Das Ende des Wachstums - Richard Heinberg - E-Book

Das Ende des Wachstums E-Book

Richard Heinberg

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Beschreibung

Endlicher Planet – unendliches Wachstum? Schonungsloser kann eine Epochendiagnose nicht sein: Ihre Kernaussage lautet: Mit dem Wirtschaftswachstum, wie wir es kennen, ist es aus und vorbei. Was für ein Frevel in einer Epoche, die nur eines zur Zukunftsbewältigung kennt – Wachstum! Als Belege für seine Aussage nennt Heinberg drei Hauptursachen, die er ausführlich und in all ihren Verzweigungen zwingend diskutiert: - Die Erschöpfung lebenswichtiger Ressourcen; - die Zunahme negativer ökologischer Auswirkungen der Ausbeutung und Nutzung von Ressourcen und die daraus resultierenden Folgekosten; - die Verwerfungen des Weltfinanzsystems, das nicht in der Lage ist, auf diese Entwicklungen angemessen zu reagieren, sondern sie eher noch verschärft. Reiches empirisches Material, ein riesiger Quellenfundus und prägnante Fallstudien (etwa zu China) stützen seine Ergebnisse. Das Werk ist als "lebendiges Buch" konzipiert, das durch elektronische Updates (deren erstes unsere Ausgabe gedruckt enthält) ständig auf dem laufenden gehalten wird. Die Mahnung des Autors ist unmißverständlich. Wenn die Welt eine Zukunft haben soll, muß klar sein: Die Zeit des "Weiter so" ist abgelaufen – heute. Die Sorge um die Zukunft muß endlich praktisch werden.

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Seitenzahl: 569

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Für P. J., dessen Großzügigkeit meine Arbeit ermöglicht – und der weitermacht, auch wenn er weiß, daß Zeit und Geld gegen uns arbeiten.

Das Ende des Wachstums ist ein »lebendiges Buch«.Zusätzliches Material wird regelmäßig ins Netz gestellt undaktualisiert und ist zu finden unter endofgrowth.com.

Außerdem können die Leser sich zum Themazu Wort melden unterfacebook.com/richardheinbergfacebook.com/postcarbon

Richard Heinberg

DAS ENDEDES WACHSTUMS

Alte Konzepte – neue Realitäten

Aus dem Englischen vonUrsel Schäfer

Titel der Originalausgabe:The End of GrowthAdapting to Our New Economic Reality

First published in 2011 by New Society Publishers Ltd.,Gabriola Island, British Columbia, Canada

Copyright © 2011 by Richard Heinberg

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliographie;detaillierte bibliographische Daten sind im Internetüber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

ISBN 978-3-937801-76-6eISBN 978-3-948075-73-6

© der deutschen Ausgabe:Manuscriptum VerlagsbuchhandlungThomas Hoof KG · Waltrop und Leipzig 2013Einbandgestaltung: www.graphische-konzepte.de

INHALT

Dank

Einführung: Die neue Normalität

Warum endet das Wachstum?

Das Ende des Wachstums kommt eigentlich nicht überraschend

Warum ist Wachstum so wichtig?

Aber ist Wachstum nicht normal?

Die einfache Berechnung von exponentiellem Wachstum

Das Peak-Oil-Szenario

Von der erschreckenden Theorie zur noch erschreckenderen Realität

Platzende Blasen

Was kommt nach dem Wachstum?

Eine Anleitung für dieses Buch

1.Das große Ballonrennen

Wirtschaftsgeschichte in zehn Minuten

Wirtschaftslehre für Eilige

Wirtschaftswissenschaft im 20. Jahrhundert

Konjunkturzyklen, Zinssätze und Zentralbanken

Verrücktes Geld

Ich schulde dir

2.Das Geräusch entweichender Luft

Kartenhäuser

Die Bühne wird bereitet: 1970 bis 2001

Schattenbanken und Immobilienblase

Was aufsteigt …

Die Mutter aller Hysterien

Grenzen der Verschuldung

Alle verschuldet und kein Ausweg in Sicht

Verpuffte Anreize, nutzlose Rettungen

Maßnahmen anderer Länder und ihrer Zentralbanken

Wenn alle Pfeile verschossen sind

Deflation oder Inflation?

Die Brücke ins Nirgendwo

3.Die Grenzen der Erde: Warum es keine Rückkehr zum Wachstum geben wird

Öl

Andere Energiequellen

Wie Märkte auf Knappheit reagieren könnten: Das Goldilocks-Syndrom

Wasser

Nahrungsmittel

Metalle und andere Minerale

Klimawandel, Umweltverschmutzung, Unfälle, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen

4.Werden uns Innovation, Substitution und Effizienz nicht weiterhin Wachstum ermöglichen?

Ersatz immer und überall

Energieeffizienz als Rettung

Geschäftsfeldentwicklung: Die Kavallerie ist unterwegs

Moores Gesetz oder Murphys Gesetz?

Spezialisierung und Globalisierung: Dienstbare Geister zu unserer Verfügung

5.Der Kuchen wird kleiner: Konkurrenz und relatives Wachstum in einer endlichen Welt

Die chinesische Blase

Währungskriege

Geopolitik in der Post-Wachstums-Ära

Bevölkerungsstreß: Alt gegen Jung auf einem vollen Planeten

Das Ende der »Entwicklung«?

Reich gegen Arm in einer Welt ohne Wachstum

6.Den Schrumpfungsprozeß meistern, Fortschritt neu definieren

Das Szenario des Scheiterns

Schuldenschnitt für alle … oder Freigeld?

Geld nach dem Ende des Wachstums

Wirtschaftswissenschaft nach dem Ende des Wachstums

Bruttonationalglück

Unsere Probleme sind im Prinzip lösbar

7.Das Leben nach dem Wachstum

Prioritäten setzen

Transition Towns

Common Security Clubs

Die neue Wirtschaft bekannt machen

Wie könnte eine nachhaltige Gesellschaft aussehen?

Ausblick

Update Nr. 1 (Juni 2012)

Weder Schuldner noch Gläubiger…

… aber vor allem nicht Schuldner!

Was heißt hier »wir«?

Trübsal in den USA

Die Sonne geht auch unter

Unsere Lösung ist unser Problem

Schrumpfende Wirtschaft und soziale Klaustrophobie

Die Wirtschaft braucht Treibstoff … und immer mehr davon

Vom Winde verweht

Und jetzt die guten Nachrichten

Anmerkungen

Verzeichnis der Grafiken

Personenregister

DANK

Dieses Buch hat von den Beiträgen vieler Menschen profitiert, deren Hilfe Anerkennung verdient.

Ich beginne mit den Mitarbeitern des Post Carbon Institute, der Organisation, für die ich mit Freude und Stolz arbeite. Asher Miller, Daniel Lerch, Ken White und Tod Brilliant haben das Manuskript in unterschiedlichen Stadien gelesen und wichtige Vorschläge für die Bearbeitung gemacht. Dieses Team hat schon bei verwandten Projekten mit mir zusammengearbeitet, darunter kurzen Videos für YouTube wie dem preisgekrönten »300 Years of Fossil Fuels in 300 Seconds« und »Who Killed Growth?« Crystal Santorineos hat Interviews transkribiert, und Simone Osborne hat Auszüge aus dem Buch auf den Websites PostCarbon.org und EnergyBulletin.net veröffentlicht (und die Leser der Auszüge haben wiederum wertvolle Anregungen für das Buch vermittelt).

Mein Dank geht auch an New Society Publishers, ganz besonders an Ingrid Witvoet, die das Manuskript lektoriert hat; außerdem an Chris und Judith Plant, die das Buch enthusiastisch begrüßt haben, als es noch nicht mehr als eine Idee war; an Sue Custance, die das Projekt begleitet hat; und an E. J. Hurst, die sich um die Werbung gekümmert hat.

Jared Finnegan hat mit dem Wissen aus seinen jüngsten Forschungen an der London School of Economics kluge Vorschläge für die Gestaltung des Manuskripts sowie für die Aufbereitung der Grafiken und ihre Beschriftung unterbreitet – dazu gehörte auch, daß er Dutzende von Datensätzen aus einer Vielzahl von Quellen zusammentrug. Jareds redaktioneller Beitrag war besonders wichtig für den Abschnitt »Das Ende der ›Entwicklung‹?« in Kapitel 5.

Suzanne Doyle hat viele Stunden damit verbracht, die Anmerkungen zu erarbeiten, Quellen ausfindig zu machen und die Übersicht über Hunderte von Quellenangaben zu behalten.

Im Rahmen meiner Recherchen zu Das Ende des Wachstums habe ich Interviews und Gespräche mit vielen großartigen Denkern geführt. Jeder verdient eine kurze Vorstellung und meinen tiefen Dank.

Ein Gespräch mit Gus Speth – einem der bedeutendsten Vertreter der Umweltschutzbewegung, der viele Jahre in Yale gelehrt hat (und jetzt an der Vermont Law School lehrt), Verfasser von A Bridge at the Edge of the World: Capitalism, the Environment, and Crossing from Crisis to Sustainability – brachte mich auf den neuesten Stand der aktuellen Entwicklungen in der alternativen Ökonomie.

Ein weiteres Gespräch, diesmal mit John Fullerton, einem ehemaligen Geschäftsführer von JPMorgan und in jüngerer Zeit Gründer des Capital Institute, half mir, die Gepflogenheiten der Wall Street und deren Veränderungen in den letzten 25 Jahren zu verstehen. Heute arbeitet John daran, die Investmentwelt in eine faire, nachhaltige und resiliente Richtung zu steuern und geht dabei mit vielversprechenden Ansätzen voran.

Herman Daly, ökologischer Ökonom der ersten Stunde, ehemals Volkswirt bei der Weltbank und Verfasser von The Growth Illusion, war freundlicherweise bereit, Kapitel 6 zu lesen und zu kommentieren.

Nate Hagens, der vom Hedgefonds-Manager zum ökologischen Ökonomen wurde, hat den größten Teil des Manuskripts gelesen und viele wichtige Anregungen gegeben. Sein Expertenwissen über das Funktionieren der Finanzmärkte ist in Kapitel 2 eingeflossen.

