Das Ende der Dominanz - Brigitte Witzer - E-Book

Das Ende der Dominanz E-Book

Brigitte Witzer

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Beschreibung

Dominanz gewinnt Spiele, aber Resonanz gewinnt Meisterschaften

Macht in Unternehmen – auch heute noch ein Tabu. Alle wissen, dass sie erforderlich ist, um Dinge zu verändern. Kaum jemand weiß jedoch, wie sich diese Gestaltungsmacht erlangen lässt. Frauen winken ebenso ab wie die Generation Z. Sie arbeiten lieber inhaltlich und wollen keine Spielchen spielen. Dabei müssten sie es auch gar nicht! Denn es gibt wirksame Alternativen zu narzisstischem Siegeswillen, Manipulation und List.
Brigitte Witzers neues Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer an Führungskräfte aller Ebenen, sich sozial intelligent und auf Augenhöhe machtvoll aufzustellen. Und zwar indem sie zuhören und durch Empathie für Resonanz in ihren Teams sorgen. Das Ende der Dominanz weist den Weg zu einer neuen persönlichen Stärke, die Karrieren, Unternehmen und unsere Wirtschaft wirklich voranbringt.

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Seitenzahl: 335

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch:

Dominanz gewinnt Spiele, aber Resonanz gewinnt Meisterschaften

Macht in Unternehmen – auch heute noch ein Tabu. Alle wissen, dass sie erforderlich ist, um Dinge zu verändern. Kaum jemand weiß jedoch, wie sich diese Gestaltungsmacht erlangen lässt. Frauen winken ebenso ab wie die Generation Z. Sie arbeiten lieber inhaltlich und wollen keine Spielchen spielen. Dabei müssten sie es auch gar nicht! Denn es gibt wirksame Alternativen zu narzisstischem Siegeswillen, Manipulation und List. Brigitte Witzers neues Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer an Führungskräfte aller Ebenen, sich sozial intelligent und auf Augenhöhe machtvoll aufzustellen. Und zwar indem sie zuhören und durch Empathie für Resonanz in ihren Teams sorgen. Das Ende der Dominanz weist den Weg zu einer neuen persönlichen Stärke, die Karrieren, Unternehmen und unsere Wirtschaft wirklich voranbringt.

Zur Autorin:

Prof. Brigitte Witzer ist Executive Coach, Autorin und Malerin. 1958 am Niederrhein geboren, lebt sie heute in Berlin. Der Weg hierher war kurvig und ziemlich aufregend: So war sie erst Verlagsleiterin, dann Managerin in einem Konzern, später Professorin, und seit gut zwanzig Jahren arbeitet sie jetzt als Führungskräfte-Coach.

Die alte Autorität, die Autorität der Helden, hat sie bereits 2005 in ihrem ersten Buch Die Zeit der Helden ist vorbei diskutiert und ihr ein postheroisches Management als Alternative in der Haltung und im Handeln zur Seite gestellt. In Die Diktatur der Dummen (Heyne, 2015) analysierte sie die Diktatur als heimliche Herrschaftsform, die unsere Gesellschaft fest im Griff hat. In ihrem neuen Buch bringt Brigitte Witzer diese Stränge zu einem aktuellen Führungskonzept zusammen.

BRIGITTEWITZER

DASENDEDERDOMINANZ

Für eine Führung auf Augenhöhe – Perspektiven für eine neue Unternehmenskultur

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

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© 2025 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR)

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Jan Haas, Berlin

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch, Zollikon, unter Verwendung einer Abbildung von Madina Amrina / Shutterstock.com

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-33299-0V001

INHALT

Vorwort

Einleitung: Maskeraden der Macht

1 Dominanz in traditioneller Autorität

2 Rangordnungen und Hierarchie

3 Burgfrieden statt Teamwork

4 Führungspositionen als Monokultur

5 Versteckte Machtausübung

6 Dominanz der Strukturen

7 Präsenz und Persönlichkeit

8 Autorität und Überwältigung

9 Widersprüche und Integration: Von der Dominanz der Quantität zum Glück im Unternehmen

Danksagung

Anmerkungen

VORWORT

Liebe Leser:innen,

und in diesem Buch: liebe Leser, liebe Leserinnen!

Die Meinungen zum Gendern sind in Deutschland bekanntlich geteilt. Ich persönlich gendere gern und meistens. Ich bin eine Frau und freue mich, wenn ich das als Professorin zeigen kann – nicht als Professor. Bei diesem Buch habe ich mich jedoch ergeben.

Der Begriff »Täter-Opfer-Dynamik« hat mich in meinem Vorhaben gestoppt. Natürlich lässt er sich als »Täter:innen-Opfer-Dynamik« schreiben und sprechen. Das liest sich für mich merkwürdig – nämlich so, als wären die Opfer plötzlich männlich. Verblüffend, da die Form natürlich geschlechtsneutral ist.

Hier hatte ich ein Störgefühl und bin dem gefolgt. Deshalb finden Sie im gesamten Text die männliche und die weibliche Ansprache. Sollte ich eines der beiden Geschlechter einmal übersehen habe, bitte ich um Pardon!

Ich wünsche Ihnen trotz der Dopplungen eine gute Lektüre und freue mich, wenn Sie sich von dieser Einschränkung nur im besten Sinne irritieren lassen. Danke, dass Sie diese Seite und die folgenden lesen!

Berlin, im Januar 2025

Brigitte Witzer

Nichts ist so schwer zu vollbringen, nichts so ungesichert im Erfolg und nichts so gefährlich, auch nur zu unternehmen, als eine neue Ordnung der Dinge.1

Niccolò Macchiavelli

EINLEITUNG

MASKERADEN DER MACHT

Townhall-Meeting der Hauptverwaltung eines Dax-Konzerns im Rheinland: Auf der Bühne steht der CEO, in Jeans und schlecht sitzendem weißen Hemd, und erklärt die Restrukturierungen, die in den nächsten Monaten nach und nach auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zukommen werden. Die Kommunikationschefin bittet um Nachfragen, das Mikro wird im Zuschauerraum herumgereicht – die Nachfragen sind kurz und belanglos und werfen mehr Licht auf die fragende Person, als dass sie Klarheit in das Dickicht der bevorstehenden Veränderungen brächten.

Ich beobachte als Gast eines Vorstandsmitglieds die Stimmung und sitze im hinteren Raumdrittel bei einer Gruppe von erfahrenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die ich von früheren Aufträgen her kenne. Was geht in den Köpfen der Leute vor? Als die Veranstaltung zu Ende ist und die offenen Fragen beantwortet sind, verlasse ich mit den anderen den Saal.

