGB)

Gewerbeordnung (GewO)

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG)

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)

Bundesurlaubsgesetz (BurlG)

Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgeltFG)

Entgelttransparenzgesetz (EntgeltTranspG)

Mindestlohngesetz (MiLoG)

Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)

Mutterschutzgesetz (MuSchG)

Nachweisgesetz (NachwG)

Pflegezeitgesetz (PflegeZG)

Tarifvertragsgesetz (TVG)

Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)

2.7 Rechtsquelle: Tarifverträge

TarifverträgeTarifverträge sind schriftliche Vereinbarungen zwischen einer oder mehreren Gewerkschaften auf der einen Seite und einem Arbeitgeberverband einer bestimmten Wirtschaftsbranche oder einem einzelnen Arbeitgeber auf der anderen Seite, in welchen besondere Arbeitsbedingungen für die dortigen Arbeitsverhältnisse geregelt werden. Die genaue Zahl der Tarifverträge ändert sich ständig und kann daher aktuell nur grob auf zwischen 70.000 und 80.000 geschätzt werden, basierend auf historischen Daten und der Struktur des deutschen Tarifsystems. Wer sich über Inhalte der wichtigsten Branchentarifverträge informieren möchte, kann dies über die entsprechende Webseite des Statistischen Bundesamtes tun.18

Geltungsbereich: Grundsätzlich gelten Tarifverträge nur für die Arbeitnehmer, die der Gewerkschaft angehören und die Arbeitgeber, die Mitglied im entsprechenden Arbeitgeberverband sind. In Einzelfällen kann ein Tarifvertrag aber für allgemeinverbindlich erklärt werden, und dann gelten diese Regelungen für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der bestimmten Branche, ohne dass eine Gewerkschafts- oder Arbeitgeberverbandszugehörigkeit vorliegen muss.

Eine Übersicht über alle allgemeinverbindlichen Tarifverträgeallgemeinverbindliche Tarifverträge in Deutschland findet man im Tarifregister des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Das Tarifregister listet alle Tarifverträge auf, die nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) für allgemeinverbindlich erklärt wurden und kann über das Onlineportal des BMAS19 abgerufen werden. Jedes Bundesland führt zudem ein eigenes Tarifregister, in dem allgemeinverbindliche Tarifverträge veröffentlicht werden. Eine Übersicht über die zuständigen Stellen finden Sie auf der Website des BMAS.

Flächen- oder Verbandstarifverträge gelten für eine Branche oder einen Wirtschaftsbereich bundesweit oder für eine bestimmte Region (Beispiele: Tarifverträge für die chemische Industrie oder für die Metall- und Elektroindustrie). Firmen- oder Haustarifverträge werden dagegen nur für ein Unternehmen vereinbart.

Inhaltlich regeln Tarifverträge üblicherweise Rahmenbedingungen (Mantel- oder Rahmentarifverträge) wie Probezeit, Arbeitszeit, Kurzarbeit, Stundenzuschläge für bestimmte Arbeitsstunden, Vergütungsgruppen, Kündigungsfristen, Ausschlussfristen usw., Lohn- und Gehaltsfragen (Lohn- und Gehaltstarifverträge) oder beinhalten beispielsweise Urlaubsregelungen (Urlaubstarifverträge).

Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge in Arbeitsverträgen

Wenn in einem Arbeitsvertrag eines einzelnen Arbeitnehmers mit einem Arbeitgeber auf einen bestimmten Tarifvertrag (statische Bezugnahmeklausel) oder allgemein auf Tarifverträge einer bestimmten Branche in deren jeweils aktuellen Fassung (dynamische Bezugnahmeklausel) ausdrücklich Bezug genommen ist, dann gelten die dort beinhalteten Regelungen wie der übrige Inhalt des Arbeitsvertrages automatisch für dieses Arbeitsverhältnis. Es muss auf Seiten des Arbeitnehmers dann also auch keine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft vorliegen, ebenso muss der Arbeitgeber hierfür nicht Mitglied in dem entsprechenden Arbeitgeberverband sein.

18https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Tarifverdienste-Tarifbindung/TDB/_TDB/_inhalt.html (Abrufdatum: 6.2.2025)

19https://www.tarifregister.nrw.de (Abrufdatum 6.2.2025) Hinweis: Das Register wird von den Bundesländern geführt, Nordrhein-Westfalen bietet eine zentrale Suchfunktion für ganz Deutschland.

2.8 Rechtsquelle: Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen

In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat (BR) besteht, können Betriebsrat und Arbeitgeber kollektivrechtlich Regelungen für alle Arbeitnehmer eines Betriebes oder für einzelne Arbeitnehmergruppen innerhalb dieses Betriebes treffen. Eine BetriebsvereinbarungBetriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen diesen beiden Parteien, Arbeitgeber und BR, und bedarf der Schriftform nach § 77 II BetrVG.

Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend für alle aktiven Mitarbeiter des Betriebes mit Ausnahme der leitenden Angestellten, § 77 IV, V BetrVG. Regelungen, die üblicherweise in Tarifverträgen zu finden sind, dürfen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Ansonsten können diese aber allgemeine Arbeitsbedingungen, Regelungen zum Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb oder spezielle Regelungen für bestimmte betriebliche Umstände zum Inhalt haben. Ist etwas gesetzlich geregelt, geht die gesetzliche Regelung grundsätzlich vor, somit können Betriebsvereinbarungen nicht in bestehende Gesetze, Verordnungen oder Tarifverträge eingreifen. Lässt ein Tarifvertrag einen Gestaltungsspielraum für eine betriebliche Regelung ausdrücklich offen, dann können Betriebsparteien aber diesen Regelungsraum durch eine passgenaue Lösung für den Betrieb füllen.

Vereinbarungen auf Unternehmensebene (ein Unternehmen umfasst mehrere Betriebe) heißen Gesamtbetriebsvereinbarungen und werden mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen. Vereinbarungen auf Konzernebene (mehrere Unternehmen bilden einen Konzern) nennt man Konzernbetriebsvereinbarungen, diese werden mit dem Konzernbetriebsrat geschlossen. In der öffentlichen Verwaltung werden die Vereinbarungen zwischen dem Personalrat und dem Dienstherrn abgeschlossen und DienstvereinbarungDienstvereinbarung genannt.

2.9 Rechtsquelle: Arbeitsvertrag

Die wichtigste Rechtsquelle für das Arbeitsverhältnis ist der individuelle ArbeitsvertragArbeitsvertrag, der alle wesentlichen Regelungen enthalten soll, die in dieser Rechtsbeziehung gelten sollen. Ein Arbeitsvertrag ist ein privatrechtlicher, gegenseitiger Vertrag, durch den sich der Arbeitnehmer verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit nach näherer Weisung des Arbeitgebers regelmäßig in der Form eines DauerschuldverhältnissesDauerschuldverhältnis zu erbringen und durch den sich im Gegenzug der Arbeitgeber zur Bezahlung einer vereinbarten Vergütung verpflichtet. Er kommt durch die Abgabe von zwei übereinstimmenden Willenserklärungen zustande (Angebot und Annahme).

Bei Abschluss eines solchen Vertrages gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, das bedeutet, die Parteien dürfen vereinbaren, was sie wollen, soweit dies nicht gesetzlich verboten ist. Mindestanforderung an diese Einigung ist es, dass sich die Parteien über die Art und den Beginn der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Tätigkeit einig werden. Arbeitsverträge können grundsätzlich mündlich abgeschlossen werden. Der Arbeitgeber ist allerdings nach dem Nachweisgesetz (NachwG) verpflichtet, gegenüber dem Arbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich nachzuweisen, § 2 I NachwG.

Abschluss des Arbeitsvertrages

2.10 Rechtsquelle: Weisungen/Direktiven

Lassen die Regelungen im Arbeitsvertrag noch Raum für nähere Erläuterungen oder Detaillierungen, so kann der Arbeitgeber nach § 106 GewO einseitig Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Rahmen der zu erbringenden Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Weisungen erteilt. Allerdings werden Weisungen in der Praxis nur in Ausnahmefällen schriftlich erteilt und zumeist mündlich ausgesprochen. Damit passen die Weisungen streng genommen nicht unter die Überschrift »Wo steht’s?«.

Weisungen stellen für die Führungskraft das wirkmächtigste Mittel dar, auf die konkrete Arbeitsausführung des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, daher wollen wir uns diesem Thema in einem gesonderten Kapitel (3.4) noch ausführlicher widmen. Im Rahmen der Übersicht über die Rechtsquellen soll das WeisungsrechtWeisungsrecht, das auch DirektionsrechtDirektionsrecht genannt wird, aber hier bereits erwähnt werden, weil es die arbeitsvertraglichen Regelungen angesichts der dort häufig zu findenden Allgemeinbegriffe oder gar Lücken näher konkretisiert.

Je detaillierter die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers bereits im Arbeitsvertrag geregelt sind, umso enger ist der Weisungsspielraum des Arbeitgebers, mit anderen Worten: wenn im Arbeitsvertrag – wie häufig üblich – fast gar nichts im Detail geregelt ist, dann hat der Arbeitgeber einen sehr großen Spielraum für individuelle Weisungen. Die Betonung liegt dabei auf »individuelle« Weisungen, denn alles, was der Arbeitgeber kollektiv anordnen will (also für ein Mehrzahl von Arbeitnehmern), das muss er, sofern es im Betrieb einen Betriebsrat gibt, mit diesem besprechen und gegebenenfalls vereinbaren. Individuelle Anordnungen sind also jederzeit möglich, kollektivrechtlich muss das Beteiligungsrecht des Betriebsrats beachtet werden.

Ermessen, billigesDie Formulierung im § 106 GewO »nach billigem Ermessen« wirft regelmäßig Fragen auf. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechts eine angemessene und faire Abwägung der Interessen beider Seiten – also der betrieblichen Erfordernisse einerseits und der berechtigten Interessen des Arbeitnehmers andererseits – vornehmen muss. Konkret umfasst dies die

Angemessenheit – Anweisungen des Arbeitgebers müssen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein –,

ein Maß an Fairness – die Interessen der Arbeitnehmer dürfen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig beeinträchtigt sein – und