Das 80/20-Prinzip - Richard Koch - E-Book

Das 80/20-Prinzip E-Book

Richard Koch

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Beschreibung

Es gibt kaum eine Regel, die eine so umfassende Gültigkeit hat wie Das 80/20-Prinzip. Es besagt, dass 80 Prozent des Erfolgs auf 20 Prozent der eingesetzten Mittel zurückgehen – und das trifft selbst auf außerwirtschaftliche Bereiche zu. Richard Koch zeigt in diesem Standardwerk, mit einem neuen Vorwort des Autors in der 4. Auflage, dass Das 80/20-Prinzip auf alle Bereiche des Geschäftslebens anwendbar ist, und erklärt, wie das Prinzip die unternehmerische Effizienz um ein Vielfaches steigern kann.

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Seitenzahl: 396

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Richard Koch
Das 80/20-Prinzip
Mehr Erfolg mit weniger Aufwand
Aus dem Englischen von Friedrich Mader und Birgit Schöbitz
Campus Verlag Frankfurt/New York
Für Lee
Über das Buch
Mit geringem Einsatz maximale Ergebnisse erzielen – wer möchte das nicht? Wie es möglich ist, zeigt dieses Buch. Das 80/20-Prinzip ist eine umfassende Anleitung zur Steigerung der professionellen und privaten Effektivität. Es ist ein unerlässlicher Leitfaden für Unternehmen und Manager und zugleich ein unverzichtbarer Begleiter auf dem Weg zu einem erfüllten und erfolgreichen Leben. Die komplett aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des Klassikers!
Über den Autor
Richard Koch ist erfolgreicher Unternehmer, Investor und Strategieberater. Er war u.a. Partner bei Bain & Company. Koch machte das 80/20-Prinzip über die Wirtschaft hinaus bekannt.
Lange Zeit stand das Paretogesetz [das 80/20-Prinzip] wie ein erratischer Block in der Welt der Wirtschaft: ein empirisches Gesetz, das niemand erklären kann.Josef Steindl
Gott würfelt mit dem Universum. Doch sind die Würfel präpariert. Und das Hauptziel … ist heute, herauszufinden, nach welchen Regeln sie präpariert worden sind und wie wir sie für unsere eigenen Zwecke benutzen können.Joseph Ford
Wir können nicht mit Gewissheit sagen, zu welchen Höhen sich die menschliche Gattung aufschwingen wird … Wir können uns jedoch mit der angenehmen Schlussfolgerung beruhigen, dass jedes Zeitalter den Reichtum, das Glück, das Wissen und vielleicht auch die Tugend der Menschheit vermehrt hat und dies auch in Zukunft nicht anders sein wird.Edward Gibbon

Inhalt

Vorwort zur neuen Ausgabe
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Teil I Einleitung
1  Willkommen zum 80/20-Prinzip
2  80/20 denken
Teil II Unternehmenserfolg muss kein Zufall sein
3  Der heimliche Kult
4  Fehler in der Strategie
5  Je einfacher, desto besser
6  Die richtigen Kunden finden
7  Die zehn wichtigsten geschäftlichen Anwendungsbereiche des 80/20-Prinzips
8  Erfolg durch die »wenigen Wesentlichen«
Teil III Weniger arbeiten, mehr verdienen und Spaß haben
9  Frei sein
10  Die Zeitrevolution
11  Sie bekommen, was Sie erwarten
12  Mit freundlicher Unterstützung
13  Intelligent und faul
14  Geld regiert die Welt
15  Die sieben Glücksgewohnheiten
Teil IV Neue Erkenntnisse: Das alten Prinzip neu entdeckt
16  Die zwei Dimensionen des 80/20-Prinzips
Anmerkungen
Register

Vorwort zur neuen Ausgabe

Ich schrieb die Erstausgabe 1996 in Südafrika und kam 1997 im sogenannten Sommer nach London, um die Werbetrommel für mein Buch zu rühren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einen Radio- und Fernsehsender nach dem anderen aufsuchte, nur um festzustellen, dass mein Beitrag im letzten Moment abgesetzt worden war. Und selbst wenn ich tatsächlich einmal auf Sendung gehen durfte, schien niemand von den Erkenntnissen eines obskuren italienischen Ökonomen des späten 19. Jahrhunderts hören zu wollen. In einer Talkshow wollte eine berühmte Gesprächspartnerin von mir wissen, was ich denn hier suche, schließlich seien es ja nicht meine Ideen, über die ich spräche. Ich wünschte, ich könnte behaupten, mir wäre spontan die Entgegnung eingefallen, dass auch ein gewisser Jesus bei der Verbreitung seiner Überzeugungen auf seine Jünger und den heiligen Paul angewiesen war, ohne die das christliche Gedankengut vermutlich unbekannt geblieben wäre, doch mir fehlten schlichtweg die Worte.1
Ich kehrte maßlos enttäuscht nach Kapstadt zurück. Und dann geschah ein kleines Wunder: Mein britischer Verleger, der am Umsatz beteiligt und für seinen Pessimismus bekannt war, schickte mir ein Fax (kennen Sie so etwas noch?), in dem es hieß, dass sich das Buch trotz des PR-Fiaskos sehr gut verkaufte. Mittlerweile wurden weltweit über 700 000 Exemplare an den Mann und die Frau gebracht, und das Buch wurde in 24 Sprachen übersetzt.|9|
Mehr als ein Jahrhundert, nachdem Vilfredo Pareto das ungleiche Verhältnis von Ursache und Wirkung entdeckt, und eine Dekade, nachdem ich seine Theorie neu interpretiert hatte, lässt sich nun wohl ohne Einschränkung behaupten, dass das 80/20-Prinzip auch heute noch unverändert gilt. Es gab zahlreiche – überwiegend positive – Reaktionen sowohl von meinen Lesern als auch von den Kritikern. Viele Menschen, wohl mehrere Hunderttausend, fanden mein Buch überaus nützlich und haben es nicht nur im Berufs-, sondern auch im Privatleben erfolgreich eingesetzt – Tendenz steigend.
Das 80/20-Prinzip hat zwei gegensätzliche Dimensionen: Einerseits ist es eine statistische Beobachtung, ein nachgewiesenes Muster – unveränderlich, quantitativ, zuverlässig und aussagekräftig. Wie geschaffen also für all diejenigen, die mehr aus sich und ihrem Leben machen wollen, die besser als ihre Mitmenschen sein wollen. Oder für diejenigen, die den Gewinn steigern und den damit verbundenen Aufwand und die Kosten senken wollen, und denen es vor allem um Effizienz – definiert als Ergebnis minus Aufwand – geht. Wenn wir die seltenen Ausnahmefälle, in denen das Ergebnis im Verhältnis zum Aufwand außergewöhnlich gut ist, herausfinden, können wir bei jeder Aufgabe, die sich uns stellt, unsere Effektivität erheblich steigern. Somit lassen sich unsere Leistungen steigern, während gleichzeitig die Arbeitsbelastung sinkt.
Und dann gibt es noch die andere Dimension des 80/20-Prinzips: ungreifbar, mystisch, unheimlich, ja geradezu magisch, zumindest in der Hinsicht, dass dieses Zahlenverhältnis mit einem Mal überall auftaucht, auch wenn es nicht um Effizienz geht, sondern um sämtliche anderen Aspekte des menschlichen Lebens, die es lebenswert machen. Das Gefühl, dass wir alle auf irgendeine Weise miteinander und mit dem Universum verbunden sind, und dass dafür sogar eine mysteriöse Gesetzmäßigkeit gilt, die wir nur begreifen müssen, um unser Leben ändern zu können, versetzt uns in ehrfürchtiges Staunen.|10|
Rückblickend lässt sich sagen, dass ich in meinem Buch einfach nur das Anwendungsgebiet des 80/20-Prinzips erweitert habe. Vor dem Erscheinen meines Buchs war es in der Geschäftswelt ein bekanntes Instrument zur Effizienzsteigerung, doch soweit ich weiß, hat es vorher noch niemand angewendet, um seine Lebensqualität zu verbessern und seinem Leben mehr Sinn und Tiefe zu verleihen. Erst im Rückblick habe ich den Dualismus dieses Prinzips in vollem Maße erkannt und festgestellt, dass der Spannungsbogen zwischen diesen beiden Dimensionen zwar befremdlich, aber zugleich auch vollkommen ist. Wie ich in dem neuen Kapitel dieses Buchs noch erläutern werde, steht dieser Spannungsbogen für das Yin und Yang des 80/20-Prinzips, für die Dialektik, bei der sich die Gegensätze Effizienzsteigerung und persönliches Lebensglück harmonisch ergänzen. Ersteres bereitet den Boden für ein sinnvolleres und tiefgründigeres Leben, während Letzteres von uns verlangt, dass wir uns über die wenigen Dinge, die in unserem Arbeitsleben, unseren Beziehungen und unseren sämtlichen anderen Aktivitäten von Bedeutung sind, im Klaren sind.
Natürlich stieß meine Neuinterpretation von Paretos Prinzip nicht nur auf Begeisterung. Ich war selbst überrascht zu erfahren, dass man mein Buch anscheinend nur lieben oder hassen kann. So gab es zahlreiche überzeugte Anhänger meiner Theorie, die mir schrieben, dass mein Buch ihr Berufs-, aber auch Privatleben von Grund auf verändert hatte, während andere sich eindeutig davon distanzierten, das 80/20-Prinzip auch auf den privaten Bereich anzuwenden, und aus ihrer mangelnden Zustimmung keinen Hehl machten. Zunächst verstörte mich diese Polarität, doch ich habe gelernt, mich auch über die kritischen Stimmen zu freuen. Schließlich habe ich mich nur ihretwegen noch tiefer mit dem 80/20-Prinzip auseinandergesetzt und bin nun in der glücklichen Lage, seinen Dualismus noch besser zu verstehen. Den Beweis dafür liefere ich Ihnen im letzten Kapitel dieser Neuauflage.|11|

