Das Amulett der Greife - Janika Hoffmann - E-Book

Das Amulett der Greife E-Book

Janika Hoffmann

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Beschreibung

»Wer bist du, dass du über mein Leben oder meinen Tod urteilen darfst?« Nachdem Charly auf der Flucht von einem missglückten Date einen Unfall hat, ist für sie nichts mehr, wie es war. Als sie erwacht, findet sie sich in Aréa wieder – und sie wurde in einen Greifen verwandelt! Gestrandet in einer fremden Welt und einem fremden Körper, muss sie um ihr Leben kämpfen. Denn das Amulett, das sie nach Aréa gebracht hat, droht sie umzubringen. Auf ihrer Suche nach einem Ausweg begleitet sie ausgerechnet der Wolfsgreif Lero, der kein Geheimnis daraus macht, dass er sie verachtet. Doch ohne seine Hilfe ist Charly verloren ...

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Danksagung

Janika Hoffmann

Besuchen Sie uns im Internet:

www.talawah-verlag.de

www.facebook.com/talawahverlag

erschienen im Talawah Verlag

1. Auflage 2019

© Talawah Verlag

Text: Janika Hoffmann

Umschlaggestaltung:Marie Graßhoff

https://marie-grasshoff.de/

Lektorat: Jessie Weber

https://romance-alliance.com/jessie-weber/

Layout / eBook: Grittany Design

https://www.grittany-design.de/

ISBN: 978-3-947550-36-4

Für Anika Beer, die Oberbest(i)e.

4000 v. Chr.

Das Rauschen von Flügeln durchbrach die Luft, fing sich zwischen den Felswänden und wurde davon zurückgeworfen. Maruk genoss das Geräusch ebenso wie den Anblick seines Schattens, der über die Felsen unter ihm huschte, gefolgt von denen seiner zwei Begleiter.

Maruk streckte sich und reckte stolz den Schnabel in die Luft. Er war sicher, dass die beiden Greife in seinem Gefolge es genauso taten, aber er machte sich nicht die Mühe, sich nach ihnen umzusehen. Und das musste er auch nicht. Als er sich seinen Weg zwischen den Felsformationen hindurch suchte, sah er nur dann und wann ihre Schemen im Augenwinkel, als sie den Felsblöcken und ihm gleichermaßen auswichen – eine stumme Absprache, die davon zeugte, dass er sich die richtigen Begleiter für sein Vorhaben ausgesucht hatte.

In der Ferne hinter ihnen erklangen wütende Schreie, doch keiner von ihnen kümmerte sich darum. Stattdessen schoss Maruk um eine weitere Felsnase herum, ehe er seinen Flug abbremste und in einer rundlichen Senke landete. Während er die Flügel anlegte, beobachtete er die beiden Aviden, die nach ihm landeten.

»Diese Schnurrköpfe abzuhängen war so einfach!«, empfing er sie und lachte schnarrend. »Nun ist es mein!« Er hob ein Vorderbein und betrachtete das dunkelbraune Amulett, das er in den Klauen hielt.

Seine beiden Artgenossen knackten zustimmend mit den Schnäbeln. »Wirst du das Tor gleich öffnen?«, fragte Karim, der kleinere der beiden. Zwischen seinen nach allen Seiten abstehenden Federn waren seine Ohren kaum zu erkennen.

»Natürlich, was denkst du denn?« Maruk warf dem anderen Aviden einen selbstgefälligen Blick zu. Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich.

Eine ganze Weile geschah nichts, lediglich die wütenden Schreie waren wieder und wieder in der Ferne zu hören. Dann jedoch schien die Luft um das Greifentrio herum plötzlich zu vibrieren. Maruk hielt die Augen noch immer geschlossen, doch durch die gesenkten Lider hindurch erkannte er eine glänzende Lichtkugel, ein Blitzen aus Grün und Gelb. Langsam wurde der Schein stärker, fast als würde die Kugel anwachsen.

Als Maruk seine Neugier nicht länger zügeln konnte, öffnete er die Augen. Triumphierend betrachtete er die wabernde Scheibe, die sich in einigen Flügellängen Entfernung gebildet hatte. Ein eigentümliches Surren ging davon aus, doch das kümmerte Maruk nicht. Das Tor, das er geschaffen hatte, war groß genug für einen Greifen. Er hatte wirklich einen Weg zwischen den Welten geschaffen.

»Es ist soweit«, verkündete er und machte einen Schritt auf das Tor zu. »Nun beginnt eine neue Ära.«

»Nicht, wenn ich es verhindern kann!«

Maruk zuckte zusammen, als eine Greifin hinter einem nahen Felsen hervorsprang. Wieso hatte er sie nicht kommen hören? Es handelte sich um eine Felide; ihr Kopf war der einer Raubkatze, ihre Flügel waren nahezu golden. Sprungbereit schlich sie auf die drei Aviden zu, wobei sie ihnen den Weg zum Tor versperrte.

Maruk brauchte einen Moment, um sich zu fangen, dann warf er der Greifin einen verächtlichen Blick zu. »Was willst du, Felide? Geh beiseite.«

»Das werde ich nicht tun!«, fauchte die Greifin und legte die Ohren an. »Gebt es zurück!«

»Was denn, meinst du etwa das hier?« Maruk hob das Artefakt in seinen Vorderklauen provokant ein Stückchen höher. Zugleich versuchte er angestrengt, sich weiter auf das Tor zu konzentrieren, damit es sich nicht schloss. Es fiel ihm schwer, den Pfad offenzuhalten, während die Felide ihn ablenkte, doch das durfte er sich nicht anmerken lassen. So überlegen wie möglich richtete er sich auf. »Ich glaube, du hast etwas Wichtiges vergessen.« Er machte einen Schritt vor und fächerte zugleich seine Schwanzfedern auf, ein Signal an seine Begleiter, sich an seinen Flanken zu positionieren. »Du bist allein«, warf er der Greifin drohend entgegen.

Die Felide duckte sich noch tiefer und fauchte, doch sie wich nicht zurück. »Kehrt um. Wenn ihr diesen Schritt macht, wird es kein Zurück mehr geben.«

»Umkehren?« Maruk lachte. »Aber meine Reise hat doch gerade erst begonnen! Ich glaube, du hast es noch nicht verstanden: Wir werden jetzt durch dieses Weltentor gehen.« Mit diesen Worten schoss er vorwärts und fiel seine Gegnerin an.

Die Greifin fauchte und sprang ihm entgegen, die Vorderklauen vorgestreckt. Obwohl sie in der benachteiligten Position gewesen war, traf sie ihn zuerst und schnappte nach seiner Kehle.

Maruk riss seine Vorderläufe hoch, um seine Kontrahentin auf Abstand zu halten. Dadurch drückte er das Amulett, das er weiterhin fest umklammert hielt, tief in ihr Gefieder.

Ihr Kampfruf wandelte sich zu einem Schrei, als die Luft zwischen ihnen erbebte und die Felide zurückgestoßen wurde. Sie prallte gegen einen Felsen und rutschte daran hinab. Sofort öffnete sie die Augen wieder, doch der Ausdruck darin zeugte von Schmerz, und tatsächlich blieb sie liegen. Ein Schauer nach dem anderen überlief ihren Körper.

Maruk baute sich über ihr auf. »Wie, war das schon alles?«, fragte er, und seine Stimme troff vor Ironie. Er wusste nicht, was genau gerade geschehen war, doch offensichtlich hatte das Amulett ihn, seinen Träger, beschützt. Die Greifin lag hilflos vor ihm, rührte noch immer keine Pfote. Stattdessen entfuhr ihr ein langer, hoher Klagelaut. Dann schlossen sich ihre Augen, und nur das schnelle Heben und Senken ihrer Flanken verriet, dass sie noch am Leben war.

Maruk zog sich triumphierend zurück. Jetzt war er absolut sicher, dass ihn niemand würde aufhalten können. Das Amulett würde ihn beschützen und ihm helfen, über beide Welten zu herrschen. Mit dieser Gewissheit setzte er sich wieder in Bewegung und trat auf das Tor zu, das durch seine nachlassende Konzentration zu flackern begonnen hatte. Er hörte, dass seine Begleiter hinter ihm zögerten, doch nach einem Moment folgten sie ihm. Ohne sich noch einmal umzublicken, trat er in das wirbelnde Licht.

Gleißende Sonnenstrahlen erwarteten ihn auf der anderen Seite, beinahe so hell wie die Wirbel des Tors. Er hatte nichts gespürt, als er die Schwelle zur anderen Welt überschritten hatte. Im einen Moment war er noch in Aréa gewesen, nun erstreckte sich eine fremde Landschaft vor ihm. Seine beiden Artgenossen traten an seine Seite, und hinter ihnen flackerte das Weltentor und verschwand, während Maruk den Blick schweifen ließ.

Sie befanden sich auf einer steinernen Anhöhe, doch der Fels hatte eine andere Farbe als jenes Gestein, auf dem sie sich gerade noch befunden hatten. Er war gelblich, und als Maruk testweise die Krallen darüber zog, lösten sich sofort kleine Bröckchen davon.

Vor ihnen lag ödes Tiefland, eine sandige Ebene, auf der nur vereinzelt karge Bäume und Büsche zu erkennen waren. In der Ferne erstreckte sich eine Bergkette über den gesamten Horizont. Diese Landschaft sah alles andere als einladend aus, doch das kümmerte Maruk nicht. Es würde fruchtbare Flecken geben, anderswo. Wer konnte schon wissen, wie groß diese Welt war?

