Das Erbe der Macht - Band 40: Das Ende des Weges - Andreas Suchanek - E-Book

Das Erbe der Macht - Band 40: Das Ende des Weges E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Jede Geschichte hat ein Ende. Merlin hat den ultimativen Sieg davongetragen, lediglich eine Handvoll Magier konnte entkommen. Gleichzeitig dringt der Anbeginn überall auf der Welt in die Realität vor. Auch Nimags sind immer stärker betroffen. Um das Ruder herumzureißen, bleibt den letzten freien Magiern nicht viel Zeit. Sie gehen aufs Ganze. Und sind bereit, jedes Opfer zu bringen. Mit diesem Band endet die Serie »Das Erbe der Macht«. Die preisgekrönte Serie. Gewinner des "Deutschen Phantastik Preis", "Skoutz-Award" und "Lovelybooks Leserpreis".

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Seitenzahl: 212

Veröffentlichungsjahr: 2025

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DAS ENDE DES WEGES

DAS ERBE DER MACHT

BUCH 40

ANDREAS SUCHANEK

GREENLIGHT PRESS

1. Auflage Mai 2025

© 2025 by Greenlight Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag:

Greenlight Press

Gartenstr. 44B

76133 Karlsruhe

E-Mail: [email protected]

E-Book: 978-3-95834-520-1

Taschenbuch: 978-3-95834-521-8

Hardcover: 978-3-95834-522-5

Sie finden uns im Internet unter:

https://www.andreassuchanek.de

INHALT

Was bisher geschah

Prolog

Der letzte Widerstand

Über der Welt

Ein Weg der Hoffnung?

Im freien Fall

Zwischenspiel

Ein Alleingang

Das Rätsel von London

Westminster falls

Hexenholzkampf

Zwischenspiel

Inferno

Ein alter Weg

Ein Koffer voller Glück

Zwischenspiel

Ein Echo, das nicht sein kann

Von der Seitenlinie

Im Blick des Wächters

Zwischenspiel

Verstoßen

Gespräch am Grab

Das Erbe

Zwischenspiel

Ein Schluck Hoffnung

Der erste aller Bäume

Anbeginn

Was gegeben wurde als letzter Dienst

Im Ende vereint

Über den Dingen

Zwischenspiel

Abschied

Aus verlorener Zeit geborgen

Der gefallene Kontinent

Die Flamme

Zwischenspiel

My, my

Zug und Gegenzug

Das Nadelöhr

Feindliche Tinte, in Ewigkeit

Ein Schnitt …

… ein Augenblick

Memorum Excitare

Ein Licht in der Dunkelheit

Alle Macht der Welt

In Schmerz gestoßen …

… in Licht gebannt

Nachbeben

Der Staub legt sich

Ein neuer Morgen

Epilog

Seriennews

Über den Autor

Bücher von Andreas Suchanek

WAS BISHER GESCHAH

Merlin hat den Sieg davongetragen.

Durch einen perfiden Plan hat der uralte Magier sich einen neuen Körper erschaffen, in dem kein Blut vom Anbeginn mehr enthalten ist. Als die Kämpfer ihn auf Iria Kon konfrontieren und töten, stellt sich der vom Dolch durchbohrte Noxanith-Leib als der von Kyra heraus. Der Wechselbalg stirbt, wird jedoch durch die ewige Flamme gerettet und zu deren Dienerin.

Merlin hat sich damit vom Anbeginn befreit und ist auch durch den Dolch von Alexandria nicht mehr verwundbar. Die Kämpfer des Arsenals beugen ihr Haupt und willigen ein, dem Pakt des falschen Glücks beizutreten. Nur so können sie überleben. Lediglich eine Handvoll Magier entkommt. Sie finden Zuflucht in der Himmelsstadt.

Diese wurde kurz zuvor entdeckt und öffnete Alex und Jen den Weg zur ewigen Flamme. Hier kämpfen sie gegen Mordred und die Namenlose; zumindest ist das der Plan. Es stellt sich heraus, dass Letztere aber ein Wesen vom Anbeginn ist, das die Flamme in die Dunkelheit stürzen soll. Durch das Eingreifen von Kyra kann sie gestoppt werden.

Während die verbliebenen Widerständler in der Himmelsstadt ihre Wunden lecken, breitet sich der Anbeginn immer weiter aus. Kreaturen aus der alten Zeit kehren zurück.

Merlin herrscht gleichzeitig über die freien Magier, und Crowley ist sein Statthalter im Arsenal.

Damit ist allen klar: Wie es auch ausgehen mag, das Ende des Weges ist gekommen.

PROLOG

Alexander Kent

Alles begann mit einem Lauf durch die Dunkelheit. Ich bin gerannt, einfach nur gerannt. Der Gedanke lässt mich versonnen lächeln. Wie schnell sich die Perspektive, was als Problem anzusehen ist, doch ändert. Damals war es Geld, die Unterstützung meiner Mutter, meines Bruders.

Niemand wollte mich, beruflich gesprochen.

Dann kam das Licht.

Eine Reise begann, so fantastisch, so abenteuerlich, so unglaublich gefährlich. Es war ein Spaß, die ersten Zauber auszuprobieren und über dem Castillo herumzufliegen; Bier zu brauen, auch wenn es am Ende explodiert ist, und das jedes Mal. Gerade als ich mich an alles gewöhnt hatte, kam Johanna und nahm es mir wieder weg.

Ich habe vergessen.

Und dank Jen und Jules Verne meine Erinnerung zurückerhalten. Merlin erschien auf der Bildfläche, das Castillo wurde zerstört und die Zuflucht musste reisen. Ich habe Jen verloren und wiedergefunden, die Zeitlinie wurde gespalten.

Wie oft bin ich durch die Zeit gereist, durch Splitterreiche oder in Träume?

Wir haben so viel geschafft, obgleich die Karten von Anfang an zu unseren Ungunsten verteilt waren.

Noch jetzt spüre ich den vertrauten Schmerz, wenn ich an die müden Augen meiner Mutter aus der damaligen Zeit denke. Und ihren wahnhaften Blick, als sie ihr Leben wegwarf, um Merlin zu gefallen. Vergiftet vom Pakt des falschen Glücks. So viele weitere tragen den gleichen Blick, das Sigil gefangen in Ketten uralter Magie.

Nun wird es enden.

Auf die eine oder andere Art erreichen wir das Ziel unseres Weges. Man sagt, dass sich alles ändern muss, wenn es erhalten bleiben soll. Und dass die Zukunft unter Schmerzen geboren wird.

Heute wollen wir alles verändern, um die Zukunft zu retten. Schmerz gehört eindeutig dazu.

Für einen neuen Morgen!

Fiat Lux!

DER LETZTE WIDERSTAND

ÜBER DER WELT

Alex

Der Zauber verebbte, und seine Füße kamen auf dem Stein der großen Balustrade auf. Sie bildete das Ende der Himmelsstadt. Ein Schritt über den Rand, und man fiel hinab in ein Meer aus weißen Wolken.

Alex gab sich einen Augenblick Zeit, durchzuatmen. Die Sonne kitzelte sein Gesicht, und frische Luft, geschützt durch die magische Sphäre der Stadt, drang in seine Lunge.

»Ich berichte Tilda.« Tylers Essenzschwingen erloschen, und er ging nach einem Schlag auf Alex’ Schulter davon.

»Hey.« Jen trat auf ihn zu, hatte hier auf seine Rückkehr gewartet. »Du siehst müde aus.«

Er fiel fast in ihre Arme, atmete ihren Duft und hauchte einen Kuss auf die Lippen, die er gerne viel öfter liebkosen würde. Eine Woche undercover in feindlichem Gebiet war zu lang. Und letztlich war die Welt unter den Wolken vollständig feindliches Gebiet. Sie hatten nicht einmal gewagt, einen Sprungkreis zu benutzen, falls dieser irgendwie angepeilt werden konnte.

Jen löste sich von ihm. »Wie war es?«

»Der Anbeginn bricht überall auf der Welt durch«, sagte er leise. »Die Nimags halten es noch für Naturkatastrophen, aber ich habe keine Ahnung, wie lange das so bleibt. Staudämme brechen, Erdbeben lassen ganze Berge zerbersten. Wir haben uns nicht nach Antarktika vorgewagt, dort dürfte es schlimmer geworden sein. Die Aquarianer sagen, dass die Dunkelheit sich über den Rand des Kontinents ausbreitet. Und die Varye greifen vermehrt auch unter Wasser an.« Er nahm Jens Hand und sie schlenderten in die Stadt.