Was ist neu an dieser Ausgabe?

Am besten, ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Weniger ist oft mehr. Aus diesem Grund habe ich das letzte Kapitel der englischsprachigen Erstausgabe ersatzlos gestrichen. Zugegeben, dabei handelte es sich um den missglückten Versuch, das 80/20-Prinzip auf die Gesellschaft und die Politik anzuwenden. Alle anderen Kapitel stießen überwiegend auf positive Kritik und lediglich vereinzelt auf negative Reaktionen, doch das letzte Kapitel wurde von nahezu allen Lesern verrissen. Nun gut, ich habe mich davon getrennt und halte lediglich an einem Satz daraus fest, und zwar dem Appell an alle, die Zügel in die Hand zu nehmen und das Leben neu anzupacken.
Es gibt ein neues letztes Kapitel, »Die zwei Dimensionen des 80/20-Prinzips«. Darin erfahren Sie die Quintessenz aus Buchbesprechungen, Diskussionen, Briefen und E-Mails aus über einem Jahrzehnt. Außerdem habe ich die besten Kritiken aufgegriffen, kategorisiert und analysiert. Ich bin mir sicher, dass damit eine neue Bewusstseinsebene möglich ist und wir einen noch tieferen Einblick in die Kraft des 80/20-Prinzips gewinnen können.
Zu guter Letzt möchte ich mich bei allen bedanken, die ihren Beitrag zu der Diskussion des 80/20-Prinzips geleistet haben, die hoffentlich noch lange Zeit anhalten wird. Mein herzlicher Dank allen! Ebenso wie ich etwas in Ihrem Leben bewegt habe, haben Sie meines verändert. Ich weiß das wirklich zu schätzen.
Richard Koch
Estepona, Spanien, im Februar 2007|12|

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Es erfüllt mich mit besonderer Freude, meinen deutschen Lesern dieses Vorwort schreiben zu können – und das aus vier nur dem Anschein nach unterschiedlichen Gründen:
Erstens habe ich, mein Name wird es Ihnen bereits verraten haben, deutsches Blut in den Adern. Es gibt eine Kochsche Familienbibel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Offensichtlich zog mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater, ein Kürschner aus Hannover, im 18. Jahrhundert in den Süden Englands. Vielleicht erklärt das, weshalb ich so gerne nach Deutschland komme und mich bei Ihnen stets zuhause fühle. Weiter lassen sich unsere deutschen Wurzeln leider nicht zurückverfolgen, was dazu geführt hat, dass mir jeder »Koch« eine Cousine, ein Cousin und jeder Deutsche ein entfernter verschollener Verwandter ist.
Zweitens habe ich ein Zuhause in Portugal, wo ich jahrelang gelebt habe und wo ich heute noch drei, vier Monate im Jahr verbringe. Es ist ein Traum von einem Anwesen, das von Deutschen gebaut wurde und das ich von Bernhard Strathmann gekauft habe, einem Herrn aus Hamburg, der seither ein Freund geworden ist.
Es gibt dort drei hübsche Häuser inmitten eines Naturparks en miniature: kleine Wasserläufe, ein Fischteich mit prächtigen Karpfen, Hunde, Katzen, eine Familie von Kittas, die gern in den Bächen badet, Bienenfresser (und eine Unmenge fleißiger Bienen), |13|alle möglichen anderen Arten von Vögeln, Kaninchen, zwei Füchse mit Kindern und sogar ein Pärchen eher scheuer Chamäleons.
Meine Nachbarn sind Deutsche. Ursprünglich handelte es sich um ein riesiges Grundstück, das einer der Nachbarn gekauft hatte, der dann die anderen – alles Freunde aus Hamburg – dazu überreden konnte, auch dort zu bauen. So bekamen wir mit einem Schlag ein fertiges soziales Netz, das ausgehend von unseren deutschen Nachbarn ein großartiges Fähnlein portugiesischer, spanischer und schwedischer Freunde umfasst. Wir sind gerne hier – und wir verdanken das den Deutschen!
Drittens haben sich meine Bücher – vor allem Das 80/20-Prinzip – in Deutschland besonders gut verkauft. Am besten verkaufte es sich in den USA, aber Japan, Korea, Großbritannien und Deutschland folgen dicht auf. Natürlich hoffe ich, dass diese Neuausgabe viele neue Leser zu der Erkenntnis bringt, wie sehr dieses Prinzip uns – bei unserer Arbeit und in unserem Privatleben – eine Hilfe sein kann.
Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass das 80/20-Prinzip gerade in Deutschland so viel Anhänger hat. Es stehen im Wesentlichen zwei Gedanken hinter dem Prinzip – zum einen, dass wir nach Ergebnissen gehen sollen und nicht nach dem Input etwa von Zeit oder Geld; und zum anderen, dass es fast immer ein kleiner Teil von Input oder Ursachen ist, der zum Löwenanteil der Ergebnisse führt. Es ist etwas, was den Deutschen ganz eindeutig liegt. Beweis dafür ist, dass Deutschland mit den höchsten Lebensstandard der Welt hat und das durchschnittlich mit der geringsten Zahl von Arbeitsstunden. Der Erfolg der Deutschen misst sich in der ausgesprochen hohen Produktivität auf der Basis exzellenten Designs und Pionierleistungen im Bereich der Fertigungstechnik. Es ist dies ein Beispiel für mehr Erfolg durch weniger Aufwand – was, wie uns das Prinzip lehrt, immer möglich ist, wenn wir nur kreativ genug sind.
So ist denn mein vierter und letzter Grund für meine Sympathien für die Deutschen der, dass ihr Land ein großartiges Bei|14|spiel für das 80/20-Phänomen ist. Ob Sie das als Deutsche selbst erkennen oder nicht, das Prinzip hat von Natur aus ein Zuhause in Ihrem Land.
Das Prinzip reicht weit über die Welt der Arbeit hinaus. Ich übertreibe keineswegs, wenn ich sage, dass mir Tausende von Menschen gerade dieses Buchs wegen geschrieben haben. Viele von ihnen haben mich wissen lassen, wie sehr es ihnen beruflich geholfen hat – indem es sie dazu ermutigt hat, ein neues Geschäft aufzuziehen, bei dem sich durch weniger mehr machen lässt, oder indem sie sich auf die wenigen Möglichkeiten konzentriert haben, etwas wirklich anderes zu tun.
Die meisten Leute, die mir ihre persönlichen Erfahrungen mit 80/20 anvertrauen, sprechen über die Art, in der das Buch ihrem Leben an sich zugutekam. Es wirkt herrlich befreiend zu erkennen, dass im Grunde nur sehr wenig zählt – aber dass das, was tatsächlich zählt, von ungeheurer Bedeutung ist. Hat man das einmal erkannt, wird unser Leben einfacher, weniger verstellt und reicher – wenigstens ist das der gemeinsame Tenor all derer, die mir schreiben. Wenn Ihnen das Prinzip neu sein sollte, so hoffe ich, dass Sie in erster Linie diese Erkenntnis daraus ziehen und für sich umsetzen.
So sind denn für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, die sie vermutlich Deutsche sind, die Chancen, Nutzen aus diesem Buch zu ziehen, ausgezeichnet. Sie sind wie geschaffen dafür, ihre Freude daran zu haben und den größten Gewinn daraus zu ziehen! Liefern Sie doch bitte den Beweis dafür, dass ich Recht habe! Und wenn Ihnen das Buch hilft, schenken Sie es Ihren Freunden oder Kollegen – und vielleicht verkauft sich es sich dann ja in Deutschland mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Das würde mich wirklich freuen!
Richard Koch
Gibraltar, Dezember 2014 |15||16|
Teil I
Einleitung
Das Universum in Schräglage
Was ist das 80/20-Prinzip denn nun genau? Im Prinzip bedeutet es nichts anderes, als dass es aller Wahrscheinlichkeit nach in jeder beliebigen Menge einige Größen gibt, die einflussreicher sind als andere. Die These lautet, dass 80 Prozent der Ergebnisse oder des Ertrags auf 20 Prozent des Aufwands und in manchen Fällen sogar auf einen noch geringeren Anteil an einflussreichen Faktoren zurückzuführen sind.
Die Umgangssprache ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Sir Isaac Pitman, der Erfinder eines Kurzschriftsystems, hat festgestellt, dass nur etwa 700 geläufige Begriffe rund zwei Drittel unserer Gespräche ausmachen. In all ihren grammatischen Formen werden diese Wörter zu 80 Prozent in der gesprochenen Sprache verwendet. Umgelegt heißt das, dass weniger als 1 Prozent aller Wörter der englischen Sprache (das New Shorter Oxford English Dictionary enthält rund eine halbe Million Wörter) in 80 Prozent aller Gespräche verwendet wird. In diesem Fall würde man von einem 80/1-Prinzip sprechen. Ähnlich ließe sich behaupten, dass in 99 Prozent aller Unterredungen weniger als 20 Prozent der Gesamtheit an Wörtern der englischen Sprache verwendet werden, was einem 99/20-Prinzip entspricht.
Auch in der Kinowelt regiert das 80/20-Prinzip. Einer aktuellen Studie zufolge sind 1,3 Prozent aller Kinofilme für 80 Prozent der Einspielergebnisse verantwortlich, womit wir eigentlich von einem 80/1-Prinzip sprechen können (mehr dazu auf Seite 35).
Das 80/20-Prinzip hat mit Zauberei nichts zu tun. Mitunter liegt das Verhältnis von Wirkung und Ursache eher bei 70 zu 30 und nicht bei 80 zu 20 oder gar 80 zu 1. Es trifft jedoch ganz selten zu, dass 50 Prozent der Ursachen für 50 Prozent |17|der Folgen verantwortlich sind. Wir können mit Sicherheit sagen, dass sich das Universum nicht im Gleichgewicht befindet, da nur einige wenige Dinge eine wirklich bedeutende Rolle spielen.
Wahrhaft effiziente Menschen und Unternehmen verstehen es meisterhaft, die wenigen einflussreichen Kräfte ihrer Welt für sich arbeiten zu lassen.
Wenn Sie wissen möchten, wie das geht, sollten Sie am besten gleich weiterlesen …|18||19||20|

