Das Erbe der Liebenden - Heather Graham - E-Book
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Das Erbe der Liebenden E-Book

Heather Graham

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Beschreibung

Eine Liebe, die die Jahrhunderte überdauert: Das berührende Romance-Highlight »Das Erbe der Liebenden« von Heather Graham jetzt als eBook bei dotbooks. Die bezaubernde Galeristin Gayle glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick – bis sie auf den faszinierenden Maler Brent McCauley trifft. Als die beiden ihre Gefühle füreinander nicht länger leugnen können, leben sie einen Traum aus Leidenschaft und tiefer Verbundenheit. Doch dann sieht Gayle in ihren Träumen eine Frau, die vor langer Zeit lebte und liebte – und der sie sich innig verbunden fühlt. Der warmherzige Brent aber verändert sich immer mehr, fast so, als wäre er plötzlich ein anderer Mensch! Doch Gayle kämpft für ihre Liebe – und kommt einem Geheimnis auf die Spur, das Jahrhunderte zurückzureichen scheint … Jetzt als eBook kaufen und genießen: das Jahrhunderte umspannende Romance-Highlight »Das Erbe der Liebenden« von Bestsellerautorin Heather Graham. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 428

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Über dieses Buch:

Die bezaubernde Galeristin Gayle glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick – bis sie auf den faszinierenden Maler Brent McCauley trifft. Als die beiden ihre Gefühle füreinander nicht länger leugnen können, leben sie einen Traum aus Leidenschaft und tiefer Verbundenheit. Doch dann sieht Gayle in ihren Träumen eine Frau, die vor langer Zeit lebte und liebte – und der sie sich innig verbunden fühlt. Der warmherzige Brent aber verändert sich immer mehr, fast so, als wäre er plötzlich ein anderer Mensch! Doch Gayle kämpft für ihre Liebe – und kommt einem Geheimnis auf die Spur, das Jahrhunderte zurückzureichen scheint …

Über die Autorin:

Heather Graham wurde 1953 geboren. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin hat über zweihundert Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Heather Graham lebt mit ihrer Familie in Florida.

Von Heather Graham erscheinen bei dotbooks:»In den Händen des Highlanders«»Fieber der Leidenschaft«»Der Lord und die Rebellin«»Die Leidenschaft des Earls«»Das Begehren des Ritters«»Die Gefangene des Freibeuters«»Das Erbe der Liebenden«

Die Highland-Kiss-Saga:»In den Armen des Schotten«»Der Highlander und die schöne Feindin«»Gefangen von einem Highlander«»Die Braut des Viscounts«

Die Wild-Passion-Saga:»Der Ungezähmte und die Schöne«»Der Laird und die Schöne«»Der Krieger und die Schöne«

Die Cameron-Saga:»Der Lord und die ungezähmte Schöne«»Die Geliebte des Freibeuters«

Unter dem Autorennamen Shannon Drake veröffentlicht sie bei dotbooks außerdem:»Blutrote Nacht«»Bei Anbruch der Dunkelheit«»Verlockende Finsternis«»Das Reich der Schatten«»Der Kuss der Dunkelheit«

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe März 2020

Dieses Buch erschien bereits 1993 unter dem Titel »Geliebter Rebell« bei Heyne

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1988 by Heather Graham Pozzessere

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1988 unter dem Titel »Everytime I Love You« bei Dell, New York.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1993 Heyne

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Nazzu, Big Foot Productions, Gerendi Enderle

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96148-835-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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Heather Graham

Da Erbe der Liebenden

Roman

Aus dem Amerikanischen von Eva Malch

dotbooks.

Kapitel 1

»Unglaublich. Exquisit. Brillant. Nun?« Geoffrey Sable hob die Brauen und beobachtete gespannt das Gesicht seiner Assistentin. Sie war eine hochgewachsene, schlanke Frau, elegant und modisch gekleidet, eine tüchtige, charmante Blondine mit unschuldigen Augen. Diese blauen Augen leuchteten wie der Himmel, groß und klar, und sie bildeten einen verwirrenden Kontrast zu den schwarzen Wimpern.

»Interessant«, erwiderte sie langsam und studierte die Leinwand. »Interessant.«

»Mehr hast du nicht zu sagen?«

Zögernd betrachtete Gayle Norman das riesige Ölgemälde an der weißen Wand. Vor Ehrfurcht erschauerte sie beinahe. Trotzdem wollte sie aus irgendwelchen Gründen das offensichtliche, seltene Talent, das aus diesem Werk sprach, nicht anerkennen. »Nun ja ...« murmelte sie.

»Ach, komm schon, Gayle!« rief Geoffrey unwillig. Er war der Besitzer der renommierten Sable-Galerie in Richmond, Virginia, seit vier Jahren ihr Chef und noch viel länger eng mit ihr befreundet. Sie kannten sich sehr gut. Fast konnte einer die Gedanken des anderen lesen. »Gayle!« drängte er ungeduldig. »Du hast ein unfehlbares Gespür für Begabungen. Und wie du weißt, mußten wir eine Ewigkeit warten, um endlich wieder eine so faszinierende Kunst zu sehen.«

Faszinierend ... Vielleicht traf dieses Wort zu. Erotisch, hatte sie zunächst gedacht. Doch dieser Ausdruck war wohl zu kraß, denn die gedämpften Farben, die Körperhaltung und die mystische Schönheit der Figuren strahlten etwas aus, das über Erotik hinausging. Ein Mann und eine Frau umarmten sich. Und Gayle fühlte die Kraft der Emotionen zwischen den beiden, die intensive Liebe des Mannes, seine Entschlossenheit, die Frau zu beschützen – und ihr rückhaltloses Vertrauen zu ihm, die Zufriedenheit, mit der sie sich an ihn schmiegte. Am Rand des Bildes verblaßten die zarten Farben zu nebelhaftem Grau.

Ja, es war schön, und es erfüllte Gayle mit schmerzlicher Sehnsucht. Sie wollte geliebt werden wie die Frau auf diesem Gemälde, das ihr die eigene Einsamkeit deutlich vor Augen führte. Doch sie wünschte keine Beziehung zu einem Mann. Außerdem drückte das Werk viel mehr aus als eine schlichte Beziehung, nämlich tiefe Liebe, Zärtlichkeit und totale Hingabe. So etwas lernte man nur ein einziges Mal im Leben kennen, und auch dann nur, wenn man Glück hatte.

Rasch trat sie zurück, wandte sich von dem Bild ab und begutachtete die anderen Werke an den Wänden – lauter nackte Gestalten.

In der Kunstschule hatte sie stundenlang nackte Körper skizziert – schlanke, rundliche, muskulöse, sogar schöne Körper. Sie hatte Rubens und Botticelli studiert, den Louvre und die meisten großen Kunstmuseen in aller Welt besucht.

Aber solche nackten Gestalten sah sie zum erstenmal. Sie schienen aus den Leinwänden zu greifen, die Sinne des Betrachters zu berühren. Faszinierend – dieses Wort genügte nicht, um die Gefühle zu beschreiben, die diese Gemälde weckten. Doch sie wußte nicht, was sie noch hinzufügen sollte.

»Du hast recht, Geoffrey«, sagte sie schließlich. »Einfach wundervoll ... McCauley ist wirklich hoch begabt.«

Er nickte und musterte mit sichtlicher Genugtuung eines der Bilder. »Wurden alle Einladungskarten beantwortet?«

»Jede einzelne.«

»Und?«

»Morgen abend werden zweihundert Leute durch die Galerie wandern – ein sehr illustres Publikum.«

»Gut«, erwiderte er hoch erfreut. Sein attraktives Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das seinen würdevollen dreiteiligen Anzug Lügen strafte. Warum auch nicht, dachte Gayle voller Zuneigung. Geoff ist mit Recht stolz auf sich, nachdem er seine McCauley-Ausstellung zustande gebracht hat ...

Man behauptete, McCauley sei ein Einsiedler. Sein erstes Werk war vor über zehn Jahren in Paris verkauft worden, zu einem ungeheuerlichen Preis. Seit damals weigerte er sich, Interviews zu geben. Niemals trat er persönlich in Erscheinung. Gayle stellte sich den Maler als alten Mann vor, mit gebeugten Schultern und einem Bart bis zu den Knien, als schmuddeligen Typen, der ächzte und hustete, während er vollendete Schönheit auf die Leinwand bannte.

