Das geheime Lied des Drachen: Nayla & Severin - Seleni Black - E-Book

Das geheime Lied des Drachen: Nayla & Severin E-Book

Seleni Black

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Legenden, Geschichten und hinter der Hand angeblich Erlebtes, damit muss Nayla bis zu ihrem sechzehnten Geburtstag leben. Die Legende besagt, dass ein auserwähltes Mädchen an ihrem sechzehnten Geburtstag das Lied des Drachen hören wird. Singt sie es dann, wird der Drache kommen, um sie zu holen. Doch bleibt die Frage, ob sie seine Braut werden soll, oder eben seine nächste Mahlzeit. Severin lebt seit Jahrhunderten auf der Insel der Drachen, immer und immer wieder hört er das Lied der Drachen aus der Welt der Sterblichen, doch kämpft er eisern dagegen an, die Singenden holen zu kommen, denn er weiß, sie sind nicht seine Braut. Er zieht die Einsamkeit vor, lebt in seiner Höhle und kaum einer wagt es, ihn darin zu stören. Aber sein selbst gewähltes Exil wird eines Tages aufgerüttelt, als er erneut das Lied hört. Nur dieses Mal kann er sich nicht gegen den Ruf wehren. Als er dann doch losfliegt, kommt er fast zu spät. Nur, wie soll es weitergehen? Ist er wirklich schon bereit für all dies? ************ Diese Geschichte ist in sich abgeschlossen. ************ Dieses Buch umfasst 213 Taschenbuchseiten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Copyright © 2021

Seleni Black

Kontakt: [email protected]

Covergestaltung: Copyright © 2021

Seleni Black

Coverbilder: Adobe Stock

Korrektur:

Annett Heidecke 2019

Katharina H. 2021

Beth B.H. 2021

 

Stand: Juli 2021

 

Deutsche Erste Auflage

 

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne Zustimmung der Autorin nachgedruckt oder anderweitig verwendet werden.

 

Die Ereignisse in diesem Buch sind frei erfunden. Die Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse entsprechen der Fantasie der Autorin, oder wurden in einen fiktiven Kontext gesetzt und bilden nicht die Wirklichkeit ab. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, tatsächlichen Ereignissen, Orten oder Organisationen sind rein zufällig.

 

 

1

Nayla

 

 

Es gab eine Legende die besagte, dass es ein Lied geben soll, was Drachen anlocken würde. Ein Lied, das nur ein ganz bestimmtes Mädchen zu ihrem sechzehnten Geburtstag hören würde. Sollte sie es singen, dann würde sie der Drache holen kommen und sie auf die Insel der Drachen bringen. Wenn es dazu kommen sollte, so sagte man sich, wäre sie entweder die Braut oder die Mahlzeit des Drachen.

 

Nayla hatte in zwei Wochen Geburtstag und war unglaublich nervös. In ihrer Familie gab es bereits zwei Frauen, von denen man sich erzählte, dass sie von Drachen geholt worden wären, zuletzt die Schwester ihrer Mutter. Sie war eines Tages in den Wald gegangen und nie wieder zurückgekommen. Holzfäller hatten ein Mädchen singen hören, kurz darauf war ein starker Wind aufgekommen und der Gesang mit einem Aufschrei des Mädchens verstummt.

Jeder in ihrem kleinen Dorf beobachtete Nayla seit ihrem fünfzehnten Geburtstag. Wartete darauf, dass sich auch bei ihr die ersten Anzeichen einer Melodie zeigten. Doch noch war alles still um sie.

Musik gab es nicht in ihrem Dorf, sie war sogar vom Bürgermeister verboten worden. Nichts sollte die Drachen anlocken, daher lebten sie ohne Musik. Na ja, nicht ganz. Es gab einen Tag, an dem es doch Musik gab, und zwar der Geburtstag eines Mädchens, das sechzehn wurde. Doch das lag bereits eine ganze Weile zurück. Kinder waren rar in ihrem Dorf, da viele nicht riskieren wollten, dass ihr Kind verschleppt wurde.

Nayla fragte sich, wie es wohl wäre, Musik zu hören? Würde es ihr gefallen? Was, wenn nicht?

Manchmal glaubte sie, davon zu träumen, aber woher sollte sie wissen, ob es stimmte, denn sie kannte die Musik ja nicht. Anfangs fand sie es noch aufregend, dass alle sie ansahen. Sie kam sich wichtig vor und genoss es sogar, dass ein paar der Jungs ihr besonders viel Aufmerksamkeit schenkten. Aber je mehr Zeit verging, desto weniger fand sie Gefallen daran.