»Wir sprechen hier von den Flugwesen.«

»Sie wurden verändert«, erklärte er. »Und in Kürze dürften weitere Kreaturen des Anbeginns ins Meer gelangen. Die Aquarianer können sich zwar begrenzt schützen, aber das halten sie nicht ewig durch.«

Mit jedem seiner Worte wirkte auch Jen, als würde die Müdigkeit von ihr Besitz ergreifen. Und leider war er noch nicht einmal fertig.

»Unsere magischen Sensoren haben angeschlagen, Merlins Jünger haben in Paris und Deutschland Magie in den politischen Zentren gewirkt, wir wissen nicht, welche.« Er lachte bitter auf. »Als ob das in der aktuellen Lage noch eine Rolle spielen würde.«

»Vielleicht geht er fest davon aus, dass er sich dem Anbeginn gegenüber behaupten kann«, überlegte Jen. »Auf jeden Fall festigt er seine Kontrolle über die magische Welt hinaus.«

»Und da er mit seinen Jüngern direkt verbunden ist, benötigt er nicht einmal die Macht des Walls.« Alex rieb sich die Augen. »Sag mir bitte, dass die Vorräte verteilt wurden.«

Jen schmunzelte. »Wir waren hier oben nicht untätig.«

Die Himmelsstadt hatte dem überlebenden Volk aus einem Splitterreich lange Jahre als Unterschlupf gedient, bevor sie nach und nach in die menschliche Bevölkerung eingeflossen waren. Heute war wohl Tyler – Chris’ Sohn – der letzte Vertreter; und das nur, weil er aus der Vergangenheit via Zeitreise mit in die Gegenwart gekommen war.

Es gab also ausreichend Platz. Da eine komplette Stadt, nur bevölkert von den verbliebenen Widerständlern, jedoch recht leer war, hatten sie alle Häuser nah beieinander bezogen.

Nahrungsmittel waren in Speichern überraschend viele gefunden worden, magische Haltbarkeit hatte den Verfall verhindert. Die Idylle aus blühenden Gärten, gemütlichen Häusern und friedlicher Stille war fast schon surreal.

In Sichtweite rannte ein Drache von der Größe eines Autos – mit blauschwarzen Schuppen – durch die Straßen. Auf seinem Rücken saß ein winziger Pelzling von Handgröße, der an ein Erdmännchen erinnerte.

»Titik«, jauchzte er.

Eddy stieß ein freudiges Schnauben aus.

Vermutlich würde Max gleich wieder besorgt auftauchen und fragen, ob jemand seinen Drachen gesehen hatte. Wie es schien, war der junge Phönix kein guter Einfluss für den Babydrachen.

Alex’ Laune besserte sich automatisch. »Alfie?«

»Wohlauf mit Madison und Jason«, erwiderte Jen. »Sie helfen gerade Alana im Garten. Die Huskys haben Nachwuchs bekommen, und die Sigilkinder sind fasziniert und nicht mehr davon loszubekommen.«

Sie öffnete die Eingangstür zu ihrem Haus.

Niemand hier schloss ab. Wozu auch? Sie kannten sich alle. Durch die weiten Dielen ging es über glänzende Bohlen in einen Raum, der nach Sommersonne und Veilchen duftete. Auf dem Tisch standen zwei Tassen mit dampfendem Kaffee.

»Wie hast du das gemacht?«, fragte er. »Die sind ja heiß.«

»Manchmal bist du immer noch der Nimag, als der ich dich gefunden habe, oder?« Sie kicherte. »Frech auf jeden Fall, wie eh und je.«

»Danke.«

»Kein Kompliment.« Sie reichte ihm seine Tasse. »Aber um deine Frage zu beantworten: Clara und ich haben uns ausgiebig mit Scientia unterhalten.«

»Diese magische KI der Bibliothek?« Er trank und genoss den Geschmack, die Ruhe, den Frieden.

»Jedes Haus hat eine Art magischen Butler«, ergänzte sie. »Das wäre dein Auftritt, Pincerna.«

In einem Wabern erschien eine sphärische Silhouette. »Kann ich euch sonst irgendwie helfen?«

»Wow«, entfuhr es Alex. »Bier?«

»Welche Sorte?«, fragte der Hausbutler.

