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Beim Kostümfest des Generalkonsuls Garrigas in New York wird die Schwägerin des Gastgebers ermordet. Und Chefinspektor David Brewer braucht nicht einmal allzu viel Spürsinn, um die Gäste zu durchschauen: viel Demi-monde, versteckt hinter klingenden Namen. Betrüger, Diebe und ein Mörder. Oder waren es zwei?
Frank Arnau, geborener Heinrich Karl Schmitt, auch Harry Charles Schmitt (* 9. März 1894 bei Wien, Österreich-Ungarn; † 11. Februar 1976 in München), war ein schweizerisch-deutscher Schriftsteller.
Der Roman Das andere Gesicht erschien erstmals im Jahr 1961.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
FRANK ARNAU
Das andere Gesicht
Roman
Apex Crime, Band 254
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS ANDERE GESICHT
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Beim Kostümfest des Generalkonsuls Garrigas in New York wird die Schwägerin des Gastgebers ermordet. Und Chefinspektor David Brewer braucht nicht einmal allzu viel Spürsinn, um die Gäste zu durchschauen: viel Demi-monde, versteckt hinter klingenden Namen. Betrüger, Diebe und ein Mörder. Oder waren es zwei?
Frank Arnau, geborener Heinrich Karl Schmitt, auch Harry Charles Schmitt (* 9. März 1894 bei Wien, Österreich-Ungarn; † 11. Februar 1976 in München), war ein schweizerisch-deutscher Schriftsteller.
Der Roman Das andere Gesicht erschien erstmals im Jahr 1961.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Das Auto der Mordkommission bog mit heulenden Sirenen von der Center Street ab, kreuzte den Broadway, fuhr die 4th Avenue und raste die Lexington Avenue in nordöstlicher Richtung entlang. Dicht hinter dem Fahrzeug, in dem Chefinspektor David Brewer, der Polizeiarzt Dr. Richard Kennedy, Jason Gatsky und Will Lowett saßen, folgte der Laboratoriumswagen mit den Spezialisten.
Der Chefinspektor sah auf seine Armbanduhr:
»Null Uhr vierundvierzig in der Nacht von Dienstag, dem siebzehnten, auf Mittwoch, den achtzehnten August.«
»Wissen Sie Näheres?«, fragte Doc Kennedy.
Brewer hielt sich mit der linken Hand am Griff fest.
»Die Meldung, die das Revier durchgab, besagte lediglich, im Haus des Generalkonsuls Juan Garrigas sei eine Frau ermordet worden. Die Tat geschah während eines Maskenfestes, das der Bankier unter dem Motto Spanien in New York - er ist iberischer Abstammung - für seine Freunde veranstaltete.«
Doc Kennedy lehnte sich in den Fond zurück.
»Wären Sie Polizeiarzt geworden, Brewer, anstatt Kriminalbeamter, so hätten Sie es leichter. Bei mir beginnt die Tätigkeit am Tatort und endet kurz darauf am Seziertisch. Der Rest ist höchstens ein kleines Nachspiel im Zeugenstand. Mit dem Obduktionsbefund kann ich den Fall ad acta legen. Meine Zeugenaussage ist weiter nichts als eine mündliche Wiederholung dessen, was ich bereits schriftlich festgelegt habe. Aber Sie, mein Freund, müssen Tage und Nächte nach dem Mörder suchen, oft wochenlang.«
Der Fahrer riss den Wagen nach rechts, fuhr durch das hohe schmiedeeiserne Tor, die Anfahrt bis zum Hauptportal des zweistöckigen, breitausgelegten Herrschaftshauses hinauf, dessen Fassade und massive Bauart den überladenen Stil der Gründerzeit New Yorks um die Jahrhundertwende erkennen ließen.
Auf dem Parkplatz, der sich dem Weg zum Hintereingang anschloss, stand eine Reihe von Luxuslimousinen.
Am Hauptportal empfing sie ein uniformierter Polizist.
Brewer zeigte seinen Ausweis. Der Mann hob die Hand an den Mützenrand. »Seit meinem Eintreffen hat niemand das Haus verlassen oder betreten. Der Lieferanteneingang steht ebenfalls unter Bewachung. Am Tatort befindet sich Sergeant Copper.«
Brewer nickte und betrat, vom Polizeiarzt und seinen beiden Mitarbeitern gefolgt, den mächtigen Raum.
In der hell erleuchteten Halle, deren Hintergrund eine breite Treppe bildete, unterhielten sich einige kostümierte Herren. Auf den ersten Blick wirkten sie wie Akteure auf einer Bühne.
Die lebhaften, ja erregten Gespräche der in Gruppen neben der Treppe stehenden Herren erstarben beim Erscheinen Brewers und seiner Begleiter.
»Soll ich mit meinen Leuten gleich an die Arbeit gehen, oder wollen Sie sich zuerst mit Doc Kennedy umsehen?«, fragte Collins, der dem Chefinspektor im Fahrzeug des Polizeilabors schnell nachgeeilt war, während seine Mitarbeiter verschiedene Geräte vom Spezialwagen der Mordkommission abluden.