Kapitel 1Willkommen zum 80/20-Prinzip

Lange Zeit stand das Paretogesetz [das 80/20-Prinzip] wie ein erratischer Block in der Welt der Wirtschaft: ein empirisches Gesetz, das niemand erklären kann. Josef Steindl1
Das 80/20-Prinzip kann und sollte im Alltagsleben von allen intelligenten Menschen, von jeder Organisation sowie von jeder sozialen Gruppierung und Gesellschaftsform genutzt werden. Es kann Einzelnen und Gruppen helfen, mit viel weniger Anstrengung viel mehr zu erreichen. Das 80/20-Prinzip kann Effektivität und Glück des Einzelnen steigern. Es kann die Rentabilität von Wirtschaftsunternehmen und die Effektivität jeder Organisation erhöhen. Und es enthält den Schlüssel zur Steigerung von Qualität und Quantität öffentlicher Dienstleistungen bei gleichzeitiger Senkung der Kosten. Das vorliegende Buch, das erste überhaupt über das 80/20-Prinzip2, ist in der tiefen, durch private und geschäftliche Erfahrungen gestärkten Überzeugung geschrieben, dass dieses Prinzip einer der besten Ansätze ist, mit den Belastungen des modernen Lebens umzugehen und sie zu meistern.

Was ist das 80/20-Prinzip?