Josh Farley, Fellow am Gund-Institut für ökologische Ökonomie und Professor an der Fakultät für Gemeinschaftsentwicklung und angewandte Ökonomie der Universität Vermont (und zusammen mit Herman Daly Verfasser des Handbuchs Ecological Economics) hat den Großteil des Manuskripts gelesen und auf vielen Gebieten sehr wichtige Ratschläge erteilt. Einige erläuternde Anmerkungen geben wörtlich seine Randbemerkungen auf dem Manuskript wieder.

Hazel Henderson, Zukunftsforscherin und Verfasserin von Ethical Markets: Growing the Green Economy, kritisiert seit Jahrzehnten die konventionelle ökonomische Theorie und beschreibt Wege, wie Geld für die Menschen arbeiten kann (und nicht umgekehrt). Das Interview mit ihr hat mein Denken für Möglichkeiten geöffnet, die ich noch nicht in Betracht gezogen hatte. Das versuchte ich in den Kapiteln 6 und 7 festzuhalten.

Chris Martenson, Erfinder von »The Crash Course« mit zehnjähriger Erfahrung in Finanzfragen von Unternehmen und strategischer Beratung, schreibt regelmäßig Kommentare über die weltweite Finanzsituation. Weil Chris die Endlichkeit der Ressourcen bewußt und das Denken in Systemen vertraut ist, finde ich seine Analyse besonders glaubwürdig und hilfreich. Seine Erkenntnisse haben in die Kapitel 2 und 3 Eingang gefunden.

Nicole Foss ist Mitherausgeberin von TheAutomaticEarth.com, sie schreibt dort unter dem Namen Stoneleigh. Außerdem leitet sie die Agri-Energy Producers’ Association im kanadischen Ontario, dabei konzentriert sie sich auf bäuerliche Biogas-Projekte und den Aufbau von Stromnetzen für erneuerbare Energie. Als Nicole noch im Vereinigten Königreich lebte, war sie Research Fellow am Oxford Institute for Energy Studies mit dem Spezialgebiet Reaktorsicherheit in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. Ich habe von ihr viele Kommentare zur weltweiten Finanzszene gelesen und von der Lektüre viel profitiert. In Kapitel 2 sind zahlreiche wichtige Erkenntnisse eingeflossen, die sie mir in einem langen Gespräch im Dezember 2010 vermittelt hat.

Charles Hall, Professor für Systemökologie am College für Umweltwissenschaft und Forstwesen der State University of New York in Syracuse, ist der weltweit führende Experte für Energiebilanzen, wie sie in Kapitel 4 vorgestellt werden. Ich stehe seit langem tief in Charlies Schuld wegen seiner Forschungen (deren Bedeutung viele Energieanalysten immer noch nicht erkannt haben). Seine jüngsten unabhängig begutachteten Veröffentlichungen zu dem Thema bestätigen einige Kernaussagen in diesem Buch.

David Murphy, ein früherer Student von Charlie Hall und heute selbst ein bedeutender Forscher, ist Autor und Koautor wichtiger Veröffentlichungen zur Energiebilanz, die in Kapitel 4 zitiert werden. David hat das Kapitel gelesen und wichtige Anregungen unterbreitet.

Michael Klare, Professor für Friedensforschung am Hampshire College und Autor von Rising Powers, Shrinking Planet, ist der weltweit führende Experte für Zusammenhänge zwischen Ressourcenerschöpfung und Geopolitik. Ein Gespräch mit ihm Ende 2010 war die Grundlage für den Abschnitt »Geopolitik in der Nach-Wachstums-Ära« in Kapitel 5.

Bill Ryerson, Gründer und Präsident des Population Media Center und Präsident des Population Institute, ist der klügste, bestinformierte und überzeugendste Experte für Bevölkerungsfragen, den ich kenne. Aus unserem Gespräch ist der Abschnitt »Bevölkerungsstreß: Alt gegen Jung auf einem vollen Planeten« in Kapitel 5 entstanden.

Mats Larsson, Unternehmensberater und Verfasser mehrerer Bücher, unter anderem The Limits of Business Development and Economic Growth, war eine wichtige Quelle für Kapitel 4, das er außerdem gelesen und kommentiert hat.

Jason Bradford, Biologe und ehemaliger Forscher an der Washington University und am Botanischen Garten von Missouri, der gegenwärtig für Farmland LP das Programm Verwaltung von Ackerflächen betreut, hat große Teile des Manuskripts gelesen und mit Anmerkungen versehen sowie den Text des Kastens für Kapitel 7 formuliert.

Warren Karlenzig, der zu den weltweit führenden Experten für urbane Nachhaltigkeitsstrategien und ihre Messung gehört, Verfasser von How Green is Your City? The SustainLane U.S. City Rankings, reist häufig nach China und berät dort lokale Verantwortliche in Planungsfragen. Seine Erkenntnisse zu den Problemen und Perspektiven dieser Nation greife ich im Abschnitt »Die chinesische Blase« in Kapitel 5 auf.

David Fridley, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Energy Analysis Program des Lawrence Berkeley National Laboratory und Experte für die chinesische Energiepolitik, hat ebenfalls Wichtiges zu diesem Abschnitt beigetragen.

Doug Tompkins, der in der Wirtschaft erfolgreich war und dann zu einem der wichtigsten Naturschützer weltweit wurde, hat das Manuskript gelesen und hilfreiche Vorschläge gemacht. Die Foundation for Deep Ecology hat materielle Hilfe zur Werbung für dieses Buch geleistet.

Helena Norberg-Hodge, Gründerin der Internationalen Gesellschaft für Ökologie und Kultur (ISEC), ist seit vielen Jahren ein Freundin und Inspiratorin. Ihre Sicht hat in den Abschnitt »Das Ende der ›Entwicklung‹?« in Kapitel 5 Eingang gefunden, schwingt aber auch in den Kapiteln 1 und 6 mit.

Diese Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet haben mich durch die Lektüre des Manuskripts und ihre Auskünfte vor vielen Fehlern bewahrt, die sonst womöglich der Botschaft von Das Ende des Wachstums geschadet hätten. Sollten noch Fehler verblieben sein, fallen sie allein in meine Verantwortung.

Ich stehe auch tief in der Schuld der Arbeiten von Dennis Meadows und Jørgen Randers – den beiden letzten noch lebenden Mitgliedern der Forschergruppe, die Die Grenzen des Wachstums verfaßt hat. Hätte die Welt damals auf sie gehört, hätten wir alle heute viel weniger Grund zur Sorge.

Schließlich möchte ich wieder einmal meiner Frau Janet Barocco für ihre unermüdliche Unterstützung und Ermutigung danken und dafür, daß dank ihr unser Heim ein Ort ist, an dem Kunst, Fröhlichkeit und natürliche Schönheit ihren Platz haben.

EINFÜHRUNGDIE NEUE NORMALITÄT

»Führende zeitgenössische Vertreter der wirtschaftswissenschaftlichen Profession … haben sich in eine Art Politbüro für korrektes ökonomische Denken verwandelt. Generell hat sie das – wie von einem Club ehrwürdiger Herrn im allgemeinen zu erwarten – bei so ziemlich jedem wichtigen politischen Thema auf die falsche Seite gebracht, und das nicht erst in letzter Zeit, sondern seit Jahrzehnten. Sie prophezeien die Katastrophe, die nicht kommt. Sie bestreiten, daß Ereignisse eintreten werden, die dann doch eintreten … Sie lehnen ganz einfache, adäquate und vernünftige Reformen ab und verabreichen stattdessen Placebos. Sie sind immer überrascht, wenn ein widriges Ereignis (wie eine Rezession) tatsächlich eintritt. Und wenn sie schließlich merken, daß eine Position nicht zu halten ist, überprüfen sie ihre Ideen nicht. Sie ziehen die Möglichkeit nicht in Erwägung, daß ihre Logik oder Theorie einen Fehler haben könnte. Stattdessen wechseln sie einfach das Thema. In diesem Club verliert niemand das Gesicht, weil er unrecht hatte. Niemand wird von Konferenzen ausgeladen und darf seine Papiere nicht präsentieren. Und schon gar nicht wird jemand von außen dazugebeten.«

James K. Galbraith (Wirtschaftswissenschaftler)

Die zentrale Aussage dieses Buches ist ebenso einfach wie bestürzend: Mit dem Wirtschaftswachstum, wie wir es kennen, ist es aus und vorbei.

Das »Wachstum«, von dem wir sprechen, besteht in der Expansion der Volkswirtschaft insgesamt (mehr Menschen bekommen, was sie wollen, und mehr Geld wechselt die Hände) und in der mengenmäßigen Zunahme von Energie und Gütern, die in der Volkswirtschaft zirkulieren.

Die Wirtschaftskrise, die in den Jahren 2007/2008 begann, war ebenso vorhersehbar wie unvermeidlich, und sie bedeutet einen permanenten, fundamentalen Bruch mit den vergangenen Jahrzehnten – einer Zeit, in der die meisten Ökonomen die unrealistische Position vertreten haben, beständiges Wirtschaftswachstum sei notwendig und erreichbar. Es gibt prinzipielle Barrieren für eine anhaltende wirtschaftliche Expansion, und das erfährt die Welt gerade.

Das soll nicht heißen, daß die Vereinigten Staaten oder die Welt insgesamt nie wieder ein Quartal oder ein Jahr erleben werden, in dem die Wirtschaft im Verhältnis zum vorherigen Quartal oder Jahr wächst. Doch wenn man die Ausschläge abzieht, verläuft die allgemeine Trendlinie der Wirtschaft (gemessen in den Zahlen für Produktion und Konsum realer Güter) fortan waagrecht oder nach unten und sicher nicht nach oben.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß eine Region, ein Land oder eine Branche noch eine Weile weiter wächst. Es wird einige solche Beispiele geben. Letztendlich jedoch wird dieses Wachstum auf Kosten anderer Regionen, Länder oder Branchen gehen. Von nun an ist nur noch relatives Wachstum möglich: Die Weltwirtschaft spielt ein Nullsummenspiel, und der Topf, der an die Gewinner verteilt werden kann, wird immer kleiner.

Warum endet das Wachstum?

Viele Finanzexperten führen schwerwiegende Probleme der US-Wirtschaft – einschließlich der erdrückenden, nicht zu tilgenden Schuldenlast der öffentlichen und privaten Haushalte und der geplatzten Immobilienblase – als unmittelbare Bedrohungen des Wirtschaftswachstums an. Allgemein heißt es, wenn diese Probleme gelöst seien, könne und werde das Wachstum mit »normalen« Raten weitergehen. Aber diese Experten übersehen die externen Faktoren, die auf das Finanzsystem einwirken und Wirtschaftswachstum, wie wir es kennen, nahezu unmöglich machen. Dies ist kein vorübergehender, sondern ein dauerhafter Zustand.

Alles in allem gibt es, wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, drei Hauptfaktoren, die weiterem Wirtschaftswachstum grundsätzlich im Wege stehen:

•Die Erschöpfung wichtiger Ressourcen, darunter fossile Brennstoffe und Minerale.

•Die Zunahme negativer ökologischer Auswirkungen der Ausbeutung und Nutzung von Ressourcen (darunter die Verbrennung fossiler Brennstoffe) – mit der Folge, daß die Kosten sowohl der Auswirkungen wie der Bemühungen, sie abzuwenden, lawinenartig steigen.

•Finanzielle Verwerfungen, die damit zusammenhängen, daß unser bestehendes Währungssystem, unser Bank- und Investitionswesen nicht in der Lage sind, auf Ressourcenknappheit und steigende Umweltkosten zu reagieren – und daß sie nicht in der Lage sind (vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Volkswirtschaft), die gewaltigen Schuldenberge zu bedienen, die private und öffentliche Haushalte in den letzten beiden Jahrzehnten angehäuft haben.

Obwohl Finanzkommentatoren gewöhnlich die ökologischen Grenzen des Wachstums ausblenden, können wir buchstäblich Tausende von Vorfällen aus den letzten Jahren anführen, die zeigen, wie alle drei genannten Faktoren zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken.

Nehmen wir nur ein Beispiel: die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010.

Die Tatsache, daß BP in tiefen Gewässern im Golf von Mexiko nach Öl bohrte, illustriert einen weltweiten Trend: Auf der einen Seite besteht die Gefahr, daß der Welt demnächst das Öl ausgeht, auf der anderen Seite werden an Land, wo das Bohren billig ist, kaum noch neue Ölvorkommen entdeckt. Solche Vorkommen hat man bereits gefunden und ausgebeutet. Der Internationalen Energieagentur zufolge werden im Jahr 2020 fast 40 Prozent der Weltölproduktion aus Offshore-Förderung stammen. Zwar ist es hart, gefährlich und teuer, in 1200 bis 1500 Metern Wassertiefe nach Öl zu bohren, aber der Ölindustrie bleibt nichts anderes übrig, wenn sie weiter den Rohstoff liefern will. Das bedeutet auch, daß das Öl teurer wird.

Natürlich waren die ökologischen Kosten, die die Explosion der Deepwater Horizon und das Leck verursachten, verheerend. Weder die Vereinigten Staaten noch die Ölindustrie können sich einen weiteren Unfall dieser Größenordnung leisten. Deshalb verhängte die Regierung Obama 2010 ein Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko (das allerdings nur 6 Monate galt; Anm. d. Übers.) und arbeitete gleichzeitig neue Regeln für Bohrungen aus. Andere Staaten begannen, ihre eigenen Richtlinien für Tiefseebohrungen zu überprüfen. Die Wiederholung einer derartigen Katastrophe wird dadurch weniger wahrscheinlich, aber die Kosten für Ölbohrungen und damit die schon heute hohen Ölpreise werden noch weiter steigen.

Die Katastrophe auf der Deepwater Horizon illustriert bis zu einem gewissen Grad auch den Dominoeffekt von Ressourcenerschöpfung und Umweltschäden auf die Finanzinstitutionen. Die Versicherungsgesellschaften mußten die Prämien bei Tiefseebohrungen erhöhen, und die Auswirkungen auf die regionale Fischereiindustrie haben die Wirtschaft am Golf hart getroffen. Ein Teil der Kosten für die Golfregion wurde durch Zahlungen von BP ausgeglichen, aber BP mußte infolge der Aufwendungen umstrukturieren, der Aktienkurs und die Renditen der Investoren sanken. Die Finanznöte von BP hatten wiederum Folgen für die britischen Pensionsfonds, die Geld in das Unternehmen investiert hatten.

Dies ist nur ein Beispiel – zugegeben ein besonders spektakuläres. Wäre es ein Einzelfall, könnte sich die Wirtschaft erholen und weitermachen. Aber wir erleben heute und in Zukunft eine Abfolge ökologischer und ökonomischer Katastrophen, die nicht unbedingt zusammenhängen, aber das Wirtschaftswachstum immer stärker behindern werden. Dazu zählen unter anderem:

•Klimaveränderungen, die zu regionalen Dürren, Überflutungen und sogar Hungersnöten führen;

•Knappheit von Energie, Wasser und Rohstoffen;

•Wellen von Banken- und Firmenzusammenbrüchen sowie Zwangsversteigerungen von Immobilien.

Jede dieser Erscheinungen wird üblicherweise als ein Fall für sich behandelt, als ein Problem, das gelöst werden muß, damit wir wieder »zurück zur Normalität« gelangen können. Aber letztendlich hängen sie insofern zusammen, als sie Folgen des Bevölkerungswachstums sind. Immer mehr Menschen wollen pro Kopf immer mehr der begrenzten Ressourcen (darunter nichterneuerbare, das Klima verändernde fossile Brennstoffe) konsumieren, und das auf einem endlichen und zerbrechlichen Planeten.

Unterdessen sind mit den seit Jahrzehnten aufgehäuften Schulden alle Voraussetzungen für einen Jahrhundertcrash geschaffen – wir sehen es um uns herum; der Crash hat das Potential, erhebliche politische Unruhe und viel Leid für die Menschen zu bringen.

Das Ergebnis: Wir erleben einen perfekten Sturm aus gleichzeitigen Krisen, die zusammen einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit markieren. Wir sind Zeugen und Beteiligte bei der Wende von Jahrzehnten des wirtschaftlichen Wachstums zu Jahrzehnten einer schrumpfenden Wirtschaft.

Das Ende des Wachstums kommt eigentlich nicht überraschend

Der Gedanke, daß das Wachstum irgendwann in diesem Jahrhundert enden wird, ist nicht neu. Bereits 1972 erschien ein Buch mit dem Titel Die Grenzen des Wachstums, es wurde zu dem ökologischen Bestseller schlechthin.1

Das Buch basierte auf den ersten Versuchen, in Computermodellen das wahrscheinliche Zusammenspiel der Veränderungen bei Ressourcen, Konsum und Bevölkerungsentwicklung abzubilden. Außerdem war es die erste große wissenschaftliche Untersuchung, die die Annahme infrage stellte, das Wirtschaftswachstum könne und werde in der absehbaren Zukunft mehr oder weniger ungebrochen weitergehen.

Damals klang das ketzerisch – und heute immer noch. Die Vorstellung, daß das Wachstum über einen bestimmten Punkt hinaus nicht weitergehen kann und nicht weitergehen wird, war für manche Kreise höchst ärgerlich, und bald schon wurde Die Grenzen des Wachstums durch Wirtschaftsinteressen, die auf Wachstum setzen, »entlarvt«. Tatsächlich beschränkte sich die »Entlarvung« darauf, ein paar Zahlen in dem Buch vollständig aus dem Zusammenhang zu reißen, sie als »Vorhersagen« (was sie ausdrücklich nicht waren) zu deklarieren und dann zu erklären, die Vorhersagen seien nicht eingetroffen.2 Der Trick wurde rasch aufgedeckt, aber Widerlegungen bekommen oft nicht annähernd so viel Aufmerksamkeit wie Anklagen, und bis heute glauben Millionen Menschen, es sei seit langem klar, daß das Buch nicht glaubwürdig sei. In Wahrheit haben sich die Szenarien aus dem Buch ganz gut behauptet. (Kürzlich kam eine Untersuchung der Australian Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization, CSIRO, zu dem Schluß: »[Unsere] Analysen zeigen, daß die Daten aus 30 Jahren ziemlich gut dazu passen, wie [in Die Grenzen des Wachstums] die Weiter-So-Szenarien beschrieben werden …«)3

Grafik 1. Das Szenario »Grenzen des Wachstums«.

Quelle: Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update (2006), S. 260.

Die Autoren fütterten ihre Computer mit Daten zum Bevölkerungswachstum, zu Konsumtrends und den Vorräten an wichtigen Ressourcen, ließen dann die Modellrechnungen laufen und folgerten am Schluß, das Ende des Wachstums werde irgendwann zwischen 2010 und 2050 erreicht sein. Von da an werde die Industrie- und Nahrungsmittelproduktion sinken und die Bevölkerungszahl zurückgehen.

Das Szenario aus Die Grenzen des Wachstums wurde in den Jahren nach der Veröffentlichung des Buchs wiederholt durchgespielt, mit immer raffinierterer Software und aktualisierten Daten. Die Ergebnisse waren jedesmal ähnlich.4

Warum ist Wachstum so wichtig?

In den letzten beiden Jahrhunderten entwickelte sich das Wirtschaftswachstum zum praktisch einzigen Index für das Wohlergehen eines Landes. Wenn die Wirtschaft wuchs, entstanden neue Jobs, und Investitionen brachten hohe Renditen. Wenn die Wirtschaft vorübergehend nicht wuchs, wie während der Weltwirtschaftskrise, führte das zu einem finanziellen Aderlaß.

In diesem Zeitraum nahm die Weltbevölkerung zu – von unter zwei Milliarden Menschen im Jahr 1900 auf über sieben Milliarden heute, jedes Jahr kommen rund 70 Millionen neue »Konsumenten« hinzu. Deshalb ist künftiges Wirtschaftswachstum noch wichtiger: Wenn die Wirtschaft stagniert, können pro Kopf weniger Güter und Dienstleistungen zirkulieren.

Wir bauen auf Wirtschaftswachstum, wenn es um die »Entwicklung« der ärmsten Volkswirtschaften geht. Ohne Wachstum müssen wir ernsthaft die Möglichkeit in Erwägung ziehen, daß Hunderte Millionen – vielleicht Milliarden – Menschen niemals beim Konsum den Lebensstandard der Menschen in den Industrieländern erreichen werden. Künftig werden sich die Bemühungen, die Lebensqualität in den armen Ländern zu verbessern, viel mehr auf Faktoren wie kulturelle Möglichkeiten, politische Freiheiten und staatsbürgerliche Rechte konzentrieren müssen und weniger auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Überdies haben wir Währungs- und Finanzsysteme geschaffen, die Wachstum erfordern. Solange die Wirtschaft wächst, sind Geld und Kredit verfügbar, die Erwartungen sind hoch, die Menschen kaufen mehr Waren, die Unternehmen leihen sich mehr Geld, und vorhandene Kredite können bedient werden.5 Aber wenn die Wirtschaft nicht wächst, fließt kein neues Geld in das System, und die Zinsen können nicht bezahlt werden. In der Folge gehen Unternehmen reihenweise bankrott, Arbeitsplätze verschwinden, die Einkommen sinken, und die Konsumenten geben weniger Geld aus – was die Unternehmen veranlaßt, weniger Kredite aufzunehmen, wodurch noch weniger Geld in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Diese sich selbst verstärkende negative Feedbackschleife ist schwer zu durchbrechen.

Mit anderen Worten: Unsere Marktwirtschaft kennt keinen »stabilen« oder »neutralen« Zustand, es gibt nur Wachstum oder Schrumpfen. Und »Schrumpfen« ist manchmal nur ein harmloserer Name für Rezession oder Krise – eine lange Phase von Arbeitsplatzverlusten, Zwangsvollstreckungen, Insolvenzen und Bankrotten.

Weil wir mittlerweile so an Wachstum gewöhnt sind, wissen wir kaum noch, daß es sich dabei um ein ziemlich neues Phänomen handelt.

In den letzten Jahrtausenden sind Imperien aufgestiegen und zusammengebrochen, lokal hat die Wirtschaft Fortschritte gemacht oder Rückschritte – während die Weltwirtschaft insgesamt nur langsam expandierte und immer wieder Rückschläge erlitt. Doch dank der durch die fossilen Brennstoffe ausgelösten Revolution in den letzten eineinhalb Jahrhunderten erlebten wir Wirtschaftswachstum in einem Tempo und einer Größenordnung, wie es das in der Geschichte der Menschheit bisher noch nicht gegeben hat.6 Wir nutzten die Energie aus Kohle, Öl und Gas, um Autos, Lastwagen, Autobahnen, Flughäfen, Flugzeuge und Stromnetze zu bauen und zu betreiben – all die Dinge, ohne die eine moderne Industriegesellschaft nicht funktionieren kann. Durch den nicht wiederholbaren Vorgang, die Kraft von Jahrmillionen chemisch gespeichertem Sonnenlicht zu extrahieren und zu verbrennen, errichteten wir eine Maschinerie, die (einen kurzen, strahlenden Augenblick lang) immerwährendes Wachstum zu verheißen schien. Nach und nach hielten wir eine außerordentliche Situation für selbstverständlich. Sie wurde normal für uns.

Doch nun, da die Ära der billigen, reichlich vorhandenen fossilen Brennstoffe zu Ende geht, werden unsere Vorstellungen von permanenter Expansion bis in den Kern erschüttert. Das Ende des Wachstums ist in der Tat ein kritisches Ereignis. Es bedeutet das Ende einer Ära und das Ende der Art und Weise, wie wir bisher unsere Wirtschaft, unsere Politik und unseren Alltag organisiert haben.

Es ist lebenswichtig, daß wir die Bedeutung dieses historischen Augenblicks erkennen und begreifen: Wenn wir wirklich das Ende des Zeitalters der von fossilen Brennstoffen getriebenen Expansion erreicht haben, dann sind alle Bestrebungen der politisch Verantwortlichen, weiter trügerischem Wachstum nachzujagen, nichts anderes als eine Flucht vor der Realität. Wenn die politisch Verantwortlichen weltweit Illusionen über unsere Situation hegen, werden sie den Aufbau der Unterstützungssysteme hinauszögern, die das Leben in einer Wirtschaft ohne Wachstum erträglich machen können, und sie werden ziemlich sicher die erforderlichen grundlegenden Veränderungen in den Bereichen Währung, Finanzen, Nahrungsmittel und im Transportwesen versäumen.

In der Folge könnte aus einem möglicherweise schmerzhaften, aber erträglichen Anpassungsprozeß die größte Tragödie der Menschheitsgeschichte werden. Wir können das Ende des Wachstums überleben und vielleicht auch danach noch prosperieren, aber nur, wenn wir die Realität erkennen und entsprechend handeln.

E.1ABER ERHOLT SICH DIE US-WIRTSCHAFT DENN NICHT?

Von Juli 2009 bis Ende 2010 vermeldete die US-Wirtschaft Zuwächse beim BIP – das heißt Anzeichen von Wachstum. Mitte 2010 lag das nominale BIP wieder über den Werten vor der Rezession und das inflationsbereinigte BIP ziemlich genau auf dem Wert vor der Rezession.7 Dieser Anstieg folgte auf einen Rückgang des BIP von Dezember 2007 bis Juni 2009.8

Doch wie wir in Kapitel 6 sehen werden, ist das BIP ein schlechter Maßstab für die generelle Gesundheit einer Volkswirtschaft. Zwar hat das BIP seine früheren Werte wieder erreicht, doch die US-amerikanische Wirtschaft hat sich fundamental verändert: Die Arbeitslosigkeit ist viel höher, und die Steuereinnahmen der Bundes und der Einzelstaaten sind eingebrochen. Einige Ökonomen definieren diesen Zustand vielleicht technisch als eine in Erholung und Wachstum begriffene Volkswirtschaft, aber eine gesunde Volkswirtschaft ist es gewiß nicht.

Überdies verdankt sich ein Großteil dieses scheinbaren Wachstums den enormen Geldspritzen und Rettungspaketen der Regierung in Washington. Wenn man diese Summen abzieht, bleibt vom Wirtschaftswachstum etwa der letzten zwei Jahre praktisch nichts übrig.

Ausgehend von der historischen Analyse früherer Finanzkrisen kommen die Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff zu dem Schluß, die Wirtschaftskrise des Jahres 2008 werde

»… tiefe und bleibende Auswirkungen auf Vermögenspreise, Produktion und Beschäftigung haben. Die Arbeitslosenzahlen werden über fünf Jahre weiter steigen und die Immobilienpreise über sechs Jahre weiter fallen. Positiv ist zu vermerken, daß Produktionsrückgänge im Durchschnitt nur zwei Jahre anhalten. Selbst Rezessionen, die durch Finanzkrisen verursacht wurden, enden schließlich, allerdings fast immer unweigerlich begleitet von einer massiven Erhöhung der Staatsverschuldung … Die globale Natur der [gegenwärtigen] Krise wird es für viele Länder sehr viel schwieriger machen, sich durch höhere Exporte daraus zu befreien oder die Auswirkungen auf den Konsum durch Kreditaufnahme im Ausland zu mildern. Unter solchen Umständen ist damit zu rechnen, daß es mit der gegenwärtigen Ruhe bei Staatsbankrotten bald vorbei sein wird.«9

Diese Analyse betrachtet jedoch nur die finanziellen Aspekte der Krise und geht nicht auf die grundsätzlicheren Probleme bei Energie, Ressourcen und Umwelt ein. Die 2009 begonnene »Erholung« fand vor dem Hintergrund gesunkener Energiepreise statt, die gegenüber ihrem Höhepunkt Mitte 2008 deutlich zurückgegangen waren. Doch als die Konsumentennachfrage Ende 2010 zaghafte Ansätze einer Wiederbelebung zeigte, kletterten die Ölpreise sofort wieder. Wenn diese »Erholung« weitergeht, werden die Energiepreise noch höher steigen, und die Wirtschaft wird wieder schrumpfen.

Kurz gesagt: Es mag sein, daß die US-Wirtschaft für die Jahre 2009 bis 2010 Wachstum (im technischen Sinn) vermeldet hat, aber sie läuft in einem grundsätzlich anderen Modus als zuvor: Sie ist sehr viel mehr von Ausgaben der Regierung (im Gegensatz zu Ausgaben der Konsumenten) abhängig, und sie ist eine Geisel der Energiepreise.

Grafik 2. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit, 2006–2010. Als die US-Wirtschaft infolge der Finanzkrise 2008 schrumpfte, fiel das Wachstum in den negativen Bereich, und die Arbeitslosenquote stieg steil an.

Quelle: US Bureau of Labor Statistics, US Bureau of Economic Analysis.

Grafik 3. Wirtschaftswachstum, Stimulus- und Rettungspakete. »Rettung und Stimulus« bezieht sich auf das amerikanische TARP-Programm (Troubled Asset Relief Program, Programm zur Stabilisierung des Finanzsektors) und auf den American Recovery and Reinvestment Act (Konjunkturprogramm der Regierung Obama; Anm. d. Übers.) von 2009. Wie die Kurve zeigt, waren diese staatlichen Ausgaben die Hauptquelle für Wirtschaftswachstum seit der Finanzkrise 2008. Was passiert, wenn die Regierung die Banken nicht mehr retten und die Wirtschaft nicht mehr stimulieren kann?

Quelle: US Bureau of Economic Analysis, The Committee for a Responsible Federal Budget.

Aber ist Wachstum nicht normal?

Volkswirtschaften sind Systeme, und als solche gehorchen sie (bis zu einem gewissen Grad) ähnlichen Regeln wie biologische Systeme. Pflanzen und Tiere wachsen schnell, wenn sie jung sind, aber ausgewachsen haben sie eine mehr oder weniger stabile Größe. Bei Organismen wird das Wachstum größtenteils von den Genen kontrolliert, allerdings spielt auch die Verfügbarkeit von Nahrung eine Rolle.

Bei Volkswirtschaften scheint das Wachstum von der Verfügbarkeit von Ressourcen abzuhängen, hauptsächlich Energie (»Nahrung« für die Industrie) und Kredit (»Sauerstoff« für die Wirtschaft) – und darüber hinaus von wirtschaftlicher Planung.

In den letzten 150 Jahren ermöglichten billige und reichlich vorhandene fossile Brennstoffe eine rasche wirtschaftliche Expansion mit einer jährlichen Rate von durchschnittlich 3 Prozent. Die Wirtschaftsplaner nahmen dies bald als selbstverständlich hin. Die Finanzsysteme verinnerlichten die Wachstumserwartung als Versprechen künftiger Renditen aus Investitionen.

Die meisten Organismen hören auf zu wachsen, wenn sie ausgereift sind. Wären Grenzen des Wachstums nicht genetisch programmiert, würden Pflanzen und Tiere an eine Reihe praktischer Hindernisse stoßen: Stellen wir uns zum Beispiel nur vor, welche Probleme ein zwei Pfund schwerer Kolibri hätte. Wenn die Analogie trägt, müssen auch Volkswirtschaften irgendwann zu wachsen aufhören. Da können die Wirtschaftsplaner (das gesellschaftliche Äquivalent zur regulierenden DNA) noch soviel Wachstum verlangen, an einem bestimmten Punkt werden immer mehr »Nahrung« und »Sauerstoff« einfach nicht mehr verfügbar sein. Oder die Abfälle sammeln sich so stark an, daß die biologischen Systeme, die der Wirtschaftstätigkeit zugrunde liegen (wie Wälder, Anbauflächen und die Menschen), erstickt und vergiftet werden.

Doch viele Ökonomen sehen das nicht so, wahrscheinlich deshalb, weil die heute gültigen ökonomischen Theorien in der historischen Ausnahmephase anhaltenden Wachstums formuliert wurden, die nun zu Ende geht. Die Ökonomen verallgemeinern nur ihre Erfahrung: Sie können auf Jahrzehnte stetigen Wachstums in der jüngsten Vergangenheit verweisen und projizieren das in die Zukunft.10 Außerdem haben sie Theorien, die erklären, warum moderne Marktwirtschaften gegen Grenzen, wie sie natürliche Systeme kennen, immun sind: Die beiden wichtigsten Theorien drehen sich um Substitution und Effizienz.

Wenn eine nützliche Ressource knapp wird, steigt ihr Preis, und das schafft einen Anreiz für die Nutzer der Ressource, Ersatz zu suchen. Wenn zum Beispiel der Ölpreis ein bestimmtes Niveau erreicht, kommen die Energieunternehmen vielleicht auf die Idee, flüssige Brennstoffe aus Kohle zu erzeugen. Oder sie werden andere Energiequellen erschließen, von denen wir heute noch nicht einmal träumen. Viele Ökonomen vertreten die Auffassung, daß dieser Substitutionsprozeß immer so weitergehen könne. Er ist Teil der Magie des freien Marktes.

Die Effizienz zu steigern bedeutet, mehr mit weniger Aufwand zu erreichen. In den Vereinigten Staaten ist der Dollarerlös pro verbrauchter Energieeinheit in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen.11 Zum Teil ist die Effizienzsteigerung auf Produktionsverlagerungen in andere Länder zurückzuführen – diese Länder verbrennen dann Kohle, Öl und Gas bei der Herstellung unserer Produkte. (Würden wir unsere Laufschuhe und LCD-Fernseher selbst produzieren, würden wir die Brennstoffe im eigenen Land verbrauchen.)12 Die Ökonomen verweisen noch auf eine andere, verwandte Form der Effizienz, die weniger mit Energie zu tun hat (zumindest im direkten Sinn): die Suche nach den billigsten Quellen für Rohstoffe und den Orten, wo die Arbeitskräfte entweder besonders produktiv sind oder für besonders niedrige Löhne arbeiten. Wenn wir die Effizienz steigern, verbrauchen wir weniger – Energie, Ressourcen, Arbeitskraft oder Geld –, um mehr herzustellen. Und das ermöglicht mehr Wirtschaftswachstum.

Neue Energiequellen zu finden und die Effizienz zu steigern sind unbestritten wirksame Strategien in einer Marktwirtschaft. Trotzdem bleibt die Frage, wie lange diese Strategien in der realen Welt funktionieren können – denn dort herrschen nicht ökonomische Theorien, sondern die Gesetze der Physik. In der realen Welt gibt es für manche Dinge einfach keinen Ersatz, oder der Ersatz ist zu teuer oder nicht so gut oder nicht schnell genug verfügbar. Und für die Effizienz gilt das Gesetz abnehmender Renditen: Die ersten Effizienzgewinne sind in der Regel billig, aber jedes weitere Stück Gewinn kostet mehr, bis irgendwann die Gewinne so teuer werden, daß es sich nicht mehr lohnt.

Letztendlich können wir nicht mehr als 100 Prozent der Produktion auslagern, können wir Waren nicht ohne Energieeinsatz transportieren, und wir können nicht die Arbeitskraft von Menschen in Anspruch nehmen und auf ihre Kaufkraft zählen und ihnen gleichzeitig nichts bezahlen. Anders als den meisten Ökonomen ist den meisten Physikern bewußt, daß Wachstum in einem funktionierenden begrenzten System eines Tages enden muß.

E.2DIE WACHSTUMSZAHLEN FRISIEREN

Sind regierungsamtliche Zahlen genau und verläßlich? Nicht, wenn man dem Betreiber von shadowstats.com, dem Ökonomen John Williams, glaubt. Nach der »ausführlichen Erforschung von Geschichte und Wesen der Erhebung wirtschaftlicher Kennzahlen und vielen Interviews mit maßgeblichen Personen, die von Anfang an bis heute mit amtlichen Statistiken zu tun hatten«, begann Williams seine eigenen Daten zu sammeln und auf seiner Website zu veröffentlichen. In manchen Fällen, so etwa bei der Arbeitslosenstatistik, betont er einfach die Diskrepanz zwischen aktuellen Definitionen und Erhebungsweisen und früheren: Würden die Arbeitslosenzahlen heute genauso erhoben wie in den 1970er Jahren, lägen die aktuellen Zahlen in der Größenordnung von 16 bis 18 Prozent statt bei den offiziell genannten 9 bis 10 Prozent (zum Beispiel werden heute Menschen, die die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben, nicht mehr als »arbeitslos« geführt).

Die Alternativzahlen von Shadowstats bei der Inflation sind immer höher als die von der Regierung genannten Zahlen, während die Wachstumsraten des BIP regelmäßig niedriger sind.

Zu den Zahlen in Grafik 4 schreibt Williams: »Die SGS-Zahlen (SGS – Shadow Government Statistics, auf shadowstats.com; Anm. d.Übers.) beim BIP zeigen die inflationsbereinigte oder reale Veränderung des BIP von Jahr zu Jahr, bereinigt um Verzerrungen der regierungsoffiziellen Inflationsrate und methodische Änderungen, die dazu geführt haben, daß die offiziellen Zahlen zu niedrig sind.«

All das wirft die Frage auf: Wie viel von der wirtschaftlichen Erholung ist in Wahrheit »Schall und Rauch«?

Die einfache Berechnung von exponentiellem Wachstum

Im Grunde ist die Aussage, daß das Wachstum irgendwann enden wird, todsicher richtig: Wenn etwas kontinuierlich um einen bestimmten Prozentsatz pro Jahr wächst, bedeutet dies, daß es alle soundsoviel Jahre seine Größe verdoppeln wird; je höher der Prozentsatz, desto schneller die Verdoppelung. Eine grobe Methode, die Zeit bis zur Verdoppelung abzuschätzen, ist die 70er Regel: Wenn man 70 durch den Prozentsatz des Wachstums teilt, gibt das Ergebnis annähernd an, wie lange es dauert, bis sich die ursprüngliche Menge verdoppelt hat. Wächst eine Menge um 1 Prozent jährlich, verdoppelt sie sich in 70 Jahren, bei 2 Prozent in 35 Jahren, bei 5 Prozent dauert es nur 14 Jahre und so weiter. Genauere Ergebnisse können Sie mit der Potenztaste Ihres Taschenrechners errechnen, aber für die meisten Zwecke genügt die 70er-Regel.

Hier ein Beispiel aus der realen Welt: In den letzten 200 Jahren ist die Erdbevölkerung mit Raten von unter 1 Prozent bis über 2 Prozent jährlich gewachsen. Im Jahr 1800 lebten rund eine Milliarde Menschen auf der Erde, 1930 waren es bereits doppelt so viele. Innerhalb von nur 30 Jahren (bis 1960) verdoppelte sich die Weltbevölkerung erneut auf 4 Milliarden, gegenwärtig sind wir auf dem Weg zur dritten Verdoppelung auf 8 Milliarden, die um das Jahr 2025 erreicht sein dürften. Niemand erwartet ernsthaft, daß die Menschheit über Jahrhunderte so weiterwächst. Aber stellen wir uns einmal vor, es wäre so, und nehmen wir eine Wachstumsrate von 1,3 Prozent jährlich an (das ist die Rate des Jahres 2000). Im Jahr 2780 gäbe es dann 148 Billionen Menschen auf der Erde – ein Mensch pro Quadratmeter Land auf der Oberfläche unseres Planeten.

Grafik 4. Wachstum des US-BIP, offiziell vs. Angaben von Shadowstats, 2000–2010. Die offiziellen Zahlen stammen vom Bureau of Economic Analysis, die alternativen Zahlen von Shadow Government Statistics. Beide Datensätze sind inflationsbereinigt.

Quelle: Shadow Government Statistics, American Business Analytics & Research LLC, shadowstats.com.

Grafik 5. Arbeitslosenquote, offiziell vs. Angaben von Shadowstats, 2000–2010 (saisonbereinigt). Die SGS-Angabe spiegelt die aktuelle Methode der Erhebung der Arbeitslosenzahlen wider, bereinigt um den erheblichen Anteil der »Entmutigten«, die seit 1994 nicht mehr berücksichtigt werden. Die Quote U-6 des Bureau of Labor Statistics schließt sowohl kurzfristig als auch langfristig Entmutigte (weniger bzw. mehr als ein Jahr) ein sowie instabil Beschäftigte. (U-3 ist die offizielle Arbeitslosenquote; Anm. d. Übers.).

Quelle: Shadow Government Statistics, American Business Analytics & Research LLC, shadowstats.com.

Grafik 6. Wachstum der Weltbevölkerung, 1000–2010.

Quelle: Abteilung Bevölkerungsfragen der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten des UN-Sekretariats, »World Population Prospects: The 2008 Revision« (Bevölkerungszahlen für 2009–2010 als Prognose auf der Grundlage der Zahlen von 2008).

Natürlich wird es nicht so kommen.

In der Natur trifft das Wachstum früher oder später immer auf unüberwindliche Hindernisse. Wenn die Nahrungsquellen einer biologischen Art zunehmen, wird die Zahl ihrer Individuen dank der zusätzlichen Kalorien wachsen – aber mehr Mäuler werden die Nahrungsquellen erschöpfen, und auch ihre Feinde werden zahlreicher (weil es mehr leckere Mahlzeiten für sie gibt!). Auf »Blütezeiten« von Populationen (oder Phasen mit raschem Wachstum) folgen fast immer Einbrüche mit hoher Sterblichkeit.13

Und noch ein weiteres Beispiel aus der realen Welt. In den letzten Jahren ist die chinesische Wirtschaft um 8 Prozent jährlich und mehr gewachsen, was bedeutet, daß sie sich ungefähr alle zehn Jahre verdoppelt. China verbraucht heute mehr als doppelt soviel Kohle wie vor zehn Jahren – bei Eisenerz und Erdöl ist es genauso. In China gibt es heute viermal so viele Autobahnen und fast fünfmal so viele Autos. Wie viele Verdoppelungen sind noch möglich, bis China seine Schlüsselressourcen erschöpft hat – oder beschließt, daß es genug ist, und nicht mehr wächst? Man kann die Frage schlecht mit einer bestimmten Zahl beantworten, aber wahrscheinlich wird es keine sehr große Zahl sein.

Diese Diskussion hat sehr reale Implikationen, weil Wirtschaft nicht nur ein abstraktes Konzept ist. Sie bestimmt darüber, ob wir in Luxus oder Armut leben, ob wir zu essen haben oder hungern. Wenn das Wirtschaftswachstum endet, werden alle betroffen sein, und die Gesellschaften werden Jahre brauchen, um sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, ob dieser Augenblick kurz bevorsteht oder noch weit in der Ferne liegt.

Das Peak-Oil-Szenario

Wie bereits erwähnt, lautet die zentrale Aussage dieses Buchs, daß das weltweite Wirtschaftswachstum zu Ende ist, weil drei Faktoren zusammentreffen: die Erschöpfung der Ressourcen, die Belastung der Umwelt und Fehlfunktionen im Finanzwesen und Währungssystem. Doch ein einzelner Faktor könnte eine Schlüsselrolle dabei spielen, das Zeitalter des Wachstums zu beenden. Und dieser Faktor ist das Öl.

Erdöl hat zentrale Bedeutung in der modernen Welt – im Verkehrsund Transportwesen, in der Landwirtschaft, der Chemie und der Materialentwicklung. Die Industrielle Revolution war tatsächlich die Revolution der fossilen Brennstoffe, und das anhaltende Wirtschaftswachstum – einschließlich der Entwicklung der Finanzinstitutionen, die Wachstum fördern, wie etwa das Mindestreservesystem – basiert letztlich auf der immer weiter wachsenden Zufuhr von billiger Energie. Wachstum erfordert mehr Produktion, mehr Handel und mehr Transport, und all das verlangt wiederum mehr Energie. Wenn die Energieversorgung nicht mehr ausgeweitet werden kann und die Energie darum deutlich teurer wird, wird das Wirtschaftswachstum stocken, und die auf die Erwartung ewigen Wachstums gegründeten Finanzstrukturen werden zusammenbrechen.

Bereits im Jahr 2000 diskutierte der Geologe und Erdölexperte Colin Campbell folgendes Peak-Oil-Szenario:14 Um das Jahr 2010 herum wird das Angebot an Öl stagnieren oder sinken, dadurch werden die Preise stark steigen und schwanken, und das wiederum wird einen weltweiten wirtschaftlichen Zusammenbruch herbeiführen. Die wirtschaftliche Krise wird einen scharfen Rückgang der Nachfrage nach Energie bewirken, und die Ölpreise werden fallen. Aber sobald sich die Wirtschaft wieder erholt hat, wird auch die Nachfrage nach Öl wieder wachsen, die Preise werden wieder steigen, und in der Folge wird die Wirtschaft erneut kollabieren. Dieser Kreislauf wird so weitergehen, und dabei wird jede Erholungsphase kürzer und schwächer ausfallen als die letzte und jeder Einbruch tiefer und härter, bis die Wirtschaft in Trümmern liegt. Finanzsysteme, die auf der Annahme von anhaltendem Wachstum gründen, werden kollabieren, und das wird größere soziale Verheerungen anrichten als die Ölpreisspitzen.

Grafik 7. Ölproduktion weltweit.

Quelle: Colin Campbell, persönliche Mitteilung.

Bis es soweit ist, werden nach diesem Szenario die stark schwankenden Ölpreise Investitionen in alternative Energiequellen hemmen: In einem Jahr ist Öl so teuer, daß nahezu jede andere Energiequelle im Vergleich dazu sich billig ausnimmt. Im nächsten Jahr ist der Ölpreis wieder so weit gefallen, daß die Verbraucher zum Öl zurückkehren und Investitionen in andere Energiequellen unsinnig erscheinen. Aber niedrige Ölpreise werden die Suche nach neuen Ölvorkommen bremsen, was zu noch schlimmeren Engpässen führt. Auf jeden Fall werden die Mittel für Investitionen knapp sein, weil die Banken nach dem Zusammenbruch insolvent sind und die Regierungen wegen rückläufiger Steuereinnahmen kein Geld haben. Unterdessen könnte die internationale Konkurrenz um die schwindenden Ölreserven bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Ölimportländern, zwischen Importeuren und Exporteuren und zwischen rivalisierenden Fraktionen innerhalb von Exportländern verursachen.

Unmittelbar nach der Jahrtausendwende verkündeten viele Experten, neue Technologien zur Rohölgewinnung würden es möglich machen, aus jeder Quelle mehr Öl zu fördern, und enorme Vorkommen alternativer Kohlenwasserstoffressourcen (hauptsächlich Teersande und Ölschiefer) könnten erschlossen werden und nahtlos das konventionelle Öl ersetzen, was den unvermeidlichen Peak um Jahrzehnte hinausschieben werde. Außerdem gab es die Stimmen derjenigen, die sagten, der Peak Oil werde kein größeres Problem darstellen, selbst wenn er in absehbarer Zeit kommen sollte, weil der Markt schnell genug andere Energiequellen und Transportmittel finden würde – etwa Flüssigtreibstoffe aus Kohle oder Elektro- und Wasserstoffautos.

Der Gang der Ereignisse seither scheint das Peak-Oil-Szenario zu bestätigen und die Auffassung der Öloptimisten zu widerlegen. Der Ölpreis kletterte stetig weiter – und aus vollkommen nachvollziehbaren Gründen: Immer weniger neue Ölfelder wurden entdeckt, und die Erschließung der meisten neuen Felder war viel schwieriger und teurer als die der früher entdeckten. Mehr und mehr ölproduzierende Länder erlebten, daß ihre Förderquoten einen Höhepunkt überschritten und dann zurückgingen, trotz aller Bemühungen, das Produktionswachstum durch den Einsatz neuer, kostspieliger Fördermethoden wie Einpressen von Wasser, Stickstoff oder Kohlendioxid zu erhalten. Auf den alten, gigantischen Ölfeldern der Erde, die den Löwenanteil der weltweiten Ölfördermenge liefern, beschleunigte sich der Rückgang der Produktion. Gleichzeitig wuchs die Produktion von Flüssigbrennstoffen aus Teersanden nur langsam, und die Ausbeutung von Ölschiefer ist immer noch ein leeres Versprechen für die ferne Zukunft.15

Von der erschreckenden Theorie zur noch erschreckenderen Realität

Im Jahr 2008 wurde das Peak-Oil-Szenario auf einmal sehr real. Die weltweite Ölproduktion stagnierte seit 2005, die Preise waren in die Höhe geschnellt. Im Juli kostete ein Barrel Öl fast 150 Dollar – um die Hälfte mehr (inflationsbereinigt) als beim »Ölpreisschock« in den 1970er Jahren, der die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte. Im Sommer 2008 wankten die PKW- und LKW-Industrie, das internationale Transportwesen, die Landwirtschaft und die Fluggesellschaften.

Aber was dann passierte, fesselte die weltweite Aufmerksamkeit derart, daß die Ölpreise bald vergessen waren: Im September 2008 stand das Weltfinanzsystem vor dem Zusammenbruch. Am meisten diskutiert als Gründe für die plötzliche, massive Krise wurden Immobilienblasen, fehlende Regulierung der Banken und die Schwemme seltsamer Finanzprodukte, die fast niemand mehr richtig verstand. Tatsächlich spielte aber auch der Ölpreis eine wichtige (wenngleich häufig übersehene) Rolle als Auslöser des ökonomischen Kollapses.16

Nach dieser Nahtoderfahrung des globalen Finanzsystems sah es so aus, als würden das ein Jahrzehnt zuvor beschriebene Peak-Oil-Szenario und das Standard-Szenario aus Die Grenzen des Wachstums von 1972 mit geradezu unheimlicher und erschreckender Präzision eintreffen. Der weltweite Handel brach ein. Die größten Automobilproduzenten der Welt rangen ums Überleben. Die US-Flugzeugindustrie war um fast ein Viertel geschrumpft. In armen Ländern überall auf dem Globus brachen Hungerrevolten aus. Kriege im Irak (dem Land mit den zweitgrößten Rohölvorkommen weltweit) und in Afghanistan (dem Standort umstrittener Öl- und Gaspipeline-Projekte) leerten die Kassen der wichtigsten erdölimportierenden Länder der Welt immer weiter.17

Unterdessen bot die anhaltende Debatte, was getan werden könnte, um den weltweiten Klimawandel aufzuhalten, ein Beispiel der politischen Untätigkeit, die die Welt seit den frühen 1970er Jahren auf den Weg ins Verderben gebracht hatte. Inzwischen lag es für die große Mehrheit der Menschen, die mit den wissenschaftlichen Daten vertraut waren, auf der Hand, daß die Welt zwei dringende, unabweisbare Gründe hat, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden: einerseits die drohende Klimakatastrophe, andererseits die schrumpfenden Brennstoffvorräte. Doch bei der großen internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 traten die Prioritäten der meisten vom Erdöl abhängigen Länder klar zutage: Begrenzung von Kohlenstoffemissionen und weniger Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, aber nur, wenn dadurch das Wirtschaftswachstum nicht in Gefahr gerät.

Grafik 8. Weltmarktpreise für Rohöl, 2000–2011.

Quelle: US Energy Information Administration.

Platzende Blasen

Wie wir in den Kapiteln 1 und 2 sehen werden, hatten die Erwartungen, daß das Wachstum anhalten werde, in früheren Jahrzehnten zu einer gewaltigen Verschuldung von Konsumenten und Staaten geführt. Ein immer geringerer Teil von Amerikas Wohlstand kam durch die Erfindung neuer Technologien und die Herstellung von Konsumgütern zustande, ein immer größerer Teil durch den Kauf und Verkauf von Häusern oder durch das Verschieben von Geld von einer Anlage zur nächsten.