»Es ist besser, Sie warten hier in der Halle, Doc. Wahrscheinlich werden durch die vielen Gäste sowieso alle Fußabdrücke und manche anderen Spuren verwischt worden sein. Gatsky, Sie kommen mit mir. Sie, Lowett, sehen zu, dass die Gäste hübsch in einem Raum zusammenbleiben. Höflich - aber entschieden.«
Über die breite Treppe kam schnaufend, so schnell es seine gedrungene Gestalt erlaubte, ein Mann in dem phantastischen Kostüm eines spanischen Granden herunter. Das goldbetresste Gewand schimmerte wie das eines Heldentenors in einer unter südlichen Sternen spielenden Oper. Seine linke Hand hielt krampfhaft einen eleganten Degen weit von seinen Beinen. Offenbar befürchtete er, über ihn zu stolpern.
»Garrigas«, stellte sich der untersetzte Herr atemlos vor. Er fügte schnell hinzu: »Generalkonsul Garrigas. Ich nehme an, dass Sie...«Er sah einen Augenblick unschlüssig den Chefinspektor, den Arzt und die beiden Polizisten an. -
»Brewer von der Mordkommission«, klang es sehr knapp. Der Chefinspektor reichte dem Hausherrn kurz die Hand. »Polizeiarzt Dr. Kennedy - meine Mitarbeiter Gatsky und Lowett.« Er blickte den Konsul an. »Bitte führen Sie uns zum Tatort.«
Garrigas, dessen Gesicht stark gerötet war, deutete nach oben.
»Im ersten Stock.« Während er voranschritt, drehte er immer wieder den Kopf zu den Beamten. »Es ist fürchterlich - ein entsetzlicher Schlag gerade jetzt musste so etwas geschehen, wo ich über den Erwerb der Aktienmehrheit des Olympic-Warenhauses verhandle! Ausgerechnet in meinem Hause ein Mord! Es wird meinen Kredit schädigen! Und dann die Börse - die Presse...«
Brewer unterbrach: »Ich verstehe, Mister Garrigas.«
Der Hausherr führte die kleine Gruppe den Korridor entlang. Die vorletzte Tür auf der rechten Seite war geöffnet. An ihren linken Pfosten gelehnt, stand eine hochgewachsene Gestalt, die beim Nahen der Gruppe auf den Gang trat.
»Sergeant Copper, Chefinspektor. Sie brauchen Ihren Namen nicht erst zu nennen, ich kenne Sie von meiner Dienstzeit in der Daktyloskopie in der Center Street.«
Brewer nickte kurz und sah zum Hausherrn.
»Bitte kehren Sie zu Ihren Gästen zurück und warten Sie dort auf mich.«
Garrigas wollte etwas erwidern, besann sich aber und ging unwillig den Korridor zurück.
Brewer betrat das Zimmer.
Die drückend feuchtheiße Luft dieser New Yorker Augustnacht war geschwängert vom Duft eines schweren exotischen Parfüms.
Auf der Perserbrücke lag regungslos eine Frauengestalt.
Neben einem kunstvoll gearbeiteten Schreibtisch stand in dem schwach erleuchteten Raum ein als Apache kostümierter Mann. Die obere Gesichtshälfte war durch eine Maske verhüllt. Die Erscheinung wirkte gespenstisch.
Dann fiel dem Chefinspektor ein, dass es natürlich ein Teilnehmer des Maskenfestes war, der diese Verkleidung gewählt hatte.
Brewer zögerte etwas, wandte sich an den Polizeiarzt. »Untersuchen Sie das Opfer.«
Er deutete auf die zwischen der Bibliothek und der Längswand des Schreibtisches ausgestreckte junge Frau im Kostüm einer andalusischen Tänzerin.
Doc Kennedy beugte sich über die Tote, kniete neben ihr nieder. »Das scheint ein einfacher Fall zu sein.«
Brewer fragte den Apachen in schnell aufeinanderfolgenden Sätzen: »Wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher? Was haben Sie hier am Tatort zu suchen?« Er fügte hinzu: »Vor allem, nehmen Sie Ihre Maske ab. Ich sehe gern das Gesicht meines Gegenübers. Und außerdem ist es längst Zeit zur Demaskierung, auch für jene, die es etwa vergaßen.«
Der Mann schien zu überlegen. Nach einigem Zögern nahm er die Seidenlarve mit einer resignierten Bewegung ab. Infolge der nunmehr sichtbar gewordenen ungewöhnlich starken Brauen und tiefliegenden dunklen Augen wirkte das bis dahin beinah zur Hälfte verdeckte Antlitz völlig verändert. Die Stimme des Mannes klang blechern.
»Mein Name ist Graham P. Higgins.«
Brewer winkte Gatsky. »Nehmen Sie diesen Herrn in Ihre Obhut. Sorgen Sie dafür, dass er mit niemandem spricht.«
»Los«, sagte der Beamte und legte seine Hand auf Higgins’ Arm.