Mit einem Schrei des Triumphs breitete Maruk die Flügel aus und schwang sich in die Luft. Er stieg höher, um das Land gut überblicken zu können, dann schoss er über der öden Fläche dahin, trieb seine Flügel zu Höchstleistungen an und stieß immer wieder Schreie aus, die von seiner Ankunft künden sollten. Seine Begleiter vermochten kaum mit ihm mitzuhalten, doch er verlangsamte seinen Flug nicht für sie.

»Uns gehört die Welt!«, rief der kleine Karim irgendwann; Aufregung klang in seiner Stimme mit.

Nun nahm Maruk sich doch einen Moment Zeit, die beiden aufholen zu lassen. »Nicht die Welt«, korrigierte er den Aviden. »Beide Welten!« Sein Blick fiel auf einige Punkte am Boden der Einöde. »Seht nur, wie seltsam diese Tiere dort unten aussehen. Und die kleinen, zweibeinigen erst! Zeigen wir ihnen, wer hier ab jetzt das Sagen hat.« Er stimmte ein Kampfgeschrei an, presste die Flügel an den Körper und schoss in halsbrecherischem Tempo dem fernen Erdboden entgegen. Seine Begleiter folgten ihm, auch wenn sie stumm blieben und ihm das Recht des Kampfrufes überließen.

Unter den dreien entstand Aufruhr. Die größeren Tiere, die einen sonderbaren Buckel auf dem Rücken hatten, stießen röhrende Angstlaute aus und ergriffen die Flucht. Auch die zweibeinigen Wesen verfielen in Hektik, drängten sich jedoch aneinander und griffen nach langen Ästen, statt ebenfalls das Weite zu suchen.

Maruk zog seinen Artgenossen davon. Er wollte die Krallen in eines der Wesen schlagen, wollte herausfinden, wie sein Blut und sein Fleisch schmeckten. Seine Beute war jetzt bereits ganz nah. Er ließ die Schwingen aufklappen, hielt gegen den Luftwiderstand an und bremste seinen Sturzflug ab. Mit weit ausgestreckten Flügeln und noch immer beeindruckendem Tempo legte er die letzte Entfernung zum Boden zurück. Weit riss er dabei den Schnabel auf und streckte die Klauen aus, den Blick fest auf jenen der Zweibeiner gerichtet, den er als seine Beute auserkoren hatte.

In diesem Moment schleuderte eines der Wesen seinen Ast in die Luft, ein zweites tat es ihm gleich. Ungeahnt schnell schossen die Äste heran. Ihre Spitzen waren steinern und scharf, als sie sich in sein Fleisch bohrten.

Maruk schrie. Erst vor Schmerz und Entsetzen über die unerwartete Wendung, dann vor Wut. Er war so in Rage, dass ihm das Amulett entglitt und in die Tiefe stürzte. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie es in einem Riss in der trockenen Erde verschwand, doch vorerst galt sein ganzer Zorn den Zweibeinern. Irgendwo über ihm kreischten seine beiden Artgenossen. Gemeinsam würden sie diesen Wesen den Garaus machen.

Einen dritten, brennenden Stich spürte er noch. Sein Sichtfeld füllte sich mit Schwärze, dann versagten seine Flügel ihm den Dienst.

Da kommt er!« Charly boxte ihrer Freundin Sonja aufgeregt in die Seite. Mehr oder weniger unauffällig deutete sie in Richtung des Haupttors der Schule, wo soeben ein großer, dunkelhaariger Junge ins Freie getreten war. Als er sie sah, nickte er ihr lässig zu und kam in ihre Richtung.

Sonja verdrehte die Augen und hörte kurz auf, ihre dunkelbraunen Haare einzuflechten. »Mensch, Charly, komm mal wieder runter. Was willst du von diesem Idioten?«

»Hör auf, Marc zu beleidigen!«, erboste sie sich, bevor sie die Stimme senkte und sich vorsichtig umschaute. »Er hat dir nichts getan«, zischte sie.

»Nein, mir nicht. Aber er wird dir etwas tun, wenn du nicht aufpasst!« Sonja verstummte, als der Junge nahe genug war, um sie zu hören. Betont desinteressiert wandte sie sich ab und widmete sich wieder ihren Haaren. Charly war das nur recht. Sollte sie doch aufhören, immer so einen Unsinn zu reden!

Verträumt blickte sie Marc entgegen. Ihrem Marc. Dunkelbraune, gegelte Haare, grüne Augen, eine lässige, schwarze Lederjacke. Der coolste Junge der gesamten Schule, so viel stand fest.

»Hey Charly.« Er stellte sich zu ihr und blickte sie an. Diese Augen!

»Marc!« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. In ihrem Brustkorb flatterten tausend kleine Schmetterlinge umher.

»Und, was machst du heute?«, säuselte Marc mit seiner rauchigen Stimme und nahm sie in die Arme. »Hast du Zeit für mich?«

»Immer!«, rief sie eifrig aus. Dass Sonja sich im Hintergrund vielsagend räusperte, ignorierte sie. Für Geografie lernen konnten sie auch an einem anderen Tag. Marc wollte sich mit ihr treffen, das war viel wichtiger!

»Sehr gut. Das ist meine Kleine.« Er strich ihr durchs Haar, hauchzart nur. Charly liefen Schauer über den Rücken. Sie wollte sich an ihn kuscheln, doch er schob sie von sich und zog eine Augenbraue hoch. »Oh nein. Später. Ich habe mir etwas Besonderes überlegt.«

»Etwas Besonderes?« Aufgeregt sah sie ihn an. »Was denn? Sag schon!«

Marc blickte sich verschwörerisch um, dann beugte er sich vor, bis seine Lippen ganz nah an ihrem linken Ohr waren. »Komm um sieben zur alten Industriehalle am Stadtrand. Wie wäre es mit einem Candlelight-Treffen der besonderen Art?« Er zeigte ihr ein umwerfendes Grinsen, dann trat er einen Schritt zurück. »Aber bis dahin muss ich noch ein paar Dinge vorbereiten. Außerdem warten meine Kumpels auf mich. Bis später, Kleine.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und schlenderte zu drei anderen Jungen, die lässig in einer Ecke des Schulhofs standen und rauchten. Charly blickte ihm verträumt hinterher. Wie unglaublich cool und selbstbewusst er doch war! Jedes Mädchen an der Schule wollte ihn – und er interessierte sich für sie, nur für sie!

»… hallo? Hey, Erde an Charly!« Sonja musste energisch mit einer Hand vor Charlys Gesicht herumwedeln, bevor diese ihre Freundin wieder bemerkte.

»Hm, was?«

»Herrje, du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall. Mach doch endlich die Augen auf, der verarscht dich nur!«

»Was hast du nur gegen ihn?« Charly wandte sich beleidigt ab. »Nur, weil er sich für mich interessiert und nicht für dich?«

Sonja seufzte. »Darum geht es doch überhaupt nicht. Aber er meint es nie und nimmer ernst mit dir! Für ihn bist du nur ein Spielzeug. Sobald er seinen Spaß hatte und es ihm zu langweilig wird, wird er dich wegwerfen, als wärst du Abfall!«

»Natürlich meint er es ernst!«, erboste Charly sich. Nun drehte sie sich wieder zu ihrer Freundin um und funkelte sie an. »Wie kommst du nur auf so einen Mist? Was sagt dir, dass er nur mit mir spielt? Na? Nichts, genau. Weil er das nicht tut! Hast du ihm einmal in die Augen geschaut?« Sie hatte sich richtig in Rage geredet. Sonja versuchte etwas zu sagen, doch sie schnitt ihr sofort das Wort ab. »Nein, ich will nichts mehr hören! Eine tolle Freundin bist du. Schönen Dank auch. Lass mich einfach in Ruhe!«

Ohne ihre Kameradin noch eines einzigen Blickes zu würdigen, fuhr Charly herum und stapfte davon. Im selben Moment ertönte die Klingel, die das Ende der Pause verkündete. Schnurstracks steuerte Charly auf das Schulgebäude zu. Den restlichen Unterricht über würde Sonja damit leben müssen, ignoriert zu werden.

Als Charly nachmittags zu Hause ankam, hatte sie ihre Wut vergessen. Stattdessen dachte sie nur noch an Marc und das bevorstehende Treffen. Ein Candlelight-Dinner in der alten, etwas gruseligen Industriehalle am Rand der Stadt. Ein Traum!

Die wundervollsten Fantasien geisterten ihr durch den Kopf, während sie die Treppe hinauf huschte, ihre Schultasche achtlos in eine Ecke ihres Zimmers warf und unter die Dusche hüpfte. Sie nutzte ein Shampoo mit extra fruchtiger Duftnote, anschließend föhnte sie ihre dunkelblonden Haare, bis sie ihr weich auf die Schultern fielen. Dann öffnete sie, noch im Bademantel, ihren Kleiderschrank. Suchend schob sie die Bügel mit den Klamotten hin und her. Sie musste etwas Außergewöhnliches finden, etwas, das Marc umhauen würde. Sie wollte sich für ihn besonders herausputzen – immerhin hatte er ihr ja auch ein besonderes Treffen versprochen. Konnte er vielleicht kochen? Oder hatte er ein Geschenk für sie?

