Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Ruf der Arktis - Antonia Michaelis - E-Book

Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Ruf der Arktis E-Book

Antonia Michaelis

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Beschreibung

Vor Island setzt Seehund Minik seine Reise fort, mit einem neuen Freund an der Seite: Puffling, dem Papageitaucher. Gemeinsam folgen sie weiter dem geheimnisvollen Klang, der sie in die Arktis führt. Von den Tieren dort lernt Minik, dass das ewige Eis gar nicht mehr so ewig ist. Schmelzende Gletscher und schwindende Eisflächen werden schnell zur Gefahr. Doch im Schein der Polarnacht stoßen Minik und Puffling auch auf viele faszinierende und uralte Wesen – und schließlich ist es der Seehund, der zum mutigen Retter wird. Aufregende Abenteuer, erstaunliche Wunder der Natur und das spannende Leben der Tiere – diese Kinderbuchreihe entführt Mädchen und Jungen ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräume der Erde. Ob im tiefen Meer, im dichten Wald oder in der Savanne: In diesen Geschichten erleben Tiere schöne und zugleich bewegende Abenteuer. Mit berührenden und coolen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Lehrreich wie ein Sachbuch und berührend wie ein Disney-Klassiker! Für Fans von Peter Wohlleben und Karsten Brensing. Alle Bände dieser Reihe: Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Aufbruch ins weite Meer Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Der Ruf der Arktis Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Abenteuer im Korallenriff Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - erscheint August 2023 Die Titel sind auf Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 158

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Für alle Kinder,die den Schnee vermissen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1

In einer klaren Nacht Ende August glänzte das Mondlicht auf einem kleinen runden Felsen vor einer Inselgruppe mit dem unaussprechlichen Namen Vestmannaeyjar.

Wenn man näher hinsah, bemerkte man, dass der Felsen mit der Schnauze zuckte. Und dass er sich nach allen Seiten umsah.

Das war ungewöhnlich für einen kleinen runden Felsen.

Und dann tauchte der Felsen weg. Offenbar war es gar kein Felsen, sondern ein Seehund. Er schwamm aufs Ufer zu, auf die Lichter der Stadt.

Die Vestmannaeyjar – zu Deutsch: die Westmännerinseln – liegen südlich von Island. Es gab keinen Grund, auf Lichter zuzuschwimmen.

Zumindest keinen Grund, den die anderen Seehunde verstanden hätten.

Sein Grund war der Klang.

Dieser geheimnisvolle, wunderbare Klang. Der kleine runde Felsen – Verzeihung: der Seehund – hatte den Klang vor einem Jahr zum ersten Mal gehört. Ein Jahr war es her, dass er seine Reise und sein Abenteuer begonnen hatte.

Natürlich wusste der Seehund nicht, was „ein Jahr“ war. Jahreszahlen sind unwichtig für Seehunde, genauso wie Uhrzeiten und Busfahrpläne, Geburtstage, Weihnachten oder Toaster. Er wusste im Moment nur zwei Dinge.

Erstens: dass er einsam war.

Er war im Frühjahr mit seinem Freund, dem Buckelwal Lottazwei, hierhergekommen, von einer Insel, die die Menschen Shetland nannten. Sie waren zu zweit gewesen, der Seehund und der Buckelwal.

Aber jetzt hatte Lottazwei kaum noch Zeit für ihn. Er sah ihn ab und zu, aber er hatte andere Freunde gefunden, andere Wale, und er jagte mit ihnen gemeinsam: Sie schlossen ganze Schwärme von Fischen in ihrem Luftblasenvorhang ein, um sie zu verschlucken. Sie sprangen aus dem Wasser, klatschten mit ihren Schwanzfluken aufs Wasser, sie spielten.

Die zweite Sache, die Minik genau wusste, war: Er wollte zu dem Klang. Unbedingt. Der Klang war an einem Ufer gewesen, bei einem Steg vor einem Menschenhaus und auf einem Schiff. Und er hatte Minik auf seltsame Weise immer glücklich gemacht.

Da war ein Kind am Ende der Spur, die der Klang malte, ein Menschenkind, und Menschen waren gefährlich.