Das 80/20-Prinzip besagt, dass eine Minderheit der Ursachen, des Aufwands oder der Anstrengungen zu einer Mehrheit der Wirkungen, des Ertrags oder der Ergebnisse führt. Wörtlich genommen bedeutet dies also, dass 80 Prozent dessen, was Sie in Ihrer Arbeit |21|erreichen, auf 20 Prozent der aufgewandten Zeit zurückgeht. In der Praxis sind daher vier Fünftel der Anstrengung – oder zumindest ein großer Teil davon – weitgehend unbedeutend. Das widerspricht natürlich unseren Erwartungen.
Das 80/20-Prinzip stellt eine inhärente Unausgewogenheit zwischen Ursachen und Wirkungen, Aufwand und Ertrag, Anstrengung und Ergebnis fest. Und das 80/20-Verhältnis bietet eine gute Richtschnur für diese Unausgewogenheit: Ein typisches Verteilungsmuster zeigt, dass 80 Prozent des Ertrags von 20 Prozent des Aufwands herrühren, dass 80 Prozent der Wirkungen durch 20 Prozent der Ursachen bedingt sind oder dass 80 Prozent der Ergebnisse auf 20 Prozent der Anstrengungen zurückgehen.
In der Geschäftswelt wird das 80/20-Prinzip durch zahlreiche Beispiele bestätigt. 20 Prozent der Produkte sind in der Regel verantwortlich für 80 Prozent des Umsatzes. Gleiches gilt für 20 Prozent der Kunden. Und zumeist sind es auch 20 Prozent der Produkte oder Kunden, die 80 Prozent der Gewinne eines Unternehmens ausmachen.
Im gesellschaftlichen Bereich verursachen 20 Prozent der Kriminellen 80 Prozent des Gesamtschadens durch Verbrechen. 20 Prozent der Fahrer verschulden 80 Prozent der Unfälle. 20 Prozent der Verheirateten machen zu 80 Prozent die Scheidungsstatistik aus – die 20 Prozent nämlich, die sich ständig wiederverheiraten und scheiden lassen; sie verzerren die Gesamtstatistik und zeichnen damit ein völlig falsches Bild ehelicher Treue. 20 Prozent der Jugendlichen erreichen 80 Prozent der verfügbaren Ausbildungsqualifikationen.
In den eigenen vier Wänden leiden 20 Prozent der Teppichfläche unter 80 Prozent des Verschleißes. 20 Prozent unserer Kleider tragen wir in 80 Prozent unserer Zeit. Und wenn Sie eine Alarmanlage haben, dann gilt, dass 80 Prozent der Fehlalarme durch 20 Prozent der möglichen Ursachen ausgelöst werden.
Auch der Verbrennungsmotor legt Zeugnis von der Gültigkeit |22|des 80/20-Prinzips ab. 80 Prozent der Energie werden während der Verbrennung verschwendet, und nur 20 Prozent tragen zur Fortbewegung bei. Diese 20 Prozent des Kraftaufwands erzeugen 100 Prozent des Ausstoßes.3
[Bild vergrößern]
Abbildung 1: Das 80/20-Prinzip|23|
Paretos Entdeckung: systematische und berechenbare Unausgewogenheit
Die dem 80/20-Prinzip zugrunde liegende Verteilung wurde vor 100 Jahren, 1897, von dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto (1848–1923) entdeckt. Sie hat seither viele Namen erhalten, wie etwa Paretoprinzip, Paretogesetz, 80/20-Regel, Prinzip der geringsten Anstrengung oder Prinzip der Unausgewogenheit. Wir sprechen in diesem Buch ausschließlich vom 80/20-Prinzip. Durch seinen subtilen und untergründigen Einfluss auf zahlreiche wichtige Leistungsträger, vor allem Geschäftsleute, Computerenthusiasten und Qualitätsingenieure der jüngeren Vergangenheit, hat das 80/20-Prinzip zur Gestaltung der modernen Welt beigetragen. Dennoch ist es eines der großen Geheimnisse unserer Zeit geblieben – und selbst der kleine Kreis der Wissenden, die das 80/20-Prinzip kennen und verwenden, nutzt nur einen Bruchteil seines Potenzials aus.
Aber was hat Vilfredo Pareto eigentlich entdeckt? Er beschäftigte sich mit der Verteilung von Reichtum und Einkommen im England des 19. Jahrhunderts. Dabei fand er heraus, dass eine Minderheit über die höchsten Einkommen und Vermögen verfügte. Daran war wahrscheinlich nichts besonders Überraschendes. Aber er stieß auf zwei weitere Tatsachen, die ihm höchst bedeutsam erschienen. Zum einen fand er ein wiederkehrendes mathematisches Verhältnis zwischen dem Anteil von Personen (als Prozentsatz der gesamten relevanten Bevölkerung) und der Höhe des Einkommens oder des Reichtums dieser Gruppe.4 Vereinfacht gesprochen sah der Zusammenhang so aus: Wenn 20 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Reichtums besaßen5, dann ließ sich meist auch feststellen, dass die oberen 10 Prozent der Pyramide 65 Prozent des Reichtums und die 5 Prozent an der Spitze 50 Prozent des Reichtums auf sich vereinigten. Dabei kommt es weniger auf die genaue Prozentverteilung an als auf die Tatsache, dass die Reichtumsverteilung in der Bevölkerung berechenbar unausgewogen war.|24|
Paretos zweite wichtige Entdeckung bestand darin, dass sich dieses Muster der Unausgewogenheit immer wieder bestätigte, wenn er sich mit Daten aus verschiedenen Zeiträumen und Ländern befasste. Ob er sich nun England in früheren Zeiten ansah, oder ob er sich die Daten aus seiner Zeit oder aus der Vergangenheit anderer Länder vornahm, stets fand er das gleiche Muster, das sich mit mathematischer Präzision wiederholte.
Handelte es sich um einen merkwürdigen Zufall oder um eine Entdeckung, die von großer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft war? Würde sich bei der Anwendung auf Datensätze, die nichts mit Reichtum und Einkommen zu tun hatten, die gleiche Gesetzmäßigkeit erweisen? Pareto war ein glänzender Neuerer, denn vor ihm hatte sich noch niemand mit zwei aufeinander bezogenen Datensätzen beschäftigt – in diesem Fall die Verteilung von Einkommen oder Vermögen im Vergleich zur Zahl der Einkommensbezieher oder Vermögenseigentümer – und die jeweiligen Prozentsätze der beiden Datensätze miteinander verglichen. (Heute ist diese Methode weitverbreitet und hat im Geschäftsleben und in der Wirtschaft zu bahnbrechenden Entwicklungen geführt.)
Pareto erkannte zwar die Bedeutung und das breite Anwendungsspektrum seiner Entdeckung, konnte sie jedoch leider nur sehr unzulänglich erklären. Später verlegte er sich auf eine Reihe faszinierender, aber ungereimter soziologischer Theorien, die sich um die Rolle von Eliten drehten und gegen Ende seines Lebens von Mussolinis Faschisten für ihre Zwecke missbraucht wurden. Das 80/20-Prinzip versank eine Generation lang in einen Dornröschenschlaf. Zwar erkannten einige Ökonomen, vor allem in den USA6, seine Bedeutung, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten zwei gänzlich verschiedene Pioniere mit dem 80/20-Prinzip wieder für Aufsehen.
1949: Zipfs Prinzip der geringsten Anstrengung
Einer dieser Pioniere war der Philologieprofessor George K. Zipf in Harvard. 1949 entdeckte Zipf das »Prinzip der geringsten Anstren|25|gung«, das eigentlich eine Wiederentdeckung und Weiterführung des Paretoprinzips darstellte. Zipfs Prinzip besagte, dass Ressourcen (Menschen, Güter, Zeit, Fähigkeiten und alle anderen produktiven Kräfte) eine Anordnung anstreben, die eine Minimierung der Arbeit erlaubt, so dass rund 20–30 Prozent einer Ressource für 70–80 Prozent der auf sie bezogenen Aktivität verantwortlich sind.7
Anhand von Bevölkerungsstatistiken, Büchern, Erkenntnissen aus der Philologie und industriellen Verhaltensweisen wies Professor Zipf die konstante Wiederkehr dieser unausgewogenen Verteilung nach. Zum Beispiel analysierte er alle 1931 in einem 20-Block-Bereich Philadelphias eingegangenen Ehen und zeigte, dass 70 Prozent der Ehen innerhalb eines Radius von 30 Prozent der Entfernung geschlossen wurden.
Mit einem anderen Gesetz sorgte Zipf für die wissenschaftliche Rechtfertigung des unordentlichen Schreibtisches: Je häufiger Dinge gebraucht werden, in desto größerer Nähe befinden sie sich zu ihrem Benutzer. Intelligente Sekretärinnen wissen schon längst, dass häufig benutzte Akten nicht abgelegt werden sollten.
1951: Jurans Gesetz der wenigen Wesentlichen und der Aufstieg Japans
Der zweite Erforscher des 80/20-Prinzips war der 1904 in Rumänien geborene US-Ingenieur Joseph Moses Juran, der große Mann der Qualitätsrevolution von 1950 bis 1990. Er machte das »Paretoprinzip« und die »Regel der wenigen Wesentlichen« praktisch zum Synonym für das Streben nach höchster Produktqualität.
1924 kam Juran als Fertigungsingenieur zu Western Electric, der Fertigungsabteilung von Bell Telephone System. Später machte er sich als einer der ersten Qualitätsberater der Welt selbstständig.
Seine große Leistung bestand in der Anwendung des 80/20-Prinzips und anderer statistischer Methoden, um Qualitätsmängel zu beseitigen und die Zuverlässigkeit und den Wert von Industrie- |26|und Konsumgütern zu verbessern. Jurans bahnbrechendes Quality Control Handbook erschien zum ersten Mal 1951 und pries die Vorzüge des 80/20-Prinzips in den höchsten Tönen:
Der Ökonom Pareto fand heraus, dass der Reichtum genauso ungleichmäßig [wie Jurans Beobachtungen zu Qualitätsmängeln] verteilt ist. Es gibt viele weitere Belege dafür – die Verteilung der Verbrechen bei Kriminellen, die Verteilung von Unfällen bei gefährlichen Vorgängen usw. Paretos Prinzip der ungleichen Verteilung ließ sich sowohl auf die Verteilung des Reichtums als auch auf die Verteilung von Qualitätsausfällen anwenden.8
Keiner der führenden US-Industriellen interessierte sich für Jurans Theorien. 1953 wurde er zu einem Vortrag nach Japan eingeladen und mit offenen Armen aufgenommen. Er verlängerte seinen Aufenthalt, um mit mehreren japanischen Großunternehmen zusammenzuarbeiten. Dabei erreichte er einen fundamentalen Wandel in Wert und Qualität ihrer Konsumgüter. Erst als sich nach 1970 die von der japanischen Industrie ausgehende Bedrohung für die US-Industrie immer deutlicher abzeichnete, wurde Juran auch im Westen ernst genommen. Er kam zurück, um für die amerikanischen Unternehmen das Gleiche zu tun wie für die Japaner. Herzstück dieser weltweiten Qualitätsrevolution war das 80/20-Prinzip.
1960–1990: Fortschritt durch das 80/20-Prinzip
IBM war eines der ersten und erfolgreichsten Unternehmen, die sich das 80/20-Prinzip zunutze machten. Dies erklärt auch, warum die meisten der in den sechziger und siebziger Jahren ausgebildeten Computerspezialisten mit dieser Idee vertraut sind.
1963 entdeckte IBM, dass rund 80 Prozent der Arbeitszeit eines Computers für die Ausführung von 20 Prozent des Befehlscodes verwendet wurden. Das Unternehmen schrieb sofort seine Betriebssoftware um, um die am häufigsten benutzten 20 Prozent möglichst zugänglich und anwenderfreundlich zu gestalten. Die|27|ser Schritt führte dazu, dass die IBM-Computer bei den meisten Anwendungen effizienter und schneller arbeiteten als die Produkte der Konkurrenz.
In der nächsten Generation entwickelten Firmen wie Apple, Lotus und Microsoft den Personalcomputer und die zugehörige Software. Dabei setzten sie das 80/20-Prinzip mit noch größerem Enthusiasmus ein, um preiswertere und benutzerfreundlichere Geräte für eine neue Gruppe von Kunden herzustellen. Dass sich der PC inzwischen als Arbeitsgerät in jedem Haushalt durchgesetzt hat, liegt nicht zuletzt daran, dass man heutzutage kaum mehr als die Grundlagen beherrschen muss: 80 Prozent aller gewünschten Operationen kann jeder Laie ausführen, der nur 20 Prozent der im jeweiligen Programm theoretisch möglichen Befehle kennt.
Die neunziger Jahre und das neue Jahrtausend
Heute, mehr als ein Jahrhundert nach Pareto, äußern sich die Auswirkungen des 80/20-Prinzips in der Kontroverse über die astronomischen, noch ständig weiter steigenden Einkommen von Superstars und einigen wenigen Leuten an der Spitze einer wachsenden Zahl von Berufen. Der Regisseur Steven Spielberg verdiente 2003 200 Millionen Dollar. Der Prozessanwalt Joseph Jamial hatte jahrelang ein so hohes Einkommen, dass sein Vermögen im selben Jahr 1,2 Milliarden Dollar betrug. Andere Regisseure und Anwälte, die »nur« kompetent sind, verdienen dagegen lediglich einen Bruchteil dieser Summen.
Das 20. Jahrhundert hat enorme Anstrengungen zur Angleichung der Einkommen erlebt, aber sobald die Ungleichheit in einem Bereich beseitigt ist, taucht sie an anderer Stelle wieder auf. In den USA stiegen die durchschnittlichen Realeinkommen von 1973 bis 1995 um 36 Prozent, aber die Vergleichszahl für die Arbeiter an der Basis fiel um 14 Prozent. In den achtziger Jahren gingen alle Zuwächse an die oberen 20 Prozent der Verdiener, und unglaubliche 64 Prozent des Gesamtwachstums entfielen auf das |28|oberste 1 Prozent. In den neunziger Jahren stieg in den USA das Verhältnis der privaten Verschuldung zum verfügbaren Nettoeinkommen um nahezu 25 Prozent. Seit Beginn des neuen Jahrtausends, im Jahr 2001, hat die amerikanische Durchschnittsfamilie Schulden, die ihr normales Nettoeinkommen übersteigen. Auch diese Schuldenlast ist ungleichmäßig verteilt – sie ist umso höher, je geringer das Einkommen ist. Die oberen 10 Prozent der Bevölkerung besaßen 2001 mehr als 70 Prozent des Gesamtvermögens. Hingegen entfielen 70 Prozent der privaten Schulden auf die unteren 90 Prozent der Bevölkerung, die zusammen über weniger als 30 Prozent des Gesamtvermögens verfügten. Doch nicht nur in den USA ist diese Verteilung unausgewogen. In Großbritannien veröffentlichte beispielsweise die Bank of England Ende Juni 2003 Zahlen zur privaten Neuverschuldung. Lag diese Mitte der neunziger Jahre noch bei Werten von 2 bis 3 Milliarden Pfund im Monat, sind es inzwischen mehr als 10 Milliarden Pfund monatlich. Während das wirtschaftliche Wachstum in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2003 0,3 Prozent betrug, wächst die private Verschuldung um 14 Prozent per anno. Das Gesamtvolumen beläuft sich auf nahezu 900 Milliarden Pfund. Der durchschnittliche Haushalt in Großbritannien ist deshalb mit 45 000 Pfund, etwa 63 000 Euro verschuldet. Dies entspricht circa 130 Prozent des im Durchschnitt verfügbaren Jahreseinkommens.
Solche Zahlen zeigen, dass das 80/20-Prinzip, das Prinzip der Unausgewogenheit, nicht nur im Guten, sondern auch im Schlechten gilt. Das Prinzip zu verstehen bedeutet aber, es für den persönlichen Erfolg nutzen zu können.