Sie konnte nicht verhindern, daß sie dem Künstler gegenüber eine ablehnende Haltung einnahm. Die Organisation der Ausstellung war eine Qual gewesen. Er wollte nicht einmal mit ihr reden. Alle Arrangements hatte sie zusammen mit seinem Manager getroffen, einem gewissen Chad Bellows, der zwar charmant und sympathisch war – aber eben nicht der Maler. Jede Einzelheit hatte mehrmals überprüft werden müssen, spontane Entscheidungen waren nicht in Frage gekommen.

»Was passiert, wenn McCauley nicht auftaucht?« fragte sie.

Geoffrey warf ihr einen feindseligen Blick zu. Er wirkte nervös und verärgert, doch sie sah immer noch eher einen Freund als einen Arbeitgeber in ihm. Sie hatten sich in einem Pariser Café kennengelernt – zwei Kunststudenten ohne nennenswerte Begabung, aber voller Bewunderung für die großen Talente. Sofort schlossen sie Freundschaft, und später entstand auch eine berufliche Verbindung. Ein Liebespaar waren sie nie gewesen. Eigentlich hätte nichts gegen eine intime Beziehung gesprochen, überlegte Gayle. Wir sind beide jung – und heterosexuell. Doch die Freundschaft hat uns immer zuviel bedeutet.

Geoffrey war wundervoll gewesen. Gayle, eine Waise, die von einem Trustfonds lebte, hatte sich an ihn geklammert wie an einen älteren Bruder, ein unverhofftes Himmelsgeschenk. Bald war es ihm gelungen, seinen Traum zu verwirklichen und eine Galerie zu gründen. Und sieben Jahre nach der schicksalhaften Begegnung in Paris konnten sie in einer exklusiven Ausstellung die Werke Brent McCauleys zeigen.

Plötzlich lächelte Geoffrey. »Er wird kommen. Und wenn nicht, schicke ich dich zu ihm, und du mußt ihn holen.«

»Und wieso glaubst du, ich würde das schaffen?« beantwortete sie diese Drohung.

»Er mag schöne Körper.«

»Wie soll ich denn das auffassen?«

»Als Kompliment. Für Rubens wärst du zu dünn gewesen, aber du entsprichst voll und ganz dem Geschmack der heutigen Zeit.« Er bemerkte ihre Verwirrung und lachte. »Ach, komm schon! Willst du etwa behaupten, du würdest deine Reize im Dienst der Kunst nicht entblößen?«

»Niemals! Und schon gar nicht vor diesem alten Eremiten.«

»Aha! Wenn er jung und hübsch wäre, würdest du's tun?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich stehe nicht Modell, ich verkaufe Kunst – erinnerst du dich?«

»Aber Brent McCauley Modell zu stehen ...«

»Weißt du, worauf ich wette? Er muß wirklich ein Einsiedler sein, mit wilder weißer Mähne und langem Bart. Und er badet nie, weil er ständig in seinem Atelier vor der Staffelei sitzt. Wahrscheinlich hat er kleine Knopfaugen, in denen heller Wahnsinn glitzert. Morgen werden wir uns vermutlich wünschen, er wäre nicht gekommen.«

Geoffrey kicherte und hob die Brauen. »War es denn so schwierig, die Ausstellung zu organisieren?«

»Die reine Hölle!« Sie ging zu ihrem Schreibtisch, einem glänzend polierten viktorianischen Sekretär, der gut zum dezenten Luxus der Galerie paßte. Als sie sich umwandte, starrte Geoffrey sie immer noch verwundert an, und sie seufzte. »Er mag brillant sein, aber er ist auch eine Nervensäge. Immer wieder gab's Probleme. Und ich versichere dir – wenn er morgen erscheint, wird er alle meine Arrangements ändern.«

»Vielleicht – vielleicht auch nicht.« Geoffrey grinste immer noch. Natürlich. Er hatte sich ja auch nicht über einen Mittelsmann mit McCauley herumschlagen müssen, um die simpelsten Dinge zu bewerkstelligen. »Ich nehme an, du möchtest jetzt gehen.«

Gayle nickte. »Alles ist erledigt.«

»Ja, aber du vergißt was. Ohne mich kannst du nicht weg. Heute morgen bist du mit mir hergefahren.«

»Na und? Ich bin fertig – und ich poche auf meine Rechte als Mitglied der arbeitenden Gemeinde.«

»Grauenhaft! Ich genieße überhaupt keinen Respekt. Also gut, dann komm. Wir schließen alles ab und verschwinden.«

In seinem silberblauen Maserati, den er sich erst dieses Jahr hatte leisten können, fragte er nach ihren Plänen für den Abend. Er schaute sie kurz an, während er den Wagen aus der Tiefgarage und in den Rush-hour-Verkehr von Richmond lenkte. »Vergnügst du dich immer noch mit den Mädchen im Red Lion?«

»Ja, Tina hat heute Geburtstag, und sie liebt dieses Lokal. Es ist wirklich nett.«

»Zu laute Musik, zu verraucht, zu viele Leute.«

»Willst du mitkommen?«

»Nein.«

»Ah, du hast wieder ein Rendezvous mit dem Busenstar.«

»Madelaine Courbier«, verbesserte er sie gutmütig.

»Sag ich ja.« Gayle lächelte, dann senkte sie rasch den Blick. Diese kleine Händelei konnte sie sich nicht verkneifen. Madelaine Courbier besaß riesige Brüste, und dafür schwärmte Geoffrey.

»Nun ja, ich bin verabredet.«

»Bitte, beherrsch dich und denk an die Vernissage. Dein Traum wird Wahrheit. Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir. ›Prominenter Galeriebesitzer erstickt am Abend vor seinem größten Triumph in den Armen seiner Geliebten.‹«

»Sehr komisch, Miß Norman. Ich sagte nicht, ich würde sie treffen. Ich sprach nur von einer Verabredung. Paß bloß auf dich selber auf! Der große Bruder wird nicht immer zur Stelle sein, um dich zu beschützen, wenn du dich mit deiner Koketterie in eine unangenehme Situation bringst.«

»Das tu ich nie ...«

»Doch.«

»Ich bin nur freundlich.«

»Nein, du lächelst und strahlst, bis alle Jungs sabbern.«

»Geoff, du bist gräßlich!«

Sie hielten vor Gayles Haus, und er beugte sich hinüber, um die Beifahrertür zu öffnen. »Sei nett zu meinem Busenstar, und ich bin nett zu dir. Übrigens, du solltest nicht in den Red Lion gehen, sondern lieber zu einem kirchlichen Gesellschaftsabend.«

»Was willst du denn damit andeuten?«

Lichter flackerten über Geoffreys Gesicht, als ein Auto vorbeifuhr. Er zuckte die Achseln. »Da würdest du einen anständigen Mann kennenlernen und zur Ruhe kommen. Du wirst nicht jünger.«

»Ich bin achtundzwanzig, Geoff.«

»Was hast du eigentlich gegen Tim Garrett?«

Gayle runzelte die Stirn. Voller Unbehagen ahnte sie, wohin dieses Gespräch führen würde. »Er haßt Kunst.«

»Howard Green?«

»Der keucht ständig. Es ist grauenvoll. Wie ein großer Schäferhund.«

»Und Bill Williamson? Keucht der auch?«

»Wir passen einfach nicht zueinander.«

»Da war er anderer Meinung. Nun, du hast keinem einzigen eine Chance gegeben.«

»Ich gehe oft mit Männern aus ...«

»Ja. Aber ich wette, seit Thane Johnson warst du mit niemandem mehr im Bett.«

Gayle straffte die Schultern. »Das geht dich nichts an, Geoff.« Sie wollte aussteigen, doch er hielt ihre Hand fest und bat mit einem Lächeln um Entschuldigung.