Aber dieses eine Kind hatte ihn angesehen und es hatte mit den Augen gesprochen – wie Minik es tat. Ohne Worte. Damals.

Natürlich konnte es nicht hier sein, sagte er sich. Es war ganz woanders gewesen. Menschen blieben an einem Ort, das wusste er. Sie konnten nur mit äußeren Dingen leben: mit künstlichen Fellen, mit flachen schwarzen Muscheln, die sie sich ans Ohr hielten, mit lauten Landbooten auf Rädern … lauter Sachen, die sie irgendwo aufbewahren mussten, und deshalb hatten die Menschen Häuser und schwammen nicht durch die Meere.

Das Kind konnte also eigentlich nicht da sein.

Dennoch – wie schön wäre es, wieder Gesellschaft zu haben! Jemanden, der Miniks Neugier auf die Welt da draußen verstand!

Minik tauchte auf, sah sich um – er war schon ganz nahe am Land. Die Menschen hatten Häuser dort, alle auf einem Haufen, mit einer Menge Lichtern. Menschen tummelten sich gern an einem Fleck, wie Seehunde am Strand, und sie machten furchtbar gern alles hell. Eine blöde Angewohnheit:

Die Lichter an Land fraßen das Licht der Sterne, die man als Seehund ab und zu brauchte, um den Weg zu finden.

Eine Zeit lang war sowieso alles hell gewesen hier. Sehr seltsam, Tag und Nacht, immer hell. Seit einer Weile wurde es abends wieder ein bisschen dunkel, zum Glück. Und zack! hatten die Menschen wieder ihre künstlichen Sonnen angemacht.

Minik schüttelte sich, schwamm unter Wasser weiter, tauchte wieder auf.

Jetzt war er dicht am Ufer, am Rand der Stadt, dort, wo die Klippen wieder begannen. Er roch Menschendinge wie Rauch in der Luft.

Und dann passierte es. Ganz plötzlich.

Etwas fiel von den Klippen ins Meer. Es flog in hohem Bogen durch die Luft, ruderte mit zwei Pfoten – oder Flügeln? – und plumpste ins Wasser. Der Klang verstummte. Er war von den Klippen gekommen – war es das Ding, das den Klang gemacht hatte? Wenn es das Menschenkind war – war es etwa ins Wasser gesprungen? Zu ihm, zu Minik? Sein Herz schlug für einen Moment schneller, er tauchte, um es zu finden … Doch da war kein Menschenkind. Was ins Wasser gefallen war, jetzt wieder hochkam und an die Oberfläche ploppte, war ein kleiner grauer Vogel mit schwarzem Schnabel. Er paddelte wild mit den Füßen und sah sich panisch um.

„Was bist …?“, begann Minik, doch ehe er weiterkam, fiel noch ein Vogel von den Klippen und klatschte ins Wasser. Und noch einer. Sie fielen aus den Felsen wie reife Früchte von einem Uferbaum und einen Moment später tauchten sie auf und schwammen.

„Was seid ihr?“, fragte Minik einen von ihnen, mit Seehundgedanken, ohne Worte.

„Wir sind wir, nur wir“, sagte der kleine Vogel. „Und wir müssen weg. Schnell weg! Es war so gemütlich in unseren Höhlen, aber jetzt müssen wir weg. Es gibt Raubmöwen, die uns fressen. Es gibt Gefahren. Es gibt unbekannte Dinge. Weg, weg, weg!“

Damit erhob er sich vom Wasser, flatterte mit den Flügeln – und die anderen flatterten mit ihm. Nur ein Augenblick und sie waren verschwunden. Minik sah ihnen nach.

Der Klang war verstummt. Wenn das Kind da gewesen war, war es fortgegangen.

Das erste Licht griff schon in die Mitte der Nacht. Ein neuer Morgen würde kommen und Minik wäre wieder allein.

Aber an jenem Morgen geschah etwas sehr Merkwürdiges.

