Das Blut der Zauberjäger - T. U. Zwolle - E-Book

Das Blut der Zauberjäger E-Book

T. U. Zwolle

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Beschreibung

Zehn Jahre sind seit der finalen Schlacht vergangen, in der Menschen und Zwerge über den Todesfürsten und seine Heere gesiegt haben. Dies wollen die beiden Völker gemeinsam feiern. Beim Triumphzug durch die Hauptstadt wird der Zwergenkönig Goldfuß das Opfer eines Anschlages. Skiril, Optio in der Garde der Liktoren, wird mit dem Zwerg Lidokar damit beauftragt, den Schuldigen zu finden. Während sie ermitteln, stoßen sie auf eine Verschwörung, die das gesamte Reich gefährdet. Alte Helden Neue Gefahren Die Zauberjäger reiten wieder . . .

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Seitenzahl: 354

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Bisher erschienen:

Die Legende der Zauberjäger

Die Rückkehr der Zauberjäger

Die Schwarze Legion der Zauberjäger

Das Blutgericht der Zauberjäger

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Skiril

Krok

Skiril

Norderstedt

Skiril

Krok

Skiril

Atriba

Krok

Skiril

Atriba

Krok

Skiril

Atriba

Krok

Skiril

Luzil

Krok

Skiril

Luzil

Irgendwo im Südosten Dharans

Skiril

Luzil

Norderstedt

Ein Jahr zuvor ...

Skiril

Züleyha

Irgendwo im Südosten Dharans...

Krok

Skiril

Gadah

Luzil

Krok

Skiril

Gadah

Krok

Skiril

Züleyha

Skiril

Gadah

Luzil

Krok

Skiril

Ein Jahr zuvor ...

Luzil

Gadah

Krok

Milana

Skiril

Luzil

Krok

Gadah

Skiril

Gundra

Luzil

Krok

Gadah

Luzil

Lidokar

Gadah

Eisenarsch

Luzil

Gadah

Skiril

Lidokar

Skiril

Gadah

Lidokar

Skiril

Eisenarsch

Luzil

Krok

Epilog

Prolog

Es war früher Morgen und in der Festung regten sich die ersten Mägde, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Bald würde es aus der Küche nach Backwaren riechen und ein beständiges Klappern von Töpfen und Löffeln einsetzen.

So nahm, außer den Wachen, niemand Notiz von den beiden Menschen, die durch den Gang schlenderten. Der Mann und das junge Mädchen redeten im gedämpften Tonfall. Vor einer großen Flügeltür blieben sie stehen und der Mann tauschte ein paar Worte mit der Wache aus, bevor dieser die Türe öffnete und sie einließ.

Drinnen brannten dicke Kerzen, die von der Dienerschaft immer ausgetauscht wurden. Die Flammen spendeten genug Helligkeit und tauchten den Raum in warmes Licht.

Ehrfürchtig drückte sich das Mädchen an das Bein des Mannes und griff nach seiner Hand.

„Was hast du?“, fragte der Mann sie.

„Ich bin bange“, flüsterte das Kind.

„Wovor denn?“

„Ich finde es hier gruselig. Die ganzen Sachen von toten Menschen.“

„Na, na, dafür besteht kein Grund. Ich bin doch bei dir.“ Der Mann strich die Strähne seines Haares nach hinten. Er war mittelgroß und unter dem Gewand spannte ein kleiner Bauch, der ihn nicht sonderlich störte. Er war kein Krieger und konnte es sich leisten bei seinen Studien etwas Fett anzusetzen.

Das Kind zog ihn zu einer Art Altar, auf dem eine Axt auf rotem Samt lag. „Das ist von dem Zwerg!“, krähte sie begeistert.

Ihr erwachsener Begleiter lächelte sanft. „Ja, das war von dem Zwerg. Seine Axt liegt hier stellvertretend für ihn und all die anderen Krieger seiner Rasse, die damals an der Schlacht teilgenommen haben. Sein Name war Holderar.“

Das Mädchen löste sich von seiner Hand und trat näher an die Waffe heran. „Aber du hast mir erzählt, dass damals alles verglüht ist.“

„Das stimmt. Es handelt sich hier um ein Duplikat von Holderars Axt.“

„Was ist ein Duplikat?“

Das Kind war neugierig. Andere Kinder hätten nur genickt.

„Ein Duplikat ist ein Nachbau eines Originals.“

„Das heißt, die Axt des Zwerges sah genauso aus, aber sie ist es nicht?“

„Genau.“

Sie gingen zu einem Tisch, auf dem ein eisenbeschlagener Kampfstock seinen Platz hatte.

„Erinnerst du dich daran, wem das gehörte?“

Das Kind überlegte und kaute an seiner Unterlippe. „Hunerik“, sagte es stolz.

„Korrekt. Er ritt damals mit Holderar in die ehemalige Hauptstadt und zündete mit ihm zusammen die Geheimwaffe. Dabei gaben sie ihr Leben.“

Das Mädchen achtete nicht mehr auf die Worte des Mannes, sondern war schon weiter gegangen und starrte mit offenen Augen ein schwarzes Kettenhemd an, was auf einem Rüstungsständer hing. In der Mitte war ein Waffengehänge, an dem ein schwarzes Schwert in der Scheide steckte.

„Das schaut aber bedrohlich aus. Wer war dieser Thom?“ Nervös trat das Kind von einem Fuß auf den anderen und war zu aufgeregt, um zu bemerken, dass der Mann sich kurz sammeln musste.

„Er war derjenige, ohne den alles verloren gewesen wäre. Nur seinem Mut und seinen Kräften ist es zu verdanken, dass unsere Seite gesiegt hat.“

„Und du bist mit ihm aufgewachsen?“

„Ja, wir kannten uns seit Geburt.“ Der Mann wischte unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel und sammelte sich wieder.

„Warum sind dort drüben die Plätze frei?“ Das Kind deutete auf einige Plätze, an denen schon samtbeschlagene Tische oder Waffenständer bereitstanden.