Der Apache gehorchte mit einem gleichgültigen Achselzucken und verließ mit dem Beamten, der ihn etwas unsanft vor sich herschob, das Zimmer.
Der Polizeiarzt erhob sich, stellte sein schwarzes Köfferchen auf den kleinen Rauchtisch neben dem Kamin.
»Saubere Arbeit. Mit großer Kraft und ganz präzise geführter Dolchstoß. Die Klinge hat zweifellos das Herz getroffen. Es trat sehr schnell eine innere Verblutung ein. Das Fehlen nennenswerten Blutaustritts deutet klar darauf hin, dass der Dolch erst aus dem Stichkanal gezogen wurde, nachdem die innere Blutung fast zu Ende war. So wirkte die Klinge wie ein Stopfen, der den Austritt des Blutes verhindert. Nach dem Einstich zu urteilen, läuft der Stich eindeutig von rechts nach links, was mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der Täter Rechtshänder war.«
Der Chefinspektor fragte: »Würden Sie das im Zeugenstand unter Eid aussagen?«
»Dass er Rechtshänder war? Aber gewiss.«
»Steht die Todesursache einwandfrei fest?«, fragte Brewer weiter.
»So einwandfrei wie nur möglich. Ich kann Ihnen den Befund morgen Vormittag durchgeben.«
»Können Sie schon den Zeitpunkt der Tat annähernd angeben?«
»In diesem Fall ziemlich genau.« Doc Kennedy blickte auf seine Armbanduhr: »Es ist zehn Minuten vor eins. Juanita Garrigas wurde nicht vor dreiundzwanzig Uhr zwanzig und nicht nach dreiundzwanzig Uhr fünfzig erstochen.«
»Und welche Waffe verwendete der Mörder? Da sie weder in der Wunde steckt noch in der Nähe der Toten zu sehen ist, dürfte sie der Täter versteckt oder mitgenommen haben.«
Kennedy sah den Chefinspektor spöttisch an.
»Ich vermute, dass ein Dolch mit zweischneidiger Klinge verwendet wurde. Es könnte aber auch ein mittelgroßes Messer mit feststellbarer Klinge gewesen sein. Ein Brieföffner wäre nicht auszuschließen.«
Brewer beugte sich über die tote Juanita.
»Bemerkten Sie, Doc Kennedy, die kleine Hautabschürfung am Hals der Ermordeten?« Er deutete in Richtung der linken Schulter Juanitas, dicht beim Halsansatz.
Der Polizeiarzt betrachtete die Stelle an ihrem Hals.
»Ich halte es für sicher, dass dieser Kratzer ziemlich frisch ist. Es lässt sich keinerlei Veränderung an der verletzten Hautoberfläche feststellen.«
»Noch eine Frage, Doc! Wäre es auch möglich, dass die Verletzung nach Eintritt des Todes erfolgte?«
»Wohl kaum.«
Der Arzt ging mit den ihm eigenen kurzen Schritten zur Tür.
Brewer wollte noch etwas sagen, unterließ es aber. Stattdessen fragte er den Sergeant: »Hat irgendjemand außer Ihnen den Raum betreten?«
»Nein. Ich meine, keinesfalls, nachdem ich an dieser Tür Posten bezog. Ich traf mit den beiden Polizisten knapp sechs Minuten nach dem Telefonanruf beim Revier hier ein. Unten in der Halle war großes Durcheinander. Die Leute liefen hin und her. Einige protestierten, als ich erklärte, niemand dürfe das Haus verlassen. Ich stellte beide Ausgänge unter Bewachung. Als mich Garrigas zu dieser Tür führte, stand an der Schwelle ein Mann, der sich als konzessionierter Privatdetektiv, Inhaber der Agentur Argus, auswies. Der Name...« - Copper nahm sein Notizbuch, blätterte - »...William Barning, Register Nr. 741. Er war als Domino maskiert und trug eine Seidenlarve.«
Brewer fragte erstaunt: »Was hatte denn ein Privatdetektiv hier zu tun?«
»Der Hausherr wollte sicherheitshalber für den heutigen Abend einen besonderen Schutz haben, da einige Damen sehr wertvollen Schmuck trugen. Er beauftragte die Agentur Argus. Barning, der mit einem Mitarbeiter gekommen war, entdeckte den Mord. Er überraschte den als Apachen verkleideten Mann neben der Toten. Er hinderte ihn mit der Waffe in der Hand, sich zu entfernen. Übrigens, ich stellte auch gleich fest, dass Barnings Waffenschein in Ordnung ist.«
»Ich kenne ihn«, bemerkte der Chefinspektor, »er ist der Besitzer einer der wenigen wirklich zuverlässigen Agenturen. - Okay, gehen Sie hinunter, Sergeant, und sagen Sie den Leuten vom Labor, dass sie heraufkommen können.«
Brewer trat nochmals zu dem Opfer.
