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Schon beim ersten Anblick zieht das Douro-Tal jeden Betrachter in seinen Bann. Noch immer ist die Gegend im Norden Portugals ein Geheimtipp und zählt zu den schönsten Kulturlandschaften Europas. Zwischen den geschwungenen Terrassen hat Christopher Pfaff in den letzten Jahren unzählige Weingüter besucht, außergewöhnliche Portweine probiert, in Restaurants geschlemmt und das UNESCO-Welterbe entdeckt. Er beschreibt die schönsten Weingüter, lohnende Sehenswürdigkeiten und gibt allerhand praktische Tipps für die Reise. Die Geschichten der Winzer sind dabei ebenso einmalig wie ihre Weine und die Region, in der sie entstehen. Mit zahlreichen Fotografien, einer Übersichtskarte und Empfehlungen zu Restaurants und Hotels.
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Einführung
Ein erster Eindruck
Anmerkungen
Die Portweinregion entdeckt sich neu: Die Geschichte des Weinbaus im Douro-Tal
Was ist eine Quinta?
Ein Anbaugebiet – unterschiedliche Weinarten
Bacalhau und Co – typisches Essen im Douro-Tal
Die Teilregionen des Douro-Tals
Der Baixo Corgo
Vila Real
Peso da Regua
Lamego
Der Cima Corgo
Galafura
Sabrosa
Provesende
Pinhao
Favaios
Alijo
N 222 – Süduferstraße
Sao Joao de Pesqueira
Der Douro Superior
Torre de Moncorvo
Freixo de Espada a Cinta
Pocinbo
Freixo de Numao
Vila Nova de
Anhang
Praktische Informationen
Porto und Gaia
Nachwort
Literaturverzeichnis & weiterführende Informationen
Symbollegende
Glossar
Register
Die Auffahrt und die Treppen auf Quinta de Marrocos sind frappierend steil und eine Tour durch das Weingut von Cesar Sequeira erfordert ein Mindestmaß an physischer Kondition. Sequeira ist einer der Tourismuspioniere im Douro. Eine kleine Gruppe französischer Urlauber war – leicht schnaufend – vor mir zu Gast. In Frankreich wird zwar weltweit am meisten Portwein konsumiert, dennoch sind die Kenntnisse über den Wein aus dem Douro-Tal eher rudimentär und somit auf demselben Stand wie bei den meisten Deutschen. Aber das macht dem 71-jährigen Grandseigneur nichts aus. Seit fast 20 Jahren zeigt der Professor der Chemie im Ruhestand beinahe täglich sein spätes Lebenswerk und erklärt beharrlich und humorvoll zugleich die Weinherstellung und Geschichte des Douro.
In Sequeiras Jugend war das Anbaugebiet Douro mangels Infrastruktur schwer erreichbar. Die Weinbauern blieben unter sich und machten ihre Weine, die sie dann an die in Porto ansässigen Händler verkauften. Nicht wenige dieser Negociants, die in der Portweinbranche Shipper genannt wurden, hatten nie einen Fuß in die Gegend um Pinhao und Regua gesetzt, obwohl ihnen der beeindruckende Anblick sicher gefallen hätte. Aber das ganze Land und die Region des Portweins haben sich nach der Nelkenrevolution 1974 und dem Beitritt zur EU im Jahre 1986 geöffnet und verändert. Viele Winzer begannen, ihre Weine und Portweine seitdem selber zu vermarkten, die Infrastruktur wurde erheblich verbessert. Es war der Beginn eines neuen Zeitalters.