Nach langem Grübeln zog sie schließlich eine dunkelblaue Röhrenjeans und eine schwarze Bluse mit weitem Ausschnitt und silbernen Pailletten aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Dazu zog sie schwarze Sneaker an. Prüfend stand sie vor dem Spiegel. Etwas fehlte noch. Ein Tuch vielleicht, wo der Herbst doch allmählich kühler wurde? Nein, das würde total langweilig aussehen. Eher etwas wie … ja, das war es!

Charly huschte aus ihrem Zimmer und lauschte. Im Haus war alles ruhig, ihre Mutter arbeitete anscheinend noch. Wie sollte es auch anders sein – es zählte ja nur ihr Job. Aber immerhin würde sie so auch nicht merken, wenn einen Abend lang eines ihrer Schmuckstücke fehlte. Und irgendwie war es sogar ein gutes Gefühl, sich unerlaubt etwas von ihr auszuleihen. Eine kleine, unbemerkte Revanche für all die Male, die sie erzählte, Charly würde ihre Karriere bloß aufhalten.

Energisch schüttelte Charly den Kopf. Sie würde sich den schönen Abend, der ihr bevorstand, nicht von solchen Gedanken kaputtmachen lassen. Vorsichtig drückte sie die Klinke zum Schlafzimmer ihrer Mutter hinunter und trat ein. Sie wusste genau, wo sie suchen musste. Der kleine Schmucksafe befand sich ganz hinten in der Ecke auf einem Regal. Sie kannte die Kombination. Eins, sechs, acht, fünf. Die Tür klackte und ließ sich anstandslos aufziehen. Zielstrebig öffnete Charly eine kleine Schublade und zog ein samtenes Säckchen heraus. Als sie den Knoten löste, fiel ihr ein kreisrundes Schmuckstück in die Hände. Es hing an einer feingliedrigen Kette und bestand aus Ebenholz, umrahmt von golden schimmerndem Metall. Keltisch anmutende Schnörkel durchzogen die dunkle Oberfläche, in der Mitte war ein Tigerauge eingelassen.

Charly legte sich das Schmuckstück um und schloss den Haken. Kühl lag das Amulett auf ihrer Haut. Sie verschloss das Schmuckschränkchen wieder und eilte zurück in ihr Zimmer. Ja, nun war sie fertig!

Schnell schnappte sie sich ihre Jeansjacke von der Stuhllehne, dann lief sie die Treppe hinunter. Ein Blick auf die Uhr ließ sie innerlich aufstöhnen. Es war erst kurz vor sechs. Bis zu ihrem Date mit Marc würde es noch eine ganze Stunde dauern!

Missmutig lief sie in die Küche. Wenn sie schon warten musste, konnte sie sich ebenso gut noch einen Tee kochen. Seufzend stellte sie das Wasser an. Während der Wasserkocher leise zu zischen begann, legte sie zwei frische Salatblätter in das Terrarium der kleinen Schildkröte, die ihrer Mutter gehörte. Das arme Ding wäre ohne sie vermutlich längst verhungert.

Anschließend summte sie eine Melodie vor sich hin, die sie am Morgen im Radio gehört hatte. Ob das das Lied von Marc und ihr werden würde?

Als der Tee durchgezogen war, nahm sie die Tasse und setzte sich an den Küchentisch. In langsamen Schlucken trank sie das heiße Gebräu und zwang sich dabei, nicht auf die Uhr zu sehen. Plötzlich vibrierte ihr Handy in ihrer Hosentasche. Erfreut über die willkommene Ablenkung, zog Charly es hervor – verzog dann jedoch die Mundwinkel. Die Nachricht kam von Sonja. Nur widerwillig öffnete sie das Textfenster.

Hey, es tut mir leid wegen heute. Ich mache mir doch nur Sorgen, okay? Bitte sag Bescheid, wenn du wieder zu Hause bist. Gehen wir morgen joggen?

Mehrere Male las Charly die Nachricht, ehe sie tief durchatmete. Sonja einfach so komplett zu vergeben, dazu konnte sie sich nicht durchringen. Daher fiel ihre Antwort eher knapp aus:

Meinetwegen. Joggen geht klar.

Sobald sie ihren Tee ausgetrunken hatte, wagte sie es, wieder nach der Uhrzeit zu sehen. Endlich hatte sie genug Zeit totgeschlagen, um sich auf den Weg zu machen!

Wieder begann es in ihrer Brust und ihrem Bauch zu kribbeln. Euphorie pulsierte durch ihren Körper, als sie das Haus verließ und Handy und Haustürschlüssel in ihrer kleinen Umhängetasche verstaute. Rasch holte sie ihr Fahrrad aus der Garage. Hoffentlich würden ihre Haare nach der Fahrt etwas verwegen aussehen und ihr einen cooleren Look verpassen. Voller Vorfreude schwang sie sich auf ihr Rad und fuhr los.

Viele Leute waren nicht auf den Straßen unterwegs. Offenbar hatten an einem Freitagabend alle etwas Besseres vor. Nein, nur etwas anderes. Nichts konnte besser sein als das, was Charly bevorstand, davon war sie überzeugt. Erneut summte sie die Melodie aus dem Radio vor sich hin, während sie ins Randgebiet der Stadt radelte.

Es dauerte nur gute zehn Minuten, bis endlich ihr Ziel in Sicht kam. Nachdenklich ließ sie ihr Rad ausrollen, dann stoppte sie. Wie sähe es denn aus, wenn sie erst umständlich ihren Drahtesel anschließen musste? Besser, sie ließ ihn hier in den Büschen stehen, dort würde ihn kaum jemand entdecken. Vorsichtig schob sie das Rad ins Grüne, dann brachte sie die letzten paar Hundert Meter zu Fuß hinter sich.

Mit jedem Schritt wuchs ihre Aufregung. Vor ihr ragte sie auf, die alte Halle, zu der Marc sie gebeten hatte. Industriehalle Remmingen stand auf einem halb verrosteten, windschiefen Schild. Gearbeitet wurde hier schon lange nicht mehr, die angrenzenden Gebäude waren teilweise verfallen. Lediglich die große Halle schien bis auf ein paar eingeworfene Fenster noch einigermaßen intakt zu sein.

Charly legte beide Hände an das Schiebetor und zog. Sie musste sich mit ihrem ganzen Gewicht an den Griff hängen, bis die Tür nachgab und mit einem schaurigen Quietschen zur Seite rollte. Dahinter erwartete sie Finsternis. Behutsam trat sie ein.

Langsam tastete sie sich in die dämmrige Fabrikhalle hinein, dann zuckte sie zusammen, als das Rolltor hinter ihr mit einem Knall zufiel. Dunkelheit umgab sie, absolute Schwärze.

Sie atmete tief durch, einmal, zweimal, um Mut zu fassen. »Marc?«, rief sie zögerlich. Ein Nachhall ihrer Stimme antwortete ihr, ansonsten blieb es still. »Marc? Bist du hier? Ich sehe nichts … wo bist du?«

In einiger Entfernung schepperte etwas. Dieses Mal machte sie einen Satz rückwärts, bevor sie sich zusammenriss. Ihre Stimme klang etwas zittrig, doch sie zwang sich zur Kontrolle. »Bitte, das ist nicht mehr lustig. Komm raus, ja?«

Plötzlich gingen flackernd mehrere Neonlampen an. Geblendet von der plötzlichen Helligkeit, hob Charly einen Arm vor das Gesicht. Gleichzeitig hörte sie die Stimme des Jungen.

»Oh, ich finde es ziemlich lustig, um ehrlich zu sein. Das kleine Mädchen, das so gern cool sein möchte, aber im Dunkeln Schiss bekommt. Was meint ihr?« Gelächter erklang.

Charly blinzelte und riskierte einen Rundumblick. Was war hier los? Wer war das bei Marc?

Ein paar Meter entfernt stand der Gesuchte und blickte sie mit einem schwer zu deutenden Blick an. Hinter ihm standen tatsächlich drei weitere Jungen – die Mitglieder seiner kleinen Gang! Verwirrt blickte Charly zu ihnen hinüber.

»Was soll das? Was machen die denn hier?«, fragte sie irritiert. »Ich dachte –«

»Ich habe gesagt, dass ich etwas Besonderes mit dir vorhabe, oder nicht? Tja, dafür brauche ich nun einmal meine Jungs. Alles klar? Legt los.« Marc gab den dreien ein Handzeichen, woraufhin sie langsam auf Charly zukamen. Diese wich verwirrt ein Stück zurück, bevor sie ratlos zuließ, dass die drei sie umkreisten. Als sie jedoch an ihren Haaren und Klamotten zu zupfen begannen, machte sie sich zittrig los.

»Marc, was ist hier los? Was hast du wirklich mit dem Besonderen gemeint?« Sie musste sich überwinden, diese Frage auszusprechen. Irgendwie hatte sich das Flattern in ihrem Inneren verändert; es war nicht mehr aufgeregt, sondern eher nervös. Wieso nur?

