Das deutsche Gesundheitswesen kompakt 2024 - Guntram Fischer - E-Book

Das deutsche Gesundheitswesen kompakt 2024 E-Book

Guntram Fischer

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Beschreibung

Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich in einem Veränderungsprozess. Krankenhäuser werden geschlossen, Ärzte, Pflegepersonal und Apotheken streiken, Arztpraxen schließen mangels Nachfolgelösungen – und das obwohl jährlich von den gesetzlichen Krankenversicherungen mehr als 270 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung ausgegeben werden. Seitens der Politik werden zudem ständig neue sozialgesetzliche Regelungen eingeführt. Doch nach welchen Grundsätzen funktioniert dieses System eigentlich? Handelt es sich überhaupt um ein einheitliches System oder laufen unterschiedliche Strukturen der Finanzierung und Organisation unabgestimmt nebeneinander? Wer plant was und wer ist für welchen Bereich zuständig? Und ist das System „demografiefest“? Die Unübersichtlichkeit in Verbindung mit fehlender Systemkenntnis führt zu Irritationen bis hin zu Frustration sowohl in der Bevölkerung als auch bei den im Gesundheitswesen tätigen Menschen. Dieses Buch stellt in nachvollziehbarer Weise die Finanzierungs- und Organisationsstrukturen der gesamten Akutversorgung dar und klärt über die Zusammenhänge zwischen der gesetzlichen Grundlage im SGB V, der Finanzierung des Gesundheitssystems und der Rolle des Gemeinsamen Bundesausschuss auf. Darauf aufbauend werden potenzielle Entwicklungen und Strukturänderungen aufgezeigt, durch die das Arbeiten im deutschen Gesundheitssystem auch in Zukunft für junge Menschen attraktiv bleibt.

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Guntram Fischer

Das deutsche Gesundheitswesen kompakt 2024

Akteure, Strukturen, Finanzierung

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Der Autor

Dr. med. Guntram Fischer

Fischer + Rauch

Königstraße 1

87435 Kempten (Allgäu)

[email protected]

www.fischer-rauch.de

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstr. 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-871-7 (eBook: ePDF) ISBN 978-3-95466-872-4 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2024

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Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Der Verlag kann insbesondere bei medizinischen Beiträgen keine Gewähr übernehmen für Empfehlungen zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen oder für Dosierungsanweisungen, Applikationsformen oder ähnliches. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.

Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Dennis Roll, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout & Satz: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Coverbild: berCheck – stock.adobe.com

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Inhalt

1Das deutsche Gesundheitssystem: Ein erster Überblick

2Geschichtlicher Hintergrund des deutschen Sozialversicherungssystems

3Der Gemeinsame Bundesausschuss

4Die 12 Sozialgesetzbücher

5Gesetzliche Krankenversicherung

6Private Krankenversicherung

7Beihilfesystem für Beamte

8Gesetzliche Unfallversicherung

9Die Pflegeversicherung

10Organisation und Finanzierung der Krankenhäuser

11Universitätskliniken

12Generalistische Ausbildung in der Pflege

13Organisation und Finanzierung der ambulanten Versorgung in Arztpraxen

14Arzneimittelversorgung

15Sektorenübergreifende Versorgung

16Medizinischer Dienst (MD)

17Hilfs- und Heilmittelversorgung

18Organisation und Finanzierung des Rettungsdienstes

19Rehabilitation

20Medizinische Vorsorge

21Patientensteuerung im deutschen Gesundheitssystem

22Risiken im deutschen Gesundheitssystem

23Entwicklungspotenziale im deutschen Gesundheitssystem

24Digitale Transformation

25Demografie und Work-Life-Balance

26Ambulantisierung

27Das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich

Literatur

Sachwortverzeichnis

Der Autor

Abkürzungsverzeichnis

ABDA Bundesvereinigung deutscher Apothekenverbände ACSC Ambulatory Care Sensitive Conditions AMNOG Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz ASB Arbeiter-Samariter-Bund ASV ambulante spezialfachärztliche Versorgung BAFöG Bundesausbildungsförderungsgesetz BAS Bundesamt für Soziale Sicherung BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BÄK Bundesärztekammer BG Berufsgenossenschaft BtMG Betäubungsmittelgesetz BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung DeQS-RL Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung DFÜ Datenfernübertragung DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGzRS Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger DKG Deutsche Krankenhausgesellschaft DLRG Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft DMP Disease-Management-Programm eAU elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eG eingetragene Genossenschaft eHBA Elektronischer Heilberufsausweis EHIC European Health Insurance Card eMP elektronischer Medikationsplan ePA elektronische Patientenakte FHIR® Fast Healthcare Interoperability Resources FREOPP Foundation for Research on Equal Opportunity G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts G-DRG German-Diagnosis Related Groups Gematik Nationale Agentur für Digitale Medizin GKV Gesetzliche Krankenversicherung GKV-SV Spitzenverband Bund der Krankenkassen GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GOÄ Gebührenordnung für Ärzte GOP Gebührenordnungsposition HL7 Health Level 7 HzV hausarztzentrierte Versorgung IGeL individuelle Gesundheitsleistungen InEK Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus ISiK informationstechnische Standards in Krankenhäusern KBS Knappschaft-Bahn-See KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung KIM Kommunikation im Medizinwesen KIS Klinikinformationssystem KZBV Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung LIS Labor-Informationssystem MANV Massenanfall von Verletzten MBO-Ä Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte MdE Minderung der Erwerbsfähigkeit MIO Medizinische Informationsobjekte MTS Manchester Triage System MVZ Medizinisches Versorgungszentrum NFDM Notfalldatenmanagement NFS Notfallsanitäter OTC Over the Counter (freiverkäufliche Arzneimittel) PACS Picture Archiving and Communication System PFG Pauschale für die Fachärztliche Grundversorgung PflAFinV Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung PflBG Gesetz über die Pflegeberufe – Pflegeberufegesetz PflAPrV Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung PKV Private Krankenversicherung PRM Physikalische und Rehabilitative Medizin PVS Praxisverwaltungssystem QES qualifizierte elektronische Signatur RA Rettungsassistent RH Rettungshelfer RIS Radiologie-Informationssystem RS Rettungssanitäter RVO Reichsversicherungsordnung SAPV Spezialisierte ambulante Palliativversorgung SGB V Fünftes Sozialgesetzbuch SMC-B Security Module Card Typ B SmED strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland StaBS Standardbewertungssystem SVLFG Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau TNA Telenotarzt TSS Terminservicestellen VPN Virtual Personal Network/virtuelles privates Netzwerk VSDM Versichertenstammdatenmanagement WIHI World Index of Healthcare Innovation WSF Wirtschaftsstabilisierungsfonds Zi Zentralinstitut Kassenärztliche Versorgung ZINA Zentrale interdisziplinäre Notaufnahme

1Das deutsche Gesundheitssystem: Ein erster Überblick

Für das gesamte System der sozialen Sicherung gelten in Deutschland Grundprinzipien, die für das Verständnis der heutigen Struktur notwendig sind.

1.1Sozialstaatsprinzip/Sozialstaatgebot

Im Grundgesetz unter § 20 Absatz 1 wird definiert:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Nach Interpretation des Bundesverfassungsgerichtes ist es Aufgabe des Staates, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen und die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft sicherzustellen.

Die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit bedeutet:

ein menschenwürdiges Dasein sichern,

gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit schaffen,

Schützen und Fördern der Familie und

besondere Belastungen des Lebens abwenden und ausgleichen.

Aus dieser Verpflichtung zur Daseinsvorsorge leitet sich auch die staatliche Aufgabe zur Sicherstellung der Versorgung im Krankheitsfall ab.

Die Grundlagen des Sozialrechts sind im Sozialgesetzbuch mit seinen 12 Kapiteln definiert. Die für die Gesundheitsversorgung relevanten Vorgaben finden sich im SGB im Kapitel V (gesetzliche Krankenversicherung) und für die Pflege in Kapitel XI (soziale Pflegeversicherung).

1.2Solidarprinzip

Die Mitglieder einer Solidargemeinschaft gewähren sich im Krankheitsfall gegenseitige Hilfe und Unterstützung – daraus ergibt sich ein Rechtsanspruch gegenüber der Solidargemeinschaft, welche auch die finanziellen Mittel gemeinsam aufbringen muss. Um diese finanziellen Mittel sicherzustellen, sind die Sozialabgaben in Deutschland verpflichtend von den Bürgern aufzubringen und damit im engeren Sinne staatlich verordnete Zwangsabgaben.