Selbst Anfang dieses Jahrhunderts konnte man die Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants im Douro-Tal noch an einer Hand abzählen, denn die Entwicklunggeschah behutsam. Heute ist die Infrastruktur so weit, dass eine Reise in diese beeindruckende Gegend nicht nur für Weinfreaks und Puristen attraktiv erscheint. Bereits nach meinem ersten Besuch vor über zehn Jahren packte mich sofort die faszinierende Schönheit des Douro. Nach unzähligen weiteren Reisen in diese weltweit einzigartige Region bin ich nach wie vor jedes Mal von Neuem beeindruckt. In Europa gibt es wohl keine ähnliche Kulturlandschaft, welche so wenig entdeckt und erschlossen ist wie das Flusstal im Norden Portugals. Die Landschaft ist geprägt durch den Strom, der sich in Schlangenlinien durch das karge und hügelige Gelände gebohrt hat, und durch den Menschen, der mit einem heute unvorstellbaren Aufwand das Gebiet in eine landwirtschaftlich nutzbare Fläche verwandelt hat. Der Douro fließt auf seinen 897 Kilometern von Ost nach West quer über die iberische Halbinsel. In Spanien, wo er Duero genannt wird, entspringt er im Bergmassiv der Picos de Urbion, in Kastillien zwischen Burgos und Zaragoza gelegen, und zieht westwärts in relativ gerader Linie gen Atlantik. An seinen Ufern liegt auf spanischer Seite das bekannte Anbaugebiet Ribeira del Duero. Für knapp 100 Kilometer bildet der Douro dann die spanisch-portugiesische Grenze, und macht hier einen Knick in südwestliche Richtung, ehe er in der Nähe des Ortes Barca d´Alva erneut Richtung Westen zieht. Ab hier markiert er den Beginn des rein portugiesischen Anbaugebietes Alto Douro (deutsch: „oberer Douro“, kurz nur Douro genannt). Es ist die älteste geschützte Weinbauregion der Welt und seit 2001 durch die UNESCO zum Welterbe erklärt.
Was nun auf den nächsten knapp 160 Flusskilometern folgt, wird jeden Besucher vom ersten Moment an in Staunenversetzen. Das Zusammenspiel des mächtigen Flusslaufes mit steilen Felsmonumenten, terrassierten Weinbergen, malerischen Dörfern, unberührter Natur und grandiosen Aussichtspunkten ist umwerfend schön. Die ganze Region umfasst ca. 250.000 Hektar, von der ein Fünftel mit Reben bepflanzt ist. Sie ist damit ganz und gar wirtschaftlich in der Hand des Weinbaus. Für fast alle anderen Industriezweige ist das Douro-Tal ohnehin zu abgelegen. Eine andere landwirtschaftliche Nutzung – mal abgesehen von einigen Olivenhainen – ist aufgrund der Kargheit der Böden und dem extremen Klima nicht rentabel. Wenn überhaupt noch ein weiterer Wirtschaftszweig hier Fuß fassen wird, dann ist das der erst seit knapp 20 Jahren forcierte Tourismus, der auf Qualität statt Quantität setzt.
Wo es an Mosel, im Rhone-Tal oder in Bardolino am Gardasee vor Hotels, Pensionen und Souvenirständen nur so wimmelt, wirkt der Douro noch immer verschlafen und einsam. Das zeigt sich auch daran, dass dies nun die erste deutschsprachige Reiseliteratur ist, die sich nur diesem Gebiet widmet. So untrennbar wie die Region mit dem Weinbau verbunden ist, ist auch der Tourismus mit diesem verwoben. Es gibt zwar einige klassische Hotels und Pensionen, aber der beste Weg, das Douro-Tal, dessen Geschichte und dessen Weine kennen zu lernen, ist der Urlaub oder Besuch auf einem Weingut, welches in Portugal „Quinta“ genannt wird. Nur ein kleiner Bruchteil aller Quintas bietet diese Gelegenheit an.
Der Reiseführer beschreibt eine Auswahl der schönsten sowie eine ganze Reihe weiterer Weingüter, die man besuchen kann, ohne dass eine Übernachtungsmöglichkeit besteht. Darüber hinaus habe ich Empfehlungen zu alternativen Schlafoptionen und kulturellen Sehenswürdigkeiten sowie Ausflugszielen der Region zusammengefasst, damit man seine Tour ganz nach den eigenen Vorlieben bereits vorab planen kann. Diese Art Tourismus ist der einzigartige Weg, sowohl die Schönheit der Landschaft, Historie des Gebietes und die Tradition der Weinherstellung hautnah zu erleben. Er bietet Erholung und Naturerlebnisse, europäische Kulturgeschichte sowie vinophile und kulinarische Genüsse gleichermaßen. „Das Douro-Tal – unterwegs zum Welterbe und den schönsten Weingütern“ hilft Ihnen, eine individuelle Auswahl für Ihre Reise zu treffen. Ich hoffe, dass sie sich beim Lesen der Zeilen bereits im Douro-Tal befinden oder eine unglaubliche Lust verspüren, Ihren nächsten Urlaub im Norden Portugals zu verbringen. Sie werden es sicher nicht bereuen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass Sie wie ich von der Einzigartigkeit der Gegend, die einen atemlos, ehrfürchtig und glücklich zugleich macht, in den Bann gezogen werden und dann nicht mehr von ihr lassen können.
Während der erste Teil eine Einführung beinhaltet sowie Grundwissen über den Weinbau und das Gebiet vermittelt, ist der Hauptteil den drei Subregionen des Douro-Tals mit den schönsten Ortschaften und Weingütern gewidmet. Insgesamt gibt es am Douro wohl knapp 2.000 Quintas, von denen weit über 100 historisch interessant und/oder sehenswert sind. Alle aufzulisten und zu beschreiben würde den Rahmen dieses Führers bei weitem sprengen. Meine Auswahl umfasst die schönsten Weingüter, auf denen man auch Übernachten kann sowie bedeutende Weingüter, welche den Portweinhandel geprägt haben.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Beschreibung der Teilregion, ferner folgen die Beschreibungen der Sehenswürdigkeiten und Weingüter mit einer Auswahl empfehlenswerter Restaurants und weiterer Übernachtungsmöglichkeiten, die jeweils nach dem der Ortschaft zugehörigen Text erfolgen.
Im Schlussteil befinden sich praktische Informationen für Ihre Reise, ein Kapitel über Porto und Gaia, ein alphabetisches Register sowie eine Liste mit Erklärungen zu portugiesischen (und teilweise englischen) Begriffen, welche im Buch kursiv gedruckt sind. Zur besseren Lesbarkeit habe ich auf die Verwendung der drei portugiesischen Akzente (Zirkumflex, Akut und Gravis), auf die Tilde und das C/c mit Cedille gänzlich verzichtet. Sie zeigen jeweils eine bestimmte Aussprache und/oder Betonung einer Silbe an. Sie werden diesen bei Ihrer Reise zwar regelmäßig begegnen, aber wenn Sie die korrekten, für deutschsprachige Sprecher oftmals komplizierten Ausspracheregeln nicht beherrschen, wird man Ihnen das nachsehen.
Preise: Die Übernachtungspreise variieren saisonal. Am teuersten ist es in der Osterzeit und von Juli – September. Bei den empfohlenen Hotels sind die Preise für ein Doppelzimmer angegeben. Die Restaurants habe ich jeweils mit einem (Hauptgerichte zwischen 5–15 €), zwei (Hauptgerichte zwischen 12–25 €) und drei (mehr als 25 €) gekennzeichnet. Soweit möglich, sind die Öffnungszeiten und die Telefonnummer angegeben. Oftmals sind Restaurants in der Nebensaison weniger regelmäßig geöffnet oder ganz geschlossen. Daher empfiehlt sich ein kurzer Anruf im Voraus.
Der 12. Mai 1861 war kein guter Tag im Norden Portugals. Von der Quinta do Vesuvio machte sich ein kleines Holzboot mit wenigen Personen Besatzung auf den Weg flussabwärts. Die Strömung war reißend und der Fluss – noch nicht durch die über 100 Jahre später errichteten Staumauern gezähmt – wild und das Boot schwer navigierbar. Bereits nach ein paar Kilometern folgte die schwierigste Stelle. Am Cacháo de Valeria, einem furchteinflößenden ockergraufarbenen Felsbrocken, der nahezu senkrecht ansteigt, ist der Fluss besonders eng und von Untiefen geprägt, die auch diesem Boot zum Verhängnis wurden. Das kleine Rabelo kenterte und die Besatzung ging über Bord. Die meisten Passagiere konnten sich retten. Doch Joseph James Forrester, der den Douro kannte wie kein Zweiter, war den Stromschnellen nicht mächtig und verlor kurz vor seinem 52. Geburtstag sein Leben. Da seine Leiche nie gefunden wurde, wird noch heute über die Ursache seines Untergangs spekuliert. Eventuell waren es mangelnde Fähigkeiten im Schwimmen oder ganz profan das Gewicht seines Mantels, denn aus Sicherheitsgründen trug er all seine Wertsachen am Körper.