Minik war nahe bei der Stadt geblieben, aus Einsamkeit, und mit dem später werdenden Morgen waren Menschen am Hafen aufgetaucht. Sie benahmen sich alle seltsam in letzter Zeit, sie trugen kleine Stücke von hellem Fisch vor Mund und Nase, an den Ohren befestigt mit weißen Schnüren. Die Möwen sagten, die Farbe der Fische sei hellblau. Vielleicht mochten die Menschen den Geruch dieses Fisches und wollten ihn immer um sich haben.

Doch er machte sie nervös; sie wirkten alle nervöser als sonst. Sie liefen auch nicht mehr so viel herum wie früher, sie schienen sich in ihren Häusern zu verstecken. Vielleicht, dachte Minik, weil sie damit beschäftigt waren, den hellblauen Fisch so platt zu klopfen, dass sie ihn sich vors Gesicht binden konnten.

Dies jedoch war nicht das Merkwürdige, das an jenem Morgen passierte.

Nein, das Merkwürdige war noch merkwürdiger.

Minik lag nahe der Küste am Stadtrand im Wasser, als es plötzlich oben auf der ersten Klippe Aufruhr gab. Ein paar Kinder traten vorn an die Abbruchkante. Und Minik hörte den Klang wieder. Ganz leise. Durch die Luft statt durch das Wasser. Er stand im Wasser und reckte die Nase zu den Klippen. Seine langen Tasthaare zitterten und für Sekunden glaubte er, das Kind zu sehen. Sein Kind. Vielleicht war es ein Wunder. Es war zu weit weg, er konnte nichts zu ihm sagen mit seinen Augen.

Sah das Kind ihn? Erkannte es ihn? Ihn, Minik, unter Tausenden von Seehunden?

So wie er es unter tausend Menschenkindern erkennen würde?

Da war der Klang verschwunden, verweht vom Wind, und das Kind streckte die Arme aus. Gleichzeitig mit den anderen Kindern dort oben.

Jetzt!, dachte Minik. Es wird springen! Sie werden alle springen, von der Klippe ins Meer, um mit mir zu spielen! Oh, es wird so wunderbar sein, wieder Spielkameraden zu haben!

Doch die Kinder sprangen nicht. Sie warfen mit ihren ausgestreckten Armen Dinge in die Luft. Erst dachte Minik, es wären kleine Wasserbälle. Wasserbälle kannte er inzwischen: Die Menschen formten die Luft rund und wickelten danach Plastik um die Luft.

Aber dies hier waren Bälle aus Federn.

Und als sie ins Wasser tauchten und wieder hochkamen, mit einem kaum hörbaren „Plöpp“, da schüttelte Minik sich unwillkürlich.

Schon wieder diese komischen Vögel!

Aber warum warfen die Kinder sie von der Klippe?

Er sah wieder hinauf. Da stand sein Menschenkind noch immer – wenn es sein Kind war – und hielt einen Vogel fest. Und dann war Minik sich auf einmal ganz sicher, dass es ihn ansah. Es sah ihn an und warf einen letzten kleinen Vogel in die Luft. Als wollte es sagen: Hier. Ich kann nicht zu dir kommen, noch nicht, aber hier hast du einen Freund. Pass gut auf ihn auf.

Minik sah jenen letzten Federball ins Wasser plumpsen und auftauchen und er sah, wie der Federball es nicht schaffte aufzufliegen. Er war nicht wie die anderen Federbälle. Er war kleiner, ungeschickter, irgendwie fluffiger. Er flatterte mit den grauen Stummelflügeln, bekam sie nicht richtig entfaltet, flatterte weiter, strampelte mit den Schwimmfüßen, riss den schwarzen Schnabel auf und schrie.

„Aarrr! Aaaar! Urrr!“

Vermutlich hieß es: Hilfe! Ich kann das nicht!

Minik sah die anderen Jungvögel auffliegen, hinaus aufs offene Meer. Und dann sah er den Skua. Eine riesige graue Raubmöwe. Mit ausgebreiteten Flügeln war sie so groß wie er selbst. Sie stürzte sich aus dem Morgenblau des Himmels hinab, schnell wie ein Blitz, und Minik wusste, was geschehen würde, er wusste, was sie wollte: das strampelnde graue Federknäuel.

Der Skua war hungrig.

