Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Wie lässt sich verhindern, dass man sich nach zehn oder zwanzig Jahren nichts mehr zu sagen hat? Wie kann eine heiße Anfangsverliebtheit in eine dauerhaft knisternde Romantik verwandelt werden? Wie geht die Liebe weiter, wenn die Kinder ausgezogen sind und das Haus plötzlich leer ist? Wie kann Sex mit immer derselben Person jahrzehntelang interessant bleiben? Dafür lässt sich etwas tun. Da geht noch was!" Die erfahrenen Paartherapeuten und seit 35 Jahren miteinander und immer noch glücklich verheirateten Eheleute Susanne und Marcus Mockler wissen, wovon sie schreiben: Als Eltern von mehreren mittlerweile erwachsenen Kinder sind sie nicht nur "sturmerprobt", sondern haben sich als Paar weiterentwickelt und neu gefunden. Ihr lebensnaher Ratgeber analysiert in 7 Kapiteln die wichtigsten Konfliktfelder und Trennungsgründe, zeigt Wege zu einer begeisternden Beziehung auch nach Jahrzehnten und führt mit praktischen Übungen am Ende jedes Kapitels zur Umsetzung in den Alltag. So bringen Langzeitlover ihre Liebesbeziehung auf ein neues Level.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 288
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.
Der Verlag hat sich bemüht, die Inhaber aller Rechte ausfindig zu machen. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird diese selbstverständlich in branchenüblicher Weise abgegolten.
Die zitierten Bibelstellen wurden aus der Lutherbibel 2017 entnommen.
Lutherbibel, revidiert 2017 © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Copyright © 2024 adeo Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Berliner Ring 62, 35576 Wetzlar
Erschienen im September 2024
ISBN9783863348823
Umschlaggestaltung: Kathrin Steigerwald – Büro für Gestaltung
Umschlagmotiv: virinaflora/Adobe Stock
Autorenfoto: Leonie Wild
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
www.adeo-verlag.de
Gewidmet denen, die sich für starke Ehen einsetzen.
„Soviel die Erde Himmel sein kann, so viel ist sie es in einer glücklichen Ehe.“
MARIEVONEBNER-ESCHENBACH
Geht noch was?
BOOSTER 1: Wertschätzung steigern
BOOSTER 2: Die gemeinsame Geschichte feiern
BOOSTER 3: Verletzungen heilen
BOOSTER 4: Das leere Nest umbauen
BOOSTER 5: Sex (wieder-)entdecken
BOOSTER 6: Lifehacks nutzen
BOOSTER 7: Die Zukunft zimmern
Motivation zu mehr Liebe
Verwendete Literatur
Anmerkungen
Die Geschichten, die wir in diesem Buch erzählen, haben wir so verfremdet, dass die echten Personen, die dahinterstehen, nicht mehr erkennbar sind. Doch sind sie aus dem Leben gegriffen und geben das wieder, was uns einzelne der vielen Paare erzählten, denen wir in unserer Arbeit begegnet sind. Die Namen haben wir frei erfunden.
Der Hochzeitstag ist wichtiger als der Geburtstag. Um den Geburtstag zu feiern, musst du eigentlich nur eine Leistung erbringen: überleben. Um den Hochzeitstag zu feiern, müsst ihr deutlich mehr gemeistert haben. Denn ihr seid zusammengeblieben. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Ja, ihr habt im zurückliegenden Jahr wohl auch gestritten, seid einander aus dem Weg gegangen, es war nicht nur eitel Sonnenschein. Aber: Ihr habt an eurer Entscheidung festgehalten, in guten wie in bösen Tagen zusammenzubleiben. Das ist ein Grund zu feiern!
Bevor die Unverheirateten hier aussteigen, zollen wir auch ihnen Tribut. Es ist natürlich nicht minder eine Leistung, ohne Trauschein beieinanderzubleiben. Man könnte sogar argumentieren, die Leistung ist noch größer – denn ihr habt einander ja keine vergleichbar verbindliche Zusage gemacht, wie das bei Ehepaaren der Fall ist. Und dennoch haltet ihr aneinander fest.
Interessanterweise würdigt unsere Kultur solche Jahrestage kaum. Die Paarbeziehung ist etwas nur zwischen diesen beiden Menschen, andere bleiben außen vor. Oder wie viele Anrufe und Glückwünsche habt ihr zum 5. Hochzeitstag bekommen? Oder zum 13.? Erst zur Silbernen Hochzeit, also nach 25 Jahren, strömen die Gratulationen herein – und das auch nur, wenn man anständig im größeren Kreis feiert.
So mancher könnte einwenden: Ist es wirklich ein so großes Ding, wenn Paare lange beieinanderbleiben? Absolut. Die Scheidungsrate und noch mehr die Trennungsrate unter Unverheirateten sprechen eine klare Sprache. Zwar gibt es weiterhin deutlich mehr gelingende Ehen als scheiternde. Doch der Abstand ist in den vergangenen Jahrzehnten erschreckend geschrumpft. Paarbeziehungen waren in der Geschichte nie ein Selbstläufer. Die vielen Trennungen in unserer Zeit bilden nun einen neuen Höhepunkt.
Dieses Buch ist für die geschrieben, die zusammenbleiben wollen. Für die Glücklichen, die sich fragen, wie sich dieses Glück konservieren und sogar noch vergrößern lässt. Für die leidlich Zufriedenen, die (noch) nicht aus ihrer Beziehung ausbrechen, aber viele unerfüllte Träume von einem begeisternden Zusammenleben haben. Und für die Frustrierten, die ihre Ehe oder Partnerschaft mit dem Gefühl leben, ständig an eine Mauer zu stoßen und sich dabei jede Woche neue Beulen zu holen.
Nicht im Fokus dieses Buchs stehen die Frischverliebten und Jungvermählten. Unsere Erfahrung hat gezeigt: Die lesen ohnehin selten Paarratgeber. Der Himmel ist zu rosa und die Leidenschaft zu heiß, als dass Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Beziehung aufsteigen könnten.
Wir hatten beim Schreiben die Paare im Blick, die schon einige Jahre zusammen sind. Das Miteinander ist routiniert, die Claims sind abgesteckt, die ersten Krisen haben sie erfolgreich unter die Füße bekommen. Vielleicht sind Kinder da, möglicherweise Teenager, oder junge Erwachsene, die schon aus dem Haus sind. Ist der Ruhestand schon in Reichweite oder bereits erreicht? Man sollte meinen, nach einer langjährigen gemeinsamen Geschichte seien solche Paare krisenfest. Die Statistik sagt etwas anderes.
Scheidung nach der Silbernen Hochzeit
Verblüfft stellen wir fest, dass Scheidungen nach der Silbernen Hochzeit drastisch zugenommen haben. Allein zwischen 1991 und 2009 hat sich ihre Zahl in Deutschland auf knapp 24 000 verdoppelt. Waren es 1991 gerade mal 12 494 Paare, die sich nach der Silberhochzeit scheiden ließen, stieg die Zahl 2006 bereits auf 19 316. Drei Jahre später lag sie bei 23 750. Eine Verdoppelung binnen 20 Jahren. Auf diesem hohen Niveau sind die Zahlen geblieben (2022 waren es 24 300).
Damit ist klar: Die Ehe ist kein sicherer Hafen. Sie ist vielmehr wie ein Zelt am ungeschützten Ufer, dem bereits ein paar Sturmböen heftig zusetzen. So wie fast jeder Mensch in seinen 40-ern in eine Midlifekrise gerät und sich fragt: „Soll es das schon gewesen sein?“, so gerät auch fast jede Ehe und Langzeitbeziehung in einen ähnlichen Zustand. Die großen Hoffnungen haben sich verflüchtigt und einer tristen Erwartungslosigkeit Platz gemacht. Doch Scheitern ist kein Naturgesetz. Deshalb dieses Buch.
Die meisten Paarratgeber (und wir haben von vielen vieles gelernt!) betrachten die Ehe als Ganzes. Sie gehen auf Fragen ein, die sich jungen Ehen und Beziehungen ebenso stellen wie alten. Andere beschreiben die Langzeitbeziehung, es fehlt aber an praktischer Hilfestellung. Angesichts der wachsenden Gefahren für Langzeitpaare scheint es uns an der Zeit, uns deren speziellen Herausforderungen zu widmen.
Wie lässt sich verhindern, dass man sich nach 10 oder 20 Jahren nichts mehr zu sagen hat? Wie kann eine heiße Anfangsverliebtheit in eine weiterhin wärmende Romantik und beglückende Vertrautheit verwandelt werden? Wie geht die Liebe weiter, wenn die Kinder ausgezogen sind und das Haus plötzlich leer ist? Wie kann Sex mit immer derselben Person jahrzehntelang interessant bleiben, ja sogar wiederbelebt werden? Wie übersteht man große Krisen, die unvermittelt auftauchen können – Jobverlust, eine Krankheit, ein finanzielles Desaster? Wie kommt man mit den Veränderungen des Partners zurecht – und wie mit den eigenen? Und schließlich: Wie machen wir unsere Beziehung trennungsfest?
Gründe für das Auseinandergehen nach vielen gemeinsamen Jahren gibt es viele. So ist der Auszug des letzten Kindes ein kritischer Punkt. Mehrheitlich Frauen stellen fest, dass sie ihre schlechte Ehe nur um der Kinder willen aufrechterhalten haben, um ihnen ein einigermaßen sicheres Zuhause zu ermöglichen. Dieses Motiv fällt nun weg.
Späte Torschlusspanik
Die Midlifekrise gibt es nicht nur im persönlichen Leben, sondern auch in der Paarbeziehung. Beide stören oft in einem ähnlichen Alter, in dem man sich noch mal neu erfinden kann. Mit Ende 40, Anfang 50 neu durchstarten, sich selbst spüren, die eigene Attraktivität im Umgang mit dem anderen Geschlecht austesten – das sind Verlockungen in einem Zeitfenster, das sich bald zu schließen droht. Es ist eine Variante der Torschlusspanik: Wenn ich jetzt nicht ausbreche, werde ich vielleicht nie mehr die Chance auf neues Lebensglück haben.
Das sind verständliche, teilweise nachvollziehbare Gedanken. Verheißungsvoll sind sie nicht. Laut Statistik scheitern Zweitehen noch häufiger als Ehen, bei denen beide zum ersten Mal verheiratet sind. Die Ursachen für unerfülltes Liebesglück scheinen doch etwas tiefer zu liegen. „Ich habe den Falschen geheiratet“, diese Vorstellung spiegelt vielleicht unser Gefühlsleben wider. Sie ignoriert indessen, welchen Eigenanteil jeder und jede an Paarkonflikten hat. Diesen Eigenanteil nimmt man in die nächste Beziehung mit – und bekommt erwartbare Ergebnisse. Wir behaupten nicht, dass es immer schiefgeht. Wir behaupten, dass es so oft schiefgeht, dass man die Energie besser in die seitherige Ehe oder Partnerschaft steckt. Die Chancen, dabei zu gewinnen, sind erheblich größer.
Anstatt sich selbst neu zu erfinden, ist es aussichtsreicher, seine Paarbeziehung neu zu erfinden. Darum wird es auf den folgenden Seiten gehen. Denn was beim Seitensprung oder bei der endgültigen Trennung fast immer aus der Sicht gerät: Wir haben viel zu verlieren. Oft mehr, als wir uns vorstellen können.
Wie gesagt, der Hochzeitstag bietet eigentlich einen vorzüglichen Anlass für ein Jubelfest. Was haben wir zwei in den Jahren erreicht? Die Mehrheit der Paare hat ein oder mehrere Kinder. Das ist vielleicht das Allergrößte: Zwei sind eins geworden, und daraus ist neues Leben entstanden. Leben, für das man nun natürlich auch gemeinsam Verantwortung trägt.
Aber auch ohne Kinder ist so viel gewachsen in den Jahren. Wir haben ineinander investiert. Finanziell zum Beispiel, wenn man sich gemeinsam eine Wohnung angeschafft oder ein Haus gebaut hat. Erst recht emotional! Wir standen in so vielen Situationen Seite an Seite. Wir haben begeisternde Momente miteinander erlebt – bei Urlauben, bei Festen, im Bett. Wir haben einander in Krisenmomenten unterstützt – in Krankheiten, in Trauerfällen, bei finanziellen Rückschlägen, bei Frust im Job. Wir sind füreinander da gewesen und sind es hoffentlich heute noch.
Ein Rückblick lohnt sich, wir widmen ihm später sogar ein eigenes Kapitel. Er zeigt uns vielleicht ein realistischeres Bild von unserer Gemeinsamkeit, als es unsere aktuelle Gefühlslage widerspiegelt. Die Beurteilung der Beziehung aus der Krise heraus wird schnell unfair. Wenn’s im Moment nicht so gut läuft, heißt das nicht, dass es immer schlecht gelaufen wäre. Und noch wichtiger: Es heißt auch nicht, dass es nicht besser werden kann. Genau dazu, wie wir die Krise meistern und eine begeisternde Paarbeziehung leben können, wollen wir in diesem Buch praxiserprobte Wege zeigen.
Der hohe Preis der Trennung
Wer in der Krise Trennungsgedanken hegt, sollte aber nicht nur auf das Positive zurückblicken – sondern auch vorausblicken auf das Negative, das mit dem Auseinandergehen einhergeht. So verlockend in schwierigen Paarzeiten die Vorstellung sein mag, sich nicht mehr mit diesem derzeit so anstrengenden Partner auseinandersetzen zu müssen, so folgenreich kann es werden, wieder allein durchs Leben zu gehen.
Der Preis ist hoch und in der Regel höher als erwartet[1], selbst wenn es ohne Rosenkrieg, Anwaltsfehde und Streit ums Geld geht. Sind minderjährige Kinder mitbetroffen, bezahlen sie emotional mit. Die meisten Eltern wissen das und erhalten deshalb manchmal eine Ehe aufrecht, an die sie schon lange nicht mehr glauben. Von Ausnahmen abgesehen ist das eine hilfreiche Entscheidung – und sie birgt zudem die Chance, die verglimmende Liebe eines Tages wieder zu neuem Feuer zu entfachen.
Außerdem warnt der Gesundheitsminister: Trennung schadet der Gesundheit! Denn häufig folgt ihr zumindest für eine bestimmte Zeit Einsamkeit. Es gibt eine stattliche Zahl von Studien, die zeigen, wie nach dem Auseinandergehen bei den Betroffenen viele Krankheiten zunehmen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Infektionen, Diabetes, Demenz, Süchte, früher Tod.
Ist also aus deinem Beziehungshaus eine Bruchbude geworden, lohnt es sich immer noch, die Sanierung zu planen. Das Grundstück ist schon da, Bausubstanz noch vorhanden. Wir dürfen einfach nicht überschätzen, dass der Abriss ein extrem teures Unterfangen wäre. Uns ist klar, dass sich das nicht in jedem Einzelfall verhindern lässt. Wir widersprechen aufgrund der Datenlage aber heftigst dem modernen Märchen, dass eine Scheidung oder Trennung ein Schritt ist, der vielleicht ein bisschen Mühe macht, aber im 21. Jahrhundert auch nicht mehr dramatisiert werden sollte. Tatsächlich muss man nicht dramatisieren, denn es ist ein Drama. Und nicht wenige bezahlen für dieses Drama mit ihrer Gesundheit. Nur enthalten uns die meisten deutschen TV-Serien und amerikanischen Hollywood-Filme diese Wahrheit vor.
Wir bagatellisieren Krisen nicht (sonst hätten wir nicht dieses Buch geschrieben). Die Lebenserfahrung zeigt indessen, dass sich die meisten Krisen überwinden lassen. Fragt mal befreundete Langzeitpaare, die ehrlich zu euch sind, ob sie in ihrer Beziehung irgendwann an einem Punkt waren, bei dem sie an Trennung gedacht haben. Die Quote derer, die das mit Ja beantworten, wird aller Wahrscheinlichkeit nach über 90 Prozent liegen. Ähnlich hoch dürfte der Anteil derer sein, die froh sind, dass sie doch keinen Schnitt gemacht haben. Auf Regen folgte Sonnenschein.
Neue Freiheiten miteinander entdecken
Blicken wir aber nicht nur auf das Schwere. Erfahrene Paare sind in der vorteilhaften Situation, dass ihnen fortgeschrittene Lebensphasen neue Chancen bieten. Neue Freiheiten, neue Möglichkeiten, neue Ideen, neuer Sinn. Die Mehrheit erreicht ja ein solides Niveau an Sicherheiten – sei es im Job, in Wohnung oder Haus, im gesellschaftlichen Status. So vieles, wofür man viele Jahre hart gearbeitet hat, ist erreicht. Der Blick kann sich leichter weiten vom Klein-Klein um Familie und Job zu Dingen, für die nun Kapazitäten da sind (oder zumindest da wären, wenn man sie denn nutzte).
Kann man auch seine Ehe neu entdecken – und den Menschen an seiner Seite? Vermutlich hast du das in der Vergangenheit schon, und das eher ungeplant. Denn dieser geliebte Mensch hat sich ja doch als eine etwas andere Persönlichkeit entpuppt, als wir sie uns anfangs gemalt hatten. Manche charakterliche Schwäche ist zum Vorschein getreten, manche versteckte Schrulle ans Tageslicht gekommen. Mit einigem haben wir uns arrangiert, bei wenigem haben wir sogar Vorteile entdeckt. Und manches nervt einfach bis heute, ist vielleicht mit der Zeit schlimmer geworden.
Nun stehen wir also vor der Herausforderung, das Gute und Positive neu zu entdecken und zu entfalten. Neu ein „Ja“ zum Partner, zur Partnerin zu finden. Der Weg dahin sieht bei jedem Paar anders aus, und dieses Buch bietet sich als Begleiter an. Von Lifehacks, wie ganz einfache Methoden neue Liebesgefühle hervorzaubern, bis hin zu wirkungsvollen Ideen, wie sich schwere Belastungen tragen und überwinden lassen. Wer die Erkenntnisse aus diesem Buch in Konsequenzen ummünzt, hat höchste Chancen, gestärkt aus der Midlifekrise seiner Paarbeziehung hervorzugehen.
Ein Freund sagte uns neulich einen Satz, über den wir immer wieder nachdenken müssen: „Zwischen Trauung und Scheidung gibt’s nur den Therapeuten.“ Damit meinte er, dass es im gesellschaftlichen und kirchlichen Hilfsbetrieb kaum Angebote gibt, die die „normale“ Ehe stärken. Wenn’s euch super geht, braucht ihr keine Hilfe. Wenn’s euch miserabel geht, schaut ihr euch nach Hilfe um und geht möglicherweise in Therapie (übrigens eine sehr gute Entscheidung, weil sie wirklich vielen zum Durchbruch verhilft).
Und wenn’s euch mittelmäßig geht? Wenn sich die Krise langsam heranschleicht, sie aber noch nicht wirklich bedrohlich wirkt? Dann machen die meisten einfach weiter und hoffen, dass sich das irgendwie wieder gibt. Manchmal tut es das auch, häufig aber nicht. Wäre es nicht besser, früher zu intervenieren, als gelähmt zuzuschauen, wie die Liebe im Treibsand versinkt?
Schlechtwetterschutz für die Ehe
Uns ist der Präventionsgedanke in den zurückliegenden Jahren immer wichtiger geworden. Repariere das Dach auf deinem Haus, wenn die Sonne scheint. Bei Regen und Sturm kann es schon zu spät sein. Was in anderen Lebensbereichen selbstverständlich ist – der TÜV bei einem Auto, an dem nichts kaputt scheint; die Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt, auch wenn man keine Schmerzen hat –, das vernachlässigen wir in der wichtigsten Beziehung unseres Lebens. Vorsorge für Ehe und Partnerschaft, Gefahrenabwehr, Immunstärkung, Schlechtwetterschutz – uns fallen viele Bilder ein, die hier passen.
Dieses Buch ist deshalb ein Beitrag dazu, dass es doch noch mehr zwischen Trauung und Scheidung gibt als den Therapeuten. Es stellt euch jede Menge Werkzeuge zur Verfügung, mit denen ihr eure Partnerschaft „wetterfest“ machen und Schäden selbst reparieren könnt. Es ist geschrieben aus der Überzeugung und Beobachtung heraus: „Da geht noch was!“ Das Ziel ist, die bestmögliche Liebesbeziehung zu führen. Wir wollen euch zeigen, wie das wahr werden kann. Und es kann sogar wahr werden, wenn dein Partner im Moment nicht mitzieht und du dich in deinem Bemühen, eure Beziehung zu verbessern, eher allein fühlst. Davon später mehr.
Eine Herausforderung für uns als Autoren wollen wir nicht verheimlichen. Gedanklich sind wir – schon aus biografischen Gründen – bei heterosexuellen Ehepaaren. Da dieses Lebensmodell das mit Abstand meistgewählte ist, werden wir unter den Leserinnen und Lesern damit auch die größte Zahl abholen. Doch die Gesellschaft hat sich verändert. Das Zusammenleben ohne Trauschein hat in den vergangenen Jahrzehnten stark an Gewicht gewonnen. Diese Form des Zusammenlebens funktioniert für viele. Auch wenn wir die Ehe schon empirisch für die günstigste Form der Partnerschaft halten – Studienbelege finden sich im ganzen Buch verteilt –, versprechen wir den unverheirateten Paaren: Auch sie werden in diesem Ratgeber auf ihre Kosten kommen. Wenn es also in den Kapiteln mal durcheinandergeht – einmal ist von Eheleuten, das andere Mal von Langzeitbeziehungen die Rede –, so sind doch in der Regel beide gemeint. Wir wollten das Lesen nur nicht so mühsam machen, deshalb haben wir auf die lückenlose Beachtung der Doppelnennung von Verheirateten und Unverheirateten verzichtet. Niemand möge sich ausgeschlossen fühlen.
Als junges Paar ans Alter denken?
Eine weitere Herausforderung für dieses Buch: Die Midlife-krise in der Ehe erhebt sich gerne nach 10 bis 20 Jahren gemeinsamen Weges. Da es sich aber stark unterscheiden kann, in welchem Alter ein Paar heiratet oder verbindlich zusammenzieht, stecken sie nach diesen 10 bis 20 Jahren auch in sehr verschiedenen Phasen. Wer in ganz jungen Jahren den Partner fürs Leben gefunden hat, erlebt so eine Krise dann in seinen 30ern, Spätvermählte erst in den 50ern. Wir nehmen in diesem Buch darauf Rücksicht, verstehen aber auch, dass nicht alles für alle passt. Den End-30ern sind Gedanken zur Pensionierung noch zu früh, kinderlosen End-50ern die Tipps zum Umgang mit dem leeren Nest zu irrelevant.
Wir ermutigen dennoch zum Weiterlesen, weil vieles auf den zweiten Blick doch stärker in die Beziehung hineinwirkt als erwartet. Paaren, die keine Kinder haben, kann das neu schmerzhaft bewusst werden, wenn sich im Bekanntenkreis die ersten Enkel ankündigen – auch diese Erfahrung wird ihnen versagt bleiben. Jüngere Paare könnten im Blick aufs Alter früher und vorausschauender Weichen stellen und damit gelassener den Weg in Richtung Ruhestand gehen – auch wenn dieser im Moment noch weit jenseits ihres Horizonts liegt. All das sprechen wir an.
Und noch ein Grund, warum sich das Weiterlesen lohnt: Mit deinem Ehepartner alt zu werden, ist wahrscheinlich eine der klügsten Entscheidungen, die du heute überhaupt treffen kannst. Das hat noch einmal von soziologischer Seite eine 2024 erschienene Arbeit des US-Soziologen Brad Wilcox deutlich gemacht. In seinem Buch „Get Married“ („Heiratet!“) hat er sieben große Studien zur Lage von Menschen im Stand der Ehe analysiert und faszinierende Erkenntnisse zusammengetragen. Wir werden auf ein paar davon zurückkommen.
Langzeitpaare sind beim Sex im Vorteil
Zum Start nur dieses: Verheiratete haben in allen Lebensbereichen die besseren Daten. Sie sind statistisch glücklicher, gesünder, haben eine höhere Lebenserwartung, genießen größeren Wohlstand und haben – tadaaa – häufiger und besseren Sex als Menschen in anderen Lebensformen. Auch die unverheiratet Zusammenlebenden erreichen im Durchschnitt nicht dieses hohe Niveau.
Langzeitpaare bekommen noch weitere Boni: Fürs Altwerden ist die Ehe der optimale Familienstand. Sie schützt sogar vor Gedächtnisverlust, chronischen Krankheiten und mentalen Einschränkungen, wie Psychiater herausgefunden haben.[2] Dazu kommt das finanzielle Polster, das bei den Verheirateten durchschnittlich dicker ist als bei allen anderen.
Wie gesagt, das ist Statistik, es trifft natürlich nicht auf jedes einzelne Paar zu. Wenn du in diesem Moment zweifelnd über die Schulter blickst und dich fragst: „Mit dem, mit der soll ich alt werden?“, dann überzeugen die eben gepriesenen Vorteile wenig. Auch wir wissen: Es zählt auf Dauer nicht die Quantität der Jahre, sondern die Qualität der Beziehung.
Genau dafür lässt sich aber etwas tun. Da geht noch was. Die Basis ist, dass ihr euch vor Jahren aus Liebe füreinander entschieden habt. Dann kam das „richtige Leben“. Und nun schlagen wir euch Wege vor, wie ihr an das so wundervoll Begonnene anknüpfen, es wiederbeleben, es erweitern, es auf ein neues Plateau heben könnt.
An der eigenen Beziehung, an der eigenen Ehe zu arbeiten, ist die denkbar beste Investition. Es gibt keinen anderen Lebensbereich, der uns eine vergleichbare „Rendite“ verspricht. Das sollte eine ökonomisch geprägte Gesellschaft unbedingt wissen, finden wir.
Eigentlich klingt das Wort „Beziehungsarbeit“ in unseren Ohren schrecklich. Man stelle sich dieses Versprechen am Traualtar vor: „Ich werde mit dir Beziehungsarbeit leisten, bis der Tod uns scheidet.“ Klingt wie abgestandenes Mineralwasser bei der Oscarverleihung. Da sind die Schmetterlinge schon tot, bevor sie mit nur einem Flügel schlagen konnten.
Vielleicht hilft uns ein kurzer Ausflug in die Physik. Sie definiert in einer Gleichung: Arbeit ist gleich Kraft mal Weg. Ich leiste also mehr Arbeit, wenn ich mehr Kraft einsetze. Und ich leiste mehr Arbeit, wenn der Weg länger wird. Beides wird von Langzeitpaaren gefordert. Hübsch wird es erst, wenn wir die Formel umstellen: Kraft ist gleich Arbeit geteilt durch Weg. Dann bedeutet sie nämlich: Je länger der Weg ist, desto weniger Kraft brauchen wir, um dieselben Arbeitsergebnisse zu erzielen.
Mit weniger Kraft mehr erreichen
Wem das jetzt zu kompliziert war, dem wollen wir es einfach übersetzen. Auch die beste Beziehung kommt nicht ohne Kraftanstrengungen aus. Das muss man Langzeitpaaren nicht erklären, das haben sie alle in den ersten Jahren bereits erfahren. Wenn die Partner aber mit der Zeit gelernt haben, sich aufeinander einzustellen, wird es meistens einfacher. Man bewertet kritische Situationen nicht unnötig hoch, lernt Toleranz, nutzt die erprobten Verhaltensweisen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Das Ergebnis von „Beziehungsarbeit“ sollte sein, dass beide ein anhaltend gutes Zufriedenheits- und Glücksniveau erreichen und es möglichst immer wieder übertreffen.
Dafür lässt sich einiges tun. Manches ist verblüffend einfach, manches erfordert ein bisschen mehr Hingabe. Jedenfalls geht da noch was. Da geht noch richtig was. Legen wir los.
Was geht in diesem Kapitel? Du erfährst
warum Wertschätzung ein Liebes-Booster istwie du Nähe und Distanz in der Paarbeziehung auslotestwas Liebe mit Zeitmanagement zu tun hatwarum das „Balzen“ nie ganz aufhören darfStelle dir dieses erste Date vor.
Die Frau sitzt kaugummikauend im Café vor einer Maracuja-Schorle und flippt konzentriert durch die neuesten Kurzvideos auf ihrem Smartphone. Der Mann trudelt ein – schmierige Haare, fleckiges Hemd. „Hey, ich bin dein Date“, sagt er. Sie schaut kurz auf, nickt, und wischt weiter auf dem Display ihres Handys. Da zieht er sein Smartphone raus, beantwortet kurz die jüngsten Textnachrichten, um nach ein paar Minuten festzustellen: „Nett, dass du gekommen bist und wir uns endlich kennenlernen.“
Auf einer Romantik-Skala zwischen null und zehn liegt dieses erste Date bei minus acht. Wenn wir an ein gelungenes erstes Date denken, haben wir andere Bilder im Kopf. Beide haben sich herausgeputzt, sind zuvorkommend, wollen einen guten Eindruck machen, dem anderen attraktiv und angenehm erscheinen. Wir sehen, wie er ihr einen kleinen Blumenstrauß überreicht und ihr nettes Kleid lobt. Vielleicht fragen sie einander, was sie heute schon erlebt haben, auf welches Essen sie jetzt besonders Lust haben, was sie für die nächsten Wochen und Monate planen.
Und nun schauen wir auf ein Durchschnittsdate eines seit 20 Jahren verheirateten Paars: Ins Restaurant gehen, essen, jeder glotzt auf sein Handy. Ende des Dates.
Ja, das ist eine Karikatur. Aber gar nicht mal so überzeichnet, wenn wir in Restaurants und Cafés schauen. Der Anteil der Paare, die einander schweigend gegenübersitzen und ihre Smartphones streicheln, liegt verblüffend hoch. Hat die Ehe das aus ihnen gemacht?
Was die Ehe und die Langzeitbeziehung stark macht, macht sie gleichzeitig schwach. Stark wird sie durch Intimität und Vertrautheit. Wir kennen einander. Wir haben einander körperlich und seelisch nackt gesehen. Wir werden einander selbstverständlich. Klar, dass der andere da ist – wir sind schließlich mit ihm oder ihr verheiratet.
Der Partner als Eh-da-Faktor
Schwach wird sie durch folgende Konsequenz: Der Partner wird zum Eh-da-Faktor. Du weißt nicht, was der Eh-da-Faktor ist? Der stammt aus größeren Organisationen und Firmen. Der Chef hat eine neue Idee, die aber Zusatzarbeit für das Team bedeutet. Sofort die Frage: „Wer kann das machen?“ Und dann die Antwort: „Ach, das soll Frau Müller erledigen – die ist doch eh da.“ Ein bisschen Mehrarbeit für eine Mitarbeiterin, deren Präsenz und Engagement selbstverständlich vorausgesetzt werden und die ja schon ihr festes Gehalt bekommt. Frau Müller ist der Eh-da-Faktor.
Und deine Partnerin oder dein Partner wird es mit den Jahren auch. Die lieben Gesten der Anfangszeit erlahmen. Ein Blumenstrauß? Höchstens zum Geburtstag. Einmal im Monat miteinander ausgehen? Das lässt der Terminkalender nicht zu. Sich für den anderen schick machen? Wozu? Der ist doch eh da. So stirbt mit der Wertschätzung die Romantik, so vertrocknen die Liebesgefühle.
Das ist wie in der Geschichte von Ferdinand.
Ferdinand, der Maler, lebte in einem kleinen Dorf. Hätte man die Leute gefragt, was sie von seinen Bildern halten, hätten sie gute Worte gefunden. „Der Ferdinand, der kann was.“ Aber sie sagten es ihm nie. So fühlte er sich allein und unverstanden. Eines Tages beschloss er, seine Gemälde einzupacken und in die Stadt zu ziehen.
Als er weg war, merkten die Dorfbewohner schnell, dass ihnen etwas Wesentliches fehlte. Das schöne Ernte-Bild aus der Rathaushalle hatte er mitgenommen, die Staffelei vor seinem Haus war verschwunden, und beim Blick durchs Fenster seines ehemaligen Ateliers zeigte sich nur noch eine graue Stube.
Schließlich machten sich der Bürgermeister und drei Ratsherren auf die Suche nach Ferdinand. Sie fanden ihn in der Stadt und bekundeten ihm, wie sehr ihnen seine Kunst, seine Kreativität, seine Nähe fehlten. Die kleine Delegation bat ihn, zurückzukommen.
Das waren die Worte, die Ferdinand brauchte. Er bezog wieder das kleine Haus mit dem verlassenen Atelier – und von diesem Tage an versäumten es die Dorfbewohner nicht mehr, seine Bilder zu loben und im Gespräch an seiner Sicht von Natur, Mensch und Gott teilzuhaben.
Vom Eh-da-Faktor zum geschätzten Menschen. Diesen Weg können wir auch in unserer Partnerschaft wieder gehen. Denn die Diagnose „Mangel an Wertschätzung“ weist glücklicherweise schon den Weg zur Therapie. Liebe zeigt sich nicht nur, aber vor allem in Alltagsgesten. Diese werden kolossal unterschätzt. Es sind die kurzen Augenblicke eines langen Tages, in denen ich die Entscheidung treffen kann, mich für einen Moment meinem oder meiner Liebsten zuzuwenden. Eine flüchtige und doch zärtliche Umarmung. Ein schneller Handgriff, der dem anderen hilft. Ein Kuss an der Haustüre. Das Abstellen des Bügeleisens, um eine Minute konzentriert und mit Augenkontakt zuzuhören. Das alles zählt für die Liebe weitaus mehr als das Diamantencollier oder das Überraschungsgeschenk einer Karibikkreuzfahrt. Die großen Dinge werden in den langen Jahren einer Beziehung schnell klein. Aber die kleinen Dinge machen eine lange Beziehung groß.
Eine reife Liebe frischzuhalten, erfordert diesen Einsatz im Alltag. Das lässt sich einüben, und wer es sich einmal angewöhnt hat, merkt bald, wie es dann fast von allein geht. Glückliche Langzeitpaare leben in der Regel genau das vor: Sie haben Augen füreinander, sind einander zugewandt. Die zärtliche Geste, die helfende Hand und das wertschätzende Wort feiern Dauerpräsenz.
Der verrückte Goldbandpipra
In der Phase, in der Menschen um einen Liebespartner werben, geben sie sich extreme Mühe und machen manchmal verrückte Dinge. Das lässt sich übrigens nicht nur bei Menschen beobachten. Besonders hübsch ist das Balzverhalten verschiedener Vogelarten. Die Männchen bieten alles auf, um in der Damenwelt Eindruck zu schinden. Paradiesvögel präsentieren ihr buntes Federkleid in faszinierenden Formationen. Der Goldbandpipra in Panama hüpft wie ein Gummiball zwischen den Ästen, um sich als begehrenswerter Lover zu präsentieren.
Aber zurück zu den menschlichen Liebespaaren. Auch sie können aus ihren Anfängen sonderbare Geschichten erzählen. Ein Freund von uns flog als Student nach Israel, um seine Herzensdame, die dort lebte, zu gewinnen. Die beiden sind nun schon lange verheiratet. Von einem anderen haben wir gelesen, der sich in eine Brasilianerin verliebte und deshalb seinen Job in Deutschland aufgab. Nun leben die beiden mit ihren Kindern im Regenwald bei schlechtem Internet und unregelmäßiger Stromversorgung – und sind glücklich.
Aufwendige Werbung braucht es selbstverständlich in der Langzeitbeziehung nicht mehr. Das Ziel, den Partner zu gewinnen, ist ja erreicht. Andererseits – und das ist hier der Punkt: Darf werbendes Verhalten wirklich komplett aus unserer Ehe verschwinden? Dem Balztanz folgt im Laufe der Jahre ein Sichgehenlassen. Der eine nimmt es mit der Hygiene nicht mehr so genau, die andere findet lotternde Jogginghosen zu fast allen Anlässen die passende Bekleidung. Dem einen ist es egal, dass die Unordnung in der Wohnung auf sein Konto geht, die andere textet ihren Partner zu und nimmt überhaupt nicht mehr wahr, wie es ihm geht. Nun leben also zwei Eh-da-Faktoren unter einem Dach.
Karin und Stefan sind seit 22 Jahren verheiratet, ihre Tochter Deborah ist bereits ausgezogen und studiert in Berlin. Der Wecker klingelt um 6:15 Uhr. Karin steht auf, macht Frühstück, Stefan bleibt liegen. Diese Routine hat sich vor langer Zeit eingeschlichen und hat sich auch mit dem Abschied der Tochter nicht verändert.
Karin und Stefan fahren zu ihren Jobs in verschiedenen Firmen. Tagsüber kein Kontakt. Früher hatten sie häufig in der Mittagspause kurz miteinander telefoniert, heute reicht es nicht einmal mehr zu einer kurzen Textnachricht – und wenn, dann nur um den anderen zu bitten, noch etwas vom Supermarkt mitzubringen.
Am Nachmittag überprüft Stefan auf dem Handy die aktuellen Zahlen auf dem gemeinsamen Bankkonto. Verblüfft stellt er fest, dass Karin in einem Modehaus 650 Euro hat liegen lassen. Ohne Ankündigung, ohne Rücksprache. Er ärgert sich. Nicht, dass sie es sich nicht leisten könnten. Aber wenn das jeder jede Woche so macht, werden sie die letzten Raten für ihre Wohnung nicht mehr begleichen können.
Als sie am Spätnachmittag die Wohnungstüre aufschließt, hört sie den Fernseher laufen. Er ist schon da, guckt offenbar irgendeine Serie. Er muss sie auch gehört haben, weil ihr an der Garderobe die Handtasche runtergefallen ist. Aber er steht nicht auf, macht keinen Mucks, registriert sie offenbar überhaupt nicht.
Beim Abendessen erfährt Stefan, dass Karin sich für heute mit zwei Freundinnen zum Mädelsabend verabredet hat. Er hatte eher an einen entspannten Abend mit seiner Frau gedacht. Na toll, denkt er, aber dann kommt sie hoffentlich gut gelaunt nach Hause, und wir können im Bett noch ein bisschen Spaß haben.
Tatsächlich ist sie kurz nach 23 Uhr in fröhlicher Stimmung wieder zurück, während er bei zu viel Bier die zweite Staffel seiner Serie durchgeglotzt hat. Sie kann riechen, dass er vor drei Tagen das letzte Mal geduscht hat, und ist derart abgeturnt, dass in dieser Nacht nichts mehr zwischen den beiden geht.
So endet ein Tag im Eheleben von Karin und Stefan.
Fühlst du dich bei der einen oder anderen Szene an deine Ehe erinnert? Das würde uns nicht überraschen. Wir haben in diesen einen Tag die Themen gepackt, die Paare auseinanderbringen: Arbeitsteilung, Wertschätzung, Finanzen, Freiräume, Körperpflege, unterschiedliche Erwartungen. Etwas davon führt in fast allen Paarbeziehungen zu Konflikten. Und die Frage, die wir im Folgenden beantworten wollen, ist: Wie kann man nach vielen gemeinsamen Jahren an diese Themen noch einmal konstruktiv herangehen?
Verhaltensmuster knacken
Tatsächlich ist es gar nicht so leicht, eingeprägte Verhaltensmuster aufzubrechen. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt uns unsere Persönlichkeit häufig eine Verhaltenstendenz. Das steckt in uns, und es bedeutet harte Arbeit, daran etwas zu ändern. Zum anderen braucht es, wenn wir wirklich neu auf unseren Partner zugehen wollen, eine hohe Motivation. Und geben wir es zu: Die haben wir nicht immer. Viele stellen bewusst oder unbewusst innerlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung an: Warum soll ich mich jetzt anstrengen, wenn ich dafür vielleicht trotzdem nichts kriege? Eine absolut nachvollziehbare, wenn auch egoistische Rechnung.
Aber wir sind uns einig: Wenn beide Partner in ihren Mustern verharren, wird sich nichts zum Positiven wenden. Auf dieser Erkenntnis aufbauend haben wir unser erstes Ehe-Buch „Das EMMA-Prinzip“ geschrieben. Emma steht für: Einer muss mal anfangen. Das Buch ist für Paare jeden Alters gedacht – denn das EMMA-Prinzip funktioniert genauso bei Frischverliebten wie bei Eheleuten kurz nach der Diamantenen Hochzeit. Die Botschaft lautet: Wenn beide Partner in ihrer Position verharren, kann die Beziehung nicht besser werden. Wenn einer anfängt, dem anderen neu und besser Liebe zu zeigen, beginnt in der Regel eine Spiralbewegung nach oben. Der andere lässt sich davon anstecken und fängt ebenfalls an, stärker in die Beziehung zu investieren.
Was heißt das nun konkret für die Konflikte in Langzeitbeziehungen? Dem gehen wir im Folgenden nach.
Wir alle haben einen Hunger danach, wahrgenommen und gesehen zu werden. Nirgends wird das deutlicher als auf Social Media. Kaum haben wir nach Erreichen des Urlaubsorts ein Strandfoto gepostet, schielen wir schon nach Likes, Herzchen und wohlwollenden Kommentaren. Erfolgt keine Reaktion, frustriert uns das. Martin Bubers großer Satz „Der Mensch wird am Du zum Ich“ spiegelt sich selbst in der digitalen Welt von Instagram & Co wider. Wir lechzen nach Anerkennung, Lob und Zuspruch. Es ist leider so: Wie wir über uns selbst denken, hängt in hohem Maß davon ab, wie andere von uns denken. Nur wenige ganz unabhängige Geister brauchen das nicht – und darunter sind andererseits wieder viele schräge Vögel. Der Mensch ist nun mal ganz ausgeprägt ein soziales Wesen.
Vor über 40 Jahren erschien der heute noch stark nachgefragte Weltbestseller „Der Minuten-Manager“ von Ken Blanchard[3]. Der Autor fasst zusammen, wie man als Chef seinen Job mit einminütigen Übungen besser macht. Einer von drei Bereichen ist das Ein-Minuten-Lob. Die These: Jedes ernsthafte Lob macht eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter leistungsfähiger, produktiver, begeisterter und teamorientierter. Das Lob kostet nichts, bringt aber großen Gewinn.
Genau das wird zum wunden Punkt in Langzeitbeziehungen. Während anfangs die Formel „Ich liebe dich“ noch häufiger erklingt, Komplimente über das Aussehen oder einen freundlichen Liebesdienst regelmäßig gemacht werden, trocknet der ehemals breite Strom der Wertschätzung gemächlich aus. Wir wissen doch, wer wir sind, was wir aneinander haben, was wir füreinander tun. Warum sollte man das noch ansprechen?
Ganz einfach: Weil wir auch nach Jahren und Jahrzehnten gesehen werden wollen. Und weil es am tiefsten schmerzt, wenn ausgerechnet der Mensch an unserer Seite dieses Grundbedürfnis nicht stillt.
Wertschätzung wird verlernt – und muss wieder neu gelernt werden. Das ist zum Glück nicht sonderlich kompliziert. Die erste und einfachste Übung ist, das Dankesagen wiederzuentdecken. Habe ich heute meiner Partnerin, meinem Partner schon gedankt? Und falls du fragst: Wofür? Dann ist das möglicherweise ein Zeichen, dass du alles durch die Selbstverständlichkeitsbrille siehst. Danke für alles, was du wahrnimmst. „Danke, dass du heute für uns Frühstück gemacht hast. – Danke, dass du dich immer um den Wagen kümmerst. – Danke, dass du bei dem Wetter mit dem Hund rausgegangen bist. – Hey, danke fürs Bügeln. – Danke, dass du mit mir den Film geschaut hast. – Danke, dass ich mich in so vielen Lebensbereichen einfach auf dich verlassen kann.“
„Teflon-Effekt“ durchs Danken
Die Fokussierung aufs Danken ist eines der einfachsten und zugleich mächtigsten Instrumente zur Verbesserung der Paarbeziehung. Unglaublich? Untersuchungen von Allen Barton an der Universität von Georgia haben ergeben, dass das Maß an Dankbarkeit zwischen zwei Menschen am sichersten anzeigt, wie gut es um eine Partnerschaft steht. Barton spricht von einem „Teflon-Effekt“, den die Dankbarkeit bewirkt.[4] Stress, Schulden und andere Alltagsnöte bleiben an solchen Paarbeziehungen einfach nicht haften. Und auch hier gilt das EMMA-Prinzip: Einer muss mal anfangen. Wenn einer anfängt, jede mögliche Gelegenheit zum Dankesagen zu nutzen, ist der andere meistens zunächst verblüfft, vielleicht sogar irritiert – aber immer erfreut („Er/Sie sieht mich!“). Und dann setzt in der Regel die Reaktion ein, dass auch der andere besser hinsieht und mehr dankt.
Wir haben vor Jahren das Danken in unserer Ehe neu entdeckt. „Danke“ ist in unserem Alltag zu einem der häufigsten Worte geworden. Susanne dankt dafür, dass Marcus beim Runtergehen in den Keller den Wäschekorb mitgenommen hat, der an der Treppe stand. Warum für so etwas danken – Marcus war doch ohnehin auf dem Weg nach unten? Doch es geht hier um etwas anderes. Nicht um die Größe der Leistung, sondern um das Gesehenwerden. Es geht um Wertschätzung.