„Diese Helden unseres Landes leben noch, Kleine. Erst wenn sie sterben wird ein Erinnerungsstück von ihnen hier deponiert werden, damit man sich ihrer erinnern kann. Wie dein Vater und deine Mutter.“

„Warum müssen sie sterben? Sie haben doch für den Sieg gekämpft, da könnte man ihnen doch das Leben schenken.“

„Das liegt aber nicht in der Hand von uns Menschen. Wir müssen alle einmal sterben.“

„Aber warum?“

Der Erwachsene überlegte kurz, wie man einem zehnjährigen Kind klarmachen konnte, was der Tod bedeutete. „Weißt du, alles Leben ist vergänglich. Das ist wie ein Gesetz. Ein Gesetz was nicht geschrieben worden ist, aber trotzdem allgemeine Gültigkeit hat. Wenn nichts sterben würde, wäre es hier in unserer Welt irgendwann überfüllt. Stell dir vor, du bist in einem Wald und es würden keine Bäume mehr absterben, aber immer neue nachwachsen. Irgendwann würde der Wald so dicht sein, dass kein Baum genügend Sonne oder genug Wasser bekommen könnte, um weiterzuleben. Dann würden alle Bäume unweigerlich eingehen. Und so ist es sinnvoll, dass alte Bäume sterben um Platz für die Jüngeren zu machen. Wie bei uns Menschen.“

Betreten schaute das Mädchen zu Boden. „Das bedeutet, dass meine Eltern auch sterben müssen, damit ich Platz habe?“

„Ja, das bedeutet es.“

Die Kleine machte ein nachdenkliches Gesicht. „Was ist, wenn alle Helden hier ihren Platz gefunden haben? Gibt es dann keine mehr und wir müssen uns fürchten?“

„Nein, Kind. Neue Zeiten werden neue Helden hervorbringen.“

„Du erlaubst, dass wir uns mit dem Sterben Zeit lassen oder?“

Unbemerkt von den beiden war ein weiterer Besucher in die Heldenhalle gekommen. Sein Metallarm ruhte vor seinem Leib. Sicheren Schrittes kam er auf den Mann und das Kind zu. „Marak, Zara, was macht ihr hier in aller Früh?“

„Tut mir leid, Krok. Die Kleine wollte die Heldenhalle sehen, bevor die Feierlichkeiten morgen beginnen und da dachte ich, heute wäre es günstig, da niemand hier ist und wir unsere Ruhe haben.“

„Schon gut, Marak.“ Krok lächelte kurz und fuhr sich mit der Hand über das Haar, was an einigen Stellen grau wurde.

„Marak hat mir von den Helden erzählt, Vater. Und mir die Dinge gezeigt, die an sie erinnern. Dabei ist es schon so lange her.“

„Zehn Jahre ist keine lange Zeit, mein Kind. Wenn man sich ihrer in hundert oder tausend Jahren erinnert, dann wäre es lange her. Ob sie es verdient haben ist eine andere Frage. Und jetzt ab zu deiner Mutter, bevor sie sich anfängt Sorgen zu machen und nach dir sucht.“

Zara huschte los und war flugs aus der Heldenhalle verschwunden.

„Sie ist ein aufgewecktes Kind“, bemerkte Marak.

„Das ist sie. Und ich hoffe, dass sie in Frieden leben wird und unsere Opfer damals nicht vergebens waren.“ Krok warf einen Blick auf die aufgebahrten Gegenstände. „Es ist schon komisch. Irgendwann wird hier etwas von mir und Züleyha liegen. Dann werden wildfremde Menschen kommen, die uns nie gekannt haben und darüber reden, wie tapfer wir gewesen sind.“

„Aber es ist doch tröstlich, wenn man weiß, dass etwas von einem zurückbleibt, oder?“ Marak schaute Krok an.

„Ach, lassen wir das Gelehrtengeschwätz, wir sollten zusehen, dass wir zum Frühstück kommen. Heute trifft die Delegation der Zwerge ein. Da brauchen wir eine gute Grundlage im Magen, wenn sie wieder ihren Zwergenbrand mitbringen.“

Sie verließen die Heldenhalle wortlos.

Bevor die Flügeltüren sich schlossen, warf Marak einen letzten Blick hinein und verabschiedete sich stumm von der Vergangenheit.

Skiril

Es war wunderbar, was man mit ein paar Münzen ausrichten konnte. Im Gegenzug bekam man ein Dach über den Kopf, eine Frau für die Nacht, etwas zum Essen oder Informationen. Letzteres führte ihn in die enge Gasse in diesem stinkenden Viertel der Stadt. Zwei Kupfermünzen und die dreckige Gestalt an der Ecke vorhin hatte alles ausgeplaudert, was er wusste.

Der hüfthohe Mischlingshund neben ihm knurrte, als er den Lärm aus der Spelunke hörte.

„Ruhig!“, beruhigte er das Tier. Er rückte seinen Morgenstern zurecht und atmete tief durch.

Dem Lärm nach zu urteilen, war die Schenke voll besetzt und die Stimmung auf dem Höhepunkt.

„Halt dich zurück“, wies er den Hund an, wie er es einem menschlichen Kameraden angeschafft hätte.

„Dann wollen wir mal.“ Er drückte die Türe, die an schmalen Eisenbändern hing, auf und trat in die schummrig beleuchtete Schenke. Der Geruch nach schalem Bier und saurem Schweiß schlug ihm entgegen und er bließ die Wangen auf.

Ein Flötenspieler hetzte durch seine Melodie, um die Stimmung einem weiteren Höhepunkt entgegenzutreiben und einige Männer tanzten mit den käuflichen Damen zu den schiefen Klängen.

Niemand nahm von seinem Eintreten Notiz. Unauffällig schlenderte er zur Theke und klopfte auf den Tresen, um dem Wirt zu signalisieren, dass er etwas zu trinken wünschte.

Misstrauisch näherte sich der Wirt und deutete auf den Hund. „Tiere haben hier keinen Zutritt.“ Die Augen in dem rattenähnlichen Gesicht blitzten auf. Ein kurzer Blick in die Augen Skirils ließ aber jede weitere Diskussion verstummen. „Was darf es denn sein?“

„Zwei Bier. Eins im Glas, eins in der Suppenschüssel“, bestellte er.

Verdutzt kam der Wirt seinem Wunsch nach und stellte das Bier in den gewünschten Behältnissen auf den Tresen.

Zwei halbe Kupferstücke landeten in der Tasche des Wirtes und Skiril nahm seinen Bierkrug in die Hand. „Zum Wohl“, prostete er dem Wirt zu, der erschrocken zurückwich, als der Hund sich mit beiden Vorderpfoten auf den Tressen legte und das Bier aus der Suppenschüssel zu schlabbern begann. „Dein Hund trinkt Bier?“, fragte er Skiril entsetzt.

„Ja, er hat Durst“, antwortete Skiril zwischen zwei Schlucken.

Bevor der Wirt gehen konnte, fasste er ihn am Arm und zog ihn zu sich heran. „Kennst du einen Mann mit einer Narbe quer über der Wange? Er hat rote Haare und an der linken Hand fehlt ihm der kleine Finger.“

Der Mann zog die Augenbrauen zusammen. „Warum interessiert dich das?“

Gespielt genervt schüttelte Skiril den Kopf und der Hund, der die Schüssel Bier bis auf den letzten Tropfen geleert hatte, leckte sich die Lefzen. Sein Herrchen zog seinen dunkelbraunen Umhang ein Stück zur Seite und ein silbernes Abzeichen in Form eines Schwertes erschien.

„Du bist ein Liktor“, schnappte der Wirt laut.

