Das Enneagramm im Konfliktmanagement - Heiko Hansen - E-Book

Das Enneagramm im Konfliktmanagement E-Book

Heiko Hansen

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Beschreibung

Konflikte gehören zum alltäglichen Berufs- und Privatleben. Doch: Sie sind belastend, rauben Energie und kosten Kraft. Oft wissen wir selbst nicht genau, aus welchen Gründen wir auf eine bestimmte Weise so und nicht anders reagieren. Unsere Charaktere und Erfahrungen steuern direkt unser Agieren in Konflikten. In diesem Praxisbuch beleuchtet Heiko Hansen die Charakterseiten von Konflikten und Konfliktpersönlichkeiten, auch unter neurobiologischen Aspekten. Abschließend zeigt er fünf effektive Schritte vom Konflikt zur Lösung auf.

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Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern,

als ihr treu zu bleiben.

Friedrich Hebbel

Der Mensch ist dem Wesen sein Schicksal.

Heraklit

Inhaltsverzeichnis

Das gallische Dorf der Herren Asterix und Obelix

Moderne Römer

Hinkelsteine

Fliegende Fische

Keine Zeit! Oder doch?

Ein Charakter wird geboren

Das Spiel beginnt

Emotionen

Spiegelneuronen, die Imitatoren

Der Mangel

Nimm es nicht persönlich, aber…

MOTIVationen und STANDpunkte

Übersichtstabelle der Enneagrammenergien / Basismotivationen

Ich will. Ich kann. Ich darf.

Drei Korrekturstrategien in kritischen Situationen

Neun streitbare Charaktere

Bedürfniswelten und weitere Einflussfaktoren

Das Konflikttraining in der Kindheit

“Die zwölf Apostel“ eines Konfliktcharakters

Konfliktverhalten der Herzcharaktere

Charakter 2: Der Helfer

Charakter 3: Der Macher

Charakter 4: Der Individualist

Konfliktverhalten der Kopfcharaktere

Charakter 5: Der Beobachter

Charakter 6: Der Skeptiker

Charakter 7: Der Optimist

Konfliktverhalten der Bauchcharaktere

Charakter 1: Der Perfektionist

Charakter 8: Der Kämpfer

Charakter 9: Der Friedliche

Typische Sätze der Charaktere

Das gallische Dorf und meine Familie

Innere Meisterschaft

5 Schritte vom Konflikt zur Vereinbarung

Schritt 1 – Die Einladung & Treffpunkt

Schritt 2 – Der Kodex

Schritt 3 – Dampf ablassen

Schritt 4 – Motive und Hintergründe

Schritt 5 – Lösungsoptionen und Vereinbarung

Selbstreflexion

Beziehungskonto

Aktives Zuhören

Literatur und Bildquellen

Das gallische Dorf der Herren Asterix und Obelix

Im gallischen Dorf von Asterix und Obelix wird sehr gerne gestritten1. Sei es um stinkende Fische, sei es mit Römern, die einen dauernd erobern wollen und dafür ordentlich Hiebe aushalten müssen oder sei es, dass der schlecht singende Troubadour regelmäßig beim abschließenden Fest mit verbundenem Mund an einen Baum gebunden wird, damit er mit seinem „Geplärre“ niemandem stört. Aber, ein Zaubertrank hilft bei Problemen. Zur richtigen Zeit eingenommen, verleiht es Flügel und unbändige Kräfte. Jedes Römerproblem wird wie im Nu aus dem Weg räumt. Viele Menschen wünschen sich im Streitfall einen solchen Drink. Ein Zaubermittel für Streitfälle. Konflikte lösen sich im Guten auf und alles ist so, wie es sich die Medianten wünschen. Gibt es ein solches Zaubermittel? Was könnte es genau im Alltag sein und wie kann man es zuverlässig in die Familie oder in Organisationen installieren? Aus welchen Bestandteilen würde Miraculix es brauen?2

Und, wie sieht es in Ihrem persönlichen Gallier-Dorf aus? Woraus besteht Ihr Zaubertrank? Welche Situationen und Personen sind Ihre Römer, die Sie umzingeln? Was hat Sie in Ihrem Konfliktverhalten geprägt? Auf welche Reize und Werte reagieren Sie allergisch oder enttäuscht? Streiten Sie überhaupt gerne? Na? Ja oder doch! Inklusive der kämpferischen „Du bist Schuld“-Variante? Oder, lieber so? „Neeee, ich mag keine Konflikte sondern lieber harmonisch und beschwichtige auch mit einer „Notlüge.“ Oder, schweigen Sie lieber: „Nö, nun sage ich nichts mehr. Ist mir zu dumm“ bzw. ein elegantes „Du verstehst mich nicht!“ Wenn Sie noch Luft haben, dann schmeißen Sie noch ein „Das hast Du auch noch nie getan!“ hinterher. Damit ist der Kriegsspeer römisch gekonnt in den Boden gerammt. Welche Streitvariante bevorzugen Sie? Eine Kombination? Welche Gewohnheiten haben sich stabil als Muster gebildet?

Wie oft haben Sie die Appelle vernommen oder ausgesprochen: „Lass uns den Konflikt in ruhig, sachlich und ehrlich klären.“ Und wie ist es wirklich gelungen? Warum gelingt es eigentlich so selten? Unsere archaischen Hirnprozesse führen in Konflikten den Prozess. Das Bewusstsein agiert nur mit einem kleinen Anteil. Es ist energetisch zu aufwendig. Jeder Konfliktfall wird als Überlebenssituation interpretiert und nicht als Forschungslabor, um Erkenntnisse zu gewinnen. Emotionen, charakterliche Eigenheiten und Prägungen, Gewohnheiten oder emotionale Muster führen in erster Linie einen Konflikt, nicht das Sachthema an sich. Das ist effizienter und fördert eine schnelle Entscheidung der Situation: es gibt einen Sieger und logischerweise einen Verlierer. Die Sache, um die es scheinbar geht, ist nur das Theaterstück für mehr oder weniger unbewusste Bedürfnisse, Kräftemessen und erlernte Muster.

Die Art und Weise der Auseinandersetzung ist das Entscheidende und das wirklich Trennende. Mein Charakter in seiner Gesamtheit führt den Konflikt. Das Sachthema ist „nur“ ein Auslösereiz. Es offeriert den Inhalt, aber nicht den Prozess des Konfliktes. Im Charakter zeigt sich die berühmte „Schublade“, die wir anlegen, um uns schnell zu orientieren, um auf Ereignisse möglichst schnell zu reagieren und mit gesichertem Handlungsprogramm agieren zu können. Genau das sichert mein Überleben, insbesondere in einem zwischenmenschlichen Streit. Sie denken nicht? Beobachten Sie einen Streit von mehreren Personen, z.B. in einem Meeting oder in der Familie, am besten bei einer Familienfeier. Nehmen Sie unterschiedliche Arten der Reaktionen und Aktionen, der differenten Emotionen wahr. Sie sehen unterschiedliche Mimiken und Körpersprachen, unterschiedliche Distanzen, Sie hören emotionale Worte, riechen u.U. „dicke Luft“, hören um welches Thema es geht, hören Interpretationen statt Fakten. Vielleicht denken Sie: „Worüber streiten die sich wirklich? Warum eskalieren oft genug ausgelöst durch kleinste, missverständliche Aussagen? Durch die Sache, Positionen bzw. den Inhalt? Oder durch die unterschiedlichen Charaktere und Emotionen? Wie müssten die Charaktere sein und was müssten sie können, damit es nicht eskaliert?

In der Motivationspsychologie werden Gewohnheiten als „habituellen Motivationen“ bezeichnet. Sie sichern einen gewohnten Ablauf unseres Alltags. Sonst stünden wir vor dem Problem, Vieles wieder neu lernen oder absprechen zu müssen, was schon geklärt wurde. Kommt es zu solchen unzuverlässigen Prozessen, empfinden wir es schnell als chaotisch. Zudem wäre ein Mensch für uns nicht mehr einschätzbar. Mögen Sie das? Nicht einschätzbaren Charakteren gehen wir gern aus dem Weg - nicht ohne Grund. Sie hinterlassen Unsicherheiten und wir wittern eine mögliche Gefahr. Das Vertrauen ist beeinträchtigt.

Erstaunlich ist es, wie schnell ein Streit in unserem Alltag um „stinkende Fische“ entfacht wird. Und dass in unserer scheinbar so zivilisierten Welt. In der Art und in dieser Dimension Konflikte zu regeln, dürfte es eigentlich nicht mehr auftauchen. Auf einer Familienfeier eben noch bei Kaffee und Kuchen, dann plötzlich Augenzeuge von Wut, Tränen und Vorhaltungen. Unsere schöne heile Welt hat eine kurze Sendepause. Das Archaische ist zurückgekehrt. Mit höherem Herzschlag bekommt man irgendwie noch den Rest Kuchen vom Teller in seinen Magen. Zumindest war die Feier nicht langweilig. Viel Aufregung um den Baum der strittigen Erkenntnisse und Früchte. Wer beißt zuerst den biblischen Apfel? Wieder Zuhause erfahren wir von den neuesten Kriegsaktionen, Randalen in englischen Städten aus Unzufriedenheit und Ängsten, Bankern, die vor Gier ihre Verluste lieber von der Gesellschaft finanzieren lassen, Hooligans sorgen besonders in Europa bei Fußballspeilen für eine spezielle Nachspielzeit, RTL II-Sendungen versorgen uns täglich mit schrägen Soap Operas und Talk-Shows. Wer seinen Feierabend genießen möchte, sollte mit der Lieblingsmannschaft seines Partners jubeln, leiden und wissend über den Schiedsrichter schimpfen, der sich gerade verzweifelt versucht, seine Wahrnehmungen zu entschlüsseln und die richtigen Entscheidungen zu fällen, sonst kocht das Stadion der Zivilisierten, oder Sie lesen besser und in Ruhe ein Buch. Zumindest alles bequemer und im Sessel sitzend. Kein Wunder, dass das Paradies ins Jenseits verlegt wurde. Schon unsere Vorfahren hatten verstanden: Im Hier und Jetzt des irdischen Daseins wird es dauerhaft nicht konfliktfrei zugehen. Wenn auf etwas Verlass ist, dann darauf. Ohne Emotionen und Reize wären das Familien-Leben und der TV-Abend auch nur halb so farbig.

Typische Streitmuster und -kulturen bilden sich bereits in der frühen Kindheit des kleinen „Raubtieres Mensch“ stabil heraus. Eine Mischung aus Genetik, Emotionen, Bewertungen, Willen, Erziehungsprogrammen und stetig wiederholende Trainingsprogrammen - genau so, wie wir es von unseren Eltern als unsere ersten Streittrainer und Konfliktpartner gelernt haben. Das Weitere lernte sich im Kindergarten, in der Schule, im Sportverein und in anderen institutionalisierten pädagogischen Aufbau- und Regulationsprogrammen. Das Ziel des Trainingsprogramms ist einfach, banal und sehr natürlich. Das Motto heißt: „Sich durchzusetzen. Siegen lernen. So oder so.“ Jeden Tag galt es als Kind seine Bedürfnisse zu promoten und Eltern herauszufordern. Mal sehen, welche Deals heute möglich sind. Und als Sparringspartner dienen Eltern, die sich immer gezwungen sehen, die gewerkschaftlich anmutenden Forderungen ihrer kleinen Racker gegen zu regulieren und kulturell zu normieren. Manchmal sind gleich mehrere von dieser Art zu erziehen. Spätestens, wenn Ihnen ein „Krass, Alder“ entgegen fliegt, wissen Sie akustisch gut hörbar, das Wortwerk stammt3 vermutlich nicht aus unseren familiären Wörterbuch. Da haben noch andere mitgespielt.

Es ist wie es ist. Leben heißt auch streiten, sich wahrzunehmen, sich zu wehren, um Positionen und Überzeugungen zu kämpfen. Manchmal um das nackte Überleben. Mit jedem Konflikt trainieren wir unsere Kraft und Strategien zum Regeln unserer Bedürfnisse. Wir trainieren unser Durchsetzungsvermögen und unsere Schutzmechanismen, damit wir ÜBERLEBEN können. Wir sind gut gerüstet4. Und nur darum geht es. Ganz archaisch trotz aller zivilisierten Lebens- und Erziehungsversuche im 21. Jahrhundert. Wozu führen wir sonst so viele Kriege? Halt! Ich meine auch in Ihrer Familie, mit Ihren Nachbarn, mit Ihren Kollegen, in Ihrer Firma, Fußballfans untereinander und andere Gruppenfanatismen. Ich meine auch gewalttätige Randalen und Plünderungen wie z.B. 2011 in London und anderen englischen Städten. Oder aktuelle staatlich organisierte Verteilungskriege, wobei es nur nicht nur um Demokratisierung geht. Es geschieht überall, jeden Tag, manchmal nur eine Gasse weiter.

Moderne Römer

Wie erklärt sich z.B. in der heutigen Zeit das Phänomen der Hooligans? Menschen, die in unserer regulierten, zivilisierten Welt besuchte Orte des sportlichen Messens aufsuchen, um Ihre Minderwertigkeitskomplexe und innere Unzufriedenheit ganz archaisch zu kompensieren versuchen. Langeweile? Druckabbau? Emotionen spüren?

Sie sagen, das geht nicht! Da mögen Sie Recht haben, aber so läuft das Spiel jeden Tag, auch in gut gedressten Wirtschaftsunternehmen, auch in sozialen Organisationen und anderen menschlichen Begebenheiten. Nur subtiler. Die Nettigkeiten reichen von gierigem Betrug, kleine Böswilligkeiten bis zu Mobbing über Bossing zu Burnout. Das Archaische im Menschen ist in Vielem. Immer und überall. Das Gute wie das Böse. Unser Gehirn mag Entscheidungen dieser Art.

Big Nature is in you

Prof. Philip Zimbardo führte 1971 das sogenannte „Standford Prison Experiment“ in der Stanford University durch: „Studenten spielen in einem „Gefängnis“ „Wärter“ und „Häftlinge“. Nach sechs Tagen bricht man die Studie ab, weil die „Wärter“ zu Sadisten wurden. Zimbardo folgert daraus, dass „toxische Situationen“ aus völlig harmlosen Menschen Bestien machen. Guantanamo und Abu Ghraib bestätigen Zimbardos Erkenntnisse auf traurige Weise.“5 Man geht heute davon aus, dass ca. 75-80% aller Menschen die Rolle der sadistischen Wärter einnehmen können.

