Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der buddhistische Mönch Thay Phap Nhat nimmt uns mit in eine Welt voller Frieden und Liebe, jenseits von Freude und Leid, jenseits von Geburt und Tod. Diese Welt liegt direkt hier und jetzt vor unseren Augen! Die Tür zu dieser Welt führt durch unser eigenes Bewusstsein, durch unser einfaches Da sein und durch das Erkennen der Wunder in diesem gegenwärtigen Moment.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 111
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Thay Phap Nhat
Da sein
Erkennen
Lieben
Weisheiten eines Zen-Meisters
aus dem Vietnamesischen von Schwester Tinh Hanh
Dasein, Erkennen und Lieben sind drei Elemente, mit denen wir unser spirituelles Leben zum Erblühen bringen können. Wir können die Schönheit des Lebens nicht spüren, wenn wir nicht wirklich im Leben präsent sind. Im Leben präsent zu sein bedeutet, mit dem zu sein, was gerade geschieht. Mit dem zu sein, was gerade genau in diesem Moment passiert, hier und jetzt.
Wenn wir auf diese Weise präsent sein können, dann werden wir das Leben in uns und um uns herum inniger und tiefer empfinden. Der Geist der Liebe in uns wird sich der Erde, dem Himmel, der Natur und aller Phänomene dieser Welt gegenüber weit öffnen. Die Schönheit des Lebens wird sich klar vor unseren Augen entfalten. Wir werden Dinge sehen, die wir niemals zuvor erkannt haben; wir werden Dinge spüren, die wir niemals zuvor wahrgenommen haben; und wir werden auch sehen, wie wir selbst immer liebevoller, kreativer, authentischer und bewusster werden.
Diese Liebe, Kreativität, Aufrichtigkeit und das Bewusstsein bilden genau die Essenz des Zen und der Meditation. Dies sind genau die Dinge, welche die Schönheit des Lebens hervorbringen und unser spirituelles Leben erblühen lassen.
Der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang sind immer noch genauso wie jeden Tag, doch jetzt können wir diese Schönheiten ganz still und bei vollem Bewusstsein bewundern. Obwohl wir kein Poet oder Musiker sind, können wir dennoch die Poesie und die wunderbare Musik des Lebens wahrnehmen, ebenso wie die Bilder und die wahrlichen Meisterwerke der Natur. Es gibt kein größeres Glück als der Symphonie der singenden Vögel am frühen Morgen zu lauschen. Sie singen so melodisch, während sie in den Bäumen unseres Gartens sitzen. Sobald wir dann aus dem Fenster schauen, können wir den wunderschönen Sonnenaufgang am Himmel bestaunen.
An jedem Morgen sollten wir den neuen Tag damit beginnen, ganz präsent in unseren Körper und Geist hinein zu spüren. Liebe und Bewusstsein zu entwickeln wird uns dabei helfen, friedlicher zu werden. Himmel und Erde werden zu einer Quelle unserer Freiheit und unseres Glücks.
Die Kunst des Glücklichseins besteht darin, die Dinge wertzuschätzen, die wir bereits haben. Dies bedeutet, dass wir uns dieser Dinge bewusst sind und dass wir sie achtsam wahrnehmen. Dieses bewusste Wahrnehmen wird uns dabei helfen, tief mit den Schätzen des gegenwärtigen Moments in Berührung zu sein. All diese Schätze werden so zu zahlreichen Anlässen für uns, glücklich zu sein. Und wenn diese Anlässe dann nicht mehr verfügbar sind, empfinden wir kein Bedauern, denn wir haben das Glück in ihnen bereits vollkommen ausgekostet und genossen.
Wenn wir zu uns selbst zurückkehren und uns selbst betrachten, dann werden wir sehen, dass unser Geist immer seinen verworrenen Vorstellungen über die Zukunft hinterherläuft und dadurch all die Dinge verpasst, die hier und jetzt Wirklichkeit sind. Wir erkennen unsere wahren Schätze oft erst dann, wenn wir sie bereits wieder verloren haben. Es ist wirklich sehr schade, wenn wir die Dinge erst verstehen und wertschätzen lernen, wenn sie bereits wieder vergangen sind. Also sollten wir üben, die gewöhnlichen und einfachen Dinge wertzuschätzen, die gerade hier und jetzt verfügbar sind.