„Schrei doch noch lauter, damit es jeder mitbekommt, du Idiot.“ Er fasste den Arm des Mannes fester und fragte nochmal nach. „Also, was ist? Kennst du den Mann?“

„Vielleicht.“

„Was soll das heißen?“

Der Wirt rieb Daumen und Zeigefinger aneinander und grinste schief.

Sofort knurrte der Hund böse.

Erschrocken hielt er inne.

„Mach das noch mal und der Hund spült deine Finger mit dem nächsten Bier herunter. Ein letztes Mal: Kennst du ihn?“

Schweißperlen traten auf die hohe Stirn des Mannes. Schließlich nickte er. „Er sitzt im Hinterzimmer und würfelt mit ein paar Stammgästen.“

„Wie viele Männer sind bei ihm?“, drängte der Liktor nach.

„Zwei Begleiter und er würfelt mit zwei Stammgästen.“ Seine Stimme zitterte leicht als er einen weiteren Blick auf den Hund warf.

Skiril ließ ihn los. „Gut, dann sorge dafür, dass der unbegabte Junge mit der Flöte möglichst laut spielt.“ Wie aus dem Nichts rollte eine Silbermünze über den Tisch. „Hier, für deine Mühen.“

Vollkommen perplex starrte der Wirt auf das Geldstück, was auf ihn zurollte. „Danke, Herr“, stammelte er und schon war der Mann mit seinem Hund in Richtung Hinterzimmer verschwunden.

Der Hund knurrte einen leisen Protest. „Ja, ich weiß, das Silberstück war zu großzügig für die Information. Aber vielleicht brauche ich ihn noch einmal. Immerhin war das Bier gut.“

Wie zur Bestätigung nieste der Hund.

Sie standen vor einem Vorhang, der den dahinter liegenden Raum vor neugierigen Blicken abschirmen sollte.

Hinter ihnen stimmte der Flötenspieler ein neues, und vor allem lautes Lied an und sofort stampften die Männer im Schankraum rhythmisch mit den Füßen den Takt.

„Siehst du, das Silberstück hat seine Wirkung nicht verfehlt.“

Der Hund schwieg und fixierte den Vorhang, durch den sie gleich gehen würden.

„Dann wollen wir mal das traute Beisammensein stören.“ Skiril hob den Vorhang zur Seite und bückte sich durch den Spalt. Sein Hund huschte hinter ihm her.

Das Hinterzimmer war groß für eine kleine Spelunke und hätte mehr als zwei Dutzend Leute gefasst, aber an einem Tisch saßen lediglich fünf Männer und würfelten. Vor jedem lag ein Berg mit Münzen und in der Mitte des Tisches lagen weitere Münzen.

„Die nächsten Einsätze, ihr Stadtpinscher“, blökte der gesuchte Rothaarige. Seine beiden Begleiter lachten pflichtschuldig über den Witz ihres Anführers. Als der Rothaarige sah, dass ein neuer Gast den Raum betreten hatte, breitete er gönnerhaft die Arme aus. „Nimm Platz, wir stellen keine Anforderungen an dich, außer einem prallen Geldsack. Spielt der Hund auch oder scheißt der die Goldstücke, die du hier brauchst?“ Wieder lachten seine Begleiter.

Skiril rührte keine Miene und legte das Abzeichen des silbernen Schwertes frei. „Mein Name ist Liktor Skiril. Du und deine Begleiter bleiben sitzen, die beiden Stammgäste dürfen den Raum unbehelligt verlassen.“

Das Lachen im Gesicht des rothaarigen Mannes erstarb und er leckte sich die Lippen.

Mit einem kurzen Blick verständigten sich die Stammgäste und huschten schnell an Skiril vorbei und aus dem Raum. Alleine mit den drei Männern konzentrierte er sich ganz auf den Anführer. „Uliniud, ich verhafte dich wegen Betrug im Glücksspiel und verbotene magische Anwendung.“

Stille senkte sich über den Raum und für ein paar Atemzüge schätzten sich die Männer ab.

Brüllend lachte der Anführer los und schlug vor Vergnügen mit der flachen Hand auf den Tisch. „Schon verstanden, Liktor.“ Er griff in den Münzhaufen, der sich vor ihm auftürmte und warf Skiril ein paar Goldstücke entgegen. „Hier, nimm dir was, gönne dir eine Kanne Wein und eine fette Hure.“

Der Gesetzeshüter machte keine Anstalten nach den Münzen zu greifen. „Steh auf und leg deine Waffen auf den Tisch. Wenn sich deine beiden Speichellecker ruhig verhalten lasse ich sie heute ungeschoren davonkommen. Ich habe kein Interesse an ihnen.“

Das Lachen war wie weggewischt aus Uliniuds Gesicht. „Der Spaß hat jetzt ein Ende. Nimm die Münzen und verpiss dich mit deiner verlausten Töle.“

Der Hund knurrte leise aber durchdringend.

„Er mag es nicht, wenn man ihn beleidigt. Es wäre gut, wenn du dich bei ihm entschuldigst, bevor ich dich in den Kerker bringe.“

Jetzt zeigte sich, dass die drei Männer vor ihm erfahren waren und sich blind verstanden. Wie auf ein Kommando standen sie auf, aber Skiril ließ es nicht so weit kommen, dass sie ihn angreifen konnten.

Mit einem Tritt gegen die Tischkante beförderte er ihn in die Luft und schleuderte ihn gegen den Rothaarigen, der fluchend zurückwich.

Knurrend sprang der Hund den Mann links von ihm an, der im Begriff war sein Schwert zu ziehen, und verbiss sich in seine Waffenhand.

Der Liktor zog seinen Morgenstern hervor und schwang ihn in weitem Bogen gegen den zweiten Mann. Zielgenau traf er den zweiten Begleiter am Kinn. Zähne und Blut flogen davon. Der Mann sackte auf der Stelle zusammen und rührte sich nicht mehr. Die nächsten Monate würde er sich von Suppe ernähren müssen.

Zwischenzeitlich hatte Uliniud den Tisch zur Seite geschleudert und zeichnete ein Zeichen in die Luft.

Skiril sah zwar nicht, was der Verbrecher dort tat, merkte aber, wie sein Schutzamulett reagierte. Eine grüne Aura flammte auf und schützte ihn vor dem Zauber des Rothaarigen.

Erschrocken wich dieser zurück. „Du bist ein Zauberjäger!“, stieß er böse hervor.

„Erraten!“ Der Liktor überbrückte die Distanz mit einem schnellen Schritt und rammte dem Magier die Stirn ins Gesicht.

Überrascht stöhnte der Getroffene auf und taumelte zurück.

Ein Schwinger gegen die Schläfe des Mannes schickte ihn ins Land der Träume.

Skiril sah kurz zu seinem Hund. „Lass ihn los. Er wird vernünftig sein und sich still und heimlich aus dem Staub machen.“

Augenblicklich lockerte der Hund den Kiefer und gab die Hand des Mannes frei. Blut lief über die Finger.