Auch das Stan Milgram Experiment wurde durch die Jahrzehnte vielfach in mehreren Ländern wiederholt und bestätigt. Zuletzt sorgte eine französische Fernsehshow mit der Wiederholung des Experiments für Aufsehen. Adäquat die gleichen Ergebnisse. Siehe da, der Mensch hat nichts dazu gelernt. Im Milgram Experiment werden falsche Antworten eines Probanden (1) mit immer stärkeren Stromschlägen bestraft. Es heißt: „Lernst du nicht, bestrafen wir dich.“ Ein anderer Proband (2) aus dem Volke stellt Fragen und verteilte per Kopfdruck den Stromschlag, wenn die Antwort von Proband 1 falsch ist. Die Stromstärke nimmt mit jeder falschen Antwort zu. Bis zur tödlichen Portion von 450 Volt. Proband (1) ist in Wirklichkeit ein Schauspieler und es gibt auch keine echten Stromschläge. Das Flehen und Jammern ist gespielt. Das weiß Proband (2) aber nicht. Für ihn ist es todernst. Es ist sein Dienst für die Wissenschaft. So sagte es ihm der seriöse Psychologe im weißen Kittel einer namhaften Universität. Er dürfe nicht aufhören, sonst sei das Experiment nicht aussagefähig. Das Gewissen und die Selbstverantwortung des Probanden (2) wurden durch Abgabe der hierarchischen Verantwortung und im Sinne einer höheren Erkenntnis erleichtert. Ziemlich vergleichbar mit der Nazi-Zeit und anderen Diktaturen. Nicht nur staatlich, auch familiär oder in Unternehmen zu beobachten.

Zimbardo und Milgram kannten sich aus ihrer Schulzeit. Zimbardo berichtet in einem Interview6, wie Milgram und er kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges diskutierten, ob dies (Naziherrschaft) auch in den USA möglich sei. Zimbardo sagte, niemals. Milgram sagte, wer weiß. Das hätten die KZ-Wärter vor ihren Missetaten auch gesagt. Beide Experimente belegen eindeutig, dass es jederzeit in jeder Gesellschaft herstellbar und wiederholbar ist. Wie sagte Karl Marx sinngemäß: Das erste Mal ist es eine historische Tragödie, die Wiederholung immer eine Farce. Und genau so wirken Konflikte auf Menschen und ihr Umfeld. Als hätte man nichts gelernt. Und es verdeutlicht, wie stark genetische, emotionale und stark geprägte Muster und Gewohnheiten sind, wie sehr der Mensch in seiner natürlichen Haut steckt inkl. Hack- und Rangordnungen. Warum steht Konfliktmanagement nicht regulär auf dem Schulplan?

Nun sind dies ein paar Extrembeispiele des Rudeltieres Mensch, die sich bis zu einer gewissen Stufe im Alltag wiederfinden. Und wenn man es nur in Gedanken abspielt („Manchmal mal könnte ich ihn oder würde ich am liebsten…“). Gott sei Dank sind die meisten von uns in ihrer Impulskontrolle inklusive dem Regulator Schamgefühl und dem Bedenken der möglichen Konsequenzen gut trainiert. Was für ein Glück. Bis…

Trotzdem sind Aktionen „Bis auf Messers Schneide“ alltäglich. Gut sichtbar für alle im Sport und anderen Stadien des Lebens wie Familie, Beruf, wenn Menschen „auf einer anderen Welle der Überzeugungen und Charaktere surfen.“ Man passt halt charakterlich nicht zusammen. Man ist entschieden zu verschieden. Zu Deutsch: Man hat sich entschieden, verschieden zu sein. Dadurch haben wir auch überlebt. Konflikte sind gewöhnlich, aber nicht ungewöhnlich. Hauptsache, Sie nehmen es nicht persönlich.

Es scheint, die Natur im Menschen legt einen stärken Wert auf effektive Überlebensstrategien als auf einen zivilisierten Kodex, welcher im Ernstfall oft genug über Bord geworfen wird. Wir sind „moderne Römer“ geblieben – in allen Kontexten, Kulturen und Orten. Das A bis Z des Alltags – von archaisch bis zivilisiert. Konflikte zerren an den Nerven, sind emotional. Das macht die Situation komplex, kaum überschaubar und oft kaum steuerbar, wenn ein bestimmter Level erreicht ist. Oft können die Beteiligten sich kaum daran erinnern, wie es mal angefangen hat. Und wer angefangen hat. „Wie war das noch?“

Konflikte können sehr effektiv sein: sie wollen Fehlerhaftes aufzeigen, damit die Chance zum Besseren besteht. Sie wollen mich stark machen, damit ich nach dem Sieg noch mehr an mich glaube7. Oder sie verdecken, um vom wirklich Wichtigen abzulenken, von etwas das nicht an die Oberfläche kommen darf und soll. Das Tor zum Eigentlichen soll verschlossen bleiben, wenn nicht gar unentdeckt bleiben. Die berühmten sieben Schlüssel. Manchmal ist der siebte Sinn bei der Entschlüsselung von Streitmotiven recht hilfreich.

Was tun?

Es hilft nichts, man muss sich weiter bemühen, Motive mit kriminalistischem Gespür eines Inspector Columbo entdecken und sich in der Technik der Mediation trainieren. Die Chance und der Zaubertrank liegen in der AkzeptanZ der aktuellen Situation, im gegenseitigen Verstehen. Von A - Z nachfragen statt nur zu interpretieren. Sich für die Motive interessieren statt weghören. Beurteilen Sie auf der Basis von Wissen statt zu interpretieren. Die Frage: „Worum geht es wirklich8?“ ist das Rezept.

Das Konfliktmanagement sollte mit diesem Wissen verbunden sein und die innere Erlaubnis zur Lösung beinhalten. Die Mutigen, die Neugierigen und die Selbstsicheren klären Konflikte im Gespräch, die Anderen im Streit. Ob im Gespräch oder im Streit, in beiden agieren die unterschiedlichsten Temperamente (Charaktere) und Temperaturen – von kalt bis heiß! Mit dem charakterorientierten Ansatz liegt zugleich eine große Chance, Konflikte auf kleiner Flamme zu halten. Wie heiß die Temperatur werden kann, können Sie bei Prof. Glasl (UNI München) und der Theorie der neun Eskalationsstufen nachlesen. Wie Temperamente einen Konflikt mit neun unterschiedlichen Charakteren, geboren aus drei Basismotivationen und drei Erziehungsstrategien (zugleich Konfliktstrategien – übertreiben, blockieren, ausweichen), führen, darüber handelt dieses Buch. Es sind die unterschiedlich geprägten Charaktere, die einen Konflikt managen und führen.

Hinkelsteine

Jeder Konflikt hat sein bestimmtes Muster. Oft eine interessante Kopie Ihres eigenen Charaktermusters, wie ein Fingerabdruck. Bestehend aus typischen Strategien bis Sie neue effektivere, vielleicht energiesparendere Strategien gelernt haben. Die Muster (Gewohnheiten) helfen uns, sehr schnell auf unsere „Erfolgs- und Handlungsrepertoires“ zurückgreifen zu können. Wer lange überlegt, verliert. Wer nicht überlegt, garantiert. Irgendwann.

Ab und zu nehmen wir wahr, wie Mitmenschen „aus der Haut fahren“. Sinnbildlich wurde die charakterlich emotionale Grenze des Betreffenden überschritten. Unsere Haut ist elastisch, aber dann gibt es Geschehnisse, die unsere Haut und unsere Nerven arg strapazieren. Der individuelle Emotionscocktail ist auf dem Siedepunkt. Es droht Explosionsgefahr. Auch die letzten Drohungen und Hinweise wurden vom anderen ignoriert. Vielleicht mit mimischen oder verbalen Provokationen. Jeder von uns steckt in seiner Haut, die übrigens ein sehr wichtiges Überlebensorgan (u.a. Atmung, Schutz, Stabilisator) ist. Jeder von uns hat seine eigene Elastizität, seine speziellen Grenzen, seine sichtbaren und verdeckten Narben und wunden Punkte. Generell sind wir in unserer Haut (Charakter) bereit, uns möglichst gut an unsere Umgebung anzupassen und unsere Kraft für wirkungsvolle Handlungen zu sparen. Aber, wenn der Moment erreicht ist, die Bedrohung akut ist, dann fliegen u.U. die Hinkelsteine des Herrn Obelix.

Der Nutzen, sich gut zu kennen, sich in Konflikten energiesparend behaupten zu können, ist schnell nachvollziehbar, wenn Sie nicht wie Obelix permanent einen Hinkelstein mit sich herum tragen wollen, wie so manche es gerne tun. Manche jammern, man hätte ihnen diesen Hinkelstein doch in die Hand gedrückt. Manche dominanten Charaktere sind auf eine Provokationen hereingefallen: „Wetten Du kannst keinen Hinkelstein tragen!“ Oder lassen die Hinkelsteine gerne fliegen! „Treffer, den wunden Punkt getroffen!!!“ Manch andere lassen ihre Hinkelsteine sehr gerne liegen und fassen nie ein Problem an. „Ich sehe hier keine Hinkelsteine. Die Welt ist so schön, warum sich belasten?“ Tja, aber Hinkelsteine gibt es überall. Und? Welchen Hinkelstein tragen Sie mit sich herum? Was steht auf dem Hinkelstein geschrieben9? Welche lassen Sie gerne liegen?

Fliegende Fische

„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, eine bekannte Lebensweisheit. Wie im Asterix Dorf, wenn sich Verleihnix (Fischhändler) und Automatix (Schmied) als Nachbarn in die Haare kriegen und buchstäblich nach einer kleinen Provokation von Automatix die „stinkenden alten Fische“ fliegen. Das Schöne, die beiden könnten nicht ohne einander und sich zu streiten. Und wie in jedem Streit: Es gehören immer zwei dazu. Und irgendwie müssen die beiden in einer Zeit ohne TV-Programme und ballernden PC-Spiele den Tag ja herumbekommen. „So ein Gewitter reinigt die Luft!“, pflegte mein Großvater zu sagen. Was wäre das Leben ohne wissende Großeltern.

Manche bezeichnen die Friedenszeit als die Zeit zwischen zwei Kriegen. In der heutigen Ära der Glückssuche10 müsste man es positiv umformulieren. Der Krieg liegt zwischen zwei Friedenszeiten. Ich gehe jede Wette ein, Menschen finden (immer) einen Weg, sich wegen Werten (Überzeugungen) und die richtigere Formulierung in die Haare zu kriegen und die (stinkenden) Fische fliegen zu lassen. Anstatt zu erkennen: Dieser Coin hat beide Prägungen und die Fragestellung ist vielleicht eine andere, z.B. wie können wir die Friedenszeiten verlängern und die Kriegszeiten verkürzen und möglichst schadensreduziert gestalten. Schon verändert sich der Fokus in eine andere (richtigen) Richtung. Und genau hierin liegt die Chance. Jeden Tag. Es sind die Fragen, denen wir uns stellen dürfen.

Keine Zeit! Oder doch?

In meinen Mediation habe ich oft das folgende Phänomen wahrgenommen: Menschen und Unternehmen nehmen sich mehr Zeit und spendieren wesentlich mehr Geld für einen Konflikt als für eine Klärung. Irgendwann kommt der Punkt, wo man erkennt, man hat sich zu sehr verheddert und es macht keinen Sinn mehr. Überhaupt ist Zeit ein Konflikttreiber. In Kombination mit einem unterschiedlichen Geschwindigkeitsgefühl ist es ein Motiv für diverse Streitangebote. Es ist auch eine Angriffsstrategie, die schon Napoleon anwandte. Professor Zimbardo (Stanford University) fiel in seiner Analyse der Ereignisse zum Standford Prison Experiment auf, dass die Wärter und die Gefangenen ein unterschiedliches Zeitgefühl hatten11. Er erkannte drei Zeitaspekte mit je zwei Subaspekten (negativ/positiv).

- Vergangenheit:

In der negativen Ausrichtung mit Pessimismus und dem Festhalten an Fehlern. Bei der positiven Seite werden die guten alten Zeiten tituliert und chronosiert.

- Gegenwart:

In der negativen Ausrichtung Schmerzen vermeiden und lieber das Vergnügen suchen. In der positiven Ausrichtung motivieren neue Erfahrungen zu machen und Wissen zu erlernen.

- Zukunft:

In der negativen Ausrichtung Schicksalsergeben. In der positiven Richtung werden Ziele formuliert und mutig erreicht. Es wird vertrauensvoll in die Zukunft geschaut.

Mit dem Einfluss von Zeitwahrnehmung auf Konflikte und ihre exzessive Auswirkungen im Experiment, hatte Zimbardo nicht gerechnet.

Ein weiterer „Subfaktor“ sind Familienerlebnisse. Wer unter schwierigen Verhältnissen aufwächst, entwickelt eher Misstrauen, wenn man wiederholt die Erfahrung gemacht hat, Erwachsenen kann man nicht trauen. Diese prägenden und hochemotionalisierten Erfahrungen spielen in sehr vielen Konflikten eine große Rolle.

1 Ist Ihnen aufgefallen, dass es im Asterix Dorf keine Hartz IV Empfänger und keine Superreichen gibt? Nur spezielle Typen.

2 Die Bestandteile sind: Charaktere anerkennen und um ihre Entstehung wissen, aktives Zuhören und die Hintergründe erfragen und ein gewisses taktisches wie technisches Gesprächsgeschick. Die innere Überzeugung: Ich will den Konflikt klären und ich trage zum Gelingen bei.

3 „Stammt“ hat durchaus etwas mit dem ethnologischen Begriff „STAMM (passend zum Thema des Buches: Stammeskonflikte)“ zu tun.

4 Klingt wie Rüstung.

5 Zitat aus Welt der Wunder, Die geheime Kraft der Zeit, Ausgabe 7/2011, S.90

6 Welt der Wunder, Die geheime Kraft der Zeit, Ausgabe 7/2011, S.90

7 Beobachten Sie mal Rechthaber, wenn sie Recht bekommen.

8 Im Wort „wirklich“ steckt das Wort „wirken“ und das Personalpronomen „Ich“ – wirklich, weil ich wirke. D.h. was will ich oder der Andere im Konflikt bewirken, erwirken?

9 Auf der Rückseite der Asterix Comics ist ein Hinkelstein abgebildet, worauf alle erschienenen Ausgaben vermerkt sind.

10 Interessantes Phänomen: Manche suchen das Glück inkl. Literaturhinweise, andere Golden Nuggets an den Börsen. Manche denken es die Kombination aus beiden. Hauptsache ich muss bei Misserfolg nicht haftbar. Ist auch wirklich unschön, sich beim Glücklichsein verhaften zu lassen. Warum muss die Allgemeinheit für missratende Banker gerade stehen? Vielleicht weil wir sie nicht verhindert haben?

11 Quelle: Welt der Wunder, Die geheime Kraft der Zeit, Ausgabe 7/2011, S.90ff

Ein Charakter wird geboren

Wir sprechen nicht nur im Streit von „Typisch Du!“ Wir bezeichnen damit Muster und emotionale Reaktionen, die sich stabilisiert haben und sich in bestimmten Situationen unbewusst sofort zeigen. Unter Charakter verstehen wir habituelle Denk- und Verhaltensmuster. Das Wort stammt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „Prägung“. Das kulturell-soziale Leben und bewertete Erlebnisse prägen menschliche Charaktere in allen Facetten. Ebenso prägend sind der Verlauf und das Reizen von Konflikten. Auf welche Streitthemen und Provokationen steige ich persönlich ein? Welche Steilvorlagen spielt mir mein Konfliktpartner zu? Mein Charakter entscheidet maßgeblich darüber, wie ich in einem Streit agiere und reagiere. In diesem Sinne sind Inhalte weniger entscheidend. Das kann man auch in vielen Konfliktaktionen gut beobachten. In den gleichen Situationen reagieren Menschen anders, nehmen die Situation anders war, bewerten die Inhalte anders. In den folgenden Seiten skizziere ich, welche neurobiologischen Faktoren, den Charakter eines Menschen entwickeln und steuern, insbesondere in Konflikten und in der Bewertung des Konflikts.

Neurobiologen bezeichnen das Anlegen von habituellen (stabil wiederholbaren) Verhaltensmustern und Gewohnheiten, von Erinnerungsspuren von Neigungen, Vorlieben mittels arbeitsteiliger Verarbeitung im Gehirn als Engramme. Das Gehirn legt Engramme mit der Geburt an. Schon im Mutterleib vor der Geburt erfolgen erste emotionale Priorisierungen. Das „Sprechen mit Emotionen“ ist für jedes Baby der erste Kommunikationszugang mit seinen Eltern. Sein Bewusstsein weiß ja nicht, in welcher kulturellen Sprache es kommunizieren und erlernen wird. Das ist auch die Startbasis für die Prägung der später beschriebenen neun Charaktere. Dazu kommen neben den drei weltweiten Grundmotivationen (Beziehung, Dominanz, Erkenntnis/Leistung), emotional belastender Ereignisse, die Werteerziehung seiner Eltern und deren Wertschätzung/Achtsamkeit/Empathie. Wir lernen von unserem Umfeld, reagieren und agieren darauf. Wir lernen mit kulturellen Normen und Werten, was richtig und was falsch ist. Aber die Wissensaufnahme und -verarbeitung erfolgt auf neurobiologischer Basis.

Das Spiel beginnt

Die aktuellen Erkenntnisse der Neurobiologie12 geben uns diverse Hinweise auf die Wichtigkeit der ersten Lebensjahre, neben genetischen Faktoren. So spielen Emotionen und individuelle Wahrnehmungsstrukturen bei der Charakterbildung mit entsprechenden Verhaltensmustern eine entscheidende Rolle. Bereits in den ersten fünf Lebensjahren bilden sich ca. 90 Prozent der stabilen Emotionsreaktionen. Schon im ersten Lebensjahr wird die Charakterprägung auf 50% geschätzt. Glaubenssätze, Familienwerte beeinflussen zeitlebens unsere individuellen Handlungs- und Denkstrategien. Sie lassen Veränderungen zu oder nicht. Der Kern unseres Charakters ist frühzeitig gelegt und verträgt höchstens kleine Updates. Ein Mensch, der als Erstreaktion zur Wut neigt, wird so schnell nicht mit Tränen in der Erstreaktion reagieren. „Das bin nicht Ich“, „Ich bin nun mal so!“, sagen wir dann. Auch wenn wir uns im Laufe unseres Lebens weiterentwickeln, so bleibt die Neigung in gewissen Situationen doch so zu reagieren, wie es wir es in den ersten 5 Lebensjahren antrainiert haben bzw. antrainiert wurde, erhalten. Nur zu ca. 10 Prozent wird es überhaupt noch zu größeren Veränderungen im Charakterkern kommen, die wir uns mit einem intensiven Trainings- und Willensprogramm erarbeiten müssen. Diese Veränderungen sind am Stärksten, wenn man sein SELBST (repräsentiert unser Erfahrungsgedächtnis) entwickelt und man es wirklich und leidenschaftlich will. „Endlich darf ich so sein und leben wie ich bin, wie es richtig ist und ich es immer gefühlt habe.“ Kein Wunder, dass viele den Eindruck haben, dass man für eine Persönlichkeitsentwicklung schwer an sich arbeiten muss.

Kinder kommen mit einem unfertigen Prozessgehirn zur Welt, d.h. die Überlebensinhalte müssen durch Eltern etc. gelernt werden inkl. des Konfliktklärungsprogramms. Viele Trainingsmodule stehen auf dem Programm. Durch das individuelle Gen-, Kortex- und Emotionsprogramm steht sozusagen eine Basissoftware zur Verfügung. Kinder lernen sehr gerne, um die einzelnen Inhalte, die es braucht, um zu überleben, möglichst qualitativ hochwertig. Für dieses Trainingsprogramm sind in erster Linie Eltern verantwortlich: Aufbau, Planung, Orientierung, Handlung, Korrekturen, andere Trainer sind involviert (Verwandtschaft, Kitas, Schulen, Freundesgruppe) – das vollständige (gesellschaftlich normierte) Erziehungsprogramm. Diese Verantwortung übernehmen im Beruf Führungspersonen mit den gleichen Konsequenzen und Erwartungen aus seinem Mitarbeiterkreis. Auch Erwachsene bleiben Kinder. Wenn Sie Erwachsene in Gruppen beobachten, werden Sie schon manches Mal gedacht haben „Wie im Kindergarten.“ Viele waren als Kinder auch schon so. Bis das Leben das Pfeilen begann und die Konturen in den Gesichtern zu lesen sind.

Bereits vorgeburtlich entstehen Verschaltungsmuster, die ein Leben lang bleiben und alle unbewussten Eindrücke bestimmen. Die Erregungsmuster werden aktiv, wenn der Körper aus seinem Umfeld Signale bekommt, die etwas Entscheidendes verändern können. Ein Bestandteil des sogenannte „Bauchgefühls“, das gerade in Konflikten und bei Entscheidungen eine große Rolle spielt.

Im sogenannten Emotionsgehirn, dem Limbischen System, werden alle Erfahrungen, insbesondere die emotional tief berühren, mit den entsprechenden Emotionen gemarkert (z.B. Angst, Wut, Freude, Enttäuschung etc.). „Das hat mich tief getroffen.“ „Das hat mich berührt.“ „Das war wirklich schön. Daran werde ich mich immer gerne erinnern.“ Das Limbische System nimmt zuerst Informationen mit den Sinnen auf, sortiert für das Großhirn (Kortex) vor und entscheidet auch vor. Auch damit es schneller geht. Anschließend werden die Informationen und Strategien mit dem Frontalhirn, u.a. zuständig für bewusste Entscheidungen und Bewertungen, koordiniert. Aber, in Krisensituationen behält das Limbische System die direktive Oberhand. So verfügt dieses systemische Zusammenspiel auch über ein trainiertes Programm für Konflikte und wie man einen Streit auf persönliche Art und Weise führt. „Das regel ich auf meine Weise.“

Erfahrungen, die häufiger vorkommen und eine Gewohnheit geworden sind, werden als nützliches und schnell zur Verfügung stehendes „Standarderkennungsprogramm“ priorisiert. Umso häufiger diese Erfahrung wiederholt wird bzw. Strategien angewandt werden, umso höher wird der Stellenwert in der Nutzen- und Sinnhierarchie. Diese Hierarchietabelle (Konfliktreaktionsmuster) ist sehr individuell. So wird aus einem Feldweg (erste Erfahrung) durch häufige Wiederholungen eine Autobahn (xxxte Erfahrung). Die gebildeten Engramme werden samt der gemarkerten Emotionen aus dem Limbischen System im Kortex (Bewusstsein) abgelegt und gesammelt. Durch das Anlegen von neuralen Netzwerken speichern wir unsere Identität und damit verbundenen Glaubenssätze und Überzeugungen, speichern das Laufen, das Sprechen, Wörter, Fertigkeiten etc. ab. Wenn wir handeln, aktivieren wir diese neuronalen Netzwerke.

Unser Gehirn lernt in erster Linie durch Erfahrungen, nicht durch Wissenspauken. Schon die frühesten Erfahrungen werden im präfrontalen Kortex abgespeichert. Da das Kind zunächst über wenig Erfahrung verfügt, greift es natürlich auf die ersten (emotionalen) Strategien zurück. Das wird in der Regel durch Wiederholungen bestätigt, solange es nicht korrigiert wird. Reagieren die Eltern ängstlich oder sind die Gefühlsbindungen zu einem oder beiden Elternteilen gestört, so wirkt es sich direkt auf die Erfahrungsspeicherung und auf „Vertrauensfähigkeiten“ aus. Darum trainieren ängstliche, schamvolle Eltern verstärkt mit Angst und Scham, u.a. weil sie es von ihren Eltern gelernt haben. Die Lernprogramme werden weitergeben, auch traumatisierte Programme, bis sie gebrochen und aufgearbeitet werden.

Die gelebten und vermittelten Emotionen beeinflussen die haupttragenden Emotionen des Kindes. Manche Kinder wehren sich gegen das Schamprogramm der Eltern mittels einer anderen Emotion, z.B. Wut, Freude. Diese Erfahrungen und (emotionalen) Strategien formen das Gehirn. Wenn wir uns bewusst entscheiden müssen, Handlungen planen und die Konsequenzen der Handlung abschätzen, dann wird dieser Gehirnteil mit der emotionalen Strategie aktiv. So werden im Frontalhirn alle Einstellungen und inneren Haltungen durch komplexe Nervenzellverknüpfungen verankert. Unser Erfahrungsschatz wird größer, unsere Handlungsalternativen und intuitiven Entscheidungen somit qualitativer.

Es wird aufbauend gelernt, d.h. wenn ein Baustein vorher nicht gelernt wurde, dann kann der Mensch einen weiteren wie notwendigen Lernbaustein nicht direkt aufsetzen. Folglich fällt uns der nächste Lernschritt schwer.

Unser Gehirn lernt „entschleunigt“,