Das wesentliche Kriterium des deutschen Gesundheitssystems ist die Entkoppelung von Beitragssatz und Leistungsumfang. Somit wird in der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt, dass im Krankheitsfall der Bedarf den Leistungsumfang definiert und nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen, was als Bedarfsdeckungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung bezeichnet wird.

Eine weitere Besonderheit stellt die paritätische Finanzierung der Sozialabgaben dar, die neben der Renten- und Arbeitslosen- auch die Krankenversicherungsbeiträge betrifft. So teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte die Versicherungsprämien in der GKV, aktuell betrifft das auch den sog. Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen zusätzlich zur Grundprämie erheben können.

1.3Subsidiaritätsprinzip

Der Grundgedanke des Subsidiaritätsprinzips entstammt der katholischen Soziallehre und beinhaltet grob umschrieben: Lasten, die vom Individuum und kleinen Solidargemeinschaften getragen werden können, sollen auch von diesen übernommen werden. Die übergeordnete Solidargemeinschaft tritt erst dann ein, wenn die kleinere überfordert ist.

Dieses Subsidiaritätsprinzip findet sich auch im SGB V unter den Begriffen Solidarität und Eigenverantwortung wieder:

Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.

Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten.

Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.

Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und unter Berücksichtigung von geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.

Eingegrenzt wird der Leistungsumfang durch § 12 SGB V, der lautet:

Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

1.4Sachleistungsprinzip

Die Gesundheitsleistungen für gesetzlich Krankenversicherte können gegen Vorlage der Versichertenkarte von Leistungserbringern bezogen werden. Die Abrechnung der Leistungen erfolgt zwischen den Kostenträgern (= GKV) und Leistungserbringern (Krankenhaus, Apotheke, Arztpraxis, Heilmittelerbringern, Pflegediensten etc.). Somit beziehen die Versicherten die Sach- (Medikamente, Heil- und Hilfsmittel) und Dienstleistungen (Untersuchung, Diagnostik und Therapie) gegen Vorlage ihres Versicherungsnachweises, die Vergütung der Leistungserbringer läuft über komplexe Abrechnungssysteme zwischen den Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenkassen im Hintergrund ab.

1.5Versicherungspflicht

Seit 1. Januar 2009 gilt für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland bei Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung die allgemeine Krankenversicherungspflicht. Ab einem definierten Jahreseinkommen besteht die Auswahlmöglichkeit zwischen dem Beitritt zur gesetzlichen und einer privaten Krankenversicherung.

1.6Wahlfreiheit

Die Versicherten haben zwischen allen Krankenkassen die freie Wahl und es genügt die Zustellung einer Beitrittserklärung um Mitglied dieser Krankenkasse zu werden. Die Krankenkasse ist im Gegenzug gesetzlich verpflichtet, das beitrittswillige Mitglied aufzunehmen.

1.7Selbstverwaltung

Der Staat erbringt die Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht selbst, sondern delegiert diese, indem er Sicherstellungsaufträge erteilt.

So sind (gesetzliche) Krankenkassen (GKV), die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und der Medizinische Dienst (MD) Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR), die ihre jeweiligen Leistungen im Auftrag des Staates erbringen (= Delegation des Sicherstellungsauftrages).

Die Leistungserbringer sind in den Sektoren zu Selbstverwaltungen zusammengefasst, beispielsweise im stationären Sektor (Krankenhäuser) oder in der ambulanten ärztlichen Versorgung (Kassenärztliche Vereinigungen und gesetzliche Krankenkassen). Die Rechtsaufsicht bleibt jedoch immer bei staatlichen Stellen. Oberstes Gremium der sog. „gemeinsamen Selbstverwaltung“ ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).

Kennzeichnend für die Struktur des Gesundheitswesens in Deutschland sind somit folgende Grundprinzipien:

Sozialstaatsgebot

Solidarität über staatlich verordnete Zwangsabgaben, paritätische Finanzierung, Bedarfsdeckungsprinzip und Entkoppelung von Beitragssatz und Leistungsumfang

Subsidiarität

Sachleistungen

Allgemeine Krankenversicherungspflicht mit Wahlfreiheit

Selbstverwaltung über Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR)

1.8Kostendämpfungsmaßnahmen

Um eine Kostenexplosion im deutschen Gesundheitssystem zu vermeiden, werden bereits seit Jahrzehnten an vielen Stellen und über alle Sektoren hinweg Maßnahmen implementiert, die eine übermäßige Inanspruchnahme und damit verbundene Kostensteigerungen verhindern sollen.