Jen schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Unfassbar.«

»Hey, manche Dinge sind für das Überleben essenziell«, erklärte er. »Das ist quasi gesund.« Er nannte seine Lieblingsmarke, und auf dem Tisch erschien eine geöffnete Flasche, auf deren Außenseite Kondenswasser herablief – sie war gekühlt. »Ich bin im Himmel.«

Was irgendwie tatsächlich zutraf.

»Danke, Pincerna«, sagte Jen. Die Silhouette verschwand. »Normalerweise muss er keine Gestalt annehmen, er ist quasi das Gebäude.«

Alex hatte den Kaffee abgestellt und einen Schluck Bier getrunken. »Das ist mir so was von egal. Ich mag ihn. Von ganzem Herzen.«

»Wie einfach du zu beeindrucken bist.«

»Ha, ich wette, du hast dir ein Bad einlaufen lassen, dazu ein teures Öl hineingegeben. Das ist eben deine Art der abendlichen Entspannung.«

Jen gab ein Grummeln von sich, das verdeutlichte: Er hatte ins Schwarze getroffen.

Alex wurde wieder ernst. »Vermutlich werden wir in Kürze zu einer Versammlung gerufen. Es gibt da noch etwas, das ich dir bisher nicht erzählt habe.«

Besorgnis schlich sich in Jens Blick. »Warum habe ich gerade das Gefühl, dass du dir das Schlimmste bis zum Schluss aufgespart hast?«

»So weit würde ich nicht gehen«, entgegnete er. »Aber ich habe keine Ahnung, was daraus werden könnte. Merlins Jünger haben damit begonnen, die Kuyakunga anzugreifen.«

Er musste nicht mehr sagen, Jen wusste auch so um die Bedeutung. Das geheime Reich der Hexenholz-Hüter lag in Afrika am Okavanga-River, und kaum jemand wusste davon. Bisher. Denn offenbar galten die alten Regeln endgültig nicht länger.

»Warum greift Merlin die Kuyakunga an?«, sagte Jen. »Das Letzte, was er gerade benötigt, ist Hexenholz. Oder?«

»Wer weiß schon, was in seinem Kopf vorgeht«, gab Alex zurück. »Vergessen wir nicht, was er auf Iria Kon abgezogen hat. Sein Plan ist aufgegangen, Kyra war tot und der Dolch ist gegen ihn nutzlos geworden.«

Die Waffe hatte damit jedweden Nutzen verloren. Zumindest fast.

Bevor er seinen Gedanken weiter folgen konnte, leuchtete das Rundruf-Symbol auf seinem Whisperband. Die Stimme von Tilda erklang auf geistiger Ebene: »Kommt bitte alle zur Ratshalle. Es gibt Neuigkeiten.«

Alex trank einen letzten Schluck.

Dann begaben sie sich zur Versammlung.

EIN WEG DER HOFFNUNG?

Alex

Die Ratshalle befand sich im zentralen Gebäude der Stadt. Um diese vernünftig zu erreichen, hatte jeder einen magischen Sprungkreis in seinem Haus erschaffen.

Ein simples »Corpus Disparere. Corpus Aportate« genügte, und sie standen in der Halle.

Überall flammte Essenz in den unterschiedlichsten Farben auf, Essenzechos waberten heran.

Tilda war bereits anwesend, die übrigen Träger von Essenzstäben der Macht ebenso. Sie bildeten im übertragenen Sinn wohl so etwas wie Tildas Ministerriege. Max, mit dem Essenzstab des Schutzes. Alana, die den Essenzstab des Kampfes trug. Nikki, der Essenzstab der Heilung. Annora, mit jenem der Hoffnung. Alfie, die Erneuerung. Artus, die Einheit. Und Clara, die Vollendung.

Hinzu kamen all jene, die nicht das Haupt vor Merlin gebeugt hatten. Chris, Kevin, Tyler, Kyra, Chloe mit Attaciaru und sie beide. Alfies Beziehungspartner Madison und Jason nicht zu vergessen.

Ein deutlich geschrumpfter Kreis an Widerständlern.

»Willkommen zurück, Tyler und Alex«, begann Tilda. Es folgte ein Abriss der neuen Informationen, von denen er Jen berichtet hatte. »Damit stellen sich für uns zahlreiche Fragen. Einstweilen mag niemand aktiv nach uns suchen, doch das liegt schlicht daran …« Sie seufzte.