»Die Klamotten gehen in Ordnung«, befand einer der drei fremden Jungen. »Eng anliegend, sexy. Da kann man nichts dran aussetzen.«

»Der Körperbau ist ebenfalls akzeptiert«, setzte der zweite hinzu. »Schlank, aber nicht mager, Muskeln sind vorhanden, aber nicht zu viele. Die Haarlänge ist okay.«

»Bitte was?« Charly verstand die Welt nicht mehr. »Marc!«

Der Gerufene kümmerte sich nicht um sie, sondern blickte den letzten seiner Gangkameraden an. »Timo?«

»Am Auftritt könnte man noch arbeiten. So verschreckt und piepsig wirkt sie wie ein Mäuschen, nicht angemessen. Aber ich denke, das ist nicht weiter wichtig.«

»In Ordnung. Also haltet ihr sie für die Richtige?« Die drei Jungen nickten.

»Die Richtige für was?« Nun zitterte Charlys Stimme wirklich. Der Blick, den Marc ihr zuwarf, war plötzlich ganz anders als das, was sie sonst von ihm kannte. Etwas darin jagte ihr einen Schauer über den Rücken, jedoch definitiv keinen positiven.

»Meine liebe, kleine Charly«, hob er nun mit einer ironisch feierlichen Stimme an, »ich gratuliere dir. Du wirst ab morgen in aller Munde sein als das Mädchen, das ich hereingelegt und dann ins Bett gekriegt habe.«

Charly erstarrte. Sie glaubte, sich verhört zu haben. »Als das Mädchen, das … was?« Mit wackligen Knien wich sie einen Schritt zurück.

»Du hast mich schon verstanden. Sich andauernd ein neues Mädchen zu suchen, mit ihr etwas Spaß zu haben und sie dann abzuservieren, das wird einfach langweilig. Wo bleibt denn da die Herausforderung? Ich brauche etwas Neues, und du wirst da den Anfang bilden. Du solltest dich geehrt fühlen.«

Seine Worte waren wie ein Schlag in Charlys Gesicht. Sonjas Warnung kam ihr wieder in den Sinn. Er meint es nie und nimmer ernst mit dir! Für ihn bist du nur ein Spielzeug. Sie hatte tatsächlich recht gehabt – und Charly war vollkommen blauäugig auf seine Schmeicheleien hereingefallen!

»Nein«, wisperte sie heiser, »nein, nein! Wie konntest du?« Tränen stiegen ihr in die Augen. Wieso hatte sie nicht gemerkt, dass sie ihm die ganze Zeit über egal gewesen war? Dass er nur ein williges Opfer gesucht hatte?

Marc reagierte nur mit einem höhnischen Lachen. »Ach komm, ist die Frage wirklich ernst gemeint? Du hast doch regelrecht darum gebettelt. Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, wie sehr du versucht hast, zu den Coolen zu gehören? Dabei bist du Mittelstufenschülerin. Was denkst du dir nur? Und nach heute«, meinte er mit einem selbstgefälligen Grinsen, »wirst du auch keine Chance mehr haben, in der Oberstufe cool zu werden!«

Erste Tränen flossen Charly über das Gesicht. Hätte sie doch nur auf Sonja gehört! Sie hatte nur Marcs oberflächliches Verhalten gesehen, war auf seine Täuschung hereingefallen. Nun erst erkannte sie, dass er sie vorgeführt hatte. Die Wahrheit bohrte sich in ihr Herz wie ein Messerstich.

»Ekel!«, presste sie hervor. »Idiot! Das mache ich nicht! Ich bin nicht die Einzige hier, die nicht cool ist!« Wut mischte sich in ihre Fassungslosigkeit und ihren Schmerz, übermannte sie und brachte sie dazu, ihm kurzentschlossen vor die Füße zu spucken.

Marcs Grinsen verschwand, stattdessen wurde sein Blick grimmig. »Kleines Biest«, zischte er.

Mit einem Mal waren seine Freunde wieder neben Charly. Kräftige Hände griffen nach ihr. Ihre Reaktion war reiner Reflex: Bevor die Typen zugreifen konnten, duckte sie sich und fuhr gleichzeitig herum. Den Kerl direkt vor sich stieß sie vor die Brust; nach einem anderen trat sie, als er sie von hinten packen wollte. Der letzte war der, der den Namen Timo trug. Er musste erst seinen Mitstreitern ausweichen, bevor er sich auf sie stürzen konnte. Dieser kurze Augenblick reichte Charly. Sie war im Sportunterricht nicht umsonst eine der schnellsten. Mit einem Satz schoss sie vorwärts und rannte davon.

Timo nahm die Verfolgung auf. Er war groß und schnell, doch Charly hatte den Vorteil, wendig zu sein. So entging sie ihm, als er nach ihr greifen und sie aufhalten wollte.

Was sie nicht verhindern konnte, war, dass er sie abdrängte. Um ihm zu entgehen, musste sie nach links ausweichen und immer tiefer in die alte Industriehalle vordringen. Die Tür lag jedoch rechts!

Marc und die anderen zwei Jungen waren nun ebenfalls hinter ihr her. Sie hatte keine Chance, ins Freie zu schlüpfen. Angst presste ihr den Brustkorb zusammen und gab ihr das Gefühl, keinen Meter weiter rennen zu können. Dennoch gab sie nicht auf. Es musste einen Weg geben! Schlimm genug, dass Marc sie so gedemütigt hatte – er durfte nicht gewinnen! Hektisch blickte sie sich um.

Da! Am hinteren Ende der Halle entdeckte sie eine schmale Leiter, die mit einem von der Decke hängenden Gerüst verbunden war. Es war wie ein zweites Stockwerk – vielleicht war das ihre Chance! Charly sammelte ihre Kräfte, beschleunigte noch einmal und schlug einen Haken, um Abstand zu ihren Verfolgern zu gewinnen. Sie brauchte Zeit, um die Sprossen zu erklimmen!

Als sie die Leiter erreichte, sprang sie mit einem Satz ein Stück hinauf, bevor sie zu klettern begann. Die weiße Farbe blätterte bereits ab, darunter kamen Rost und scharfkantige Bruchstellen hervor. Die dünnen Sprossen fühlten sich wenig vertrauenerweckend an, doch eine andere Wahl blieb ihr nicht. Sie schnaubte angestrengt, während sie sich auf die Plattform hievte. Sie konnte hören, dass einer der Jungen ihr dicht auf den Fersen war.

Endlich kroch sie vollends auf die Metallgitterplatten, die diese erhöhte Ebene bildeten. Zum Durchatmen blieb jedoch keine Zeit. Sie rappelte sich auf und rannte einen Gitterweg entlang, der links und rechts von altersschwachen Geländern begrenzt wurde.

»Bleib stehen, du kleines Biest!«, brüllte Marc wutentbrannt, doch seine Stimme kam von unten. Der Kerl hinter ihr musste also einer seiner Schatten sein.

Abrupt kam Charly zum Stehen: Vor ihr weitete der Gitterweg sich zu einer zweiten, kleineren Plattform aus, doch dahinter war – nichts! Die Ebene endete hier!

Entsetzt fuhr sie herum und wich zurück, während sie beobachtete, wie ihr Verfolger, Timo, abbremste. Ihm war genauso klar wie ihr, dass sie in der Falle saß. Gemächlich und mit einem triumphierenden Grinsen stapfte er auf sie zu. »Hab ich dich!«, sagte er. Charly blieb zitternd stehen, als sie das Geländer im Rücken spürte.

Und dann ging alles ganz schnell. Ein Ächzen erklang, dann gab es einen Ruck. Schlagartig sackte die Plattform ein Stück ab und neigte sich dem Untergrund entgegen. Dem Jungen blieb gerade noch Zeit, sich auf ein stabiles Gitter zu retten, ehe das gesamte Gebilde in die Vertikale rutschte. Die ehemals ebenen Gitterplatten wiesen nun in Richtung Hallenboden.

Der erste Ruck hatte Charly bereits aus dem Gleichgewicht gebracht; der zweite schleuderte sie gegen das Geländer, das nun den Untergrund bildete. Einen Moment lang hing sie dort, rappelte sich auf und suchte verzweifelt nach festem Halt. Dann gaben die beiden dünnen, rostigen Metallstangen nach und sie fiel.

Ein Schrei entrang sich ihrer Kehle, Adrenalin pulsierte in gefühlter Überdosis durch ihre Adern. Während sie schrie, schien die Luft um sie herum zu erzittern und zu vibrieren. Ihr war, als würde sie in eine Welt aus Grün und Gelb fallen, die sie verschluckte und ihr die Sicht nahm.

Sie spürte keinen Aufprall, als sie in die Schwärze der Bewusstlosigkeit glitt.

Wie viel Zeit war vergangen, seit Charly in Richtung Hallenboden gestürzt war? Wieso war es so leise, und weshalb meinte sie, einen leichten Wind zu spüren?

Zäh wie Kaugummi bewegten die Gedankenfetzen sich in ihrem Kopf. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sinnvolle Zusammenhänge bildeten und nach und nach ihre Erinnerungen zurückbrachten. Dennoch konnte sie nicht begreifen, was los war. Sie war aus mehreren Metern Höhe gestürzt. Der Hallenboden bestand aus Beton. Wieso also verspürte sie keine Schmerzen? Und wieso lag sie weich auf dem Bauch, statt den kalten, harten Boden im Rücken zu spüren?