Jedes Mal, wenn ein Mädchen sechzehn wurde, kamen alle im Dorf zusammen, um ihren Tag zu feiern, hatte ihre Mutter ihr erzählt. Doch eigentlich war es nur ein Vorwand, denn jeder war neugierig, ob das Mädchen anfangen würde zu singen. Ihre Mutter redete immer wieder auf sie ein, auch wenn Nayla das Lied hören sollte, so solle sie es nicht singen, unter gar keinen Umständen. Sie solle dagegen ankämpfen, denn ihre Mutter wollte sie nicht auch noch verlieren.

Sie hatte versprechen müssen, dies niemals zu tun, doch war sie auch unheimlich neugierig darauf, ob die Legenden stimmten.

„Nayla, warte mal“, rief Philia hinter ihr.

Das erst vierzehnjährige Mädchen war immer fröhlich und ließ sich nicht so schnell die Laune vermiesen.

„He, jetzt warte doch mal. Warum hast du es heute so eilig?“, wollte sie wissen.

„Meine Mutter braucht Wasser und mir ist kalt, deswegen will ich schnell zurück“, sagte Nayla zu ihrer Freundin.

Sie beide waren die einzigen jungen Mädchen im Dorf, daher waren sie irgendwie zwangsweise Freundinnen geworden.

„Aber es ist doch so ein schöner Tag, lass uns spazieren gehen.“ Sie war immer gerne draußen, doch in letzter Zeit vermied Nayla es.

„Heute nicht, vielleicht morgen“, erklärte sie Philia.

„Du bist irgendwie komisch in letzter Zeit. Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, fragte die Freundin nach.

„Ja, mir ist einfach nur kalt“, bestätigte sie ihr und ging zum Brunnen.

Die Oberfläche war freigeklopft worden, so konnte sie schnell wieder zurück.

Der Winter war ungewöhnlich hart in diesem Jahr. Wenn man länger draußen blieb, begann sogar die Kleidung zu gefrieren.

Nayla mochte die Kälte nicht, daher vermied sie es, so gut es ging, nach draußen zu gehen. „Wir sehen uns Phi“, verabschiedete sie sich und sah zu, dass sie zurückkam.

Das Haus, in dem sie lebten, war nicht groß, aber es reichte für ihre Familie.

„Wo warst du denn so lange?“, fragte ihre Mutter, kaum dass sie die Tür herein kam.

„Ich habe Philia getroffen, sie wollte etwas unternehmen, aber ich habe sie auf morgen vertröstet“, sagte sie zu ihrer Mutter.

„Ich finde es nicht gut, wenn ihr ständig zusammen seid. Die Kleine will immer in den Wald. Was, wenn du auf einmal das Lied hörst? Keiner wäre da, um dich zu beschützen.“

Wie immer machte ihre Mutter sich zu viel Sorgen, aber darüber sah sie mittlerweile hinweg.

„Keine Sorge, ich werde doch erst in zwei Wochen sechzehn, also entspann dich und ich glaube auch nicht, dass ich das Lied je hören werde. Bei Tante fing es doch auch schon früher an, wie du mir erzählt hast. Aber bei mir ist noch gar nichts. Es wird alles gut, Mutter. Ich bin in meinem Zimmer, wenn du mich brauchst.“

„Ist gut Liebes, aber wir müssen später noch über etwas reden“, kam es von ihrer Mutter, doch für den Moment wollte sie nur ihre Ruhe.

„Ja, später“, sagte sie und schloss ihre Tür.

Ihr Zimmer war nicht sehr groß, doch hier war sie ganz für sich alleine und niemand störte sie. Nachdem sie ihren Umhang abgelegt hatte, ließ sie sich auf ihr Bett fallen und sah an die Decke. Warum nur war sie ständig so müde?

 

Goldene Augen beobachteten sie, aber warum? Nayla stand in einem leeren Raum und drehte sich im Kreis, die Augen umkreisten sie, beobachteten sie, registrierten jede ihrer Bewegungen.

„Sing das Lied“, knurrte eine dunkle Stimme.

„Aber ich kenne das Lied nicht“, antwortete sie.