Als junger Mann kam der 1809 in Hull geborene Kaufmann zunächst nach Porto, um in der Weinhandelsfirma seines Onkels zu arbeiten, und entdeckte schnell seine Liebe für die Region. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, die das reine Handelsgeschäft vorzogen, interessierte sich der gebildete und künstlerisch begabte Engländer auch für die Region, in der der Wein erzeugt wurde. Zeit seines Lebens setzte er sich dafür ein, dass die Gegend zugänglicher wird, und war somit – gewollt oder unbewusst – einer der frühen Pioniere des Tourismus. Seine 1848 erschiene Karte war die erste ihrer Art und zeugt von geografischer Genauigkeit, die noch heute beeindruckt. Sie lokalisierte alle bereits damals existenten, wichtigen Weingüter.
Mit an Bord beim tragischen Ereignis 1861 war auch Dona Antonia Adelaide Ferreira, die größte Persönlichkeit des Portweinhandels des 19. Jahrhunderts. Die aus Peso da Regua stammende Frau hatte nach dem frühen Tod ihres ersten Ehemanns Antonio Bernardo Ferreira 1844 bereits einen stattlichen Weinbergbesitz geerbt, den sie stetig ausbaute. Als sie 1896 starb, besaß sie insgesamt 24 Weingüter, die eine Gesamtmenge von 825.000 Litern Portwein pro Jahr erzeugten. Die von ihr geleitete Firma Ferreira, die heute noch existent ist, wurde damit zum größten Erzeuger jener Zeit. Doch nicht nur der Ausbau ihrer eigenen Weingüter, von denen viele noch heute im Besitz ihrer Nachkommen sind, zählt zu ihren Errungenschaften. Die zierliche Frau, die von ihren Landsleuten Ferreirinha genannt wird, war auch maßgeblich daran beteiligt, der ganzen Region durch die Schaffung von Arbeitsplätzen dem Bau von Krankenhäusern und der Verbesserung der Infrastruktur einen Vortrieb zu geben. Noch 1850 existierten in ganz Portugal kaum Straßen, die die größeren Städte miteinander verbanden. Die erste Eisenbahnlinie des Atlantikstaats wurde 1865 errichtet, die Strecke am Douro 1879 fertiggestellt.
Bis dahin galt der Douro immer als ein abgelegenes und armes Gebiet des portugiesischen Königreichs. Es gibt einige Nachweise, dass bereits die Römer, welche mit „Portucale“ den Portugiesen auch ihren Namen gaben, den Weinbau auf die iberische Halbinsel brachten. Ab dem 11. Jahrhundert etablierte sich dann erstmals eine Grafschaft unter diesem Namen, welche ab 1143 als Königreich unabhängig vom benachbarten, heute zu Spanien gehörenden Königreichen Kastilien und Leon wurde. Ebenfalls aus diesem Jahrhundert datieren die ersten gesicherten Fakten über den Weinbau in der Region. Urkunden der Mönche aus Lamego belegen, dass diese den Rebensaft bereits zum eigenen Verbrauch erzeugten.
Das älteste, heute noch existierende Bauwerk, welches die Geschichte des Weinbaus bestätigt, ist die alte Weinkellerei Giestas Negras aus dem Jahre 1576 in der Nähe von Galafura, die heute ein kleines Museum ist. Nachdem 1640 eine sechzigjährige spanische Besatzung überwunden wurde, deren psychische Wunden noch immer nicht verheilt sind, und Portugals Bedeutung als Seemacht zurückging, suchte sich das neue Königshaus in einem gespaltenen Europa mit Großbritannien einen Bündnispartner, der die nächsten drei Jahrhunderte maßgeblich prägen sollte. Die Briten unterstützen die Portugiesen finanziell und militärisch und wurden auch zum wichtigsten Außenhandelspartner, was sich sehr schön an den Gründungsdaten der ältesten englischen Portweinhändler wie Warre (1670) und Croft (1654, Niederlassung in Porto) zeigt. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich auch die „Erfindung“ des Portweins.
Um den Wein für den Schiffsexport haltbar zu machen, wurde ihm zur Stabilisierung neutraler Branntwein zugesetzt. Dieser praktischen Notwendigkeit verdanken wir heute eines der faszinierendsten Getränke unseres Planeten, dem die Engländer auch gleich dem Namen – nach der Herkunft – „Port(o)“ verliehen. Die Praxis, dem Most bereits während der Gärung den Alkohol zuzusetzen und damit Portweine, wie wir sie heute kennen, zu erzeugen, etablierte sich jedoch erst im 19. Jahrhundert. Der Portwein war zudem das wichtigste Exportgut dieser Epoche, in welcher der Handel durch den Staat gestützt und gefördert wurde, in Form der Methuenverträge (Handelsabkommen mit England) und des berühmten Ministers Marques de Pombal, welcher 1756 mit der Einführung eines Katasters und einer staatlichen Handelsfirma bis heute gültige Instanzen schuf.
Durch die Klassifizierung des Weinbaugebietes Douro von Pombal wurde das Gebiet zur ersten abgegrenzten Weinbauregion der Welt. Sie wurde durch Marksteine aus Granit markiert, denen man noch heute häufig begegnet. Eine ähnliche Klassifizierung wurde für Bordeaux zum Beispiel erst 1855 eingeführt. Das von Pombal geschaffene System diente in erster Linie dazu, den Anbau und Handel zu kontrollieren, um Steuern geltend zu machen. Es etablierte sich daraufhin, dass am Douro der Landbesitz in den Händen von oftmals portugiesischstämmigen Großgrundbesitzern lag, welche den Wein selbstständig ernteten und ausbauten. Anschließend verkauften sie dann die Weine in Fässern an die in Porto ansässigen, hauptsächlich britischen Händler, die das Lager- und Exportgeschäft betrieben.
Politische Instabilität und die Krise mit der ehemaligen Kolonie Brasilien, das ab 1822 unabhängig war, sorgten weiter für Portugals Abhängigkeit von Großbritannien und verzögerten die Industrialisierung erheblich, sodass es bis heute mehrheitlich ein Agrarland ist. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde der Befall der Reblaus zu einer ernsten Bedrohung. Fast alle Rebstöcke mussten neu angepflanzt werden und es dauerte ein paar Jahre, ehe das ursprüngliche Produktionsniveau wieder erreicht wurde.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Portugal dann tiefgreifende politische Veränderungen, die jedoch den Portweinhandel nur in geringem Maße beeinflussten. 1910 wurden der König gestürzt und das Land zur Republik, welche jedoch bloß bis 1926 Bestand hatte, als sich Militärs, später unter der Führung von Salazar, an die Macht putschten und eine autoritäre Diktatur errichten. Das bereits seit zwei Jahrhunderten funktionierende Handelssystem blieb derweil bestehen. Einige wenige englische Firmen wie Taylor und Graham begannen zwar vereinzelt nun selber Weinberge zu kaufen, aber die Mehrheit des Weins wurde weiter durch die Quinta-Besitzer erzeugt. Einige Gesetzesänderungen Salazars stärkten zudem die staatliche Kontrolle über den Weinbau am Douro. Es war zum Beispiel per Gesetz fortan nur erlaubt, Wein zu exportieren, wenn man eine Handelsdependance, ein sogenanntes Entreposto in Vila Nova de Gaia besaß. Dies sorgte dafür, dass sich das oligarchische System, in dem wenige Firmen den kompletten Handel beherrschten, noch verstärkte.
Eine ernsthafte Krise für den Portwein war der Zweite Weltkrieg, in dem Portugal zwar nicht aktiv mitwirkte, aber dessen wirtschaftliche Auswirkungen sich erheblich bemerkbar machten. Die Absatzmärkte in Europa wurden wesentlich kleiner und viele Händler, die von nur einem Exportstandort abhängig waren, verloren ihre Existenz. In den 60er Jahren erholten sich die Märkte zwar kurzzeitig wieder, aber die politischen Veränderungen im Zuge des Ereignisses vom 25. April 1974, das heute als Nelkenrevolution bekannt ist und bei der die Diktatur durch einen friedlichen Putsch beendet wurde, veränderten den Handel und die Gesellschaft dann endgültig tiefgreifend.
Portugal wurde wieder zur demokratischen Republik und schloss sich 1986 dem vereinigten Europa mit dem Beitritt zur EU an. Dieser Schritt und die einhergehende Modernisierung der Technik und Infrastruktur trugen nicht nur zur Entspannung der Beziehungen mit Nachbar Spanien bei, sondern auch dazu, dass die Weingutsbesitzer ihren Wein nun selber vermarkten durften, wodurch eine Vielzahl an Inventionen eingeläutet wurden.