Im stationären Bereich sind hier besonders die Einführung der DRGs und der Jahresbudgets der Krankenhäuser, im ambulanten Bereich die Regelleistungsvolumina sowie Regressandrohungen bei Überschreitung von Verordnungen (Medikamente, Heilmittel) und bei der Medikamentenversorgung Rabattvereinbarungen und das Festpreissystem für die pharmazeutische Industrie zu nennen.

Hintergrund ist auch in diesem Zusammenhang der § 12 im 5. Sozialgesetzbuch:

§ 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewusst oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

2Geschichtlicher Hintergrund des deutschen Sozialversicherungssystems

Die Grundlage für den Deutschen Sozial- und Wohlfahrtsstaat in der heutigen Ausprägung wurde in einer Art „Notwehrreaktion“ des damaligen Deutschen Reiches auf eine zunehmende soziale Spaltung innerhalb der Gesellschaft geschaffen.

Im 19. Jahrhundert und insbesondere nach der Reichsgründung 1871, wandelte sich Deutschland von einem Agrar- zu einem Industriestaat. Während das Bürgertum davon profitierte, litt die Arbeiterschaft unter niedrigen Löhnen, überlangen Arbeitszeiten, Kinderarbeit und Wohnungsnot in den Städten, was zu prekären Arbeits- und Lebensbedingungen führte. Als Reaktion darauf bildeten sich politisch aktive Arbeitervereine, die aus Sicht der damaligen Reichsregierung zu einer zunehmenden Gefahr für das politische System der Monarchie wurden. Die daraus entstehende „soziale Frage“ wurde von Otto von Bismarck in Form einer Politik von „Zuckerbrot und Peitsche“ angegangen.

Durch die Sozialistengesetze (Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie) von 1878 wurden die sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Vereine, Versammlungen und Schriften verboten, da deren Zweck der Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung sei. Bei den Reichstagswahlen 1881 kam es zu deutlichen Wahlverlusten der konservativen Parteien und es bedurfte wirkungsvoller Maßnahmen um die Autorität der Regierung gegen das erstarkende Proletariat abzusichern.

Reichskanzler Otto von Bismarck reagierte auf diese soziale Frage mit der Einführung verschiedener sozialgesetzgeberischer Maßnahmen, die er gegen den Widerstand der konservativen und liberalen Kräfte aus Wirtschaft und Bürgertum durchgesetzt hat. Diese Maßnahmen wurden von der Arbeiterschaft zwar als Ablenkungsmanöver betrachtet, begründeten jedoch die Ausrichtung zu einem Sozial- und Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn heute kennen. 1911 wurden die besagten gesetzlichen Regelungen in den Rechtsrahmen der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusammengefasst, die seitdem auch die Versicherung der Angestellten beinhaltete. Im Jahr 1927 wurde schließlich noch die Arbeitslosenversicherung eingeführt.

1883: gesetzliche Krankenversicherung

1884: gesetzliche Unfallversicherung

1889: Invaliditäts- und Altersversicherung

1891: gesetzliche Rentenversicherung

1927: Arbeitslosenversicherung

1957: dynamisierte Sozialrente (Orientierung an aktuellen Lohnsummen)

1961: Bundessozialhilfegesetz

1969: Ausbildungsförderung nach BAFöG

1969: Zusammenführung der Sozialversicherung (RVO) mit dem Sozialrecht im SGB V

1975: Kindergeld

1980: Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende

1986: Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Elternzeit)

1995: gesetzliche Pflegeversicherung

2003: Grundsicherung für alte Menschen und Erwerbsunfähige

Das heutige Sozialgesetzbuch ist eine Zusammenschau der paritätisch finanzierten Sozialversicherung (Ausnahme: Gesetzliche Unfallversicherung, diese wird ausschließlich von den Arbeitgebern finanziert) und den Leistungen des Sozialrechts, d.h. der aus Steuermitteln finanzierten staatlichen Fürsorge.