„Doch, es ist in dir. Sing das Lied“, kam es erneut von der Stimme, doch sie konnte nicht.

Ein Knurren war zu hören und dann schoss ein riesiger Drachenkopf aus der Dunkelheit nach vorne und riss sein Maul auf.

 

Schweißgebadet wachte Nayla auf und schlug ihre Hand vor den Mund, um jegliches Geräusch zum Verstummen zu bringen.

„Nay, alles in Ordnung bei dir?“, rief ihre Mutter durch die Tür.

„Ja, alles gut“, antwortete sie ihr, nachdem sie erst zweimal durchgeatmet hatte.

„Komm zum Essen“, kam es dann und sie stand auf und richtete ihr Kleid.

„Was hast du da drin so lange gemacht?“, fragte ihr ältester Bruder.

„Geht dich nichts an“, antwortete sie ihm und setzte sich an den Tisch.

„Was machst du überhaupt hier? Wartet nicht deine Frau zu Hause?“, fragte sie ihn.

„Die besucht ihre Familie“, meinte er nur und stützte seinen Kopf auf seine Hand. „Außerdem dachte ich mir, wäre es doch mal wieder schön, die Familie zu sehen“, ergänzte er und grinste sie dabei an.

„Sicher doch“, murmelte sie und nahm den Teller, der ihr gereicht wurde.

„Hört auf zu zanken. Ich bin sehr froh, dass du da bist, Jlay“, sagte ihre Mutter und stellte auch ihm einen Teller hin.

Nayla war sich ganz sicher, dass das nur die halbe Wahrheit war, doch nachfragen würde nichts bringen, denn man würde ihr bestimmt nicht sagen, was noch der Grund für das Auftauchen ihres Bruders war.

Die Tür öffnete sich und ihr Vater kam herein. Er arbeitete tagsüber im Wald und fällte Bäume, um sie anschließend in die Sägemühle zu bringen und dort allerhand für ihr Dorf herzustellen, was eben gerade gebraucht wurde. Es war eine gute Arbeit, aber sie war auch hart, was man ihm ansah.

„Jlay, schön dass du da bist“, begrüßte er seinen Sohn und schlug ihm auf den Rücken, dann gab er seiner Frau einen Kuss und tat das gleiche auf die Wange seiner Tochter. „Wie ich sehe, komme ich genau richtig“, meinte er, während er sich die Hände in einem Eimer Wasser wusch. „Nayla, ich habe dich heute gar nicht mit Philia gesehen, seid ihr nicht sonst immer zusammen unterwegs?“, fragte ihr Vater, als er sich gesetzt hatte.

„Ich hatte heute keine Lust, es ist mir zu kalt draußen“, antwortete sie ihm.

„Sie hat geschlafen, mehrere Stunden, ich musste Mutter sogar helfen beim Kochen“, mischte sich nun ihr Bruder mit ein.

„Halt dich da raus“, knurrte sie ihm entgegen.

„Es sieht dir gar nicht ähnlich, mitten am Tag zu schlafen. Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte ihr Vater nun besorgt wissen.

„Ja, ich bekomme vielleicht eine Erkältung. Ich geh heute einfach früher schlafen und vielleicht geht es mir dann morgen schon besser“, meinte sie und konzentrierte sich auf ihr Essen.

Dieser Traum, er ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Er hielt ihre Gedanken geradezu gefangen, was meinte die Stimme damit, sie würde das Lied in sich haben?

„Liebes, soll ich dir lieber eine Suppe kochen? Du siehst sehr blass aus“, fragte ihre Mutter.

„Nein danke. Ich werde mich einfach schlafen legen. Morgen geht es mir bestimmt schon viel besser.“ Damit stand sie auf und ging wieder in ihr Zimmer, doch schlafen konnte sie nicht, aus Angst, sie würde wieder diese Augen sehen, geschweige denn das Maul des Drachen.

2

Severin

 

 

Severin schreckte aus dem Schlaf hoch, was war das nur für ein Traum gewesen? Langsam erhob er sich und schüttelte seinen Körper. Noch träge vom Schlaf ging er zum Eingang seiner Höhle und streckte sich dort erst einmal.