»Dass die Welt endet«, warf Alex ein. »Wir wussten alle, worauf es hinausläuft. Über Jahrhunderte hinweg hatten wir eine trügerische Ruhe. Aber der Anbeginn hat an seiner Rückkehr gearbeitet und dafür Merlin benutzt. Der hat sich jetzt vielleicht losgesagt, doch das dürfte unseren glibberigen Quecksilberfreunden auf Antarktika egal sein.«

Chloe ließ ihre Fingerknöchel knacken. »Attaciaru und ich waren ja dort. Es mag ohne Rasputin keine ›Batterie‹ mehr geben, aber es ist wohl zu spät. Hätten wir dem Hohen Wesen früher diesen Zugang entzogen, wäre es vielleicht verendet. Doch ohne die Zitadelle kann nichts es aufhalten.«

Was das Armageddon nur noch einmal für alle verständlich in Worte packte.

»Unsere Ziele haben sich nicht verändert«, sagte Tilda mit klarer Stimme, um die Niedergeschlagenheit zu vertreiben.

Alex blickte sie an und war einmal mehr fasziniert davon, was aus ihr geworden war. Die einstige Köchin des Verlorenen Castillos hatte dort einsam und allein über hundert Jahre verbracht, weil es magisch versiegelt worden war. Nach ihrer Rettung war sie irgendwie stets da gewesen, hatte zugehört und getröstet, dazu selbstgebackene Kekse gereicht. Erst spät hatten sie begriffen, dass Tilda so viel mehr war. Ehemalige Verborgene, was gleichbedeutend war mit Agentin. Doch ein Verlust hatte sie zerbrochen. Und eine Prophezeiung zur Königin gemacht.

Sie befahl nicht, sie leitete an.

»Der Anbeginn«, schaltete sich jetzt auch Annora Grant ein. »Und Merlin.«

Bei der Erwähnung des Magiers funkelten ihre Augen, stahl Hass sich in ihren Blick.

Merlin von Avalon hatte ihre Tochter und ihren Schwiegersohn getötet und – wenn man es genau nehmen wollte – einen ihrer Enkel. Mochte der auch von seinem Bruder zurückgebracht worden sein. Ihr Gesicht war faltig wie die Schluchten im Death Valley, ihre Haltung ungebeugt.

»Wir müssen einen Weg finden, Merlins Pakt zu brechen«, sagte sie. »Und irgendwie kann auch der Anbeginn aufgehalten werden.«

»Genau dieses ›irgendwie‹ ist aber unser Problem«, meldete Max sich zu Wort. »Wir wissen, dass die Unsterblichen in der dunklen Zeit des Anbeginns die Zitadelle gegründet und den Feind zurückgedrängt haben. Doch wie? Welche Waffen habe sie genutzt? Was gab den Ausschlag?«

Clara rieb sich ihre müden Augen. »Ich habe noch nie so viel recherchiert wie in den letzten Tagen. Scientia hilft mir dabei, die richtigen Werke auszuwählen, und es gibt sogar Mentigloben hier oben, die geschützt verwahrt waren. Bisher konnte ich nichts finden. Der gesamte Zeitraum vor dem neuen Morgen, der durch Camelot eingeleitet wurde, ist vollständig aus den Aufzeichnungen ausradiert.«

Was dazu führte, dass alle sich dem Loser-König Artus zuwandten. Das würde Alex natürlich nicht laut aussprechen, er stand schließlich vollkommen über etwas Banalem wie Rachsucht. Jens Hand fester zu drücken, war ja wohl erlaubt.

»Tja, ich kann euch auch nicht viel dazu sagen«, sagte Artus. »Damals stand Merlin ja noch auf der Seite des Guten, und wir kämpften gemeinsam gegen die Reste des Anbeginns. Excalibur gab mir Visionen aus der alten Zeit, aber mein Gehirn hat glücklicherweise fast alles verdrängt. Wichtige Informationen waren nicht darunter. Normalerweise hätte ich vorgeschlagen, dass wir uns an jemanden von damals wenden: Morgana oder die Herrin vom See.« Er zuckte mit den Schultern, was die Aussichtslosigkeit dieser Idee unterstrich.

Es war niemand mehr da. Keine Unsterblichen, keine alten Wesen, die sich unter ihnen als Oberste Heilmagierin versteckten. Keine Archivarin. Die alte Garde hatte gekämpft, um ihnen eine Chance zu ermöglichen. Doch jetzt lag es in ihrer Hand. Und da die Zeitmaschine von H. G. ebenfalls zerstört war, konnten sie auch nicht auf einen Plausch zurückreisen.