Sowohl die Sozialversicherungssysteme wie auch das Sozialrecht unterliegen ständiger Anpassungen und damit Veränderungen durch die Politik. Die Herausforderung liegt in einer zukunftsfähigen Ausgestaltung der Sozialgesetzgebung und der darin enthaltenen gesetzlichen Krankenversicherung, sodass auch die durch den demografischen Wandel bedingten Einflüsse, antizipiert, proaktiv angegangen und damit kompensiert werden können.

3Der Gemeinsame Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen und bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen Leistungen die ca. 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten beanspruchen können. Darüber hinaus beschließt der G-BA u.a. auch Maßnahmen im Bereich der Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäuser. Vertreten sind im G-BA die vier großen Selbstverwaltungsorganisationen: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

Das Aufgabenspektrum ist vielfältig und umfasst Arzneimittel, Qualitätssicherung und sektorenübergreifende Versorgungskonzepte, Disease-Management-Programme (DMP), Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV), Methodenbewertung und veranlasste Leistungen, Bedarfsplanung, Psychotherapie, zahnärztliche Behandlung, Recht (SGB V), Fachberatung Medizin sowie die Analyse des EBM.

Die vom G-BA bearbeiteten Themenbereiche sind ebenso breit gefächert wie komplex und umfassen u.a.:

Arzneimittel

Qualitätssicherung und sektorenübergreifende Versorgungskonzepte (Qualitätssicherung, Disease-Management-Programme, Ambulante spezialfachärztliche Versorgung)

Methodenbewertung und veranlasste Leistungen (Methodenbewertung, veranlasste Leistungen, Bedarfsplanung, Psychotherapie, zahnärztliche Behandlung)

Recht (SGB V)

Fachberatung Medizin (Analyse EBM, epidemiologische Studien, Orphan Drugs, diagnostische und therapeutische Methoden)

Verwaltung

Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation

Bürokratiekostenermittlung und Fristenmonitoring

Stab der unparteiischen Mitglieder

Stabsstelle Patientenbeteiligung

Die folgenden Institute arbeiten dem G-BA zu:

3.1Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht den Nutzen und den Schaden von medizinischen Maßnahmen für Patientinnen und Patienten und Informiert über die Vorteile und Nachteile von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren in Form von wissenschaftlichen Berichten und allgemein verständlichen Gesundheitsinformationen.

3.2Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen

Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) dabei berät, wie die medizinische Versorgungsqualität in Deutschland gemessen und verbessert werden kann.

Im Auftrag des G-BA entwickelt das IQTIG hauptsächlich Qualitätsindikatoren, mit denen die Qualität der Gesundheitsversorgung gemessen werden soll. Der G-BA entscheidet, ob diese Indikatoren zur Qualitätsmessung einsetzt werden. Diese externe Qualitätssicherung soll vor allem für die Patienten und für die nützlich sein, die die Patienten versorgen.

Das IQTIG veröffentlicht jährliche Qualitätsreporte. Diese Bundesqualitätsberichte (BQB) werden einmal jährlich auf Grundlage der „Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung“ (DeQS-RL) erstellt und beinhalten die auf Bundesebene aggregierten Auswertungen der externen Qualitätssicherung.

Hintergrund ist die vom Gesetzgeber erfolgte Beauftragung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), Qualitätsvorgaben für die Leistungserbringer zu entwickeln. Diese Qualitätsvorgaben sollen von der Selbstverwaltung erarbeitet werden und sich in verbindlichen Richtlinien und Regelungen niederschlagen. Für die Qualitätsbewertung wurden zwischenzeitlich mehr als 200 Indikatoren entwickelt.

Anhand des Qualitätsberichts kann somit indikatorengestützt festgestellt werden, ob sich die betrachteten Verfahren im Zeitverlauf

signifikant verbessert

signifikant verschlechtert oder

ohne signifikante Veränderung

darstellen und besondere Handlungsbedarfe daraus abgeleitet werden können, die Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung bedingen.

Die Auswertungen des Qualitätsberichtes können für die Krankenhausplanung als sog. planungsrelevante Qualitätsindikatoren den Landesbehörden zur Verfügung gestellt werden. Auch erfolgt ein strukturierter Dialog bei Auffälligkeiten einzelner Krankenhäuser, bei dem die Einrichtungen erklären, entkräften bzw. beschreiben können, wie sie mit diesen Auffälligkeiten und erfassten Abweichungen umgehen werden. Ziel des strukturierten Dialogs ist es, in diesen Einrichtungen Verbesserungsmaßnahmen zu implementieren, sofern dies erforderlich erscheint.