Er würde das Federknäuel mit seinem Schnabel packen und es davontragen und an Land würde er es fressen. Das war der Lauf der Dinge, er fraß kleine Vögel, wie Minik Fische fraß.

Aber an Land stand das Kind und Minik spürte seinen Blick.

Ich habe dir diesen Vogel anvertraut. Du solltest doch aufpassen.

Da schoss Minik aus dem Wasser empor, wie er es bei seinem Freund, dem Wal, gesehen hatte. Warf sich über den Vogel.

Und dort stießen sie zusammen, der Skua und er. Minik spürte die scharfen Krallen, hörte den ärgerlichen Möwenschrei. Alles war ein Durcheinander aus Flügeln und Federn und Wasser und dann –

Dann tauchte Minik hinab ins kühle Blau und neben ihm tauchte noch etwas. Jemand. Der kleine Vogel.

Er konnte besser tauchen, als er fliegen konnte, und das schien ihn selbst zu erstaunen. Miniks Kratzer schmerzten, doch das tiefe Wasser kühlte sie, und gemeinsam mit dem Vogel schwamm er in einem weiten, eleganten Bogen zurück zur Oberfläche und tauchte auf.

Der Skua war verschwunden.

Der Vogel sah Minik an. „Gerettet!“, sagte er mit seinen Knopfaugen. „Gerettet, gerettet! Ich muss fliegen, fliegen! Aber ich kann nicht. Ich will zurück!“

„Wohin zurück?“, fragte Minik.

„In die Höhle!“, sagte der kleine Vogel. „Zu meinen Eltern. Gemütlich! Warm! Oder in den Karton.“

„Beruhige dich.“ Minik schwamm im Kreis um ihn herum. „Du bist nicht mal verletzt. In welchen Karton?“

„Gemütlich! Warm!“, sagte der Vogel wieder. „Es war so, ich bin ein bisschen geflogen und ich glaube, es war falsch. Kein Meer. Keine Wellen. Harter Boden! Viel Licht! Laut! Angst! Hilfe! Karton!“

„Was für ein Karton?“

Der Vogel überlegte einen Moment. „Brauner Karton“, sagte er dann entschieden. Minik seufzte innerlich. „Aber wer hat dich da reingetan?“

„Ein Mensch. Ein kleiner Mensch. Ich sollte fliegen, aus der Höhle, zum Meer. Fliegen ist nicht so leicht. Man muss zum Meer fliegen, es glänzt im Mondlicht, sagen sie. Also bin ich eben zu einer Sache geflogen, die geglänzt hat. Sehr schön geglänzt. Aber es war kein Meer. Es war hart. Flach. Nasser Boden. Angst. Viele, viele Lichter!“

„Oh“, sagte Minik. „Du bist in der Stadt gelandet. Die Stadt der Menschen glänzt auch. Weil sie künstliche Sonnen anmachen.“

„Ja. Und dann kam der kleine Mensch. Der Karton war gut. Schön warm. Wohnhöhle. Am Morgen hat der kleine Mensch mich weggetragen, zu einem Haus mit vielen großen Menschen, und sie haben mich angeschaut. Da waren noch andere wie ich. Viele. Haben alle gedacht, sie fliegen zum Meer, und dann war es diese … Stadt. Manche waren zu schwach oder krank, die haben sie behalten. Aber ich war in Ordnung. Die Menschen sahen zufrieden aus.“ Er plusterte sich ein wenig auf, stolz. „Nur dann“, sagte er, wieder betrübt. „Dann haben sie uns weggeworfen. Vielleicht bin ich doch kaputt.“

Minik musste fast lachen, lautlos, innerlich, wie Seehunde es tun.

„Sie wollten dir helfen zu fliegen“, sagte er. „Menschen können nett sein. Was bist du überhaupt?“

„Ich? Ein unfertiger Papageitaucher. Ein Puffin.“

„Papageitaucher haben gemusterte Schnäbel“, sagte Minik.