Während das neue Jahrhundert heraufdämmerte, taumelte die Weltwirtschaft von Blase zu Blase: von der Blase der asiatischen Volkswirtschaften über die Dotcom-Blase zur Immobilienblase. Kluge Investoren wußten, daß diese Blasen schließlich platzen würden, weil Blasen immer platzen, und die allerklügsten lauerten darauf, früh einzusteigen und schnell genug auszusteigen, um große Gewinne mitzunehmen und dem anschließenden Chaos zu entgehen.

Um 2007/2008 schlossen der Peak Oil und andere Ressourcengrenzen die Zapfhähne des Wachstums, aber die Nöte der Durchschnittsbürger schienen ganz andere Ursachen zu haben: Arbeitsplatzverluste und kollabierende Immobilienpreise.

In den fieberhaften Jahren zwischen 2002 und 2006 verließen sich Millionen Amerikaner auf steigende Immobilienpreise als Einkommensquelle, sie nutzten ihre Häuser gewissermaßen als Geldautomaten (um die damals so oft gebrauchte Formulierung noch einmal zu strapazieren). Solange die Preise weiter kletterten, fühlten Hausbesitzer sich berechtigt, mit geliehenem Geld Küche und Bad zu modernisieren, und die Banken gaben gerne Kredit. Unterdessen fanden die Zauberer an der Wall Street Mittel und Wege, ausfallgefährdete Hypotheken in Scheiben zu schneiden und neu zu verlockenden CDOs (besicherten Schuldverschreibungen) zusammenzusetzen, die sie mit Gewinn an Investoren verkaufen konnten – mit wenig oder ganz ohne Risiko! Schließlich galt als ausgemacht, daß die Immobilienpreise immer weiter steigen würden. Gott schafft nicht mehr Land, lautete die Binsenweisheit.

Kredite und Schulden expandierten in der Euphorie des leichten Geldes. Der sprühende Optimismus brachte mehr Arbeitsplätze in der Bau- und Immobilienbranche und verschleierte, daß in der Produktion kontinuierlich Arbeitsplätze verlorengingen.

Ein paar starrköpfige Finanzexperten beschrieben die Situation mit Begriffen wie »Kartenhaus«, »Pulverfaß« und »Dynamit«. Es fehlte nur der sprichwörtliche Windstoß oder Funke, der die Katastrophe auslösen würde. Der extreme Ölpreisanstieg Mitte 2008 führte dazu.

Tatsächlich wirkte die Immobilienblase selbst nur wie eine lange Zündschnur: Das gesamte Wirtschaftssystem war mittlerweile abhängig von nichteinlösbaren Erwartungen an anhaltendes Wachstum und mußte unweigerlich explodieren. Das Geld war an Kredite geknüpft, und die Kredite waren an Wachstumserwartungen geknüpft. Als das Wachstum 2008 einbrach, setzte eine Kettenreaktion von Insolvenzen und Bankrotten ein: Wir erlebten eine Explosion in Zeitlupe.

Inzwischen haben die Regierungen hart dafür gearbeitet, daß das Wachstum wieder anspringt. In sehr bescheidenem Maße und nur vorübergehend waren die Bemühungen Ende 2009 und 2010 erfolgreich, aber man übersah dabei geflissentlich den grundlegenden Widerspruch im Zentrum unseres gesamten ökonomischen Systems: die Annahme, wir könnten in einer endlichen Welt unendliches Wachstum haben.

Was kommt nach dem Wachstum?

Die Erkenntnis, daß wir den Punkt erreicht haben, an dem das Wachstum nicht weitergehen kann, ist unbestreitbar deprimierend. Aber haben wir diese psychische Hürde erst einmal überwunden, erwarten uns halbwegs gute Nachrichten. Das Ende des Wirtschaftswachstums bedeutet nicht automatisch, daß es keine qualitativen Verbesserungen unseres Lebens mehr geben wird.

Nicht alle Ökonomen sind dem Glauben verfallen, daß das Wachstum für alle Zeit so weitergehen wird. Es gibt ökonomische Denkschulen, die die Grenzen der Natur anerkennen. In politischen Kreisen ignoriert man diese Denkschulen weithin, doch sie haben inzwischen Pläne entwickelt, die sich als hilfreich bei der Anpassung der Gesellschaft erweisen könnten.

Wir können die grundlegenden Faktoren, die bestimmen werden, was nach der Wachstumswirtschaft kommt, identifizieren. Damit Gesellschaften überleben und über lange Zeit gedeihen können, müssen sie mit dem vorhandenen Angebot des Planeten an nachhaltig nutzbaren Ressourcen auskommen. Das bedeutet, selbst wenn wir nicht im Detail wissen, wie eine wünschenswerte Wirtschaft und Lebensweise in der Nach-Wachstums-Ära aussehen werden, wissen wir genug, um ohne Verzug darauf hinarbeiten zu können.

Wir müssen herausfinden, wie das Leben in einer nichtwachsenden Wirtschaft erfüllend, interessant und sicher sein kann. Das Fehlen von Wachstum bedeutet nicht automatisch, daß sich nichts mehr ändern oder verbessern läßt. In einer nichtwachsenden oder im Gleichgewicht befindlichen Wirtschaft kann es immer noch eine kontinuierliche Weiterentwicklung praktischer Fertigkeiten, des künstlerischen Ausdrucks und bestimmter Arten von Technologien geben. Tatsächlich sagen manche Historiker und Sozialwissenschaftler, das Leben in einer Gleichgewichtsökonomie könne besser sein als das Leben in einer rasch wachsenden Wirtschaft: Zwar schafft das Wachstum Chancen für einige Menschen, aber es verstärkt auch die Konkurrenz – es gibt große Gewinner und große Verlierer, und die Qualität der Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft kann dadurch leiden (wie in den meisten boomenden Städten). In einer nichtwachsenden Volkswirtschaft ist es möglich, die positiven Wirkungen zu maximieren und die negativen zu reduzieren, aber das verlangt, daß die richtigen Ziele verfolgt werden: Statt mehr zu wollen, müssen wir Besseres wollen; statt wirtschaftliche Betätigung um ihrer selbst willen zu propagieren, müssen wir die wirtschaftliche Betätigung fördern, die die Lebensqualität erhöht, ohne den Konsum anzuheizen. Ein Weg dahin ist, das Wachstum an sich neu zu erfinden und neu zu definieren.

Der Übergang zu einer Wirtschaft ohne Wachstum (oder einer, in der Wachstum grundsätzlich anders definiert wird) ist unvermeidlich, aber er wird viel besser verlaufen, wenn wir ihn planen, statt daß wir nur mutlos zusehen, wie Institutionen versagen, auf die wir uns seit langem verlassen, und dann versuchen, ohne diese Institutionen eine Überlebensstrategie zu improvisieren.

Wir müssen eine wünschenswerte »neue Normalität« schaffen, die den Einschränkungen Rechnung trägt, die uns die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen auferlegt. An der »alten Normalität« festzuhalten ist keine Alternative; wenn wir nicht neue Ziele finden und unseren Übergang von einer wachstumsbasierten Wirtschaft zu einer gesunden Gleichgewichtsökonomie planen, werden wir mit einer sehr viel weniger wünschenswerten »neuen Normalität« dastehen. Tatsächlich erkennen wir ihre Umrisse bereits in Form anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und immer häufigeren und schlimmeren Umweltkrisen – all das bringt viele Belastungen quer durch die Gesellschaft.

Eine Anleitung für dieses Buch

Am Anfang dieses Buches stand eine plötzliche Erkenntnis am Morgen des 16. September 2008 (dem Tag nach der Pleite von Lehman Brothers). Ich saß in einer Konferenz von rund 40 Leitern und Geldgebern von Nonprofit-Organisationen und hörte zu, wie ein ehemaliger Geschäftsführer von JP Morgan erklärte, was Derivate sind und warum die Finanzwelt sich gerade in diesem Augenblick aufzulösen schien. Einer der Geldgeber nahm einen Anruf auf seinem Handy entgegen, und danach flüsterte er: »Ich habe gerade 40 Millionen Dollar verloren.« Mir ging durch den Kopf: Wir erleben den Anfang vom Ende des Wirtschaftswachstums. Ich wußte, daß das Ende unvermeidlich war, aber nun wirkten Ereignisse in der Finanzwelt mit ökologischen Grenzen zusammen, und das beschleunigte und verstärkte die Entwicklung sehr viel mehr, als irgend jemand vorausgeahnt hätte.

Dieser Gedanke wäre mir nicht gekommen, wenn ich nicht darauf vorbereitet gewesen wäre – weil ich vor Jahrzehnten Die Grenzen des Wachstums gelesen hatte, aber vorbereitet auch durch die allmähliche Erschöpfung der Ressourcen in den Jahren danach. Der Gedanke setzte sich fest, und in den folgenden Monaten drehte und wendete ich ihn und prüfte, ob er vernünftig, verfrüht oder schlichtweg falsch war.

Ich diskutierte darüber mit Ökonomen, Unternehmensberatern, Energieexperten und auf Ressourcen spezialisierten Analysten. Ich las viele Stunden über Wirtschaftsgeschichte und die Ursachen der sich entfaltenden Finanzkatastrophe. Ich sprach mit meinen Kollegen beim Post Carbon Institute und fragte sie: Selbst wenn es stimmt – daß die Welt aus der Möglichkeit weiteren Wachstums »herausgewachsen« ist –, sollte man diese Botschaft dann der Welt verkünden, oder sollte ich lieber weiter über Energie- und Ressourcenthemen schreiben? Mitte 2010 wurde schließlich klar (aus Gründen, auf die ich in Kapitel 7 näher eingehen werde), daß die Geschichte vom Ende des Wachstums erzählt werden mußte.

Die Erkenntnis, daß das Wachstum sein Ende erreicht haben dürfte, wirft viele Fragen auf. Werden die finanziellen Auswirkungen inflationär oder deflationär sein? Werden manche Länder besser damit zurechtkommen als andere, was zu protektionistischen Handelskriegen führen könnte? Wird die »Verschlankung« der Wirtschaft auch zu einer »Verschlankung« der menschlichen Spezies führen? Wie schnell wird das gehen? Wie können wir uns schützen und anpassen?

Das sind nur einige der Themen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden.