Im Bundesqualitätsbericht des Jahres 2020 für das Jahr 2019 wurden folgende Versorgungsbereiche betrachtet:

Versorgung sehr kleiner Frühgeborener

Als dessen Konsequenz erfolgte eine Erhöhung der Mindestmenge bei der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen (mit einem Aufnahmegewicht unter 1.250 g) von 14 auf 25 pro Jahr und Einrichtung. (Die Versorgungsqualität aller deutschen Perinatalzentren wird auch auf der Website www.perinatalzentren.org in laienverständlicher Form dargestellt).

Nosokomiale Infektionen

Vermeidung nosokomialer Infektionen – postoperative Wundinfektionen.

Gefäßchirurgie

Karotis-Revaskularisation.

Hygiene und Infektionsmanagement

Ambulant erworbene Pneumonie

Kardiologie und Herzchirurgie

Leitlinienkonforme Indikation (= Diagnosestellung) für implantierbare Defibrillatoren, Implantation

Sondendislokationen oder -dysfunktionen

Perkutane Koronarintervention und Koronarangiografie

Aortenklappenchirurgie (isoliert) Koronarchirurgie (isoliert) und kombinierte Koronar- und Aortenklappenchirurgie

Transplantationsmedizin

Herzunterstützungssysteme/Kunstherzen

Pankreas- und Pankreas-Nieren-Transplantation sowie Nierentransplantation

Nierenersatztherapie bei chronischem Nierenversagen einschließlich Pankreastransplantation

Lungen- und Herz-Lungen-Transplantation

Lebertransplantation

Leberlebendspende

Nierentransplantation

Nierenlebendspende

Gynäkologie

Prätherapeutische histologische Diagnosesicherung

Zeitlicher Abstand von unter 7 Tagen zwischen Diagnose und Operation

Intraoperative Präparatradiografie oder intraoperative Präparation bei sonografischer Drahtmarkierung

Gynäkologische Operationen (ohne Hysterektomien)

Perinatalmedizin

Geburtshilfe und Neonatologie (Versorgung von Frühgeborenen)

Perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnittentbindung

Neonatologie: Durchführung eines Hörtests

Anwesenheit eines Pädiaters bei Frühgeburten

Verhältnis der beobachteten zur erwarteten Rate an Kaiserschnittgeburten

Orthopädie und Unfallchirurgie

Hüftgelenknahe Femurfraktur mit osteosynthetischer Versorgung

endoprothetischer Gelenkersatz mit Hüft- und Knieendoprothesenversorgung

Pflege

Dekubitusprophylaxe

Grundlage der Auswertung waren für die QS-Verfahren nach der Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern (QSKH-RL):

Es wurden 1.472 Krankenhäuser mit 1.798 Krankenhausstandorten und für die perkutane Coronarintervention 255 vertragsärztliche Praxen/Medizinische Versorgungszentren (MVZ), 961 Krankenhausstandorte und 19 selektivvertragliche Leistungserbringer, bei der Wundinfektion 2.087 ambulant operierende vertragsärztliche Leistungserbringer, 612 ambulant operierende Krankenhausstandorte und 940 stationär operierende Krankenhausstandorte in die Auswertung mit einbezogen.

3.3Sektorenübergreifende Qualitätssicherung

Der Gemeinsame Bundesausschuss definiert sowohl für die Krankenhäuser wie auch für die Arztpraxen in Deutschland Vorgaben zum Qualitätsmanagement gemäß SGB V § 136:

„Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt für die vertragsärztliche Versorgung und für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten durch Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 insbesondere

1. die verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 135a Absatz 2, § 115b Absatz 1 Satz 3 und § 116b Absatz 4 Satz 4 unter Beachtung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3 sowie die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und

2. Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen; dabei sind auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen.“

Damit werden sektorenübergreifend die Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen zu einer nachvollziehbaren und nachweisbaren Qualitätssicherung verpflichtet. Dies betrifft Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer von Vorsorgeleistungen oder Rehabilitationsmaßnahmen und Einrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht.

Die o.g. müssen sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, um ihre Ergebnisqualität zu verbessern und ein einrichtungsinternes Qualitäts- und Fehlermanagement einführen und weiterentwickeln.

