Das Antikrebs-Buch - David Servan-Schreiber - E-Book

Das Antikrebs-Buch E-Book

David Servan-Schreiber

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Beschreibung

Auf dem neuesten Stand der Forschung – der Bestseller zur natürlichen Antikrebstherapie in aktualisierter Neuausgabe. Die wichtigsten neuen Erkenntnisse auf einen Blick: • Die Bedeutung der Gefühle: neue Studien zur Antikrebs-Psyche« • Weitere wirksame Antikrebs-Lebensmittel und die besten Zubereitungsmethoden • Sicherer Handygebrauch: die wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen • Unbedingt meiden: die »schwarze Liste« schädlicher Nahrungszusätze und chemischer Stoffe, die das Krebswachstum fördern • Den »Nährboden« stärken: neue Forschungsergebnisse zum Antikrebs-Lebensstil Mit herausnehmbarem 16seitigen Ernährungsplaner

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Seitenzahl: 534

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DAVID SERVAN-SCHREIBER

DAS ANTIKREBS-BUCH

WAS UNS SCHÜTZT:VORBEUGEN UND NACHSORGENMIT NATÜRLICHEN MITTELN

Aktualisierte Neuausgabe

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Ursel Schäfer

Illustrationen: Silvie Dessert

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Antje Kunstmann

 

 

 

 

 

Dieses Buch ist meinen Kollegen gewidmet, die unermüdlich Leid und Angst behandeln, manchmal mit einem Mut, der dem ihrer Patienten gleichkommt. Ich hoffe, sie finden mein Buch nützlich und möchten wie ich diese Ansätze in ihre Praxis integrieren.

 

Und meinem Sohn Sascha, der in dieser Zeit des Umbruchs geboren wurde und dessen Lebensfreude mich jeden Tag aufs Neue inspiriert.

 

 

 

 

»Ich hatte schon immer das Gefühl, das einzige Problem der Naturwissenschaften bestehe darin, dass sie nicht ausreichend naturwissenschaftlich sind. Die moderne Medizin wird erst dann richtig wissenschaftlich sein, wenn Ärzte und Patienten gelernt haben, die Kräfte ihres Körpers und Geistes in Übereinstimmung mit der vis medicatrix naturae [der Heilkraft der Natur] zu nutzen.«

 

RENÉ DUBOS, Rockefeller University, New York; Entwickler des ersten Antibiotikums, das 1939 zur Krankheitsbehandlung beim Menschen eingesetzt wurde, und Initiator des ersten Erdgipfels der Vereinten Nationen, 1972

INHALT

 

Vorwort zur Neuausgabe

 

Einleitung

 

Kapitel 1:

Meine Geschichte

Kapitel 2:

Wie entkommt man der Statistik?

Kapitel 3:

Gefahr und Chance

Kapitel 4:

Die Schwächen des Krebses

Kapitel 5:

Die schlechte Nachricht überbringen

 

Kapitel 6:

Krebs und Umwelt

Kapitel 7:

Lehren aus dem Rückfall

Kapitel 8:

Die Antikrebs-Ernährung

Kapitel 9:

Die Antikrebs-Psyche

Kapitel 10:

Der Angst die Spitze nehmen

Kapitel 11:

Der Antikrebs-Körper

Kapitel 12:

Lernen, sich zu verändern

Kapitel 13:

Schluss

 

 

Danksagung

 

Zitierte Literatur

 

 

 

 

HINWEIS

 

Dieses Buch beschreibt natürliche Methoden, die dazu beitragen, die Entwicklung von Krebs zu verhindern oder eine Krebsbehandlung in Ergänzung zur konventionellen Therapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) zu unterstützen. Der Inhalt kann die Meinung eines Arztes nicht ersetzen, das Buch kann nicht zur Erstellung einer Diagnose verwendet werden und stellt keine Behandlungsempfehlung dar.

Die klinischen Fälle, auf die ich mich auf den folgenden Seiten beziehe, stammen aus meiner eigenen ärztlichen Praxis (mit Ausnahme einiger Fälle, die von Kollegen in der medizinischen Fachliteratur beschrieben werden und entsprechend gekennzeichnet sind). Aus naheliegenden Gründen wurden die Namen von Patienten und typische Merkmale verändert. In einigen Fällen habe ich aus Gründen der Klarheit klinische Details aus verschiedenen Fällen zu einer Geschichte zusammengefasst.

Ich möchte mit einfachen Worten den aktuellen Forschungsstand zu Krebs und natürlichen Abwehrmöglichkeiten darlegen. In einigen Fällen konnte ich deswegen bestimmte biologische Vorgänge oder Kontroversen um vorliegende klinische Studien nicht in ihrer ganzen Komplexität beschreiben. Obwohl ich mich bemühte, dem Geist ihrer Arbeiten treu zu bleiben, möchte ich mich bei Biochemikern und Onkologen entschuldigen, wenn ich Inhalte, die für viele ein Lebenswerk darstellen, vereinfacht wiedergegeben habe.

VORWORT ZUR NEUAUSGABE

 

 

VOR 18 JAHREN ERFUHR ICH, als im Rahmen eines Forschungsprojekts Aufnahmen von meinem Gehirn gemacht wurden, dass ich selbst einen Gehirntumor hatte. Ich erinnere mich, wie ich aus dem Wartezimmer im 10. Stock des Gebäudes, in dem die Onkologie untergebracht war, die Menschen unten auf der Straße ansah – sie waren so weit weg und gingen so ahnungslos ihren Alltagsgeschäften nach. Ich war aus diesem Leben herauskatapultiert worden, die Aussicht auf einen womöglich baldigen Tod hatte mich von dieser zielorientierten Geschäftigkeit ebenso abgeschnitten wie von allen Verheißungen von Glück. Meine Identität als Arzt und Wissenschaftler schützte mich nicht mehr; auf einmal war ich selbst ein Krebspatient. Dieses Buch erzählt, was dann passierte, von der Rückkehr ins Leben und zur Gesundheit – tatsächlich zu einem Grad von Gesundheit, den ich bis dahin nicht gekannt hatte –, immer in dem Bewusstsein, dass ich Krebs hatte. Es ist die Geschichte, wie ich meine Fähigkeiten als Arzt und Wissenschaftler einsetzte, um jeden Hinweis in der medizinischen Literatur aufzuspüren, der mir helfen konnte, mein Schicksal zu wenden. Am wichtigsten aber ist, dass das Buch eine neue, wissenschaftlich basierte Sichtweise auf den Krebs eröffnet, die uns allen ermöglicht, uns besser davor zu schützen.

Mit der Veröffentlichung von Das Antikrebs-Buch vor zwei Jahren begann für mich ein neues Kapitel in meinem Leben. 14 Jahre lang hatte ich meine Krankheit geheim gehalten, nun war ich in der Lage, Menschen, die Angst hatten, deprimiert waren oder die Hoffnung verloren hatten, zu berichten, was ich herausgefunden hatte, mit Ärzten, Wissenschaftlern, Politikern und engagierten Menschen über meine Ideen zu diskutieren und meine Beobachtungen mit ihren Erfahrungen zu vergleichen. Ich lernte auch viele Patienten kennen, die dank der Ratschläge in diesem Buch den Verlauf ihrer Krankheit beeinflusst hatten. Das Buch erschien in fast 50 Ländern, in 35 Sprachen, und wurde über eine Million Mal verkauft. Ich fühle mich in meiner Überzeugung bestätigt, dass wir alle die natürlichen Abwehrkräfte unseres Körpers gegen Krebs stärken können, und auch darin, dass der hier vorgestellte Ansatz Teil der Prävention oder Behandlung für jeden werden sollte. In den letzten zwei Jahren hat die Forschung neue Belege, Erklärungen und Perspektiven erbracht, wie wir alle lernen können, unsere Gesundheit zu festigen und unseren »Nährboden« zu verbessern, indem wir die biologische Krebsbekämpfung in unserem Körper aktivieren, und die neuen Erkenntnisse haben untermauert, wie wichtig es ist, den Einfluss unserer Gefühle auf den Verlauf der Krankheit zu beachten.

Was ist neu in dieser Neuausgabe?

In vielen Diskussionen mit meinen ärztlichen Kollegen – Allgemeinärzten, Onkologen, Psychiatern – und mit Laien habe ich festgestellt, dass die Ausführungen über die Rolle der Ernährung viel schneller aufgegriffen wurden als das, was ich über das Zusammenspiel von Körper und Geist geschrieben habe und darüber, wie Ohnmachtsgefühle Krebs fördern. Wenn es eine einzige, klare und nachdrückliche Botschaft gibt, die ich mit dieser aktualisierten Neuausgabe verbreiten möchte, dann die, dass wir sorgsam auf die Verbindung von Körper und Geist achten müssen, vor allem auf die negativen Wirkungen anhaltender Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung. Wenn solche Gefühle – nicht die Belastungen, die das Leben nun einmal mit sich bringt – nicht beachtet werden, tragen sie zu den Entzündungsprozessen bei, die das Wachstum von Krebs begünstigen. Es gibt einfache und sehr wirksame Methoden, solche Gefühle im Zaum zu halten, ein befriedigenderes Leben zu führen und damit zugleich Entzündungsprozesse zurückzudrängen.

Um das deutlich zu machen, habe ich Kapitel 9, »Die Antikrebs-Psyche«, komplett überarbeitet und neue Studien einbezogen, die belegen, wie wichtig es ist, etwas gegen Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung zu unternehmen, um das Fortschreiten einer Krebserkrankung zu hemmen. In diesem Zusammenhang erzähle ich die Geschichte von Kelly, die in ihrem Kampf gegen Brustkrebs auf die Hilfe von Freunden bauen konnte, die ihr die Liebe und Unterstützung gaben, die sie brauchte. Neueste Studien zeigen in der Tat, dass nicht allein die Liebe eines Ehepartners oder der eigenen Kinder die nötige Kraft vermitteln und das Fortschreiten der Krankheit aufhalten kann, sondern dass auch die Zuneigung und Zuwendung alter und neuer Freunde dies vermag.

Was die Ernährung anbetrifft, haben etliche vielversprechende neue Studien die Wirksamkeit weiterer Antikrebs-Nahrungsmittel bestätigt. So können wir Steinobst wie Pflaumen und Pfirsiche in die Liste der hilfreichen Nahrungsmittel aufnehmen. Neue Daten zu Olivenöl, das ich schon in der ersten Ausgabe sehr empfohlen habe, zeigen, dass es ein echtes Antikrebs-Lebensmittel und bei vielen verschiedenen Krebsarten wirksam ist.

Zwei neue Studien zu grünem Tee geben an, wie viele Tassen pro Tag das Rückfallrisiko bei Brust- und bei Prostatakrebs um über 50 Prozent senken. Außer Agavendicksaft sind mittlerweile neue natürliche Süßungsmittel – Akazienhonig und Kokosnusszucker, beide mit einem niedrigen glykämischen Index – auf dem Markt. Sie werden in Kapitel 6 vorgestellt.

Neue Forschungen haben auch bestätigt, wie wichtig Vitamin D3 zur Krebsvorsorge ist, vor allem in Ländern, in denen im Winter die Sonne nicht so ausreichend scheint, dass die Haut genug davon selbst synthetisieren kann. In der Neuausgabe gehe ich auf diesen Punkt ausführlicher ein und gebe speziellere Empfehlungen.

Und schließlich wissen wir inzwischen mehr darüber, wie unterschiedliche Zubereitungsmethoden die positiven Wirkungen von Antikrebs-Lebensmitteln bewahren oder, im Gegenteil, beeinträchtigen können.

Fast bei jedem Vortrag, den ich halte, werde ich gefragt, ob Handy-Strahlen Krebs verursachen können. Um diese Frage beantworten zu können, habe ich im Jahr 2008 eine Gruppe aus Krebsspezialisten, Toxikologen, Epidemiologen und einem Physiker zusammengebracht. Wir haben einen Aufruf mit einer Reihe von Maßnahmen formuliert, um den Handy-Gebrauch sicherer zu machen, denn Mobiltelefone sind heute ein unvermeidbarer Bestandteil unseres Lebens. Der Aufruf fand weltweit Resonanz, in den Vereinigten Staaten war er sogar Anlass für eine Anhörung im Repräsentantenhaus im September 2008, und in Frankreich organisierten das Umwelt- und das Gesundheitsministerium im April 2009 eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Thema Handy-Strahlung. In der Neuausgabe fasse ich die wissenschaftlichen Studien dazu zusammen und liste die Vorsichtsmaßnahmen für einen sicheren Handy-Gebrauch auf.

Tierversuche haben mittlerweile klar bestätigt, dass viele chemische Stoffe, die in unserer alltäglichen Umgebung präsent sind, das Tumorwachstum fördern. Ein solcher Stoff ist beispielsweise Bisphenol A (BPA), das in Polycarbonat-Kunststoff enthalten ist (recycelbaren Plastikflaschen und Babyfläschchen, Mikrowellengeschirr aus Plastik und allen möglichen Behältnissen mit einer Auskleidung aus Plastik wie manche Dosen). Unter Laborbedingungen gelangte diese Substanz beim Erhitzen in Flüssigkeiten. Wenn Brustkrebszellen Bisphenol A in Dosierungen ausgesetzt wurden, wie man sie häufig in menschlichen Blutproben findet, reagierten sie nicht mehr auf Chemotherapie. Ähnliche Ergebnisse erbrachten Studien zu Nahrungszusätzen auf der Basis von anorganischen Phosphaten (nachweisbar in gesüßten Limonaden, industriell hergestellten Backwaren usw.); sie fördern das Wachstum von nicht kleinzelligen Lungentumoren. Ich fand es wichtig, diese neue Daten vorzustellen, damit alle Menschen, die gerade wegen solcher Krebsarten in Behandlung sind, davon erfahren.

Anfang 2009 erschienen eine Stellungnahme des französischen Nationalen Krebsforschungszentrums und eine Studie der Universität Oxford in Großbritannien, die übereinstimmend zu dem Schluss kamen, dass Alkohol in jeder Dosierung, auch ein einziges Glas Rotwein, das Krebsrisiko erhöht. Zusammen mit Professor Béliveau aus Montreal und Michel de Lorgeril – Kardiologe, Ernährungswissenschaftlicher und ein Pionier der mediterranen Kost – veröffentlichte ich eine abweichende Meinung, die ich hier ebenfalls erläutere.

Seit die erste Ausgabe von Das Antikrebs-Buch. Was uns schützt erschienen ist, haben zahlreiche Studien dessen zentrale Botschaft bestätigt: wie wichtig der »Nährboden« bei der Verhinderung oder Eindämmung von Krebs ist. Ich habe die Ergebnisse dieser Studien in die entsprechenden Kapitel dieser Neuausgabe eingearbeitet. Zum Beispiel kam eine 2007 in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, Krebs lasse sich verstehen als Zusammenbruch des Gleichgewichts zwischen Krebszellen, die immer »schlafend« in einem Körper vorhanden sind, und der natürlichen Abwehr, die die Krebszellen normalerweise in Schach hält (siehe Kapitel 4). Diese und ähnliche Studien zeigen, wie wichtig es ist, unseren »Boden« zu pflegen und zu stärken, ein Thema, das das Das Antikrebs-Buch durchzieht. Nach meiner Auffassung sollten Maßnahmen zur Stärkung des »Bodens« jede konventionelle Krebsbehandlung – die natürlich unverzichtbar bleibt – begleiten.

Ebenfalls 2007 veröffentlichte der World Cancer Research Fund einen großen, 517 Seiten umfassenden Bericht, in dem mehrere Tausend Einzelstudien zusammengefasst sind. Wie Das Antikrebs-Buch schloss auch dieser Bericht mit der Feststellung, mindestens 40 Prozent der Krebsfälle ließen sich durch einfache Veränderungen in der Ernährung und durch mehr Bewegung verhindern (ganz zu schweigen von Umweltfaktoren).1 Ein weiterer Bericht, 2009 vom französischen Nationalen Krebsforschungszentrum veröffentlicht, gelangte zum gleichen Schluss.2

Noch spektakulärer waren die Ergebnisse von zwei großen epidemiologischen Studien, die eine durchgeführt in elf europäischen Ländern über einen Zeitraum von zwölf Jahren (die HALE-Studie3), die andere begrenzt auf eine Region im Vereinigten Königreich (20.000 Versuchsteilnehmer, beobachtet über elf Jahre4): Bei den Studienteilnehmern, die sich einen gesünderen Lebensstil angeeignet hatten, war die Sterblichkeit an Krebs um 60 Prozent zurückgegangen. Ein längeres Leben war nicht der einzige Vorteil dieser Gruppe: Die englischen Forscher führten aus, dass bei den Menschen mit einer gesünderen Lebensweise das biologische Alter über die gesamte Dauer der Studie hinweg 14 Jahre unter ihrem tatsächlichen Alter lag. Das bedeutet, dass sie mehr Kraft für ihre Arbeit und ihre Familien hatten, sich besser konzentrieren konnten, ein besseres Gedächtnis hatten und weniger an körperlichen Einschränkungen litten. Die Forscher aus Cambridge fassten das Ergebnis in dem Satz zusammen: »Die Anhaltspunkte, dass bestimmte Verhaltensweisen wie Ernährung, Rauchen und Bewegung die Gesundheit beeinflussen, sind überwältigend.«

Wie wichtig es ist, den Konsum von raffiniertem Zucker und Weißmehl einzuschränken, geht auch aus einer neuen Untersuchung der breit angelegten American Women’s Health Initiative hervor. Nach dieser Studie hat der Zusammenhang von Übergewicht und Brustkrebs mit dem Insulinspiegel im Blut zu tun, das heißt, mit der Menge an Zucker, der durch die Nahrung aufgenommen wird. Die Studie deutete darauf hin, dass Zucker bei der Entstehung von Brustkrebs möglicherweise eine größere Rolle spielt als die Hormonersatztherapie.

Im November 2008 brachte ein Aufsatz in der Zeitschrift Cancer die perfekte Bestätigung, dass die Empfehlungen in Das Antikrebs-Buch richtig sind. Frauen mit Brustkrebs, bei denen bereits die Lymphknoten befallen waren, wurden im Anschluss an die schulmedizinische Behandlung elf Jahre nachbeobachtet. Diejenigen, die außer der medikamentösen Behandlung auch eine bestimmte Ernährungsweise praktizierten, körperlich aktiv waren und lernten, besser mit Stress umzugehen, hatten gegenüber den anderen, die nur die schulmedizinische Behandlung erhielten, ein um 68 Prozent vermindertes Sterberisiko (siehe Kapitel 9).

In einer weiteren aufschlussreichen Studie zeigte Professor Dean Ornish von der University of California in San Francisco 2008, dass Lebensstilveränderungen bei Ernährung, Bewegung und Umgang mit Stress tatsächlich die Genexpression tief in den Krebszellen beeinflussen (siehe Kapitel 2).

Seit dem Erscheinen von Das Antikrebs-Buch habe ich über 100 Vorträge in 15 Ländern gehalten. In den Gesprächen mit den Menschen, die gekommen waren, um mich zu hören, habe ich viel darüber gelernt, wie wir die Angst vor Krebs erleben, und ich glaube, ich habe begriffen, was die Menschen an diesem Buch wichtig finden. Einfach formuliert könnte man sagen, wir sind es gewohnt, im Zusammenhang mit Krebs Botschaften der Verzweiflung und Ausweglosigkeit zu hören. Wer Krebs bekommt, hat in der öffentlichen Wahrnehmung eine Niete in der großen Genlotterie gezogen, er hat eine Krankheit, bei der mit den meisten Behandlungsmöglichkeiten nicht viel zu erreichen ist, weshalb sich alle Hoffnungen auf eine künftige neue Wunderbehandlung richten – eine Behandlung, die sicher nur die größten Forschungseinrichtungen der Welt entwickeln können.

Vor diesem Hintergrund ist mir bewusst, dass jeder Ansatz, der über die konventionelle Behandlung hinausgeht, sich dem Vorwurf aussetzt, möglicherweise »falsche Hoffnungen« zu wecken. Aber ich weiß – weil ich es bei meiner eigenen Krebserkrankung erfahren habe –, dass diese Einstellung den Patienten die Kraft zum Handeln raubt, und ich meine damit reale Kraft, nicht eine Illusion. Die Vorstellung von Ohnmacht zu verbreiten ist psychologisch herabsetzend, medizinisch gefährlich und, vor allem, wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. In den letzten 30 Jahren hat die Forschung großartige Fortschritte gemacht und gezeigt, dass wir alle die Fähigkeit besitzen, uns vor Krebs zu schützen und mit unseren eigenen Mitteln zur Heilung beizutragen. Wer diese Fähigkeit negiert, nährt ein Gefühl der falschen Hoffnungslosigkeit, und viele Menschen fanden Das Antikrebs-Buch gerade deshalb überzeugend, weil sie diese falsche Hoffnungslosigkeit ablehnen.

Bestärkt haben mich die positiven Reaktionen vieler Krebsspezialisten aus unterschiedlichen Institutionen auf die Botschaft dieses Buchs. In Europa sagte Professor Jean-Marie Andrieu, Leiter der Abteilung Onkologie am Georges Pompidou European Hospital in Paris, in einem Interview mit der Tageszeitung Le Monde: »Ich habe sehr viel aus diesem Buch gelernt. Und wissen Sie was? Ich habe meine Ernährung umgestellt. Dadurch habe ich schon sechs Kilo abgenommen.«

In Italien hat sich die Krebsliga (Lega italiana per la lotta contro i tumori) positiv über das Buch geäußert, hat ihr Logo auf dem Schutzumschlag platziert und im Oktober 2008 die Präsentation vor der Presse in Rom organisiert. Die Liga betonte, wie wichtig die Aussagen des Buchs seien, um Krebs vorzubeugen, die Wirksamkeit einer konventionellen Behandlung zu unterstützten und die Gefahr eines Rückfalls zu verringern.

In den Vereinigten Staaten schrieb Professor John Mendelsohn, Präsident des M. D. Anderson Cancer Center, des landesweit größten Zentrums zur Behandlung und Erforschung von Krebs: »Ich fand Das Antikrebs-Buch ausgezeichnet lesbar und gut recherchiert. Es sensibilisiert für die Notwendigkeit evidenzbasierter Krebsprävention und Risikoreduktion. Außerdem füllt es eine große Lücke in unserem Wissen darüber, wie Patienten durch ergänzende Maßnahmen zur schulmedizinischen Krebsbehandlung selbst zu ihrer Heilung beitragen können.«

Seit Erscheinen des Buchs habe ich mehrere Freunde verloren. Einige hatten die Grundsätze des Buchs in ihrer Lebensweise umgesetzt. Bedauerlicherweise sind die hier vorgestellten Methoden und Prinzipien keine Garantie für einen erfolgreichen Kampf gegen den Krebs. Trotz allem war ich tief bewegt, als ich von ihnen oder ihren Angehörigen hörte, dass sie es niemals bedauert haben, den Vorschlägen in diesem Buch gefolgt zu sein. Ein Angehöriger schrieb mir: »Bis zum Ende gab es ihr das Gefühl, dass sie ihr Leben noch selbst in der Hand hatte.« Es war eine Erleichterung für mich, zu hören, dass ich keine falschen Hoffnungen geweckt hatte, und hat mich in der Überzeugung bestärkt, dass das Antikrebs-Programm in diesem Buch zwar nicht den Anspruch erheben kann (und nicht erhebt), jeden Krebs in Schach halten zu können, dass es aber die Lebenskräfte stärkt, wie immer es schließlich ausgehen mag.

Erstaunlich viele Betroffene und Angehörige von Betroffenen haben Kontakt zu mir aufgenommen – persönlich, per E-Mail oder über meinen Blog – und berichtet, in welcher Weise sie von der Lektüre von Das Antikrebs-Buch und meinen Empfehlungen profitiert haben. Ein 50-jähriger Geschäftsmann, der nicht an Krebs erkrankt ist, teilte mir mit, wie sehr sich sein Leben verändert hat, seit er jeden Tag grünen Tee trinkt, Kurkuma (mit schwarzem Pfeffer!) an sein Essen gibt und seinen Stress mit Herzkohärenz bekämpft. Eine Frau, die an einem Lymphom leidet, schrieb mir, sie habe Das Antikrebs-Buch wieder und wieder gelesen, immer ein paar Seiten vor dem Schlafengehen, wie ein Einschlafbuch für Kinder. Ein Ingenieur mit Prostatakrebs schickte mir Auswertungen seiner Blutuntersuchungen aus den letzten drei Jahren: Der Marker für die Krebsaktivität (PSA) fiel kontinuierlich, seit er die Grundsätze von Das Antikrebs-Buch befolgte, und sein Onkologe verschob die bereits zwei Jahre zuvor geplante Operation mehrfach. Eine erst 32-jährige Frau, die sich nach einem Rückfall ihrer Brustkrebserkrankung einer Chemotherapie unterziehen musste, berichtete mir von den positiven Wirkungen ihres Aerobic-Trainings, zu dem sie Jacquelines Geschichte angeregt hatte, die während ihrer Behandlung mit Karate angefangen hatte (Kapitel 11).

Eine letzte und ganz spezielle Quelle der Befriedigung ist für mich, dass zwei der Onkologen, die ich im Lauf der Jahre wegen meiner eigenen Krankheit konsultierte, sich nach der Lektüre von Das Antikrebs-Buch bei mir gemeldet haben. Sie fragten mich, wie sie durch eine Verbesserung des »Nährbodens« am besten gegen ihre eigenen Krebserkrankungen aktiv werden könnten. Es war mir eine große Freude, dass ich ihre Fragen aufgrund meiner Forschungen beantworten und ihnen so etwas von der Anteilnahme zurückgeben konnte, die sie mir entgegengebracht hatten, als ich sie am meisten brauchte.

Ich bin stolz und glücklich, diese Neuausgabe vorstellen zu dürfen. Die Aufgabe, das Manuskript noch einmal zu lesen und Verbesserungen vorzunehmen, war leicht. Mehrfach registrierte ich überrascht, dass ich in der Zwischenzeit die Einzelheiten einer bestimmten Studie oder einer Geschichte vergessen hatte. All das neu zu lesen, hat mich ermutigt, an meinem Weg festzuhalten, der, so hoffe ich, weiterhin volle Gesundheit bedeuten wird. Und genau das wünsche ich auch Ihnen.

EINLEITUNG

 

 

IN UNS ALLEN SCHLUMMERT KREBS. Wie alle lebenden Organismen produziert unser Körper ständig defekte Zellen, aus denen Tumoren entstehen können. Aber unser Körper ist auch mit zahlreichen Mechanismen ausgestattet, die solche Zellen aufspüren und in Schach halten. In westlichen Ländern stirbt jeder vierte Mensch an Krebs, das heißt aber auch, dass drei von vier Menschen nicht an Krebs sterben. Ihre Schutzmechanismen funktionieren, sie sterben an anderen Ursachen.1,2

Ich hatte Krebs. Vor 15 Jahren wurde die Krankheit zum ersten Mal bei mir diagnostiziert. Nach einer konventionellen schulmedizinischen Behandlung trat eine Remission ein, aber dann kehrte der Krebs zurück. Erst jetzt beschloss ich, mir so viele Informationen wie möglich über Krebs zu beschaffen, alles, was meinem Körper helfen konnte, sich gegen die Krankheit zu wehren. Als Arzt, als Forscher und als Leiter des Center for Complementary Medicine an der Universität Pittsburgh hatte ich Zugang zu wertvollen Informationen über natürliche Ansätze zur Verhinderung oder begleitenden Behandlung von Krebs. Ich lebe nun seit sieben Jahren krebsfrei. In diesem Buch möchte ich Ihnen die wissenschaftlichen und persönlichen Geschichten erzählen, die hinter dem stehen, was ich in Erfahrung gebracht habe.

Nach Operation und Chemotherapie fragte ich meinen Onkologen, der mir so viel geholfen hatte, um Rat. Was sollte ich tun, um ein gesundes Leben zu führen? Welche Vorsichtsmaßnahmen konnte ich treffen, um einen Rückfall zu vermeiden? »Es gibt nichts Spezielles, was Sie tun könnten. Leben Sie ganz normal. Wir führen in regelmäßigen Abständen Kontrolluntersuchungen durch, und wenn Ihr Tumor wiederkehrt, können wir das frühzeitig feststellen«, antwortete der Arzt, einer der führenden amerikanischen Onkologen.

»Aber gibt es keine Übungen, die ich machen könnte, oder eine Diät, Sachen, die ich verstärkt tun oder meiden sollte? Und wie sieht es mit meiner mentalen Verfassung aus, sollte ich da nicht etwas tun?«, fragte ich. Die Antwort meines Kollegen machte mich sprachlos: »In dem Bereich können Sie tun und lassen, was Ihnen gefällt. Es kann nichts schaden. Aber es gibt keine greifbaren wissenschaftlichen Belege, dass solche Therapieansätze einen Rückfall verhindern können.«

Im Grunde meinte mein Arzt, dass die Onkologie ein außerordentlich komplexes Forschungsgebiet ist, in dem sich die Dinge mit halsbrecherischer Geschwindigkeit ändern. Er hatte bereits Mühe, sich über die neuesten Diagnose- und Therapiemöglichkeiten auf dem Laufenden zu halten. In meinem Fall hatten wir alle Medikamente und anerkannten medizinischen Verfahren ausgeschöpft. Nach dem derzeitigen Wissensstand gab es nichts darüber hinaus. Was den Rest anbetraf, ganzheitliche Verfahren und Ernährung, so fehlte ihm eindeutig die Zeit oder das Interesse, neue Wege zu beschreiten.

Ich kenne dieses Problem von mir selbst als Arzt und Wissenschaftler. Wir bewegen uns alle in unserem Spezialgebiet und bekommen selten andere grundlegende Entdeckungen mit, die in angesehenen Fachzeitschriften wie Science oder Nature veröffentlicht werden. Erst wenn sie Gegenstand groß angelegter Studien am Menschen werden, nehmen wir Notiz davon. Dennoch bieten uns diese bahnbrechenden Erkenntnisse manchmal die Möglichkeit, uns zu schützen, lange bevor sie zur Entwicklung neuer Medikamente oder Behandlungsmethoden geführt haben, die die Therapie der Zukunft sein werden.

Ich brauchte monatelange Recherchen, bis ich langsam verstand, wie ich meinem Körper helfen konnte, sich gegen den Krebs zu wappnen. Ich nahm an Tagungen in den USA und Europa teil, bei denen Ärzte zusammenkamen, die sich medizinisch mit dem »Nährboden« für Krebs auseinandersetzen. Ich durchkämmte medizinische Datenbanken und studierte wissenschaftliche Veröffentlichungen. Schon bald war mir klar, dass die verfügbaren Informationen oft unvollständig und weit verstreut waren. Sie erhielten erst ihre volle Bedeutung, wenn man sie zusammenfügte.

Die Summe der wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigt, dass unsere natürlichen Abwehrkräfte eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen Krebs spielen. Dank aufschlussreicher Begegnungen mit anderen Forschern und klinisch tätigen Ärzten, die bereits in diesem Bereich tätig waren, schaffte ich es, all diese Informationen begleitend zu meiner schulmedizinischen Behandlung in die Praxis umzusetzen.

Was ich dabei lernte, war Folgendes: Zwar schlummern in uns allen Krebszellen, aber unser Körper ist auch dafür gerüstet, den Prozess der Tumorbildung zu bekämpfen. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, die natürlichen Abwehrmechanismen seines Körpers zu nutzen. Andere Kulturen sind da schon sehr viel weiter.

Typisch »westliche« Krebsarten – zum Beispiel Brust-, Darm- und Prostatakrebs – treten in unseren Gefilden sieben- bis 60-mal häufiger auf als in Asien.3 Allerdings zeigen Statistiken, dass in der Prostata asiatischer Männer, die vor dem 50. Lebensjahr an anderen Ursachen als Krebs starben, genauso viele Mikrotumoren im Vorstadium von Krebs gefunden wurden wie bei westlichen Männern.3, 4 Es muss also an der asiatischen Lebensweise liegen, wenn die Entwicklung dieser Mikrotumoren verhindert wird. Denn bei Japanern, die im Westen leben, steigt die Krebsrate und hat unsere nach einer oder zwei Generationen eingeholt.3 Etwas an unserer Lebensweise schwächt unsere Abwehr gegen Krebs.

Wir alle leben mit Mythen, die unsere Fähigkeit zur Bekämpfung von Krebs schwächen. So sind zum Beispiel viele davon überzeugt, dass Krebs in erster Linie mit der genetischen Veranlagung zusammenhängt und nicht mit der Lebensweise. Die Wissenschaft hat bewiesen, dass es sich genau umgekehrt verhält.

Würde Krebs über die Gene weitergegeben, müssten adoptierte Kinder die gleiche Krebsrate aufweisen wie ihre biologischen Eltern, nicht aber wie ihre Adoptiveltern. In Dänemark, wo sich mit einer detaillierten Gendatenbank die Herkunft jedes Menschen zurückverfolgen lässt, haben Forscher die biologischen Eltern von über 1000 Kindern ausfindig gemacht, die nach der Geburt adoptiert wurden. Ihre Schlussfolgerung, die im angesehenen New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zwingt uns, unsere bisherigen Annahmen über Krebs zu revidieren. Die Wissenschaftler stellten nämlich fest, dass es keinen Einfluss auf das Risiko, an Krebs zu erkranken, hat, wenn die biologischen Eltern eines Kindes (von denen seine Gene stammen) vor dem 50. Lebensjahr an Krebs starben. Dagegen erhöhte der Krebstod eines Adoptivelternteils (das Lebensgewohnheiten, aber nicht Gene weitergibt) vor dem 50. Lebensjahr das Risiko, dass das Adoptivkind ebenfalls an einer Krebserkrankung starb, um das Fünffache.5 Diese Studie zeigt, dass in erster Linie die Lebensweise und nicht die genetische Ausstattung darüber entscheidet, ob wir anfällig für Krebs sind. In der Krebsforschung ist man sich einig: Genetische Faktoren sind höchstens für 15 Prozent der tödlichen Krebserkrankungen verantwortlich. Kurz gesagt, Krebs ist kein unabwendbares Schicksal. Wir alle können lernen, uns selbst zu schützen.I

Dennoch muss man ganz klar sagen: Derzeit gibt es keinen alternativen Ansatz zur Heilung von Krebs. Es wäre völlig unvernünftig zu versuchen, Krebs ohne Rückgriff auf die Mittel der konventionellen westlichen Schulmedizin zu heilen: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung, Immuntherapie und schon bald Gentherapie.

Gleichzeitig wäre es aber auch völlig unvernünftig, ausschließlich auf diesen rein technischen Ansatz zu vertrauen und die natürliche Fähigkeit unseres Körpers, sich vor Tumoren zu schützen, außer Acht zu lassen. Wir können die natürliche Abwehr nutzen, um entweder die Krankheit zu verhindern oder die Wirkung der konventionellen Behandlung zu unterstützen.

Auf den folgenden Seiten möchte ich Ihnen die Geschichte erzählen, wie sich meine Sicht, die eines Mediziners und Forschers, der nichts über die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers wusste, veränderte. Mittlerweile setze ich vor allem auf diese natürlichen Abwehrmechanismen; mein Krebs half mir bei diesem Prozess. 15 Jahre lang achtete ich peinlich darauf, meine Krankheit geheim zu halten. Ich liebe meine Arbeit als Psychiater und wollte nicht, dass meine Patienten das Gefühl hatten, sie müssten sich um mich kümmern, anstatt ich mich um sie. Außerdem wollte ich als Forscher und Lehrender nicht, dass man meine Ideen und Ansichten als Folge meiner persönlichen Erfahrung abtat, obwohl ich mich doch stets meinem naturwissenschaftlichen Ansatz verpflichtet fühlte. Und ganz persönlich wollte ich, wie jeder verstehen wird, der Krebs gehabt hat, mein Leben ganz normal weiterführen, am Leben teilhaben wie die anderen auch. Ich habe auch jetzt noch Bedenken, mich aber trotzdem entschlossen, darüber zu sprechen. Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, die Informationen, von denen ich profitiert habe, auch anderen zur Verfügung zu stellen, damit sie ebenfalls Gebrauch davon machen können.

Der erste Teil des Buchs stellt neue Erkenntnisse über die Mechanismen der Krebsentstehung vor. Diese neue Sichtweise basiert auf der grundlegenden, aber immer noch wenig bekannten Rolle des Immunsystems, auf der Entdeckung, dass dem Tumorwachstum Entzündungsmechanismen zugrunde liegen, und auf der Möglichkeit, die Streuung eines Tumors dadurch zu blockieren, dass man neue Blutgefäße daran hindert, ihn zu versorgen.

Durch die neue Perspektive ergeben sich vier neue Ansätze. Jeder kann sie anwenden und Körper und Seele dazu einsetzen, Bedingungen zu schaffen, die dem Krebs entgegenwirken. Diese vier Ansätze sind: 1. Wie schützen wir uns vor den Ungleichgewichten in unserer Umwelt, die sich seit 1940 entwickelt haben und den derzeitigen starken Anstieg der Krebserkrankungen, die Krebsepidemie, fördern? 2. Wie können wir unsere Ernährung so umstellen, dass wir krebsfördernde Lebensmittel reduzieren und möglichst viele Pflanzenstoffe aufnehmen, die aktiv Tumoren bekämpfen? 3. Wie verstehen und heilen wir die seelischen Wunden, die bei einer Krebserkrankung die biologischen Mechanismen verstärken? Und 4. Wie schaffen wir eine Beziehung zu unserem Körper, die das Immunsystem anregt und krebsfördernde Entzündungsprozesse verringert?

Dies ist jedoch kein Lehrbuch der Biologie. Die Konfrontation mit einer Krankheit ist eine quälende Erfahrung. Ich hätte dieses Buch nicht schreiben können, ohne die Freude und den Kummer, die Entdeckungen und Misserfolge noch einmal zu durchleben, dank derer ich mich heute viel lebendiger fühle als vor 15 Jahren. Indem ich all das mit Ihnen teile, kann ich Ihnen vielleicht Wege aufzeigen, wie Sie Ihr eigenes Abenteuer bestehen. Und das wird hoffentlich ein schönes Abenteuer sein.

 

KAPITEL 1MEINE GESCHICHTE

DAMALS LEBTE ICH SEIT SIEBEN JAHREN in Pittsburgh, zehn Jahre zuvor war ich aus Frankreich weggegangen. Ich machte meine Facharztausbildung in Psychiatrie und setzte gleichzeitig Forschungen fort, die ich für meine Promotion in den neurokognitiven Wissenschaften begonnen hatte. Zusammen mit meinem Freund Jonathan Cohen leitete ich ein Labor für Abbildungen der Gehirnfunktion (Funktionelle Bildgebung), das vom amerikanischen National Institute of Health finanziert wurde. Wir wollten die Mechanismen des Denkens besser verstehen, indem wir dem Gehirn beim Denken zusahen. Nie hätte ich mir vorgestellt, dass diese Forschungen meine eigene Krankheit an den Tag bringen würden.

Jonathan und ich waren eng befreundet. Wir waren beide Ärzte mit der Fachrichtung Psychiatrie und hatten uns gemeinsam für das neurowissenschaftliche Promotionsprogramm in Pittsburgh eingeschrieben. Jonathan kam aus dem kosmopolitischen San Francisco, ich via Montreal aus Paris. Und nun waren wir in Pittsburgh gelandet, mitten in der amerikanischen Provinz – unbekanntes Terrain für uns beide. Kurz zuvor hatten wir in der renommierten Zeitschrift Psychological Review einen Aufsatz über die Rolle des präfrontalen Kortex veröffentlicht, einen bis dahin kaum erforschten Bereich des Gehirns, der eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft herstellt. Mit Hilfe unserer Computersimulationen der Gehirnfunktionen entwickelten wir eine neue Theorie in der Psychologie. Der Artikel sorgte in Fachkreisen für einigen Wirbel und brachte uns, obwohl wir damals noch Studenten waren, in den Genuss staatlicher Fördergelder, mit denen wir ein eigenes Forschungslabor einrichten konnten.

Jonathan meinte, dass Computersimulationen nicht mehr genügten, wenn wir mit unseren Untersuchungen weiterkommen wollten. Wir mussten unsere Theorie in der Praxis überprüfen und die Gehirnfunktionen direkt beobachten, und zwar unter Einsatz der neuesten Technologie: der funktionellen Magnetresonanztomografie (MRT). Damals steckte die Technik noch in den Kinderschuhen. Nur besonders innovative Forschungszentren besaßen die neuen Hochleistungsscanner; in den Krankenhäusern standen meist nur die normalen, längst nicht so leistungsfähigen Geräte. Vor allem hatte man noch nie mit einem Krankenhausgerät die Aktivität im präfrontalen Kortex – die Gegenstand unserer Forschung war – messen können. Im Gegensatz zum visuellen Kortex (der Sehrinde), dessen Aktivitäten man leicht messen kann, lässt sich der präfrontale Kortex nur sehr schwer in Aktion beobachten. Damit wir auf den MRT-Bildern etwas sehen konnten, mussten wir den präfrontalen Kortex mit komplizierten Aufgaben »reizen«. Doug, ein Physiker in unserem Alter, dessen Spezialgebiet die MRT-Technik war, hatte ein neues Verfahren entwickelt, das uns vielleicht helfen konnte, diese Schwierigkeiten zu überwinden und Bilder aufzuzeichnen. Unser Krankenhaus stellte uns den Scanner nach den Sprechstunden für die Zeit zwischen 20 und 23 Uhr zur Verfügung, damit wir unsere neue Methode ausprobieren konnten.

Doug nahm ständig technische Verbesserungen vor, während Jonathan und ich uns Aufgaben überlegten, die diesen Bereich des Gehirns maximal stimulierten. Nach mehreren Misserfolgen konnten wir schließlich auf unseren Bildschirmen den berühmten präfrontalen Kortex bei der Arbeit beobachten. Es war ein ganz besonderer Augenblick, der Höhepunkt einer Zeit intensiver Forschung, und umso aufregender, weil wir ihn als Freunde erlebten.

Ich muss zugeben, wir waren ein bisschen arrogant. Wir waren alle drei Anfang dreißig, hatten gerade unseren Doktortitel erworben und besaßen schon ein eigenes Labor. Mit unserer neuen Theorie, die überall auf großes Interesse stieß, standen Jonathan und ich am Beginn einer vielversprechenden Karriere in der amerikanischen Psychiatrie. Wir beherrschten die neueste Technologie, mit der bis jetzt noch kaum jemand arbeitete. Unter den Psychiatern an den Universitäten waren Computersimulationen neuronaler Netze und die funktionelle Bildgebung mit Hilfe der Magnetresonanztomografie noch kaum bekannt. In jenem Jahr erhielten Jonathan und ich sogar eine Einladung von Professor Widlöcher, damals die große Kapazität in der französischen Psychiatrie. Wir sollten nach Paris kommen und dort ein Seminar am Hôpital de la Pitié-Salpêtrière leiten, der Klinik, wo Freud als Assistent von Charcot gearbeitet hatte. Zwei Tage lang erläuterten wir vor französischen Psychiatern und Neurowissenschaftlern, wie unsere Computersimulationen neuronaler Netze zu einem besseren Verständnis psychologischer und pathologischer Mechanismen beitrugen. Mit dreißig konnte man darauf durchaus stolz sein.

Ich genoss mein Leben in vollen Zügen – ein Leben, das mir heute ein bisschen seltsam vorkommt. Ich war mir meines Erfolgs sicher, setzte großes Vertrauen in die Naturwissenschaften und hatte am Kontakt zu Patienten nicht viel Interesse. Da mich meine Facharztausbildung in der Psychiatrie und mein Forschungslabor voll beanspruchten, versuchte ich, möglichst wenig klinisch zu arbeiten. Deshalb war ich wie die meisten Ärzte nicht begeistert, als ich im Zuge des Ausbildungsprogramms auf eine andere Stelle wechseln sollte, denn das bedeutete eine höhere Arbeitsbelastung, und außerdem ging es dabei nicht um Psychiatrie im eigentlichen Sinn. Ich sollte sechs Monate lang auf der allgemeinmedizinischen Station arbeiten und mich um die psychischen Probleme von Patienten kümmern, die eine Bypassoperation oder eine Lebertransplantation hinter sich hatten oder an Krebs, Lupus, Multipler Sklerose und Ähnlichem litten. Meiner Meinung nach hielt mich diese Arbeit nur von meiner Forschung ab. Außerdem interessierten mich die Patienten mit ihren medizinischen Problemen nicht sonderlich. Ich wollte am Gehirn forschen, Aufsätze schreiben, auf Kongressen Vorträge halten und zum Fortschritt der Wissenschaft beitragen.

Ein Jahr zuvor war ich als Freiwilliger mit »Ärzte ohne Grenzen« im Irak gewesen. Ich hatte das Elend dort miterlebt und meine ganze Energie darauf verwandt, Tag für Tag das Leid vieler Menschen zu lindern. Doch das hatte in mir nicht die Lust geweckt, diese Art von Arbeit in Pittsburgh fortzusetzen. Für mich waren das zwei völlig verschiedene Welten. Ich war in erster Linie jung und ehrgeizig.

Die große Bedeutung, die ich meiner Arbeit in meinem Leben einräumte, trug sicher auch zu der schmerzhaften Trennung bei, die ich gerade hinter mir hatte. Neben anderen Unstimmigkeiten konnte meine Frau es nicht ertragen, dass ich meiner Karriere zuliebe weiter in Pittsburgh leben wollte. Sie wäre gern nach Frankreich zurückgekehrt oder zumindest in eine Stadt wie New York gezogen, die mehr Abwechslung versprach. Für mich jedoch bedeutete Pittsburgh eine Möglichkeit, schneller ans Ziel zu kommen, außerdem wollte ich nicht auf mein Labor und meine Kollegen verzichten. Schließlich landeten wir vor dem Scheidungsrichter, und ich lebte ein Jahr allein in meinem kleinen Haus, von dem ich ohnehin nur das Schlaf- und das Arbeitszimmer sah.

Und dann fiel eines Tages, als das Krankenhaus praktisch verwaist war – es war die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, die ruhigste Woche des Jahres –, mein Blick auf eine junge Frau, die in der Cafeteria saß und Baudelaire las. In den USA ist es ein seltener Anblick, dass jemand beim Mittagessen einen französischen Dichter des 19. Jahrhunderts liest. Ich setzte mich an ihren Tisch. Anna war Russin, hatte hohe Wangenknochen und große dunkle Augen. Sie wirkte zurückhaltend, aber gleichzeitig sehr intelligent. Gelegentlich hörte sie mitten im Satz auf zu reden. Als ich sie verwirrt fragte, was sie tue, antwortete sie: »Ich prüfe das, was du gerade gesagt hast, auf seine Aufrichtigkeit.« Das brachte mich zum Lachen, denn es gefiel mir, wie sie mich in Schach hielt. So begann unsere Beziehung. Sie brauchte Zeit, sich zu entwickeln. Ich hatte es nicht eilig, und Anna auch nicht.

Sechs Monate später ging ich an die University of California in San Francisco und arbeitete dort den Sommer über in einem Labor für Psychopharmakologie. Der Leiter des Labors wollte in den Ruhestand gehen und hätte mich gerne als seinen Nachfolger gesehen. Ich sagte Anna, dass ich mich nicht binden wolle, möglicherweise würde ich in San Francisco eine andere Frau kennenlernen. Natürlich würde ich es auch verstehen, wenn sie sich in einen anderen Mann verlieben sollte. Ich glaube, das verletzte sie, aber ich wollte ganz offen sein. Zum Abschied schenkte ich ihr einen Hund.

Als ich im September nach Pittsburgh zurückkehrte, zog Anna zu mir in mein Puppenhaus. Ich spürte, dass sich zwischen uns etwas entwickelte, und war glücklich. Noch wusste ich nicht, wohin diese Beziehung führen würde, daher blieb ich auf der Hut – ich hatte meine Scheidung noch nicht verwunden. Aber in meinem Leben ging es bergauf. Im Oktober verbrachten wir zwei traumhafte Wochen. Es war Indian Summer. Ich war gebeten worden, ein Drehbuch über meine Erfahrung bei »Ärzte ohne Grenzen« zu verfassen, und Anna schrieb Gedichte. Ich war verliebt.

Und dann geriet ohne Vorwarnung alles ins Wanken.

Ich erinnere mich noch gut an jenen strahlenden Oktoberabend in Pittsburgh, als ich auf dem Weg zum MRT-Zentrum mit dem Motorrad durch Straßen fuhr, die von Bäumen in leuchtendem Herbstlaub gesäumt waren. Jonathan, Doug und ich wollten wieder einmal Experimente an studentischen »Versuchskaninchen« durchführen. Gegen eine geringe Aufwandsentschädigung legten sich die Studenten in den Scanner und lösten für uns mentale Aufgaben. Sie fanden unsere Forschungen ebenso aufregend wie die Aussicht, dass sie im Anschluss eine digitale Aufnahme ihres Gehirns erhielten, die sie sich daheim auf dem Computer ansehen konnten. Der erste Student kam wie verabredet um 20 Uhr. Mit dem zweiten hatten wir 21 Uhr vereinbart, doch er erschien nicht. Daraufhin fragten Jonathan und Doug, ob ich einspringen könnte, denn von uns dreien war ich derjenige mit der geringsten technischen Begabung. Bereitwillig legte ich mich in die enge Röhre, die Arme dicht an den Körper gepresst; es fühlte sich ein bisschen an wie in einem Sarg. Viele Menschen ertragen die Enge in der Röhre nicht: 10 bis 15 Prozent der Patienten sind so klaustrophobisch, dass eine Magnetresonanztomografie für sie nicht infrage kommt.

Da liege ich nun, und wie üblich zeichnen wir zuerst die Gehirnstruktur des Versuchskandidaten auf. Gehirne sind wie Gesichter – keines gleicht dem anderen. Bevor wir Messungen durchführen, muss das Gehirn im Ruhezustand aufgenommen werden. Dieses sogenannte anatomische Bild wird dann mit den Aufnahmen des aktiven Gehirns verglichen, den funktionellen Bildern. Während des Vorgangs ist ein lautes Klopfen zu hören, wie wenn man mit einem Metallstab wiederholt auf den Boden schlagen würde. Das Geräusch kommt von den Bewegungen des Elektromagneten, der durch schnelles Ein- und Ausschalten Variationen im Magnetfeld des Gehirns erzeugt. Die Geschwindigkeit des Klopfens hängt davon ab, ob es sich um eine anatomische oder funktionelle Aufnahme handelt. Nach dem zu schließen, was ich höre, machen Jonathan und Doug anatomische Aufnahmen von meinem Gehirn.

Nach zehn Minuten ist die anatomische Phase abgeschlossen. Ich warte darauf, dass auf den kleinen Monitoren über meinen Augen die von uns programmierte »mentale Aufgabe« erscheint, mit der die Aktivität im präfrontalen Kortex angeregt werden soll, denn Ziel unseres Experiments soll ja die Abbildung dieser Aktivität sein. Bei der Aufgabe leuchten in rascher Abfolge Buchstaben auf. Jedes Mal, wenn zwei aufeinanderfolgende Buchstaben identisch sind, soll ich einen Knopf drücken (der präfrontale Kortex wird aktiviert, weil ich mich ein paar Sekunden lang an die Buchstaben erinnern muss, die nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen sind, um sie mit den nachfolgenden zu vergleichen). Ich warte auf die Aufgabe, die Jonathan mir schicken soll, und das typische schnelle Klopfen des Scanners bei der Aufnahme der funktionellen Hirntätigkeit. Aber nichts passiert. Ich verstehe nicht, was los ist. Jonathan und Doug sitzen hinter einer Scheibe im Kontrollraum, wir können nur über eine Sprechanlage miteinander kommunizieren. Endlich höre ich über den Kopfhörer: »David, wir haben ein Problem. Mit den Bildern stimmt etwas nicht. Wir müssen sie noch mal machen.« Gut. Ich warte.

Wir fangen noch einmal von vorn an. Wieder machen wir zehn Minuten lang anatomische Bilder, dann ist es Zeit für die mentale Aufgabe. Doch ich warte vergeblich. Schließlich meldet sich Jonathan: »Hör zu, da stimmt etwas nicht. Wir kommen zu dir.« Die beiden betreten den Scanner-Raum, und als sie mich aus der Röhre ziehen, registriere ich ihren merkwürdigen Gesichtsausdruck. Jonathan legt mir die Hand auf den Arm und sagt: »Wir können das Experiment nicht machen. Da ist etwas mit deinem Gehirn.« Dann zeigen sie mir auf dem Monitor die Bilder, die sie gerade zweimal mit dem Computer aufgenommen haben.

Ich war weder Radiologe noch Neurologe, hatte aber viele Aufnahmen von Gehirnen gesehen; das gehörte zu unserer täglichen Arbeit. In der rechten Region meines präfrontalen Kortex war eindeutig ein rundes, walnussgroßes Gebilde zu erkennen. An dieser Stelle war das kein gutartiger Hirntumor, wie beispielsweise ein Meningeom oder ein Adenom (Geschwulst) an der Hirnanhangdrüse, die man operieren kann und die nicht zu den aggressiven Tumoren gehören. Es konnte eine Zyste sein oder ein infektiöser Abszess, ausgelöst durch bestimmte Krankheiten wie Aids. Aber mein Gesundheitszustand war ausgezeichnet, ich trieb viel Sport und war sogar Kapitän meiner Squashmannschaft. Damit war eine gutartige Geschwulst ausgeschlossen.

Es ließ sich nicht leugnen, dass es sich um eine schwerwiegende Entdeckung handelte. In fortgeschrittenem Stadium kann ein Hirntumor ohne Behandlung innerhalb von sechs Wochen zum Tod führen, mit Behandlung innerhalb von sechs Monaten. Ich wusste nicht, in welchem Stadium ich mich befand, aber ich kannte die Statistik. Wir schwiegen, wir wussten alle drei nicht, was wir sagen sollten. Jonathan schickte die Aufnahmen an die Radiologieabteilung, damit ein Spezialist sie am nächsten Tag auswerten konnte. Dann verabschiedeten wir uns.

Ich lenkte mein Motorrad zu unserem Häuschen am anderen Ende der Stadt. Es war elf Uhr nachts; am klaren Himmel leuchtete ein prächtiger Mond. Als ich ins Schlafzimmer trat, schlief Anna schon. Ich legte mich neben sie und starrte an die Decke. Wie seltsam, dass mein Leben so enden sollte. Es war unvorstellbar. Zwischen dem, was ich gerade erfahren hatte, und dem, was ich über so viele Jahre aufgebaut hatte, tat sich eine tiefe Kluft auf. Ich hatte einen langen Anlauf genommen und wollte jetzt gerade zum Sprung ansetzen, wollte etwas erreichen. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch ganz am Anfang stand und gerade erst begonnen hatte, einen nützlichen Beitrag zu leisten. Für meine Ausbildung und meine Karriere hatte ich viele Opfer gebracht, viel in die Zukunft investiert. Und plötzlich sah es so aus, als ob es womöglich gar keine Zukunft für mich geben würde.

Mir wurde bewusst, dass ich ganz allein war. Meine Brüder hatten eine Zeit lang in Pittsburgh studiert, waren aber nach ihren Examen weggezogen. Ich hatte keine Frau mehr, und meine Beziehung mit Anna war noch ganz frisch; sie würde mich sicher verlassen, denn wer wollte schon einen Partner, der mit 31 Jahren zum Sterben verurteilt ist? Ich sah mich selbst als ein Stück Holz, das den Fluss hinuntertrieb und plötzlich ans Ufer geschwemmt wurde, in einer Pfütze stehenden Wassers liegen blieb. Ich würde es nie bis zum Ozean schaffen. Durch einen Schicksalsschlag saß ich an einem Ort fest, mit dem mich nichts verband. Ich würde mutterseelenallein in Pittsburgh sterben.

Während ich dalag und grübelnd dem Rauch meiner kleinen indischen Zigarette nachsah, geschah etwas Merkwürdiges. Ich wollte nicht schlafen. Ich hing meinen Gedanken nach und hörte, wie sich in meinem Hinterkopf plötzlich eine leise Stimme zu Wort meldete – ruhig und bestimmt, voller Überzeugung und Klarheit, mit einer Gewissheit, die ich von mir nicht kannte. Das war nicht ich, aber es war definitiv meine Stimme. Gerade, als ich mir immer wieder sagte: »Das kann nicht sein, das kann mir unmöglich passieren«, erklärte die Stimme: »Weißt du was, David? Natürlich ist es möglich, und es ist nicht so schlimm.« Etwas geschah mit mir, etwas Erstaunliches und Unbegreifliches. Von diesem Augenblick an war ich nicht mehr wie gelähmt. Es lag doch auf der Hand: Ja, es war möglich. Wir alle müssen sterben. Viele andere hatten diese Erfahrung vor mir gemacht, es war nichts Besonderes. Es war nichts falsch daran, menschlich und damit sterblich zu sein. Mein Gehirn hatte ganz allein einen Weg gefunden, mich zu beruhigen und zu trösten. Später, als mich wieder Angst überkam, musste ich lernen, meine Gefühle im Zaum zu halten. Aber in jener Nacht konnte ich einschlafen, und am nächsten Tag war ich in der Lage, zur Arbeit zu gehen und die notwendigen Schritte einzuleiten, um mich meiner Krankheit und meinem Leben zu stellen.

KAPITEL 2WIE ENTKOMMT MAN DER STATISTIK?

STEPHEN JAY GOULD WAR PROFESSOR für Zoologie, ein Spezialist für Evolutionstheorie an der Harvard University. Er war außerdem einer der einflussreichsten Wissenschaftler seiner Generation und galt bei vielen wegen seiner umfassenden Theorien zur Entwicklung der Arten als »zweiter Darwin«.

Im Juli 1982 erfuhr er im Alter von 40 Jahren, dass er ein Mesotheliom in der Bauchhöhle hatte, eine seltene und bösartige Krebsform, deren Entstehung man vor allem dem Kontakt mit Asbest zuschreibt. Nach der Operation bat er seine Ärztin, ihm die besten Fachartikel über Mesotheliome zu nennen. Bis dahin war die Onkologin immer sehr offen zu ihm gewesen, doch jetzt antwortete sie ausweichend, die medizinische Literatur biete nichts wirklich Stichhaltiges zum Thema. Aber einen Wissenschaftler von Goulds Format daran hindern zu wollen, die Veröffentlichungen zu einem Thema zu studieren, das ihn selbst betrifft, ist ein wenig so, wie Gould später schrieb, als würde man »dem Homo sapiens, dem Primaten mit dem stärksten Geschlechtstrieb, empfehlen, keusch zu leben«.

Gould ging schnurstracks vom Krankenhaus zur Universitätsbibliothek und setzte sich mit einem Stapel aktueller medizinischer Fachzeitschriften an einen Tisch. Eine Stunde später verstand er, warum die Ärztin ihm ausgewichen war. Die wissenschaftlichen Studien ließen keinen Zweifel: Ein Mesotheliom war »unheilbar«, die mediane Überlebenszeit lag bei acht Monaten ab Diagnose, das heißt, dass die Patienten durchschnittlich noch acht Monate lebten. Wie ein Tier, das plötzlich in die Klauen eines Raubtiers geraten ist, spürte Gould Panik in sich aufsteigen. Eine gute Viertelstunde lang waren Körper und Geist wie betäubt.

Schließlich gewann seine naturwissenschaftliche Ausbildung die Oberhand und rettete ihn vor der Verzweiflung. Immerhin hatte er fast sein ganzes Leben damit verbracht, Naturphänomene zu studieren und in Zahlen auszudrücken. Und eins hatte er dabei gelernt: In der Natur gibt es kein Gesetz, das universell gültig ist; Abweichung ist die Grundlage allen Lebens. In der Natur ist ein Median (oder Zentralwert) eine Abstraktion, ein »Gesetz«, das der Mensch auf eine Vielzahl von Einzelfällen anwendet. Aber für Gould als Individuum stellte sich die Frage, wo er selbst in der Variationsbreite der Zahlen lag.

Die Tatsache, dass der Median der Überlebensdauer acht Monate betrug, bedeutete, so überlegte Gould, dass die Hälfte der Personen mit Mesotheliom schon vor Ablauf der acht Monate starb. Damit lebte die andere Hälfte länger als acht Monate. Aber zu welcher Hälfte gehörte er? Er war jung, rauchte nicht, war (abgesehen vom Krebs) bei guter Gesundheit, sein Tumor war in einem frühen Stadium diagnostiziert worden, und er konnte auf die beste medizinische Versorgung zählen. Erleichtert kam Gould zu dem Schluss, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach zur vielversprechenden Hälfte gehörte. So weit, so gut.

Dann fiel ihm noch etwas viel Wichtigeres auf. Alle Kurven, mit denen man die Lebenserwartung eines Patienten darstellt (die sogenannten »Überlebenskurven«), haben die gleiche asymmetrische Form: Laut Definition konzentriert sich die Hälfte der Fälle auf die linke Kurvenseite mit einer Überlebenszeit von null bis acht Monaten, während die andere Hälfte auf der rechten Seite natürlich über die acht Monate hinausreicht. Die Kurve, die »Verteilung«, wie es in der Statistik heißt, hat einen langen Schwanz, der sich über eine erhebliche Zeitspanne erstrecken kann.

Fieberhaft suchte Gould in den Zeitschriften nach einer vollständigen Überlebenskurve für Patienten mit Mesotheliom. Als er schließlich fündig wurde, stellte er fest, dass sich die Verteilung über mehrere Jahre hinzog. Das hieß, selbst wenn der Median der Sterblichkeit bei acht Monaten lag, gab es am Ende der Verteilung eine kleine Zahl Patienten, die jahrelang mit der Krankheit gelebt hatten. Gould sah keinen Grund, warum er nicht in den hinteren Bereich der Verteilung fallen sollte, und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

Abbildung 1: Überlebenskurve bei einem Mesotheliom, wie sie Stephen Jay Gould vor sich sah.

Diese Entdeckung verlieh Gould neuen Mut, und der Biologe in ihm kam zu einer dritten Schlussfolgerung, die genauso wichtig wie die beiden vorherigen war: Die vorliegende Überlebenskurve berücksichtigte Personen, die 10 oder 20 Jahre zuvor behandelt worden waren. Sie hatten die damals zur Verfügung stehende Therapie erhalten, unter den damaligen Bedingungen. Doch auf einem Gebiet wie der Krebsforschung sind zwei Faktoren einem ständigen Wandel unterworfen: die üblichen Behandlungsformen und unser Wissen darüber, was der Patient zur Unterstützung der Therapie tun kann. Wenn sich die Bedingungen ändern, ändert sich auch die Überlebenskurve. Mit einer neuen Behandlungsmethode und ein bisschen Glück würde Gould vielleicht zu einer neuen Kurve mit einem höheren Median gehören, die viel weiter nach rechts gehen würde, vielleicht bis zu einem natürlichen Tod im hohen Alter.I

Stephen Jay Gould starb 20 Jahre später an einer anderen Krankheit. Er hatte Zeit gehabt, eine bewundernswerte wissenschaftliche Karriere zu verfolgen, und erlebte zwei Jahre vor seinem Tod noch die Veröffentlichung seines Opus magnum, The Structure of Evolutionary Theory. Er hatte 30-mal länger gelebt, als die Onkologen vorhergesagt hatten.

Aus der Geschichte dieses großartigen Naturwissenschaftlers lässt sich eine ganz einfache Schlussfolgerung ziehen: Statistiken sind Informationen, kein Todesurteil. Wenn man Krebs hat und gegen sein Schicksal kämpfen will, sollte man den Blick auf den hinteren, vielversprechenderen Teil der Kurve richten.

Niemand kann den Verlauf einer Krebserkrankung vorhersagen. Professor David Spiegel von der Stanford University organisiert seit 30 Jahren Selbsthilfegruppen mit psychologischer Betreuung für Frauen mit metastasierendem Brustkrebs. Bei einem Vortrag vor Onkologen in Harvard (der im Journal of the American Association of Medicine erschien) schilderte er seine Ratlosigkeit: »Krebs ist eine rätselhafte Krankheit. Wir hatten Patientinnen, bei denen sich vor acht Jahren Metastasen im Gehirn bildeten [Anmerkung des Autors: eine besonders bedrohliche Entwicklung bei Brustkrebs] und denen es heute gut geht. Wie kommt das? Niemand weiß es. Es ist eines der großen Geheimnisse der Chemotherapie, dass die Tumoren manchmal verschwinden und sich die Überlebenszeit trotzdem kaum verlängert. Die Verbindung zwischen somatischer Resistenz und einem Fortschreiten der Krankheit ist selbst aus rein onkologischer Sicht immer noch schwer zu erklären.«1

Wir alle haben schon von Wunderheilungen gehört, von Menschen, denen die Ärzte nur noch wenige Monate gaben und die trotzdem noch jahre-, sogar jahrzehntelang lebten. »Aber das sind Einzelfälle«, werden wir gewarnt. Oder man sagt uns, dass es sich bei diesen Fällen vermutlich gar nicht um Krebs gehandelt habe, sondern um eine Fehldiagnose. In den Achtzigerjahren gingen zwei Wissenschaftler von der Erasmus-Universität in Rotterdam der Sache nach und untersuchten systematisch Fälle von Spontanheilungen bei Krebs, bei denen die Diagnose nicht infrage gestellt werden konnte. Nachdem sie 18 Monate lang recherchiert hatten, zählten sie zu ihrer großen Überraschung allein in ihrer kleinen Region in den Niederlanden sieben Fälle, die so eindeutig wie unerklärlich waren.2 Es gibt daher guten Grund zu der Annahme, dass solche Fälle viel häufiger sind, als allgemein eingeräumt wird.

Organisationen und Einrichtungen wie das Commonweal Center in Kalifornien bieten Kurse an (darauf gehe ich später noch genauer ein), bei denen die Patienten versuchen, ihr Leben und ihre Krankheit in die Hand zu nehmen. Sie lernen, in größerer Harmonie mit ihrem Körper und ihrer Vergangenheit zu leben und durch Yoga und Meditation ihr inneres Gleichgewicht zu finden. Sie ernähren sich mit Lebensmitteln, die helfen, den Krebs zu bekämpfen, und meiden solche Lebensmittel, die sein Wachstum fördern. Ihre Krankheitsgeschichten zeigen, dass sie zwei- bis dreimal so lange leben wie ein durchschnittlicher Patient mit der gleichen Krebsart im gleichen Stadium.II3

Ein befreundeter Onkologe von der University of Pittsburgh, mit dem ich über diese Zahlen sprach, wandte ein: »Das sind keine gewöhnlichen Patienten. Sie sind besser ausgebildet, motivierter und in besserer gesundheitlicher Verfassung. Die Tatsache, dass sie länger leben, beweist gar nichts.« Aber genau darauf kommt es an: Wer besser über seine Krankheit informiert ist, auf Körper und Seele achtet und sie mit dem versorgt, was die Gesundheit verbessert, kann die Schutzmechanismen seines Körpers gegen Krebs mobilisieren. Diese Patienten leben besser, und sie leben länger.

Inzwischen hat Dr. Dean Ornish, Professor für Medizin an der University of California in San Francisco und Vorkämpfer der ganzheitlichen Medizin, weitere Nachweise erbracht. 2005 veröffentlichte er die Ergebnisse einer bis dahin einmaligen onkologischen Studie.4 Sie begleitete 93 Männer mit Prostatakrebs im Frühstadium (bestätigt durch eine Biopsie), die sich gegen eine Operation entschieden hatten. Daraufhin wurde der Verlauf der Krankheit von ihrem Onkologen beobachtet und in regelmäßigen Abständen der PSA-Wert im Blut gemessen. Das Prostataspezifische Antigen (PSA) ist ein Eiweiß, das in den Zellen der Prostata gebildet wird und im Blut nachweisbar ist. Ein Anstieg des PSA-Werts deutet darauf hin, dass sich die Krebszellen vermehrt haben und der Tumor wächst.

Da die Männer für den Beobachtungszeitraum eine schulmedizinische Behandlung abgelehnt hatten, konnte man die Wirkung eines natürlichen Therapieansatzes untersuchen. Per Losverfahren wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt, um von Anfang an vergleichbare Bedingungen zu schaffen. Bei der Kontrollgruppe wurden nur der PSA-Wert ermittelt und der Krankheitsverlauf kontrolliert. Für die andere Gruppe entwickelte Dr. Ornish ein umfassendes Programm für Körper und Seele. Ein Jahr lang ernährten sich die Patienten vegetarisch und nahmen Nahrungsergänzungsmittel zu sich (die Antioxidantien Vitamin E und C und Selen, dazu noch ein Gramm Omega-3-Fettsäuren pro Tag), sie bewegten sich regelmäßig (ein 30-minütiger Spaziergang an sechs Tagen die Woche), lernten Entspannungstechniken (Yoga, Atemübungen, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung) und trafen sich einmal in der Woche in einer Selbsthilfegruppe mit anderen Patienten aus dem Programm.

Das Programm bedeutete eine radikale Veränderung des Lebensstils, vor allem für gestresste Führungskräfte und Familienväter mit vielen Verpflichtungen. Ornishs Methoden hatten lange als sonderbar und irrational gegolten, Erfolge waren als Einbildung abgetan worden. Doch schon nach 12 Monaten beseitigten die Ergebnisse der Studie alle Zweifel.

Bei den 49 Patienten, die ihren Lebensstil nicht geändert und auf eine regelmäßige Überwachung der Krankheit vertraut hatten, verschlechterte sich der Krebs in sechs Fällen; diese Männer mussten sich einer Operation unterziehen, gefolgt von einer Chemotherapie und Bestrahlung. Von den 41 Patienten, die an Ornishs Pogramm teilgenommen hatten, benötigte dagegen kein Einziger eine derartige Behandlung. In der ersten Gruppe war der PSA-Wert (der Auskunft über das Wachstum des Tumors gibt) im Schnitt um 6 Prozent gestiegen, und dabei wurden die Männer, die aus der Studie ausscheiden mussten, weil ihre Krankheit zu weit fortgeschritten war (ihr PSA-Wert war beunruhigend gestiegen), gar nicht berücksichtigt, sonst wäre der durchschnittliche PSA-Wert noch höher ausgefallen. Die Entwicklung in der ersten Gruppe wies darauf hin, dass die Tumoren zwar langsam, aber stetig wuchsen. Bei der zweiten Gruppe dagegen war der PSA-Wert im Durchschnitt um 4 Prozent gesunken, was auf eine Rückbildung der Tumoren bei den meisten Patienten hindeutet.

Aber noch beeindruckender waren die allgemeinen Vorgänge im Körper der Männer, die ihren Lebensstil geändert hatten. Als man ihr Blut typischen Krebszellen der Prostata aussetzte (Zellen der LNCaP-Zelllinie, an denen die bei einer Chemotherapie verwendeten Medikamente getestet werden), war dessen Fähigkeit, das Wachstum der Krebszellen zu hemmen, siebenmal höher als beim Blut der Männer, die ihren Lebensstil nicht geändert hatten. Das heißt, je sorgfältiger die Männer Dr. Ornishs Ratschläge befolgten und ihren Lebensstil entsprechend veränderten, desto aktiver wehrte ihr Blut die Krebszellen ab!

In der Wissenschaft spricht man von »Dosis-Wirkung-Verhältnis«, und es ist ein wichtiges Argument dafür, dass eine kausale Beziehung zwischen Lebensstil und Krebs besteht.

Um die molekularen Mechanismen hinter den Daten aufzuklären, untersuchte Dr. Ornish, wie Verhaltensänderungen die Genexpression in den Prostatazellen beeinflussen. Er entnahm vor Beginn eines Programms zur Lebensstilveränderung eine DNA-Probe aus der Prostata der Testperson und drei Monate später eine weitere Probe. Die Ergebnisse der 2008 veröffentlichten Studie wurden den Erwartungen gerecht: Sie belegten, dass Ornishs Programm zur Lebensstilveränderung die Funktionsweise von mehr als 500 Genen in der Prostata beeinflusst hatte.5 Es stimulierte Gene, die eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs haben, und hemmte andere, die Krebs fördern. Bei einem Teilnehmer der Studie, Jack McClure, war der Krebs sechs Jahre zuvor diagnostiziert worden. Nach drei Monaten in Ornishs Programm zeigte er keinerlei Symptome der Krankheit mehr. »Bei meiner letzten Biopsie haben sie keine Krebszellen mehr gefunden. Ich will noch nicht sagen, dass ich geheilt bin. Sie finden einfach keinen Krebs mehr.« Dean Ornish meint, diese Studie müsse all jenen Hoffnung vermitteln, die fürchten, dass sie aufgrund einer genetischen Vorbelastung Krebs bekommen werden. »So oft sagen Menschen, ich habe schlechte Gene, was kann ich tun? Wie es aussieht, können sie wesentlich mehr tun, als sie dachten.«

Krebsgene sind womöglich nicht defekte Teile unserer biologischen Maschinerie, die uns dazu verdammen, krank zu werden. Im Jahr 2009 erschütterten unabhängig voneinander zwei Forschergruppen, die eine in Quebec, die andere in Kalifornien, unser bisheriges Verständnis der genetischen Ursachen von Brust- und Prostatakrebs und insgesamt die Vorstellung, dass unsere Gene festlegen, wie hoch unser Risiko ist, an Krebs zu sterben. Bei der Lektüre dieser Studien fühlt man sich an die traditionelle Vorstellung von »Ahnen« erinnert, wie man sie aus asiatischen Kulturen oder dem alten Rom kennt. In diesen Kulturen glaubte man, die Geister der Ahnen würden die Orte bevölkern, an denen sie gewohnt hatten. Wenn man die Ahnen nicht beständig mit Gaben von Nahrungsmitteln besänftigte, konnten sie alles mögliche Unheil über den Haushalt bringen. Krebsgene könnten sich ein bisschen wie solche »hungrigen Geister« verhalten: Sie zeigen sich nur und richten nur dann Unheil an, wenn wir vergessen, uns angemessen um sie zu kümmern.

An der Universität von Montreal untersuchte eine Forschergruppe um Dr. Parviz Ghadirian Frauen, die Trägerinnen der Brustkrebsgene BRCA-1 und BRCA-2 waren, zwei Gene, die viele Frauen in Angst und Schrecken versetzen, weil beinahe 80 Prozent der Trägerinnen im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs erkranken. Viele Frauen, die erfahren haben, dass sie Trägerinnen sind, lassen sich lieber beide Brüste amputieren, als mit der nahezu sicheren Perspektive zu leben, dass sie eines Tages erkranken werden. Doch Ghadirian und sein Team stellten fest, dass bei manchen Trägerinnen der beiden Gene das Erkrankungsrisiko erheblich geringer war. Und was war ihre Beobachtung? Je mehr Obst und Gemüse diese Frauen aßen, desto geringer war ihr Erkrankungsrisiko. Bei den Frauen, die pro Woche bis zu 27 verschiedene Sorten Obst und Gemüse verzehrten (allem Anschein nach ist es wichtig, dass es möglichst viele verschiedene Sorten sind), war das Risiko um nicht weniger als 73 Prozent vermindert.6An der Universität von San Francisco kam eine Forschergruppe um Professor John Witte zu ganz ähnlichen Ergebnissen bei Prostatakrebs.7 Bestimmte Gene triggern eine extreme Anfälligkeit für Entzündungsprozesse und regen langsam wachsende Mikrotumoren der Prostata an, sich zu aggressiven, metastasierenden Krebstumoren zu entwickeln.III Doch wenn die Männer, die Träger dieser Gene waren, mindestens zweimal pro Woche fetten Fisch mit viel Omega-3 konsumierten, blieben die Gene unter Kontrolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tumoren aggressiv wurden, war fünfmal geringer als bei den Männern, die überhaupt keinen Fisch aßen.

Diese neuen Erkenntnisse sprechen für die Annahme, dass »Krebsgene« nicht so gefährlich sind, solange sie nicht durch unseren ungesunden Lebensstil aktiviert werden. Sie verhalten sich ein bisschen wie die jähzornigen Geister der Ahnen, die regelmäßige Opfergaben verlangen, damit sie ruhig bleiben. Tatsächlich sind es vielleicht einfach Gene, die nicht gut mit dem Übergang von der Ernährungsweise unserer Vorfahren, die perfekt an die Bedürfnisse unseres Organismus angepasst war, zu unserer modernen Ernährung mit vielen industriell hergestellten und verarbeiteten Produkten (siehe Kapitel 6) zurechtgekommen sind. Das würde beispielsweise erklären, warum vor dem Zweiten Weltkrieg geborene Frauen, die Trägerinnen des Brustkrebsgens BRCA sind, ein zwei- bis dreimal geringeres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken, als ihre in der Fastfood-Ära geborenen Töchter und Enkelinnen.8 Vielleicht sind diese so sehr gefürchteten Gene letztlich gar keine »Krebsgene«, sondern eher »Fastfood-Unverträglichkeitsgene«. Entsprechendes könnte auch für andere Lebensstilfaktoren wie Bewegung und den Umgang mit Stress gelten.

Abbildung 2: Die Fähigkeit, die Entwicklung von Prostatakrebszellen zu hemmen, ist im Blut der Männer, die an Dr. Ornishs Programm teilnahmen, siebenmal höher als im Blut der Männer, die ihren Lebensstil nicht änderten.

Die Immunzellen im Blut gingen umso aktiver gegen die Krebszellen vor, je eifriger die Männer Dr. Ornishs Ratschläge befolgten und in ihrem Alltag anwandten. Damit war der Beweis für einen Zusammenhang zwischen einem veränderten Lebensstil und der gehemmten Entwicklung von Krebszellen eindeutig erbracht.

Abbildung 3: Je rigoroser das Programm umgesetzt wird, desto besser kann das Blut der Patienten das Wachstum der Prostatakrebszellen hemmen.