„Mein Schnabel ist doch gemustert! Ganz furchtbar gemustert!“ Der kleine Vogel schielte auf seinen Schnabel. „Er ist … schwarz in schwarz gemustert. Ich … glaube, er wird später gemusterter. Aber meine Eltern sind Puffins. Sie haben mich gefüttert, in der Höhle. Sandaale! Lecker!“

„Sandalen?“, sagte Minik. „Ist das nicht das Menschenwort für die Dinge, die sie im Sommer an den Füßen tragen?“

„Sand-Aale! Kleine, lange Fische! Es gibt aber nie genug, früher gab es mehr, sagen sie. Weil das Meer wärmer wird. Wenn es keine Sandaale mehr gibt, wird es auch keine Puffins mehr geben. Das ist schade.“ Er sah zu Minik auf mit seinen kleinen, dunklen, vertrauensvollen Augen.

„Du bist also ein Puffin?“

„Nein. Nur fast. Ich bin ein Puffling“, sagte der Kleine.

Minik lachte wieder innerlich. „Puffling. Möchtest du das als Namen haben? Ein Name ist etwas, das einem ganz allein gehört. Etwas, womit ein Freund einen ruft.“

„Wir sind doch alle Pufflings!“

„Aber nur dich wird jemand mit diesem Namen rufen“, sagte Minik feierlich.

Er sah zur Klippe hinauf. Das Kind war verschwunden. Minik hatte es geahnt.

„Wer wird mich rufen? Wer?“, fragte der Puffling.

„Ich“, sagte Minik. „Wenn du willst. Du musst hinaus aufs offene Meer, um zu überlegen, richtig? Und ich will auch hinaus. Ich will weiter nach Norden. Neue Meere sehen. Wir könnten zusammen tauchen.“

„Oh, gut, ich muss nicht fliegen“, sagte der Puffling erleichtert. „Dann ist es okay. Ich komme mit.“

Und in Minik breitete sich ein großes goldenes Gefühl aus. Er war nicht länger allein. Niemand würde je sein wie Lottazwei, der Buckelwal, der ihn beschützt hatte. Doch vielleicht war es an der Zeit, dass Minik jemanden beschützte.

Die Puffin-Patrouille - Kinder als Retter

Papageitaucher, auf Englisch Puffins, leben pelagisch, also auf dem offenen Meer. Nur zum Brüten kommen sie an Land: an die Küsten von Island, England, Schottland und Norwegen.

Der kleine Vogel mit dem orange gemusterten Schnabel paart sich auf Lebenszeit, die Pärchen kommen schon gemeinsam bei ihrer Bruthöhle an.

Haben sie noch keine, müssen sie erst eine verlassene Höhle finden oder eine neue graben, nah bei den Klippen. In diese Höhle wird ein einziges Ei gelegt, aus dem im Frühjahr ein kleiner „Puffling“ schlüpft.

Anfangs wird er in der Höhle von den Eltern gefüttert.

Im Herbst springen die Jungen nachts von den Klippen, um loszufliegen, aufs Meer hinaus. Doch manche verwechseln das glänzende Meer mit den Lichtern der Städte.

Die isländischen Kinder laufen in Herbstnächten mit Pappkartons durch die Straßen und sammeln die verirrten Papageitaucher ein. Sie werden am nächsten Morgen zu einer Station gebracht, wo man sie untersucht. Sind sie gesund, werden sie bei den Klippen freigelassen.

Die Hauptnahrung der Papageitaucher, die kleinen Sandaale, werden immer seltener. Das liegt daran, dass sich Sandaale von winzigen Ruderfußkrebsen ernähren. Mit der Erwärmung der Meere werden Ruderfußkrebse seltener. Jedes Mal, wenn wir etwas gegen den Klimawandel tun, wie das Auto stehen lassen und stattdessen mit dem Fahrrad oder Zug fahren, tun wir also auch etwas für die Papageitaucher.

2

Er konnte nicht fort, ohne sich zu verabschieden.

Nicht, dass Seehunde sich gewöhnlich verabschieden würden, Tiere verabschieden sich nicht. Aber in ihm wuchs der Drang, Lottazwei noch einmal zu sehen, ehe er dem Ruf der großen Ferne folgte.