Auf den ersten Blick wirkte Juanita wie in friedlichem Schlaf. Ihr ebenmäßiges Gesicht lag im matten Licht der Schreibtischlampe.
Auf der gleichmäßig gebräunten Haut ihrer schön geformten, in dem tiefen Dekollete aufreizend wirkenden Brust lag, an einer leicht gekräuselten Kette befestigt, in einer kunstvoll ziselierten Fassung ein ungewöhnlich großer Saphir. Seine Facetten spiegelten in intensivem, schillernd leuchtendem Blau.
Die erste Überlegung Brewers war: Raubmord. Wer jedoch ein Wertobjekt in der Größenordnung dieses Juwels unangetastet ließ, musste ein völlig andersgeartetes Motiv haben.
War die Tat ein crime passionnel?
Brewer beugte sich zu der Toten hinab. Ganz vorsichtig, fast behutsam, hob er ein wenig den magisch wirkenden phantastischen Saphir, berührte nur die Kanten der Fassung, nicht aber die geschliffenen Facetten. Prüfend betrachtete er den Stein, das Kettchen. Er nickte vor sich hin, als habe er die unerwartete Bestätigung einer Vermutung gefunden. Da betrat Collins, der Leiter des Labors der Mordkommission, das Zimmer.
»Die übliche Routine«, sagte Brewer.
Collins erteilte den ihm folgenden Beamten seine Weisungen.
Mit der Sicherheit und der Schnelligkeit, die nur gründliche Schulung und praktische Erfahrung mit sich bringen, begann die Spurensicherung.
Der Fotograf baute seinen Apparat mit den auswechselbaren Objektiven auf, Vakuumblitze schossen ihre gleißenden Lichtgarben durch den Raum, die Tote wurde von allen Seiten und aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. Während andere Beamte den Boden ausmaßen, auf Millimeterpapier maßstabgerecht die Lage des Opfers einzeichneten, die Größenverhältnisse der Möbel und die Entfernungen zwischen diesen, den Türen und den Fenstern feststellten, machte der Fotograf Aufnahmen mit einem Weitwinkelobjektiv, um die breiten Wandflächen von einer Ecke zur anderen auf den Film zu bekommen.
Ein Spezialist des Erkennungsdienstes nahm die Fingerabdrücke der Toten mit wenigen Handgriffen, die große Routine erkennen ließen, ab.
Ein anderer Beamter bestäubte aus einer Sprühdose die polierten Flächen des Schreibtisches, die Fensterscheiben, den Lampenfuß, den Hörer und die Muschel des Telefonapparats, die Türleisten oberhalb, seitlich und unterhalb der Klinke - nichts entging ihm, was als Träger von Fingerabdrücken dienen konnte.
Zwei Beamte begannen sodann den ganzen Raum nach der Mordwaffe peinlich genau durchzukämmen.
Sie hoben den Schreibtisch an, leerten den Papierkorb, untersuchten die Blumentöpfe bis an die Wurzeln der Pflanzen, griffen in die Vertiefungen der Leuchtkörper, lüfteten jeden Gegenstand, unter dem etwas hätte verborgen sein können, durchsuchten die Schubfächer, kippten reihenweise die Bücher aus den Regalen, um festzustellen, ob etwas dahinter verborgen sei, kletterten zu den Draperie-Leisten hinauf und tasteten die Holzverschalungen entlang.
Es fand sich kein spitzes Instrument, kein Messer, kein Dolch, kein Eispickel, kein Schraubenzieher. Nichts!
Der Chefinspektor trat zu dem Fenster knapp rechts neben dem Schreibtisch.
Es war, wie das linke, geöffnet.
Er beugte sich hinaus.
Zu seiner Überraschung sah er eine kleine Balustrade, hinter der sich der Garten dehnte. Die erste Etage lag, infolge des stark ansteigenden Terrains, an der Hinterfront des Hauses fast ebenerdig. Das Zimmer, in dem Juanita ermordet worden war, konnte durch zwei Türen und durch zwei Fenster betreten werden.
Collins sah den Chefinspektor an. »Haben Sie noch besondere Wünsche?«
»Vergessen Sie nicht, Collins, große Sorgfalt bei der Spurensicherung der Bodenfläche hier vor den beiden Fenstern walten zu lassen.« Brewer deutete hinaus. »In erster Linie die Blumenbeete hier, ebenso die Kieswege, die Rondells, die Abfahrt für die Autos, die ganze Rampe, die Parkanlagen - und der Parkplatz. Sie haben die magnetischen Suchgeräte mit?«
»Selbstverständlich, Chefinspektor.« Collins beugte sich über den Fenstersims, fragte dann: »Kann die Tote zur Leichenhalle befördert werden?«
»Ja. Hinterlegen Sie den Schmuck des Opfers wie üblich in einem mit Dienstsiegel versehenen Behälter zur Verfügung des Nachlassrichters. Vorher lassen Sie aber von diesem Timur-Saphir eine Nahaufnahme machen. Ich möchte schnellstens Hochglanzabzüge genau in der Originalgröße des Steins haben. Und« - er betonte jedes Wort - »stellen Sie im Labor fest, ob der Saphir echt ist. Lassen Sie auch alles andere Material genauestens untersuchen. Die Rückstände unter den Fingernägeln, den Belag an den Schuhsohlen, die chemische Zusammensetzung des Lippenstifts und so weiter.«
Brewer blickte sich nochmals im Zimmer um. Er prägte sich alle Einzelheiten ein. Die Tote - die offenen Fenster - die Flügeltür zum Korridor - die schmalere in ein Nebengemach...
