Cyrano de Bergerac - Edmond Rostand - E-Book

Cyrano de Bergerac E-Book

Edmond Rostand

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Beschreibung

Hercule Savinien de Cyrano de Bergerac, ein Kadett (Adeliger, der als Soldat dient) in der französischen Armee, ist ein vorwitziger, willensstarker Mann mit vielen Talenten. Er ist nicht nur ein bemerkenswerter Duellant, sondern auch ein begabter, fröhlicher Dichter und ein musikalischer Künstler. Allerdings hat er eine unangenehm große Nase, die ihn an sich selbst zweifeln lässt. Dieser Zweifel hindert ihn daran, seine Liebe zu seiner entfernten Cousine, der schönen und intellektuellen Roxane, zum Ausdruck zu bringen, da er glaubt, dass seine Hässlichkeit ihn daran hindern würde, "den Traum zu träumen, auch von einer hässlichen Frau geliebt zu werden." Der "Cyrano" wurde 1897 von Edmond Rostand geschrieben und liegt hier nicht nur in einer deutschen Neuübersetzung, sondern auch in einer leicht lesbaren Prosaform vor (das Original wurde in Versform geschrieben und veröffentlicht).

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Seitenzahl: 188

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Cyrano de Bergerac

 

Deutsche Neuübersetzung

 

EDMOND ROSTAND

 

 

 

 

 

 

Cyrano de Bergerac, E. Rostand

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849661021

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

Inhalt:

Dramatis personae. 1

1. Akt3

2. Akt41

3. Akt78

4. Akt114

5. Akt150

 

 

Dramatis personae

 

Cyrano de Bergerac

Christian de Neuvillette

Graf de Guiche

Vicomte de Valvert

Ragueneau

Lise, dessen Gemahlin

Le Bret, Cyranos Freund

Hauptmann Carbon von Castel-Jaloux

Die Edelleute Lignière, Cuigy, Brissaille

Die Schauspieler Bellerose, Jodelet, Montfleury

Roxane, Cyranos Base

Ihre Gouvernante

Die Nonnen Schwester Marthe, Schwester Claire, Mutter Marguerite

Die Kadetten

Erster Marquis

Zweiter Marquis

Dritter Marquis

Türhüter

Erster Lakai

Zweiter Lakai

Ein Stänkerer

Erster Musketier

Zweiter Musketier

Ein Spanischer Offizier

Ein Pförtner

Ein Bürger

Dessen Sohn

Ein Taschendieb

Ein Zuschauer

Ein Wächter

Bertrand der Pfeifer

Ein Gardist

Zwei Musiker

Ein Mönch

Die Dichter

Die Pastetenbäcker

Die Büffetdame

Erste Schauspielerin

Zweite Schauspielerin

Pagen

Ein Blumenmädchen

 

Eine Menschenmenge, Kavalleristen, Bürger [männlich und weiblich], Marquisen, Musketiere, Taschendiebe, Pastetenbäcker, Dichter, Gascogner Kadetten, Schauspieler [männlich und weiblich], Violinisten, Pagen, Kinder, Soldaten, Spanier, Zuschauer [männlich und weiblich], Damen der Pariser Gesellschaft, Nonnen, etc.

 

 

1. Akt

 

Eine Aufführung im Hotel de Bourgogne.

 

Der Saal des Hotel de Bourgogne, im Jahre 1640. Eine Art Ballhaus, eingerichtet und dekoriert für eine Theatervorstellung.

Der Saal ist rechteckig und schräg aufgebaut, so dass eine seiner Seiten die Rückseite des rechten Vordergrundes darstellt und mit dem linken Hintergrund einen Winkel mit der Bühne bildet, die teilweise sichtbar ist.

Zu beiden Seiten der Bühne befinden sich Bänke. Der Vorhang besteht aus zwei Wandteppichen, die zur Seite gezogen werden können. Über einem Harlekinmantel ist das königliche Wappen zu sehen. Von der Bühne führt eine breite Treppe in den Saal; zu beiden Seiten dieser Treppe befinden sich die Plätze für die Geiger. Rampenlicht.