Die Bedeutung des 80/20-Prinzips

Der Grund für die enorme Bedeutung des 80/20-Prinzips liegt darin, dass es der Intuition zuwiderläuft. Wir tendieren zu der Erwartung, dass alle Ursachen ungefähr die gleiche Relevanz be|29|sitzen; dass alle Kunden gleich wertvoll sind; dass jeder Teil des Geschäfts, jedes Produkt und jede Mark des Umsatzerlöses gleich wichtig ist; dass alle Mitarbeiter einer bestimmten Kategorie ungefähr gleichwertig sind; dass jeder Tag, jede Woche oder jedes Jahr für uns das gleiche Gewicht hat; dass all unsere Freunde annähernd gleich wertvoll für uns sind; dass alle Anfragen oder Telefonanrufe gleich behandelt werden sollten; dass eine Universität so gut ist wie die andere; dass alle Probleme eine große Zahl von Ursachen haben und dass es sich deshalb nicht lohnt, zu versuchen, einige Hauptgründe herauszuarbeiten; dass alle Chancen in etwa gleich wertvoll sind, sodass es egal ist, welche wir ergreifen.
Wir neigen zu der Annahme, dass 50 Prozent der Ursachen oder des Aufwands zu 50 Prozent der Wirkungen oder des Ertrags führen. Es scheint eine natürliche, fast demokratische Erwartung vorzuherrschen, dass zwischen Ursachen und Wirkungen in der Regel ein ausgewogenes Verhältnis besteht. Und manchmal trifft dies natürlich auch zu. Aber dieser »50/50-Irrglaube« ist eine unserer unpräzisesten und schädlichsten, aber auch am tiefsten verwurzelten mentalen Prägungen. Das 80/20-Prinzip verweist darauf, dass sich bei der Untersuchung und Analyse von zwei Datensätzen, die sich auf Ursachen und Wirkungen beziehen, mit höchster Wahrscheinlichkeit eine unausgewogene Verteilung zeigen wird. Das Verhältnis kann 65/35 betragen, 70/30, 75/25, 80/20, 95/5, 99,9/0,1 oder jedes andere Zahlenpaar dazwischen. Zu beachten ist dabei jedoch auch, dass die beiden Zahlen in dem Vergleich nicht zusammen 100 ergeben müssen.
Das 80/20-Prinzip besagt auch, dass wir sehr wahrscheinlich überrascht sein werden über die Unausgewogenheit des Verhältnisses, sobald wir es unzweideutig erkannt haben. Wie der Grad der Unausgewogenheit auch aussehen mag, er wird aller Wahrscheinlichkeit nach unsere Schätzungen übertreffen. Manager vermuten wahrscheinlich, dass einige Kunden oder Produkte gewinnträchtiger sind als andere, aber wenn die Höhe der Differenz nachgewiesen wird, werden sie sicher mit Überraschung oder |30|Verblüffung reagieren. Lehrer wissen bestimmt, dass die meisten disziplinarischen Probleme und unerlaubten Fehlzeiten von einer kleinen Zahl von Schülern verursacht werden, aber wenn die Aufzeichnungen analysiert werden, wird das Ausmaß der Unausgewogenheit wahrscheinlich ihre Erwartungen übertreffen. Wir spüren vielleicht, dass ein Teil unserer Zeit wertvoller ist als der Rest, aber wenn wir Aufwand und Ertrag genau durchgehen, kann uns die Ungleichmäßigkeit ziemlich aus der Fassung bringen.
Aber weshalb sollten Sie sich für das 80/20-Prinzip interessieren? Ob Sie es erkennen oder nicht, dieses Prinzip ist auch in Ihrem Leben, in Ihrem sozialen Umfeld und an Ihrem Arbeitsplatz wirksam. Ein Verständnis des 80/20-Prinzips ermöglicht Ihnen einen guten Einblick in die tatsächlichen Ereignisse Ihrer Umwelt.
Die vordringliche Botschaft dieses Buches liegt darin, dass sich unser Alltagsleben mithilfe des 80/20-Prinzips deutlich verbessern lässt. Jeder kann mehr erreichen und zufriedener sein. Jedes gewinnorientierte Unternehmen kann seine Gewinne steigern. Jede gemeinnützige Organisation kann wirksamere Dienste anbieten. Jede Verwaltung kann dafür sorgen, dass die Bürger mehr von ihrer Existenz profitieren. Jede Person und jede Institution kann mit weniger Aufwand und Anstrengung sowie niedrigeren Kosten und Investitionen mehr Nützliches und Wertvolles erreichen und gleichzeitig Dinge vermeiden, die eine Wertvernichtung darstellen.
Kernstück dieses Fortschritts ist ein Substituierungsprozess. Ressourcen, die in keinem Bereich besondere Wirkung erzielen, werden nicht oder nur sparsam eingesetzt. Ressourcen mit hohem Wirkungsgrad werden so viel wie möglich verwendet. Jede Ressource wird im Idealfall dort eingesetzt, wo sie den größten Nutzen erbringt. Leistungsschwache Ressourcen werden, sofern dies möglich ist, weiterentwickelt, damit sie dem Vorbild der leistungsstarken Ressourcen folgen können.
Wirtschaft und Märkte folgen diesem Prozess seit Hunderten von Jahren, und mit großem Erfolg. Der französische Ökonom J. B. |31|Say prägte um 1800 den Begriff Unternehmer (»Entrepreneur«) und definierte ihn folgendermaßen: »Der Unternehmer verlagert wirtschaftliche Ressourcen aus einem Bereich niedriger Produktivität in einen Bereich höherer Produktivität und Ertragskraft.« Doch aus dem 80/20-Prinzip lässt sich auch der faszinierende Schluss ziehen, dass Unternehmen und Märkte immer noch weit von optimalen Lösungen entfernt sind. Folgt man dem 80/20-Prinzip, so sind 80 Prozent der Gewinne im Grunde auf nur 20 Prozent der Produkte, Kunden oder Mitarbeiter zurückzuführen. Wenn dies zutrifft – und detaillierte Untersuchungen fördern meistens eine unausgewogene Verteilung dieser Art zutage –, dann kann von einer effizienten oder gar optimalen Nutzung der Ressourcen keine Rede sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies nämlich, dass 80 Prozent der Produkte, Kunden oder Mitarbeiter nur 20 Prozent der Gewinne beisteuern; dass Energie verschwendet und Chancen verpasst werden; dass die wirksamsten Ressourcen des Unternehmens von der Mehrheit der viel weniger effektiven Ressourcen behindert werden; dass sich die Gewinne um ein Vielfaches steigern ließen, wenn mehr von den besten Produkten verkauft, mehr gute Mitarbeiter eingestellt oder mehr von den besten Kunden angelockt (oder zum erneuten Einkauf bewegt) werden könnten.
In dieser Situation könnte man sich durchaus die Frage stellen: Wieso sollen wir die 80 Prozent der Produkte, mit denen wir nur 20 Prozent der Gewinne erzielen, überhaupt noch herstellen? Unternehmen setzen sich nur selten mit solchen Fragen auseinander, vielleicht, weil die Antwort äußerst radikale Maßnahmen erfordern würde: Die Einstellung von vier Fünfteln der Unternehmenstätigkeit ist sicherlich mehr als nur ein kleiner Eingriff.
Was J. B. Say die Arbeit des Unternehmers nannte, wird von modernen Finanziers als Arbitrage bezeichnet. Bewertungsabweichungen, etwa zwischen Wechselkursen, werden von den internationalen Finanzmärkten umgehend korrigiert. Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen tun sich hingegen meist viel schwerer mit dieser Denkweise, die darauf dringt, schwache Res|32|sourcen in Bereiche zu verlagern, in denen sie größere Wirkung entfalten, und geringwertige Ressourcen durch hochwertige zu ersetzen. Meistens erkennen wir überhaupt nicht, wie überlegen manche Ressourcen in ihrer Produktivität sind – die »wenigen Wesentlichen«, wie Joseph Juran sie nannte –, während die Mehrheit – die »vielen Unwesentlichen« – nur geringe Produktivität oder sogar einen negativen Wert aufweist. Wenn wir den Unterschied zwischen den wenigen Wesentlichen und den vielen Unwesentlichen in allen Aspekten unseres Lebens erkennen und entsprechend handeln würden, könnten wir alles vermehren, was für uns einen Wert darstellt.