Wir können uns glücklich schätzen, wenn unser Vater und unsere Mutter, unser Großvater und unsere Großmutter noch für uns da sein können. Oder wenn unsere Kinder noch mit uns leben, wenn sie noch nicht ausgezogen sind, um in einer anderen Stadt zu studieren und dort ihr eigenes Leben zu leben. Dies kann eine Quelle unseres Glücks sein. Während unsere Kinder vergnüglich spielen und dabei viel Lärm erzeugen, fühlen wir selbst uns oftmals erschöpft und zerstreut. Aber wenn wir uns vergegenwärtigen, dass unsere Kinder gesund sind und herumtollen können, dann wird die Freude darüber ganz von selbst in uns aufkommen.
Jeden Tag praktizieren wir, zum gegenwärtigen Moment und zu uns selbst zurückzukehren, wir sind wach und präsent, wir erkennen und wertschätzen die Dinge, die wir gegenwärtig haben. Auf diese Weise werden wir mit Sicherheit viel Freude und Glück erleben.
In der Dankbarkeit für jeden Moment
Finden wir das vollkommene Glück..
Mit wachem Geist, das Leben berührend
Verweilen wir im Hier und Jetzt.
Wenn wir wirklich in unserem Leben präsent sind, dann leben wir in Dankbarkeit. Es gibt nichts, was wir tun, das sich unserer Dankbarkeit dem Leben gegenüber entziehen kann. Die Luft, die wir atmen, ruft Dankbarkeit gegenüber den Pflanzen hervor. Sie geben täglich eine riesige Menge Sauerstoff in die Luft ab. Der Reis oder das Brot, das wir täglich essen, enthält die Mühe von zahlreichen Menschen, die hart auf dem Feld arbeiten. Wir wissen, wie viele Schweißperlen auf das Feld getropft sind, damit wir heute unsere Schüssel Reis essen können. Die Kleidung, die wir tragen, kann uns an all die Menschen erinnern, die sie für uns gestrickt und genäht haben.
Wir sind dankbar dafür, dass wir einen lebendigen Körper haben. Unsere Eltern haben ihn uns geschenkt. Unsere Mutter hat uns neun Monate und zehn Tage in sich getragen und hatte während dieser Zeit große Mühe beim Stehen. Sie hat uns unter starken Schmerzen und Anstrengungen zur Welt gebracht. Nachdem wir geboren waren, mussten unsere Eltern uns großziehen, bis wir erwachsen wurden. Unsere Dankbarkeit gegenüber unseren Eltern ist so groß, dass wir sie nicht in Worte fassen können.
Die Gesellschaft hat uns eine gute Bildung ermöglicht, sodass wir eine höhere Lebensqualität haben als andere Tierarten. Die Zivilisation hat uns größtmöglichen Komfort und materiellen Luxus verschafft. Wir brauchen nur den Wasserhahn aufzudrehen, und schon erhalten wir Wasser, das wir benutzen können. Wir brauchen dafür nicht zum Brunnen zu gehen und das Wasser von dort bis nach Hause zu tragen. Wenn wir Licht brauchen, müssen wir dafür nur auf den Lichtschalter drücken. Es gibt noch viele weitere Annehmlichkeiten, die wir durch die Errungenschaften der Wissenschaft geschenkt bekommen haben.
Wir sind in diesem Leben erschienen, auf diesem hübschen, frischen Planeten namens Erde. Wenn wir sterben, wird die liebende Mutter Erde uns wieder aufnehmen. Die Erde hat uns zum Leben gebracht, sie nährt uns und sie beschützt uns. Solange wir leben, schenkt sie uns zahlreiche Nahrungsmittel, die wir als Kind zum Wachsen benötigten und die uns jetzt am Leben erhalten. Wir tragen sehr viel Dankbarkeit der Mutter Erde gegenüber in unseren Herzen. Aber es gibt auch eine Reihe von uns, die die Erde mit Nuklearwaffen verletzen, oder die die Ökosysteme auf der Erde vernichten, um die Bodenschätze bis auf den Rest aufzubrauchen und damit die Mutter Erde auszubeuten.