Er nickte Collins zu, ging zurück zur Freitreppe, die in die Halle führte.
Lowett kam aus dem großen Salon und machte dem Chefinspektor ein Zeichen.
Garrigas, der ruhelos auf und ab gegangen war, eilte zu Brewer.
»Haben Sie etwas herausgefunden?«
Der Chefinspektor verneinte und fügte hinzu: »Stellen Sie mir eine Liste all Ihrer Gäste zusammen, also sämtlicher Personen, denen Sie Einladungen sandten, gesondert danach, ob sie Folge leisteten oder nicht.«
»Wozu wollen Sie die Namen von Persönlichkeiten...« - Garrigas betonte das Wort gewissermaßen als Gegensatz zu Personen, das Brewer gebraucht hatte »...die gar nicht kamen?«
Der Chefinspektor gab unmissverständlich zurück: »Fragen stelle nur ich, Generalkonsul Garrigas, nicht Sie!« Er blickte sich um. »Wo ist ein geeigneter Raum, um die Gäste einzeln zu vernehmen?«
Lowett trat neben seinen Chef.
Der Hausherr rief einen Diener herbei. »Führen Sie die Herren in den kleinen Rauchsalon«, befahl er.
Es war ein ziemlich großes, aber doch intim anmutendes Zimmer, das der Chefinspektor und sein Untergebener betraten. Bequeme Sessel luden zu geruhsamem Verweilen ein.
Brewer wies Lowett an, den Privatdetektiv zu holen.
Bald betraten zwei Männer, den Raum. Beide trugen Dominos. Lowett folgte.
Er stellte das Tonbandgerät auf einen kleinen Nebentisch, baute das Mikrofon auf, stellte den Kontakt mit einem Stecker her.
»Ich bin William Barning - aber wir kennen uns ja, Chefinspektor«, sagte der eine Domino und legte seine seidene Larve vor sich auf den Tisch. Er deutete auf den etwas kleineren Mann zu seiner Seite: »O’Brien, einer meiner Mitarbeiter.«
Brewer wies auf die Sessel. »Bitte, berichten Sie, Mr. Barning.«
»Selbstverständlich, Chefinspektor«, erwiderte der Privatdetektiv.
»Garrigas bat mich um diskreten Schutz beim Maskenfest. Er sagte, dass verschiedene Damen Schmuckstücke von sehr hohem Wert tragen würden - er nannte besonders den Timur-Saphir seiner Schwägerin Juanita Garrigas.«
»Fürchtete Garrigas irgendeinen Überfall von außen - oder traute er dem einen oder anderen seiner eigenen Gäste nicht?«
»Der Gastgeber wies so betont auf die Möglichkeit eines Überfalls von außen hin, dass mir unwillkürlich der Gedanke kam, er befürchte eher, aus dem Kreise seiner Gäste irgendwelche unliebsame Überraschung zu erfahren.«
»Ich verstehe. Und wie ging’s weiter?«
»Nachdem ich das Haus hier untersucht hatte, schien es mir angebracht, einen Mitarbeiter einzusetzen - für einen Mann allein waren die Räumlichkeiten zu unübersichtlich. Besondere Sorge bereitete es mir, dass alle Teilnehmer an dem Fest maskiert sein sollten. Deshalb ließ ich mir eine Liste der Gäste mit einigermaßen genauen Angaben über die Maskierung der einzelnen Personen geben. Um ungeniert arbeiten zu können, entschloss ich mich selbst zu einer Maskierung. Ich hielt das für besser, als etwa die Rolle eines Kellners oder Butlers zu übernehmen, wodurch zumindest das Personal sofort gewusst hätte, worum es ging. Damit wäre ein eventueller Täter aus diesem Kreis gewarnt gewesen. Ich veranlasste O’Brien, sich genauso zu maskieren wie ich selber. Damit war es uns möglich, uns jederzeit zu erkennen.«
Brewer unterbrach: »Aber es lag nahe, dass andere Teilnehmer, denen spanische Kostüme nicht lagen, ebenfalls Dominos als Maskierung trugen. Vielleicht gerade ein Gast, dem Ihre besondere Aufmerksamkeit hätte gelten müssen? Würden Sie ihn als ihren Mitarbeiter angesprochen haben, so wäre das geradezu einer Warnung gleichgekommen.«
Der Privatdetektiv verneinte. »Dieses Risiko ließ ich keineswegs außer Acht. Sowohl meine Larve wie die O’Briens« - Barning legte beide vor Brewer auf den Rauchtisch - »ließ ich mit einem silbernen Faden einfassen. Sie werden zugeben, dass es praktisch als ausgeschlossen gelten konnte, eine andere Gesichtsmaske würde den gleichen durchgehenden silbernen Streifen aufweisen.«
»Zugegeben. Und - weiter?«
»Wir kamen getrennt zu dem Fest. O’Brien etwa fünfzehn Minuten nach mir. Wir hatten ausgemacht, an der Hausbar um genau zweiundzwanzig Uhr einen Drink zu nehmen. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahme vereinbarten wir, dass ich einen Gin-Fizz und er einen Sherry-Flip bestellen würde, so dass wir uns erkennen konnten, ohne auch nur ein Wort miteinander zu reden. Es waren zu dieser Stunde erst wenige Gäste anwesend. Sie bummelten umher, so dass ich ausreichend Gelegenheit fand, sie nach ihrer Kostümierung zu identifizieren, da mir Garrigas ziemlich genaue Angaben zur Verfügung gestellt hatte.«
»Wieso besaß der Generalkonsul eine umfassende Aufstellung, über die Verkleidung aller Teilnehmer?«, warf Brewer ein.
»Der Hausherr hatte seine Bitte, von jedem Gast zu erfahren, was für ein Kostüm er anzog, mit dem Hinweis begründet, dass, falls jemand in einer dringenden Angelegenheit gesucht würde, eine Unkenntnis der Maskierung das Auffinden der gewünschten Person äußerst erschwere. Diese Erklärung gab er mir. Mein Eindruck war aber, dass er besonders vorsichtig sein wollte.«
»Gab’s eigentlich eine besondere Begründung für dieses spanische Maskenfest?«, wollte Brewer wissen.
»Garrigas erwähnte mir gegenüber nur beiläufig, er veranstalte in jeder Saison eine große Party. Der Anlass sei diesmal ein Wunsch seiner Schwägerin Juanita gewesen, die eben von einer Vergnügungsreise in der Karibischen See zurückgekehrt war. Sie wollte einigen Teilnehmern an jener Kreuzfahrt ein Fest geben. Das schien die etwas gemischte Gesellschaft der Einladungsliste ausreichend zu erklären.«
»Und...?«, fragte Brewer.
Der Leiter der Agentur »Argus« zog ein kleines Büchlein hervor. »Ich eliminierte zunächst jene Gäste, von denen gewiss keinerlei Überraschungen zu erwarten waren. Der englische Konsul, Sir James O. W. P. Bradley, im untadelhaften Frack, nur mit einer ganz schmalen Larve der Forderung nach Maskierung nachgebend, schied aus. Mistress Eleonor Taylor und ihre Tochter - diese Millionärsfamilie aus San Francisco bedarf keiner Einführung - strich ich ebenfalls. Die ältere Dame trug ein kostbares Kleid, das mir als Galatracht einer spanischen Infantin bezeichnet worden war. Ihre Tochter wirkte als Carmen etwas verfehlt - man kann sich dies feurige spanische Geschöpf kaum rötlichblond vorstellen. Als uninteressant vermerkte ich auch die Tochter des Hausherrn, Isabel Garrigas, in einem stilisierten spanischen Kostüm. Mistress Garrigas, als edle Señora in Seide und Brokat gehüllt, bereitete mir ebenfalls keine Sorgen. Ich stellte fest, dass alle die Damen reichlich mit Schmuck behängen waren - doch als meine erste Aufgabe betrachtete ich, nach etwaigen unsicheren Elementen Umschau zu halten. Den Juwelen drohte ja nicht von ihren Besitzerinnen her Gefahr, sondern - wenn überhaupt - von etwaigen zweifelhaften Teilnehmern am Fest. Im Sinne dieser Erwägungen konnte ich die Pianistin Valborg Sjögersen, die Sängerin Lutetia Chiaramonti, Professor Williams und seine beiden Töchter und den Direktor der Country-Bank, John Amery, ausscheiden. Ein junger Arzt, Dr. Evandro de Oliveira, und dessen Schwester, Señorita Bianca, gaben gleichfalls zu keinerlei Verdacht Veranlassung, ebenso wenig wie der Tennischampion Burt Layton, der Fernsehstar Gilbert Cook, der chilenische bevollmächtigte Gesandte Henrique Ponte y Alvarez nebst Gattin und deren Sohn Mariano, den meine Liste als Attaché bezeichnete. Erst ziemlich spät kam Juanita Garrigas, die Schwägerin des Hausherrn. Dass sie ein andalusisches Kostüm trug und jenen Timur-Saphir, von dem die Legende berichtete, er brächte jedem seiner Besitzer Unheil, wissen Sie ja aus eigener Anschauung, Chefinspektor.«
Brewer nickte. »Eine beachtliche und wertvolle Liste. Sie werden nun wohl bald zu jenen Gästen gelangen, denen sich Ihre Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße zuzuwenden hatte.«
»Zumindest gefühlsmäßig«, stimmte Barning zu. Er ließ den Zeigefinger seiner rechten Hand von Zeile zu Zeile gleiten. »Ein sichtlich jüngerer Herr im Kostüm eines Matadors war nach Garrigas’ Informationen der Conte Trivalini. Ein rundlicher Herr, als Sancho Pansa gekleidet, war nach meiner Liste Eugenio Landini, Präsident der Firma Intercambio in Havanna. Ein Apache, nach der Aufstellung Graham P. Higgins, fiel mir nur deshalb auf, weil er keine spanische, sondern eine französische Verkleidung gewählt hatte. Ein Bankier Filippo Solardo trug ein goldstrotzendes Torerokostüm. Mit dem als Guardia Civil maskierten Dimo Barilescu wusste ich nichts anzufangen. Garrigas hatte alle meine Fragen über diese Herrschaften mit irgendwelchen vagen Redensarten abgetan. Ein Marquis de Charembert war auch als Torero erschienen - ein etwas ärmlicher Torero, wie mir schien. Er ging mehrmals an der Pianistin Sjögersen vorbei, hielt sich eine Weile in der Nähe der Hausfrau auf, schenkte mehrfach seine Aufmerksamkeit Mistress Taylor. Er widmete sein zwar vorsichtiges, doch unverkennbares Interesse den Juwelen dieser Damen. Besonders das berühmte Garrigas-Brillantkollier zeigte eine starke Anziehungskraft auf den Marquis. Higgins, Layton, Cook, Charembert, Trivalini, Barilescu, Solardo, Landini sowie die Damen Sjörgersen und Chiaramonti waren vom Generalkonsul auf den Wunsch seiner Schwägerin hin eingeladen worden. Diese ganze Gesellschaft hatte an jener Kreuzfahrt teilgenommen. Die Arcadia machte am elften August im New Yorker Hafen fest, also am vorigen Mittwoch.«
»Es wäre mir nützlich, wenn Sie mir Ihre Liste eine Weile geben könnten«, sagte Brewer beiläufig.
»Gern.« Barning überreichte sie dem Chefinspektor.
»Beobachteten Sie auch die Leute von der Musikkapelle in den Pausen?«
»Die fünf Leute sind einwandfrei, Chefinspektor. Ich überprüfte ihre Personalien sofort, nachdem ich den Auftrag angenommen hatte. Dasselbe gilt für die Hausangestellten.«
»Sie ersparten uns eine Menge Kleinarbeit, Mr. Barning. Dass Sie für Ihre Mitteilungen die volle Verantwortung übernehmen müssen, ist Ihnen klar.« Brewer fügte abrupt hinzu: »Wie entdeckten Sie die Tat?«
»Ich ging ständig hin und her, durchstreifte die sich immer mehr füllenden Räume, sah mich überall um. Als ich den Flur, der von der Freitreppe ebenerdig in den rechten Flügel des Hauses führt, entlangschritt, beugte sich aus einer Art Portierloge ein Diener, der die Telefon-Hauszentrale bediente. Er fragte eindringlich, ob ich Generalkonsul Garrigas gesehen habe. Ich möge so freundlich sein und ihm mitteilen, er werde dringend in seinem Arbeitszimmer verlangt. Der Diener setzte seiner Bitte erläuternd hinzu, dass er die Telefonzentrale unter keinen Umständen verlassen dürfe. In Anbetracht der großen Dringlichkeit wolle er aber nicht warten, bis jemand von der Dienerschaft vorbeikäme. Ich wollte trotzdem hören, was es mit dem Telefonat auf sich habe, denn es wäre mir peinlich gewesen, den Hausherrn, der mein Auftraggeber war, wegen irgendeiner Lappalie zu stören. Daraufhin meinte der Diener, er kenne die Stimme desjenigen nicht, der aus dem Arbeitszimmer angerufen habe, doch deute alles darauf hin, dass es sich um eine unaufschiebbare, dringliche Sache handle. Der Diener erwähnte kurz, es sei ihm aufgefallen, dass eine kurze Zeit vor dem Anruf aus dem Arbeitszimmer der Hörer des Apparats auf dem Schreibtisch des Generalkonsuls mehrmals abgenommen und wieder aufgelegt worden sei, ohne dass sich jemand meldete.«
Brewer überlegte, in Gedanken vertieft. Er blickte auf: »Lassen Sie den Diener hereinkommen. Ich möchte ihn selbst hören.«
O’Brien eilte aus dem Zimmer. Der Chefinspektor und Barning sprachen von früheren Begegnungen. Nach einigen Minuten kehrte der Privatdetektiv mit einem älteren Mann in diskreter Livree wieder. »Jonathan Glenn«, stellte er ihn vor.
Brewer stand auf, blieb nahe vor dem Mann stehen.