Seit Beginn der 1990er Jahre entstanden über 100 neue kleine Weinproduzenten, die sich nun nicht mehr ausschließlich auf die Erzeugung von Portwein spezialisieren, sondern auch Weiß- und Rotweine keltern. Von den ehemaligen Händlerfirmen, welche Portshipper genannt werden, sind nur noch ein Dutzend im Geschäft, wobei ein Großteil des Marktes durch fünf Konglomerate beherrscht wird. Auch die touristische Infrastruktur kam langsam in Gang. Bis Mitte der 1990er Jahre glich eine Reise ins Douro-Tal noch einem Trip in eine entlegene Gegend, in der Restaurants und Hotels rar gesät waren. Ohne eine Einladung in einem Gutshaus war es fast unmöglich, eine Unterkunft zu finden. Die Erfolgsgeschichte des Tourismus am Alto Douro, so heißt das Anbaugebiet offiziell, ist also noch relativ jung, aber knapp 150 Jahre nach Forrester ist das Gebiet so weit erschlossen, dass jeder auch ohne Expeditionserfahrung den Norden Portugals bereisen und dabei nach wie vor eine unbekümmerte, authentische und bisher vom Massentourismus verschonte Gegend entdecken kann.
Auch wenn es für das Wort Quinta (sprich: „Kinta“) keine wörtliche Übersetzung ins Deutsche gibt, beschreibt eine Farm die Sache schon ganz gut. Da sich im Bereich des Douro-Tals alle landwirtschaftlichen Betriebe dem Weinbau verschrieben haben, kann man Quinta auch etwas enger fassen und mit Weingut übersetzen. Wobei nicht notwendigerweise alle Quintas in Portugal auch Weinbau betreiben. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem späten Mittelalter, als die Großgrundbesitzer ein Fünftel (Quinte) ihres landwirtschaftlichen Ertrages als Steuer an den König abführen mussten.
Die meisten Weingüter in Portugal haben allerdings ganz andere Dimensionen als in Deutschland. In der Bundesrepublik liegen traditionell Kellereien – abgesehen von wenigen Ausnahmen – in geschlossenen Ortschaften, und die bewirtschafteten Weinberge verteilen sich oft verstreut in der näheren Umgebung. Die berühmten Lagen sind hierzulande sehr oft unter vielen Weingütern kleinteilig aufgeteilt. Im Gegensatz dazu befinden sich am Douro viele der großen und weltweit bekannten Weinberge im Alleinbesitz. Typischerweise besteht eine Quinta aus einem zusammenhängenden Landbesitz von meist 30 bis 100 Hektar, von denen häufig drei Viertel mit Weinreben bepflanzt sind. Oft zentral auf diesem Landbesitz befinden sich die Kellereigebäude sowie die Unterkunfts- und Wirtschaftsgebäude für die Arbeiter und das Gutshaus. Viele Quintas produzieren und vermarkten ihre Weine selber. Es gibt aber auch große Produzenten, welche mehrere Weingüter besitzen und nicht auf jedem ein separates Kellereigebäude betreiben. Hinzu kommen Genossenschaften, welche mit Trauben von vielen nebenberuflich tätigen Kleinbauern beliefert werden.
Die Kellereigebäude bestehen traditionell aus zwei Ebenen. In der oberen Etage befindet sich die sogenannte Adegga, in welcher die Traubenannahme und Verarbeitung stattfinden. Dazu gehören ein Einfahrtsbereich für Klein-LKW oder Pritschenwagen mit Waage und ein Sortiertisch, über den dann die eingelieferten Weintrauben direkt in die Lagares (Steinbottiche) oder Fermentationstanks befördert werden. In der unteren Ebene befindet sich das Armazem (Fasskeller), in dem die Weine ausgebaut und sowohl in Stahltanks oder Holzfässern ganz unterschiedlicher Größe gelagert werden. Bei den sehr großen Quintas befinden sich oftmals noch in der Nähe des Kellereigebäudes außenliegende weißgekalkte, ballonförmige Betontanks (Baloes) als zusätzlicher Lagerraum für die frisch hergestellten Weine.
Die Gutshäuser sind oftmals repräsentative Wohnsitze der Besitzer (Patrao) der Quinta. Diese wurden früher jedoch in der Regel nicht dauerhaft bewohnt, sondern nur von den Eigentümern genutzt, wenn sie sich zu Besuch auf ihrem Weingut befanden oder Gäste empfingen. Mit dem Beitritt Portugals zur EU 1986 und dem Recht, Weine direkt vermarkten zu dürfen, sind viele Besitzer dauerhaft zurück ins Douro-Tal gekommen, um sich den eigenen Weinen und/oder dem Tourismus zu widmen. Die Innenbereiche sind in der Regel gehoben ausgestattet und verfügen über mehrere Privat- als auch Gästezimmer. Im Außenbereich befinden sich meist eine Sonnenterrasse, ein großzügiger Garten und häufig auch ein Swimmingpool. Die Quintas, welche Gäste empfangen, tun dies auf unterschiedliche Art und Weise, einige sehr traditionell. Diese haben die Gästezimmer in ihren Gutshäusern für Touristen umgestaltet. Andere haben eigene Unterkunftsgebäude nahe dem Gutshaus angebaut und wieder andere haben den Charakter eines Boutique-Hotels. Darüber hinaus gibt es auch Quintas, deren ehemalige Nebengebäude in kleine Ferienhäuser mit eigener Küche umgebaut wurden. Alle haben jedoch die geringe Kapazität von nicht mehr als 15 Zimmern gemeinsam. Dies garantiert ein Höchstmaß an Individualität, Erholung und Ruhe.
Darüber hinaus haben alle größeren Quintas noch weitere Wirtschaftsgebäude. Dazu zählen unter anderem weitere Wohnhäuser, Werkstätten und Ställe für Nutztiere, die teilweise eine Selbstversorgung zulassen, welche bis vor wenigen Jahrzehnten noch eine wirtschaftliche und infrastrukturelle Notwendigkeit war. Diese Gebäude werden durch den dauerhaft auf dem Weingut wohnenden Farmverwalter (Caseiro) betreut. Er erledigt die Verwaltung, Reinigung und Instandhaltung der Gebäude und Maschinen sowie die Betreuung der Besitzer, wenn diese vor Ort sind – quasi ein Hausmeister und Mädchen für alles. Der Caseiro und seine Frau waren und sind auf einigen Quintas die einzigen ständigen Bewohner. Allerdings sind sie seltener geworden, da wie bereits erwähnt immer mehr Quintas auch tatsächlich durch ihre Eigentümer bewohnt und genutzt werden. Die Aufgaben des Caseiro werden dann durch Angestellte übernommen, welche häufig nicht mehr auf der Quinta wohnen. Weiteres Personal ist oftmals nur saisonal erforderlich. Dann können aber über 100 Erntehelfer gleichzeitig vor Ort sein. Diese werden dann für die Dauer der Ernte in der Regel ebenfalls auf der Quinta in sogenannten Cardenhos (Schlafgebäuden) untergebracht. Herzstück dieser Gebäude ist der Speisesaal mit der angeschlossenen Küche für die Weinbergshelfer, deren Arbeit häufig ein schlecht bezahlter Knochenjob war und ist. Diese traditionelle Funktionsweise einer Quinta ist jedoch im Zuge der einziehenden Mechanisierung deutlich seltener geworden. Viele neue Weinberge können mit Kleintraktoren bearbeitet werden und Autovinifikationstanks sowie maschinelle Lagares machen viele Arbeitskräfte entbehrlich, auch wenn ein Großteil aller Trauben nach wie vor per Hand gepflückt werden muss.
Im Vordergrund unten – direkt oberhalb der Bahnlinie – befindet sich das Kellereigebäude, welches sich über mehrere Ebenen erstreckt (Adegga und Armazem). Links oberhalb davon befinden sich die weiteren Wirtschaftsgebäude: unter anderem das Wohnhaus des Farmmanagers (Caseiro),die Schlafgebäude sowie Küche und Speisesaal für die temporären Erntehelfer.
Quinta de Vargellas
Rechts oberhalb davon (am oberen Bildrand) befindet sich das Gutshaus der Besitzer, in diesem Fall von Alistair Robertson sowie dessen Tochter Natasha und dem Schwiegersohn Adrian Bridge, der heutige Geschäftsführer des Fladgate Partnership, zu dessen Besitz die Quinta de Vargellas und die Marke Taylor gehören.