Zwei übereinanderliegende Reihen seitlicher Galerien: die oberste ist in Logen unterteilt. Keine Sitze im Parkett des Saales, das die eigentliche Bühne des Theaters ist; an der Rückseite des Parketts, d.h. rechts vorne, einige Bänke, die stufenförmig angeordnet sind, darunter eine Treppe, die zu den oberen Plätzen führt. Ein improvisiertes Büffet, geschmückt mit kleinen Lüstern, Vasen, Gläsern, Tortenplatten, Kuchen, Flaschen usw.

Der Eingang zum Theater befindet sich in der Mitte des Hintergrunds, unter der Galerie der Logen. Eine große Tür, halb geöffnet, um die Zuschauer hereinzulassen. An den Paneelen dieser Tür, in verschiedenen Ecken und über dem Buffet, rote Plakate mit der Aufschrift "La Clorise".

Wenn sich der Vorhang hebt, liegt der Saal im Halbdunkel und ist noch leer. Die Lüster sind in der Mitte des Saales zum Anzünden herabgelassen.

 

 

1. Auftritt

 

Das Publikum, das nach und nach eintrifft. Kavalleristen, Bürger, Lakaien, Pagen, ein Taschendieb, der Türhüter usw., gefolgt von den Marquisen. Cuigy, Brissaille, die Büffetdame, die Geiger usw.

 

[Ein Wirrwarr von lauten Stimmen ist vor der Tür zu hören. Ein Kavallerist tritt eilig ein].

 

Der Türhüter [Ihm folgend]: Hallo! Ihr da! Der Eintritt!

Der Kavallerist: Ich komme umsonst rein.

Der Türhüter: Warum?

Der Kavallerist: Warum? Ich bin Kavallerist der königlichen Garde, meiner Treu!

Der Türhüter [Zu einem anderen Kavalleristen, der ebenfalls hereinkommt]: Und Ihr?

Der zweite Kavallerist: Ich zahle ebenfalls nichts.

Der Türhüter: Und warum?

Zweiter Kavallerist: Ich bin ein Musketier

Erster Kavallerist [Zum zweiten]: Das Stück beginnt erst um zwei. Das Parkett ist noch leer. Komm, vertreiben wir uns die Zeit mit dem Florett.

[Sie fechten mit den mitgebrachten Floretts].

Ein Lakai [Tritt ein]: Pst – Flanquin –– !

Ein anderer Lakai [Bereits auf der Bühne]:Champagner?

Erster Lakai [Zeigt ihm Karten und Würfel, die er aus seinem Wams nimmt]: Sieh mal, Karten und Würfel. [Setzt sich auf den Boden] Lass uns spielen!

Zweiter Lakai [Tut es ihm gleich]: Gut; da bin ich dabei, du Halunke!

Erster Lakai [Zieht aus seiner Tasche einen Kerzenstummel, den er anzündet und auf den Boden stellt]: Ich habe mir erlaubt, mich auf Kosten meines Herrn mit etwas Licht zu versorgen!

Ein Gardist [Zu einem Blumenmädchen, das sich ihm nähert]: So hübsch anzusehen, selbst, als das Licht noch aus war! [Fasst sie um die Taille]

Einer der Fechter [Erhält einen Stoß]: Treffer!

Einer der Kartenspieler: Kreuz!

Der Gardist [Dem Mädchen folgend]: Einen Kuss!

Das Blumenmädchen [Versucht, sich aus dem Griff zu befreien]: Sie gucken schon!

Der Gardist [Zieht sie in eine dunkle Ecke]:Keine Angst! Niemand kann uns sehen!

Ein Mann [Sitzt mit anderen, die etwas zu essen mitgebracht haben, auf dem Boden]: Wenn man etwas früher kommt, kann man wenigstens in Ruhe essen.

Ein Bürger [Führt seinen Sohn]: Lass uns hierher sitzen, mein Sohn.

Ein Kartenspieler: Trumpf!

Ein Mann [Zieht unter seinem Mantel eine Flasche hervor, und setzt sich ebenfalls auf den Boden]: Ein Zechbruder kann seinen Burgunder [Trinkt] auch mal im Hotel de Bourgogne trinken!

Der Bürger [Zu seinem Sohn]: Meiner Treu! Man könnte meinen, man wäre in einer dieser Kaschemmen! [Zeigt mit seinem Stock auf den Trunkenbold] Überall Zecher! [Einer der Fechter weicht aus und rempelt ihn an] Raufbolde! [Stolpert mitten in die Kartenspieler] Glücksspieler!