Im Hinausgehen verstärkt sich mein Eindruck: So mancher ist unzufrieden und geht mit der geballten Faust in der Tasche nach Hause, ohne dieser Unzufriedenheit jedoch Ausdruck zu geben. Ich spreche den Mann neben mir an und frage ihn, was das Meeting in ihm ausgelöst habe. Er antwortet erstaunlich resigniert: »Es ist, wie es ist. Ändern kann man da sowieso nichts.«

Diese Vorstellung – es ließe sich doch sowieso nichts ändern – hat viele Menschen fest im Griff. Die geballten Fäuste in der Tasche sind ganz normal: Widerstand lohnt sich nicht oder fällt im Gegenteil noch auf einen selbst zurück. So scheint mir die Haltung bei vielem, was uns im beruflichen Alltag begegnet.

Wenn ich – in einem anderen Konzern und zwischen zwei Veranstaltungen, etwa in der Cafeteria – mit einzelnen Personen über ihre Wünsche nach guter Führung spreche und frage, wie es denn aussähe, wenn die Chefs oder Chefinnen nicht dominant wären, sondern mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf Augenhöhe verkehrten, dann erlebe ich Sprachlosigkeit. »Wie soll das denn gehen?«, heißt es da. Für eine solche Idee fehlt schlichtweg das erforderliche Vorstellungsvermögen.

»Der CEO kann doch nicht alles mit jedem verhandeln …« – die Vorstellung von Augenhöhe wird mit dem Argument, dass eine abgestimmte Entscheidungsfindung doch völlig unmöglich sei, ins Belanglose abgetan, sie wird gar nicht erst mitgedacht. Das jedenfalls erlebe ich in meinem Alltag als Executive Coach immer und immer wieder.

Dabei haben fast alle Coachings, vor allem auf der Ebene unterhalb des Vorstands, auf irgendeine Art und Weise »Augenhöhe« zum Ziel. Diese bereits sehr einflussreichen Führungskräfte auf strategischen Positionen mit machtvollen Rollen wollen wissen, wie sie selbst herausfinden aus dem Gefühl, von anderen dominiert zu werden, und wie sie da gegensteuern können, wo sie immer wieder andere dominieren – manchmal ohne es selbst zu wollen. Sie arbeiten oft schon länger daran, andere auf Augenhöhe zu führen, statt ihnen ihre eigene Meinung aufzuzwingen. Eine Ursache dieser Wachsamkeit liegt in der zunehmenden Verbreitung eines Konzepts, das als »New Work« bekannt ist.

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hat der von Frithjof Bergmann in den 1980er-Jahren geprägte Begriff »New Work« einen echten Paradigmenwechsel beschert. Bergmann ging es um eine klare Vision: Arbeit hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. Seither wandelt sich der Anspruch an Arbeit: weg von der reinen Einkommensquelle hin zu einem Mittel der Selbstverwirklichung, zum gesellschaftlichen Beitrag.

Eine radikale Neudefinition, die in agilen und anderen dynamischen Ansätzen zur DNA allen Tuns gehört; sie verändert vor allem Haltung und Führungsqualität. Das verlangt mittleren Führungskräften viel ab, besonders wenn diese selbst von Managern und Managerinnen geführt werden, die auf Durchgriff, die Macht der Ratio sowie auf »Command und Control« setzen. Anders gesagt: Hier prallt »New Work« auf Dominanz, Sinnstiftung auf Ratio und Führung auf Management.

Meine ganz konkreten, subjektiven Erfahrungen in diesem und ähnlichen Spannungsfeldern im Unternehmen haben mich dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben. In der Einleitung, die Sie gerade lesen, finden Sie einen ersten Überblick zum Thema Dominanz im Führungs- und somit im Berufsalltag, mit den verschiedenen Aspekten wie Gewalt, Manipulation, Hierarchie und Rangordnung. Es geht mir an dieser Stelle um einen Streifzug: Was alles hat eigentlich mit Dominanz zu tun? Welche Begriffe und Konzepte sind damit verknüpft?

Ich möchte Sie einladen, mich auf dem Weg zu den verschiedenen inneren Bildern zu begleiten, die mit dominantem Verhalten verbunden sind, bis hin zu den Vorzügen der Dominanz, die wir uns möglicherweise nur ungern bewusst machen. Welche Art von Autorität am Ende möglich sein könnte, wird im Folgenden ebenfalls schon angedeutet, im weiteren Verlauf des Buches dann entwickelt und vertieft.

Alle Kapitel – so auch dieses – beginne ich mit einer detaillierten Beschreibung einer Führungssituation, die ich so oder ähnlich erlebt habe, mit anderem Personal und in anderen Kontexten. Die jeweilige Situation verweist auf das, was wir alle mehr oder weniger kennen: Ich nenne es eine Vignette2 des Gewohnten.

Das Gewohnte steht also am Beginn der Kapitel, an deren Ende Sie dann jeweils kontrastierende Situationen finden – Situationen, die den Wandel beschreiben. Diese Vignetten des Wandels zeigen nicht das Optimum, sie stellen nicht unbedingt »reinen« Wandel dar. Sie zeigen aber die Möglichkeiten von Aufbruch, von Veränderung hin zu mehr Menschlichkeit, mehr Qualität, mehr Augenhöhe im Unternehmen.

Der rote Faden des Buches ist eher eine Kette unterschiedlich geformter Perlen und verbindet verschiedene Erfahrungen von Dominanz hinsichtlich Wirkung, (Un-)Sichtbarkeit und Veränderbarkeit. Dabei setze ich auf eine Art »subjektives Clustern«, indem ich verschiedene Beispiele, Situationen und Wirkungen von Dominanz nach meinem Dafürhalten auswähle und bündle. Diesen ordne ich jeweils Bezüge, Hintergründe und Lösungsräume sowie hilfreiche Methoden zu.

Hier ziehe ich vor allem solche Methoden heran, die entweder einen ganz frischen Blick ermöglichen oder die etabliert sind und zu den üblichen Werkzeugkoffern der Leadership-Literatur oder entsprechender Weiterbildungen gehören. Mein Wunsch ist es, Ihnen beim Lesen einen schnellen Anschluss an eigene Erfahrungen und Kompetenzen zu ermöglichen.

So entwickeln sich im Laufe des Buches sehr unterschiedlich geformte Themenschwerpunkte von verschiedener Brillanz, unterschiedlicher Relevanz und Tiefe. Entlang dieser »Cluster« bewege ich mich vorwärts – in meinem inneren Verständnis: bergauf. Dorthin, wo die Sicht gut ist, wo eine Draufsicht auf das Bestehende möglich ist und zugleich ein weiter Blick nach vorne, in die Zukunft.

Dominanz bei anderen wird nicht hinterfragt

Die Hälfte meiner Arbeitszeit in mehr als 25 Jahren habe ich dem Dialog über individuelle Veränderungen von dominanten Verhaltensmustern gewidmet. Ich stehe als Coach für »Führen auf Augenhöhe«, auch in herausfordernden Führungssituationen. Davon lebe ich, das ist die Basis meines Geschäftsmodells, und es entspricht meiner persönlichen Vorstellung von (Menschen-)Würde und (Menschen-)Führung.

Gefühlt arbeite ich also seit mehr als zehn Jahren an nichts anderem als an der Herstellung von Augenhöhe in Unternehmen. Umso krasser erlebe ich, wie etwa im zuvor geschilderten Townhall-Meeting, die geradezu klaglose Hinnahme, eine verstörende Widerspruchslosigkeit angesichts von Entscheidungen »von oben«. Einerseits wollen die Führungskräfte selbst andere nicht mehr dominieren, andererseits lassen sie sich dominieren; einerseits suchen sie Augenhöhe, andererseits fordern sie diese nicht ein. Wie kann das sein?

Wünschen wir uns mehr Augenhöhe, weil diese auch im privaten Leben so wichtig geworden ist? Ein Blick in die Familien zeigt: War es in Westdeutschland bis 1971 noch normal, dass Frauen ohne Einwilligung des Ehemanns kein Konto haben durften, so scheint es heute so, dass viele Frauen geradezu »die Hosen anhaben«: Sie tragen meist zu 100 Prozent die sogenannte Mental Load, also die Verantwortung für Haushalt, Kindererziehung und die tägliche Ernährung der Familie.

Dazu gesellt sich zusätzlich die viel höhere berufliche Verantwortung: einerseits für all die Themen, die zum Arbeitsalltag gehören, aber andererseits eben auch für die berufliche Weiterentwicklung. Während Männerkarrieren selbstverständlich laut diskutiert werden, bricht für Frauen, etwa mit Teilzeitvertrag, hier schnell jede Fantasie in sich zusammen. Und auch wenn Männer unter dem Verlust der 100-Prozent-Quote in Vorständen leiden mögen, stehen sie hier immer noch auf der Sonnenseite des gesellschaftlich Üblichen.

Ganz schön viel, was für die Frauen da zusammenkommen kann. Einige, so höre ich es aus ihren Reihen, haben sich zu Hause einen sehr verkürzten und schon dadurch dominanten Kommunikationsstil zugelegt, der ihnen selbst beim Nachdenken darüber gar nicht gefällt. So wollten sie nicht werden, nein, anders: So wollen sie wirklich nicht sein! So – dominant!

Während Dominanz bei Männern als Zeichen natürlicher Autorität und Führungsstärke definiert wird, gelten dominante Frauen als herrschsüchtig und per se als unweiblich. Welche Frau möchte das schon sein?

Der Charme von Dominanz

Es ist so leicht, einem dominanten Stil zu verfallen, weil er Zeit einspart. Klare Ansagen sind schneller gemacht, als ein Thema von zwei oder mehr Personen aushandeln zu lassen. Kein Wunder daher, dass Dominanz ein Kennzeichen einer längst überholten Form von Führung ist, die als »command and control« bezeichnet wird. Die Führungskraft macht dabei eine Ansage und überprüft relativ engmaschig, ob die gewünschten Ergebnisse vorliegen.

Diese Art der Führung hat mit New Work und spätestens seit den 1990er-Jahren ausgedient, als immer offensichtlicher wurde, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur funktionieren und maschinenartig bestimmte Aufgaben erledigen sollten. Plötzlich waren sie aufgefordert, mitzudenken, sollten kreativ sein oder womöglich sogar innovativ. Unternehmerisch handelnde Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erschienen auf dem Marktplatz der Leadership-Theorien und halten sich dort bis heute.

Wer unternehmerisch handeln soll, braucht Verantwortung und Freiräume. Dominanz widerspricht diesem Ansatz; sie verwandelt eine komplexe, anspruchsvolle und inspirierende Herausforderung in eine Art simples, unterforderndes und ödes »Convenience-Paket«. Wir kennen den Begriff »Convenience« aus der Gastronomie: Er bezeichnet dort das nur noch aufzuwärmende Essen – mit Kochen hat diese Art von Weiterverarbeitung im kreativen Sinne nichts zu tun.

Die Wirkung von Dominanz

Dominanz kennen wir alle. Jeder, der im letzten Jahrhundert geboren wurde, dürfte noch persönlich den Methoden der schwarzen Pädagogik begegnet sein – in der eigenen Familie oder in der Schule, durch Anschauung bei Freunden oder durch selbst erlebtes Leid. Die Folgen von Erziehung durch elterliche oder pädagogische Gewalt, Bedrohung und Strafen sind vielfach in der Übernahme von Rollen als Täter oder Opfer im späteren Leben zu beobachten.

Widerstand gegen Dominanz wäre an sich gesund, ist aber Kindern aufgrund des Machtgefälles meist nicht möglich. Wie sich dominanter Eltern oder Lehrer erwehren? Kinder sind findig und kommen meist zu individuellen Lösungen, die entweder auf Überanpassung basieren – also freundlich lächeln und dabei die Faust in der Tasche ballen – oder aber auf Rebellentum: widersprechen und den Konflikt weiter anheizen.

Für beides braucht es viel Energie. Genau diese wird allerdings durch konfliktbereiten Widerstand freigesetzt. Eine echte Befreiung! Widerstand kann also greifbare Resultate liefern: Er führt als kraftvolle soziale Energie der Selbstvergewisserung zur inneren wie äußeren Klärung von Situationen, in denen mit Dominanz oder »Macht über jemanden« gearbeitet wird.

Dominant ist heute auch die Technikzentrierung unserer Gesellschaft. Wir glauben nicht mehr an den menschlichen Erfinder- und Entwicklergeist, es sei denn, dieser programmiert KI. Dass Technik als so viel relevanter erscheint als menschliche Kreativität, ist die Folge einer verblüffenden, tief verwurzelten und sehr wirksamen Gehirnwäsche, die wie ein Flächenbrand unsere Gesellschaft erfasst hat.

Ähnlich geht es uns heute mit einer Dominanz durch Konsum: Es gibt eine Parallelwelt zu unserer realen, zur »echten« Welt, die ausschließlich konsumorientiert ist. Das Hauptziel der vom Konsum getriggerten Menschen liegt nicht mehr im Erleben ihres Lebens, sondern im massenhaften Konsum. Sie werden gegebenenfalls im Minutentakt bei TikTok oder auf Instagram, aber auch mit Push-Nachrichten aktiviert und für Produkte aufgeschlossen.

Für solchen Konsum ist eine zentrale menschliche Eigenschaft nicht mehr erforderlich: Neugier. Seine Sogwirkung können wir an dem Einfluss erkennen, den die sozialen Medien vor allem auf junge Leute haben. Sie ziehen offenbar unweigerlich und unter Umgehung von Gegenwehr die Aufmerksamkeit an – sprich: Interesse für eine Sache ist gar nicht mehr nötig.

Das hat Konsequenzen und führt zu enormen Verwerfungen auf anderen Feldern: Schule etwa funktioniert nicht ohne Interesse, nicht ohne Neugier. Wie sollen Kinder und Jugendliche sich für etwas begeistern, noch Neues lernen?

Die Dominanz von Technologie

In meinem ersten Konzernjob ging es nach kürzester Zeit auch darum, für bestimmte Prozesse der alltäglichen Arbeitsabläufe meines Teams auf SAP umzustellen. Die Führungsebene war von der Aussicht, alle Zahlen »auf Knopfdruck« parat zu haben, begeistert; das Verkaufspersonal des IT-Riesen hatte exzellente Arbeit geleistet. Wir Führungskräfte als diejenigen, die die Umsetzung zu realisieren hatten, wurden bei der Entscheidung für die Software weder gefragt noch einbezogen.

Es ging für uns nur darum, zum einen die knapp bemessene Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenschar für die Integration der neuen Software zu gewinnen und zum anderen einzelne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit zusätzlichen Aufgaben für das Integrationsprojekt auszustatten. Ich war sprachlos, als mein Chef mein Team für dieses Projekt vorsah und von mir erwartete, dass ich eine anstrengende Wegstrecke für mein Team (und mich) mit Begeisterung absolvieren würde.

Es war das einzige Mal, dass ich im Büro mit den Tränen kämpfte. Ich war 32, kam aus einem stark digital ausgerichteten Computerbuchverlag und fühlte mich in diesem relativ traditionell arbeitenden Konzern bis dahin allen Aufgaben gewachsen. Aber eine Groß-IT als Zusatzbelastung ohne positive Effekte und ohne besondere Modernität? Mein Chef war nicht in der Lage, mir die Vorzüge der neuen Software zu erklären – ich bin mir sicher, dass der SAP-Vertriebler sich da nicht allzu tief auf eine Sachebene eingelassen hatte.

Jedenfalls war ich sprachlos, nicht bereit, das Projekt zu stärken, und erklärte, ich sei »raus«. Das führte bei meinem Vorgesetzten zu absoluter Ratlosigkeit. Er hatte mit fröhlicher Bereitschaft gerechnet – schließlich galt ich als »digital« – und auf keinen Fall mit einer Absage. Absagen an die Führungskraft? So etwas gab es im Konzern einfach nicht. Das allerdings war mir nicht klar. Mein Widerstand wirkte, ich blieb frei von SAP und musste zumindest dieses Projekt nicht persönlich vorantreiben, sondern nur eine halbe Arbeitskraft aus dem Team zur Verfügung stellen. Das gelang in teaminterner Absprache letztlich leicht.

Mir hat sich während der Laufzeit dieses angeblich innovativen Projektes dessen Innovationskraft nicht erschlossen. Was ich aber gelernt und verstanden habe, ist der Zauber, der von Technologie und Ingenieurskunst ausgeht. Der Glaube an technische Machbarkeit scheint mir jedenfalls sehr viel ausgeprägter in der Wirtschaft, ja in unserer gesamten Gesellschaft, als der Glaube an die Kraft von Menschlichkeit. Technik oder – hochwertiger formuliert – Technologie schlägt Geist? Ganz sicher (nicht).

Das Evangelium der Technologieriesen

Amerikanische Vorzeigekonzerne wie Apple oder Google glänzen mit verräterischen Rollenbeschreibungen wie »chief internet evangelist« oder »chief technology evangelist«. Die betreffenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen, analog zum lateinischen Begriff des Evangeliums, die frohe Kunde von neuen Technologien oder vom Internet an den Mann oder die Frau bringen. Auch der führende deutsche Softwarekonzern SAP in Waldorf verfügt über einen Evangelisten. Dennoch sind die Vorstände von Unternehmen längst keine Gemeinschaft von Aposteln, die sich um einen Guru versammeln.

Der Begriff Gemeinschaft passt eher mäßig zu einem Vorstandsgremium oder einem Topmanagement-Team unterhalb der Vorstände. Die Zusammenarbeit ist dort zwar vorgeblich sachorientiert, aber letztlich auf Machterhalt und Machtausweitung ausgerichtet. In diesen Runden wird nach wie vor nicht besonders intensiv miteinander gearbeitet, sondern stattdessen einige Energie darauf verwendet, die Illusion einer halbwegs friedlichen Koexistenz aufrechtzuerhalten.

Es geht also nicht um das, was von Teams auf mittleren und unteren Ebenen ganz selbstverständlich erwartet wird: Kooperation im Sinne einer übergreifenden Zusammenarbeit, die von Mitdenken und Kommunikation geprägt ist, sowie die handfeste Übernahme von Verantwortung für den Teamerfolg durch jedes einzelne Teammitglied. Solche Kunde hört man aus Top-Teams der Wirtschaft eher selten.

Um was geht es denn Menschen, die als Vorstände arbeiten? Als junge Frau kokettierte ich selbst kurz mit dem Gedanken, Vorständin zu werden. Mich interessierte an dieser Rolle die Möglichkeit der Gestaltung, die schiere Fülle der Macht. Dieser Wunsch bestand allerdings nicht allzu lange: Ich hatte zunehmend Kontakt mit Vorständen und war ziemlich entsetzt: Wollte ich solche Kollegen? Auf keinen Fall!

Und wie gefiel mir die Zusammenarbeit? Nun, die Gespräche waren höflich, die Machtinteressen mehr oder minder deutlich erkennbar. Bei einigen Themen war klar, wohin es unbedingt gehen sollte, auch wenn die Zahlen das eigentlich nicht hergaben. Summa summarum: ein Schachern, bei dem bestes Benehmen wichtiger war als inhaltliche Diskussionen und Überlegungen zu Konsequenzen oder sozialen Wirkungen bestenfalls eine Nebenrolle spielten. Nachdem ich an einer Vorstandssitzung als Gast teilgenommen hatte, war ich, wie man so schön sagt, bedient. Das war für mich definitiv kein Ziel.

Monokultur und Dominanz

Sicher beeinflusste meine damalige Erfahrung, dass die Herren im Vorstand alle gut 25 Jahre älter waren als ich und der Ton eher dem eines Offizierscasinos entsprochen haben dürfte. Eine Monokultur, wie sie im Buche steht und auch heute in vielen Konzernen noch nicht durch lebendige Vielfalt aufgebrochen wird.

Auf jeden Fall habe ich damals gelernt: Dominanz muss nicht aus der klaren Ansage einer einzelnen Person resultieren, sondern kann auch in einem einheitlichen Mindset begründet sein, also in einer bestimmten Art, zu denken und auf die Welt zu schauen. Geht es bei den Technologiekonzernen um die Weltverbesserungsverheißung, die im Technologie- und Technikeinsatz zu liegen scheint, so beruht die Arbeit des typischen Dax-Vorstands auf einem einheitlichen Selbstverständnis und verschiedensten Nichtangriffspakten.

Als ich in meiner neuen Rolle als Executive Coach auf einen ehemaligen Kollegen traf, der an neuer Stelle in einem Vorstand tätig war, fragte dieser mich ernsthaft, wieso ich »den Beritt gewechselt [habe] und dann auch noch an eine so einflussarme Position«. Aha, den Beritt! Ich war sprachlos, konnte dem Exkollegen in seiner Sichtweise aber problemlos folgen. Und bekam dennoch aufgrund seiner Vermittlung (er sprach von mir allerdings nicht als Coach, sondern als »exzellente Managerin, die sicher wieder zurückfindet«) meinen ersten großen Auftrag in einem Dax-Konzern.

Alles Männer, viele von ihnen militärisch geschult oder denkend, mit klarer hierarchischer Befehlskette in den trainierten Knochen – eine echte Monokultur also, diese Vorstände. Und nicht nur hier. Wie kann es etwa sein, so fragte mich neulich eine geschätzte Kollegin, dass am Bundesverfassungsgericht nur Juristen und Juristinnen tätig sind? Wo um Himmels willen sind die Geisteswissenschaftler beiderlei Geschlechts, die hier in Leichtigkeit und mit größtem Selbstverständnis die Türen zur Welt jenseits der Jurisprudenz öffnen könnten? Wer sorgt in so einer Monokultur für Vielfalt, für Mehrdeutigkeit, für Reflexion aus verschiedensten Positionen? Wie divers kann eine so stromlinienförmige Behörde sein? Und: Ist das nicht ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft?

Inwiefern ein Bundesverfassungsgericht mit etwa 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Diversität profitieren könnte, lässt sich leicht formulieren: durch Abbildung der Lebenswirklichkeit, unserer Gegenwart, der Welt, in der wir real leben. Ohne Diversität handelt es sich um nicht mehr als eine Institution, die davon ausgeht, Herrschaftswissen zu pflegen und es also in jedem Fall besser zu wissen.

Das nenne ich eine Haltung der Überlegenheit, sicher aber nicht Augenhöhe. Für wirkliche Gewaltenteilung und die Sicherung unserer Demokratie ist das nicht nur wenig hilfreich, sondern sogar ausgesprochen schädlich.

Der dominante Habitus ist männlich

Alle Menschen sind gleichwertig. So lautet das Mantra im Nachkriegsdeutschland, das bewusst auf Klassen und auf das frühere Feudalsystem verzichtet. Die meisten von uns wünschen sich diese Gleichheit, doch fast alle können Geschichten davon erzählen, wie sich Ungleichheit in ihren Alltag einschleicht.

Als Frau etwa werde ich kraft meiner Stimme (Tonlage leider etwas höher als die der Männer), meiner Körpergröße (ich bin zwar nicht klein, aber 178 cm sind eben kein Gardemaß für CEOs mit idealerweise 195 cm) und meines Geschlechts (weiblich zu sein ist erst neuerdings ein positives Kriterium, etwa für Quotenregeln) nicht sofort in meiner Meinungsäußerung für relevant gehalten. Alte, stark verinnerlichte und schon lange nicht (mehr) reflektierte Muster bestimmen, wer der oder die Erste in einer sozialen Ordnung ist.

Größe, eine dunkle Stimme und männliches Geschlecht sind die Hauptkriterien der unbewussten, aber vorhandenen inneren Ordnung unserer Gesellschaft. Diese hat frühere Ordnungen mit anderen Schwerpunkten abgelöst: So waren vor vielleicht 150 oder 200 Jahren noch die Älteren wichtiger als die Jüngeren, galten Senioren als weise und wurden geachtet, während sie heute als dement oder alterskindisch abgeschoben und ruhiggehalten werden.

Jedes soziale System braucht und beruft sich auf irgendeine Ordnung. Es liegt an uns, ihren Mitgliedern, diese Ordnung transparent zu machen und dafür zu sorgen, dass innerhalb dieser Ordnung Werte gelten, die beispielsweise dem Humanismus verpflichtet sind. Faktisch gilt in der Wirtschaft nur der Wert der Quantität, der Vermehrung von Zahlen. Qualitative Werte, die es möglicherweise früher einmal gab, sind fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Bedeutete die Industrialisierung noch einen Aufbruch, der zumindest zu besserer Lebensqualität der Arbeiterschaft führt, so wird seit Beginn der Digitalisierung ausschließlich quantitativ skaliert. Verbesserungen? Nicht in Sicht. Der Algorithmus ist eben nur quantitativ und genau darin liegt seine überzeugendste Kraft.

Hierarchie als Ordnungssystem in Unternehmen

Traditionelle Autorität in Unternehmen funktioniert über Hierarchie und Rangordnung. Ihre Instrumente sind Status und entsprechende Symbole, Gewalt und Druck sowie Kontrolle und Ansagen. Alle Führungskonzepte der Gegenwart richten sich gegen genau diese Instrumente; sie gelten als überholt, als untauglich in Zeiten digitaler Kommunikation und gewünschter Transformation. Mit traditioneller Autorität, das scheint offensichtlich, lässt sich kein Butterbrot gewinnen. Aber weit gefehlt!

Denn während auf den unteren Hierarchieebenen vor allem großer Konzerne längst agil und vielfach kollaborativ gearbeitet wird, überleben die alten Konzepte auf den Top-Ebenen. Zwar legen die neuen, nunmehr »authentischen« Chefs zunehmend ihre Krawatten, die Chefinnen ihre Absatzschuhe ab und treten in Turnschuhen zu Anzug und Kostüm energiegeladen und jugendlich auf die Bühnen von Townhall-Meetings und Konferenzräumen, um »die Mannschaft« auf Strategiewechsel, Restrukturierungen, Personalabbau oder Organisationsveränderungen einzuschwören.

Doch während man sich nach außen hin dem Zeitgeist angepasst hat, hat sich im Alltag wenig verändert. Einziger Unterschied zu früher: Alle verfügen nun über einen PC und können diesen auch benutzen. Trotz der heutigen digitalen Helfer sehen die Vorstandsvorzimmer aber immer noch so aus wie anno 1990, als ich meine erste Stelle in einem Konzern antrat: Sie sind der Wirkungsort von zwei Frauen, effizient, freundlich, wohlerzogen – und machtbewusst.

Anders gesagt: Zwei gestählte Zerberusse, zumeist weiblich und zumeist auf hohen Absätzen, sorgen im Vorzimmer der Macht für die schnelle und professionelle Bearbeitung aller Wünsche sowie für Abstand, Distanz und Hemmschwellen beim unangekündigten Wunsch nach Kontakt. Und sie sorgen, so ein Vorstand letztens zu mir auf dem Weg zu seinem Fahrzeug, auch noch »für einen angenehmen Anblick«. Wer will schon hässlich, wenn hübsch möglich ist?

Der Unterschied zwischen Macht und Gewalt

Treten wir aus dem Vorstandsvorzimmer heraus und begeben wir uns auf eine allgemeinere Ebene. Was lässt sich primär beobachten, wenn es um Macht geht? Wie genau ließe sich Macht beschreiben und von Dominanz unterscheiden? Oder handelt es sich dabei womöglich um ein und dieselbe Sache?

Macht könnte zunächst als Element bezeichnet werden, das den Unterschied zwischen reiner Dominanz und Gewalt ausmacht. Konkreter bedeutet Macht explizit oder implizit angedrohte Gewalt. Wer Macht über Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat, könnte diese entlassen – auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür nicht sehr groß ist. Das heißt: Wer seine Ziele auch mit Gewalt erreichen könnte oder dazu bereit wäre und – vor allem – wem man dies zutraut, der hat Macht.

Wer Gewalt anwenden muss, zeigt auf diese Weise unmissverständlich, dass hier ein Mangel an Macht vorliegt. Gewalt ist mit Aufwand und Risiko verbunden, Macht aber begrenzt beides. Wer Gewalt anwenden muss, befindet sich in einem machtlosen Zustand, der Ohnmacht.

Der Vorstandsvorsitzende muss nicht erst 20 Personen entlassen und so zeigen, dass er Macht hat – und hier liegt ein wesentliches Problem im Unternehmen: Mancher CEO ist gerade nicht in der Lage, einen in seinen Augen unfähigen Topmanager zu entlassen; stattdessen wird oft genug um diese Person herumgearbeitet. Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kann das heißen, dass inkompetente Führungskräfte eine Existenzberechtigung haben – und sie ebenfalls um ihre Führungsperson herumarbeiten müssen.

In dieser unterstellten, aber oft nicht realisierten Macht finden wir das, was in Unternehmen so lähmend sein kann: ein Machtvakuum. Dieses wird nicht nur durch sogenannte Bypässe vertuscht, also das oben beschriebene Herumarbeiten, sondern es gibt immer wieder Versuche, dieses Vakuum durch Manipulationen zu übertünchen.

Manipulation verletzt Grenzen

Was ist unter einer Manipulation im Gegensatz zu offensichtlichem Handeln zu verstehen? Meist geht es bei Manipulation um gezielte und zugleich verdeckte Einflussnahme auf andere Menschen, vom »Fake-Lächeln« (wie es in der Gastronomie vielfach Pflicht ist, um Gäste zu guten Bewertungen zu bewegen) bis hin zu Beeinflussung im großen Stil (wie es etwa eine Werbung anstrebt, die unter dem Deckmantel von Produkttests daherkommt, die allerdings von nur einem Hersteller bezahlt werden).

Manipulation ist quasi der Oberbegriff all jener Prozesse, die auf eine Beeinflussung des Erlebens und Verhaltens von Einzelnen und Gruppen zielen. Sie gehört damit zur Kybernetik, der Wissenschaft von den Steuerungs- und Regelungsmechanismen in belebten und unbelebten Systemen. Diese wurde von ihrem Begründer Norbert Wiener für Maschinen und Tiere entwickelt, bezieht sich aber auch auf vielfältige soziale, ökonomische und politische Gebilde.

Was bedeutet das konkret, was also ist Manipulation? Wer eine Taste am Getränkeautomaten drückt, das aber tut, um den Automaten zu prüfen (und nicht, um Kaffee zu bekommen), der manipuliert das System. Der wahre Grund für die Aktion bleibt verdeckt, die sichtbare Handlung entspricht nicht der eigentlichen Intention. Wenn ich Sie anspreche und Sie bitte, mir den richtigen Weg zu zeigen, ich Sie aber eigentlich nur kennenlernen und ein Gespräch beginnen will, dann ist das eine vergleichbare Situation. Gezielte Manipulationen verdecken also das Eigeninteresse.

Das bedeutet: Manipulationen sind überall da anzutreffen, wo es um die Umgehung gesetzter Grenzen oder um das Vortäuschen von Sachverhalten geht. Aus dieser Perspektive betrachtet zielt das Buch Der Fürst von Niccolò Macchiavelli vor allem auf die Manipulation der Untergebenen dieses Fürsten. Sie verschafft dem Fürsten die Möglichkeit, Dominanz auszuüben.

Der Fürst lernt von seinem Berater, wie dieser Dominanz ausübt. Das bedeutet: Es geht bei dieser Literatur vor allem um die Manipulation von Menschen durch mehr oder weniger elegante Strategien der Staatsführung. Der Fürst sichert sich die Macht über sein Volk; er unterwirft sich auf diese Weise seine Untertanen. Verblüffenderweise sind Macchiavellis Tipps ein Hit auf TikTok und der Titel ein Buch, das sich weiterhin ausgezeichnet verkauft. Warum wollen junge Leute alle unbedingt Dominanz »können«? Weil Augenhöhe so viel komplexer ist und die Ratschläge für den Fürsten das eigene Ego zugleich heben?

Machtspiele im Unternehmen

Meine Arbeit als Executive Coach hat drei Schwerpunkte: erstens die Reflexion von Herausforderungen, Unklarheiten und Schieflagen, zweitens die Auflösung von Machtspielen verschiedener Art und drittens die Bearbeitung von Themen rund um Manipulation. Meine Gesprächspartner sind jeweils Executives, also Topmanager und Topmanagerinnen sowie Vorstände in Konzernen. Lassen Sie uns mit den Machtspielen beginnen.

Die Voraussetzung von Machtspielen ist, dass es Opfer und Täter oder Täterinnen gibt. Wenn beteiligte Personen sich erwachsen verhalten und mit anderen auf Augenhöhe sprechen, dann kommt es nicht dazu. Um es andersherum zu formulieren: Die meisten von uns verfallen immer wieder in alte, in der Kindheit und Jugend erfolgreich gelernte Rollenmuster aus dem Spektrum von Opfersein und Täterschaft. Das wird in diesem Buch noch ausführlich zu diskutieren und näher zu untersuchen sein.

Ein bekanntes Machtspiel ist das Drama-Dreieck, das aus der Gebrauchsanleitung für erfolgreiche Stammtischgespräche zu stammen scheint:3 Eine Gruppe von Besserwissern äußert sich abfällig über eine oder mehrere Personen, z. B. wegen ihres Alters, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres Andersseins. Die Angegriffenen – in der Minderheit – bleiben stumm, verhalten sich unauffällig, gehen aus dem Sichtfeld der Stänkerer und Stänkerinnen. Einer aus der Gruppe der Verfolger und Verfolgerinnen übernimmt plötzlich die Rolle des Retters oder der Retterin und schwingt sich zu einer verbalen Polemik auf, geißelt die gerade erfolgte Abwertung und fühlt sich insgesamt ganz wohl in seinem Auftritt als Gutmensch.

Wie bewerten wir diese Situation? Wer sich wie ein Opfer verhält, der macht sich kleiner, als er ist. Wer sich wie ein Täter verhält (gleich, ob Verfolger oder »Retter«), bläst sich auf und versucht, die Verantwortung für andere, meist erwachsene Menschen zu übernehmen. Beides ist nicht hilfreich, wenn es um die Bewältigung komplexer Situationen oder Herausforderungen geht. Solche Spiele orientieren sich gerade nicht an ihrer Wirksamkeit, sondern am Gegenteil: Sie erzeugen Stürme im Wasserglas, sind völlig unproduktiv und reproduzieren immer wieder die gleichen Machtverhältnisse. So organisieren sich Menschen Bestätigung und Anerkennung, aber auch Abwechslung und Unterhaltung – aber keine Lösungen auf Augenhöhe.

Machtspiele haben es in sich. Sie sind Garanten von Ungleichheit und in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Die wenigsten können erkennen, wie überflüssig und wirkungslos diese Spiele sind, deshalb gehören sie zum üblichen Repertoire in vielen Unternehmenskaffeeküchen. Sie haben zweifellos mit Dominanz zu tun, aber Gestaltungsmacht liegt hier nicht vor.

Gibt es denn irgendwo in der Philosophie oder Soziologie eine reine Theorie der Macht? Was haben die großen Denker und die genauen Beobachter gesellschaftlicher Zusammenhänge über Macht gesagt? 

Keine (reine) Theorie der Macht

Weder Philosophie noch Soziologie haben eine reine Machttheorie im Repertoire. Der vielleicht bekannteste deutsche Soziologe des 20. Jahrhunderts, Niklas Luhmann, integriert seine Überlegungen zu Macht in eine Theorie der Gesellschaft. Er denkt sich Macht eher als Einflussnahme.4

Unter Einfluss versteht er drei wesentliche Formen: 1. die Möglichkeit, Unsicherheit zu absorbieren, 2. die Möglichkeit zu positiven Sanktionen und 3. die Möglichkeit, negative Sanktionen auszuüben. Für ihn ist Macht das beständige Zeigen von Sanktionsmöglichkeiten, ohne diese jedoch jemals anzuwenden.

Seine Überlegungen gehen dahin, dass Macht keine innere Potenz eines Machthabers ist und damit nicht an seinen Möglichkeiten oder Ressourcen abzulesen ist, sondern eher durch die Bereitschaft der ihr Unterworfenen zum Gehorsam geprägt wird. Was bedeutet dann Gewalt?

Bei Luhmann finden sich Überlegungen zu sozialer Gewalt, die auf die bewusste Beschädigung von Lebewesen oder ihrer Lebensumstände abzielt. Mittel dieser Gewalt sind Akte der Beschädigung; ihre Formen sind dann beispielsweise das Abhacken einer Hand oder die Verwahrung im Gefängnis.

Luhmanns Theorie ist komplex und auch keine reine Machttheorie. Daher ist es leicht nachvollziehbar, dass man in puncto Literatur zum Thema Macht fast ausschließlich auf die immer gleichen, mittlerweile durchaus überholten, aber stets aufs Neue wieder aufbereiteten Ratgeber alter Schule über Macht stößt.

Ich spreche von den Ideen Macchiavellis, der die Macht seines Fürsten zu erhalten wusste, von Sun Tsu, der auf seine Weise in China kriegerisch siegte, oder auch – ein wenig frischer, aber ebenfalls angestaubt – von Clausewitz, der Krieg als Mittel verstand, um einen Vorteil über seinen Gegner zu erlangen.

Alle drei beschäftigen sich mit der Frage, wie man andere dominieren, sie überwältigen oder besiegen kann; alle drei werden als große Strategen betrachtet und waren in ihrer Zeit relevant.

Doch ist das heute noch die richtige Zielstellung? Ist es immer noch ein hehres Ziel, Macht über andere zu erlangen, diese zu bewahren oder zu vergrößern? Treten wir einen Schritt zurück mit der Frage: Wie zeigt sich Macht denn eigentlich?

Alte und neue Macht

Macht beruht ursprünglich auf Akten von Gewaltanwendung, wie wir sie im Krieg erleben. Nun sind Unternehmen zum Glück keine Orte der Kriegsführung, obwohl es manchmal den Anschein haben mag: Wer morgens in die Autos derer schaut, die zur Arbeit fahren, hat eher den Eindruck, dass die Menschen in den Krieg zögen, als dass sie zu einem wirklich hochinteressanten Spiel unterwegs wären.

Haben sich alle diese Menschen unterworfen? Ist ihr Widerstand gebrochen, sind sie auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz, weil es nicht anders geht? Wir wissen es nicht. Die Bereitschaft jedenfalls, sich zu unterwerfen, darf nicht zu niedrig gewichtet werden. Aber: Wer will das schon von all denjenigen, die mit frischem Blick ins Berufsleben eintreten, in ihren Unternehmen Sinn finden wollen und keinerlei Lust auf Unterwerfung, Ausbeutung oder auch nur Langeweile haben?

Kein Wunder also, dass jüngere Führungskräfte wie auch viele Frauen entnervt abwinken, wenn es um die Übernahme von Top-Positionen geht. Sie wollen sich nicht mit den altbekannten Machtspielen befassen, mit den Deals, den abgekarteten Geschäften und den Pokerfaces, die den Arbeitsalltag auf hohen Ebenen so ermüdend werden lassen. Viele jüngere Menschen ebenso wie viele erfolgreiche, erfahrene Frauen in Führungspositionen – und zunehmend auch Männer – suchen nach etwas anderem als Dominanz.

Schließlich bewegen wir uns heute in einer Wirtschaft, die auf Arbeitsebene – also in den Betrieben, den Maschinenräumen, den unteren Führungsebenen – ziemlich engagiert, ja fast bedingungslos den agilen sowie den digitalen Traum träumt. Erfordern diese beiden Träume nicht ganz andere Weichenstellungen? Es kann, da bin ich mir sicher, auch anders gehen.

Machtbegriffe und innere Bilder

Welches innere Bild löste bei mir der Begriff »Macht« aus? Nun, ich hatte mit Macht etwas verbunden, was mit Wirksamkeit einherging: Ich wollte Menschen führen, mich und »mein« Unternehmen aus den alten, überholten Grenzen herausführen, aus alten Zwängen befreien, sprich: Ich wollte den Konzern, in dem ich tätig war, am liebsten transzendieren. Entsprechend suchte ich nach etwas, was bei Hannah Arendt »Macht für« genannt wird.5

Was ich erlebte und sah, war aber im Wesentlichen »Macht über«: Ältere Herren machten sich Gedanken darüber, ob der Zuschnitt des Vorstandsbereichs genügend Menschen umfasste – in der Konzernsprache damals GTK genannt, Ganztagskräfte, heute FTE, also full-time equivalents – und genug »Wumms« im Bereich war, ob also der Bereich als relevant für den Geschäftserfolg galt. Hier wurde quantitativ und getrieben von möglichem Einfluss über Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entschieden, so als wären die dort beschäftigten Menschen eine bewegliche, aber unbelebte Masse, die dazu diente, bestimmte Unternehmensziele zu erreichen.

Als mir Hannah Arendt mit ihrer Unterscheidung von »Macht über« und »Macht für« begegnete, erlebte ich eine Art von befreiendem Schock: Genau das hatte ich gebraucht! Ich war außerordentlich erleichtert, dass ich keine Fehlprogrammierung in meinem doch sonst ganz gut funktionierenden Gehirn hatte, sondern einfach eine gänzlich andere Vorstellung von Macht hegte. »Macht über«, so viel war mir augenblicklich klar, interessierte mich kein bisschen. Ich war stattdessen motiviert für einen ganz anderen Umgang mit Macht, ich wollte »Macht für« – und nur dafür war ich bereit, jede Anstrengung auf mich zu nehmen. 

Ist es also »nur« die Macht der Gewohnheit, die dafür sorgt, dass in den Vorstandsgremien noch alles so abläuft wie im letzten Jahrtausend? Und welche Macht braucht es, um die Macht der Gewohnheit auszuhebeln? Oder gibt es andere Gründe dafür, dass die Macht über andere im Vordergrund steht?

Wir haben alle so viel zu verlieren

Warum sind Menschen darauf aus, einen hohen Status zu halten und von anderen für erfolgreich und vielleicht sogar für glücklich gehalten zu werden? Was hat »mein Haus, meine Frau, mein Boot« für eine Wirkung auf das eigene Glücksempfinden? Vielleicht gar nicht so viel. Sie vermitteln möglicherweise eher ein Gefühl von Sicherheit, das uns gerade heute zunehmend abhandenkommt.

Eine Art Abwehrzauber gegen gesellschaftlichen Abstieg und Verluste könnte der Status sein. An ihm können alle anderen ablesen, dass bei mir als Statusbesitzer oder -besitzerin alles gut ist und ich sehr komfortabel durch diese Zeiten gleite. Wer Status hat, gehört auf keinen Fall zu den Opfern! Status hilft uns dabei, unsere eigene Unsicherheit zu beherrschen, aber auch nach außen hin Sicherheit zu verströmen.

Sicher ist, dass wir in Deutschland nach 70 Jahren ohne Krieg so komfortabel und gesichert wie nie leben. In seinem Klassiker Haben oder Sein6 erläutert der österreichische Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm den Unterschied zwischen den beiden Zuständen: Wer erst etwas »haben« muss, um dann ein gutes Leben führen zu können, anders gesagt, um »zu sein«, der hat ein Problem: Das Sein hängt am Haben. Wer ist man dann noch, wenn man nichts mehr hat?

Eine Konsumgesellschaft wie unsere hat naturgemäß so gut wie alles zu verlieren. Wir sind ganz auf das Haben und auf die quantitative Seite des Lebens aus- und eingerichtet. Sich auf das Sein zu verlassen? Was für eine Zumutung!

Schmerzhafte Erkenntnisse

Die Führungskraft beschwert sich im Coaching über die fehlende Flexibilität in ihrem Team. Sie sieht Mitarbeiter A, der sich vehement weigert, einen bestimmten Ablauf zu verändern, obwohl darüber schon seit Tagen gesprochen wurde. Mitarbeiterin B ist nicht bereit, auch nur einen Millimeter von ihrem einmal gefassten Plan abzuweichen, trotz guter aktueller Gründe und Veränderungen im Kontext.

Nach einer Stunde Coaching wird deutlich: Einige Flexibilitätsprobleme liegen zwar tatsächlich im Team, aber es kristallisiert sich eine Art von Inflexibilität heraus, die die Führungskraft an sich selbst nicht ausstehen kann. Sie führt anhand eines Beispiels Näheres aus, im Ergebnis könnte man sagen: Wenn sie sich einmal entschieden hat, etwas zu tun, dann kann sie – trotz neuerer, anderer, besserer Einsichten – nicht umschwenken. Sie kommt sich dann inkompetent vor, als Versagerin, und fühlt sich plötzlich in ihre Schulzeit zurückversetzt. Sie wird dann innerlich starr, äußerlich bockig (so ihre Worte).

Projektionsarbeit deckt auf – für alle, die offen sind für Reflexion –, wie wir aus dem Splitter im eigenen Auge einen Balken im Auge der anderen erzeugen. Unsere Psyche greift zu einem Trick und verbirgt uns einerseits genau das, was wir nicht wahrhaben wollen, zeigt uns aber andererseits in der Projektion auf andere, um was es geht.

Natürlich basiert nicht jedes Störgefühl auf Projektion, aber auch das zeigt sich bei dieser Art von Arbeit schnell.

Projektionsarbeit eignet sich ausgezeichnet für den nächsten Schritt auf dem Weg der Bewusstmachung, wie das eigene Leben besser werden kann – im ersten Moment ist sie aber durchaus ein Schlag ins Kontor. Erkenntnis ist gerade in einem Konsum-Umfeld nicht leicht, da mit unangenehmen Folgen verbunden. Eine Realität, die uns verborgen bleibt, wird beileibe nicht so schmerzhaft erlebt wie eine Realität, derer wir uns erst bewusst werden!

Bewusstheit lässt sich nicht konsumieren und führt immer zu einer Art von Ent-täuschung, dem Ende der (Selbst-)Täuschung, also im positiven Fall zur Desillusionierung. Auch dieses Buch ist auf Bewusstheit ausgerichtet. Ich würde mich freuen, wenn Sie Lust am Erkenntnisgewinn haben, vielleicht und gerade auch dann, wenn die zu schluckende Pille bitter ist.