»Natürlich, ich soll mich um meinen eigenen Kram kümmern. Aber ich möchte ja nur, daß du glücklich wirst.«

Seufzend drückte sie seine Hand. »Das weiß ich, Geoff. Und ich bin glücklich.«

»Kennst du eigentlich deinen Spitznamen? Eisprinzessin. Neulich beklagte sich Howie beim Lunch im Duffy's über dich.«

Sie begann zu lachen. »Soeben hast du mir meine Koketterie vorgeworfen, und jetzt bin ich die Eisprinzessin.«

»Gayle, ich will dich nur daran hindern, alle Männer nach den Erfahrungen zu beurteilen, die du bei einer einzigen Affäre gemacht hast. Und sei bloß vorsichtig! Du bist es gewöhnt, daß alles nach deinem Kopf geht. Aber eines Tages wird's nicht mehr so sein, wenn du auf einen wirklich starken Typ triffst.«

»Hör mal, Geoff, ich gehe mit den Mädchen aus, feiere Tinas Geburtstag und werde brav sein, das verspreche ich.«

Er schwieg eine Weile, dann sagte er leise: »Es könnte mehr draus werden.« Als sie fragte, was er meinte, schüttelte er nur den Kopf.

»Hast du mal wieder in die Tarotkarten geschaut?« neckte sie ihn.

»Nein, ich war bei einer spiritistischen Sitzung! Und jetzt raus mit dir! Es wird kalt. Vielleicht wartet der Busenstar schon sehnsüchtig auf mich.«

»Also doch ...«

»Meine kleinen Geheimnisse behalte ich immer für mich.«

Lachend stieg sie aus. Es schneite, und sie klappte den Mantelkragen hoch, während sie Geoff nachwinkte, der in der Abenddämmerung davonfuhr. Die roten Rücklichter verschwanden, doch sie blieb noch stehen. Eine schöne Nacht brach herein. Der frischgefallene Schnee, noch nicht in grauen Matsch verwandelt, schimmerte strahlend weiß, die kalte Luft wirkte belebend.

Gayle grüßte eine Nachbarin und eilte den Weg zu ihrem kleinen Haus hinauf, das an der Monument Avenue stand. Es war über hundert Jahre alt und bot einen prachtvollen Anblick auf den Park und mehrere Statuen. Kurz nach ihrer Übersiedlung nach Richmond war sie hier eingezogen, und seither richtete sie ihr Domizil ein. Nun lagen zwei alte Perserteppiche auf den Hartholzböden des Speisezimmers und des Salons. Im Schlafzimmer verbarg ein seidener chinesischer Wandschirm teilweise das Bett mit dem Baldachin. Viktorianische Sofas und ein Eastlake-Toilettentisch paßten gut dazu. Sie besaß zwei Dalis, einen Rauschenberg und einige Meereslandschaften von einem aufstrebenden jungen Maler namens Ralph Filberg, ihre Lieblingsbilder. Den Rauschenberg hatte Geoffrey ihr eingeredet, als Investment. Die Dalis, die sie zu einem günstigen Preis bekommen hatte, gefielen ihr. Aber die Meereslandschaften liebte sie. Auf Filbergs Talent war sie von niemandem hingewiesen worden, sie hatte es selbst entdeckt. Es war aufregend gewesen, Ralph auf dem Cape zu treffen, einen mürrischen jungen Mann mit dünnem Bart und Minderwertigkeitskomplexen. Als er Gayles Begeisterung bemerkte, taute er auf. Er erkannte, daß sie ihm tatsächlich helfen konnte, und nun bemühte er sich mit Feuereifer, ihre Wünsche zu erfüllen. Vor etwa einem Jahr waren seine Werke zum erstenmal in der Sable-Galerie ausgestellt worden. Und danach hatte Ralph ihr die Meereslandschaften geschenkt.

Der Anblick dieser Gemälde hob immer wieder ihre Stimmung. Seufzend schlüpfte sie aus den Schuhen, ließ sie vor den Bildern stehen und ging in Strümpfen zum Sofa. Sie setzte sich und sah ihre Post durch. Zwischen Werbesendungen und Rechnungen fand sie einen Brief von Sally Johnson, und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Hastig schlitzte sie das Kuvert auf. Das kurze Schreiben enthielt keine besonderen Mitteilungen. Sally und ihrer Familie ging es gut. Sie hatte von der bevorstehenden McCauley-Ausstellung gehört und freute sich über Gayles Erfolg.

Wehmütig ließ Gayle den Brief sinken und schloß die Augen. Wie gut sie sich immer noch an Thane erinnerte – viel zu lebhaft ... Groß, jung, temperamentvoll, aufregend und so selbstsicher ... Fast zwei Jahre lang hatten sie zusammen gewohnt. Sie war bis über beide Ohren verliebt gewesen. Jedesmal, wenn er heimkam, trafen sie einander in der Halle und küßten sich. Bei Kerzenlicht aßen sie zu Abend, am Boden, weil nur wenige Möbel im Haus standen. Sie waren jung und ungestüm und manchmal eifersüchtig gewesen, aber sehr glücklich – am Anfang.

Dann hatte Thane zu trinken begonnen und Drogen genommen. Er konnte nicht malen und ertränkte seinen Kummer im Alkohol. Und wenn etwas anderes schieflief, versank er im Kokainrausch. Gayle warnte ihn vor den Gefahren, die seiner Gesundheit drohten, und erklärte, er würde die Beziehung kaputtmachen. Auch Geoffrey sprach mit ihm. In ihrer Verzweiflung erwog sie sogar, sich an seine Eltern und seine Zwillingsschwester Sally zu wenden.

Für Thane gab es keinen Lebensinhalt mehr. Einmal schleuderte er sie in einem Wutanfall quer durchs Zimmer. Da verließ sie ihn. Einen Monat später starb er an einer Überdosis. Beim Begräbnis litt sie unter heftigen Schuldgefühlen. Sally versicherte, Gayle habe nichts tun können, um die Tragödie zu verhindern. Seine Mutter fragte sie hoffnungsvoll, ob sie schwanger sei. Gayle wurde gezwungen, sein Gesicht im offenen Sarg zu betrachten. Irgend etwas an diesem Augenblick hatte sie zu einem Entschluß bewogen. Sie wollte wieder jemanden lieben. Aber nicht so heiß und innig. Und ganz gewiß keinen Künstler.

Als einzige ihrer Freundinnen und Bekannten freute sie sich auf einen Abend mit einem Buchhalter oder Banker, auf die Normalität. Mit Thane waren zu viele ihrer Gefühle gestorben. Sie schätzte ihre Unabhängigkeit, ihren Lebensstil. Zumindest war ich bisher zufrieden, dachte sie und runzelte verwirrt die Stirn. Sie erinnerte sich an das Gemälde, an die Emotionen, die es in ihr wachgerufen hatte, und lächelte schmerzlich. Hatte sie für Thane so viel empfunden, wie es dieses Bild der beiden Liebenden ausdrückte? War er fähig gewesen, sie so tief zu lieben?

»Vielleicht kann niemand so intensiv lieben«, flüsterte sie. Aber instinktiv wußte sie, daß es ganz besondere Menschen gab, die zu solchen Gefühlen fähig waren.

Das Telefon läutete. Ehe sie den Hörer abhob, nahm sie sich vor, Sallys Brief bald zu beantworten.

»Gayle! Wie gut, daß du schon daheim bist!« Es war Tina.

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schätzchen.«

»Danke. Bist du fertig?«

»Fertig? Ich bin eben erst nach Hause gekommen. Und ich dachte, wir gehen nicht vor acht aus.«

»Wir haben einen Tisch fürs Dinner im neuen Club beim Sheraton reservieren lassen. Hat Liz dich nicht angerufen?«

»Nein.«

»Nun, dann zieh dich rasch um. In zwanzig Minuten holt sie mich ab, und in einer halben Stunde sind wir bei dir. Mach dich fein, okay? Männer dürfen da nur mit Krawatte rein, also sollten wir die Gelegenheit nutzen.«

»Ich hab' nichts Passendes ...«

»Du hast mehr Kleider als Macy's im ganzen Laden. Immerhin ist heute mein Geburtstag, also find' was!«

Gayle wollte erwidern, sie könne unmöglich in dreißig Minuten fertig sein, aber ihre Freundin hatte bereits aufgelegt. Fluchend rannte sie ins Schlafzimmer und inspizierte den Inhalt ihres Schranks. Sekundenlang betrachtete sie ein rückenfreies schwarzes Seidenkleid, schob es beiseite und begutachtete es noch einmal. Wenn sie das Haar seitlich mit einer Spange zurücknahm, das goldene Halsband und die neuen schwarzen Pumps trug ...

Sie hätte duschen sollen, aber nach dem langen, anstrengenden Tag in der Galerie entschied sie sich für ein erholsames Bad. Sie füllte die Wanne, goß sich ein Glas Wein ein und stieg in den duftenden Schaum. Das warme Wasser entspannte ihre Glieder. Sie legte sich zurück, schloß die Augen, öffnete sie wieder und musterte ihr Badezimmer, das ihr immer wieder gefiel. Sie hatte es in verschiedenen Malventönen eingerichtet, mit Spitzengardinen über dunklerem Samt und Handtüchern, die mit ihrem Monogramm bestickt waren. Tina hatte einmal erklärt, Gayles Bad erinnere sich an ein klassisches Bordell. Dieser Vergleich sagte ihr nicht besonders zu. Jedenfalls fühlte sie sich hier sehr wohl. Auf der Marmorplatte der Kommode standen kleine Hummel-Figuren, über den Handtuchringen aus Messing erhob sich ein Lladró-Engel. Wenn sie auch nicht malen konnte, so besaß sie doch einen künstlerischen Sinn für schöne Gegenstände. Dabei ging es ihr keineswegs darum, möglichst viele zu erwerben. Als Thane zu ihr gezogen war, hatten sie am Boden geschlafen, auf Matratzen, Käse und Brot gegessen und bei billigem Wein miteinander gelacht.

Zum erstenmal seit langer Zeit dachte sie wieder an Thane – vielleicht, weil Geoffrey den Namen des Toten erwähnt hatte und Sallys Brief gekommen war. Eigentlich müßte sie solche Erinnerungen ganz natürlich finden. Aber warum fühlte sie sich so – beunruhigt? Sie nippte an ihrem Wein und dachte: Es muß an McCauleys Gemälde liegen. Das Bild des Liebespaars ging ihr nicht aus dem Kopf, und beim Gedanken an die beiden verspürte sie eine heftige Unzufriedenheit mit ihrem Leben, das ihr bisher so erfreulich erschienen war. Nein. Sie schüttelte den Kopf, leerte ihr Glas ein wenig zu schnell und verschluckte sich beinahe. Jeder ist hin und wieder unglücklich, sagte sie sich. Verheiratete möchten ledig sein, Ledige verheiratet. Große wollen klein sein. So was gehört nun mal zum menschlichen Wesen ...

Sie stieg aus der Wanne, ignorierte den Schaum, der an ihr klebte, und wickelte sich in ein großes Badetuch. Dann eilte sie ins Schlafzimmer, um sich anzukleiden. Sie hatte länger gebadet als geplant. Hastig nahm sie Unterwäsche und Strümpfe aus ihrer Kommode und lächelte über ihre Schwäche für hübsche Dessous. Seidene Bodys, BHs und Höschen aus kostbarer Spitze füllten die Schubladen.

Als sie eine Spange in ihr langes blondes Haar steckte, klingelte es an der Tür. Gayle rief, sie würde gleich kommen, schlüpfte in die Pumps, packte den Mantel, die Handtasche, das elegante Negligé, das sie für Tina gekauft hatte, und lief aus dem Haus. –

Die Nacht war noch schöner geworden, Mondlicht versilberte den Schnee. Erwartungsvolle Vorfreude schien in der frischen Luft zu liegen. Gayle riß sich zusammen. Wenn sie nicht aufpaßte, würde sie noch beginnen, an die Macht des Schicksals zu glauben. Aber – verdammt, es war wirklich ein seltsamer Tag, nicht so sehr aufgrund der Ereignisse, vielmehr wegen ihrer Gefühle.

»He, steig ein!« drängte Tina. »Es ist eiskalt, falls du das noch nicht bemerkt hast.«

Die hintere Tür von Liz' kleinem Volvo schwang auf. Gayle kletterte in den Fond und schloß rasch den Wagenschlag. Die Fahrerin lächelte ihr im Rückspiegel zu, Tina drehte sich um und musterte die Freundin im Schein der Straßenbeleuchtung.

»Noch mal alles Gute zum Geburtstag, Kindchen«, wünschte ihr Gayle.

Tina schnitt eine Grimasse. »Fünfunddreißig! Fast bin ich schon in mittleren Jahren.«

»Das bist du bereits«, erwiderte Liz fröhlich.

»Oh, das ist okay«, versicherte Gayle. »Jedenfalls alterst du charmanter als Joan Collins.«

»Das will ich auch hoffen«, warf Liz ein. »Sie ist zwanzig Jahre jünger.«

»Fahr doch einfach, ja?«

Liz zwinkerte Gayle im Rückspiegel zu und konzentrierte sich auf den immer noch dichten Verkehr. Interessiert erkundigte sich Tina nach der Ausstellung, und Gayle schilderte ihre Bemühungen, die Gemälde möglichst vorteilhaft aufzuhängen, und Geoffreys Neurosen. Sie erwähnte auch ihre Sorge, McCauley würde nicht auftauchen.

Dann erzählte Tina von ihrem Arbeitstag im Fitneßzentrum, das sie leitete, und wo sich die drei Frauen vor einigen Jahren kennengelernt hatten. Sie beklagte sich über einen dicken Mann, der zu glauben schien, sie könnte ihn innerhalb von zwei Wochen in Sly Stallone verwandeln.

»Sollen wir es dem Parkwächter überlassen, das Auto abzustellen?« Liz beantwortete ihre Frage selbst. »Natürlich, wo wir uns doch so schön gemacht haben und einen stilvollen Auftritt verdienen. Außerdem wird Tina nicht jünger.«

Tina boxte sie in die Schulter, und Liz stöhnte übertrieben laut. Lachend bog sie in die Einfahrt und warf dem jungen Parkwächter den Autoschlüssel zu. Gayle fand, daß sie ein sehr elegantes Trio bildeten: Tina, klein und zierlich in Silberpailletten, Liz – groß und schlank in grünem Samt, der perfekt zu ihren Augen paßte, und sie selbst, die Blondine in Schwarz, kleiner als Liz, aber größer als Tina. Irgend jemand pfiff ihnen von der Straße aus nach. Sie lachten einander zu, betraten das Gebäude und fuhren mit dem Lift zum Club hinauf, der im vierzehnten Stock lag.

Eine wunderbare Geburtstagsfeier für Tina, dachte Gayle. Sie saßen an einem Fenstertisch, genossen die Aussicht auf Richmond und wurden von einem sehr attraktiven Kellner bedient. Liz, die sich in solchen Dingen auskannte, wählte den Wein und bestellte Lachs, Tina und Gayle entschieden sich für Lammrücken. Als Vorspeisen gab es Cäsarsalat und Krabbencocktails. Alles schmeckte köstlich.

Liz, die einzige Geschiedene unter den Freundinnen, erzählte amüsante Geschichten über ihren neuen Babysitter. Und Tina berichtete von einem Polizisten, mit dem sie neulich ausgegangen war und der den Abend mit einer Schießübung verwechselt hatte.

»Und jetzt sind wir schon wieder auf Männerjagd«, meinte Liz.

»Keineswegs«, protestierte Tina. »Wir essen zu Abend.«

»Aber nachher gehen wir in den Red Lion.«

»Bedeutet das automatisch, daß wir hinter Männern her sind?« fragte Gayle.

»Nun ja, wir können schlecht miteinander tanzen«, erklärte Tina lachend. »Schau den Tatsachen ins Auge, Männer sind nun mal unentbehrlich.«

Liz nickte. »Und du verbrauchst sie wie Toilettenpapier.«

»Sei doch still!« schimpfte Tina. »Das ist ein sehr vornehmes Lokal.«

Gayle lächelte die beiden an, nahm einen Schluck Wein und bewunderte wieder einmal Liz' Kennerschaft.

»Ich persönlich verstehe nicht, was du überhaupt im Red Lion willst, Gayle«, sagte Liz. »Geoffrey ist ein Schatz, und ihr seid schon so lange zusammen. War es immer nur platonisch?«

»Immer«, bestätigte Gayle. »Ich mag ihn, aber unsere Freundschaft ist uns so wichtig, daß wir sie nicht aufs Spiel setzen wollen.« Ihr Lächeln erlosch, denn sie überlegte plötzlich, ob sich die Freundschaft zur Liebe entwickelt hätte, wäre Thane nicht in ihr Leben getreten. Er war auch Geoffs Freund geworden.

Da – schon wieder dachte sie an Thane. Doch sie konnte sich ihn nicht richtig vorstellen, sah ihn als den Mann in McCauleys Bild, als einen anderen Liebhaber.

»Was ist los?« fragte Tina, und Gayle sah sie verwirrt an.

»Oh, nichts. Ich habe nur nachgedacht.«

»Über die tiefen, dunklen Geheimnisse des Lebens«, bemerkte Liz weise.

»Für euch beide bin ich ein offenes Buch«, meinte Gayle. »Ihr wißt Bescheid über meine ganz große Affäre. Da gibt's keine Geheimnisse.«

Tina wandte sich zu Liz. »Gayle ist es, die ihre Männer wie Toilettenpapier verbraucht.«

»Unsinn, sie benutzt sie nicht einmal.«

»Nun ja, die Zeiten werden immer schwerer«, seufzte Tina. »Man wagt sich kaum noch an einen Mann heran, wenn man kein ärztliches Attest gesehen hat. Wozu soll das führen?«

»Zur Enthaltsamkeit«, schlug Gayle vor.

»Der Himmel verschone uns!« entgegnete Liz kichernd. »Wie wär's mit einem Dessert?«

Sie bestellten Käse und Amaretto-Torte, mit einer Kerze für Tina. Die Kellner sangen »Happy Birthday«, alle Gäste applaudierten, und das Geburtstagskind drohte, die beiden Freundinnen, die das arrangiert hatten, umzubringen. Fröhlich begannen sie die Torte zu essen, jammerten über das ausgedehnte Fitneßtraining, das dieser Kaloriensünde folgen mußte, und genossen jeden einzelnen Bissen. Gayle und Liz teilten sich die Rechnung.

Auf der Fahrt zum Red Lion richtete sich Gayle auf dem Rücksitz auf und beobachtete Tina, die ihre Geschenke auspackte. Das Negligé fand ebenso großen Anklang wie das Lieblingsparfüm, das von Liz stammte.

Danach wurde Tina seltsam still. Schließlich seufzte sie tief auf. »Ich wünschte, ich hätte den richtigen Mann, an dem ich beides ausprobieren könnte ...«

»Du wolltest doch allein leben und Karriere machen«, wurde sie von Liz erinnert.

»O ja. Aber nun sehe ich, wie mir die Zeit davonläuft, und plötzlich wünsche ich mir Kinder.«

Die Freundinnen versicherten, heutzutage würden viele Frauen mit vierzig ihr erstes Baby bekommen. Obwohl Tina zustimmte, erkannte Gayle, daß die Freundin tatsächlich auf Männerfang ging, auf die Suche nach einem Vater für das ersehnte Kind.

Sie hielten vor dem Red Lion, und Gayle bemerkte erneut die Schönheit dieser Nacht, die frische, vom Schnee gereinigte Luft. Wieder hatte sie das Gefühl, an diesem Abend müßte etwas Besonderes geschehen. Ein sonderbarer Schauer rann über ihren Rücken und sie lächelte. Würde wirklich was passieren? Nein, das bildete sie sich nur ein. Oder vielleicht doch ... Sie wußte, was Tina empfand, und sie selbst hätte beinahe verraten, wie ihr seit dem Anblick der Liebenden auf McCauleys Gemälde zumute war. Solche Emotionen strebte Tina an – eine vollkommene Liebe, die Leidenschaft, Hingabe und Zärtlichkeit vereinigte.

»Wir alle sind Sterbliche unter den Sternen«, sagte Liz unvermittelt und klopfte auf Gayles Schulter. »Gehen wir rein? Diese funkelnden Himmelslichter sind zwar fantastisch, aber ich könnte gewalttätig werden, wenn du noch lange hier draußen in der Kälte herumstehst und über das Schicksal nachgrübelst.«

»Eine wunderbare Nacht ... Der Frühling liegt in der Luft.«

»Das riecht hier eher nach verfaultem Fisch. Kommt endlich!«

Musik, Rauch und zahlreiche Gäste füllten den Red Lion. Mehrere Paare drehten sich auf der Tanzfläche zu den rhythmischen Klängen der Band, andere Leute saßen in Gruppen an schwach beleuchteten Tischen. Liz ging zur Bar, bestellte einen Screwdriver für sich selbst, einen Rusty Nail für Tina und einen Johnny Walker on the Rocks für Gayle. Inzwischen fand Tina drei Plätze am Ende der Theke, und das Barmädchen brachte ihnen die Drinks.

»Ziemlich voll heute!« überschrie Gayle den Lärm der Band.

»Allerdings!«

»Diese Gruppe nennt sich Guts«, erklärte Liz. »Gut, was?«

»He!« Tina richtete sich auf ihrem Barhocker auf und versuchte über die Köpfe der Leute hinwegzuschauen.

»Was ist denn?« fragte Liz.

»Gayle, das ist doch Geoffrey da drüben.«

War Geoff mit seinem Busenstar hier? Gayle runzelte die Stirn. Dieses Lokal paßte nicht zu seinem Stil. Hierher kamen die Leute, um zu tanzen, und er führte seine jeweiligen Begleiterinnen lieber in sein Apartment. »Wo?«

»Dort, an der Wand.«

Gayle reckte den Hals. Es war tatsächlich Geoffrey, und er hatte sie bereits entdeckt. Er sprach mit den zwei Männern an seinem Tisch und stand auf. Einer der anderen erhob sich ebenfalls. Der dritte blieb sitzen, während sich die beiden einen Weg durch die Menge bahnten.

»Ja, das ist Geoff«, murmelte Gayle verwundert.

»Und die anderen?« fragte Tina.

»Keine Ahnung. Ich kann sie kaum sehen.«

Geoff ergriff Gayles Hand, küßte sie auf die Wange, dann begrüßte er Liz und wünschte Tina alles Gute zum Geburtstag.

Nun erkannte Gayle den Mann hinter ihm – Chad Bellows, Brent McCauleys Manager. Sie sprang vom Barhocker, schüttelte ihm lächelnd die Hand und freute sich, den großen, schlanken blonden Mann zu treffen, dessen lässige Art ihr sehr gefiel. Vor allem angesichts der morgigen Vernissage fand sie diese Begegnung angenehm und beruhigend. Geoff war schrecklich nervös gewesen, voller Angst, irgend etwas könnte schiefgehen. Und sie selbst rechnete immer mit dem Schlimmsten.

»Hi, Gayle«, sagte Chad.

»Hi! Wie nett, Sie hier zu sehen! Eine angenehme Überraschung.«

»Geoff meinte, wir würden Ihnen vielleicht in die Arme laufen. Eine Ihrer Freundinnen hat Geburtstag?«

»Ja.«

»Das ist Tina«, verkündete Geoff und machte alle miteinander bekannt. »Chad Bellows – Tina Martin, Elizabeth Dowell. Dürfen wir euch zu einem Drink einladen?«

»Danke, wir haben soeben was bestellt«, erklärte Gayle.

»Gut. Komm, wir tanzen.«

Sie fand keine Gelegenheit zu protestieren, denn er zog sie kurzerhand aufs Parkett. Die Band spielte gerade eine langsame Nummer, die sie im Laufe der Jahre schon oft miteinander getanzt hatten, und sie harmonierten großartig.

Gayle rückte ein wenig von Geoffrey ab, um ihn prüfend zu mustern. »Was um Himmels willen machst du hier? Und warum hast du mir nicht verraten, daß du herkommen würdest?«

»Ich wußte es nicht genau.«

»Bist du nicht ein bißchen unhöflich? Warum hast du deinen zweiten Begleiter nicht zu uns gebracht?«

»Oh, das ist nicht der Typ, der sich rumzerren läßt. Wir gehen später zu ihm. Und benimm dich ordentlich.«

»Tu ich doch immer. Was soll das überhaupt?«

Die Musik verstummte, die Paare verließen die Tanzfläche.

»Das ist das Ende vom Lied.« Geoff lachte. »So und jetzt ...« Er verstummte, als er bemerkte, daß Gayle zum Tisch hinüberstarrte. Der Mann war aufgestanden, lehnte an der Wand und sah ihr direkt in die Augen, über den Raum hinweg. Durch die Menschenmenge. Trotz der Entfernung spürte sie die Macht seines Blicks, der in die Tiefen ihrer Seele zu dringen schien.

Er war größer als Chad und Geoffrey. Im schwachen Licht des Lokals schimmerte sein dunkles Haar wie Ebenholz, wie eine pechschwarze Nacht. Im Gegensatz zu den anderen Männern, die dreiteilige Anzüge trugen, hatte er Jeans an, mit passendem Hemd und einer beigen Sportjacke, die seine breiten Schultern betonte. Dichte, wohlgeformte Brauen überwölbten die braunen Augen. Er besaß ein markantes, gutgeschnittenes Gesicht mit eigenwilligem Kinn, hohen Wangenknochen, langer, gerader Nase und vollen, sinnlichen Lippen. Gayle schätzte ihn auf Mitte Dreißig, und sie fand ihn geradezu umwerfend attraktiv, auf sehr männliche Art. Er lächelte nicht, schaute sie nur an wie ein Porträt, ein Kunstwerk, dessen Wert sorgfältig beurteilt werden mußte.

Merkwürdig – sie gewann den Eindruck, er hätte sehr, sehr lange gewartet, um sie zu betrachten. Ihre Knie wurden weich, eine heiße Welle durchströmte ihren Körper. Sie wußte, daß sie diesem Mann nie begegnet war, und doch kam er ihr seltsam vertraut vor, und für einen verrückten Moment glaubte sie, ihn schon lange zu kennen.

Nur vage wurde ihr bewußt, daß sie ihn genauso unverblümt anstarrte wie er sie. Nebelschleier schienen sie einzuhüllen, die Sinne drohten ihr zu schwinden. Irgend etwas war geschehen.

Zwischen ihnen beiden.

Sie räusperte sich und packte Geoffreys Arm. »Wer – wer ist er?«

»Wen meinst du?« fragte er unschuldig.

»Diesen Mann – deinen Begleiter. Wer ist er, Geoff?«

»Ach, der? Dieser große Bursche?« Er lachte. »Dieser dunkelhaarige, hübsche Typ? Das ist nur der schmuddelige alte Einsiedler, vor dem du dich schon die ganze Zeit fürchtest.«

»Was?«

»Der alte Einsiedler. Brent McCauley höchstpersönlich. Ich glaube, er wartet darauf, dich kennenzulernen.«

Ja – er wartete. Gayle erschauerte und schluckte. Und erstaunlicherweise spürte sie, daß auch sie auf diese Begegnung gewartet hatte – ihr Leben lang.

Kapitel 2

»Wer ist sie?«

Brent hatte Geoffrey diese Frage vor mehreren Minuten gestellt, und sie dröhnte immer noch in seinem Kopf. Heiße Erregung erfaßte ihn und nahm ihm den Atem. Ihm war, als hätte er diese Frau schon einmal gesehen, wenn er auch wußte, daß das nicht stimmte. Er hätte sie nicht vergessen. Die Emotionen, die ihr Anblick in ihm weckte, schmerzten beinahe.

Er war unfähig gewesen, mit Chad und Geoff zur Theke zu gehen, hatte sich kaum bewegen können, den exzentrischen Künstler gespielt und betont lässig erklärt: »Ich bleibe hier. Wenn Sie wollen, bringen Sie Ihre Freundinnen her.«

Und nun kam sie zu ihm. Hätte er sie schon einmal getroffen, würde er sich ganz sicher an sie erinnern. Sie war mittelgroß und schlank, mit wohlgeformtem Körper. Zuerst hatte er ihr Haar bemerkt, das in üppigen honigblonden Locken auf eine Schulter fiel. Und dann ihr Rücken – lang, biegsam, anmutig ... Das schwarze Kleid, das diesen Rücken von der Taille abwärts verdeckte, beleidigte sein Künstlerauge, und er fühlte sich versucht, durch die Menschenmenge auf die Tanzfläche zu stürmen und ihr diese hinderliche Seide vom Leib zu reißen. Natürlich wäre es schwierig gewesen, ihr zu erklären, er würde sie nur im Interesse der Kunst ausziehen. Nie zuvor hatte er eine so elegante, sinnliche Frau gesehen – einfach vollkommen, von den strahlenden Augen bis zum sanften, selbstsicheren Schwung ihrer Hüften. Faszinierend ...

Brent redete sich ein, ihr Anblick würde ihn nur deshalb so erregen, weil ihr großartiger Körper den Traum aller Maler darstellte. Sicher, er hatte schon früher gewisse Frauen zu schätzen gewußt. Sein Blut war schon oft in Wallung geraten. Aber nicht in diesem überwältigenden Maße. Nicht in einer Weise, die alles zum Stillstand brachte – die Zeit, die Musik, sogar den Puls des Lebens.

Und nun schienen Licht und Schatten davonzugleiten, nur weil sie auf ihn zukam, weil ihre Blicke sich trafen und ein sonderbares Knistern entstand. Ihre Augen leuchteten in einem reinen, unschuldigen Blau – eine Farbe, die nicht zu dem raffinierten schwarzen Kleid und dem überlegenen Lächeln paßte. Offenbar wußte sie, wie anziehend sie auf Männer wirkte. Vielleicht, dachte er, verachtet sie sogar die hingerissene Bewunderung, die sie zu erwecken weiß. Lächelnd verschränkte er die Arme vor der Brust, fühlte sich in Versuchung geführt – und bereit, die Herausforderung anzunehmen. Du hast den richtigen Gegner gefunden, meine Süße, wollte er sagen. Ich werde mitmachen bei diesem Spiel.

Während Chad mit den beiden anderen Frauen herüberkam, blieben Geoffrey Sable und die schöne Blondine am Tisch stehen. »Brent, das ist meine Assistentin, Gayle Norman. Sie hat die Ausstellung organisiert. Gayle – Brent McCauley. Ah, da sind Gayles Freundinnen ...«

Geoff sprach weiter, aber Brent hörte ihm nicht mehr zu. Gayle Normans Hand lag in seiner, warm und elektrisierend. Ihr etwas hochmütiges Lächeln sollte ihm offenbar bedeuten, daß sein Künstlerruhm sie nicht im mindestens beeindruckte. Alles Lüge, überlegte er. Oder vielleicht war sie wirklich unbeeindruckt. Jedenfalls ließ er sie nicht gleichgültig, denn er sah, wie rasch sich ihre Brüste unter der anschmiegsamen Seide hoben und senkten, und er ahnte ihren beschleunigten Herzschlag.

»Mr. McCauley«, sagte sie schlicht. Ihre Stimme klang kühl und melodiös, und sie bekämpfte entschlossen ihre Emotionen.

»Miß Norman«, erwiderte er. Er scheint mein Timbre zu testen, zu kosten, dachte sie.

Nun ließ er ihre Hand los, sprach höflich mit den anderen Frauen. Alle nahmen am Tisch Platz und machten Konversation, lässig und heiter, eine nette, entspannte Gruppe. Sie unterhielten sich über die Ausstellung, über die Malerei im allgemeinen, über die Erwartungen, die sie in die morgige Vernissage setzten. Brent antwortete, wann immer man sich an ihn wandte – in einigermaßen zusammenhängenden Sätzen, wie er glaubte.

Aber sie saß ihm gegenüber, und er ließ sie nicht aus den Augen. Sie spürte sein Interesse, versuchte es zu ignorieren, beteiligte sich lebhaft am Gespräch, und ihre klare, feminine Stimme gefiel ihm. Manchmal schaute sie herüber, um festzustellen, ob er sie immer noch beobachtete. Und wenn sie sich dessen vergewissert hatte, errötete sie ein wenig, senkte den Blick und begann hastig weiterzureden.

Als die Band eine Nummer von Robbie Nevill intonierte, fragte sie Chad lächelnd, ob er mit ihr tanzen würde. Bereitwillig sprang er auf und nutzte die Chance. Das störte Brent nicht. Er lehnte sich zurück, sah ihr zu und merkte ihre Nervosität. Auch er tanzte – mit der Rothaarigen, mit der hübschen Brünetten.

Immer wußte er, wo Gayle gerade war, verfolgte ihre graziösen Bewegungen beim Tanz und sagte sich erneut, sie würde nur seine Künstlerseele faszinieren. Er wußte genau, wie sie ihm Modell sitzen müßte – ein wenig nach hinten geneigt, die Beine leicht angewinkelt, den Kopf zu ihm gewandt, die Augen halb geschlossen, das Haar über der Schulter, so daß es seine Schönheit zur Geltung brachte, ohne den wundervollen Rücken zu verdecken.

Die Musik verstummte, eine langsame Nummer begann – Lionel Ritchie. Gayle hatte mit Geoff getanzt, und als sie an den Tisch zurückkehrte, ergriff Brent ihre Hand. »Jetzt bin ich an der Reihe.«

Sie senkte die Wimpern. »Ich bin müde ...«

»Fürchten Sie sich vor mir?«

»Natürlich nicht.«

»Möchten Sie mir Modell stehen?«

Da blickte sie zu ihm auf und lachte. »Hier?« entgegnete sie skeptisch. Sie konnte sehr kühl und überlegen wirken, wenn sie es wollte.

»Wo immer Sie wollen.«

»Und wie soll ich für Sie posieren, Mr. McCauley?« fragte sie sarkastisch.

»Das ist doch selbstverständlich – nackt.«

Nur ein paar Sekunden lang sträubte sie sich, als er sie zur Tanzfläche zog. Zwischen den anderen Paaren drehten sie ihre Kreise, Lichter wirbelten umher.

»Nein«, erklärte Gayle. »Ich will nicht Modell stehen, weder nackt noch züchtig verhüllt.«

»Möchten Sie mit mir schlafen?«

»Nein«, entgegnete sie lachend. Hübsche Grübchen erschienen in ihren Wangen.

Er zog sie enger an sich, legte sein Kinn auf ihren Scheitel und atmete den Duft ihres Haars ein. Seine Finger glitten über ihren Nacken, den bloßen Rücken und er spürte, wie sie unter der Berührung zitterte.

Gayle sah zu ihm auf, hob herausfordernd die Brauen. Sie leistete keinen körperlichen Widerstand, das fand sie primitiv. Statt dessen gab sie ihm mit beredtem Schweigen zu verstehen, daß er seine Grenzen überschritt.

Lächelnd schaute er ihr in die Augen und drückte sie noch fester an seine Brust. Sie trug keinen BH, und das hatte er natürlich bemerkt. Nun spürte er es. Und Gayle mußte frieren oder das gleiche verzweifelte Verlangen empfinden wie er, denn im vollen, warmen Fleisch fühlten sich die Brustwarzen hart wie Marmor an. Er umschlang sie so fest, daß sich auch ihre Hüften an ihn preßten, und was er von ihrem Körper wußte, erfuhr sie jetzt über seinen.

Verzweifeltes Verlangen? Das war noch milde ausgedrückt. Blitze schienen ihn zu durchzucken, sengend und atemberaubend schnell, so ähnlich wie in jenem Moment, wo er Gayle zum erstenmal gesehen hatte. Ihm war zumute, als würde die Welt ringsum einstürzen und ihn zurücklassen, mit brennendem schmerzendem Herzen, voll wilder Begierde.

Sie stemmte sich gegen den harten Griff, und er lockerte ihn. Eine ihrer Hände lag auf seiner Schulter, der andere Arm umfaßte seine Taille. Fast flehend starrte sie ihn an. »Die Musik ...«, flüsterte sie.

»Was ist damit ...«

»Dieser schnelle Rhythmus ... Wir können nicht mehr so eng tanzen.«

»Oh.« Er sah, daß die übrigen Tänzer einander kaum berührten. Während der letzten Minuten hatte er sich mit Gayle wie auf einer einsamen Insel gefühlt, vom restlichen Leben umbrandet wie von einem seelenlosen Meer. Er schlang die Finger um ihre.

Brent führte sie nicht zum Tisch zurück, sondern in die Nacht hinaus. Vielleicht würde sie frösteln, doch er brauchte die frische Luft. Er zog seine Jacke aus, legte sie um ihre Schultern, und sie wanderten die Straße hinab. Plötzlich drückte er Gayle an eine Mauer und stützte die Hände zu beiden Seiten ihres Kopfes dagegen. »Wo waren Sie in all den Jahren, seit ich auf der Welt bin?«

Verführerisch und wissend lächelte sie. »Das ist eine sehr lange Zeit.«

»Sie müssen mir Modell stehen.«

»Auf keinen Fall.«

»Bitte.«

So viele Dinge schwangen in diesem einzigen Wort mit. Sie erschauerte ein wenig, aber nicht vor Kälte. Er wünschte sich ernsthaft, sie zu malen, und sie empfand wieder die intensiven Emotionen, die der Anblick seiner Werke geweckt hatte – wehmütige Sehnsucht, die Erkenntnis, etwas zu versäumen.

Seine Bitte hatte nicht demütig geklungen, eher fordernd. Es war verrückt. Natürlich hatte sie keineswegs die Absicht, für ihn zu posieren. Sie traute ihm nicht, traute sich selbst nicht. Nie zuvor war ihr ein so verführerischer Mann begegnet – selbstsicher, kühn, charmant, von überwältigender Faszination.

»Das kann ich nicht«, erwiderte sie. »Nicht so, wie Sie mich sehen wollen.«

»Ich bin Künstler.«

»Ja, ich weiß – ich kenne Ihre Werke.«

»Glauben Sie mir, ich kann sehr professionell arbeiten.«

Gayle zögerte. Er war kein alter, bärtiger Eremit, sondern ein junger, hinreißender Mann. Seit sie ihn zum erstenmal gesehen hatte, schien heißer Honig durch ihre Adern zu fließen, und sie fürchtete, ihre Beine würden sie nicht tragen, sollte er sich abrupt abwenden. »Ich – kann nicht ...«

»Aber Sie werden es tun.«

»Oh, Sie sind sich Ihrer Sache sehr sicher.«

»Allerdings.«

»Nun – dann werde ich Sie eines Besseren belehren, Mr. McCauley.«

»Brent.«

»Ich lasse mich nicht von Ihnen malen. Und dabei bleibt's. Ich war nie ein Modell, und ich habe auch nicht vor, eins zu werden.«

Leise seufzte er und griff wieder nach ihrer Hand. Widerstrebend ließ sie es zu und fragte: »Geben Sie's auf?«

»Enttäuscht?«

»O nein. Ich sagte doch – ich werde Ihnen nicht Modell stehen.« Sie näherten sich wieder dem Eingang des Red Lion, und ehe sie eintraten, hielt Gayle ihn zurück. »Mr. McCauley – Brent ... Trotz allem möchte ich Ihnen versichern, was für ein wundervoller Künstler Sie sind. Ihre Bilder drückten so starke Gefühle aus, soviel Schönheit.«

Ein sinnliches Lächeln umspielte seine Lippen. Er hob ihre Hände, küßte die Fingerknöchel, nur ganz zart, doch sie glaubte, ihre Haut würde brennen. Und all die beängstigenden Empfindungen kehrten zurück – der beschleunigte Herzschlag, die Atemnot, der Eindruck, die Welt würde sich immer schneller um sie drehen.

»Danke«, antwortete er heiser. »Und Sie weigern sich, von einem der großen Meister des Jahrhunderts gemalt – und verewigt zu werden?«

»Ich sagte, Sie seien ein wundervoller Künstler, aber ich habe Sie nicht auf eine Stufe mit Michelangelo gestellt.«

Brent lachte, nicht im mindesten gekränkt. »Nun, es war einen Versuch wert.«

»Mr. McCauley, wenn Sie in meiner Haut steckten, würden Sie einem Mann Modell stehen, der seine Absichten deutlich zu erkennen gibt?«

»Je nachdem.«

»Und wovon würde es abhängen?«

»Von der Reaktion, die Sie planen.«

»Auch das tue ich nicht.«

»Was?«

»Ich würde nicht so reagieren, wie Sie es offenbar wünschen, denn ich hüpfe nicht so schnell mit Männern ins Bett.«

Er schwieg eine Weile, dann hob er die dunklen Brauen. »Habe ich Sie gebeten, sofort mit mir ins Bett zu hüpfen?«

»O ja«, bestätigte Gayle trocken, »als Sie das dritte Mal mit mir sprachen.«

»Verzeihen Sie, aber ich sagte nicht, wir müßten sofort ins Bett springen. Ich habe sehr viel Zeit. Und was Ihre Reaktion betrifft – das sollten wir abwarten. Jedenfalls verspreche ich Ihnen, mich fair zu verhalten. In erster Linie bin ich Künstler – vielleicht kein Michelangelo, aber vielleicht einer der großen Meister dieses Jahrhunderts. Das wird die Nachwelt beurteilen. Wenn Sie mir Modell stehen, werde ich mich niemals an Sie heranmachen, ehe Sie eine Gelegenheit finden, sich anzuziehen. Falls Sie das wünschen – okay. Aber vielleicht werden Sie merken, daß Sie's gar nicht möchten.«

»Also, Sie sind unglaublich!« Sie zwang sich, Zorn und Empörung zu heucheln. Was sie wirklich empfand, wußte sie nicht. Noch nie hatte sie einen Mann gekannt, der so direkt auf sein Ziel zusteuerte.