Sie versuchte die Augen zu öffnen und stöhnte, als grelles Licht sie blendete. Der Laut klang geradezu animalisch. Tief atmete sie durch, während ihr Lichtpunkte vor den geschlossenen Augen tanzten. Dabei meinte sie genau zu spüren, wie die Luft um sie herum angesogen und wieder fortgepustet wurde. Die ganze Situation wirkte vollkommen diffus. Ob sie im Koma lag? Oder Marc ihr etwas verabreicht hatte, um sie noch mehr zu demütigen?

Marc. Er musste in der Nähe sein. Charly durfte nicht länger liegen bleiben, sie musste hier weg – egal, um welchen Preis. Erneut öffnete sie die Augen und zwang sich diesmal, zu blinzeln, bis sie etwas erkennen konnte. Nach und nach wurden aus den verschwommenen Schemen deutlichere Konturen, dann schließlich scharfe Bilder. Sie sah überall Gras, in der Ferne ein paar Büsche und kleine Bäume, dahinter den Horizont. Wie konnte das sein?

Vorsichtig wollte sie sich auf ihre Arme stützen, um den Kopf besser drehen zu können. Hierzu musste sie die Ellenbogen vorschieben.

Schockiert zuckte sie zurück. Sie hatte erwartet, ihre Hände zu sehen, stattdessen entdeckte sie krallenbewehrte Gliedmaßen in gräulichem Gelb. Sie sahen aus wie monströse Vogelkrallen – und sie hörten genau in dem Moment auf, sich zu bewegen, als Charly erstarrte.

Zögerlich und unendlich langsam hob sie den Kopf, um sich die dazugehörigen, mit schuppenartiger Haut bedeckten Beine anzusehen, die auf halber Höhe mit Federn bewachsen waren. Federn? Tatsächlich! Sie hatte auf rotbraunem Gefieder gelegen. Aber von was für einem Vogel mochten die stammen, und wo kamen diese riesigen Beine her?

Sie ließ ihren Blick weiter wandern. Was sie sah, traf sie wie ein Schlag. Die Beine gehörten zu ihr! Sie waren mit dem verbunden, was ein gefiederter Brustkorb sein musste. Aber das war doch nicht sie! Ihr Kopf fuhr herum. Ihr Körper war eindeutig nicht menschlich. Das Gefieder ging zu Beginn des Rückens in bräunlich schimmerndes Fell über. Sie hatte noch ein zweites Paar Beine, das aussah, als gehöre es einem Löwen. Reglos lag ihr Schwanz im Gras, an dessen Außenseiten je eine angelegte Federreihe zu wachsen schien.

Was sie am meisten schockierte, waren die gewaltigen, ebenfalls rotbraun gefiederten Flügel, die auf Höhe ihrer Schulterblätter aus dem Rücken ihres fremden Körpers wuchsen und ausgestreckt auf dem Boden lagen.

Schlagartig war Charly wach. Ihr Kopf fuhr mehrere Male herum. Überstarke Luftströme peitschten dabei auf sie ein. Sie schielte auf ihre Nase. Nein, nicht Nase – Schnauze! Sie entdeckte auch lange Schnurrhaare, die bei jeder Bewegung bebten.

Das konnte alles nicht wahr sein! Nein, das war nicht sie! Sie musste wirklich im Koma liegen, Wahnträume haben, herumfantasieren … oder hatte sie womöglich alles nur geträumt? Vielleicht hatte sie etwas Verdorbenes gegessen, wie damals, als ihre Mutter gemeint hatte, Hähnchen sei auch nach zwei Wochen noch gesund, und Charly mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus gelandet war? Aber warum wachte sie dann nicht endlich auf, zurück in ihrem richtigen, menschlichen Körper?

Verzweiflung und Panik schlugen über ihr zusammen. Entsetzt legte sie den Kopf in den Nacken und schrie ihre Angst heraus. Der Laut, der aus ihrem Mund – nein, Maul! – kam, erschreckte sie nur noch mehr, sodass ihre animalisch anmutende Stimme einige Tonlagen in die Höhe schnellte. Doch auch das konnte sie nicht dazu bewegen, ihren Schrei verebben zu lassen. Die Furcht hatte sie viel zu fest im Griff.

Sie schrie, bis ihr die Luft ausging, dann atmete sie tief und hektisch ein, nur um sofort von Neuem ihre Angst in den Himmel zu brüllen. War das eine Panikattacke? Oder fühlte es sich womöglich so an, im Koma zu liegen, während der Körper langsam starb? War sie unter Drogen gesetzt worden?

Zeit hatte längst an Bedeutung verloren, als etwas das lautstarke Vibrieren ihrer fremden Stimme durchdrang. Das neue Geräusch kam Charly entfernt vertraut vor, sodass sie nach einem Augenblick verstummte und den Kopf senkte. Ihr Blick wanderte umher und traf den eines anderen. Erschrocken zuckte sie zurück: Nur wenige Meter entfernt stand ein Wesen, das aussah wie sie!

Auf den zweiten Blick wurden doch einige Unterschiede erkennbar. Das fremde Wesen hatte keine Tasthaare an der Schnauze. Sein Kopf sah einem Wolf sehr ähnlich, und die Hinterpfoten schienen ebenfalls eher diesem Tier als einer Raubkatze zugehörig. Seine Schwingen waren angelegt. Das gesamte Wesen war grau, wobei das Gefieder deutlich dunkler war als das Fell.

Charly zog den Kopf ein, bohrte ihre fremden Vorderklauen in den Boden und bemühte sich, sich damit rückwärts von dem Wesen weg zu schieben. Dieses betrachtete sie aus verengten Augen.

»Na geht doch. Man hat ja sein eigenes Wort nicht mehr verstanden. Also, was hast du?«

Geschockt riss Charly die Augen auf. Das Wesen hatte das Maul bewegt, wie Menschen es mit ihren Mündern taten – und sie hatte Worte gehört, ausgesprochen von einer eindeutig männlichen Stimme!

»Du … kannst sprechen!«, krächzte sie heiser, dann verstummte sie, als sie feststellte, dass sie selbst es ebenfalls noch konnte, auch in diesem so fremden Körper.

Der Wolfsartige senkte den Kopf und kam ein paar Schritte näher. Jede seiner Bewegungen drückte Wachsamkeit aus. »Natürlich kann ich sprechen«, brummte er. »Was ist denn mit dir geschehen, hast du dir das flauschige Köpfchen angeschlagen?«

Einen Moment musste Charly darum kämpfen, nicht einfach die Augen zusammenzukneifen in der Hoffnung, es sei alles nur ein Traum und sie würde dadurch aufwachen. »Was bist du?«, fragte sie schließlich mit dünner Stimme.

Ihr Gegenüber hob den Kopf, bis er aus größtmöglicher Höhe auf sie herabblicken konnte. Sein Blick wurde hart, er legte die Ohren an. Als er antwortete, schwang ein deutliches Knurren in seiner Stimme mit. »Hör mal, ich weiß nicht, ob ihr Feliden eine andere Art von Humor habt, aber ich finde das nicht lustig. Bist du nun in Not oder nicht?«

Charly zuckte bei der Feindseligkeit in seinen Worten zurück. »Ich will doch nur nach Hause!«, wimmerte sie.

Der Wolfsartige schien dadurch nur noch mehr in Rage zu geraten. »Nach Hause?«, blaffte er. »Jetzt sperr mal deine Ohren auf: Ich habe keine Lust, einer dahergelaufenen Mieze zuzuhören, nur weil sie nicht in der Lage ist, den richtigen Weg zu finden!«

Er stampfte mit einem seiner krallenbewehrten Vorderläufe auf, woraufhin Charly endgültig die Fassung verlor. Voller Angst bewegte sie die Beine, kroch rückwärts, so schnell es ging. Bloß Abstand von diesem grausigen Wesen gewinnen!

Der Fremde schien etwas sagen zu wollen, dann verfinsterte sein Blick sich schlagartig noch mehr. Im nächsten Moment sprang er ohne Vorwarnung auf sie zu. Entsetzt wollte Charly ausweichen, als sie spürte, wie der Boden unter ihren Hinterbeinen nachgab. Ein Erdbrocken brach unter ihr weg – und dahinter war nichts mehr. Ihre fremden, ungewohnten Hinterpfoten traten ins Leere, ihre sonderbaren Vorderklauen bohrten sich vergeblich in den lockeren Boden. Hilflos rutschte sie rückwärts.

Und dann packte der Wolfsartige sie. Seine Fänge umschlossen fest das Gefieder und die Haut in ihrem Genick, seine Klauen gruben sich in den Boden. Charly erstarrte vor Furcht, doch er knurrte nur unterdrückt und zerrte an ihr. Stück für Stück wurde sie zurück über die Kante gezogen, auf sicheren Boden. Doch der Fremde schleifte sie weiter, bis sie ein gutes Stück von der Kante entfernt lag. Erst dann ließ er sie los und stand keuchend über ihr.

Mehrere Sekunden verharrte er so, dann schnaubte er wütend. »Kannst du nicht auf dich aufpassen?«, fuhr er sie an. »Fast wärst du in die Schlucht gestürzt! Ihr Feliden habt doch angeblich so einen guten Gleichgewichtssinn. Aber einen so leichtsinnigen, lebensunfähigen Greifen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!«

Charlys Blick schoss wie von selbst in die Höhe, um seinem zu begegnen. Die Angst hielt sie weiterhin fest im Griff, doch das Gehörte drang trotzdem tief in ihr Bewusstsein ein. »Gr…Greif?«, hakte sie fassungslos nach.