»Ich stürze mich weiter in die Recherche«, sagte Clara. »Vielleicht hat Scientia noch eine Idee.«

»Ebenso«, bestätigte Max. »Ich habe einige Kisten mit Unterlagen aus dem Arsenal gerettet. Die dortigen Artefakträume habe ich versiegelt, allerdings wird Merlin das nicht lange aufhalten.«

»Was ist mit den Kuyakunga?«, fragte Alfie. »Sie werden belagert.«

»Merlin möchte wohl niemanden davonkommen lassen«, sagte Annora. »Eine sichere Enklave könnte zum nächsten Widerstandsherd werden.«

»Helfen wir?« Madison trat neben Alfie nach vorne und kurz darauf auch Jason.

Alex spürte eine flammende Woge aus Stolz in seiner Brust auflodern. Sein kleiner Bruder war ein echter Magier geworden, Träger eines Essenzstabes der Macht und mit einem eindeutigen moralischen Kompass ausgestattet.

Ihre Mutter wäre stolz auf ihn gewesen.

Was sie zu seiner Dreiecksbeziehung mit Madison und Jason gesagt hätte, wusste er jetzt nicht so genau.

»Wie sollen wir ihnen helfen?«, fragte Annora.

»Indem wir kämpfen!« Alfie stand kurz vor einer wütenden Reaktion, das konnte Alex sehen. »Sollen wir sie etwa alleinlassen?«

»Auf der ganzen Welt gibt es noch drei Widerstandsnester, von denen wir wissen«, sagte Tilda sanft. »Suni und ein paar ihrer Getreuen auf der Nautilus unterstützen die Aquarianer. Die Kuyakunga als Hüter des Hexenholzes. Und uns. In großen Kämpfen haben wir kaum eine Chance. Jeder muss seine Stärken ausspielen.«

»Oder untergehen?«, sagte Alfie anklagend.

»Ja«, bestätigte Tilda. »Es bricht mir das Herz, doch welche Hilfe wären wir?«

Die Frage hallte noch durch die Versammlungshalle, als ein Beben die Stadt erfasste.

Und dann fiel sie aus dem Himmel.

IM FREIEN FALL

Max

Die einzige Vorwarnung war das Beben.

Im nächsten Augenblick machte die Welt einen Satz. Wer sich nicht instinktiv festhalten konnte, wurde in die Luft gewirbelt und prallte gegen die Decke. Das Gewicht der Stadt riss diese abrupt in die Tiefe. Lediglich der großen Fläche war es zu verdanken, dass sie nicht senkrecht herabraste, sondern seitlich abglitt.

Das Knirschen, das Max bis ins Mark ging, verdeutliche, dass sie in wenigen Sekunden auseinanderbrechen würde.

»Wir müssen …«, krächzte er.

»Gravitate Negum.« Tilda entfesselte ihre Magie und erschuf einen Punkt im Zentrum, der als Schwerkraftsenke für sie alle fungierte.

Wer unter der Decke hing, purzelte hinunter. Wer sich am Boden befand, wurde hinaufgezogen.

Mit geschlossenen Augen hielt sie ihren Essenzstab umklammert. »Ich muss die Gravitation permanent neu verschieben, damit ich uns alle halten kann. Schnell, Träger der Machtstäbe, ihr müsst die Stadt stabilisieren.«

Zwar zog jeder seinen Essenzstab, doch niemand wusste so recht, wie sie am besten vorgehen sollten.

»Den Gravitate Negum auf die Stadt«, sagte Max. »Auf drei. Eins, zwei drei. Gravitate Negum.«

Der Zauber wurde nahezu gleichzeitig erschaffen, und sofort stabilisierte sich der Fall. Sie wurden langsamer, stoppten schließlich. In der Ferne war ein ängstliches Röhren von Eddy zu vernehmen.

Durch die Fenster des Ratssaales waren die Wolken auszumachen. Sie befanden sich in einem Meer aus purem Weiß.

»Nach oben«, leitete Max an.

Langsam hob sich die Stadt, untermalt vom ständigen Beben. Die Magie mochte ausreichend sein, den Vektor anzupassen. Doch keiner konnte die Gedanken der anderen lesen, jeder schickte leicht unterschiedliche Kraft in den Zauber. Es war ein permanentes Ruckeln und Angleichen.