Der Wasserfall vor seiner Höhle bot ihm auf der einen Seite den perfekten Sichtschutz. So konnte niemand direkt in den hinteren Teil seiner Höhle sehen. Auf der anderen Seite konnte man durchfliegen, ohne nass zu werden, hatte dann aber so das Problem, kurz darauf auf eine Steinwand zuzufliegen. Es war praktisch unmöglich, unbemerkt in seine Höhle zu kommen, ohne dass er es mitbekam, so hatte er immer seine Ruhe, niemand konnte ihn stören. Nun ja, zumindest nicht so oft. Seine Freunde schienen irgendwie immer genau den Zeitpunkt zu kennen, an dem er am wenigsten Gesellschaft haben wollte, und tauchten genau dann auf.

Er nahm Anlauf und sprang nach oben. Am höchsten Punkt breitete er seine Flügel aus und flog durch den Wasserfall nach draußen. Das ganze Jahr über blühten die Blumen und die Wiesen strahlten in einem saftigen Grün. Es gab Nahrung im Überfluss und trotzdem langweilte Severin sich immer mehr.

Ein paar Äste erregten seine Aufmerksamkeit und aus einem Impuls heraus landete er am Strand und sammelte sie mit seinen Vorderbeinen auf. Das tat er so lange, bis beide Vorderbeine nichts mehr aufnehmen konnten, und flog dann wieder zurück.

In seiner Höhle brachte er alles in den hinteren Teil und weiter in seinen Schlafbereich. Hier gab es genug Platz, damit der sich sogar in seiner ganzen Länge hinlegen konnte, ohne die Wände zu berühren, was gar nicht so leicht war, wenn man seine Größe sah.

Bei den Gängen sah es da schon ganz anders aus. Er musste seine Flügel eng anlegen, um nicht an den Wänden entlang zu schaben. Doch das war Absicht, als er das alles hier angelegt hatte. Es gab noch weitere kleinere Höhlen, aber hier in dieser hielt er sich sehr gerne auf, da er dort sein konnte, was er wollte. Überlegend sah er sich seine mitgebrachten Äste an und versuchte herauszufinden, was er eigentlich damit wollte. Ein paar Steine am Rand gefielen ihm, also suchte er ein paar zusammen und häufte sie nach und nach aufeinander.

 

Einige Zeit später betrachtete er sein Werk und war ganz zufrieden damit. In der Mitte war eine Kuhle entstanden, in die er nun die Äste legte. Aber sie wollten nicht so, wie er wollte, also riss er sie immer wieder heraus und fing von vorne an. Da es aber nach wie vor nicht klappte, flog er immer wieder los und suchte neue Äste zusammen und probierte es noch einmal.

Am Abend legte er sich dann in das vorläufige Nest, das er geschaffen hatte, und machte am nächsten Tag weiter.

 

***

 

„Sag mal, was treibst du denn da?“, fragte Renjo plötzlich hinter ihm.

Severin war so in seine Arbeit vertieft, dass er es noch nicht einmal mitbekommen hatte, wie sein Freund seine Höhle betrat.

„Geht dich nichts an“, knurrte er ihm entgegen und machte weiter mit seiner Arbeit.

„Okay, ist dir ein Fels auf den Kopf gefallen? Oder hast du dich gestoßen?“, fragte Renjo nach und legte sich am Rand der Höhle hin.

„Wieso gehst du gleich davon aus, dass ich mich irgendwie verletzt habe? Kann ich nicht einfach mal meine Höhle herrichten, ohne mir gleich etwas von dir anhören zu müssen?“, wollte Severin wissen.

„Klar kannst du, es sieht dir nur so gar nicht ähnlich. Das ist alles.“

Severin hielt in seinem Tun inne und wandte sich seinem Freund zu. „Ganz ehrlich, keine Ahnung, wieso ich auf einmal das alles will, aber ich will es und es macht mir Spaß, das alles hier zu bauen.“

Verständnisvoll nickte sein Freund und stand wieder auf. „Gibt es was zu essen bei dir?“, damit verwandelte er sich und ging weiter in die Höhle rein.

„Wieso kommst du immer zu mir zum Essen? Besorg dir doch selbst mal was“, sagte er, tat es aber seinem Freund gleich.

„Dein Lagerraum ist viel größer als meiner, daher sind meine Vorräte immer so schnell aufgebraucht“, antwortete ihm Renjo.

„Dann such dir einen neuen Unterschlupf. Ich habe keine Lust, dass du mir immer alles wegfutterst.“ Es stimmte nicht ganz, Severin teilte gerne mit seinen Freunden und er hatte immer mehr als genug auf Lager. Aber so waren sie nun mal, sie diskutierten miteinander und setzten sich anschließend in aller Seelenruhe zusammen, um gemeinsam zu essen. So war es auch dieses Mal, nur dass Severin eben keine Ruhe fand.