»Würden Sie so freundlich sein und mir genau schildern, wie es sich mit dem Telefonanruf verhielt, den Sie aus dem Arbeitszimmer des Herrn Generalkonsuls erhielten?«
»Das Signallämpchen leuchtete auf, ich schaltete mich ein, und eine mir unbekannte Stimme sagte sehr dringlich, ich möge sofort den Generalkonsul in sein Arbeitszimmer bitten. Ich erwiderte, es sei mir verboten, die Telefonzentrale zu verlassen, ich könne Mister Garrigas nur durch einen anderen Bediensteten verständigen, also erst, sobald einer bei mir vorbeikäme. Der Herr am Telefon bestand sehr energisch darauf, Mister Garrigas müsse unverzüglich kommen, die Sache sei von allergrößter Bedeutung, keine Minute dürfe verloren werden. Als in diesem Augenblick der Herr hier...« - der Diener deutete auf Barning - »...an der Telefonzentrale vorbeikam, blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu behelligen.«
»Gut. Ich verstehe. Aber sagten Sie nicht eben diesem Herrn hier, dass schon vor dem Anruf aus dem Arbeitszimmer wiederholt Rufsignale von demselben Apparat kamen? Können Sie mir das noch genauer schildern?«
»Gern. Also die Signallampe am Schalttisch leuchtete in ganz kurzen Abständen auf. So, wie wenn jemand in großer Ungeduld den Hörer aufnimmt und ablegt oder aber einfach ein paarmal schnell hintereinander auf die Gabel drückt und sie wieder loslässt.«
»Können Sie mir sagen, wie lange vor dem Telefonanruf diese Flackerzeichen erfolgten?«
»Vielleicht fünf oder zehn Minuten davor.«
»Und während welcher Zeitspanne wurde der Hörer aufgenommen und wieder abgelegt? Und wie oft?«
Der Diener schüttelte bedauernd den Kopf.
»Eine Minute, vielleicht zwei oder drei. Das Signallicht flammte etwa zehnmal auf oder noch häufiger. Ich meldete mich jedes Mal, es war auch zweifellos Strom im Apparat, das merkt man am leichten Summen, aber niemand meldete sich. Ich rief schließlich einmal zurück, das heißt, ich gab Klingelsignal zum Apparat im Arbeitszimmer, doch niemand meldete sich, bis dann eben die Stimme eines Unbekannten den Generalkonsul verlangte, aber das war erst eine ganze Weile nach den Signalzeichen.«
Brewer ging auf und ab. Er blieb am Fenster stehen, blickte hinaus in den nächtlichen Garten. Schließlich trat er wieder nahe an den Diener heran. »Wie erklärten Sie sich diese Signale?«
»Offen gestanden - gar nicht.«
»Und als sich auf Ihren Anruf niemand im Arbeitszimmer meldete?«
»Ich vermutete, der Generalkonsul habe den Raum wieder verlassen. Ich möchte nicht respektlos sein« - der Diener war unverkennbar verlegen - »doch der Generalkonsul ist oft etwas nervös. Man weiß nie, woran man ist, alles ändert sich von einem Augenblick zum anderen. So fielen mir die Flackerzeichen nicht sonderlich auf und ebenso wenig, dass sich niemand auf meinen Anruf meldete. Ich hoffe jetzt nur...«
»Ihre Aussage ist klar. Sie wird vertraulich behandelt werden - machen Sie sich keine unnützen Gedanken.« Brewer setzte sich wieder. »Wissen Sie einigermaßen genau, wann Mister Garrigas aus seinem Arbeitszimmer verlangt wurde?«
Der Diener strich sich mehrmals über die Stirn.
»Dass es vor Mitternacht war, ist ganz gewiss. Erst nachdem dieser Herr hier...« - er deutete nochmals mit einer Verbeugung auf Barning - »...sich bereit erklärt hatte, dem Generalkonsul die Botschaft auszurichten, schlug die Uhr im kleinen Salon. Sie hat einen kräftigen Gongschlag, den man recht gut hören kann.«
»Also, es war vor Mitternacht. Und nach halb zwölf? Oder nach drei Viertel?«
»Ich weiß es nicht. Um etwa halb zwölf musste ich für einen Herrn eine Verbindung mit dem Gotham-Hotel herstellen, und sobald ich den Kopfhörer aufsetze, höre ich kaum noch etwas von außen. Mein Gehör lässt zu wünschen übrig, man wird alt.«
»Und was war Viertel vor zwölf?«
»Ich glaube, dass ich den Kopfhörer nach dem Anruf im Gotham nicht wieder ablegte. Ich behielt beide Hörer auf den Ohren, anstatt den rechten beiseite zu schieben. - Ich höre nämlich auf dem linken Ohr besser als auf dem rechten. - Aber dennoch möchte ich sagen, dass die Flackersignale gegen dreiviertel zwölf herum auftraten.«
Unvermittelt fragte Brewer: »Seit wann sind Sie hier im Hause von Mister Garrigas tätig?«
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