»Bei allen fernen Bergen, was stimmt nicht mit dir?« Ihr Gegenüber stutzte, dann beugte er sich wachsam zu ihr herunter. Angespannt und starr blieb sie liegen, den Kopf fest auf den Boden gedrückt, als er mit seiner Schnauze in ihrem Gefieder zu wühlen begann und sie am Hals anstieß. »Steh auf«, befahl er knapp und ging einen Schritt zurück, um ihr Platz zu machen. »Los, mach schon!«

Zittrig folgte sie seiner Aufforderung. Sie ordnete ihre Beine, ehe sie sich hochzudrücken versuchte. Das Ergebnis war, dass sie sofort vornüberfiel und unsanft aufschlug. Ihre Schnurrhaare sandten Protestwellen durch ihren Körper. Unter dem harten, unnachgiebigen Blick ihres Retters, wie man ihn wohl nennen musste, versuchte sie es gleich noch einmal. Dieses Mal stützte sie zuerst die Vorderläufe auf, dann drückte sie sich mit den Hinterbeinen in die Höhe. Diese Variante funktionierte tatsächlich. Es gelang ihr, schwankend stehen zu bleiben.

Sofort war der Fremde bei ihr. Den Kopf erneut tief gesenkt, starrte er auf ihre Brust. Langsam beugte er sich vor, stieß etwas mit der Schnauze an. Charly versuchte zu erkennen, was er dort tat. Sie entdeckte einen runden Gegenstand, der ihr vor der Brust hing, ja, wie festgeklebt schien. Selbst, als sie einen unsicheren Schritt zurück machte, um besser sehen zu können, verrutschte er kein Stück.

»Woher hast du das?«, grollte der Wolfsartige dunkel, ohne den Blick von dem Anhänger zu lassen. Charly erkannte diesen schlagartig wieder. Es war das Amulett, das sie ihrer Mutter stibitzt hatte!

»Ich … ich habe es …«, setzte sie stotternd an und brach dann ab. Wie sollte sie das erklären? Sie wusste ja nicht einmal, wo sie hier war.

Der Fremde schien nicht viel Geduld zu haben. »Wo du das herhast!«, verlangte er gereizt zu wissen. Sie zuckte zurück, stolperte und landete unsanft auf dem Hinterteil. Dabei stieß sie ein verschrecktes Fiepen aus, doch ihr Gegenüber schüttelte nur knurrend den Kopf. »Du bist wirklich eine harte Nuss. Jetzt red schon!«

»Ich … es stammt von meiner Mutter«, flüsterte Charly verunsichert. »Bitte, ich weiß doch nicht einmal, wo ich hier bin oder was passiert ist … ich will nur zurück nach Hause!«

»Und woher stammst du?«, fragte der Wolfsartige augenrollend.

»Aus Remmingen.«

»Bitte woher?«

»Remmingen«, wiederholte Charly verzweifelt. »Ich bin kein … Greif oder wie du mich genannt hast. Das hier ist alles falsch! Ich war in der Industriehalle. Marc war auch da. Dann bin ich gestürzt und alles wurde dunkel. Und als ich wieder aufgewacht bin –«

»Schon gut, schon gut!«, fuhr ihr Retter ungehalten dazwischen. »Du bist gestürzt, ja? Hast du dabei den Verstand verloren?«

»Nein! Das hier bin nicht ich, es ist nicht richtig!« Sie drückte sich wimmernd auf den Boden.

Nachdenklich stand er über ihr und betrachtete sie. Ihm in die Augen blicken konnte sie nicht mehr – auch so schüchterte er sie schon viel zu sehr ein. Sie zuckte zusammen, als er plötzlich einen Vorderlauf direkt neben ihrer Schnauze abstellte.

»Steh auf«, sagte er erneut. »Ich muss dich zu Derion bringen. Er wird wissen, was zu tun ist.«

»Derion?«, fiepte sie. »Wer ist das?«

»Komm einfach mit. Er muss sich das ansehen.« Er schob eine Kralle unter ihr Gefieder und berührte damit das Amulett, das vor ihrer Brust hing.

Vorsichtig rappelte Charly sich auf. Dieses Mal gelang es ihr auf Anhieb, auf die Beine zu kommen. Sie hielt den Kopf unsicher gesenkt, wagte jedoch einen vorsichtigen Blick zu ihrem Gegenüber.

Der Wolfsartige seufzte. »Das kann ja was werden …«, murmelte er, bevor er sich abwandte und loslief. »Komm!«, rief er ihr im Weggehen zu.

Vorsichtig machte Charly einen Schritt vorwärts, dann noch einen und noch einen. Ihre Beine zu sortieren war gar nicht so einfach, immerhin waren es nun vier statt der eigentlichen zwei. Als sie jedoch den Kopf hob, um zu sehen, was der Fremde tat, erkannte sie, dass sie sicherer lief, wenn sie nicht versuchte, ihre Schritte durch Augenmaß zu koordinieren. Noch einmal atmete sie tief durch, dann folgte sie dem Dunkelgefiederten, der ungeduldig auf sie gewartet hatte. Wortlos lief er voraus, wartete nur alle paar Augenblicke, bis sie wieder aufgeholt hatte. Er war sichtbar unruhig.

Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Sie spähte zu ihm herüber, und als sie ihn fast erreicht hatte und er sich gerade wieder in Bewegung setzen wollte, überwand sie sich, ihn anzusprechen. »Hast du das eben … ich meine, als du dieses Wort gesagt hast … war das …« Hilflos verstummte sie. Zu groß war die Angst vor seiner Antwort.

»Welches Wort?« Schon wieder dieses genervte Augenverdrehen.

»Greif«, flüsterte Charly.

Schlagartig blieb der Fremde stehen. Sein Blick bohrte sich in ihren, forschend und dunkel. »Du meinst das ernst? Alles?« Als sie nur hilflos nickte, ließ er den Blick über ihren Körper gleiten und setzte sich dann kopfschüttelnd wieder in Bewegung. »Ja, natürlich bist du ein Greif. Schau dich doch einmal an! Du bist eindeutig eine Felide. Ein Katzengreif. Und damit hast du in dieser Gegend eigentlich nichts verloren. In diesem Teil der Sonnenebene streifen wir Caniden umher. Wolfsgreife, verstehst du? Manche von ihnen würden dich in der Luft zerfetzen, wenn sie dich sehen. Erst recht, wenn du um Hilfe rufst und sinnloses Zeug brabbelst. Alles klar?«

So viel hatte er vorher nicht ansatzweise gesagt, zumindest nicht am Stück. Charly konnte erneut nur stumm nicken. Seine Erklärung hatte ihre Angst gesteigert, doch das war nicht das Schlimmste. Was ihre Furcht am meisten nährte, waren seine ersten Worte gewesen. Dieser fremde Körper, in dem sie steckte … Sie war ein Greif? Mitten in dieser Sonnenebene, von der sie noch nie gehört hatte? Was war nur geschehen?

Erst nach einigen Sekunden merkte sie, dass das fremde Wesen – nein, der Greif – sie fragend anblickte. Als sie verständnislos blinzelte, wiederholte er, was er offenbar zuvor schon gesagt hatte: »Wenn du sagst, dass das hier alles falsch ist, du eigentlich gar kein Greif bist und nicht hierher gehörst – was bist du dann, deiner Meinung nach?«

Charly schluckte. Sie konzentrierte sich einen Moment lang darauf, die Muskeln in den Flügeln anzuspannen, damit diese sperrigen, widerspenstigen Schwingen nicht herabhingen und am Boden schleiften. Dann überwand sie sich zu der unvermeidlichen Antwort. »Ich bin ein Mensch!«

Am Blick ihres Gegenübers erkannte sie, dass dies keine Antwort war, die er erwartet hatte. Kannte er Menschen überhaupt?

»Wie heißt du, Flausch?«

»Flausch?«

»Ja, weil dein Flauschköpfchen offenbar so verwirrt ist. Also?«

»Mein Name ist Charly.«

»Nun, Charly, ich glaube, wir sollten uns beeilen, zu Derion zu kommen.« Mit diesen Worten lief der Greif weiter voran.

»Warte!«, rief sie und bemühte sich, mit ihm schrittzuhalten. »Und wie heißt du?«

Er seufzte, dann schwieg er kurz, bevor er knapp Antwort gab. »Lero.« Anschließend zog er wieder davon und machte damit deutlich, dass er kein Interesse an einer Weiterführung ihres Gesprächs hatte.

Es verging bestimmt eine halbe Stunde, in der Lero Charly über die Ebene führte. Ihr kam es mehr wie eine Ewigkeit vor. Alles war so fremd; weit und breit nichts als sanfte Hügel, wogendes Gras und dann und wann ein paar einzeln stehende Bäume. Und vor allem: keine Spur von Menschen. Natürlich nicht. Wenn sie wirklich nicht mehr in Remmingen war …

Erst waren ihre Schritte sicherer geworden und sie hatte langsam ein Gleichgewicht und einen gleichmäßigen Bewegungsablauf gefunden, sodass es leichter geworden war, dem dunkelgrauen Greifen zu folgen. Bald jedoch hatte die ungewohnte Bewegung auf vier Beinen ihren Tribut gefordert. Mittlerweile brannten ihre Gelenke wie Feuer; erneut waren ihre Schritte unsicher. Mehr als einmal stolperte sie, fiel zu Boden und musste sich wieder aufrappeln. Lero schien dies kaum zu bemerken. Er grunzte nur unwirsch, wenn sie ihn endlich eingeholt hatte, und lief dann weiter. Auch vorher waren seine Gesichtszüge nicht gerade offen gewesen, doch nun wirkte es, als sei er tief in sich selbst zurückgezogen.