„Ich frage mich, wann das nächste Lied erklingen wird“, kam es auf einmal von Renjo.

„Es erklingt immer seltener. Wenn man bedenkt, dass das letzte Mal vor acht Jahren war, ist das eine sehr lange Zeit. Im Gegensatz zu früher, wo es fast jedes Jahr ein bis zweimal vorkam.“

Sein Freund nickte.

„Am liebsten würde ich in die Menschenwelt fliegen, um nachzusehen, warum die Abstände so groß sind, doch lässt sich das Tor nicht so einfach öffnen.“

Das magische Tor, das sich nur dann öffnete, wenn ein erwähltes Mädchen das Lied sang, blieb nur für etwa vierundzwanzig Stunden geöffnet. In dieser Zeit musste der Drache auf die andere Seite, die Singende finden und wieder zurückkehren.

Schaffte er es nicht, war er gefangen in dieser anderen Welt, bis der nächste Gesang erklang, es sei denn, er brachte die Erwählte dazu, erneut zu singen. Blöd nur, wenn er diese bereits gefressen hatte, wenn es nicht seine Braut war.

Nur wenige kehrten je zurück, meist starben sie auf der anderen Seite, weil es zu kalt für sie wurde. Nicht, dass die Drachen Kälte nicht vertrugen, aber ab einer bestimmten Temperatur waren sie geschwächt und wenn sie es dann nicht schafften, einen warmen Platz zu finden, erfroren sie, denn ihre Gestalt konnten sie nur in ihrer Heimatwelt verändern. Was es ihnen praktisch unmöglich machte, auf der anderen Seite zu überleben, denn das Nahrungsangebot dort war wesentlich geringer als bei ihnen.

„Wir werden es sehen, das Lied wird kommen. Es kam bisher immer, auch wenn es seltener wird“, sagte Severin.

Nachdem sie beide noch etwas zusammengesessen hatten, ging Renjo schweigend und er selbst wandte sich wieder seinem Nest zu.

 

***

 

Nacht für Nacht schlief er darin und nahm dann Änderungen daran vor, die ihn in der Nacht zuvor gestört hatten.

Insgesamt dauerte das Ganze fast ein Jahr, bis er soweit zufrieden war und machte sich dann daran, seine Höhle weiter auszubauen. Er hatte eine Quelle gefunden und wollte nun wissen, wo diese hinführte. Er musste nicht lange graben, bis er einen Hohlraum fand, in dem es warme Quellbecken gab.

„Na, das nenne ich doch mal praktisch“, sagte er zu sich selbst und nutzte auch gleich die Gelegenheit, um ein Bad zu nehmen. Eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum kalten Wasser des Wasserfalls.

Plötzlich stockte er.

Das Lied, Severin konnte es ganz klar hören, doch fühlte er auch, dass es nicht die Seine war, die sang. Trotzdem musste er gegen den Drang ankämpfen, nicht auf der Stelle loszufliegen. Er konnte nicht sagen, woher er es wusste, dass die Singende nicht die seine war, doch so war es.

 

Später am Tag, er war gerade dabei, wieder Nahrung für sein Lager zusammenzusuchen, als das Leuchten des sich schließenden Tores verkündete, dass die Drachen zurück waren, die auf der Suche gewesen waren. Leuchtete es rot, hatten es ein oder mehrere Drachen nicht geschafft. Doch leuchtete es blau, waren sie zurück und einer von ihnen hatte seine Braut oder das nächste Opfer bei sich.

Severin flog zurück und wollte schon tiefer in seine Höhle, als erneut das Lied erklang und dieses Mal sorgte der Gesang dafür, dass er alles fallen ließ und sich auf direktem Weg zum Tor machte.

3

Nayla

 

 

Nayla war einerseits nervös, andererseits wäre sie froh, wenn alles schon vorbei wäre. Die letzten zwei Wochen hatte sie noch mehr unter Beobachtung ihrer Mutter gestanden, als es sowieso schon der Fall war.

Wann immer sie sich mit Philia treffen wollte, mussten sie entweder im Dorf bleiben oder ihr Bruder begleitete sie beide, was nicht sonderlich auf Begeisterung traf und das auf beiden Seiten.