Der Gardist [Hinter ihm, immer noch mit dem Blumenmädchen beschäftigt]: Komm, einen Kuss!

Der Bürger [Zieht eilig seinen Sohn weg]: Bei allen Heiligen! Und das, mein Junge, ist das Theater, wo man einst Rotrou gespielt hat.

Der junge Mann: Ja, und Corneille!

Eine Schar Pagen [Hand in Hand, tanzen sie die Farandole und singen]: Tra' a la, la, la, la, la, la, la, lere. . .

Der Türhüter [Streng, zu den Pagen]: Ihr Pagen dort, keine Possen –– !

Erster Page [Mit verletztem Ehrgefühl]: Aber, mein Herr! Welcher Verdacht –– ! [In dem Augenblick, wo der Türhüter sich umdreht, wendet er sich an den zweiten Pagen]: Hast du Schnur dabei?

Zweiter Page: Ja, und einen Angelhaken dazu.

Erster Page: Dann können wir nach Perücken angeln, da oben auf der Galerie.

Ein Taschendieb [Der einige übel aussehende Jugendliche um sich geschart hat]: Hört zu, ihr jungen Beutelschneider, hört mir gut zu, denn ich erteile euch nun eure erste Lektion im Diebstahl.

Zweiter Page [Ruft hinauf auf die oberen Galerien]: Ihr da oben! Habt Ihr Blasrohre dabei?

Dritter Page [Von oben]: Ja, haben wir, und auch Erbsen dafür! [Bläst und feuert Erbsen auf sie]

Der junge Mann [Zu seinem Vater]: Welches Stück wird denn heute gegeben?

Der Bürger: 'Clorise.'

Der junge Mann: Wer mag wohl der Autor sein?

Der Bürger: Meister Balthasar Baro. Es ist ein Stück –– !

[Geht Arm in Arm mit seinem Sohn ab].

Der Taschendieb [Zu seinen Schülern]: Passt vor allem auf die Kniekrausen aus Spitze auf – schneidet sie ab!

Ein Zuschauer [Zu einem anderen, der ihm eine Ecke auf der Galerie zeigt]: Da oben war ich, in der ersten Nacht des 'Cid'.

Der Taschendieb [Macht mit den Fingern die Geste des Feilens]: Und so geht das mit den Uhren –– .

Der Bürger [Kommt mit seinem Sohn wieder herein]: Du wirst gleich ein paar berühmte Schauspieler sehen –– .

Der Taschendieb [Macht die Gebärde von einem, der mit kleinen Rucken und vorsichtig an etwas zieht]: Und so holt man sich Taschentücher –– .

Der Bürger: Montfleury –– .

Jemand [Ruft von der oberen Galerie]: Licht an, da unten!

Der Bürger: –– Bellerose, L'Epy, La Beaupre, Jodelet!

Ein Page [Im Parkett]: Da kommt die Büffetdame!

Die Büffetdame [Nimmt ihren Platz hinter dem Büffet ein]: Orangen, Milch, Himbeer-Wasser, Wacholderbitter!

[Draußen vor der Tür ist ein Getümmel zu hören].

Eine Falsettostimme: Macht Platz, ihr Wüstlinge!

Ein Lakai [Erstaunt]: Die Marquis? Im Parkett –– ?

Ein anderer Lakai: Ach was! Nur ein oder zwei Minuten!

[Eine Gruppe junger Marquis tritt ein].

Ein Marquis [Sieht, dass der Saal halb leer ist]: Seht euch das an? Wir kommen hier herein wie ein Rudel Tuchhändler! Ganz friedlich, ohne das Volk aufzuregen oder ihm auf die Füße zu treten! Oh, pfui! Pfui! [Erkennt einige andere Herren, die kurz vor ihm eingetreten sind]: Cuigy! Brissaille!

[Sie grüßen und umarmen sich].

Cuigy: Wir stehen zu unserem Wort! – aber seht nur, wir sind hier, noch bevor die Kerzen angezündet sind.

Der Marquis: In der Tat! Das reicht! Davon bekomme ich sehr schlechte Laune.

Ein anderer Marquis: Kein Grund, Marquis! Beruhigt Euch wieder, denn sie kommen, um sie anzuzünden!

Das gesamte Publikum [Begrüßt den Auftritt des Anzünders]: Aaaaah –– !

[Während die Lüster angezündet werden, formieren sich Grüppchen. Einige Leute haben auf den Galerien Platz genommen. Lignière, ein vornehm aussehender Schurke in einem ziemlich zerknülltem Hemd, Arm in Arm mit Christian de Neuvillette. Christian, der elegant, aber etwas unmodisch gekleidet ist, scheint mit den Gedanken woanders zu sein und schaut immer wieder hoch zu den Logen].

 

 

2. Auftritt

 

Vorige. Christian. Lignière. Später Ragueneau, Le Bret.

 

Cuigy: Lignière!

Brissaille [Lacht]: Immer noch nicht betrunken?

Lignière [Zu Christian]: Darf ich Euch vorstellen? [Christian nickt zustimmend] Baron de Neuvillette. [Verbeugt sich]

Das Publikum [Applaudiert, als der erste Lüster angezündet und hochgezogen wird]: Ah!

Cuigy [Zu Brissaille, sieht dabei Christian an]: Was für ein hübscher Kerl!

Erster Marquis [Der dies mitbekommen hat]: Puh!

Lignière [Stellt sie Christian vor]: Die Herren de Cuigy. De Brissaille –– .

Christian [Verbeugt sich]: Sehr erfreut!

Erster Marquis [Zum zweiten]: Zugegeben, nicht schlecht anzuschauen, aber er ist nicht gerade nach der neuesten Mode gekleidet.

Lignière [Zu Cuigy]: Der Herr kommt aus der Touraine.

Christian: Ja, ich bin gerade mal zwanzig Tage in Paris; morgen trete ich als Kadett in die Garde ein.

Erster Marquis [Beobachtet die Leute, die in die Logen kommen]: Da ist die Frau des Obersten Richters.

Die Büffetdame: Orangen, Milch –– .

Die Geiger [Stimmen ihre Instrumente]: La – la –– .

Cuigy [Zu Christian, zeigt auf den Saal, der sich schnell füllt]: Gut gefüllt.

Christian: Ja, in der Tat.

Erster Marquis: Gütiger Himmel!

[Sie erkennen und benennen die verschiedenen, elegant gekleideten Damen, die die Logen betreten, und verbeugen sich tief vor ihnen. Die Damen antworten mit einem Lächeln].

Zweiter Marquis: Madame de Guemenee.

Cuigy: Madame de Bois-Dauphin.

Erster Marquis:

Von uns allen verehrt!

Brissaille: Madame de Chavigny –– .

Zweiter Marquis: Die sich mit unseren armen Herzen einen Spaß macht –– !

Lignière: Ha! Monsieur de Corneille ist also aus Rouen zurück!

Der junge Mann [Zu seinem Vater]:Ist die Akademie hier?

Der Bürger: Oh ja, ich sehe sogar einige Mitglieder. Da sind Boudu, Boissat, Cureau de la Chambre, Porcheres, Colomby, Bourzeys, Bourdon, Arbaud – alles Namen für die Ewigkeit! Hervorragend!

Erster Marquis: Aufgepasst! Da kommen unsere Schönheiten; Barthenoide, Urimedonte, Cassandace, Felixerie –– .

Zweiter Marquis: Ach! Wie exquisit ihre ausgefallenen Namen klingen! Kennt Ihr sie alle, Marquis?

Erster Marquis: Ja, Marquis, ich kenne sie – alle!

Lignière [Zieht Christian zur Seite]: Mein Freund, ich kam nur her, um Euch eine Freude zu machen. Die Dame scheint nicht zu kommen, also werde ich mich wieder meinem liebsten Laster widmen.

Christian [Beschwichtigend]: Nein, nein! Ihr, der Ihr bei Hofe und in der Stadt gleichermaßen für Eure Balladen bekannt seid, könnt mir besser als jeder andere sagen, wer die Dame ist, für die ich aus Liebe sterbe. Bleibt bitte noch ein Weilchen.

Die erste Geige [Schlägt ihren Bogen auf das Pult]: Meine Herren Geiger! [Hebt seinen Bogen]

Die Büffetdame: Makronen, Zitronenwasser –– .

[Die Geigen beginnen zu spielen]

Christian: Ach! Ich fürchte, sie ist kokett, viel zu nett und anspruchsvoll! Ich, der ich so arm an Verstand bin, was soll ich mit ihr reden – wie sie ansprechen? Diese Sprache, die man heute spricht, sogar schreibt, verwirrt mich; ich bin nur ein ehrlicher Soldat, und schüchtern dazu. Ihr Platz ist immer dort, auf der rechten Seite – die leere Loge, seht nur!

Lignière [Macht Anstalten zu gehen]: Ich muss gehen.

Christian [Hält ihn auf]: Nein, bleibt.

Lignière: Ich kann nicht. D'Assoucy wartet auf mich in der Schenke, und hier verdurstet man ja.

Die Büffetdame [Geht mit einem Tablett an ihnen vorbei]: Ein Orangensaft?

Lignière: Igitt!

Die Büffetdame: Milch?

Lignière: Bloß nicht!

Die Büffetdame: Einen Muskateller?

Lignière: Unbedingt. [Zu Christian] Ich bleibe noch ein Weilchen. Lasst mich diesen Muskateller kosten.

[Er setzt sich ans Buffet, die Dame schenkt ihm ein].

Das Publikum [Schreit beim Eintritt eines molligen kleinen Mannes freudig erregt]: Ah! Ragueneau!

Lignière [Zu Christian]: Das ist der berühmte Schankwirt Ragueneau.

Ragueneau [In der Sonntagskleidung eines Pastetenbäckers, geht schnell auf Lignière zu]: Mein Herr, habt Ihr Monsieur de Cyrano gesehen?

Lignière [Stellt ihn Christian vor]: Der Zuckerbäcker aller Schauspieler und Dichter!

Ragueneau [Überwältigt]: Ihr erweist mir zu viel der Ehre –– .

Lignière: Nein, nein, schweigt, Maecenas, der Ihr seid!

Ragueneau: Gewiss, diese Herren beschäftigen mich ––– .

Lignière: Ohne zu bezahlen! Seid ja selbst ein Dichter mit einem gewissen Talent –– .

Ragueneau: So sagt man.

Lignière: Verrückt nach Poesie!

Ragueneau: Es stimmt, für eine kleine Ode –– .

Lignière: Gibt es eine Torte –– .

Ragueneau: Ach was! – ein Törtchen!

Lignière: Tapferer Bursche! Würde sich gerne entschuldigen! Und für ein Triolett, habt Ihr im Tausch –– .

Ragueneau: Ein paar kleine Brötchen gegeben!

Lignière [Ernst]: Es waren Milchbrötchen! Und was das Theater angeht, das mögt Ihr doch am meisten?

Ragueneau: Oh! Nur zum Zeitvertreib!

Lignière: Wie bezahlt Ihr die Eintrittskarten, hm? Mit Torten? Kommt, sagt es mir ins Ohr, was hat Euch Euer Platz heute Abend gekostet?

Ragueneau: Vier Krapfen und fünfzehn Windbeutel. [Schaut sich nach allen Seiten um] Ist Monsieur de Cyrano nicht hier? Das ist seltsam.

Lignière: Warum ist das seltsam?

Ragueneau: Montfleury steht auf der Bühne!

Lignière: Stimmt; das alte Weinfass wird heute Abend Phaedons Rolle spielen; aber was kümmert das Cyrano?

Ragueneau: Wie? Ihr wisst es nicht? Er ist außerordentlich wütend auf Montfleury, und hat ihm strengstens verboten, sein Gesicht auf der Bühne blicken zu lassen – und zwar einen ganzen Monat lang.

Lignière [Trinkt sein viertes Glas]: Und nun?

Ragueneau: Montfleury wird spielen!

Cuigy: Das wird er nicht verhindern können.

Ragueneau: Oh, oh! Um das herauszufinden, bin ich heute gekommen!

Erster Marquis: Wer ist dieser Cyrano?

Cuigy: Ein Bursche, der in allen Kunstgriffen des Fechtens bewandert ist.

Zweiter Marquis: Ist er von edler Geburt?

Cuigy: Sicher, er ist Kadett in der Garde. [Zeigt auf einen Herrn, der im Saal auf und ab geht, als ob er jemanden sucht] Das dort drüben ist sein Freund Le Bret, der kann Euch am besten Auskunft geben. [Ruft ihn] Le Bret! [Le Bret kommt auf sie zu] Sucht Ihr nach de Bergerac?

Le Bret: Ja, ich bin etwas in Sorge –– .

Cuigy: Ist er nicht ein sehr außergewöhnlicher Kumpan?

Le Bret [Sanft]: Auf jeden Fall gehört er zu den vornehmsten aller irdischen Geschöpfe!

Ragueneau: Dichter!

Cuigy: Soldat!

Brissaille: Philosoph!

Le Bret: Musikant!

Lignière: Und welch fantastisches Aussehen!

Ragueneau: Selbst unser grimmiger Maler Philippe de Champaigne hätte seine Probleme, ihn zu porträtieren! Mich dünkt, so skurril, wild und komisch er auch sein mag, nur der bereits verstorbene Jacques Callot hätte dies gekonnt; er hätte aus ihm den tollsten Kämpfer seines ganzen Trupps gemacht, mit dreifach gefiedertem Dreispitz und sechsfach abgesetztem Wams – und der Schwertspitze, die unter seinem Mantel hervorragt wie ein vorwitziger Hahnenkamm! Er ist stolzer als alle wilden Artabaner, die dem Nährboden der Gascogne jemals entsprungen sind oder noch werden! Und über seiner Halskrause trägt er eine Nase! Ach, meine Herren, und was für eine Nase das ist! Wenn man sie sieht. ist man geneigt, laut zu rufen: "Nein, das ist zu viel! Er spielt uns einen Streich!" Dann lacht man und sagt: "Er wird sie bald abnehmen." Aber nein! Monsieur de Bergerac behält sie immer an.

Le Bret: [Wirft seinen Kopf nach hinten] Er behält sie an – und spaltet jeden, der es wagt, sie zu erwähnen, in zwei Teile!

Ragueneau [Stolz]: Sein Schwert – wie die römischen Schicksalsgöttinnen kann es Euren Lebensfaden im Nu durchtrennen!

Erster Marquis [Zuckt mit den Schultern]: Er wird nicht kommen!

Ragueneau: Ich halte dagegen! Und ich wette ein Hühnchen – à la Ragueneau.

Der Marquis [Lacht]: Gilt!

[Bewunderndes Raunen im Saal. Roxane ist soeben in ihrer Loge erschienen. Sie setzt sich nach vorne, die Gouvernante nach hinten. Christian, der das Buffetmädchen bezahlt, sieht ihren Auftritt nicht].

Zweiter Marquis [Unter kleinen Freudenschreien]: Ach, meine Herren! sie ist so unfassbar – wahnsinnig – hinreißend!

Erster Marquis: Wenn man sie ansieht, denkt man an einen Pfirsich, der eine Erdbeere anlächelt!

Zweiter Marquis: Und diese Kühle! Einem Mann, der sich ihr zu sehr nähert, könnte vielleicht das Herz erfrieren!

Christian [Hebt den Kopf, sieht Roxane und fasst Lignière am Arm]: Da ist sie!

Lignière: Ach! Sie ist das?

Christian: Ja, sagt mir Ihren Namen – schnell!

Lignière [Nimmt immer wieder kleine Schlucke von seinem Wein]: Magdaleine Robin – auch genannt Roxane! Gewitzt, raffiniert, hochnäsig, prunksüchtig.

Christian: Weh mir!

Lignière: Sie ist noch frei. Ein Waisenkind. Die Base Cyranos, von dem wir gerade sprachen.

[In diesem Augenblick betritt ein eleganter Edelmann mit blauem Band über der Brust die Loge und unterhält sich im Stehen mit Roxane].

Christian [Zuckt zusammen]: Wer ist der Mann dort?

Lignière [Der beschwipst wirkt und ihm zuzwinkert]: Ha! ha! Der Graf de Guiche. Verliebt in Roxane, aber verheiratet mit der Nichte von Armand de Richelieu. Er würde Roxane gerne mit einem armseligen Kerl verheiraten, einem Monsieur de Valvert, seines Zeichens Vicomte, und – sehr entgegenkommend! Sie will nichts von ihm wissen, aber de Guiche ist mächtig und kann die Tochter eines einfachen Herrn ohne Adelsrang verfolgen. Mehr noch, ich selbst habe der Welt seinen schlauen Plan offenbart, und zwar in einem Lied, das –– . Ha, er muss toben vor Wut! Ich habe genau ins Schwarze getroffen – hört zu! [Steht schwankend auf, erhebt sein Glas und möchte anfangen zu singen].