„Sie ist gebrochen“, jammerte der Mann weinerlich.

„Sei froh, dass du noch deine Finger hast. Wenn er gewollt hätte, hätte er dir den ganzen Arm abgerissen. Und jetzt hau ab, bevor ich ihm sagen, dass er dir die Eier abbeißen soll. Hoden sollen sehr delikat schmecken.“ Ein böses Grinsen schlich sich auf Skirils Gesicht.

Ohne auf seine blutende Hand zu achten suchte der Mann das Weite.

„Gut gemacht, Hund. Bekommst später in der Wache ein Bier.“

Freudig wedelte das Tier mit der Rute.

„Jetzt müssen wir aber erst einmal sehen, dass wir den Knaben in seine neue Unterkunft schaffen.“

Krok

Trompeten erklangen und vermeldeten die Ankunft des Zwergenkönigs Goldfuß.

Krok stand mit Züleyha und Zara an einem Fenster und gemeinsam beobachteten sie den Einzug der ehemaligen Kampfgefährten.

„Sie haben ihre Stollen zum ersten Mal seit damals verlassen“, bemerkte Krok und stellte seine Adoptivtochter auf die Fensterbank, damit sie besser sehen konnte.

„Bis auf die Händler, mit denen unser Reich fleißig Handel treibt“, ergänzte Züleyha mit leiser Stimme. Sie streichelte die Wange des Kindes und sah ihren Mann liebevoll an.

„König Goldfuß war damals Clanführer und sich als würdevoller Anführer bewährt. Er ist zurecht zum neuen König gewählt worden“, erklärte Züleyha ihrer Tochter.

Mit grimmigen Gesichtern stampften die Zwerge die breite Straße entlang, direkt auf den Palast der Königin zu.

„Morgen beginnen die Feierlichkeiten. Zehn Jahre ist es her, dass wir triumphiert haben.“ Krok sah seine Frau an und bewunderte sie. Ihre Haare waren immer noch tiefschwarz. Nur einige kleine Fältchen um ihre Augen zeugten von den vergangenen Jahren. Sie war immer noch eine schöne und begehrenswerte Frau, nach der sich die Männer umdrehten. Besonders dann, wenn sie ihren Lederanzug trug. „Wir müssen gleich zu König Norderstedt. Er wird Goldfuß mit der Kaiserin gemeinsam empfangen wollen“, sagte sie.

Krok nickte nur. Seine Versuche von dem verschlagenen Adeligen wegzukommen waren alle fruchtlos geblieben. Zuerst wollten sie nach der Schlacht damals ihrer Wege ziehen, dann nach ein oder zwei Jahren als Leibwächter des Königs, schließlich hatten sie sich dazu entschieden dem Adeligen treu zu bleiben. Sie lebten im Königspalast, bekamen genug Sold und Zara die beste Erziehung und Bildung, die man sich nur für sein Kind wünschen konnte. So hatten sie sich mit ihrem Dienst und Leben am Rande der vornehmen Gesellschaft arrangiert, was Krok erheblich mehr Überwindung gekostet hatte als Züleyha. Es ist so, wie es ist. Er seufzte auf und zeigte auf den Zug Zwerge. „Dort an der Spitze, der mit dem goldenen Helm, das ist König Goldfuß.“

„Ich sehe ihn.“ Zara machte ein nachdenkliches Gesicht. „Wird an ihn auch einmal in der Heldenhalle erinnert werden?“.

„Ja, Zara“, Züleyha streichelte den Kopf ihrer Tochter. „Aber viel wichtiger ist die Erinnerung in den Herzen der Menschen.“

Es klopfte an der Türe. Ohne Aufforderung öffnete sie sich und das Kindermädchen trat ein.

„Mir müssen los, Schatz.“ Züleyha küsste ihre Tochter auf den Scheitel. „Schau dir mit Emilia ruhig noch den Einzug der Zwerge an. Aber sei nachher brav und geh ins Bett, wenn sie es verlangt.“

„Ja, Mama.“ Das Mädchen drückte sie.

Krok setzte sie wieder auf den Boden. „Nur das übliche Prozedere, Emilia. Zwei Geschichten und ein Glas Milch.“

„Ja, Herr.“ Emilia ging zu dem Kind und nahm sie auf den Arm.

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht Herr nennen musst. Ich bin kein verschissener Adeliger.“

Züleyha räusperte sich tadelnd. „Wir müssen los, wenn wir nicht zu spät kommen wollen. Bis später, Emilia.“

Sie gingen in einen Nebenraum, in dem ihre Waffen lagerten. Züleyha schnallte sich einen Säbel um und ihren Gurt mit den Wurfmessern. Krok griff nach dem Kurzschwert, welches er seit Jahren behielt.

„Hoffentlich bleibt es friedlich. Ich will früh ins Bett.“ Er kratzte sich den Metallarm.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass du dich nicht zum Schlafen niederlegen willst?“

Er klopfte ihr auf den Hintern. „Rat mal.“

„Lieber nicht, sonst willst du mich hinter dem nächsten Vorhang im Thronsaal vögeln.“

„Die Idee finde ich gut.“

Züleyha warf ihm einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu und ging voraus. „Komm mit, sonst sind wir gleich wirklich zu spät.“

Im Thronsaal hatten sie sich hinter König Norderstedt und der Kaiserin postiert und hielten alle Gäste im Auge. Gerade marschierte König Goldfuß mit den Clanführern Schildbuckel und Eisenhand ein.

Der Herold erhob die Stimme. „Die Kaiserin des Großreiches Dharan begrüßt den König Goldfuß nebst Gefolge.“

Vornehmer Beifall brandete auf, als die Zwerge vor dem Thron der Kaiserin stehen blieben und sich leicht verbeugten.

„Ich grüße dich, König Goldfuß. Der Einzug deiner Männer war ein Spektakel, wie ich beobachten konnte.“

„Meine Ehrenrotten sind die Eliteeinheiten meines Reiches. Ich möchte für den freundlichen Empfang bedanken, den mir dein Volk bereitet hat.“ Der Zwergenkönig verbeugte sich noch einmal knapp und grinste dann. „Wie ich sehe sind viele alte Bekannte hier. Botschafterin Feuersturm, du bist um keinen Tag gealtert seit damals.“

„Wie ich sehe, können Zwerge nicht nur kämpfen, sondern auch außerordentlich nette Komplimente machen.“ Atriba Feuersturm schob die Hände in ihre weiten Ärmel und zwinkerte dem Zwerg zu.

Ein sanftes Lachen ging durch den Saal, der mit den Würdenträgern des Großreiches Dharan gefüllt war.

Die Kaiserin erhob sich und ging auf den Zwerg zu. „Ich freue mich, dich und deine Krieger hier zu haben. Ich hoffe, deine Reise war gut.“

„Ja, sie war außerordentlich ruhig und friedlich. Ich habe einige Fässer Zwergenbrand mitgebracht, damit die richtige Stimmung aufkommt. Euren Branntwein geben wir ja unseren Säuglingen, um die Muttermilch zu würzen.“

Krok konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ja, die Zwerge hatten ihnen damals den Arsch gerettet. Und seit man mit ihnen Handel trieb, waren die Bände zwischen den Völkern enger geworden.

Er wurde von Norderstedt aus seinen Gedanken gerissen, als dieser sich erhob und zu einer kurzen Rede ansetzte. Leise stöhnte er auf und hoffte auf ein schnelles Ende des Wortschwalls.

Skiril

Der Liktor lieferte seinen Gefangenen in Ketten beim Kerkerwächter ab.

„Name?“, fragte der Wächter gelangweilt an seinem Tisch.

„Uliniud der Rote“, antwortet Skiril genauso gelangweilt, da Uliniud nicht antwortete.

„Vergehen?“ Der pockennarbige Wächter bohrte in der Nase und förderte einen beachtlichen Brocken trockenen Rotzes hervor.

„Gesucht per Haftbefehl, Magieverbrechen in Verbindung mit Glücksspielbetrug. Der Haftbefehl wurde durch den König legitimiert.“

Sein Gegenüber grunzte und schrieb mit ungeschickten Buchstaben die Angaben des Gesetzeshüters nieder. „Er soll in Zelle fünf, dort kann er mit seinen magischen Spielchen nichts anrichten. Sie ist magiesicher.“ Er schrieb auf einen anderen Zettel etwas und siegelte mit dunklem Wachs. „Hier, deine Bestätigung, dass du ihn abgeliefert hast.“

Der Liktor steckte die Einlieferungsquittung ein und gab dem Rothaarigen einen Schubs. „Hier bist du in deinem neuen Heim. Viel Freude mit den Ratten.“ Er drehte sich um und ging aus dem stinkenden Kerker. Der Geruch von alter Pisse war allgegenwärtig und er war froh, als er den Ausgang hinter sich gebracht hatte. Halbwegs frische Luft füllte seine Lungen. Sein Hund lag auf dem Pflaster und wartete auf ihn. Der Hund ging nie mit in den Kerker. „Na komm, gehen wir zur Wache und schauen, ob noch etwas anliegt.“

Freudig sprang das Tier auf und strich um seine Beine.

„Ja ja, du bekommst später ein Bier als Belohnung. Jetzt müssen wir aber erst zum Centurio und Bericht erstatten.“

„Und die anderen Gesellen hast du laufen lassen?“ Der Centurio schaute streng zu Skiril.

„Ja, ohne ihn sind sie harmlos. Außerdem lag gegen sie kein Haftbefehl vor, Herr.“

Der Offizier atmete tief durch. „Deinen eigenen Kopf werde ich dir wohl nicht mehr austreiben, bis ich in Ruhestand bin, Optio?“

Skiril erlaubte sich ein Grinsen. „Nein, Centurio. Draußen auf der Straße geht es nicht nach den Vorschriften.“

„Höre auf mich zu belehren, Skiril. Ich weiß, dass du ein guter Kämpfer bist. Und bin ich dir äußerst dankbar, dass du diesmal kein Blutbad angerichtet hast. Aber halte mich nicht für einen senilen Trottel.“ Die buschigen Augenbrauen des Centurios zogen sich zusammen. „Vor allem dann nicht, wenn ich dich als meinen Nachfolger vorzuschlagen gedenke.“ Der ältere Mann verzog das Gesicht

Skiril sog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein. „Meinst du das ernst?“

„Leider ja. Du bist der Einzige in dem Haufen, der genug Grips hat und die Erfahrung, um dem Posten gerecht zu werden. Trilis ist zu jung, Pokar würde ich jederzeit bei einer Schlägerei an meiner Seite wissen wollen, aber nicht als zukünftigen Centurio empfehlen. Und Dolori fehlt als Frau die Akzeptanz. Sie kann froh sein, dass sie überhaupt zum Liktor ernannt wurde. Außerdem haben sie alle nicht das notwendige Dienstalter.“

Skiril wusste nicht, ob er sich freuen sollte über die Absicht des Centurios. Der neue Posten würde bedeuten, weniger an der Front unterwegs sein zu können. Auf der anderen Seite hätte er mehr Verantwortung und einen besseren Sold zu erwarten. „Ich danke dir für dein Vertrauen“, sagte er schließlich.

Der Centurio winkte ab. „Da nicht für. Ich glaube nicht, dass ich dir mit dem Posten einen Gefallen tue. Vielleicht will ich mich nur für den ganzen Ärger rächen, den du mir beschert hast.“ Er zwinkerte dem jüngeren Mann zu und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu und schien vollkommen in die Korrespondenzen zu versinken.

Ohne auf die Erlaubnis zum Entfernen zu warten, verließ er das Zimmer des Centurios.

Im Raum der Wache waren Dolori und Trilis dabei ihre Waffen zu ölen.

„Nanu? Schon fertig mit dem Alten? Hat er dir diesmal keinen Verweis erteilt?“ Dolori sah nicht von ihrer Arbeit auf.

Skiril setzte sich zu den beiden anderen Liktoren und schenkte sich aus dem Weinkrug ein, der auf dem Tisch stand. „Prost!“, beschied er und stürzte seinen Becher herunter.

„Was ist los? Hat es was zwischen euch gegeben?“ Dolori sah ihn über die Klinge hinweg an und erwartete eine Antwort.

„Kann man so sagen. Er will mich als seinen Nachfolger vorschlagen.“ Er goss sich noch etwas Wein ein, trank aber nicht.

„Dann können wir dir ja gratulieren“, freute sich Trilis und klopfte mit der flachen Hand auf der Schulter. „Sollen wir später einen heben gehen und etwas feiern?“

Skiril schüttelte den Kopf. „Danke, aber nein. Ich habe heute schon etwas anderes geplant.“

„Er muss zu seiner Stammhure“, stichelte Dolori.

Skiril ignorierte seine hochnäsige Kameradin geflissentlich. Zum Glück arbeiteten sie, als Gesetzeshüter, zumeist selbstständig. „Ich werde mich später betrinken und dann ein wenig Vergnügen suchen.“

„Ich sag doch, du gehst du deiner Hure.“

„Lass es gut sein, Dolori, ich habe heute keine Lust mit dir zu streiten.“

„Das hattest du nie. Weder streiten noch reden.“ Dolori hatte noch nicht verwunden, dass ihre kurze, aber heftige Affäre in die Brüche gegangen war. Sie hatte ihn anbinden wollen, was unweigerlich einen Fluchtinstinkt in ihm ausgelöst hatte. Die leichten Frauen, bei denen er bezahlte und nach einer Nacht wieder gehen konnte, waren da unkomplizierter und einfacher für ihn.