Und so stand er an diesem Tag still im Wasser und lauschte mit dem ganzen Körper. Seine langen Tasthaare zitterten.

Puffling paddelte an der Wasseroberfläche herum und kam ab und zu heruntergetaucht, um unter Wasser Fische zu suchen. Er schoss senkrecht ins Meer, in einem schönen Strudel aus kleinen weißen Blasen, aber jedes Mal, wenn er bei dem Fisch angekommen war, den er entdeckt hatte, war der Fisch weg.

„Es geht nicht!“, sagte er zu Minik. „Die Fische machen das falsch! Sie müssen warten!“

Da gab Minik auf, nach dem Gesang der Wale zu lauschen. Er tauchte tief hinunter, glitt auf dem Rücken über die Felskante, wo der Meeresboden sich jäh in die Tiefe öffnete. Dort wuchsen geheime Gärten aus bunten Schwämmen und Korallen und in ihnen lebten die Fische, spielten, versteckten sich. Sie hatten ihre Brutstätten dort, so wie in den Tangwiesen der Ostsee. Es war leicht, einen Fisch zu fangen.

Aber die, die Minik fing und nach oben brachte, waren alle zu groß für Puffling. Minik warf sie in die Luft, damit sie sich längs drehten, und verschluckte sie selbst.

„Sandaale!“, sagte Puffling. „So kleine lange Dinger! Die kann ich essen!“

Und dann tauchte er wieder und entdeckte zwei Fische, die klein und lang waren, doch als er sie erreichte, bohrten sie sich blitzschnell in den Boden. Verwirrt machte Minik kehrt, schwamm eine Runde, langsam jetzt, ganz langsam, um die Fische nicht zu erschrecken … und da waren sie wieder. Er fing sie nicht, sondern folgte ihnen. Sie suchten etwas. Sie sprachen mit ihren Körpern, Minik verstand sie. „Früher war mehr Plankton“, sagte der eine Sandaal mäkelig.

Ein paar große Garnelen gingen mit ihren dünnen Beinen über den Meeresboden und sahen sich mit runden, schwarzen Stielaugen um.

„Da! Schau!“, sagte der andere. „Schade, die sind zu groß. Wenn sie viel kleiner wären, könnte man sie essen. Moment. Da ist was!“ Und der Sandaal schnappte nach etwas, das so klein war, dass Minik es nicht sah. Aber er spuckte es wieder aus. „Falsche Sorte. Igitt.“

„Es ist fast immer die falsche Sorte“, sagte der andere. „Die richtige Sorte ist nur da, wo es kalt ist. Ruderfußkrebse. Sooo lecker. Ich sag ja, früher war mehr Plankton. Es ist das Meer. Es ist zu warm. Früher war es kälter. Da wuchs die richtige Sorte Plankton. Kaltwasserplankton.“

„Ist doch ganz schön, wenn es wärmer ist“, sagte der erste Sandaal.

„Schon“, sagte der zweite Sandaal störrisch. „Aber früher war mehr Plankton!“

Minik ließ sie schwimmen. Er konnte keinen Sandaal fangen, dem er zugehört hatte. Er fragte sich, warum das Wasser wärmer wurde. Lottazwei hatte das auch gesagt. Viele Tiere sagten es. Sie sagten, die Menschen machten das, damit sie besser baden konnten. Aber sie badeten gar nicht, nicht hier. Vielleicht stimmte es nicht.

Da schoss etwas senkrecht an Minik vorbei, kam wieder hoch und stieß mit ihm zusammen.

„Entschuldigung“, sagte Puffling. „Hast du einen Sandaal gefunden?“

„Fast“, sagte Minik nachdenklich. „Etwas stimmt nicht mit dem Meer. Weißt du …“

Und das war der Moment, in dem er den Gesang hörte. Gar nicht so weit entfernt.

Er kannte die Melodie nicht, Lottazwei sang anders, aber es war ein Buckelwal, ohne Zweifel. Er drehte den Kopf. Der Gesang kam näher.

Doch dann war da ein Schatten an der Wasseroberfläche, ein großer Schatten. Puffling war bereits wieder auf dem Weg nach oben, er konnte nicht sehr lange tauchen.