»Ja«, erwiderte er schlicht.

»Behandeln Sie alle Ihre Modelle so?«

»Bisher habe ich das noch nie getan.«

Sie spürte, daß er die Wahrheit sagte, und sie gestand sich widerwillig ein, wie sehr er sie erregte. Nun konnte sie es kaum erwarten, sich von ihm zu trennen – nur um zu sehen, ob es ihr dann gelingen würde, an etwas anderes zu denken als an ihn. Er war ein Fremder, sie hatten nur wenige Worte gewechselt – ziemlich alberne Worte. Und nun kam er ihr vor wie ein lange vermißter Freund – nein, wie ein Liebhaber. Vielleicht hatte er recht, vielleicht war er einfach nur ehrlich genug, um auszusprechen, was er fühlte. Eine eigenartige Anziehungskraft verband sie miteinander, mehr konnte es nicht sein. Und so etwas paßte nicht zu ihr. Sie hatte eher altmodische Ansichten, und wenn sie sich auch nicht für prüde hielt, so glaubte sie doch, eine Frau müßte einen Mann sehr gut kennen, bevor sie ein Verhältnis mit ihm anfing. Beim ersten Rendezvous ein Händeschütteln – mehr pflegte sie nicht zu gestatten. Nicht einmal am Beginn ihrer Beziehung zu Thane war sie von diesem Grundsatz abgewichen.

Aber jetzt entstand eine andere, eine beängstigende Situation. Sie verspürte den Impuls, durch Brents Haar zu streichen, seine Lippen zu kosten. Nein, noch mehr. Der Wunsch, sich ganz mit ihm zu vereinen, erfaßte sie, ihn überall zu berühren, sich auszuliefern, verletzlich zu sein, ihn ganz genau kennenzulernen. Und sie wollte all das empfinden, was das Paar auf seinem Gemälde ausdrückte – Leidenschaft und Lust, Sicherheit im Bewußtsein erwiderter Gefühle, unendliche Zärtlichkeit, eine Liebe, die den Rest der Welt ausschloß.

Gayle merkte, wie eindringlich sie ihn anstarrte, wie fasziniert er sie beobachtete. Sie zog sich seine Jacke enger um die Schultern. »Wir sollten hineingehen.«

»Ja, vermutlich.«

Aber keiner von beiden rührte sich. Mehrere Paare verließen das Lokal oder betraten es, klagten lachend über die Kälte. Ab und zu warf jemand einen neugierigen Blick auf Gayle und Brent. Sie nahmen es nicht wahr.

Unwillkürlich lächelte Gayle. Ja, sie mochte ihn. Und sie konnte die Emotionen nicht vergessen, die seine Bilder hervorgerufen hatten. »Waren Sie schon einmal so verliebt?« fragte sie träumerisch.

»Wie bitte?« Verwundert schaute er sie an.

Das Blut stieg ihr in die Wangen. Machte er sich über ihre Sentimentalität lustig. Sie dachte an Liebe, er nur an Sinnenlust. »Ach, nichts. Ich sollte nicht ... Verzeihen Sie.«

»Nein, ich muß mich entschuldigen. Sie sprachen von dem –Gemälde ›Jim und Marie‹.« Nach einer kleinen Pause schüttelte er den Kopf. »Eine solche Liebe habe ich noch nie erlebt.«

»Wie konnten Sie dann dieses Werk malen?«

»Fantasie. Hoffnung. Auf diese Weise sollten sich ein Mann und eine Frau lieben, finden Sie nicht auch?«

»Keine Ahnung ...«

»Sie müssen doch eine Meinung haben.«

»Also gut! Ja!«

»Wissen Sie, wie das ist?«

Sie merkte, daß er immer noch ihre Hände festhielt. »Das geht Sie nichts an ...«

Seine Finger schlossen sich noch fester um ihre. »Wissen Sie es?«

Krampfhaft schluckte sie. »Nein«, entgegnete sie unbehaglich und wich seinem Blick aus.

Er lächelte und flüsterte ihr ins Ohr: »Sehr gut Sie haben sich für mich aufbewahrt.«

Der sanfte Spott brach den Bann. »Sie sind wirklich auf aufgeblasener Kerl!« fauchte sie.

»Aufgeblasen? Dieses Wort mißfällt mir. ›Arrogant‹ – das klingt besser.«

»Auch das würde zu Ihrem Image passen. Aber glauben Sie mir – ›aufgeblasen‹ ist genau der richtige Ausdruck.«

Lachend legte er einen Arm um ihre Schultern. Und als seine dunklen Augen ihren Blick einfingen, stimmte sie in sein Gelächter ein, fühlte sich wunderbar erwärmt von seiner Nahe.

»Sie frieren ja«, sagte er leise. »Ich bringe Sie jetzt hinein.« Er hielt ihr die Tür auf und bahnte ihr einen Weg durch die Menge. Vage bemerkte Gayle, wie sich einige Köpfe zu ihnen wandten, daß sie Interesse erregten. Sie musterte Brents Gesicht, und was sie sah, gefiel ihr. Sein Kinn ließ auf innere Kraft schließen, aus seinen Augen sprachen Intelligenz und Herzenswärme. Und er war nur ein bißchen arrogant – nicht aufgeblasen.

Ihr prüfender Blick blieb ihm nicht verborgen, und er schaute sie fragend an. Rasch wandte sie sich ab. Sie war es nicht gewöhnt, ertappt zu werden, wenn sie einen Mann so eingehend betrachtete. Nun näherten sie sich dem Tisch, und sie wußte, daß sie etwas verlieren würde – das Glück, mit ihm allein zu sein, die einzigartige Vertrautheit, die sie geteilt hatten. »Ich würde Sie gern besser kennenlernen«, platzte sie heraus und hoffte, es hatte einigermaßen beiläufig geklungen.

Er blieb stehen und strich sich über das Kinn. »Wäre das nicht mein Text?« scherzte er.

»Oh, Sie hatten schon genug Zeilen.«

»Stehen Sie mir Modell!« drängte er.

»Ich ...«

»Noch nie habe ich einen so schönen Rücken gesehen wie Ihren. Ich habe Sie beobachtet und weiß genau, welche Stellung Sie einnehmen müßten. Es wäre kein bißchen anzüglich, das schwöre ich. Sie würden keine intimen Körperteile zeigen. Mein Gott«, stieß er leidenschaftlich hervor, »ich muß Ihren Rücken malen!«

»Meinen – Rücken?« Wider Willen war sie etwas enttäuscht. Sie hätte sich gern eingebildet, er wäre in ihr Gesicht verliebt, in ihre Augen, ihre Lippen. Aber ihr Rücken? Das klang kein bißchen erotisch.

»Denken Sie drüber nach?« fragte er in geschäftsmäßigem Ton. Und da erkannte sie, daß er sich gar nicht an sie heranmachte, sondern tatsächlich nur ihren Rücken malen wollte. »Ich wette, Sie haben Grübchen«, fügte er unvermittelt hinzu.

»Was?«

»Grübchen. Weiter unten am Rücken, auf beiden Seiten. Das muß süß aussehen.« Grinsend senkte er die Stimme. »Und sehr sexy. Stimmt es?«

»Sie haben vielleicht Nerven!« schimpfte sie.

»Klar, weil ich so aufgeblasen bin. Also?«

»Was meinen Sie?«

»Haben Sie hinten Grübchen?«

»Wie soll ich das wissen?«

Nun brach er wieder in Gelächter aus. »Sie wissen es nicht?«

»Nein! Ich laufe nur selten herum und starre auf meinen eigenen ...«

»Hintern«, ergänzte er. »Kommen Sie schon, Miß Norman. Sie haben Kunst studiert, also müssen Sie eine gewisse Ahnung von der menschlichen Anatomie haben. Jedenfalls genug, um zu wissen, was ein Hintern oder ein Gesäß oder ein Arsch ist ...«