Bei Krankenhäusern kommt explizit auch die Verpflichtung zur Durchführung eines patientenorientierten Beschwerdemanagements dazu. Auch die Krankenhäuser müssen (wie die Vertragsärzte) alle 5 Jahre entsprechend des § 135b im SGB V die Erfüllung der Fortbildungspflichten der Fachärzte und der Psychotherapeuten nachweisen und einen jährlichen Qualitätsbericht im Internet veröffentlichen.

Eine wichtige Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die Durchführung von Bewertungsverfahren, in den Bereichen:

Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen hinsichtlich ihres Nutzens

Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse

3.4Innovationsausschuss

Das Versorgungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung muss kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dafür wurde 2016 beim Gemeinsamen Bundesausschuss der Innovationsausschuss eingerichtet. Er fördert Projekte, die innovative Ansätze für die gesetzliche Krankenversicherung erproben und neue Erkenntnisse zum Versorgungsalltag gewinnen sollen, die anschließend in die Regelversorgung übernommen werden können.

Aufgabe des Innovationsausschusses ist es, das Versorgungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherungen kontinuierlich weiterzuentwickeln. So können neue und innovative Versorgungsverfahren und -strukturen wissenschaftlich überprüft in das deutsche Gesundheitssystem eingebracht und so in der Regelversorgung integriert werden. Über den Innovationsausschuss werden Projekte in den Bereichen neue Versorgungsformen und Versorgungsforschung gefördert.

Rechtsgrundlage sind die §§ 92a und 92b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die für den Innovationsausschuss erforderlichen Finanzmittel werden durch den Innovationsfonds bereitgestellt. Sie stammen von den gesetzlichen Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds. Die Verwaltung der Finanzmittel übernimmt das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS).

Für das Jahr 2024 können

160 Millionen Euro für Projekte zu neuen Versorgungsformen und

40 Millionen Euro für Versorgungsforschungsprojekte

verwendet werden.

Der Innovationsausschuss legt in sog. Förderbekanntmachungen die Schwerpunkte und Kriterien zur Vergabe der Mittel aus dem Innovationsfonds fest und entscheidet über die Förderbarkeit der eingegangenen Anträge. Unterstützt wird er hierbei durch einen Expertenpool aus Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft und der Versorgungspraxis.

Besonders gefördert werden insbesondere Projekte, die die sektorenübergreifende Versorgung verbessern und die ein Umsetzungspotenzial in die Regelversorgung aufweisen, sowie auch solche, deren Ziel eine dauerhafte Weiterentwicklung der Versorgung ist.

Eine Förderung durch den Innovationsfonds setzt voraus, dass eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung (Evaluation) der Projekte erfolgt. Das Evaluationskonzept der Projekte muss somit auf einer validen und gesicherten Datengrundlage beruhen, damit sowohl deren Ergebnisse als auch deren Effekte für die Versorgung im Hinblick auf eine dauerhafte Übernahme in die Versorgung beurteilt werden können.

Wurde ein vom Innovationsfonds gefördertes Projekt abgeschlossen und evaluiert, so können sich drei Konsequenzen ergeben:

Empfehlung zur Überführung der neuen Versorgungsform insgesamt

Empfehlung zur Überführung wirksamer Teile in die Regelversorgung

Keine Empfehlung zur Überführung in die Regelversorgung

Aus den ersten beiden aufgeführten Punkten resultiert ein konkreter Vorschlag, wie die Überführung erfolgen soll und welche Organisation der Selbstverwaltung/andere Einrichtung für sie zuständig ist. Ist der G-BA zuständig, muss dieser innerhalb von 12 Monaten nach Beschluss der Empfehlung die Regelungen zur Aufnahme in die Versorgung beschließen und somit umsetzbar machen.

Beispiel: Telenotarzt Bayern – Überführung in die Regelversorgung

Ziel des Projekts Telenotarzt Bayern ist die Optimierung der Notfallversorgung in ländlichen Regionen.

Folgende Maßnahmen werden dazu getroffen:

Der Telenotarzt unterstützt den Rettungsdienst während der Einsätze.

Vor Ort werden Vitalparameter der Patientinnen und Patienten gemessen, aus dem Rettungsfahrzeug an Telenotarzt/-notärztin übertragen und für Diagnosestellung und Erstbehandlung sofort analysiert. So kann die Behandlung der Patientinnen und Patienten früher beginnen.