„Und bist du schon aufgeregt wegen heute Abend?“, fragte ihre Freundin.

„Na ja, es geht so“, antwortete sie und sah sich weiter im Wald um.

„Ich finde es aufregend, noch dazu, weil auch deine Verlobung mit dem Sohn des Bürgermeisters bekannt gegeben wird. Du hättest es schlechter treffen können“, sagte ihre Freundin und grinste dabei breit.

„Wegen mir hätte ich es gar nicht treffen müssen. Warum soll ich jemanden heiraten, den ich überhaupt nicht kenne?“, fragte sie ihre Freundin, doch diese zog nur die Schultern hoch.

„Nun, er hat Geld und sieht wirklich gut aus. Was willst du mehr? Außerdem werden sich deine Eltern freuen, denn sie werden mehr geachtet werden im Dorf.“

Ja und genau das war wahrscheinlich der einzige Grund, wieso ihre Eltern diese Ehe arrangiert hatten.

An dem Abend, als es ihr nicht gut ging, war sie noch einmal um dieses besondere Gespräch unbewusst herumgekommen. Doch schon am nächsten Tag hatten sie ihre Eltern auf die Seite genommen und verkündet, was sie mit dem Bürgermeister abgemacht hatten.

Seitdem schien es ihr nur noch schlechter zu gehen. Sie wollte das alles nicht und schon gar nicht mit einem, wie dem Sohn des Bürgermeisters. Auch an ihre Ohren waren bereits Gerüchte über ihn angekommen.

 

Am Abend zog sie, auf Wunsch ihrer Eltern, ihr bestes Kleid an und ging mit ihnen auf den Platz in der Mitte des Dorfes, wo sich alle versammelt hatten, um mit ihr gemeinsam ihren Geburtstag zu feiern.

„Geht es dir gut?“, wollte ihre Mutter wissen und betrachtete sie sehr nervös.

„Ja Mutter, alles ist gut“, bestätigte sie ihr nun schon zum gefühlt einhundertsten Mal.

Auch die Blicke der Bewohner entgingen ihr nicht. Jeder schien darauf zu warten, dass sie anfangen würde zu singen. Viele gratulierten ihr und freuten sich, diesen Tag mit ihr zu feiern, doch sie konnte sich nicht so richtig dafür erwärmen, denn Nayla wusste, was als Nächstes kommen würde.

„Meine Lieben, wir feiern heute Naylas sechzehnten Geburtstag und ich kann mit großer Freude verkünden, dass ihre Eltern und ich uns darüber einig sind, dass es das perfekte Alter für ein junges Mädchen ist, schon für die Zukunft zu planen“, rief der Bürgermeister von seinem erhöhten Platz aus. „Daher möchte ich mit Freude die Verlobung meines Sohnes Fintan und Nayla bekannt geben.“

Ihr wurde schlecht, nicht nur übel, sondern sie war kurz davor sich zu übergeben. Sie wollte diesen Kerl nicht heiraten. Er war eingebildet, denn so wie er auf die Leute herabsah neben seinem Vater, konnte er kein guter Mann sein. Er hatte viel Zeit außerhalb des Dorfes verbracht und war erst seit einer Woche wieder hierher zurückgekommen. Niemand kannte ihn so richtig und noch weniger Nayla. Nein, sie wollte ihn nicht.

Ihre Eltern drängten sie nach vorne und neben den Mann, den sie heiraten sollte. Dieser griff nach ihrer Hand, doch sie entzog sie ihm wieder, was einigen nicht entging.

„Nayla, er ist jetzt dein Verlobter, bitte benimm dich.“

Sie verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und hob das Kinn. Sie würde und wollte diesem Fremden nicht die Hand reichen und das gab sie auch ganz klar zu verstehen.

„Wie mir scheint, müssen die beiden sich erst noch besser kennenlernen, aber ich bin mir sicher, die Hochzeit wird nicht lange auf sich warten lassen. Feiert, dies ist ein großer Tag für uns alle.“

Musik setzte ein und Nayla war sofort gefesselt davon.

„Möchtest du tanzen?“, fragte Fintan neben ihr.

„Nein, danke“, sagte sie und wandte sich von ihm ab, um zu ihrer Freundin zu gehen.

„Oh je, scheint kein guter Start bei euch zu sein“, meinte diese und sah Nayla traurig an.