Kapitel 1 ist eine kurze Geschichte der Volkswirtschaften und der Wirtschaftswissenschaften. Lesern, die sich in diesen Themen auskennen, mag das sehr verkürzend erscheinen. Das liegt nicht daran, daß mir die Ausbildung als Wirtschaftswissenschaftler oder Historiker fehlt (obwohl das tatsächlich der Fall ist), sondern daß ich hier nur den Kontext skizzieren will. Die weiteren Kapitel setzen ein Grundverständnis voraus, wie und warum Volkswirtschaften auf Wachstum bauen und warum die meisten Theorien des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams ökologische Grenzen ausblenden.

In Kapitel 2 sehen wir, warum Wirtschaftswachstum aus Gründen, die in den Währungs- und Finanzsystemen der Welt verankert sind, ins Straucheln geraten ist. Vor allem werden wir untersuchen, ob es praktische Grenzen der Verschuldung gibt und ob wir sie womöglich erreicht haben. Dieses Kapitel enthält auch eine kurze Geschichte der gegenwärtigen weltweiten Wirtschaftskrise und der Bemühungen von Regierungen und Zentralbanken, das Chaos in den Griff zu bekommen.

In Kapitel 3 untersuchen wir, welche externen Faktoren verhindern, daß die Wirtschaft sich erholen und wieder wachsen kann – dazu zählen unter anderem die Erschöpfung der fossilen Brennstoffe, der Minerale und anderer natürlicher Ressourcen sowie immer schlimmere Naturkatastrophen und industrielle Zusammenbrüche.

Viele Leser werden einwenden, Grenzen bei Energieressourcen und Mineralen könnten durch Effizienz und Substitution überwunden werden, so daß künftiges Wirtschaftswachstum möglich sei. In Kapitel 4 gehen wir auf diese Argumente ein und zeigen, warum die wirtschaftlichen Strategien, mit denen wir im 20. Jahrhundert auf Expansionskurs bleiben konnten, ihre Wirksamkeit verlieren.

Kapitel 5 erforscht, wie sich der Rückgang des weltweiten Wirtschaftswachstums mutmaßlich in der Demographie, bei der internationalen Entwicklung, in Währungskriegen und geopolitischen Rivalitäten manifestieren wird. In diesem Kapitel behandeln wir auch Chinas anhaltend hohe Wachstumsraten und untersuchen ausführlich die Frage: Kann das langfristig so bleiben?

In Kapitel 6 betrachten wir Wege, wie Regierungen und Zentralbanken den unvermeidlichen Übergang von einer wachstumsabhängigen zu einer schrumpfenden oder statischen Wirtschaft erfolgreich bewältigen könnten. Wir beginnen das Kapitel mit der eher krassen Beschreibung eines »Szenarios des Scheiterns«, das wahrscheinlich eintreten wird, wenn die für das globale Währungssystem Verantwortlichen ihren bisherigen Kurs fortsetzen. Nebenbei hören wir von alternativen Währungen, ökologischer Ökonomie und Glücksökonomie.

Schließlich erörtern wir in Kapitel 7, was Einzelne und Gruppen heute tun können, um sich auf die veränderten Bedingungen in der Zukunft vorzubereiten, wie sie die Grundlagen für eine Wirtschaft und Lebensweise ohne Wachstum und ohne Kohlenstoff legen können. Als hoffnungsvolle Zeichen und Ansätze stellen wir Übergangsinitiativen und Common Security Clubs vor.

Ich empfehle, die Kapitel der Reihe nach zu lesen, weil die Argumente in diesem Buch aufeinander aufbauend entwickelt werden.

Die Arbeit an Das Ende des Wachstums hat mich verändert. Obwohl ich gut darauf vorbereitet war, das Projekt in Angriff zu nehmen, nachdem ich die letzten vier Jahrzehnte beobachtet hatte, wie und warum unsere bestehende wachstumsbasierte Wirtschaft nicht nachhaltig ist, fand ich es mehr als ernüchternd, zu Ende zu denken, welche Auswirkungen es hat, wenn weltweit die ökonomische Expansion aufhört. Auch Leser, die sich mit den relevanten Themen wie ökologische Ökonomie gut auskennen, werden wahrscheinlich feststellen, daß dieses Buch ihr seelisches Gleichgewicht in einer Weise erschüttert, die zugleich zutiefst verstörend und erhebend ist – weil es eine ganze Menge Ängste und Zweifel an der Wirtschaft explizit macht, die, wie ich denke, die meisten von uns unbewußt mit sich herumtragen.

E.3DIE GEFAHREN DER VORAUSSAGE

Dieses Buch trifft faktisch eine Voraussage: daß es kein weltweites Wirtschaftswachstum mehr geben wird. Es ist eine vorsichtige Voraussage, weil die Wahrscheinlichkeit einbezogen wird, daß relatives Wachstum weiter möglich ist, das heißt eine temporäre Expansion in einigen Volkswirtschaften und gelegentliche partielle Aufschwünge in anderen. Doch vorsichtig oder nicht, Voraussagen sind immer gefährlich, beim Wetter ebenso wie beim Pferderennen und ganz gewiß in der Wirtschaft.18

Manche werden sagen, entscheidend für eine Voraussage sei das Timing.19 Wenn eine Voraussage ein paar Jahre (oder bei manchen wissenschaftlichen Experimenten nur ein paar Millisekunden) zu spät kommt, geht sie daneben. Paul Ehrlich scheiterte spektakulär, als er 1980 mit Julian Simon wettete, die Preise von fünf Metallen würden in den nächsten zehn Jahren ansteigen. Eigentlich lag Ehrlich nur mit seinem Timing falsch: Wie wir gesehen haben, klettern seit 2000 die meisten Rohstoffpreise. Aber weil er den Anstieg der Rohstoffpreise zu früh verkündete, verlor er 10 000 Dollar und lieferte all jenen, die optimistisch sind, was die Rohstoffversorgung betrifft, eine endlos wiederholbare Anekdote.

Andere werden vielleicht sagen, in Situationen, bei denen die Vorhersage eine ernste Warnung beinhaltet, sei es oftmals wichtiger, daß die Warnung richtig ist, als daß sie zur richtigen Zeit kommt. Nehmen wir an, das Nationale Hurrikan-Vorhersagezentrum kündigt an, gegen 17 Uhr werde Miami von einem Hurrikan getroffen. Doch über dem Wasser verliert der Hurrikan an Geschwindigkeit, er trifft Miami erst um 23 Uhr und richtet dennoch erhebliche Zerstörungen an. Wichtig ist, daß die Menschen gewarnt waren und sich in Sicherheit bringen konnten. Daß nicht der genaue Zeitpunkt vorausgesagt wurde, ist demgegenüber nicht so wichtig – der Hurrikan ist deshalb nicht verschwunden.

Das Ende des Wachstums ist ein Prozeß, und zwar, wie ich hoffentlich deutlich machen konnte, ein unausweichlicher. Der Crash des Jahres 2008 war zweifellos ein Schlüsselmoment in diesem Prozeß, aber der Übergang von Wirtschaftswachstum zu wirtschaftlicher Schrumpfung wird sich noch über Jahre hinziehen. Phasen von relativem Wachstum werden es schwierig erscheinen lassen, unterdessen die in dem Titel dieses Buchs enthaltene Voraussage zu bestätigen oder zu widerlegen. Doch das wahre Anliegen dieses Buchs ist nicht, Punkte für die korrekte Vorhersage eines Ereignisses zu sammeln, das auf jeden Fall eintreten wird (ob in diesem Jahr oder erst in zehn Jahren), sondern die Leser und die Gesellschaft insgesamt zu warnen, damit wir uns erfolgreich anpassen und die Schäden möglichst gering halten können.

KAPITEL 1DAS GROSSE BALLONRENNEN

»Wenige Ökonomen sahen unsere gegenwärtige Krise kommen, aber das Versagen bei der Vorhersage war das geringste Problem der Zunft. Viel schwerer wog ihre Blindheit für die Möglichkeit, daß es katastrophales Versagen in einer Marktwirtschaft geben kann.«

Paul Krugman (Wirtschaftswissenschaftler)

Die verbreitete Auffassung vom Zustand der Wirtschaft – daß die im Jahr 2008 ausgebrochene Finanzkrise durch faule Hypotheken verursacht wurde und daß letzten Endes, wenn die Scharten ausgewetzt sein werden, das Land wieder weitermachen kann wie vorher – ist auf tragische Weise falsch. In Wirklichkeit ist unsere Lage sehr viel beunruhigender, liegen die Wurzeln unserer Probleme sehr viel tiefer, und eine adäquate Reaktion wird uns viel mehr abverlangen, als nur abzuwarten, bis der Konjunkturzyklus wieder bei »Wachstum« ankommt. Tatsächlich steht unser Wirtschaftssystem vor einer dramatischen und faktisch auf Dauer angelegten Rückführung auf ein viel niedrigeres Funktionsniveau. Unsere gesamte Zivilisation wird »heruntergefahren«.

Warum haben die meisten klugen Köpfe diese Entwicklung verschlafen? Teils weil sie sich auf Wirtschaftsexperten mit Tunnelblick verlassen, der ihnen die Sicht auf die physischen Grenzen des Planeten Erde versperrt – den Kontext, in dem die Volkswirtschaften funktionieren.

In diesem Kapitel werden wir zum einen skizzieren, wie Volkswirtschaften und wirtschaftswissenschaftliche Theorien sich von der Antike bis heute entwickelt haben, zum anderen, wie und warum einige moderne Industriestaaten – allen voran die USA – heute Kasinos ähneln und ein erheblicher Teil der wirtschaftlichen Aktivität die Form spekulativer Wetten auf Anstieg und Fall der Preise einer ganzen Reihe realer oder virtueller Vermögenswerte annimmt. Und wir werden sehen, warum all diese Entwicklungen uns in die Sackgasse geführt haben, in der wir heute stecken.

Um eine möglichst breite Perspektive zu eröffnen, beginnen wir unsere Geschichte ganz am Anfang.

Wirtschaftsgeschichte in zehn Minuten

Mehr als 95 Prozent unserer Geschichte lebten wir Menschen als Jäger und Sammler in Schenkökonomien, wie die Anthropologen sie nennen.1 Die Menschen hatten kein Geld, und zwischen den Angehörigen einer Gruppe gab es weder Tausch noch Handel. Handel fand statt, aber nur zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen.