Das Erbe der Macht - Band 29: Zeitasche - Andreas Suchanek - E-Book

Das Erbe der Macht - Band 29: Zeitasche E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Mit vereinter Kraft versuchen Alex, Kyra, Artus und Kevin den letzten der drei Seelensplitter zu finden. Doch der Ring bringt sie an einen gänzlich unbekannten Ort. Es folgt ein Kampf, der sie alle an ihre Grenzen führt. Und darüber hinaus? Gleichzeitig macht sich Max daran, den verschollenen Agenten Oliver zu suchen, der einst mit Edison zusammenarbeitete. Das Erbe der Macht ... ... Gewinner des Deutschen Phantastik Preis 2019 in "Beste Serie"! ... Gewinner des Lovelybooks Lesepreis 2018! ... Gewinner des Skoutz-Award 2018! Das Erbe der Macht erscheint als E-Book und alle drei Monate als Hardcover-Sammelband.

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Table of Contents

Zeitasche

Was bisher geschah

Prolog

1. Morgenmuffel

2. Eine Idee

3. Zwielicht

4. Ein Sturm zieht auf

5. Befragungen

6. Aveline

7. Das Rätsel von Alicante

8. Rundflug

9. Durch das Portal …

10. … der Zeit

11. Echos

12. Lingua Transformere

13. Die schwarzen Tränen

14. Atem schöpfen

15. Der Seelenschatten-Zauber

16. Überall zugleich

17. Unter der Schale

18. Die Befreiung

19. Die zweite Persönlichkeit

20. In einem dunklen Spiegel

21. Der Held des Tages

22. Der Plan

23. Wo alles seinen Anfang nahm

24. Ein Atemzug entfernt

Epilog

Seriennews

Glossar

Impressum

Das Erbe der Macht

Band 29

»Zeitasche«

von Andreas Suchanek

 

 

 

Was bisher geschah

 

Der Kampf zwischen dem Anbeginn, Merlin und den Widerständlern der Zuflucht geht weiter.

Die Magier um Alex, Jen, Max und Tomoe haben einen sicheren Hafen erreicht. Der mythische Kontinent Talanis bietet ihnen Schutz. Sie entdecken die Weiße Krypta, in der die Träger der besonderen Essenzstäbe zu Rittern der Zitadelle geweiht werden. Max, Alana, Nikki und Annora sind die ersten vier Streiter für die Zuflucht. Nun gilt es, die verbliebenen drei Stäbe zu finden, um den Widerstand gegen Merlin und den Anbeginn zu stabilisieren.

Gleichzeitig erreichen Alex, Kyra, Artus und Kevin ihr zweites Ziel. Im alten Reich der Kuyakunga bergen sie Jens nächsten Geistessplitter und können sich neue Essenzstäbe schaffen. Damit erwartet sie noch ein letzter Halt, um im Memorium alle drei Teile von Jen zu vereinen.

In der Gegenwart zerbricht das Splitterreich von Morgana. Kurz zuvor erfahren Chloe und Clara die Wahrheit über einen uralten Geheimorden. Deren Mitglieder tauschten Angehörige der inkarnierten Personen des alten Paktes aus. Auch Alex’ Vater wurde ersetzt und Jens Familie durch eine Schwester erweitert, die sie in Wahrheit niemals hatte. Am Ende werden die Sigile, Morgana, Chloe und Clara gerettet. Anne Bonny und Grace Hummiston sind erwacht und bringen mit dem Monolithen alle zurück nach Talanis.

Prolog

 

Der Himmel war so grau wie das Land, der Wind schwieg.

Zeit war bedeutungslos im täglichen Einerlei aus Erwachen und Schlaf, Regen und Sturm. Die Natur hatte sich jeden Zentimeter der Welt zurückerobert. Zerbrochener Asphalt und rostige Überbleibsel motorgetriebener Fahrzeuge lagen überall herum.

Ihre Hand zitterte.

Das Alter hatte seine Falten in ihren Körper gegraben, an jeder freien Stelle. Der Wind zerrte an ihrem Haar, die verschlissene Kleidung hatte so viele Löcher, dass sie kaum noch Schutz vor der Witterung gewährte. Sie stakste durch die Straßen.

Vor langer Zeit hatte es hier Menschen gegeben. Sie hatten gelacht und gesprochen, gegessen und geschlafen. Eine Gemeinschaft aus Unterschieden. Hätten Sie nur alle gewusst, was auf sie wartete. Möglicherweise hätte es so manchen Krieg verhindert, bedeutungslose Scharmützel im Keim erstickt.

Ganz am Anfang hatte es noch Bedeutung besessen, warum es passiert war. Wieso die Welt aufgehört hatte zu lachen, zu atmen und zu leben. Doch irgendwann hatte sie es vergessen. Die Jahre waren vorbeigezogen.

Natürlich hatte sie die Bücher. Und Selbstgespräche. Manchmal war sie nicht allein. Da konnte sie all die Echos spüren, die einst dagewesen waren.

An anderen Tagen hielt die Stille nicht nur die Welt ergriffen, sie zwang auch sie in die Knie.

Sie schritt langsam aus, zitternd und müde. Endlich tauchte es vor ihr auf: ein Bauwerk, das sich an einen Berg schmiegte. Räume und Gänge, die sich ins Endlose erstreckten.

Hoch über Alicante thronte ihr Zufluchtsort.

Von dort oben aus betrachtete sie das, was von der Welt übrig geblieben war.

1. Morgenmuffel

 

Etwas hatte ihn geweckt.

Max gähnte, rollte sich auf die Seite und genoss für einen weiteren Augenblick den wohligen Zustand zwischen Wachsein und Schlaf. Unter ihm die weiche Decke, kühle Luft im Raum, neben ihm – niemand.

Die Wirklichkeit kehrte abrupt zurück.

Ein Klopfen erklang, wie das, das ihn aufgeweckt hatte. Der Morgen dämmerte gerade. Max stieg aus dem Bett, schlüpfte in Hose und Shirt und schlurfte zur Tür.

Vorsichtig öffnete er.

»Man sollte doch meinen, dass ein Unsterblicher schneller ist«, kommentierte Chloe und trat ein. »Das ist jetzt nicht das, was ich erwartet habe.«

Max rieb sich lächelnd die Augen. »Und was wäre das?«

»Badewanne mit Blub, viel Platz … Wenigstens eine Blume in der Ecke.«

»Dafür habe ich mein Büro. Das ist total hübsch eingerichtet.«

Chloe verschränkte die Arme. »Ein Zauber macht das für dich.«

»Und?«

Sie umarmten einander.

»Also, noch immer keine Neuigkeiten, was unsere Vermissten angeht?«, fragte Chloe.

»Tomoe hat mich aus dem Investigationsteam geworfen. Sie ist der Meinung, …«

Max wurde unterbrochen, als die mittlere Schublade seines Schranks sich wie von Geisterhand aufschob. Eine pelzige Kreatur, die Ähnlichkeiten mit einem in die Länge gezogenen Hamster besaß, starrte ihn an. Das Fell zerzaust, die Augen blutunterlaufen.

»Titik!«

Die Schublade wurde wieder zugezogen.

»Du bist selbst schuld«, sagte Max. »Hättest du gestern nicht so viel Schabernack mit Nils und Piero getrieben, wärst du jetzt nicht müde!«

Ein grummeliges »Titik« erklang aus der Schublade.

»Ist jetzt nicht dein Ernst.« Chloe blickte verdutzt zwischen dem Schrank und Max hin und her. »Diese kleine Bisamratte ist jetzt bei dir eingezogen?«

»Hey, sag das nicht. Er ist sehr sensibel.« Max zog sie aus dem Zimmer. »Wir gehen erst mal was essen. Er wechselt die Schubladen je nach Laune, weißt du. Und wenn er in der mittleren sitzt, sollte man ihn besser nicht stören.«

»Unfassbar. Wir waren mal die Verteidiger der Nimags. Und jetzt hüten wir Huskys, Kinder und ein … Was ist er überhaupt?«

»Keine Ahnung. Die Lingua-Transformere-Zauber funktionieren nicht. Aber er lernt sehr schnell. Und ist handwerklich geschickt.«

»Man sieht es. Wann hast du zuletzt in den Spiegel geschaut.«

»Nicht schon wieder!« Er betastete seinen Kopf und merkte sofort, dass das Haar zu kleinen Zöpfen verknotet in alle Richtungen abstand. Mittlerweile wachte er schon gar nicht mehr auf, wenn Titik Max' Schlaf ausnutzte. Kurzerhand zog er den Essenzstab aus der Gürtelschlaufe, berührte damit sein Haar und sagte: »Tempus Reversus.«

Die Zöpfe entflechteten sich, der Ursprungszustand wurde wiederhergestellt.

»Und, konntest du dich wieder einleben?«, fragte Max.

»Clara und ich sind seit vier Tagen zurück«, entgegnete sie. »Ich stehe noch vollkommen unter Kulturschock. Ich meine, wir haben jetzt einen vereisten Keller. Und darin steht nicht nur diese Weiße Krypta, auch die Bibliothek von Camelot ist nur einen Gang weiter.«

»Hast du dir diese Barriere angesehen?«, fragte Max.

Sie erreichten den Essenssaal, wo alle möglichen Teller und Schüsselchen auf einem langen Tisch standen. Waren sie leer, füllten sie sich automatisch wieder auf, falls Tilda in der Küche für Nachschub gesorgt hatte.

»Gruselig«, bestätigte Chloe und schnappte sich einen Teller. »Wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite Antarktika liegt. Aber hey, wir sind alle dem Tod von der Schippe gesprungen und haben jetzt eine Traumakademie und so viele tolle Dinge mehr.«

Eine Horde Huskys rauschte vorbei, dicht gefolgt von Piero und Nils, die lachend Fangen spielten. Vermutlich waren die Sigilkinder ebenfalls nicht weit.

»Also, warum hat Tomoe dich aus dem Team geworfen?«, fragte Chloe, als sie endlich mit gefüllten Müslischüsseln am Tisch saßen.

»Ich habe sie wohl etwas genervt.«

»Kann ich mir vorstellen.«

»Hey!«

»Max, du bist einer der besten Agenten, die ich kenne, …«

»Der Einzige, der noch lebt?«

»… aber wenn mein Partner oder meine Partnerin verschwunden wären, könnte ich auch nicht effektiv arbeiten. Sobald es eine Spur gibt, findet Tomoe sie. Clara und ich waren auch wochenlang fort.«

»Wir wussten aber, wo ihr wart.«

»Hätte uns nichts geholfen«, hielt sie dagegen. »Gib Tomoe ein oder zwei Tage und such dir in der Zwischenzeit ein Hobby.«

»Ich könnte mich um dieses Tilda-Talid-Problem kümmern«, überlegte er laut.

»Also das ist eine ganz schlechte Idee«, stoppte ihn Chloe. »Die beiden machen einen gewaltigen Bogen umeinander. Meist sitzt Talid bei den Seelenbäumen draußen und Tilda verschanzt sich in der Küche.«

»Was ist zwischen ihnen denn vorgefallen?!«

»Keine Ahnung. Glaub mir, ich habe versucht, es rauszukriegen. Ich habe Nils gebeten zu lauschen, bevor ich Tilda zu den Bäumen gelotst habe, wo Talid gerade saß. Was, schau mich nicht so an. Irgendwie muss es doch vorangehen.«

»Und?«

»Tilda hat sich einfach umgedreht und ist wieder gegangen. Sie spricht kein Wort mit Talid. Dabei war sie doch ihr Sigil.«

»Ich dachte immer, dass sie gar keines besitzt. War wohl ein Irrtum. Wir wissen tatsächlich verdammt wenig über sie.«

Max löffelte sein Müsli. Frischer Joghurt mit Nüssen, Blaubeeren und Leinöl. Langsam stiegen die Nahrungslieferungen durch Nemo an. Gleichzeitig gediehen in den Gärten der Zuflucht immer mehr Früchte und Kräuter. Sie ließen erfreulicherweise den funktionalen aber eintönigen Proteinbrei Stück für Stück hinter sich.

»Sag mal, du als Agent«, Chloe löffelte: »Kannst du herausfinden, was aus einigen früheren Agenten geworden ist?«

Max erwiderte ihren Blick und dachte nach. »Keine Ahnung.«

»Ich würde zum Beispiel gerne wissen, was aus Oliver wurde.«

»Der Kerl, der die Wahrheit über PROTEGO aufgedeckt hat? Warum?«

»Vielleicht weiß er mehr. Immerhin scheinen er und Edison dann etwas unternommen zu haben, um zu helfen. Sobald Alex und Jen zurück sind, werden Clara und ich ihnen alles darüber erzählen. Dafür hätte ich gerne so viele Fakten wie möglich – also über die Ereignisse danach.«

»Das war vor gut zwanzig Jahren«, sagte Max. »Ich kann mich nicht an ihn erinnern. Auch aus der Zeit vor der Schattenfrau nicht.«

»Eben!« Chloe nickte mit Nachdruck. »Die Schattenfrau hat damals gewütet und alles niedergemacht. Agenten gab es bis dahin sowieso kaum noch welche. Aber was ist dann aus ihm geworden? Und gibt es vielleicht noch eine Erinnerung von ihm?«

»Das Archiv …«

Chloe winkte ab. »Jaja, alle Globen sind zerstört. Doch mal ehrlich, Max: Wir reden hier von Agenten unter der Anleitung von Edison. Denkst du wirklich, dass diese Art von Erinnerungen im Archiv waren?«

»Ehrlich gesagt habe ich noch nie darüber nachgedacht«, sagte Max. »Edison hat mich ausgebildet, aber um mir alles beizubringen, hätte es Jahre gedauert.«

»Jetzt bist du ein Unsterblicher.« Chloe deutete in eine unbestimmte Richtung. »Frag doch einfach Tomoe. Sie war schon immer dabei. Oder Johanna. Von mir aus auch Kleopatra, obwohl ich davon ausgehe, dass sie momentan keine Zeit hat. Sie hat sich in ihrem Büro eingeschlossen, und was sie dort tut, bleibt ihr Geheimnis.«

»Vielleicht ein Immortalis-Kerker-Trauma. Aber weißt du was? Ich frage tatsächlich.«

Chloe nickte zufrieden.

Gut, dass sie seine Gedanken nicht lesen konnte. Ihr Gespräch hatte ihn auf eine Idee gebracht. Er würde …

»Titik«, erklang eine Stimme neben seinem Ohr, gefolgt von einem Zupfen am Ohrläppchen.

»Ach nein, sind wir also wieder wach.«

»Titiiiiik«, kam es bettelnd.

»Schon klar. Ich bin zu gut zu dir.«

Max stand auf, ging zum Tisch und kam mit einem Schälchen voller Beeren und Nüssen zurück. Daneben stellte er ein fingerhutgroßes Glas mit Wasser.

»Titik?«

»Kein Saft! Sonst hast du wieder einen Zuckerschock.«

Nicht überzeugt, aber vom Hunger getrieben begann der Winzling zu essen. Mal eine Beere, mal eine Nuss.

Chloe seufzte, den Blick von Traurigkeit umwölkt.

»Hast du mal wieder eine Annäherung versucht?«, fragte Max.

»Noch nicht«, gestand sie. »Bisher habe ich nur die anderen Huskys gesehen, von Ataciaru keine Spur. Aber ich werde ihn nachher suchen.«

»Dann haben wir doch beide eine Aufgabe«, sagte Max zufrieden. »Du machst dich auf zu deinem Seelenverwandten, und ich finde heraus, was mit Oliver geschehen ist.«

Und darüber hinaus würde er noch etwas anderes mit Tomoe besprechen.

2. Eine Idee

 

Die Tür fiel mit einem Klacken hinter Max ins Schloss.

In der Luft lag der Geruch von Räucherstäbchen, aufgerollte Papyri hingen an den Wänden. Die Schriftzeichen waren kunstvoll gemalt, von einer Frau, die sich darauf verstand.