Es dauerte eine Stunde, bis sie die Stadt wieder an ihrer ursprünglichen Stelle verankert hatten. Ein Agnosco von Alex enthüllte, dass es sich um eine destabilisierende Welle gehandelt hatte. Mit dem Erstarken des Anbeginns entartete die Ordnung ins Chaos.

»Früher oder später wird die Stadt fallen«, sagte Tilda. »Möglicherweise bleibt uns bald keine andere Wahl, als sie zu landen.«

Der Gedanke, dass eine Stadt dieser Größe mit der Geschwindigkeit eines Kometen durch die Atmosphäre glitt und glühend in eine Landmasse oder das Meer einschlug, war beängstigend.

»Als ob es nicht schon genug Probleme gäbe«, kommentierte Jen bitter.

»Ich habe eine Idee«, verkündete Alana. »Möglicherweise kann endlich einmal mein Garten helfen.« Bei diesen Worten stahl sich ein müdes Lächeln auf ihre Lippen. »Immerhin ist er seit dem Ende der Zitadelle und des Walls wieder deutlich stabiler.«

Annora ergriff die Hände der Pflanzenmagierin. »Was immer du tun kannst.«

»Ich sehe mal nach Eddy«, verkündete Max. »Und danach widme ich mich wieder den Überbleibseln aus dem Arsenal. Vielleicht findet sich ja noch etwas Brauchbares.«

Damit ließ er den Ratssaal hinter sich.

In seinem Inneren war die Verbindung zu Titik und Eddy deutlich spürbar. Der Phönix und der Drache, die durch ihre Verbindung zu ihm sein Sigil verändert hatten. Besagter Drache fand sich in einem Blumenbeet, wo er sich auf den Bauch gedrückt hatte und mit den Flügeln die Augen verbarg.

»Euer Ernst?«, fragte Max.

»Titik«, erklang es unter dem Flügel.

»Eddy kann fliegen, wieso hast du dich nicht auf seinen Rücken gesetzt und ihr seid in Sicherheit geflitzt?«

Der Babydrache hob ein Lid. Dann ein zweites. Titiks pelziger Kopf lugte unter einem der Flügel hervor.

Max verschränkte die Arme. »Vielleicht sollten wir ein paar Notfallregeln besprechen.«

Titik flitzte, das Fell voller Erde, an Max empor und setzte sich auf dessen Schulter. Liebevoll rieb er seine Schnauze an Max‘ Ohr.

Eddy blinzelte, sprang auf und eilte auf Max zu.

»Oh neeein, wir haben darüber gesprochen.« Er wich zurück. »Kuscheln zwischen Menschen und Drachen ist nicht so gut. Ich bin nicht robust genug ohne einen Zauber.«

Der Drache stoppte und stieß traurig ein Schnauben aus.

»Ich hole nachher die Scheuerbürste und massiere damit deine Schuppen, okay?«

Eddy sprang freudig in die Luft und wedelte mit seinem Schwanz. Mit einem Krachen starb der Gartenzaun.

»Yeah, Artus wird begeistert sein«, kommentierte Max. »Kommt erst mal mit. Ich muss mich in ein paar Bücher vertiefen und anderes Zeug.«

Gemeinsam schlenderten sie den Weg entlang. Überall grünte und blühte es, die Sonne hob seine Laune, auch wenn es keinen Grund dafür gab.

Vor langer Zeit waren all diese Häuser bewohnt gewesen. Kinder des Himmels hatten hier gelebt, den Untergang ihres Splitterreichs überdauert. Darunter auch Tylers Mutter. Und jetzt?

Manchmal glaubte Max, das Echo von Gesprächen zu hören. Am Ende war es aber doch nur der Wind.

Was würde von ihnen bleiben? Ruinen und schwarze Erde? Oder nicht einmal das? Würden in wenigen Jahren nur noch gewaltige Quecksilberseen und Lavaschluchten die Welt bedecken?

Der Gedanke machte ihn traurig.

Unweigerlich fiel sein Blick auf Eddy und Titik, die mit einer unschuldigen Freude dahinstapften (oder sich im Falle Titiks auf Max’ Schulter tragen ließen). Was war es nur, dass man jüngeren Wesen stets die Freiheit, Freude und Unschuld bewahren wollte, die man selbst längst verloren hatte?