„Ich muss später mit der Stadtwache noch auf Patrouille, vielleicht sehen wir uns doch danach.“ Trilis steckte seinen Dolch weg. Er war Anfang zwanzig und für sein Alter bereits ein guter Liktor. Auch wenn er naiv und jugendlich wirkte, durfte man ihn nicht unterschätzen. Er war tödlich wie eine Natter, der man auf den Schwanz getreten hatte.

Dolori stammte aus einer verarmten Adelsfamilie und war über den guten Kontakt ihres Onkels zu den Liktoren gekommen. Sie war vier Jahre jünger als Skiril und längst in dem Alter, in dem eine Frau an Kinder und Familie hätte denken können. Allerdings lag ihr der Kampf mit dem Schwert erheblich mehr als Kochen und Wickeln. Skiril mochte sie und hätte die Affäre auch weiter fortgesetzt, wenn Dolori nicht irgendwann angefangen hätte, doch von Kindern und einer Familie zu sprechen. Trotz seiner aufrichtigen Gefühle zu ihr hatte er ihre Beziehung beendet.

Skiril trank seinen Becher leer und stand wieder auf. „Ich breche dann auf. Einen schönen Abenddienst wünsche ich.“ Er ließ sie sitzen und entfernte sich. Sein Hund folgte ihm ohne Aufforderung. Seit zehn Jahren war er sein treuester Kamerad. Kurz nach dem Krieg waren die Liktoren gegründet worden. Viele ehemalige Soldaten waren, wie er, zu den Gesetzeshütern gewechselt. Zweiunddreißig war er und stand nun vor der Beförderung zum Centurio. Viel mehr war nicht zu erwarten mit seiner Herkunft. Jetzt wollte er ein wenig feiern. Unwillkürlich musste er beim Gedanken an seine Lieblingshure lächeln.

Norderstedt

Die Feierlichkeiten begannen fulminant mit einem Fackelmarsch im Morgengrauen, an dem alle lebenden Helden teilnahmen. Begleitet wurden sie von den Zwergenrotten und kaiserlichen Ehrengarde.

Das Volk jubelte ihnen frenetisch zu, auch wenn einige Hauptpersonen fehlten. Trotz aller Anstrengungen ihn zu finden war der ehemalige Blutlord Gadah nicht zugegen, obwohl ihm eine der Hauptrollen bei dem Triumphzug zugestanden hätte. Er war damals an der Spitze der vereinten Streitkräfte zum Sieg marschiert. Trotz der Kundschafter, die Norderstedt ausgesandt hatte, war er nicht aufzutreiben gewesen.

Auch die Toten fehlten. Allen voran der Zwerg Holderar und Centurio Hunerik, die ihr Leben gegeben hatten und die Geheimwaffe der Zaubervölker im Zentrum der Hauptstadt gezündet hatten. Ihrem Opfer war es zu verdanken, dass nicht mehr Männer gestorben waren. Und Thom, der sein Leben gegeben hatte, um den Todesfürsten mit in das Seelenreich zu nehmen. In der Ehrenhalle erinnerte man sich ihrer.

Nach der großen Schlacht hatte man die ehemalige Nekropole zur neuen Hauptstadt ausgerufen. Die Kaiserin war in den Norden zurückgekehrt und herrschte von dort über das gesamte Reich. Bürger, Händler und Handwerker hatten sich in der ehemaligen Nekropole angesiedelt und gingen hier ihrer Arbeit nach. Ihr Land hatte große Opfer bringen müssen, aber jetzt war das Leben in Freiheit der Lohn dieser Opfer. Es war ein friedliches Leben geworden in den vergangenen Jahren. Die ehemals verfeindeten Völkergruppen wuchsen zusammen. Auch die Zwerge waren ein Teil dieser neuen Gemeinschaft geworden. Einige ihrer Händler und Handwerker hatten sich in den Städten der Menschen niedergelassen und sorgten so für einen regen Austausch der unterschiedlichen Kulturen. Neben dem Zwergenstahl war der berühmte Schnaps des kleinen Volkes das beliebteste Handelsgut. Einige Zwerge hatten sogar eigene Kneipen eröffnet, um direkt an den Endverbraucher zu verkaufen. Im Gegenzug war es den menschlichen Händlern gestattet, mit entsprechenden Handelslizenzen, in die Stollen der Zwerge zu reisen und dort ihre Waren feilzubieten. Insgesamt waren beide Seiten zufrieden und mit dem wachsenden Wohlstand der Völker verblasste der Schrecken des letzten Krieges.

Neuer Jubel brandete auf und die Menschen an den Straßenrändern der ehemaligen Nekropole klatschten Beifall und warfen Blumen in Richtung des Triumphzuges.

„Man könnte fast größenwahnsinnig werden, wenn man das Spektakel hier betrachtet.“ Goldfuß war neben ihm und winkte in die Menge.

„Ja, es erinnert an die alten Zeiten.“ Norderstedt hob ebenfalls den Arm und grüßte das Volk.

„Ein Hoch auf die alten Helden!“, rief jemand in der Menge, „Sie leben hoch“!

„Sie leben hoch!“, stimmte die Menge ein.

„Fast scheint es so, als ob wir die Schlacht gestern geschlagen hätten.“ Goldfuß sprach etwas leiser, während er weiter winkte. „Ich muss dringend mit dir sprechen, ohne Augen- und Ohrenzeugen.“ Der Zwergenkönig wirkte ernsthaft besorgt.

Norderstedt wusste, dass Goldfuß niemals ohne Grund eine solche Bitte geäußert hätte und obwohl die Neugier in ihm brannte, überlegte er, an welchem Ort er ungestört reden könnte. „Übermorgen werden wir gemeinsam auf die Jagd gehen. Abseits der anderen Teilnehmer wird uns niemand belauschen. Alle werden sich auf die Jagd konzentrieren.“

„Einverstanden.“ Goldfuß schien zufrieden.

Sie schritten weiter durch die Straßen und ließen sich nichts anmerken. Freundlich grüßten sie das Volk und vereinzelte Würdenträger der Stadt.

„Wie ernst ist es denn?“ Norderstedts Neugier trieb ihn zu der Frage.

„Das kann ich dir noch nicht eröffnen. Ich...“ Der Satz des Zwergenkönigs ging in einem Gurgeln unter und Goldfuß brach zusammen, fasste sich an den Hals, aus dem ein Armbrustbolzen ragte.

Norderstedt riss erschrocken die Augen auf, unfähig zu reagieren.

Schneller als er war die Rotte des Zwergenkönigs. Mit erhobenen Schilden bildeten sie einen Kreis, um ihren Herrscher vor einem erneuten Angriff zu schützen.