Tomoe saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Meditationskissen. »Ich versichere dir, es wird alles getan, sie zu finden.«

»Deshalb bin ich nicht hier.«

Titik sprang von seiner Schulter und flitzte durch den Raum, betrachtete die unterschiedlichen Gegenstände, schnupperte hier und da.

»Sondern?« Tomoe öffnete die Augen, machte jedoch keinerlei Anstalten, sich zu erheben.

»In den letzten Wochen haben wir uns stabilisiert, auch wenn es noch keinen Hinweis auf weitere Essenzstäbe gibt«, sagte Max. »Ich denke, es ist an der Zeit, einen Köcher mit Pfeilen unserem Arsenal hinzuzufügen, den wir verloren haben.«

Tomoe schmunzelte. »Ich höre.«

»Ich will das Agentenprogramm wieder aufleben lassen«, sagte er. »Im Kampf gegen Merlin geht es nicht nur darum, eine Schlacht nach der anderen zu schlagen, das haben die Ereignisse in Morganas Splitterreich gezeigt. Wir müssen ihm auch Nadelstiche versetzen, unsere Suche nach Waffen ausweiten, das Netz aus sicheren Häusern wieder aufbauen. Hätte es sich bei PROTEGOs Hinterlassenschaft tatsächlich um eine Waffe gehandelt, hätte Merlin sie möglicherweise erbeutet.«

»Dem stimme ich zu. Und mir ist natürlich bewusst, dass Edison dir gewisse Dinge beigebracht hat. Wenn auch nicht alles.«

»Dazu blieb keine Zeit.«

Max’ Gedanken richteten sich wieder auf jenen lange zurückliegenden Kampf. Sein Lehrmeister hatte sein Leben geopfert, seine Unsterblichkeit, um ihm eine weitere Chance zu geben. Kurz zuvor hatte Moriarty Max aus Rache für seine Infiltration des gegnerischen Hauptquartiers getötet.

»Aber ist dir auch klar, was das bedeutet?«, fragte Tomoe und fuhr fort, bevor Max etwas sagen konnte: »Es gibt einen Grund, weshalb Agenten bisher allein im Einsatz waren – maximal, und das nur vereinzelt, in Doppelmissionen. Sie waren der Gefahr stets am nächsten. Die Todesrate war deutlich höher als bei normalen Magiern.«

»Ich habe den Phönixring getragen und bin viele Male durch Merlin gestorben, bevor ich mein eigenes Leben gegeben habe.« Er breitete die Arme aus. »Damals wusste ich nicht, dass die Zitadelle mich als letzten Unsterblichen zurückbringt. Ich respektiere den Tod, aber Angst habe ich keine mehr vor ihm.«

»Deinen Weg zu verfolgen war etwas, das mich stets geschmerzt hat. Du musstest so viel leiden. Gleichzeitig konnte ich erkennen, wie dich jedes überwundene Hindernis geformt und gestärkt hat. Bist du auch bereit, die Verantwortung für das Leben anderer zu übernehmen? Denn du wirst mit furchtbaren Entscheidungen konfrontiert werden. Ich habe oft gesehen, wie die Menschen sich um der Macht willen an die Spitze setzen wollten. Oder aus Gründen des Egos. Doch damit gehen Verantwortung und Entscheidungszwang einher.«

»Ich werde mein Bestes geben.«

Titik hatte mittlerweile Tomoes Haare entdeckt und zog vorsichtig daran.

»Dessen bin ich sicher. Von meiner Seite steht dem nichts im Wege.«

Bevor Titik damit beginnen konnte, auch ihr Zöpfe zu flechten, glitt Tomoe geschmeidig in die Höhe. Der Winzling huschte zurück und an Max empor.

»Brauche ich … keine Ahnung: eine Erlaubnis?«

Tomoe lachte leise. »Wir werden es im neuen Rat diskutieren. Mit Annora, Johanna und den anderen, sobald sie zurück sind. Doch einstweilen unterstütze ich deine Idee.«

»Danke.«

Tomoe ließ ihre Hand durch die Luft gleiten. Ihre magische Spur brannte, Symbole entstanden. Es roch nach Kirschblüten, flüssigem Wachs und Sonnenwind. »Revelio Legatum.«

Die Magie verblasste, enthüllte jedoch keinen Gegenstand. Stattdessen schwebte ein handtellergroßes magischen Zeichen aus flüssiger Tinte im Raum.

