Dark Land 40 - Horror-Serie - Logan Dee - E-Book

Dark Land 40 - Horror-Serie E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

"Ich bin entzückt, meine Liebe, dass Sie heute Abend meiner Einladung gefolgt sind, Matilda. Oder darf ich Sie Tilda nennen?"
Die Frau, die von den Pflegern im Rollstuhl an den mit Champagner und Kaviar gedeckten Tisch geschoben worden war, starrte mit leeren Augen in eine imaginäre Ferne. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln. Das Lächeln war immer da. Die spezielle Elektroschockbehandlung schien Früchte zu tragen. Dr. Shelley beglückwünschte sich insgeheim selbst zu seinem Erfolg.
"Heute ist ein besonderer Abend", versprach er. "Heute werde ich Sie einer völlig neuen Therapiemethode unterziehen. Sie ist mit sehr viel Schmerzen verbunden ... Ein Glas Champagner, Gnädigste?"
Und Lady Matilda ahnte nicht, dass das Dead End Asylum für sie zum nicht enden wollenden Albtraum werden sollte ...

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EPUB

Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Nächte des Wahnsinns

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: breakermaximus / iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6472-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Was bisher geschah

Die Hauptpersonen dieses Romans sind:

Wynn Blakeston: Gestrandeter aus einer anderen Dimension

Abby Baldwin: Wynns beste Freundin

Dr. Shelley: Leiter des Dead End Asylum

Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.

Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.

Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …

In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.

Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.

Als Wynn wegen eines unglücklichen Zwischenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, zahlt der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy das Bußgeld und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.

Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt.

Was Wynn nicht ahnt: Auch sein geheimnisvoller Gönner hat noch eine Rechnung mit dem Dämon Norek offen. Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, liefert er den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt den Kraak in seinem Sanatorium ein.

Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.

Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit der Hilfe von Abby, die inzwischen herausgefunden hat, dass ihre verstorbene Mutter Matilda Fitzroy eine Hexe war, hat er einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.

Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …

So gelingt es ihm, TC von dem so genannten »Richter« zu befreien, einem riesigen, schlangenartigen Wesen, das TC in regelmäßigen Abständen mit seinen Jägern heimgesucht hat.

Bei seiner Vernichtung warnt der Richter Wynn vor einer drohenden Gefahr, und Wynn fragt sich, ob das etwas mit dem geheimnisvollen weißen Schiff zu tun hat, das vor einiger Zeit wie aus dem Nichts im Hafen aufgetaucht ist und auf dem immer wieder Bewohner der Stadt spurlos verschwinden.

Kurz darauf bricht der Winter über TC herein – was in dieser Stadt sehr ungewöhnlich ist, die meisten Bewohner haben noch nie Schnee gesehen. Und tatsächlich bringt das Schneechaos eine Seuche mit sich, der auch Abby zum Opfer fällt. Gerade noch rechtzeitig gelingt es Wynn & Co., Abby zu retten und ein Gegenmittel aufzutreiben.

Doch damit ist die Gefahr für TC noch lange nicht gebannt. Die Dämonen des Weißen Schiffs stellen eine unbestimmte Bedrohung für die Stadt dar. Und schließlich gelingt es Wynn und Abby, was kein Bewohner von TC zuvor geschafft hat: Sie verlassen die Stadt und gelangen in die Welt, aus der das geheimnisvolle Schiff stammt.

Und auch Bella und Kajahn haben einen Weg raus aus TC gefunden. Nachdem die fünf Dämonen das Weiße Schiff verlassen haben, machen die beiden sich auf den Weg zu dem sagenumwobenen Ort Sgoth, um dort das Geheimnis der Dämonen zu lüften. Sie ahnen nicht, welchen Gefahren sie sich dort aussetzen …

Und auch Wynn und Abby geraten in der fremden Welt in Schwierigkeiten. Doch das Schlimmste erwartet sie erst nach ihrer Rückkehr nach Twilight City …

Nächte des Wahnsinns

von Logan Dee

Abby war in den Wald gelaufen und irgendwo zwischen den Bäumen verschwunden. Der Nebel war wieder dichter geworden. Wynn lief ihr nach, verlor sie aber aus den Augen.

»Abby! Verdammt! Wo willst du denn hin?«

Nur so etwas wie ein Echo antwortete ihm. Er blieb stehen, lauschte, in der Hoffnung, von irgendwoher Abbys Schritte zu hören.

Stattdessen hörte er etwas anderes. Ein Wispern, das wie eine leichte Brise in der Luft hing. Ein Raunen, das nicht von dieser Welt zu sein schien, ihn aber dennoch nicht ängstigte. Im Gegenteil, es zog ihn an, lockte ihn immer tiefer in den Wald hinein …

Der Nebel legte sich wie ein Mantel um ihn, wie ein schützendes Wattegespinst. Es war eine andere Art von Nebel als der, den er kannte. Er war greifbarer, fühlbarer, und je weniger er sich dagegen wehrte, dass er ihn umfing, desto angenehmer empfand er diese Berührung. Fast hatte sie etwas Zärtliches an sich.

Die Schwaden waren in ständiger Bewegung, wie weißer Rauch, der aus verborgenen Erdspalten quoll. Das Wispern drang unvermindert an seine Ohren. Obwohl er die Sprache nicht verstand, begriff er die Bedeutung der einzelnen Worte. Mehrmals glaubte er, seinen Namen herauszuhören.

Das geisterhafte Flüstern lotste ihn. Es führte ihn in eine ganz bestimmte Richtung.

Und plötzlich sah er Abby wieder vor sich. Sie lief, aber ihre Bewegungen erinnerten ihn nicht mehr an eine Flucht. Eher an ein Kind, das im Spiel vor einem anderen Kind davonläuft. Einmal hüpfte sie sogar, und er hatte den Eindruck, dass sie dabei mehrere Zentimeter über dem Boden schwebte.

»Abby!«

Nach wie vor ignorierte sie ihn, also blieb ihm nichts anderes übrig, als seine letzten Kräfte zu aktivieren, um sie endlich einzuholen.

Seine größte Angst war, sie wieder zu verlieren.

Eine Gestalt schälte sich aus dem Nebel.

Er stoppte mitten im Lauf, atmete aber erleichtert auf, als er sah, dass es sich erneut um die uralte Circe handelte. Noch immer konnte er nicht erkennen, ob sie auf dem Boden stand oder darüber hinwegschwebte. Die sie umgebenden Nebelschleier verbargen den unteren Teil ihres Mantelsaums.

»Du musst schneller laufen«, rief die Hexe. »Sonst wird Abby allein nach Hause zurückkehren!«

Nach Hause … Wie vertraut und doch so falsch sich das anhörte. Mit nach Hause meinte sie Twilight City, doch wieder einmal wurde ihm bewusst, dass sein eigentliches Zuhause ganz woanders lag.

Trotzdem lief er weiter. Nur noch wenige Meter trennten ihn von Abby, als sich der Nebel plötzlich zurückzog und einer allumfassenden Finsternis Platz machte.

»Abby!« Er konnte sie nicht mehr sehen! Die Angst, sie nun verloren zu haben, machte sich in einem verzweifelten Schrei bemerkbar.

Jemand fasste nach seiner Hand.

»Abby!«

»Es ist alles gut!«, flüsterte sie. »Meine Schwestern leiten mich …«

Er erwiderte ihren Händedruck, umkrampfte ihre Finger aus Angst, sie könnte ihm wieder davonlaufen.

Wie blind ließ er sich von ihr führen. Sie schien genau zu wissen, welche Richtung sie einschlagen mussten.

Um nach Hause zu kommen.

Er wusste nicht mehr, wie lange sie so durch die Dunkelheit marschiert waren. Doch plötzlich wurde ihm schwindelig. Er taumelte. Die Luft wurde knapp, sodass er zu ersticken glaubte.

»Halt durch! Wir sind gleich da!«, beschwor ihn Abby.

Gleich da.

Gleich da …

Wie ein Echo hallten ihre Worte in seinem Kopf nach. Dann schlugen die Wogen der Dunkelheit endgültig über ihm zusammen.

Als er wieder zu sich kam, lag er neben Abby, die im Begriff war, sich aufzusetzen.

»W … wo sind wir?«, fragte Wynn verwirrt. »Was ist … passiert?« Die Regenschleier machten es ihm im ersten Moment unmöglich, die Umgebung zu erkennen. Aber er spürte, dass es eine andere war als zuvor.

»Ich würde sagen: Wir sind wieder zu Hause«, antwortete Abby.

In ihren Worten schwang nur wenig Freude mit.

Dann begriff auch er, wo sie waren: Sie befanden sich in einem Park. Die Umgebung kam ihm nun vertraut vor.

»Hey, wir sind in Morland Heights gelandet!«, sagte er erstaunt.

»So ist es«, entgegnete Abby.

»Du … du bist fortgelaufen! Du hast gesagt, du könntest dich wieder erinnern! An was, Abby?«

Sie legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Ich … ich weiß es nicht mehr! Ich habe es vergessen!«

»Du hast gesagt, du müsstest zurück nach Morland Heights. Zu deinem Vater!«

»Ich … ich weiß es nicht!« Sie sah ihn verzweifelt an. »Ich weiß, dass da was war! Dass ich etwas erfahren habe. Etwas Schlimmes! Und es hatte mit meinem Vater zu tun!«

»Hast du … alles vergessen?«

»Nein, natürlich nicht. Ich weiß noch alles, auch was mir die Circe erzählt hat. Jedenfalls das meiste. Aber dann …«

»Dann war das andere auch nicht wichtig«, versuchte er sie zu trösten, und sie beide wussten, dass er log. »Wichtig ist, dass wir endlich wieder zu Hause sind. Und das haben wir deinen Hexenschwestern zu verdanken!«

***

Als Wynn die Essküche betrat, herrschte Schweigen.

Seit ihrer plötzlichen Rückkehr nach Twilight City hatte er das Gefühl, dass etwas in der Luft lag. Etwas, das sich wie ein drohendes Gewitter über seinem Kopf zusammenballte.

Baldwin House selbst hatte sich nicht verändert. Aber die Atmosphäre war eine andere. Sie war eisiger geworden. Weder Sir Roger noch Esrath hatten ihn auf sein Verschwinden und seine anschließende Odyssee angesprochen. Außer einem Klaps auf die Schulter und einem »Schön, dass du wieder hierher zurückgefunden hast, Junge«, hatte es da kein großes Willkommens-Tamtam gegeben.

Sie hatten ihn ausgeschlossen. Denn umso größer war die Wiedersehensfreude gewesen, was Abby anbelangte. Sir Roger hatte sie empfangen, als wäre sie von den Toten auferstanden. Und auch Esrath war kaum wiederzuerkennen. Er, der mit stoischer Gelassenheit seine Dienerpflichten verrichtete und ansonsten stets jede Emotion unterdrückte, zeigte seine Erleichterung und seine Freude völlig ungebremst, und als Abby ihn umarmte, brachen völlig alle Dämme.

Wynn kam sich wie ein dummer Junge vor, wie ein Esel, den man einfach stehen lässt, als sich kurz darauf Abby und ihr Vater zu einem mehrstündigen Gespräch zurückzogen.

Seitdem war alles anders. Und das Grollen, das in der Luft lag, wurde mit jedem Tag stärker und unüberhörbarer.

***

Es regnete. Es regnete schon seit ihrer Ankunft. Und es regnete auch jetzt, als Wynn die Küche betrat. Der Morgengruß stockte ihm allerdings auf den Lippen, als er Abbys abweisende Miene sah, und auch Sir Roger blickte nicht von seiner Zeitung auf. Er versteckte sich geradezu dahinter, so als wolle er ihm signalisieren, dass er keine Lust hatte, mit ihm zu reden.

Wynn verstand den Hinweis und schwieg ebenfalls.

Er setzte sich auf seinen Platz und wartete, dass Esrath, der stumm und reglos neben dem riesigen Herd stand, ihm wie jeden Morgen den Kaffee eingoss.

Doch diesmal wartete er vergebens. Esrath wandte sich um, drehte ihm den Rücken zu und begann damit, den Herd zu putzen.

Ich verstehe, dachte Wynn. Scheint so, als wäre ich hier unerwünscht. Allerdings hatte er noch immer keinen Schimmer, warum das so war.

Und was noch viel wichtiger war: ob dies so bleiben würde. Er hatte nämlich keine Lust, sich dem noch sehr viel länger auszusetzen.

Er stand auf, ging zum Herd und nahm die Kaffeekanne in die Hand. Dann kehrte er zum Tisch zurück und schüttete sich selbst eine Tasse ein.

Es bedeutete für ihn kein Problem, sich selbst zu bedienen. Im Gegenteil, es war ihm immer ein bisschen unangenehm gewesen, von Esrath alles vorgesetzt zu bekommen. Schließlich hatte er in seinem ganzen Leben auf einen Diener gut verzichten können. Eine Tatsache, die ihn sogar ein bisschen sich über Abby und Sir Roger erheben ließ, da sie anscheinend nicht ohne Butler auskamen. Obwohl – das wusste er natürlich – der Naturalis viel mehr war als ein gewöhnlicher Butler. Er war gleichzeitig Kindermädchen, Bodyguard, Hausmeister, Koch, Chauffeur, Alleswisser und – was ihn, Wynn, betraf – Lebensretter.

Ohne Esrath würde er gar nicht hier sitzen und frühstücken. Der Naturalis hatte ihn seinerzeit ins Leben zurückgeholt, und seitdem war er Gast in Baldwin House. Sir Roger hatte ihn wie einen lange vermissten Verwandten aufgenommen und ihm ein neues Zuhause geboten.

Ja, er fühlte sich hier zu Hause.

Und das machte die Abweisung, die er seit seiner Wiederkehr erfuhr, umso schmerzlicher für ihn. Aber gut, er würde – er musste – damit zurechtkommen. Es einfach runterschlucken.

Wie den Kaffee.

Der brühend heiß war, und an dem er sich fluchend die Zunge verbrannte.

Während Abby nur den Kopf schüttelte, senkte Sir Roger tatsächlich die Zeitung und sagte belehrend: »Manchmal tut es not, nicht zu voreilig zu sein, mein Junge.«

»Ich bin nicht dein Junge! Wie oft soll ich dir das noch erklären?« Er hatte sich vorgenommen, sich nicht provozieren zu lassen, aber nun musste es einfach heraus.

»Das mag sein«, antwortete Sir Roger. »Ich glaube, ich habe mich wirklich in dir getäuscht.«

»Ah, und wieso? Was dachtest du, wer ich bin? Irgendein schießwütiger Kerl, der für dich die Kastanien aus dem Feuer holt?«

»Ich hatte eine andere Hoffnung. Du warst für mich der Mann mit den Silberkugeln …«

»Und was heißt das?«

»Ach, nur eine alte Legende. Ich habe mich geirrt, wie gesagt. Seit du hier bist, hast du nur Ärger verursacht.«

»Ich? Ich … habe …« Wynn konnte es nicht fassen. »Du machst tatsächlich mich für all das verantwortlich?« Er wies zum Fenster und nach draußen: »Den Schnee, den Nebel, jetzt dieser Regen. Das ganze Chaos …«

Aber für Sir Roger war die Unterredung bereits wieder beendet. Und als Wynn sah, dass der Hausherr sich erneut hinter seiner Zeitung versteckte, wäre er ihm am liebsten an den Hals gesprungen.

Aber er begnügte sich damit, die Fäuste zu ballen, aufzuspringen und auf dem schnellsten Wege Baldwin House zu verlassen.

Mit dem festen Willen, sich in der nächsten Zeit nach einer neuen Bleibe umzusehen.

***

Abby schreckte schweißgebadet aus dem Albtraum hoch.

Wir warten auf dich …

 … dich …

dich …

Noch immer klangen ihr die letzten Worte der Hexe im Ohr.

Diesmal war es ein Traum gewesen. Aber vor wenigen Tagen erst hatte ihr die Circe in dem nebelverhangenen Wald diese Aufforderung zugeraunt. Und sie hatte ihr noch mehr erzählt:

Wir mussten dich retten, bevor die Weißen Herrscher dich in die Finger bekommen konnten. Sie sind gefährlich, selbst für uns. Wir konnten nicht riskieren, dass dir etwas geschieht. Die fünf Dämonen sind dabei, ganz Twilight City zu zerstören. Bald werden sie auch ihre Arme nach Deepmoor ausstrecken. Dann werden wir uns wieder dorthin zurückziehen und für den letzten Kampf wappnen. Wir wussten schon lange, welche Gefahr von dem Weißen Schiff ausging, doch wir konnten nichts tun. Vielleicht wollten wir es auch nicht. Die Bewohner von Twilight City, insbesondere die Mächtigen der Stadt, hatten eine Strafe verdient. Allein schon dafür, dass sie uns bis nach Witchmoor vertrieben haben. Und dass sie dich uns weggenommen haben.

»Weggenommen …?«, hatte Abby gefragt. Die Circe hatte ihr die konkrete Antwort auf ihre Frage verweigert.

»Das ist eine andere Geschichte, mein Kind. Wir werden uns wieder in unser Reich zurückziehen, um uns auf den Kampf vorzubereiten. Du musst jetzt deinen eigenen Weg finden, Abby. Wir warten auf dich.«

Doch im Gegensatz zu der Wirklichkeit, in der sie und Wynn wieder zurück nach Twilight City gelangt waren, hatte sich der Albtraum anders entwickelt. Die Circe hatte sich in eine Horrorgestalt verwandelt. Das Gesicht war zu einer fürchterlichen Fratze geworden – mit blutunterlaufenen Augen und langen Zähnen. Dann hatte die Kreatur die Klauen nach ihr ausgestreckt. Doch kurz bevor die spitzen scharfen Krallen sie erreicht hatten, hatte sich die Hexe in Luft aufgelöst. Und ihre letzten Worte hatten eher wie eine Drohung geklungen …

Abby entzündete eine Kerze, die auf dem Nachtschränkchen neben ihrem Bett stand …

… und zuckte zusammen, als sie die schwarz verschleierte Frau sah, die plötzlich im Zimmer stand. Nur mit Mühe unterdrückte sie einen Schrei.

Denn sie erkannte plötzlich, wer es war, auch wenn das Gesicht verborgen war.

»Mutter!«, flüsterte sie.

In diesem Moment verlosch die Kerze und tauchte das Zimmer erneut in Dunkelheit.

***

Draußen empfing ihn ein wahres Unwetter. Trotz seines Regenmantels hatte er das Gefühl, bereits nach ein paar Metern völlig durchnässt zu sein. Ein kalter Wind schlug ihm die Nässe ins Gesicht.

»Wynn!«

Als er sich umwandte, sah er Abby. Sie war ihm nachgelaufen. Zitternd vor Kälte stand sie auf den Stufen vor der Eingangspforte.

»Was willst du?«, fragte Wynn.

»Du kommst doch wieder, oder?«