„Ich mag ihn nicht und ich werde alles daransetzen, um diese Verlobung irgendwie wieder zu lösen“, sagte sie zu ihrer Freundin und meinte es auch so.

„Gib ihm doch eine Chance, vielleicht ist er ja gar nicht so schlimm, wie du denkst“, schlug Philia vor und beide sahen besagten Mann an.

Dieser stand umringt von den älteren Mädchen des Dorfes da und schien sich offensichtlich sehr wohlzufühlen.

„Nein, ich glaube, mein Eindruck von ihm ist schon ganz richtig. Lass uns irgendwo hingehen, wo wir die Musik genießen können und unsere Ruhe haben“, schlug sie vor und Philia nickte zustimmend.

 

Den Rest des Abends verbrachten sie auf der kleinen Holzbrücke, wo sie sich hingesetzt hatten, um das Fest weiter zu beobachten. Je später es wurde, umso betrunkener wurden die Erwachsenen und Nayla konnte beobachten, wie ihr Zukünftiger mit einem der Mädchen, die noch nicht verheiratet waren, im Heuspeicher verschwand.

Sie hatte also recht gehabt. Für sie ein weiterer Grund, diesen Mann auf gar keinen Fall zu heiraten.

„Tut mir leid für dich“, meinte Philia neben ihr.

Sie musste es ebenfalls gesehen haben, doch Nayla zog nur die Schultern hoch. „Ich habe eh nicht vor, ihn zu heiraten, daher kümmert es mich auch nicht. Was wollen wir morgen unternehmen?“, fragte sie ihre Freundin und lächelte dabei.

„Ich soll für meine Mutter in den Wald gehen und die Fallen überprüfen. Hast du Lust, mitzukommen?“, wollte sie wissen.

„Klar, wann willst du los?“, fragte Nayla nach.

„Gleich morgens, dann sind die Fallen bis zum Abend vielleicht noch mal gefüllt.“

Klang vernünftig, also verabredeten sie sich für den nächsten Tag und gingen nach Hause.

„Du bist schon zurück? Hast du keine Lust mehr zu feiern, mein Schatz?“, fragte ihre Mutter, die neben ihrem Vater am Feuer saß.

„Nein, mir reicht es für heute. Ihr seid ja auch früher gegangen.“

Beide wechselten einen kurzen Blick, sagten aber nichts dazu, was ihr Antwort genug war. Voll eklig.

„Hat sich Fintan nicht gut um dich gekümmert?“, wollte ihr Vater wissen.

„Oh, er hat sich gekümmert, nur eben nicht um mich. Talia scheint es ihm recht angetan zu haben. Ich werde jetzt ins Bett gehen, gute Nacht“, sagte sie und wandte sich ab und schloss kurz darauf die Tür hinter sich, mit den sprachlosen Blicken ihrer Eltern noch vor Augen.

 

Eine singende Frau, die durch den Wald lief. Nayla versuchte die Worte, die sie sang, zu verstehen, doch war sie noch zu weit weg. Mit schnellen Schritten lief sie ihr nach, bis sie eine Lichtung erreichten. Aber auch hier verstand sie sie nicht. Es waren Worte, die Nayla so noch nie gehört hatte. Doch jedes einzelne dieser fremden Worte, brannte sich bei ihr ein, sie hätte gar nichts dagegen tun können. Aber was dann kam, fesselte ihren Blick, bannte sie an Ort und Stelle fest und ließ ihr Herz rasen.

Der Wind nahm noch mehr zu, wirbelte den Schnee auf, umspielte die Frau auf der Lichtung und dann brach es aus den Wolken: ein riesiges, geflügeltes Tier. Mit kräftigen Flügelschlägen kam es dem Boden immer näher, dann packte es die Frau mit seinen Vorderbeinen und flog wieder höher, immer und immer höher, bis es in den Wolken verschwand.

Nayla trat auf die Lichtung und konnte nicht fassen, was sie dort gerade gesehen hatte. War das ein Drache gewesen?

 

Erschrocken fuhr sie aus dem Schlaf hoch und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Was für ein Traum, er hatte so real gewirkt. Warum war die Frau nicht davongelaufen? Sie hatte einfach nur dagestanden und nach oben gesehen, hatte gewartet.

Stimmen im Vorraum erregten ihre Aufmerksamkeit, also stand sie auf und öffnete leise ihre Tür.

---ENDE DER LESEPROBE---