Endlich blieb er stehen, sah sich nach ihr um und meinte: »Wir sind da.« Charly hob erleichtert den Blick – und erstarrte.

Vor ihnen zog sich ein tiefer Spalt durch die Ebene, viel zu breit, als dass jemand hätte hinüberspringen können – schon gar nicht sie selbst. Ob es so ein Spalt gewesen war, in den sie vorhin beinahe gefallen wäre? Bei der Vorstellung wurde ihr ganz anders. Vorsichtig tastete sie sich zur Kante vor und spähte ein winziges Stückchen hinüber. Für ihren Geschmack ging es deutlich zu tief hinunter. Das waren sicher hundert Meter!

Lero machte durch ein kurzes Räuspern auf sich aufmerksam, nickte nach rechts und trat auf einen schmalen Vorsprung. Erst jetzt erkannte Charly, dass das Gestein an dieser Stelle vom Regen ausgewaschen worden war. Die langgezogene Kerbe in der Felswand sah beinahe aus wie ein Pfad, der sich sanft abwärts neigte – hinunter in die Schlucht.

»Das kann nicht dein Ernst sein!«, flüsterte Charly entgeistert. Der Greif blieb stehen und wandte genervt den Kopf.

»Das siehst du doch. Derions Höhle liegt auf halber Höhe. Also hör auf zu jammern und komm.«

»Ich gehe da nicht runter! Ich kann mich ja so schon kaum auf den Beinen halten.«

Lero atmete tief durch, dann ging er das kurze Stück rückwärts zurück auf sicheren Boden und drehte sich zu ihr um. Vielsagend nickte er in Richtung ihrer Schwingen. »Die da werden dich erst recht nicht tragen«, höhnte er. Sein Blick bohrte sich fest in ihren. »Du gehst da jetzt runter, verstanden? Du wirst schon nicht fallen, wenn du aufpasst. Derion muss sich das ansehen, also werde ich dich hier nicht weggehen lassen! Wo sollst du auch hin?« Er lachte kurz auf.

Das Geräusch erinnerte Charly an Marc; es ließ sie zusammenzucken. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, als sie unter dem stechenden Blick des Dunkelgrauen zu dem Pfad trippelte und vorsichtig einen ihrer Vorderläufe daraufsetzte. Von Nahem erkannte sie, dass die Wände keineswegs aus hartem, unnachgiebigem Fels bestanden, sondern aus bröckeligem Kalkstein oder etwas Ähnlichem. Ihre Krallen schabten leise auf dem Untergrund, ihr Schwanz streifte immer wieder an kleinen Kanten und Vorsprüngen entlang. Charly hielt den Blick fest auf den Pfad geheftet, nicht auf die gähnende Leere daneben. Beim Gedanken daran, wie knapp sie einem Sturz vorhin entgangen war, wäre sie fast ins Straucheln geraten. Sie schluckte und hielt verängstigt inne.

Hinter ihr erklang das Geräusch eines kleinen Steinchens, das sich aus der Seitenwand löste und über die Kante fiel. »Nicht stehenbleiben!«, grunzte Lero unwirsch.

Unendlich langsam folgte sie seinem Befehl. Ihre Beine begannen zu zittern; bei jedem Schritt hatte sie das Gefühl, als wollten die ihr fremden Pfoten unter ihr nachgeben und sie so in die Tiefe reißen.

Und dann war es vorbei. Auf einmal wurde der Pfad vor ihr breiter und öffnete sich zu einem geräumigen Plateau. Charly riss sich zusammen und schleppte sich mit letztem Willen dorthin, bevor sie zitternd stehenblieb. Sie war mit den Kräften am Ende und kurz davor, einfach zusammenzubrechen.

Lero schob sich wortlos an ihr vorbei, wobei sein Gefieder und Fell an ihrem entlangstrichen. Von hinten erkannte sie, dass seine Rute eher kurz und struppig war, die Federreihen an den Seiten breit und kurz, während ihr eigener Schwanz länger und schlanker war und die Federreihen so lang und dünn, dass sie ihn problemlos bewegen konnte.

Doch nun blieb keine Zeit mehr für weitere Beobachtungen. Angestrengt und mit schwerem Atem schleppte sie sich in die Höhle, deren runder Eingang sich vor ihr auftat. Einige Stalagmiten ragten aus dem Boden, während ihre Gegenstücke von der Decke hingen. Alles war in dämmriges Licht getaucht.

Lero schien sich hier auszukennen. Ohne zu zögern, durchquerte er die kleine Höhle und glitt durch einen schmalen Durchgang in eine zweite, etwas größere Kammer. Dort regte sich etwas. Charly konnte Flügelrascheln und fremdes Atmen hören. Sie spitzte die Ohren und stellte fest, dass ihr Gehör hervorragend war und sie ziemlich genau orten konnte, von wo die Geräusche kamen. Trotz ihrer Erschöpfung und ihrer Angst war sie ein wenig fasziniert.

»Lero«, ertönte eine tiefe, ruhige Stimme. »Was führt dich zu mir? Und wieso bringst du eine Felide mit?«

»Derion, du musst dir etwas ansehen«, antwortete der Angesprochene. Seiner Stimme war anzuhören, wie drängend er die Angelegenheit fand, dennoch klang aus ihr zu Charlys Überraschung auch Respekt heraus. »Ich habe sie in der Ebene gefunden, sie schrie um Hilfe. Als ich mich ihr näherte, wäre sie fast in eine Schlucht gestürzt. Sie ist verstört und redet sinnloses Zeug. Aber du musst dir ansehen, was sie um den Hals trägt. Vor ihrer Brust!«

Etwas regte sich im dunklen, hinteren Teil der Höhle, dann trat ein weiterer Greif ins dämmrige Licht. Er hatte einen Wolfskopf wie Lero, war jedoch etwas kleiner und nicht so kräftig gebaut. Sein Gefieder glänzte geradezu silbern, sein Fell war fast weiß. Seine dunklen Augen waren von einem milchigen Schimmer überzogen, seine Schnauze grau. Er musste bereits sehr alt sein.

Nun kam er auf sie zu. Seine Bewegungen waren langsam, aber flüssig, sein Blick war ebenso ruhig wie seine Stimme. »Hallo, ich bin Derion, Canidenältester und Seher. Wie heißt du?«

»Charly«, antwortete sie. Nervös beobachtete sie die Reaktion des alten Greifs, als er den Anhänger entdeckte.

»Darf ich?«, fragte er, streckte den Kopf vor und berührte das Schmuckstück vorsichtig mit der Schnauze. Er tastete es regelrecht ab, ehe er den Kopf zurückzog und stattdessen mit einer Vorderklaue über die Kette fuhr, an der es hing. Er zupfte an den einzelnen Gliedern und legte überrascht den Kopf schief. »Hast du gemerkt, dass es festsitzt?«, fragte er seinen Artgenossen über die Schulter.

»Es sitzt fest? Auch die Kette?« Überraschung sprach aus Leros Stimme; er sprang heran und überzeugte sich selbst von dem, was der Seher gerade gesagt hatte. Unsanft zog er an der Kette, griff auch nach dem Anhänger.

Charly verfiel beinahe wieder in Schockstarre, da schob Derion den jüngeren Wolfsgreifen entschieden fort. »Lass mich das machen.« Er wandte sich wieder an Charly. »Was hast du in der Ebene gemacht?«

»Ich … ich weiß es nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Ich habe es schon gesagt, das hier bin nicht ich! Ich bin kein Greif, und ich war noch nie hier! Ich bin verfolgt worden, dann bin ich gestürzt, und als ich wieder aufgewacht bin, lag ich so im Gras.«

»Und was warst du vorher? Was bist du eigentlich?«, stellte Derion dieselbe Frage wie Lero kurz zuvor. Dass er dabei ruhig und freundlich blieb, machte Charly etwas Mut.

»Ich bin ein Mensch. Ich komme aus Remmingen, das ist eine kleine Stadt in Norddeutschland. Von dieser Sonnenebene habe ich noch nie gehört!«

Der Alte schnappte nach Luft und verengte kurz die Augen, bevor er sich zur Ruhe zu mahnen schien. »Charly, es ist wichtig, dass du mir genau sagst, woher du dieses Amulett hast. Weißt du, was sich dahinter verbirgt? Und wieso ist es regelrecht mit dir verschmolzen?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich meine …« Sie kam ins Stottern. »Es gehört meiner Mutter. Ich habe es mir nur ausgeliehen, um einen Jungen zu beeindrucken. Es ist schon seit Generationen bei uns in der Familie, wurde mir immer erzählt.«

»Und deine Mutter ist ebenfalls ein Mensch, nehme ich an?«

»Ja, natürlich!« Worauf wollte dieser Greif nur hinaus? Er wirkte besorgt.

»Und?«, fragte Lero im Hintergrund.

»Das gefällt mir nicht«, gab der Alte mit gedämpfter Stimme zurück. »Charly, wieso lässt sich das Amulett nicht von dir lösen?«

»Ich weiß es nicht! Als ich es umgelegt habe, war noch alles normal!« Angst drohte sie zu lähmen. »Was ist damit? Was ist mit mir?«

Der alte Wolfsgreif schüttelte langsam den Kopf. »Weißt du, was das ist? Ein altes Artefakt, das von Vorfahren der heutigen Greife vor Ewigkeiten erschaffen wurde. Und mit Ewigkeiten meine ich, was ich sage. Unsere Vorfahren damals waren mächtig und verstanden es, ihre Kraft zu bannen. Doch ein einzelnes Artefakt war ihr Meisterstück: Zyrion, das Amulett der Greife. Es ist das einzige Artefakt, das einen Namen erhielt. Und so schwer ich es auch glauben kann – es scheint, als würdest du dieses Amulett, das seit Jahrtausenden verschollen ist, um deinen Hals tragen.«

Geschockt starrte Charly ihn an. »Ein altes Greifenartefakt? Aber das kann nicht sein! Es gibt doch überhaupt keine Greife, ich meine …« Sie verhaspelte sich, als sie sah, wie Lero mit den Augen rollte. »Bei uns nicht, zu Hause. Auf der ganzen Welt nicht!«

»In der Welt«, korrigierte Derion sie sanft. »Nein, in eurer Welt gibt es unsere Rasse nicht, aber in unserer, in Aréa, schon. Dafür gibt es hier keine Menschen. Weißt du, die Legende von Zyrion erzählt, dass es zwei Welten gibt, die dicht beieinander liegen. Dieses Amulett ist in der Lage, zu einer Überschneidung der Welten zu führen. Es kann ein Tor erzeugen, durch das man von einer in die andere Welt wechseln kann – ein mächtiges Artefakt, das nicht in die falschen Klauen geraten darf. Jedoch ist es auch schwer, es zu benutzen, so sagt es zumindest die Legende. Wissen kann es heute niemand mehr, immerhin war Zyrion für so lange Zeit verschollen. Doch nun …« Er tippte das Schmuckstück sanft an. »Was ich nicht verstehe ist, weshalb Kette und Anhänger mit dir verschmolzen sind. Wenn du wirklich ein Mensch bist, musst du durch ein Tor gefallen sein. Vielleicht wurdest du so zur Greifin. Zyrion könnte deinen Körper dieser Welt angepasst haben. Doch selbst dadurch dürfte es nicht festsitzen. Das ist schier unmöglich!« Nachdenklich inspizierte er die Kettenglieder erneut.

»Dann glaubst du ihre Geschichte?«, hakte Lero argwöhnisch nach.

»Es passt dazu, dass die Greife, die Zyrion damals stahlen, aus Aréa in die menschliche Welt geflohen sein sollen. Und sieh sie dir doch einmal an. Sie kann kaum stehen und schlottert vor Angst. Schau in ihre Augen, Lero. So eine Furcht und Verwirrung kann man nicht vorspielen. Ich fürchte, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass das Amulett mit ihr in unsere Welt zurückgekehrt, sie jedoch mit seinem Schicksal verwoben ist.«

»Wie meinst du das?«, wagte Charly zu fragen. »Schicksal? Welches Schicksal?«

Derion seufzte. »Kleines, du hättest zu keinem unpassenderen Zeitpunkt in unsere Welt stolpern können. Das Amulett folgt dem magischen Zyklus Aréas. Und dieser erreicht zur Magiewende, in der Nacht des längsten Mondlaufs, seinen Höhepunkt.«

Kurz überlegte Charly, was eine Magiewende war. Die Nacht des längsten Mondlaufs … also der kürzeste Tag des Jahres? Die Wintersonnenwende? Im vergangenen Jahr hatte es an ihrer Schule eine Party dazu gegeben, irgendwann kurz vor Weihnachten.

Derions nächste Worte ließen sie ihre Grübeleien auf einen Schlag vergessen. »Es wird erzählt, dass das Amulett sich in diesem Augenblick in einem gewaltigen Energiestoß entlädt, damit es in den darauffolgenden Mondwechseln frische Magie absorbieren kann. Und wenn es sich nicht von dir lösen lässt …«

Charly keuchte auf. »Es wird sich entladen, während ich es um den Hals trage?«, quietschte sie entsetzt.

»Wenn du keinen Weg findest, es zu entfernen: ja, vermutlich. Der Energiestoß würde dich umbringen.«

»Nein!«, schrie sie panisch auf. »Nein! Ich will nicht sterben!«

Lero trat wieder zu ihnen. Auch er wirkte fassungslos. Derion blinzelte sie unterdessen bekümmert an. »Ich fürchte, es ist so. Du musst eine Möglichkeit finden, das Amulett abzulegen. Aber bis zur Magiewende bleiben nur noch zwei Mondwechsel, das ist erschreckend wenig Zeit.«

»Was soll ich tun?«, flehte Charly und betete, dass der alte Greif eine Antwort wusste.

»Ich kann es dir nicht sagen«, zerstörte der Alte schon in der nächsten Sekunde ihre Hoffnungen. »Ich kenne nur die Legenden über das Amulett und spüre, dass dem Anhänger um deinen Hals mächtige Magie innewohnt. Es muss Zyrion sein. Doch darüber hinaus kenne ich mich damit nicht aus.« Er wandte den Blick ab, doch dann zögerte er. Als Charly ihn bettelnd anblickte, neigte er nachdenklich den Kopf. »Ich kann dir wirklich nicht helfen, doch ich habe von jemandem gehört, der es vielleicht kann. Die es vielleicht kann, um genau zu sein. Im Norden, eine weite Strecke von hier entfernt, ragt ein einzelner Berg über das Land, der Graue Spiegel. In einer Höhle an seinen Hängen soll eine Seherin wohnen, die älter ist, als jeder normale Greif sein dürfte. Es heißt, sie kenne sich mit den Legenden Aréas besonders gut aus, vor allem aber mit dem Amulett Zyrion. Vielleicht weiß sie eine Lösung.«

Ein winziger Hoffnungsschimmer glomm in Charlys Brust auf. Ungeduldig lehnte sie sich vor. »Und? Wie finde ich zu diesem Berg und der Seherin? Sag schon!«

»Du bist also gewillt, es zu versuchen? Bedenke, dass du keine Garantie hast, dass sie dir helfen kann. Allerdings sehe ich auch keine andere Möglichkeit für dich, das Amulett ablegen und heimkehren zu können.«

»Ich will es wenigstens versuchen«, bestätigte sie. »Was habe ich denn zu verlieren? Hilf mir. Sag mir, wie ich zu ihr gelange!«

Der alte Greif versank abermals in Schweigen, dachte offenbar nach. Schließlich hob er den Kopf und blickte sie aus ruhigen Augen an. »Du wirst dich beeilen müssen, kleiner Menschengreif. Dir bleibt nicht viel Zeit. Lero wird dich führen.«

Der letzte Satz schlug ein wie eine Bombe. Der genannte Wolfsgreif zuckte zusammen und riss den Kopf in die Höhe. Empörung und Wut spiegelten sich in seinem Blick. »Das kann nicht dein Ernst sein!«, rief er fassungslos aus.

Derion ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Es ist mein Ernst. Du bist jung, aber auch stark und mutig. Diese Reise ist es, die dich lehren wird, was dir für das Leben noch fehlt.«

»Fehlt? Mir fehlt überhaupt nichts! Ich komme problemlos allein zurecht! Ich spiele doch nicht den Aufpasser für dieses flauschköpfige, nicht lebensfähige Ding!«

»Lero, vergiss nicht, dass sie neben dir steht«, maßregelte der alte Wolfsgreif. »Sie kann außerdem nichts dafür. Falls du dich erinnerst, ist dies ihr erster Tag als Felide.« Er richtete sich auf und ließ mehr Autorität in seiner Stimme mitschwingen. »Du wirst sie begleiten und führen. Du wirst ihr zeigen, was sie zum Überleben wissen muss, und du wirst sie beschützen, bis sie den Berg erreicht hat und das Amulett von ihrem Hals gelöst ist. Du trägst damit eine große Verantwortung, nicht nur für sie, sondern auch für Zyrion. Du wirst daran wachsen. Und vielleicht – ja, vielleicht wirst du sogar in unsere Legenden eingehen als derjenige, der das Amulett wiederfand. Wie auch immer, in jedem Fall wirst du den Auftrag erfüllen, den ich dir gegeben habe.«

Lero schnappte nach Luft. »Aber – sie kann doch nicht einmal fliegen!«, empörte er sich. »Wie bei allen fernen Bergen soll ich sie rechtzeitig zum Grauen Spiegel bringen? Das ist unmöglich!«

Derions Blick wurde milder. »Sie ist jung, sie kann lernen«, antwortete er. »Lero, du bist nicht gezwungen, meinen Worten Folge zu leisten. Dennoch weiß ich, dass du dich meiner Aufforderung nicht widersetzen wirst. Ist es nicht so?«

Der Dunkelgraue senkte widerwillig den Kopf. »Es ist so«, brummte er nach einer Weile.

»Na also, es geht doch. Ihr solltet sofort aufbrechen, immerhin werdet ihr die erste Strecke auf euren vier Beinen hinter euch bringen müssen. Denk daran, rechtzeitig Rast zu machen, sodass du ihr das Fliegen beibringen kannst.«