Vor dem Haus, das er mit Kevin bewohnte, blieb er kurz stehen. »Ihr dürft im Garten spielen.«

Er hatte den Satz kaum vollendet, da waren die beiden schon auf halbem Weg in das, was einmal Blumen und Sträucher gewesen waren – jetzt eher eine Hügellandschaft inklusive einer Höhle, in der sie sich gerne versteckten.

Manchmal spielten sie auch Rollentausch, dann war Titik ein großer Drache und Eddy ein kleiner Phönix. Das führte zu ganz lustigen Szenen, sah man von Max’ gebrochener Schulter ab, als Eddy erstmals versucht hatte, sich durch die Gegend tragen zu lassen.

Während die beiden sich also beschäftigten, betrat er das Wohnzimmer. Jeder freie Fleck war von Kisten befüllt, die Überbleibsel aus dem Arsenal enthielten. Was er noch rechtzeitig hatte mitnehmen können, befand sich hier.

Die Suche ging weiter.

ZWISCHENSPIEL

Jennifer Danvers

Ich werde es nie vergessen.

Da stand er vor mir, dieser unverschämte Nimag in seiner Jogginghose und dem verschwitzten Rest. Mark war tot, und dieser Kerl sollte der Erbe seiner Macht sein?

Natürlich startete er seine Zeit im Castillo gemeinsam mit Chris bei einem Besäufnis. Sie wurden entführt, er beinahe geopfert und die Schattenfrau hatte ihren Auftritt.

Wie wenig wir damals wussten.

Die Schattenfrau, Clara.

Das Böse streckte die Hand nach der Allmacht aus, und doch gelang es uns, alles zum Guten zu wenden. Wir dachten, es sei vorbei. In Wahrheit gab sie den Startschuss. An jenem Tag, als der Onyxquader zerbrach, begann Merlins Aufstieg, ein Rückschlag gab den nächsten.

Wir wurden zu Vertriebenen, Gejagten, verloren Freunde und Gefährten. Ich selbst wurde von Merlin zerstört, meine Seele über die Zeit verteilt, zersplittert.

Doch Alex fand mich, setzte mich zusammen, brachte mich zurück. Heute ist der Drachen in mir, Arwen, fort. Ich habe Frieden gemacht mit dem Tod meiner Schwester (die obendrein ein Wechselbalg war).

Ich kann es nur wiederholen: Wie wenig wir wussten.

Jeder Einzelne von uns trägt die Narben des Weges auf seiner Seele. Wir haben gekämpft, geweint, gelacht, gesiegt und verloren. Ein Weg aus Höhen und Tiefen.

Es sind nur wenige Jahre vergangen, doch ich blicke zurück und sehe Kinder. Das waren wir. Die Kämpfe haben uns gehärtet, aber ebenso zermürbt. Unsere Gegner sind immer einen Schritt voraus.

Ist das heute auch so?

Ich weiß, dass ich alles gegeben habe. In jedem meiner Leben. Gemeinsam mit Alex. Und so das Schicksal es will, gibt es eine Zukunft. Keine weitere Inkarnation, kein erneutes Leben, keinen Kampf an der Flamme.

Guinevere und Lancelot.

Alex und Jen.

Ich lächle, eine Träne rinnt mir über die Wange. Ja, ich kann es spüren.

Es ist soweit.

Für einen neuen Morgen!

Fiat Lux!

EIN ALLEINGANG

Alex

»Ich werde ihn eigenhändig mit Kraftschlägen eindecken.« Alex war selten zuvor so wütend auf seinen Bruder gewesen.

»Er denkt, das Richtige zu tun«, merkte Jen an.

»Indem er sich in einen aussichtslosen Kampf wirft?«

»Ganz der Bruder.« Sie ließ eindeutig nicht locker. »Wofür er bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, ist doch seine Entscheidung.«

Sie standen im Ratshaus, wo auch der Ausrüstungsbereich eingerichtet worden war. Mittlerweile trugen sie beide die typische Ausrüstung aus dunkler Trekkinghose, Weste und Shirt. Die Essenzstäbe steckten im Etui, in ergänzenden Taschen am Gürtel befanden sich Ampullen mit Gegengiften der unterschiedlichsten Art, Zaubertränke und Bernsteine mit Essenz.