Das 80/20-Prinzip und die Chaostheorie

Der Wahrscheinlichkeitsrechnung können wir entnehmen, dass ein rein zufälliges Auftreten aller Anwendungen des 80/20-Prinzips praktisch unmöglich ist. Erklären können wir dieses Phänomen nur, wenn wir es auf eine tieferliegende Bedeutung oder Ursache zurückführen.
Schon Pareto rang um eine Lösung dieser Frage und versuchte, eine schlüssige Methode für die Erforschung der Gesellschaft zu finden. Er suchte nach »Theorien, die Tatsachen der Erfahrung und Beobachtung abbilden«, nach wiederkehrenden Mustern, gesellschaftlichen Gesetzen oder »Regelmäßigkeiten«, die das Verhalten Einzelner oder der Gesellschaft erklären sollten.
Paretos Soziologie fand keinen überzeugenden Schlüssel. Er starb lange vor der Entstehung der Chaostheorie, die deutliche Parallelen zum 80/20-Prinzip aufweist und zu seiner Erklärung beiträgt.
Das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts brachte eine Revolutionierung der wissenschaftlichen Betrachtungsweise des Universums und des Wissens, das 350 Jahre lang Gültigkeit besessen hatte. Bis dahin beruhte alles gültige Wissen auf einer techni|33|schen und rationalen Weltsicht, die ihrerseits einen großen Fortschritt gegenüber den mystischen und beliebigen Anschauungen des Mittelalters darstellte. Die technische Orientierung hatte Gott von einer irrationalen und unberechenbaren Kraft zu einem anwenderfreundlichen Uhrmacher und Ingenieur verwandelt.
Diese seit dem 17. Jahrhundert und auch heute noch – mit Ausnahme fortschrittlicher Wissenschaftskreise – vorherrschende Weltanschauung ist überaus tröstlich und nützlich. Alle Erscheinungen lassen sich auf regelmäßige, berechenbare und lineare Beziehungen reduzieren. So verursacht a zum Beispiel b, b verursacht c, und a + c verursachen d. Dank dieser Weltanschauung kann man jedes einzelne Teil des Universums – etwa die Funktion des menschlichen Herzens, aber auch eines einzelnen Wirtschaftsmarktes – gesondert analysieren, weil das Ganze der Summe der Teile entspricht und umgekehrt.
Doch im 21. Jahrhunderts scheint es viel angemessener, die Welt als evolutionären Organismus zu betrachten, der als Gesamtsystem weit mehr als die Summe seiner Teile ist und zwischen dessen Teilen wiederum nichtlineare Beziehungen vorherrschen. Durch die komplexen Interdependenzen lassen sich die Ursachen kaum noch eindeutig feststellen, und der Unterschied zwischen Ursachen und Wirkungen ist unscharf. Der Haken am linearen Denken liegt darin, dass es nicht immer funktioniert, weil es eine zu starke Vereinfachung der Realität darstellt. Jedes Gleichgewicht ist illusorisch und flüchtig. Das Universum ist unbeständig.
Aber trotz ihres Namens behauptet die Chaostheorie nicht, dass das All ein heilloses und völlig unbegreifliches Durcheinander sei. Nein, der Unordnung liegt eine sich selbst organisierende Logik zugrunde, eine berechenbare Nichtlinearität – die der Ökonom Paul Krugman als »gespenstisch«, »unheimlich« und »beängstigend exakt« bezeichnet hat.9 Diese Logik ist schwerer zu beschreiben als wahrzunehmen. Sie weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wiedererscheinen eines Themas in einem Musikstück auf, |34|bei dem sich bestimmte charakteristische Muster wiederholen, aber mit unendlicher und unberechenbarer Vielfalt.
Die Chaostheorie und das 80/20-Prinzip haben einige wichtige Gemeinsamkeiten
Was haben die Chaostheorie und verwandte wissenschaftliche Konzepte mit dem 80/20-Prinzip zu tun? Auch wenn anscheinend noch niemand anders einen Zusammenhang hergestellt hat, denke ich doch, dass die Antwort lautet: sehr viel.
Das Prinzip der Unausgewogenheit
Das verbindende Glied zwischen Chaostheorie und 80/20-Prinzip ist die Frage der Ausgewogenheit oder vielmehr der Unausgewogenheit. Sowohl die Chaostheorie als auch das 80/20-Prinzip behaupten (anhand zahlreicher empirischer Belege), dass das Universum unausgewogen ist. Beide Theorien gehen davon aus, dass die Welt nicht linear ist, dass Ursache und Wirkung nur selten auf gleichmäßige Weise miteinander in Beziehung stehen. Beide betonen außerdem den Aspekt der Selbstorganisation: Manche Kräfte sind immer stärker als andere und darum bemüht, sich mehr als den ihnen »zustehenden« Anteil an den Ressourcen zu sichern. Die Chaostheorie erklärt, weshalb und wie es zu dieser Unausgewogenheit kommt, indem sie eine Reihe von Phänomenen in ihrer zeitlichen Entwicklung zurückverfolgt.
Das Universum ist keine gerade Linie
Das 80/20-Prinzip beruht wie die Chaostheorie auf der Vorstellung der Nichtlinearität. Viele Ereignisse sind unbedeutend und können daher unberücksichtigt bleiben. Aber es gibt stets einige Kräfte, deren Einfluss weit über das hinausreicht, was ihre bloße Anzahl vermuten lässt. Diese Kräfte gilt es zu identifizieren und im Auge |35|zu behalten. Wenn sie eine positive Wirkung haben, sollten wir sie vermehren. Wenn es sich um Kräfte handelt, deren Wirkung uns missfällt, sollten wir sorgfältig darüber nachdenken, wie wir sie neutralisieren können. Das 80/20-Prinzip bietet einen wirkungsvollen Ansatz zur Überprüfung der Nichtlinearität in jedem denkbaren System. Wir müssen einfach nur fragen: Führen 20 Prozent der Ursachen zu 80 Prozent der Wirkungen? Stehen 80 Prozent eines Phänomens nur mit 20 Prozent eines verwandten Phänomens in Zusammenhang? Mit dieser nützlichen Methode kommt man aber nicht nur der Nichtlinearität auf die Spur, sondern kann auch die außergewöhnlich starken Wirkungskräfte identifizieren.
Rückkopplungsschleifen verzerren und stören die Ausgewogenheit
Das 80/20-Prinzip passt auch zu den von der Chaostheorie identifizierten Rückkopplungsschleifen, durch die sich geringfügige Ausgangsbedingungen sehr stark multiplizieren und dann zu völlig unerwarteten Ergebnissen führen können, die sich aber dennoch im Nachhinein erklären lassen. Ohne Rückkopplungsschleifen würde die natürliche Verteilung der Phänomene 50/50 betragen – Einflüsse einer bestimmten Häufigkeit würden entsprechende Resultate nach sich ziehen. Nur aufgrund positiver und negativer Rückkopplungsschleifen kann es dazu kommen, dass Ursachen nicht zu gleichmäßigen Wirkungen führen. Darüber hinaus scheint es auch so, dass wirkungsvolle positive Rückkopplungsschleifen nur eine kleine Minderheit von Ursachen beeinflussen. Dies erklärt, weshalb diese kleine Minderheit von Ursachen solch eine starke Wirkung erzielen kann.
Positive Rückkopplungsschleifen können wir in vielen Bereichen beobachten und dadurch begreifen, warum wir innerhalb von Bevölkerungsgruppen in der Regel eher 80/20-Verhältnisse als 50/50-Verhältnisse antreffen. Zum Beispiel werden die Reichen nicht nur (oder hauptsächlich) wegen überlegener Fähigkeiten reicher, sondern auch weil Reichtum neuen Reichtum erzeugt. Es ist so |36|ähnlich wie bei einem Goldfischbassin. Auch wenn die Goldfische anfangs etwa gleich groß sind, werden die etwas Größeren schnell sehr viel größer, weil sie dank des zunächst nur geringfügigen Vorteils einer stärkeren Antriebskraft und eines größeren Mauls unverhältnismäßig viel Nahrung fangen und fressen können.
Der Umschlagspunkt
Nah verwandt mit der Idee der Rückkopplungsschleifen ist das Konzept des Umschlagspunktes. Bis zu einem bestimmten Punkt kommt eine neue Kraft – sei es ein neues Produkt, eine Krankheit, eine neue Rockgruppe oder eine neue soziale Gewohnheit wie Jogging oder Inline-Skating – nur langsam voran. Trotz großer Anstrengungen sind die Ergebnisse kaum sichtbar, und viele Pioniere geben hier auf. Aber wenn die neue Kraft beharrlich weiterwirkt und eine bestimmte unsichtbare Linie überschreitet, kann schon eine kleine zusätzliche Anstrengung zu einem reichen Ertrag führen. Das Überschreiten dieser unsichtbaren Linie bezeichnet den Umschlagspunkt.
Das Konzept stammt aus der Epidemietheorie. Der Umschlagspunkt ist »der Punkt, an dem ein gewöhnliches und stabiles Phänomen – eine geringfügige Grippewelle – in eine öffentliche Gesundheitskrise umschlagen kann …«.10 Der Grund hierfür liegt in der Zahl der Angesteckten, die wiederum andere anstecken können. Und da Epidemien einen nichtlinearen und völlig unerwarteten Verlauf zeigen, »können kleine Veränderungen – wie das Absenken der Zahl der Neuerkrankten von 40 000 auf 30 000 – große Wirkungen erzielen … Alles hängt davon ab, wann und wie die Veränderungen vorgenommen werden.«11
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Die Chaostheorie spricht von »sensibler Abhängigkeit von Ausgangsbedingungen«12 – was zuerst geschieht, kann, auch wenn |37|es sich um etwas scheinbar Belangloses handelt, eine unverhältnismäßige Wirkung nach sich ziehen. Auch dies steht in Einklang mit dem 80/20-Prinzip und trägt zu seiner Erklärung bei. Für sich genommen unterliegt das 80/20-Prinzip der Einschränkung, dass es immer nur eine Momentaufnahme der jetzigen Lage ist (oder genauer: was zum Zeitpunkt des Schnappschusses die Lage war). Hier hilft uns die Lehre von der sensiblen Abhängigkeit von Ausgangsbedingungen weiter. Ein kleiner Vorsprung zu Beginn kann später zu einem größeren Vorsprung oder gar einer beherrschenden Stellung führen, bis das Gleichgewicht gestört wird und eine andere kleine Kraft auf den Plan tritt, um einen unverhältnismäßigen Einfluss auszuüben.
Ein Unternehmen, das in der Frühphase eines Marktes ein um 10 Prozent besseres Produkt anbietet als seine Konkurrenten, kann dadurch vielleicht einen um 100 oder sogar 200 Prozent höheren Marktanteil erobern, auch wenn die anderen Wettbewerber später ein besseres Produkt entwickeln. Wenn sich in der Anfangszeit der Motorisierung 51 Prozent der Fahrer oder Länder für den Rechtsverkehr entscheiden, wird dies für nahezu 100 Prozent der Straßenbenutzer zur Norm werden. Wenn sich in der Frühzeit der Zifferblattuhr 51 Prozent der Uhren im »Uhrzeigersinn« bewegen statt dagegen, wird sich diese Übereinkunft durchsetzen, selbst wenn sich die Uhrzeiger genauso logisch auch nach links hätten bewegen können. Die Uhr des Florentiner Domes zum Beispiel geht gegen den Uhrzeigersinn und zeigt 24 Stunden an.13 Doch schon bald nach der Errichtung des Domes standardisierten die Behörden und Uhrmacher eine Zwölf-Stunden-Uhr, deren Zeiger sich nach rechts bewegten, weil die meisten Uhren diese Eigenschaften aufwiesen. Wären jedoch 51 Prozent der Uhren nach dem Vorbild des Florentiner Domes gebaut worden, würden wir die Uhrzeit heute von 24-Stunden-Zifferblättern mit rückwärts laufenden Zeigern ablesen.
Diese Bemerkungen zur sensiblen Abhängigkeit von Ausgangsbedingungen bedeuten keine präzise Illustration des 80/20-Prin|38|zips. Die angeführten Beispiele verändern sich mit der Zeit, wohingegen das 80/20-Prinzip Ursachen zu einem bestimmten Zeitpunkt statisch aufschlüsselt. Aber es besteht ein entscheidender Zusammenhang zwischen beiden. Beide Phänomene zeigen, dass es keine Ausgewogenheit gibt. Im ersten Fall erkennen wir die inhärente Tendenz weg von einem 50/50-Verhältnis konkurrierender Phänomene. Dieses Verhältnis ist von Natur aus instabil und wird sich mit der Zeit einer 95/5-, 99/1- oder sogar 100/0-Aufteilung annähern. Gleichheit endet in Dominanz: Das ist eine der Botschaften der Chaostheorie. Die Botschaft des 80/20-Prinzips ist anders, ergänzt jedoch die erste. Wir erfahren, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der größere Teil eines Phänomens durch eine Minderheit der beteiligten Faktoren erklärbar ist oder verursacht wird. 80 Prozent der Wirkungen gehen auf 20 Prozent der Ursachen zurück. Einige wenige Dinge sind wichtig, die meisten sind es nicht.

Das 80/20-Prinzip trennt die guten von den schlechten Filmen

Eines der interessantesten Beispiele für das 80/20-Prinzip ist die Filmbranche. Zwei Ökonomen14 untersuchten über einen Zeitraum von 18 Monaten Einspielergebnisse und Spieldauer von 300 Kinofilmen. Das erstaunliche Ergebnis ihrer Studie lautete, dass vier Filme – also lediglich 1,3 Prozent – mehr als 80 Prozent des gesamten Einspielergebnisses ausmachten. Anders ausgedrückt: Die restlichen 296 Filme oder 98,7 Prozent spielten lediglich 20 Prozent des Gesamtumsatzes ein. Bei Kinofilmen, die im Übrigen die uneingeschränkten Kräfte des Marktes sehr gut veranschaulichen, gilt also die 80/1-Regel. Ich finde, noch deutlicher lässt sich das Ungleichgewicht dieser Welt nicht ausdrücken.
Weitaus verblüffender sind jedoch die Ursachen dieses Phänomens. Im Prinzip verhalten sich die Kinobesucher nicht anders als Gaspartikel in ungeordneter Bewegung. Der Chaostheorie zufolge |39|unterliegen Gaspartikel und Tischtennisbälle ebenso wie Kinobesucher dem Zufallsprinzip, sie zeigen verlässlich ständig wechselnde Verhaltensweisen. Für die Kinobesucher gilt, dass die ersten Filmbesprechungen in den Medien, aber auch die Beurteilung neu angelaufener Filme durch den Freundes- und Bekanntenkreis entscheiden, ob die zweite Besucherwelle klein oder groß ausfällt, was wiederum die dritte Welle beeinflusst und so weiter. Filme wie Independence Day oder Mission Impossible zogen massenweise Besucher an, während andere, ebenso teuer produzierte Filme mit Starbesetzung wie beispielsweise Waterworld oder Daylight sich als Flops erwiesen, die letztlich in mehr oder weniger leeren Kinos gezeigt wurden. Ein gutes Beispiel für das 80/20-Prinzip – auf die Spitze getrieben.

Ein kurzer Leitfaden zum Buch

Kapitel 2 erläutert die Umsetzung des 80/20-Prinzips in die Praxis und die Unterscheidung zwischen 80/20-Analyse und 80/20-Denken, beides nützliche Methoden, die vom 80/20-Prinzip abgeleitet sind. Die 80/20-Analyse ist eine systematische und quantitative Methode zum Vergleich von Ursachen und Wirkungen. Das 80/20-Denken ist ein allgemeineres, weniger exaktes und eher intuitives Verfahren. Es umfasst mentale Modelle und Gewohnheiten, die uns in die Lage versetzen, Hypothesen zu den wesentlichen Ursachen der wichtigen Dinge in unserem Leben aufzustellen, diese Ursachen zu identifizieren und unsere Position durch eine angemessene Neuordnung unserer Ressourcen deutlich zu verbessern.
Der zweite Teil bietet einen Überblick über die wirkungsvollsten Anwendungsformen des 80/20-Prinzips im Geschäftsleben. Diese Anwendungsformen sind bewährt und haben ihren immensen Wert bewiesen, werden aber erstaunlicherweise von den allermeisten Geschäftsleuten nicht genutzt. Mein Überblick enthält |40|wenig wirklich Neues, aber alle, die nach einer fühlbaren Verbesserung ihrer Gewinnsituation streben – ob in einem kleinen oder einem großen Unternehmen –, sollten hier nützliche Hinweise finden, die in dieser Form zum ersten Mal in einem Buch zusammengestellt sind.
Der dritte Teil zeigt, dass Sie sich mithilfe des 80/20-Prinzips sowohl bei Ihrer Arbeit als auch in Ihrem Privatleben besser entfalten können. Es ist der Versuch, das 80/20-Prinzip auf eine völlig neue Thematik anzuwenden. Ich bin mir zwar sicher, dass der Versuch in vieler Hinsicht unzulänglich und unvollständig ist, aber er führt doch zu einigen überraschenden Einsichten. Zum Beispiel entstehen 80 Prozent des Glücks oder der Leistungen eines typischen Menschen in einem kurzen Abschnitt seines Lebens. Diese Spitzenphasen, die von großem persönlichem Wert sind, könnten meistens noch stark ausgedehnt werden. Üblicherweise herrscht die Auffassung, unsere Zeit sei knapp. Meine Anwendung des 80/20-Prinzips deutet auf das Gegenteil: Zeit ist im Überfluss vorhanden, wenn wir sie nicht sinnlos vergeuden.
Der vierte Teil ist den Reaktionen meiner Leser und Leserinnen auf mein erstes Buch gewidmet. Außerdem erläutere ich, wie sich meine Sichtweise dazu seit Erscheinen der ersten Auflage geändert hat.

Das 80/20-Prinzip bringt gute Nachrichten

Ich möchte diese Einleitung nicht mit einem verfahrenstechnischen, sondern mit einem persönlichen Wort beschließen. Ich glaube, dass das 80/20-Prinzip zu großen Hoffnungen Anlass gibt. Natürlich verdeutlicht es einen Sachverhalt, der ohnehin auf der Hand liegt: dass allenthalben ein drastisches Ausmaß an Verschwendung vorherrscht, in der Funktionsweise der Natur, im Geschäftsleben, in der Gesellschaft und auch in unserem Privatleben. Wenn eine Verteilung von 80 Prozent der Wirkungen als Folge von 20 Prozent der |41|Ursachen typisch ist, muss man es zwangsläufig auch akzeptieren, dass 80 Prozent, also die überwiegende Mehrheit der Anstrengungen, nur eine geringe Wirkung von 20 Prozent erzielen.
Paradoxerweise können wir in dieser Verschwendung eine wunderbare Nachricht erkennen, wenn wir das 80/20-Prinzip auf kreative Weise einsetzen: wenn wir es nicht nur dazu benutzen, geringe Produktivität aufzudecken und zu kritisieren, sondern vor allem mit positivem Handeln darauf reagieren. Es gibt enormen Verbesserungsspielraum, wenn wir sowohl unser Umfeld als auch unser Leben neu ordnen und in neue Bahnen leiten. Der Versuch zur Verbesserung, die Weigerung, den Status quo zu akzeptieren, ist der Weg für jeden Fortschritt, sei er evolutionär, wissenschaftlich, gesellschaftlich oder persönlich. George Bernard Shaw hat es treffend ausgedrückt:
Der vernünftige Mensch passt sich an die Welt an. Der Unvernünftige versucht beharrlich, die Welt an sich anzupassen. Daher hängt jeglicher Fortschritt von den Unvernünftigen ab.15