Wenn wir das Leben mit den Augen der Barmherzigkeit und Dankbarkeitbetrachten, werden wir sehen, dass wir zahlreiche Fehler gemacht haben, indem wir uns selbst und anderen Wesen Schaden zugefügt haben. Wenn wir das Leben mit dankbaren Augen ansehen, erkennen wir, dass wir nur rechtschaffen leben können, indem wir uns vollkommen dem Dienen aller Wesen hingeben. Nur wenn wir dieses rechtschaffene Leben verwirklichen, können wir uns dem Leben gegenüber zumindest teilweise erkenntlich zeigen angesichts der vielen Gaben, die wir vom Leben erhalten.
Meditation zu praktizieren bedeutet, im Leben gegenwärtig zu sein. Aber das Leben besteht zu einem Großteil nicht aus großartigen, übersinnlichen oder mystischen Erfahrungen. Das Leben findet sich gerade in den einfachen, ganz normalen Dingen, die uns umgeben. Leben bedeutet Gehen, Stehen, Liegen, Sitzen, Arbeiten, Schlafen, Ausruhen… Leben bedeutet Kommunizieren, Lieben und Teilen. Das Leben beinhaltet Trauer und Freude, Glück und Leid. Leben bedeutet Sein und Nicht-sein, Bekommen und Verlieren. Das Leben besteht aus dem Gegenüber von zwei Seiten, zwei Gesichtern einer Wirklichkeit.
Es scheint so, als ob die zwei Seiten des Lebens Gegensätze bildeten, aber wenn wir wirklich präsent sein können in beiden Seiten des Lebens, wenn wir sie weder festzuhalten noch wegzuschieben versuchen, dann werden wir die wahre Natur der Dinge erkennen können. Dann können wir die erleuchtenden Lektionen lernen, die das Leben uns in jedem Moment zu bieten hat.
Wenn wir die Dinge weder festzuhalten noch wegzuschieben versuchen, dann fließen wir mit dem Strom des Lebens. Wir werden nicht mehr in den drei vergiftenden Geisteszuständen gefangen genommen. Diese drei vergiftenden Geisteszustände sind Gier, Hass und Verblendung. Wenn wir alle gegenwärtigen Phänomene bewusst anschauen, dann erlangen wir klare Einsicht. Diese Einsicht kann die Energie der Gier und der Verblendung transformieren. Wenn Gier in unserem Geist aufkommt, dann haben wir die Tendenz, dies leugnen zu wollen. Wenn wir die Dinge nicht länger festhalten und auch nicht vermeiden, dann werden wir die Geisteszustände der Gier und des Hasses transformieren können. Wenn die Energien der Gier, des Hasses und der Verblendung schrumpfen, dann werden unser Mitgefühl und unsere Weisheit wachsen. Menschen, die viel Mitgefühl und Weisheit haben, sind mit Sicherheit glücklich.
Wenn wir zum gegenwärtigen Moment zurückkehren und die Dinge, die gerade geschehen, bewusst wahrnehmen, dann praktizieren wir in diesem Moment Meditation.
Eine schwierige Meditation ist keine echte Meditation.
Sei achtsam beim Stehen und Gehen,
Halte nichts fest und schiebe nichts weg!
So brauchst du vor nichts mehr zu fliehen.
Wenn wir bereits in der Lage sind, alle Phänomene achtsam und bewusst wahrzunehmen, dann werden wir den Strom von Geburt und Tod erkennen. Wir werden die Wandlungsprozesse in unserem Körper, in unseren Empfindungen und in unseren Geistesformationen erkennen und wir werden sehen, wie sie in unserem Bewusstsein erscheinen und wieder verschwinden. Wir werden den kontinuierlichen Wandel der Dinge sehen. Wir werden ganz bewusst beobachten, wie unsere Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist in Berührung kommen mit den sechs Arten von Sinnesobjekten, welche da sind Form, Klang, Geruch, Geschmack, Berührbares und Geistesobjekte.