Christian: Nein. Gute Nacht.

Lignière: Wo geht Ihr hin?

Christian: Zu Monsieur de Valvert!

Lignière: Nehmt Euch in Acht! Er wird Euch töten, wenn es sein muss. [Lässt seinen Blick zu Roxane schweifen]: Bleibt, wo Ihr seid – sie sieht Euch an.

Christian: Wahrlich! [Er bleibt stehen und schaut sie an. Die Gruppe der Taschendiebe, die ihn so stehen sieht, den Kopf in der Luft und mit offenem Mund, nähert sich ihm]

Lignière: Ich werde stattdessen gehen. Ich bin durstig! Und man erwarten mich – in den Gastschänken! [Geht taumelnd hinaus]

Le Bret [Der sich im ganzen Saal umgesehen hat und beruhigt zu Ragueneau zurückkommt]: Keine Spur von Cyrano.

Ragueneau [Ungläubig]: Dennoch –– .

Le Bret: Eine Hoffnung ist mir geblieben – dass er den Spielplan nicht gesehen hat!

Das Publikum: Anfangen, anfangen!

 

 

3. Auftritt

 

Vorige, alle außer Lignière. De Guiche, Valvert, dann Montfleury.

 

Ein Marquis [Beobachtet De Guiche, der aus Roxanes Loge herabsteigt und umgeben von unterwürfigen Adligen, unter ihnen der Vicomte de Valvert, das Parkett durchquert]: Hält sich einen ordentlichen Hofstaat, Euer De Guiche!

Ein anderer Marquis: Pfui!. Noch ein Gascogner!

Der Erste: Kein Wunder, der kühle, geschmeidige Gascogner – das ist der Stoff, aus dem Erfolg geschmiedet wird! Glaubt mir, wir sollten uns vor ihm verbeugen. [Gehen auf De Guiche zu]

Zweiter Marquis: Was für edle Bänder! Wie nennt Ihr diese Farbe, Graf de Guiche? "Küss mich, mein Liebling", oder "Scheues Reh"?

De Guiche: "Verfluchter Spanier", so nennt man diese Farbe.

Erster Marquis: Meiner Treu! Die Farbe spricht Wahrheit, denn dank Eurer Tapferkeit wird es den Spaniern in Flandern bald schlecht ergehen.

De Guiche: Ich gehe auf die Bühne! Werdet Ihr mitkommen? [Geht auf die Bühne zu, gefolgt von den Marquisen und Edelleuten. Er wendet sich um und ruft] Kommt, Valvert!

Christian [Der zuschaut und zuhört, erschrickt bei diesem Namen]: Der Vicomte! Ah! Ich schleudere ihm meine –– .[Steckt die Hand in die Tasche und findet dort die Hand eines Taschendiebs, der ihn gerade ausrauben will. Er dreht sich um] Heda"

Der Taschendieb: Oh!

Christian [Hält ihn fest]: Ich habe einen Handschuh gesucht.

Der Taschendieb [Lächelt mitleiderregend]: Und eine Hand gefunden. [Wechselt den Tonfall, eilig und flüsternd] Lasst mich nur gehen, und ich werde Euch ein Geheimnis verraten.

Christian [Hält ihn immer noch fest]: Und was wäre das?

Der Taschendieb: Lignière – also der, der Euch gerade verlassen hat –– .

Christian: Und weiter?

Der Taschendieb: Sein Leben ist in Gefahr. Ein von ihm verfasstes Lied hat in hohen Kreisen großen Anstoß erregt, und heute Nacht sind hundert Mann – ich bin einer von ihnen –auf dem Posten –– .

Christian: Hundert Mann! Von wem befehligt?

Der Taschendieb: Darf ich nicht sagen – ein Geheimnis –– .

Christian [Zuckt mit den Achseln]: Ach!

Der Taschendieb [Übertrieben würdevoll]: Von Berufs wegen.

Christian: Wo stehen diese Männer?

Der Taschendieb: An der Porte de Nesle. Auf seinem Heimweg. Warnt ihn.

Christian [Lässt seine Handgelenke los]: Aber wo kann ich ihn finden?

Der Taschendieb: Lauft in alle Schenken – in die Goldene Kelter, in den Tannenzapfen, in den Berstenden Gürtel, in die Zwei Fackeln, in die Drei Herde – und hinterlasst überall die Nachricht, dass er auf der Hut sein muss.

Christian: Gut – ich fliege! Diese Schurken! Hundert Mann gegen einen! [Mit liebevollem Blick auf Roxane] Ach, sie zu verlassen –– ! [Mit wütendem Blick auf Valvert] Und ihn erst –– ! Aber ich muss Lignière retten!

[Er eilt hinaus. De Guiche, der Vicomte, die Marquisen sind alle hinter dem Vorhang verschwunden, um auf den auf der Bühne aufgestellten Bänken Platz zu nehmen. Das Parkett ist ziemlich voll; auch die Galerien und Logen sind bereits überfüllt].

Das Publikum: Anfangen!

Ein Bürger [Dessen Perücke ein Page auf der oberen Galerie am Ende einer Schnur hochzieht]: Meine Perücke!

Freudenschreie: Er ist kahlköpfig! Bravo, Page – ha! ha! Ha –– !

Der Bürger [Wütend, schüttelt die Faust]: Kleiner Ganove!

Gelächter und Rufe [Zunächst sehr laut, dann langsam verklingend]: Ha! ha! ha! ha! ha! ha!

[Vollkommene Stille].

Le Bret [Erstaunt]: Was bedeutet diese plötzliche Stille –– ? [Ein Zuschauer sagt etwas mit leiser Stimme zu ihm] Ist das wahr?

Der Zuschauer: Ich habe es gerade aus erster Hand vernommen. [Im Saal erhebt sich ein Raunen] Pst! Ist er es? Nein! Doch, sage ich! In der vergitterten Loge! Der Kardinal! Der Kardinal!

Ein Page: Der Teufel persönlich! Wir sollten uns benehmen –– .

[Auf der Bühne hört man ein Klopfen. Kein Mensch rührt sich. Eine Pause].

Die Stimme eines Marquis [Durch die Stille, hinter dem Vorhang]: Löscht die Kerze!

Ein anderer Marquis [Steckt seinen Kopf durch die Öffnung im Vorhang]: Einen Stuhl!

[Ein Stuhl wird über die Köpfe der Zuschauer hinweg von Hand zu Hand gereicht. Der Marquis nimmt ihn und verschwindet, nachdem er einige Küsse zu den Logen hinauf zugeworfen hat].

Ein Zuschauer: Ruhe!

[Auf der Bühne hört man dreimaliges Klopfen. Im mittleren Tableau öffnet sich der Vorhang. Die Marquisen sitzen in gespannter Haltung auf jeder Seite der Bühne. Die Szene stellt eine ländliche Landschaft dar. Vier kleine Lüster beleuchten die Bühne; die Geigen spielen leise].

Le Bret [Leise zu Ragueneau]: Montfleurys Auftritt?

Ragueneau [Ebenfalls leise]: Ja, er sollte beginnen.

Le Bret: Cyrano ist immer noch nicht da.

Ragueneau: Ich habe meine Wette verloren.

Le Bret: Umso besser!

[Es ertönt ein Trommelwirbel, dann tritt Montfleury auf, groß und korpulent; er trägt ein idyllisches Hirtenkleid, ein mit Rosen geschmückter Hut hängt über einem Ohr; er bläst in einen mit Bändern verzierten Dudelsack].

Das Parkett [Applaudiert]: Bravo, Montfleury! Montfleury!

Montfleury [Nach tiefer Verbeugung beginnt er die Rolle des Phaedon]:

'Heureux qui loin des cours, dans un lieu solitaire,

Se prescrit a soi-meme un exil volontaire,

Et qui, lorsque Zephire a souffle sur les bois. . .'

Eine Stimme [Aus der Mitte des Parketts]: Schurke! Hatte ich Euch nicht für einen Monat untersagt, Euer Gesicht hier zu zeigen?

[