»Was ist das?«, fragte Max.

»Das Vermächtnis von Edison«, erklärte sie. »Bestimmt für den nächsten Anführer der Agenten, sobald dieser seinen Platz einnehmen möchte.«

»Du … Das wusstest du die ganze Zeit?!«

»Aber ja.«

»Wieso hast du es mir nicht früher gesagt?!« Max konnte seinen Ärger nicht unterdrücken.

»Du warst noch nicht soweit. Dieses Zeichen wird sich auf einem deiner Knochen einbrennen und dir eröffnen, was Edison hinterlassen hat. Das mag irgendwann zu einer Waffe werden können, doch erst einmal ist es ein ungeformter Klumpen Lehm. Bist du dir wirklich sicher?«

Max nahm sich einige Sekunden Zeit, die Frage zu überdenken. Er wollte sein Wissen weitergeben, Merlin zurückdrängen, ihm endlich mehrere Schritte voraus sein. Gleichzeitig wusste er genau, was Tomoe meinte. Verantwortung bedeutete auch, Befehle zu erteilen, die anderen schadeten. Konnte er das innerlich einfach so tun? Schließlich gab er sich einen Ruck.

»Ja.«

Tomoe machte eine kurze Bewegung mit der Hand. Das Symbol schoss auf Max zu, drang in seinen Körper ein und brannte sich auf sein Schlüsselbein. Er konnte genau spüren, wo es saß.

»Das Erbe wird sich dir enthüllen, allerdings kann ich dir nicht sagen, wie und wann. Womit wirst du beginnen?«

»Ich will wissen, was mit Oliver geschehen ist«, erklärte Max.

Sie wirkte für einen Moment verblüfft. »Ich erinnere mich an ihn. Ein sehr in sich gekehrter junger Mann, der immer wieder Großartiges geleistet hat. Wenn ich mich korrekt erinnere, ist er in den Neunzigern verschwunden.«

»Also kurz nachdem er PROTEGO offenbarte?«

Tomoe nickte. »Die Suche nach ihm ergab nichts.«

»Dann muss ich wohl besser sein als alle vor mir. Ohne Mentigloben wird das eine doppelte Herausforderung.«

»Die hätten dir nicht geholfen«, sagte sie. »Damals wurde alles überprüft, was wir finden konnten. Soweit mir bekannt ist, hat Edison auch die Einsatzgloben geprüft, die er aufbewahrte. Einsätze von Agenten landeten nicht im Archiv.«

»Sondern?«

Tomoe zuckte mit den Schultern. »Es gab einen sicheren Ort. So sicher, dass ihn bis heute niemand kennt. Ich gehe davon aus, dass sich das für dich bald ändern wird.«

»Das wäre hilfreich.«

»Doch glaube nicht, dass dir etwas geschenkt wird. Edison hatte diese Art … Jeder Erfolg muss errungen werden.« Sie ging nachdenklich zum Fenster. »Manchmal fand ich das zu viel verlangt, allerdings hat er auf diese Weise die besten Magier und Magierinnen hervorgebracht.«

»Und doch lebt heute niemand mehr von ihnen.« Max wurde schwer ums Herz. »Wenn man es genau nimmt, hat es mich auch erwischt. Und jetzt bin ich ein Unsterblicher, mit einem Phönixsigil und einem Agentensymbol auf dem Knochen.«

»Vergiss nicht deinen Gefährten.« Tomoe kam langsam herüber und kraulte Titik am Kinn, was dieser sich mit einem Gurren gefallen ließ. Ein Wunder, dass keine Herzchen in seinen Augen auftauchten.

»Passt auf euch auf.«

»Immer.«

»Das wäre überzeugender, wenn du nicht mehrfach gestorben wärst.«

Max lachte auf. »Na ja, ich passe jetzt eben noch besser auf mich auf. Und sobald du weißt, was mit den anderen geschehen ist …«