Genau inmitten der Dinge, die sich da ständig ändern, die in jedem Moment sterben und neu geboren werden, erkennen wir noch etwas anderes, etwas, das nicht geboren wird und nicht stirbt. Dieses Etwas bildet die Grundlage für alles Geboren-werden und Sterben, für alles Kommen und Gehen in den Fünf Skandhas [Anmerkung der Übersetzerin: Die Fünf Skandhas sind Körper, Gefühle, Wahrnehmungen, Geistesformationen und Bewusstsein. Sie sind die Bestandteile unseres „Selbst“, welches jedoch eine Illusion ist]. Genau dieses Etwas, das nicht geboren wird und nicht stirbt, das jedoch jederzeit genau weiß, was gerade passiert, ist in jedem von uns verfügbar. Es ist unser „Wahres Selbst“. Sterben geschieht, weil Geburt geschieht. Unser wahres Selbst wurde jedoch niemals geboren – demzufolge kann es auch nicht sterben. Wenn wir dieses unsterbliche Selbst in uns erkennen, dann sind Geburt und Tod im Leben und in unseren Fünf Skandhas nur noch Objekte unserer Wahrnehmung, die wir beobachten wie alle anderen Phänomene auch. Wenn wir hier angelangt sind, dann haben wir die Quelle der Glückseligkeit und des Friedens in unserem Inneren gefunden. Wir sind ganz ruhig und still, und gleichzeitig strahlen wir beständig einen tiefen Frieden aus. Wir sind ganz still, doch wir können alle Dinge ganz klar erkennen. Wir schauen stets hin, wir wissen, was geschieht, und wir lassen das, was wir gesehen haben, sofort wieder los. Wir lassen es los, doch in Wirklichkeit müssen wir gar nicht loslassen, denn die Phänomene haben tatsächlich noch nie an etwas gehaftet, und sie wurden auch niemals an einem bestimmten Ort festgehalten. Stattdessen weilen alle Phänomene stets in sich selbst, vollkommen präsent, vollkommen rein.
Wir brauchen nur die unsterbliche Person in unserem Inneren zu erkennen, dann werden wir immer glückselig und friedlich verweilen im Angesicht des Kommens und Gehens, im Angesicht der Geburt und des Todes der Fünf Skandhas.
Wenn immer man im Geist erwägt
Der Daseinsgruppen Auf- und Untergang,
Erlangt Verzücken man und Glück:
Der Kenner nennt‘s das todlos‘ Reich.
Dhammapada - Vers 374
Wir können die Last unserer Sorgen und unseres Grams sofort hier und jetzt loslassen!
In unserem täglichen Leben gibt es viele Hürden, wir müssen uns oft sehr anstrengen und wir sind sehr beschäftigt. Wir haben nicht die Zeit, still zu sein und mit uns selbst in Berührung zu kommen, um unser wahres Selbst wiedererkennen zu können. Wir haben unser ganzes Denken und unsere Kraft in scheinbar nutzlose Dinge investiert.
Oftmals bereuen wir Dinge, die wir in der Vergangenheit getan haben und machen uns Sorgen um das, was in der Zukunft kommen könnte. Aber was vergangen ist, ist schon vorbei, und was in der Zukunft passieren wird, ist ungewiss. Trotzdem lassen wir uns von diesen Sorgen davontragen, wir bedauern Dinge aus der Vergangenheit, wir leiden unter körperlichen oder emotionalen Schmerzen im gegenwärtigen Moment, oder wir beschäftigen uns mit unseren Projekten und Sorgen über die Zukunft. Auf diese Weise verpassen wir den wunderbaren, kostbaren gegenwärtigen Moment. Wir verpassen das Leben.
Wir verpassen das Leben, weil wir nicht im gegenwärtigen Moment verweilen. Das Leben ist nur im gegenwärtigen Moment verfügbar, im Hier und Jetzt. Das Leben ist gegenwärtig in genau diesem Moment, während du diese Zeilen liest, bei vollem Bewusstsein, mit gesammeltem Geist. Wenn wir zum Leben zurückkehren, dann kehren wir zurück zu unserem wahren Selbst, zu unserem präsenten Ich, das niemals zerstreut ist, sondern stets gesammelt im gegenwärtigen Moment verweilt.