Jetzt begriff auch die Menge, dass etwas passiert war. Einige schrien auf. Panik machte sich breit und sorgte dafür, dass ein Rempeln und Schubsen einsetzte. Ein Teil der Menschen wollte näher an den Kreis der Zwerge heran, um zu sehen, was geschehen war, der weniger mutige Teil des Volkes wollte flüchten.

Krok erschien neben Norderstedt. „Herr, du musst dich in Sicherheit bringen, bis klar ist, was passiert ist.“ Ohne auf den Protest des Königs zu achten, zog ihn sein Leibwächter in Sicherheit, während Züleyha ihre Flucht absicherte.

Skiril

Das laute Klopfen an der Türe riss ihn aus einem süßen Mittagsschlummer. Sein Kopf war schwer vom Rotwein und neben ihm lag die dunkelhaarige Hure, zu der er so gerne ging. Eines ihrer Beine lag über seinem Körper und sie gab ein leises Schnarchen von sich. Skiril atmete tief ein und roch den Duft ihres Haares, ihren frischen Schweiß, den Geruch von Geschlechtsverkehr, der im Raum lag. Er schloss wieder die Augen.

Es klopfte erneut. Lauter! Fordernder!

„Wer ist denn da?“ Seine Zunge war schwer vom Wein und seine Sinne noch dumpf von der vergangenen Nacht. Schwere Müdigkeit lauerte hinter seinen Augen und wollte ihm die Lider wieder zudrücken.

„Ein Bote aus dem Palast des Königs. Ich habe eine Botschaft für dich, Liktor.“

Sofort war Skiril hellwach. „Eine Botschaft aus dem Palast von König Norderstedt? Schieb sie unter der Türe durch, ich werde sie später lesen.“

„Nicht später, Herr. Deine Anwesenheit ist sofort erwünscht.“

Unverschämter Kerl. „Warte, ich zieh mir etwas über.“

Stiefel scharrten ungeduldig vor der Türe.

„Was denn los?“ Schlaftrunken räkelte sich die Hure im Bett.

„Schlaf weiter, mein Augenstern. Ich muss weg.“

„Schade, ich hatte mich auf ein paar zusätzliche Stunden gefreut mit dir. Von meinen Besuchern bist du mir der Liebste.“ Ehrliches Bedauern stand im Gesicht der Frau. Fast hätte Skiril ihr geglaubt.

Er schwang seine gedrungene Gestalt aus dem breiten Bett und ging an den kleinen Waschtisch, über dem ein Spiegel hing. Sein Gesicht zeigte erste Falten an den Augen und dunkle Ränder von dem Schlafentzug. Dunkle Bartstoppeln beschatteten seine Wangen.

Es klopfte abermals an der Türe. „Herr, wie weit bist du?“ Die Stimme klang flehentlich.

Für eine Rasur würde keine Zeit bleiben. „Hör mit dem Drängeln auf, sonst lege ich mich wieder ins Bett und zieh mir die Decke über den Kopf. Wenn du etwas Sinnvolles tun willst, geh runter und bestell mir ein Frühstück, dann geht es schneller.“

Es dauerte einen Augenblick, bis er Schritte hörte, die sich entfernten. Anscheinend hatte der Bote mit sich gerungen, ob er nochmal zur Eile drängen sollte, hatte sich dann aber anders entschieden. Schnell wusch sich Skiril mit dem bereitgestellten Wasser das Gesicht, unter den Armen und zwischen den Beinen. Das musste reichen. Jetzt trieb ihn die Neugierde an. Als er schließlich auf dem Bett saß und sich die Stiefel anzog, umarmte ihn die Hure und hauchte ihm einen Kuss aufs Ohr.

„Kommst du bald wieder?“, wollte sie wissen.

„Natürlich.“ Er küsste ihr die Handfläche und stand auf. „Ich werde sehen, was los ist und mit Glück, werden wir heute Abend wieder zusammen liegen können.“ Ohne auf eine Antwort zu warten drehte er sich um und öffnete die Türe. Irgendeine leise Stimme flüsterte ihm zu, dass es nicht zu einem Beisammensein am Abend kommen würde.

Im Erdgeschoss des Bordells gab es eine Schenke in der am Abend der Alkohol in Strömen floss. Morgens wurde den Übernachtungsgästen ein Frühstück kredenzt, was im Preis inbegriffen war. Skiril nahm seinen Stammplatz ein. Ihm gegenüber am Tisch saß der Bote. Ein großer schlanker Mann, der in der Gardeuniform der Palastwache gekleidet war. Sein Hund schlummerte vor dem warmen Feuer, hielt aber ein Auge offen um die Umgebung beobachten zu können.

„Herr, wir müssen uns beeilen. Du wirst...“

Skiril hob die Hand und brachte so den Mann zum Schweigen. „Ohne, dass ich was zwischen die Zähne bekommen habe, wirst du mich nicht aus diesem Haus bringen. Und wenn der König persönlich nach mir verlangt.“

Der Bote beugte sich vertrauensvoll nach vorne. „Genau das ist der Fall, Liktor.“

Skiril hätte sich beinahe an seinen gebratenen Eiern verschluckt und konnte mühsam einen Hustenreiz unterdrücken. „Soll das ein Scherz sein?“

Nervös zuckten die Augen des Boten hin und her, um sich zu vergewissern, dass sich niemand in Hörweite befand. Dann beugte er sich wieder nach vorne. „Nein, Herr. Ich bin von König Norderstedt zu dir geschickt worden.“

„Was ist denn vorgefallen?“, wollte der Liktor wissen und spülte einen Bissen Ei mit dem starken Tee herunter.

„Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass dich der König persönlich sehen will.“

Skirils Gedanken kreisten. Ihm war schlagartig der Appetit vergangen, trotzdem aß er weiter.

„Herr, ich bitte dich. Lass uns aufbrechen.“ Der Mann machte Anstalten aufzustehen und der Liktor legte die Gabel weg.

„Gut. Gehen wir, bevor du deinen schwachen Nerven erliegst.“ Skiril stand auf und pfiff leise. Sein Hund stand auf und trottete zu ihm herüber.

„Willst du dieses Vieh in den Palast mitnehmen?“

Ein leises Knurren des Hundes war die Antwort. Weitere Fragen in die Richtung gab es keine.

„Nimm dir die restlichen Eier“, bot der Gesetzeshüter dem Hund an, der sich prompt über die Reste auf dem Teller hermachte.

„Ein Bier gibt es aber nicht. Der König will uns mit Sicherheit nüchtern sprechen.“

Krok

Züleyha hatte Posten vor dem Zimmer des Zwergenkönigs bezogen. Drinnen waren Männer der Zwergenrotten postiert, um Goldfuß zu bewachen. Ebenfalls standen Zwergenwachen in den Gängen.

„Ist alles ruhig?“ Krok sprach so leise, dass nur Züleyha ihn hören konnte.

„Nein, ihr Heiler ist seit Stunden bei ihm. Ab und an geht und kommt jemand. Norderstedts Heiler ist auch drinnen.

Krok rieb unbewusst seinen Metallarm. Der Mann hatte ihm damals das Leben gerettet. „Hoffen wir, dass er überlebt. Es wäre ein unwürdiges Ende für ihn.“

„Die Feierlichkeiten gehen weiter. Die Bevölkerung hat sich beruhigt und strömt zu den Feierplätzen, um sich dort von den Vorstellungen unterhalten zu lassen. Aber das Attentat ist das erste Gesprächsthema. Es ist eine schlimme Sache.“

„Nicht nur das. Norderstedt und die Kaiserin haben sich zurückgezogen. Das Attentat kann einen ganzen Rattenschwanz an Scheiße hinter sich herziehen.“ Er hatte das Bedürfnis sich einen Bissen Kautabak in den Mund zu schieben, unterdrückte es aber. Er konnte seinen Priem ja nicht in die Gänge der Festung spucken und an Spucknäpfen mangelte es. „Ich muss zum König. Er will, dass ich bei dem Treffen mit dem Liktor dabei bin.“

„Glaubst du, der Gesetzeshüter kann uns weiterhelfen?“ In Züleyhas Gesicht standen Zweifel.

Krok zuckte nur mit den Schultern. „Ich denke, dass die Garde der Liktoren durchaus die richtige Wahl ist, um das Attentat aufzuklären.“

Marak erschien im Gang und winkte ihm zu.

„Ich muss los. Pass gut auf dich auf.“ Krok küsste sie auf die Stirn.

„Mach dir keine Sorgen, ich bin nicht alleine. Außerdem glaube ich kaum, dass im Königspalast ein weiteres Attentat versucht wird.“

Krok machte ein säuerliches Gesicht. „Pass trotzdem auf dich auf. Und riskiere nicht dein Leben für den Zwerg. Dafür sind seine Männer da.“

„Keine Angst. Jetzt geh zu Norderstedt.“

Der Liktor war ein mittelgroßer, stämmiger Mann mit braunen Haaren und klugen Augen. Vor dem König und der Kaiserin beugte er das Knie und wartete auf das Zeichen, sich zu erheben. Der Mann zeigte Respekt, aber keine Angst. Krok mochte den Liktor vom ersten Augenblick an. Kleine Falten um die Augen zeugten von einem häufigen Lachen und die kräftigen Arme unter dem Gewand von einer regelmäßigen körperlichen Ertüchtigung. Dabei hatte er einen sanften und gutmütigen Gesichtsausdruck.

„Vielen Dank, dass du so schnell gekommen bist, Liktor Skiril“, begrüßte König Norderstedt den Gesetzeshüter.

„Der Bote hat mir keine andere Wahl gelassen, Herr. Die Hure in meinem Bett wäre noch willig gewesen und von meinem Frühstück hat der Hund mitgegessen, damit es schneller ging.“

Norderstedt zuckte mit einer Augenbraue und Krok musste sich das Grinsen verkneifen.

„Liktor, ich bin nicht gewillt dummen Witzen zu lauschen, während einer unserer Gäste mit dem Tode ringt. Dein Centurio hat dich als den besten Mann angekündigt, den er hat. Also denk daran, dass du hier nicht in irgendeinem Bordell bist, sondern im Königspalast.“

Skiril hielt dem Blick des Königs so lange stand, dass er sich an der Grenze zur Unverschämtheit bewegte, senkte dann aber den Blick. „Verzeiht, Herr. Anscheinend habe ich mich vergessen.“

Krok sah das Lächeln um die Augen des Mannes, welches seine Worte ins Lächerliche zogen.

Norderstedt übersah es oder wollte es nicht sehen. „Kommen wir zum Grund deines Besuchs: Du weißt vermutlich, dass es ein Attentat gab.“

„Nein, Herr.“

„Heute Morgen wurde auf den Zwergenkönig Goldfuß ein Anschlag verübt.“

„Donnerwetter!“ Leise pfiff der Liktor durch seine Zähne, was ihm wieder einen missbilligenden Blick des Königs einbrachte.

„So kann man es formulieren. Er wurde während des Triumphmarsches von einem Armbrustbolzen in den Hals getroffen.“

„Wie weit war der Schütze entfernt?“, fragte Skiril.

Der König zögerte. „Das wissen wir nicht.“

„Wir setzen unsere Hoffnung in deine Fähigkeiten und dein Können“, mischte sich die Kaiserin ein.

Krok kam dieses Gerede bekannt vor und fühlte sich an seine Anfangszeit mit Norderstedt erinnert, als dieser kein König war. Schmeicheleien waren bei den Machthabern durchaus das Mittel der Wahl um andere Personen für sich zu vereinnahmen und für ihre Ziele einzuspannen. Allerdings schien der Liktor nicht empfänglich für diese Schmeicheleien zu sein.

„Herrin, was wird von mir erwartet?“

„Finde heraus, wer für den Mordanschlag verantwortlich ist. Du bekommst jede Hilfe, die du benötigst.“ Die Kaiserin sah den Liktor an.

„Nun ja, es ist meine Pflicht, den Schuldigen zur Strecke zu bringen, aber erlaubt mir eine Frage.“

Die Kaiserin nickte.

„Um die Umstände gänzlich aufzuklären, wird es notwendig sein, auch mit den Zwergen zusammen zu kommen. Bei ihnen werde ich Schwierigkeiten haben, die Ermittlungen durchzuführen. Wie soll ich dort Antworten auf meine Fragen erhalten?“

Ein Lächeln umspielte den Mund der Kaiserin. „Ich sehe, wir haben den richtigen Mann gefunden. Deine Frage zeugt von Weitsicht.“ Sie gab einem Diener ein Zeichen. Der Diener verschwand hinter einem Vorhang und kam und mit einem Zwerg wieder herein.

„Rottenführer Lidokar, tritt näher.“

König Norderstedt wandte sich wieder an Skiril. „Liktor, wir haben uns die gleiche Frage gestellt und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir dir einen Gefährten zur Seite stellen.“

Und schon zappelt er im Netz der Spinne, dachte Krok.

„Für die Zeit der Untersuchung wird der Rottenführer Lidokar mit den Befugnissen eines Liktors betraut und die Untersuchungen mit dir führen“, fuhr Norderstedt fort. „Er ist hierbei gleichberechtigt und wir erwarten, dass ihr schnelle Ergebnisse vorbringt.“ Der König zog zwei gerollte und gesiegelte Schreiben hervor. „Dies sichert euch vollkommene Rückendeckung der Kaiserin zu. Ihr habt das Recht in ihrem Namen zu handeln und Helfer, Mittel und Geld in dem Maß zu benutzen, wie es für die Sache förderlich scheint. Gibt es hierzu Fragen?“

„Wie sollen wir Kontakt aufnehmen, wenn wir etwas herausgefunden haben?“, wollte Skiril wissen.