Der Innovationsausschuss empfahl die Übernahme dieser neuen Versorgungsform zur Überführung in die Regelversorgung und leitete diese Empfehlung an die zuständigen Organisationen (Gesundheitsministerien der Länder, Gesundheitsministerkonferenz und die maßgeblichen Fachgesellschaften) weiter. Über https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/ können die Beschlüsse des Innovationsausschusses eingesehen werden.

Die riesige Bandbreite der vom Innovationsfonds geförderten oder bei ihm eingereichten Projekte beweist das hohe Innovationspotenzial im deutschen Gesundheitswesen, sowohl bei den Leistungserbringern (Krankenhäusern, Arztpraxen und in der ambulanten Versorgung generell) als auch bei den Krankenkassen, welches noch längst nicht ausgeschöpft ist. Auch wird anhand der zwingend vorgesehenen Evaluationen systematisch erfasst und geprüft, ob die Ansätze funktionieren, in strukturell vergleichbare Regionen oder auf andere Patientengruppen übertragen und letztlich in Regelversorgung aufgenommen werden können.

Die Patientenbeteiligung im G-BA wird durch Organisationen gewährleistet, die auf Bundesebene maßgeblich die Interessen von Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen in Deutschland vertreten. Diese Organisationen der Patientenbeteiligung haben Mitberatungs- und Antragsrechte, jedoch kein Stimmrecht bei Entscheidungen des G-BA.

Aktuell sind (Stand 2023) folgende Patienten- und Selbsthilfeorganisationen im G-BA vertreten:

Deutscher Behindertenrat (DBR)

Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP)

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Damit wird deutlich, was für ein mächtiges Gremium der Gemeinsame Bundesausschuss ist und dass dieser zu Recht als höchstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen bezeichnet wird. Die Rechtsaufsicht über den G-BA liegt beim Bundesgesundheitsministerium.

4Die 12 Sozialgesetzbücher

Die gesetzlichen Grundlagen des deutschen Sozialstaates sind im Sozialgesetzbuch zusammengefasst. Genaugenommen besteht das SGB aus 12 einzelnen Sozialgesetzbüchern, die den rechtlichen Rahmen für einzelne Sektoren hinterlegen:

SGB I: Allgemeiner Teil

SGB II: Grundsicherung für Arbeitssuchende

SGB III: Arbeitsförderung

SGB IV: Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung

SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung

SGB VI: Gesetzliche Rentenversicherung

SGB VII: Gesetzliche Unfallversicherung

SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe

SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen

SGB X: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz

SGB XI: Soziale Pflegeversicherung

SGB XII: Sozialhilfe

Der sozialgesetzliche Rahmen für die gesetzliche Krankenversicherung findet sich im SGB V, welches wieder thematisch nach 13 Kapitel unterteilt wird.

Das SGB V

Das fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) definiert die Rahmendbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Es ist in13 Kapitel und (derzeit) 321 Paragrafen untergliedert:

1. Kapitel: Enthält allgemeine Vorschriften, wie: Solidarität und Eigenverantwortung, Leistungen, das Prinzip der solidarischen Finanzierung und die Krankenkassen

2. Kapitel: Versicherung Kraft Gesetz, freiwillige Versicherung und Familienversicherung

3. Kapitel: Leistungen der Krankenversicherung, gemeinsame Vorschriften, Leistungen zur Verhütung von Krankheiten (Prophylaxe), betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, Förderung der Selbsthilfe, Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten und den Leistungen bei Krankheit (Behandlung, Krankengeld, Selbstbehalt …)

4. Kapitel: Definiert die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern, die Aufgaben der K(Z)Ven, die Bedarfsplanung, Krankenhäuser, Heil- und Hilfsmittel, Apotheken, Pharmazeutische Unternehmer einschließlich der Qualitätssicherung

5. Kapitel: Behandelt den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen

6. Kapitel: Organisation der Krankenkassen

7. Kapitel: Verbände der Krankenkassen

8. Kapitel: Finanzierung (Beitragspflicht, Beitragsbemessungsgrenze, Zusatzbeitrag …)

9. Kapitel: Medizinischer Dienst

10. Kapitel: Versicherungs- und Leistungsdaten, Datenschutz, Datentransparenz

11. Kapitel: Straf- und Bußgeldvorschriften

12. Kapitel: Überleitungsregelungen aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands